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German Pages 498 Year 2009
Schriften zum Internationalen Recht Band 182
Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nach polnischem Vorbild Von
Corinna Franke-Wöller
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CORINNA FRANKE-WÖLLER
Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nach polnischem Vorbild
Schriften zum Internationalen Recht Band 182
Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nach polnischem Vorbild
Von
Corinna Franke-Wöller
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-12773-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meiner Familie
Ich hatte begriffen, dass Kinder eine Macht sind, die man zur Mitwirkung aufmuntern und durch Geringschätzung verletzen kann, mit der man aber auf jeden Fall rechnen muss. Janusz Korczak
Vorwort Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die von der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt (Oder) Ende 2006 angenommen und von mir im Juni 2007 verteidigt wurde. Im Mittelpunkt der Doktorarbeit stehen die Untersuchung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten sowie die Frage, ob er ein Modell für Deutschland sein könnte, das eine derartige Institution bislang nicht besitzt. Die berücksichtigte Literatur ist größtenteils auf dem Stand des Abgabedatums im Dezember 2006. Ende 2008 hat es in Polen jedoch eine Novellierung des Gesetzes über den Kinderrechtsbeauftragten gegeben. Diesbezügliche Änderungen, die auch zu neuen Bewertungen führten, wurden eingearbeitet. Einige weitere einschlägige Neuerscheinungen fanden ebenso Eingang in die vorliegende Ausgabe. Ganz herzlich danken möchte ich vor allem meinem betreuenden Doktorvater, Prof. Dr. Bogusław Banaszak, der meine Dissertation mit großem Sachverstand, viel Engagement und Herz begleitet hat. Prof. Dr. Banaszak hat mich immer wieder ermuntert und mir wertvolle Hinweise gegeben. Er hat am erfolgreichen Abschluss dieses Projekts großen Anteil. Ebenso wichtig war für mich die Unterstützung durch Prof. Dr. Alexander von Brünneck. Für die unkomplizierte Übernahme des Zweitgutachtens herzlichen Dank. Außer an die beiden Berichterstatter, Prof. Dr. Bogusław Banaszak und Prof. Dr. Alexander von Brünneck, soll auch ein Dank an die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gehen, die mich als externe Doktorandin in allen formalen Angelegenheiten hervorragend unterstützt hat. Dr. Manja Hussner stand mir als Freundin und Kollegin von Anfang an stets beratend zur Seite, wenn es galt, grundlegende strukturelle Fragen zu klären. Ihre unermüdliche Bereitschaft, die Dissertation Korrektur zu lesen und mir mit Ideen und Vorschlägen – auch aus dem fernen Taschkent – beizustehen, werde ich nicht vergessen. Für weitere wichtige Ratschläge und wertvolle Korrekturen bin ich Prof. Dr. Jens-Ole Schröder sehr dankbar. Für die Unterstützung bei der Anfertigung der Übersetzungen vom Polnischen ins Deutsche, die für den Abschluss der vorliegenden Doktorarbeit notwendig waren und bisweilen zu
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Vorwort und Danksagung
munteren Diskussionen führten, geht ein herzlicher Dank an meine Mutter, Halina Szota-Franke. Meinen Eltern möchte ich von ganzem Herzen dafür danken, dass sie mir die für die Anfertigung dieser Doktorarbeit notwendige Ausbildung ermöglichten. Ihnen und meinen Großeltern danke ich zudem ausdrücklich dafür, dass sie nie am Erfolg meines Dissertationsprojektes gezweifelt haben. Ihre unermüdliche Unterstützung bei der nicht immer einfachen Literatursuche in Polen war schon sehr bemerkenswert! Mein Mann, Prof. Dr. Roland Wöller, hat alle Phasen der Entstehung dieser Arbeit erlebt und immer dafür gesorgt, dass mir nie der Mut sank. Sein Zuspruch hat mich immer wieder motiviert, dieses Projekt weiter hartnäckig zu verfolgen. Einen herzlichen Dank dafür! Meiner Familie – meinen Eltern, Großeltern und meinem Mann – soll dieses Buch daher auch gewidmet sein. Dresden/Berlin, im Juni 2009
Corinna Franke-Wöller
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Thema und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“ im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Herleitung der Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungsstufen der Menschen- und Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . 3. Der internationale Schutz von Kinderrechten zwischen 1924 und 1989. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die UN-Kinderrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Weltkindergipfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entwicklung der Institution Ombudsmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entwicklung der Institution Kinderombudsmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überblick über die Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ein Kinderombudsmann auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene und Europaratsebene? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinderrechtsbeauftragte in Polen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Ombudsmanninstitution in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsstellung und Rechtsstatus des Bürgerrechtsbeauftragten . . . . . 2. Ernennung und Abberufung des Bürgerrechtsbeauftragten . . . . . . . . . 3. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des Bürgerrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen 1. Debatte im Parlament um die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten von 1990–1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Debatte in der Nationalversammlung um die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in die Verfassung von 1993–1997. . . . . . . . 3. Debatte im Parlament um die Ausgestaltung des Kinderombudsmanngesetzes von 1997–2000. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Regierungs- und der Abgeordnetenentwurf zum Kinderombudsmanngesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verabschiedung und Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten. . .
C. Der I. II. III.
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Inhaltsverzeichnis V.
Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die polnischen Verfassungsorgane im Rahmen der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Kinderbeauftragte – ein Verfassungsorgan der Kontrolle und des Rechtsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstatus des polnischen Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . 3. Wahl und Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des polnischen Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aufgaben des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff des Kindes und des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Begriff des Kindeswohls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kinderrechte in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Rechtsquellensystem in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die allgemein verbindlichen Normativakte . . . . . . . . . . . . (2) Die nach innen gerichteten Normativakte . . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über Kinderrechte enthaltende Rechtsakte . . . . . . . cc) Untersuchung ausgewählter Kinderrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Informationsbeschaffungs- und Interventionskompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Organen der öffentlichen Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zusammenwirken mit den Organen der Kontrolle und des Rechtsschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zusammenwirken mit dem Ombudsmann . . . . . . . . . . . . . (2) Zusammenwirken mit der Obersten Kontrollkammer und dem Landesrat für Rundfunk und Fernsehen. . . . . . . bb) Zusammenwirken mit der Legislative – dem Sejm und Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenwirken mit der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zusammenwirken mit dem Staatspräsidenten . . . . . . . . . . (2) Zusammenwirken mit dem Ministerrat und der Regierungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenwirken mit der Judikative. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und mit dem Europäischen Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC) . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Beschränkungen der Aufgaben und Kompetenzen durch die elterliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Arbeitsweise des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisation des Büros des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitsorganisation des Kinderombudsmannbüros . . . . . . . . . b) Finanzielle Ausstattung des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Grundlagen für den Haushalt des Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliche finanzielle Ausstattung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . d) Eingang und formale Bearbeitung der Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontaktaufnahme mit dem Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . bb) Die formale Bearbeitung der Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland? . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte von Kindern in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff des Kindes in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsausübungsfähigkeit von Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untersuchung einiger ausgewählter Grundrechte in Bezug auf Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . bb) Die allgemeine Handlungsfreiheit, das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Schutz der Jugend nach Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der Kommunikationsfreiheit sowie der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Schutz von Ehe und Familie, des Elternrechts und der Gleichbehandlung unehelicher Kinder nach Art. 6 Abs. 1, 2, 3 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der staatliche Schulerziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG . d) Reformbestrebungen zur Einführung von Kinderrechten in das Grundgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfach-gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz der Rechte von Kindern durch die familienrechtlichen Bestimmungen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechte der Kinder nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Völkerrechtliche und europarechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution? . . . . . . . 1. Standards für eine Kinderschutzinstitution in Deutschland. . . . . . . . . . a) Standards bzgl. der formellen Ausgestaltung von staatlichen Kinderschutzinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Standards bzgl. der materiellen Ausgestaltung von staatlichen Kinderschutzinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche und faktische Defizite im bestehenden System der Institutionen hinsichtlich der Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstellung, Rechtsstatus sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise der Kinderkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Würdigung der Kinderkommission . . . . . . . . . . . . . b) Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des Petitionsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Würdigung des Petitionsausschusses. . . . . . . . . . . . c) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des BmFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Würdigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Jugendämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Ausführungen zum Jugendamt . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Träger der Jugendhilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Jugendamt im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise der Jugendämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsstellung des Jugendamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ziele der Jugendhilfe und des Jugendamtes. . . . . . . . . . . . (3) Aufgaben und Kompetenzen des Jugendamtes . . . . . . . . . (4) Arbeitsweise des Jugendamtes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Rechtliche Würdigung des Jugendamts. . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Gerichte – insbesondere das Jugendgericht, das Familienund Vormundschaftsgericht unter besonderer Berücksichtigung der Gerichtshilfen des Jugendamtes und des sog. „Anwalts des Kindes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Jugendstrafrecht und die Jugendgerichte . . . . . . . . . . (a) Die Jugendgerichtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Familien- und Vormundschaftsgerichte . . . . . . . . . . . . (a) Die Unterstützung des Jugendamts vor dem Vormundschafts- und Familiengericht gemäß
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Inhaltsverzeichnis § 50 KJHG (SGB VIII) (sog. Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG (sog. Anwalt des Kindes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Würdigung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Landeskinderbeauftragten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Kinderbeauftragte von NRW – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Kinderbeauftragte von Schleswig-Holstein – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Kinderbeauftragte von Sachsen-Anhalt – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtliche Würdigung der Landeskinderbeauftragten . . . . . . 3. Erfüllt eine Institution die formellen und materiellen Standards? . . . 4. Erfüllt das Institutionensystem insgesamt die Standards? . . . . . . . . . . 5. Behebung der Defizite durch Modifizierung bestehender Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland in Anlehnung an das polnische Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Aspekte einer Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . aa) Ein Kinderrechtsbeauftragter als Verfassungsorgan?. . . . . . . . bb) Der Kinderrechtsbeauftragte als „vierte Gewalt“?. . . . . . . . . . cc) Der Kinderrechtsbeauftragte als öffentlich-rechtlicher Beauftragter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Begriff des öffentlich-rechtlichen Beauftragten . . . . (2) Gründe für die Einführung von öffentlich-rechtlichen Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Allgemeine Aufgaben und Befugnisse von öffentlichrechtlichen Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtliche Voraussetzungen für die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Die öffentlich-rechtlichen Bundesbeauftragten. . . . . . . . . (a) Die öffentlich-rechtlichen Bundesbeauftragten der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der öffentlich-rechtliche Bundesbeauftragte der Legislative – der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Konsequenzen für die Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Kinderrechtsbeauftragte im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Kinderrechtsbeauftragte im bundesstaatlichen System Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis b) Möglicher Rechtsstatus eines Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . c) Mögliche Bestimmungen zur Wahl und Abwahl des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mögliche Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise eines Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Aufgaben eines Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . (1) Das Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . (2) Die Informationsbeschaffungskompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Kinderrechtsbeauftragte als Ansprechpartner. . . . . . . (a) Der Kinderrechtsbeauftragte als Petitionsinstanz . . . (b) Der Kinderrechtsbeauftragte als Beratungs- und Informationsinstanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . (4) Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . (5) Das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Organen der öffentlichen Gewalt . . . . . . . . . . . . . (a) Zusammenwirken mit der Legislative . . . . . . . . . . . . . (b) Zusammenwirken mit der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . (c) Zusammenwirken mit der Judikative . . . . . . . . . . . . . . (d) Das Zusammenwirken mit Organen der Länder . . . . (e) Die Zusammenarbeit mit nationalen Verbänden, internationalen Organisationen und dem ENOC . . . . cc) Die Arbeitsweise des Kinderrechtsbeauftragten . . . . . . . . . . . . (1) Organisation des Kinderbeauftragtenbüros . . . . . . . . . . . . . (2) Finanzielle Ausstattung des Kinderrechtsbeauftragten. . . 2. Der deutsche Kinderrechtsbeauftragte in Bezug auf die ENOCMaximen und „Pariser Prinzipien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die neue Kinderschutzinstitution als Zusatz- oder Ersatzangebot?. . . 4. Die konkreten Voraussetzungen für die Umsetzung des Vorschlags. .
377 378 381 383 385 385 387 388 388 390 391 391 393 393 396 398 400 401 402 402 405 405 406 408
E. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 I. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 F. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (a) Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pariser Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. ENOC-Standards. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. European Convention on the exercise of children’s rights (Auszug). .
422 422 422 426 432 435 439
Inhaltsverzeichnis VI. VII. VIII. IX. X.
Aufgabenbereiche der polnischen Regierungsverwaltung . . . . . . . . . . . Übersicht über die polnischen Bürgerrechtsbeauftragten seit 1988. . . Übersicht über die polnischen Kinderrechtsbeauftragten seit 2000. . . Aufbau des Jugendamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzentwurf über die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 439 440 440 441 442
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Dokumente/Drucksachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Gesetzesverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Quellen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. AdR A. d. V. a. F. AöR Art. Artt. Bearb. BGB BGBl. BGHSt BGHZ BIOST BMFSFJ BT-Drucksache BürgerbeauftrBes
BürgerG BVerfG BVerfGE BVerwGE bzw. DDR d.h. DÖV dtV1919 DVBl. Dz. U. ECOSOC EG EGMR EGV
andere Ansicht am angegebenen Ort Absatz Ausschuss der Regionen Anmerkung der Verfasserin alte Fassung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Artikel (Plural) Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksachen des Deutschen Bundestages Beschluss des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten Gesetz über den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Deutsche Demokratische Republik das heißt Die öffentliche Verwaltung Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Dziennik Ustaw (polnisches Gesetzblatt) Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat) Europäische Gemeinschaft(en) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
Abkürzungsverzeichnis EMRK ENOC Entw. EP ESC ETS EU EuGH EuGRZ EURONET EUV f. FamilienG FamRZ FAZ ff. FGG fläm. Fn. frz. GBl. gem. GeVPS GG GGO GjS GOBReg GOBT GVG h. M. Hrsg. i. S. d. isl. i. S. v. JGG Jhg. JöR JÖSchG
15
Europäische Menschenrechtskonvention European Network of Ombudsmen for Children (Europäisches Kinderombudsmannnetzwerk) Entwurf Europäisches Parlament Europäische Sozialcharta European Treaty Series Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift The European Children’s Network Vertrag über die Europäische Union folgende polnisches Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgend Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Deutschland) Flämisch Fußnote französisch Gesetzblatt (DDR) gemäß Gesetz über die Vergütung von Personen mit leitender Stellung im Staat (Polen) Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (Deutschland) Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Gerichtsverfassungsgesetz (Deutschland) herrschende Meinung Herausgeber im Sinne des/der isländisch im Sinne von Jugendgerichtsgesetz (Deutschland) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Zeitschrift) Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (Deutschland)
16 JWG JWO KinderG KinderGO KinderSatz KJHG KPN lat. LfRuF maz. MdB M. P. m. w. N. NAP NGO NJW norw. Nr. NVwZ OKKG OLG PetitionG PiP PRON PSL pV pV1992a
pV1992b RdJB RGBl. Rn. ROW RuFG S. schwed. SejmGO
Abkürzungsverzeichnis Jugendwohlfahrtsgesetz (Deutschland) Gesetz über die Kinder- und Wohlfahrtsordnung des Landes Salzburg polnisches Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten Geschäftsordnung des Büros des polnischen Kinderrechtsbeauftragten Satzung des Büros des polnischen Kinderrechtsbeauftragten Kinder- und Jugendhilfegesetz (Deutschland) Konfederacja Polski Niepodległej (Konföderation unabhängiges Polen) lateinisch Landesrat für Rundfunk und Fernsehen (Polen) mazedonisch Mitglied des Deutschen Bundestages Monitor Polski (polnisches Amtsblatt) mit weiteren Nachweisen Nationaler Aktionsplan (Deutschland) Non Gouvernmental Organisations (nichtstaatliche Organisation) Neue Juristische Wochenzeitschrift norwegisch Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Gesetz über die polnische Oberste Kontrollkammer Oberlandesgericht Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Pan´stwo i Prawo (Staat und Recht; Zeitschrift) Patriotyczny Ruch Odrodzenia Narodowego (Patriotische Bewegung der nationalen Wiedergeburt) Polskie Stronnictwo Ludowe (Polnische Volks-[Bauern-]partei) polnische Verfassung Verfassungsgesetz über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt der Republik Polen sowie über die territoriale Selbstverwaltung fortgeltende Vorschriften der Verfassung von 1952 Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt (Deutschland) Randnummer Recht in Ost und West (Zeitschrift) polnisches Rundfunk und Fernsehgesetz Satz schwedisch Geschäftsordnung des Sejm
Abkürzungsverzeichnis SGB SGB VIII SLD Slg. sog. StGB StGHG StPO u. a. UD UN UNICEF UNO UNTS UP UW Verf. vgl. VN Vol. VwVfG wall. WBeauftrG WGO-MfOR WVK z. B. ZfJ ZPO ZRP
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Sozialgesetzbuch (Deutschland) Sozialgesetzbuch (Achtes Buch) Sojusz Lewicy Demokratycznej (Bündnis der Demokratischen Linken) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sogenannte Strafgesetzbuch (Deutschland) Staatsgerichtshofsgesetz (Polen) Strafprozessordnung (Deutschland) unter anderem Unia Demokratyczna (Demokratische Union) United Nations United Nations Children’s Fund United Nations Organization United Nations Treaty Series Unia Pracy (Arbeitsunion) Unia Wolnos´ci (Freiheitsunion) Verfasserin vergleiche Vereinte Nationen Volume Verwaltungsverfahrensgesetz wallonisch Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Monatshefte für osteuropäisches Recht (Zeitschrift) Wiener Vertragsrechtskonvention zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht (Zeitschrift) Zivilprozessordnung (Deutschland) Zeitschrift für Rechtspolitik
A. Einführung I. Thema und Ziel der Untersuchung Kinderrechte haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dies lässt sich unter anderem auf die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 19891 zurückführen. In Deutschland gibt es Forderungen nach einer weitergehenden Stärkung der Rechtsstellung von Minderjährigen: Genannt seien die Bemühungen um einen Ausbau der Mitspracherechte von Kindern auf kommunalpolitischer Ebene, die Einführung eines Kinder-/Familienwahlrechts2, die Forderungen nach einer Ausweitung der Jugendstrafverteidigung, d.h. einem wirksameren Schutz des auch Minderjährigen zustehenden Rechts auf Verteidigung im Jugendstrafverfahren und die Kritik am Fehlen eigener Rechtsansprüche des Kindes auf Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz.3 Darüber hinaus werden gegenwärtig besonders die Auswirkungen der Kinderarmut in Deutschland sowie diesbezüglich erforderliche sozialpolitische Maßnahmen diskutiert.4 Generell scheinen Kinderinteressen im Vergleich zu Interessen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen in nur geringerem Maß durchsetzungsfähig zu sein. Dieser Umstand wird zum Teil darauf zurückgeführt, dass sich mit Kinderinteressen weder bedeutsame Machtpotentiale mobilisieren lassen noch dass sie sich einer hohen gesellschaftlichen Wertschätzung erfreuen. Entsprechend ist die Priorität einzuschätzen, die der Bearbeitung von Problemen von Kindern und der Gestaltung einer kinderfreundlichen Lebenswelt im Gesamtrahmen staatlicher Politik eingeräumt wird.5 1 Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention: UNO-Dokument E/CN.4/1989/48 vom 2. März 1989. 2 Vgl. Antrag „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“ vom 11. September 2003, BT-Drucksache 15/1544. 3 Vgl. mit weiteren Nachweisen Steindorff, Zur Einstimmung in das Thema, in: Steindorff (Hrsg.), Vom Kindeswohl zu den Kindsrechten, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, S. 1–6, S. 1. 4 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Zwölfter Kinder- und Jugendbericht: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, April 2005, S. 167 ff. (BT-Drucksache 15/6014). 5 Vgl. Merchel, Eine Lobby für Kinder, zu den Schwierigkeiten, eine wirkungsvolle politische Interessenvertretung für Kinder zu schaffen, in: Gernert (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes, Stuttgart/München/Hannover 1992, S. 221–232, S. 222.
20
A. Einführung
Für die Organisation und Außendarstellung von spezifischen Interessen bedarf es allerdings eines gewissen Maßes an Kompetenz. So können Interessen von Personengruppen um so wirkungsvoller eingebracht werden, wenn es gelingt, gesellschaftlich akzeptierte soziale Zustände öffentlich in einer Weise zu problematisieren, dass sie als soziales Problem erkannt und aufgrund einer solchen gesellschaftlichen Problemdefinition von Politikern aufgegriffen werden. Dies gilt auch für die Interessen von Kindern. Da Kinder als unmittelbar Betroffene in der Regel nicht über die erforderliche Kompetenz verfügen, ihre Wünsche und Bedürfnisse als politisch relevante Interessen zu artikulieren, sind sie auf stellvertretende Repräsentation durch andere Personen (insbesondere die Eltern) und Institutionen angewiesen.6 Die institutionelle Repräsentation von Kinderrechten und -interessen kann von Land zu Land sehr unterschiedlich aussehen. So widmen sich in Deutschland beispielsweise staatliche Institutionen wie die Jugendämter, die Kinderkommission des Deutschen Bundestages und das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend den Belangen von Minderjährigen. Betrachtet man die bestehenden Kinderschutzinstitutionen europabzw. weltweit, kristallisiert sich eine Institution heraus, die sehr häufig für den Schutz, die Förderung und die Überwachung von Kinderrechten in den einzelnen Staaten geschaffen wurde, die des Kinderombudsmannes. Bei diesem noch relativ jungen Institutionstyp handelt es sich um einen speziellen Ombudsmann, der erstmalig 1981 in Norwegen in die Rechtsordnung eingeführt wurde und sich seit dem, insbesondere auch seit Geltung der UN-Kinderrechtskonvention, weltweit erfolgreich verbreitet. In Deutschland gibt es diese Institution bislang nicht. Das Wort „Ombudsmann“ ist eines der wenigen skandinavischen Worte, welches Aufnahme in die englische Sprache fand.7 Es stammt aus dem Schwedischen und bedeutet soviel wie „Vertreter“.8 In Deutschland ist im Allgemeinen der Begriff des „Beauftragten“ üblich. Dementsprechend findet die Bezeichnung „Kinderbeauftragter“ mit dem Begriff des „Kinderombudsmannes“ synonym Verwendung.9 Der Kinderombudsmann wird als unabhängige, gesetzlich eingerichtete Institution begriffen, welche die Rechte und Interessen von Kindern fördert.10 Um welche Rechte es sich im Einzelnen handelt, hängt von den gel6
Vgl. zum Ganzen: ebenda, S. 221. Vgl. Flekkøy, A Voice for Children – Speaking Out as Their Ombudsman, London 1991, S. 23. 8 Vgl. International Ombudsman Institute Information BOOKLET; The Ombudsman Concept, unter: http://www.law.ualberta.ca/centres/ioi/brochure.htm; S. 2; eingesehen am 9.09.2002; vgl. mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland?, Frankfurt am Main 1999, S. 27. 9 Oder auch Kinderrechtsbeauftragter. 7
I. Thema und Ziel der Untersuchung
21
tenden internationalen, europäischen und nationalen Regelungen ab. Allgemein werden als Kinderrechte alle geschriebenen nationalen und internationalen Rechte verstanden, welche den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen sollen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Dazu zählen allgemeine Schutzvorschriften, Abwehrrechte, Freiheitsrechte und Leistungsansprüche für und von Kindern. Unmittelbarer Adressat der Regelungen können Organe der staatlichen Gewalt und die Kinder selbst sein. Da der Begriff des Kinderombudsmannes sehr weit ausgelegt wird, umfasst er ein Spektrum unterschiedlichst ausgestalteter Institutionen. Das europäische Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC) hat daher, auf Grundlage der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. Dezember 199311 erklärten Pariser Prinzipien über nationale Menschenrechtsinstitutionen, im Oktober 2001 in Paris eigene Standards für Kinderschutzinstitutionen erlassen, welche sowohl die formelle als auch materielle Ausgestaltung der Institution betreffen.12 Ziel dieser Standards ist es, ein effektives Tätigwerden zum Schutz von Kinderrechten zu gewährleisten. Wichtige Bausteine dafür sind u. a. die rechtliche und finanzielle Unabhängigkeit der Institution, klar bestimmte und im Vergleich zu den Aufgaben adäquate Befugnisse des Kinderrechtsbeauftragten sowie die Regelungen des Zugangs zur Institution. Die Unabhängigkeit des Kinderombudsmannes von der Exekutive ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für seine Tätigkeit, ist es doch meist eine seiner Aufgaben, die Arbeit der Regierung im Bereich der Kinderinteressen kritisch zu begleiten. Wäre es der Regierung, in welcher Form auch immer, möglich, diese Kritik zu unterbinden, liefe sein Wirken ins Leere. Eine unabhängige Tätigkeit im Sinne der ENOC-Maximen und der „Pariser Prinzipien“ setzt nicht das Fehlen jeglicher Verbindung zum Staat voraus. Entscheidend ist vielmehr die Statuierung der Institution durch ein Parlamentsgesetz, in welchem das Verhältnis der Institution zur Regierung klar geregelt wird.13 10 Vgl. UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 8, 2001, Florenz, S. 2; sowie http://www. ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3656; eingesehen am 16.02.2005. 11 Resolution 48/134 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993, A/RES/48/134 Annex; Text siehe Anhang F.III. 12 European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www. ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; eingesehen am 16.02.2005; Text siehe Anhang F.IV. 13 Siehe ENOC-Maximen (1. Abschnitt 1. Unterpunkt). Die „Pariser Prinzipien“ fordern dagegen im Gegensatz zum ENOC lediglich eine der Schaffung zugrunde
22
A. Einführung
In diesem Gesetz sind zudem Regelungen zum Ernennungs- und Abberufungsverfahren des Kinderrechtsbeauftragten zu treffen, seine Entscheidungsfindungs- und Durchführungsbefugnisse klar zu bestimmen sowie der Haushalt der Institution zu regeln. Entscheidend ist neben der Unabhängigkeit eines Kinderombudsmannes auch die klare Festlegung seiner Aufgaben und Kompetenzen im zugrunde liegenden Rechtsakt. Um Aufgabenüberschneidungen mit bestehenden staatlichen Institutionen zu verhindern, sind die jeweiligen Bereiche voneinander abzugrenzen.14 Unerlässlich ist, dass neben den zugewiesenen Aufgaben auch entsprechende, für die Umsetzung erforderliche Kompetenzen durch den Rechtsakt eingeräumt werden. Zu den Aufgaben einer Kinderschutzinstitution gehören gemäß den ENOC-Maximen die Sorge für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention und die kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten, das Vorgehen gegen Verletzungen und gegen die Nichtbeachtung von Kinderrechten und -interessen durch Behörden und Organisationen, Vorschläge zur Verbesserung der Kinderrechte und Kinderpolitik, die Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit, die Erstellung von Informationsmaterial und Berichten, die Durchführung von Schulungen für Behördenmitarbeiter und Interessierte und gegebenenfalls die Rolle als Ansprechpartner und Beratungsinstanz von Kindern.15 Dafür bedarf es gemäß der ENOC-Maximen zumindest der Befugnisse, Angelegenheiten aus eigener Initiative aufnehmen zu können, ein umfassendes Informationsbeschaffungsrecht, das Recht auf Zeugenbefragung durch den Kinderrechtsbeauftragten, die Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen aus dem Kinderrechtsbereich.16 Die Gestaltung des Zugangs zum Kinderombudsmann hängt von den ihm zugewiesenen Aufgaben ab. Soll er lediglich Ansprechpartner für die Regierung im Bereich der Kinderrechte sein, ohne als Anlaufstelle für Kinder zu dienen, stellen sich konsequenterweise völlig andere Anforderungen an den Zugang, als dies der Fall wäre, wenn Kinder selbst mit ihm in Verbindung treten dürfen. In aller Regel steht der Kinderombudsmann in direktem Kontakt mit Kindern. Wichtige Gesichtspunkte beim Zugang sind dann die Beliegende „Amtshandlung“ (official act), welche die Beziehung zum Staat bestimmt (Pariser Prinzipien 2. Absatz (Composition . . .) Punkt 3). Diese Art der Festlegung, z. B. durch Rechtsakte der Regierung, birgt allerdings nicht nur theoretisch die Gefahr, dass sie leichter wieder zurückgenommen oder abgeändert werden kann, als dies bei einem Parlamentsgesetz der Fall wäre. 14 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 13. 15 Vgl. dazu die ENOC-Maximen (1., 4. und 6. Abschnitt im Anhang F.IV.). 16 Vgl. dazu die ENOC-Maximen (3. und 4. Abschnitt im Anhang F.IV.).
I. Thema und Ziel der Untersuchung
23
kanntheit der Institution und die tatsächliche Möglichkeit, sich an die Institution zu wenden. Verbindlich sind die hier genannten Standards des ENOC ebenso wenig wie die Pariser Prinzipien. Dennoch entfalten die ENOC-Standards in sofern Wirkung, als die von den einzelnen Ländern unter Umständen auch aus Prestigegründen erstrebte Mitgliedschaft im ENOC die Erfüllung der wesentlichen Punkte voraussetzt. Auch in Polen gibt es seit 2000 einen Kinderrechtsbeauftragten (Rzecznik Praw Dziecka). Mit Beginn des politischen Transformationsprozesses und im Rahmen der Diskussion über die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention gelangte die Frage der Einführung eines polnischen Kinderrechtsbeauftragten bereits 1989, allerdings erfolglos, auf die Tagesordnung des Sejm. Erst im Rahmen des Verfassungsgebungsprozesses entschied sich der Verfassungsgeber 1997 nach kontroversen Debatten im letzten Moment für eine Aufnahme der Institution in die Verfassung als Verfassungsorgan. Die im Anschluss aufgenommenen Arbeiten am Ausführungsgesetz waren ebenso kontrovers und fanden schließlich am 6. Januar 2000 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Kinderrechtsbeauftragten17 ihren Abschluss. Im Oktober 2008 novellierte der Gesetzgeber einige Vorschriften.18 Durch die zumindest in Europa bislang einzigartige formelle Ausgestaltung als unabhängiges Verfassungsorgan unterscheidet sich der polnische Kinderrechtsbeauftragte von anderen bereits bestehenden Kinderschutzinstitutionen. Die polnische Institution setzt im Vergleich zu den übrigen Kinderrechtsbeauftragten neue rechtliche Maßstäbe. Die vorliegende Arbeit untersucht die Ausgestaltung der polnischen Institution und prüft, inwieweit tatsächlich neue Maßstäbe aufgestellt werden. Bisher finden sich zu diesen Fragen nur wenige Veröffentlichungen. So gibt es in Deutschland keine Analyse des Beauftragten und auch in Polen erschien bislang wenig zum Thema unter rechtlichen Aspekten. Die Institution wird in den klassischen Lehrbüchern des polnischen Verfassungsrechts allgemein relativ kurz behandelt. Im Übrigen gibt es einige relevante Presseveröffentlichungen, Aufsätze und Aufsatzsammlungen zum Kinderrechtsbeauftragten sowie eine von Błaz˙ewicz am Lehrstuhl von Prof. Dr. Bogusław Banaszak an der Universität Wrocław verfasste Magisterarbeit über die Institution, welche in die hier vorliegende rechtliche Untersuchung ein17 Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000, in: Dz. U. 2000, Nr. 6, Pos. 69. 18 Änderung des Gesetzes über den Kinderrechtsbeauftragten vom 24. Oktober 2008, in: Dz. U. 2008, Nr. 214, Pos. 1345. Die tatsächlichen Auswirkungen der Änderungen lassen sich aus heutiger Sicht nur schwer ermessen. Soweit angebracht, finden sich Anmerkungen dazu in den Fußnoten.
24
A. Einführung
gearbeitet wurden.19 Da es bisher weder in Polen noch in Deutschland eine umfassende veröffentlichte Untersuchung der Institution gibt, erscheint eine Analyse des polnischen Kinderombudsmannes nach einigen Jahren Praxiserfahrung sowohl als ein interessantes als auch relevantes Forschungsdesiderat. Neben dem auf diese Weise zu erreichenden Erkenntnisgewinn über eine uns benachbarte Rechtsordnung, welche mit ihrer modernen Konstitution viele Facetten europäischer Verfassungen aufweist, stellt sich die Frage, ob die polnischen Regelungen zum Kinderrechtsbeauftragten Vorbild für neu zu schaffende Kinderschutzinstitutionen sein könnten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Deutschland, das sich bislang, trotz einiger Versuche in diese Richtung20, nicht zur Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten entschließen konnte. In Deutschland haben die Forderungen nach einem Kinderrechtsbeauftragten eine gewisse Tradition.21 Bereits 1981 postulierte der Deutsche Kinderschutzbund die Einführung einer solchen Institution, deren Ausgestaltung in Anlehnung an bestehende Beauftragte, wie den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, erfolgen sollte. Dieses u. a. in den Jahren 1986, 1988 und 1998 vorgebrachte Anliegen blieb allerdings bisher erfolglos.22 19 Błaz ˙ewicz, Rzecznik Praw Dziecka, Wrocław 2003, (Magisterarbeit unveröffentlicht). 20 Vgl. beispielsweise den Gesetzentwurf über die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland vom 28.05.1998, BT-Drucksache 13/10880. 21 Bislang gibt es im Wesentlichen nur eine rechtlich ausführlichere Untersuchung zur Einführung eines bundesweiten Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland, welche von Jeand’Heur stammt: Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote zum Wohl des Kindes und staatliche Interventionspflichten aus der Garantieform des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz, Berlin 1993. Darüber hinaus setzen sich zahlreiche kürzere Beiträge mit Teilaspekten zum Thema auseinander bzw. konzentrieren sich auf die Problematik der kommunalen Kinderrechtsbeauftragten: z. B. Salgo, Die Funktion eines Kinder- und Jugendlichenbeauftragten im internationalen Vergleich – eine rechtspolitische Skizze, in: Materialien zur Heimerziehung, Oktober 1990, Nr. 4, S. 4–6; Bärsch, Die Aufgaben eines Kinderbeauftragten, in: Evangelische Akademie Loccum (Hrsg.), Loccumer Protokolle 14/88. Politik für das Kind – Inhalte, Optionen, Instrumente – 1. Auflage Loccum 1989, S. 7–15; Merchel, Eine Lobby für Kinder, zu den Schwierigkeiten, eine wirkungsvolle politische Interessenvertretung für Kinder zu schaffen, in: Gernert (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes, Stuttgart/München/Hannover 1992, S. 221–232. In zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema wird hauptsächlich auf die allgemein kinderpolitische Notwendigkeit einer solchen Institution eingegangen: z. B. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit: Kinderrechte und Kinderpolitik, München 1995. Außerdem existiert eine umfassende Studie über die bereits existenten Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland, welche den Meinungsstand zur Institution darstellt: Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder – Kinderbeauftragte in Deutschland, Frankfurt am Main 1994. 22 Vgl. Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 49.
I. Thema und Ziel der Untersuchung
25
Hauptargumente der Befürworter eines Kinderrechtsbeauftragten sind zum einen die als unzureichend oder wirkungslos erachtete Kontrolle der Wirksamkeit von Gesetzen und anderen Maßnahmen zugunsten von Minderjährigen.23 Zum anderen führen sie an, dass Kinder in vielen Problembereichen, beispielsweise bezüglich ihrer sozialen Situation24, der Umweltbelastungen, der Verkehrspolitik sowie der Medienangebote keine Planungsgrößen darstellen, da sie keine Lobby besitzen.25 Um die bislang fehlenden Kontrollmechanismen und Einflussfaktoren wie Markt, Lobby und Wahlrecht im Gesamtsystem auszugleichen, werden daher spezifische, neue und ausdifferenzierte „checks and balances“ zugunsten Minderjähriger für notwendig erachtet.26 In diesem Zusammenhang wird die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten befürwortet, der u. a. Entwicklungen fördert, die Kindern zu Gute kommen sowie die gesellschaftliche Situation in allen Bereichen kritisch überwacht und feststellt, wo und auf welche Weise Entwicklungen in unserer Gesellschaft für Kinder schädlich sein können.27 Grundsätzlich ist dieses Plädoyer für einen wirksameren Schutz von Kinderrechten und -interessen nachvollziehbar. In der Forderung nach einer neuen Kinderschutzinstitution äußert sich ein Vertrauensschwund gegenüber den bestehenden staatlichen Einrichtungen, denen die Bewältigung dieser Aufgaben nicht mehr zugetraut wird.28 Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht ein besserer oder veränderter Einsatz der bestehenden Institutionen bereits Abhilfe schaffen könnte. Diesen Aspekt gilt es im zweiten Teil der Arbeit zu klären, indem untersucht wird, ob tatsächlich Defizite im bestehenden Institutionengefüge existieren, die nur durch eine neue Institution, wie einen Kinderrechtsbeauftragten, behoben werden können. 23
Vgl. Salgo, Die Funktion eines Kinder- und Jugendlichenbeauftragten, 1990,
S. 5. 24 Zur Berechnung der Armutsquote vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Zwölfter Kinder- und Jugendbericht: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, April 2005, S. 653 (BT-Drucksache 15/6014). 25 Vgl. mit weiteren Nachweisen Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 49. 26 Vgl. Salgo, Die Funktion eines Kinder- und Jugendlichenbeauftragten, 1990, S. 5; Salgo (Bearb.), Das Recht, anders zu sein, in: Steindorff, Caroline (Hrsg.), Vom Kindeswohl zu den Kindsrechten, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, S. 67–75, S. 71. 27 Darüber hinaus hätte dieser die verschiedenen Aktivitäten zum Wohle des Kindes im Parlament zu koordinieren und wäre umfassender Ansprechpartner im Kinderrechtsbereich: vgl. mit weiteren Nachweisen Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 49 f. 28 Vgl. Salgo, Die Funktion eines Kinder- und Jugendlichenbeauftragten, 1990, S. 4.
26
A. Einführung
Besonderheit dieser Arbeit ist es, dass die möglicherweise erforderliche Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Anlehnung an die polnischen Regelungen geprüft wird. Eine reine „Transplantation“ des fremden Organs in die deutsche Rechtsordnung scheidet allerdings bereits aufgrund der unterschiedlichen staatsorganisationsrechtlichen Gegebenheiten in Deutschland und Polen aus.29 Die Ausführungen über die Einführung in Deutschland orientieren sich infolgedessen zum einen an den polnischen Regelungen mit Vorbildwirkung und zum anderen an den bereits vorhandenen Erkenntnissen zum öffentlich-rechtlichen Beauftragten in Deutschland, insbesondere in Bezug auf den Wehrbeauftragten.
II. Gang der Untersuchung Unter zu Grundelegung der forschungsleitenden Fragestellung, ob und inwieweit der polnische Kinderrechtsbeauftragte ein Modell für Deutschland sein kann, ergibt sich folgender Gang der Untersuchung: Da die Institution des polnischen Kinderrechtsbeauftragten nicht losgelöst, sondern als Teil einer weltweiten Entwicklung im Kinderschutzbereich angesehen werden muss, ist im zweiten Kapitel die historische Entwicklung dieses speziellen Institutionentyps näher zu untersuchen. In diesem Zusammenhang soll eine Auswahl bestehender europäischer Kinderombudsmanninstitutionen anhand ihrer wichtigsten rechtlichen Kriterien aufgezeigt werden. Eingebettet sind die Ausführungen in eine Darstellung der wichtigsten bestehenden Kinderrechte auf internationaler Ebene sowie deren philosophische Hintergründe. Eine isolierte Betrachtung der Institution hätte demgegenüber den Nachteil, dass ein Teil des Aufgabenbereiches der nationalen Kinderschutzinstitutionen, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zu überwachen, unverständlich bliebe. Im dritten Kapitel wird die 1997 in die Verfassung eingeführte polnische Institution untersucht. Dabei ist auf die Entstehungsgeschichte einzugehen, da nur so bestimmte Regelungen im polnischen Kinderrechtsbeauftragtengesetz nachvollziehbar werden. Im Rahmen der Entstehungsgeschichte gilt es auch einen Blick auf den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten zu werfen, dessen Einführung den Weg für die spezifische Kinderrechtsinstitution in Polen bereitete. Nachfolgend ist zu klären, für welche formelle und materielle Ausgestaltung der polnische Gesetzgeber sich schließlich entschied und inwieweit dies den „Pariser Prinzipien“ bzw. den Anforderungen der ENOC an eine Kinderschutzinstitution genügt. Für eine entsprechende Be29 Vgl. die Formulierung bei Maurer, Wehrbeauftragter und Parlament, Tübingen 1965, S. 9.
II. Gang der Untersuchung
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wertung sind vor allem die Art seiner Statuierung, die rechtliche und finanzielle Unabhängigkeit sowie seine Kompetenzen und Aufgabenbereiche ausschlaggebend. Um in diesem Zusammenhang die Aufgaben des Kinderrechtsbeaufragten konkretisieren zu können, wird zu klären sein, was unter den Begriffen „Kind“ und „Kindeswohl“ in Polen zu verstehen ist, welche Kinderrechte neben UN-Kinderrechtskonvention in Polen konkret existieren sowie welche Beschränkungen für den Kinderrechtsbeauftragten bei der Aufgabenwahrnehmung aufgrund des elterlichen Erziehungsrechts gelten. Bevor im vierten Kapitel die Einführung und Ausgestaltung eines Kinderrechtsbeauftragten nach polnischem Vorbild untersucht werden kann, stellt sich die Frage nach einem bestehenden Defizit bezüglich des Kinderschutzes in Deutschland. Eine Einführung wäre gerechtfertigt, wenn das bestehende Institutionensystem im Bereich des Kinderschutzes Lücken aufweisen würde. Um eventuelle Defizite feststellen zu können, bedarf es einer Analyse der vorhandenen und zu schützenden Rechte von Kindern in Deutschland und einer Untersuchung hinsichtlich der Wirksamkeit von vorhandenen Institutionen im Bereich des Kinderrechtsschutzes. Mängel werden dann angenommen, wenn die Institutionen sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel den Standards der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ an Kinderrechtsschutzinstitutionen nicht entsprechen. Dabei kann das Defizit sowohl rechtlicher als auch faktischer Natur sein, d.h. sich aufgrund fehlender Regelungen oder aus einem tatsächlich nicht wirkungsvollen Zusammenspiel der Institutionen ergeben. Ergeben sich solche Mängel bei den bestehenden Institutionen, ist ein Kinderrechtsbeauftragter zu erwägen, wenn Modifikationen der Institutionen nicht zielführend sind. Erst wenn die bestehenden Institutionen keinen Schutz entsprechend den Standards gewährleisten können, ist daran zu denken, die rechtlichen Defizite mittels Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten zu schließen. Für die Einführung sind dann, soweit übertragbar, u. a. die Regelungen zum polnischen Kinderombudsmann heranzuziehen. Zudem bestehen in Deutschland Organe, wie der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, welche als Vorbild für einen Kinderrechtsbeauftragten in Frage kommen. Abschließend bleibt festzustellen, welche rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland gegeben sein müssen.
B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“ im internationalen Kontext Die folgende Darstellung des internationalen Gefüges und der Rechte zum Schutz von Kindern soll zum Verständnis der Institution des Kinderombudsmanns beitragen, da in der Umsetzung internationaler Kinderrechte in innerstaatliches Recht meist eine der Hauptaufgaben von Kinderombudsmanninstitutionen liegt. Allgemein versteht diese Untersuchung1 unter Kinderrechten alle geschriebenen nationalen und internationalen Rechte, welche den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Darunter fallen allgemeine Schutzvorschriften, Abwehrrechte, Freiheitsrechte und Leistungsansprüche für und von Kindern. Unmittelbarer Adressat der Regelungen können dabei u. a. Organe der staatlichen Gewalt aber auch Kinder selbst sein. Welche Rechte den Kindern dabei im Einzelnen vor allem durch die UNKinderrechtskonvention zugestanden werden und welche Durchsetzungsinstrumente bereits konkret bestehen, soll in den folgenden Abschnitten näher untersucht werden. Den Ausführungen über die Entwicklung der Kinderombudsmanninstitution, sollen daher in der gebotenen Kürze solche über den philosophischen Hintergrund der Menschen- und Kinderrechte, über internationale Kodifikationen zum Schutz von Kindern und über die Entstehung der allgemeinen Ombudsmanninstitution vorangehen.
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte 1. Die Herleitung der Kinderrechte Die Kinderrechte durchliefen eine ähnliche Entwicklung wie die Menschenrechte.2 Im Mittelpunkt der philosophischen Auseinandersetzung um die Menschenrechte standen die Fragen, woraus sich diese Rechte herleiten, welche Bereiche durch Rechte schützbar sind, inwieweit diese Rechte welt1
Siehe auch unter A.I. Dazu van Bueren, The International Law on the Rights of the Child, Dordrecht/ Boston/London 1994, S. 1. 2
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte
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weit akzeptiert werden sowie die konkrete Durchsetzbarkeit der Rechte.3 Fragen, die sich nunmehr auch bei den Kinderrechten stellen, wobei deren Beantwortung hier nur skizziert werden soll. Die Frage, was die ureigensten Rechte des Menschen sind und woraus sie sich herleiten, beschäftigt die Philosophen schon seit Jahrhunderten.4 Für die Letztbegründung der Menschenrechte kristallisieren sich bei den Systematisierungsansätzen drei sehr unterschiedliche Strömungen heraus: eine naturrechtliche, eine rechtspositivistische und ein utilitaristische.5 Zum naturrechtlichen Ansatz führt Bracher aus, dass in „. . . der naturrechtlichen Vorstellung von den vorstaatlichen und überstaatlichen Rechten, die dem Menschen von Natur eigen oder von Gott gegeben sind, . . . die Begriffe der Freiheit, der Gleichheit, der menschlichen Würde und des Lebensrechts verallgemeinert [werden]. Vor allem die Idee der Menschenrechte, [. . .] beruht auf jenem Begriff der ‚natürlichen‘, auf göttliche Allmacht (Augustin) und rationale Entscheidungsfindung (Thomas von Aquin) gegründeten Vernunft des Menschen . . .“6 In diesem Sinne qualifiziert Cranston die Menschenrechte als – von den positiven Rechten unterstützte – moralische Rechte.7 Diese unter dem Einfluss des Naturrechts stehenden Begriffsbestimmungen, finden bei den Positivisten keine Zustimmung. So argumentiert Ryffel, dass sich sowohl die Existenz der Rechte als auch deren Anspruch nur aus den erlassenen Gesetzen herleiten lässt. Die Verwirklichung der Menschenrechte bleibt folglich im Wesentlichen an die politische Ordnung in den Staaten gebunden.8 Konsequenz dessen sei kein Fehlen der Moral, vielmehr solle diese nur nicht aus metaphysischen Quellen hergeleitet werden.9 3 So Lindholm in seinem Vortrag, Philosophy and Politics of Human Rights, vom 6. September 2002 an der Universität Oslo; Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage, Bonn 1991, S. 26 f. 4 Vgl. zur Genese Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 35 ff. 5 Zu den einzelnen Begriffen (Naturrechte, Positive Rechte und Utilitarismus) vgl. Apostel, Children’s Rights and Needs or/and Human Rights and Needs, in: Verhellen/Spiesschaert (Hrsg.), Ombudswork for children – a way of improving the position of children in society, Leuven, Amersfoort 1989, S. 47–85, S. 50, 57 ff.; Steiner/Alston, International Human Rights in Context, Oxford 1996, S. 167 ff. 6 Bracher, Schlüsselwörter in der Geschichte, Düsseldorf 1978, S. 33; ausführlich Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 24. 7 Kühnhardt geht davon aus, dass die Mehrheit der Autoren von naturrechtlichen Begründungszusammenhängen ausgeht, weil ansonsten die Genese der Menschenrechte ohne einen Verweis auf das Naturrecht nicht vollständig nachvollziehbar sei, in: Die Universalität, 1991, S. 23; Cranston, What are human rights?, London 1973, S. 21. 8 Vgl. dazu Ryffel, Philosophische Wurzeln der Menschenrechte, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1984, Vol. 70, S. 400–415, S. 400 ff. 9 Siehe mit weiteren Anmerkungen van Bueren, The International Law, 1994, S. 2.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
Bentham als Vertreter der Utilitaristen, wandte sich ebenfalls entschieden gegen naturrechtliche Ansätze. So schrieb er: „Rights is the child of law; from real law come real rights . . . Natural rights is simple nonsense; natural and imprescriptible rights, rhetorical nonsense, nonsense upon stilts.“10 Die Utilitaristen wiederum ziehen das Nützlichkeitsargument heran. Sie gehen davon aus, dass die Einhaltung grundlegender Prinzipien deshalb erfolgt, weil sie für die Gesellschaft den größten Nutzen haben und sie von der Mehrheit getragen werden.11 Die Liste der so zustande kommenden Menschenrechte ist, wie Kritiker anmerken, daher kurz und arm.12 Die meisten Autoren, unter ihnen Dworkin, gehen von naturrechtlichen Begründungszwängen aus.13 So vertritt Dworkin mit beachtlichen Argumenten die Ansicht, dass Individuen Rechte gegen den Staat besitzen können, die den explizit durch den Gesetzgeber geschaffenen Rechten vorausliegen.14 Rechte, die ohne einen Verweis auf das Naturrecht nicht vollständig nachvollziehbar sind, da sie in der Natur des Menschen und in seiner unverwechselbaren Würde gründen.15 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, woraus sich Rechte von Kindern, sog. Kinderrechte, generell herleiten lassen. Vertreten wird dabei folgendes syllogistisch gewonnenes Ergebnis: Da Kinder Menschen sind und alle Menschen Menschenrechte haben, ergibt sich daraus, dass Kinder durch alle Menschenrechte geschützt werden; Rechte von Kindern leiten sich damit aus den Menschenrechten ab.16 Die meisten in der „Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte“ vom 1948 enthaltenen Rechte sind allerdings, wie z. B. ein Teil der politischen Rechte, nicht für Kinder anwendbar. Ohne dass dies die Schlussfolgerung insgesamt in Frage stellt17, können und dürfen Kinder bereits aufgrund ihrer Entwicklung nicht mit Erwachsenen gleichgesetzt werden. Sie genießen wegen ihres Kindseins eigene besondere Rechte, die nicht in allen Fällen mit denen der Erwachsenen identisch sind.18 Es handelt sich 10 Zitiert nach Steiner/Alston, International Human Rights in Context, Oxford 1996, S. 169. 11 Vgl. Apostel, Children’s Rights and Needs, 1989, S. 47–85, S. 60. 12 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Apostel, Children’s Rights and Needs, 1989, S. 47–85, S. 60. 13 Vgl. Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 23 f. mit weiteren Nachweisen. 14 Vgl. Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, 1. Auflage Frankfurt am Main 1990, S. 13; vgl. insgesamt auch Riedel, Die Universalität der Menschenrechte, 2003, S. 333. 15 Vgl. Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 24 mit weiteren Anmerkungen. 16 Vgl. Apostel, Children’s Rights and Needs, 1989, S. 47–85, S. 49. 17 Zu diesem Problem, welches nicht weiter ausgeführt werden soll: vgl. ebenda, S. 48 ff. 18 Ausführlich ebenda, S. 64 ff.; bei den Verhandlungen um die UN-Kinderrechtskonvention waren Ursprung und Herleitung der Kinderrechte nicht mehr relevant, wie van Bueren feststellt; The International Law, 1994, S. 6.
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte
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dabei um Rechte, welche sich wie die Menschenrechte nicht allein aus Nützlichkeitsargumenten oder positivistisch herleiten lassen, sondern ebenfalls aus der Natur des Menschen bzw. aus der Natur und Würde eines jungen Menschen.19 Neben der Frage „wer“ durch Menschenrechte geschützt wird, stellt sich die Frage, „was“ als „Menschenrecht“ und damit auch als spezielles Kinderrecht schützbar ist. Bei den durch Menschenrechte zu schützenden Materien handelt es sich, so Nickel, um Werte und Interessen, welche generell weit verbreitet oder typischerweise Subjekt wesentlicher und wiederholter, gesellschaftlich hervorgerufener Bedrohung sind. Nicht umfasst werden demzufolge Bereiche, welche lediglich von „Vorteil“ für die Menschen sind oder gar nur „Wünsche“ ausdrücken.20 Cranston stellt überdies fest, dass die zu schützenden Werte und Interessen von sehr großer Bedeutung für die überwiegende Anzahl der Menschen sein müssen, so dass er schlussfolgert, es könne sich bei den zu schützenden Menschenrechten nur um Freiheitsrechte und politische Rechte handeln.21 Er zählt die als Menschenrechte der zweiten Dimension22 bezeichneten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen sowie die zur dritten Dimension zählenden Rechte auf eine lebenswerte Umwelt, auf Entwicklung, das gemeinsame Menschheitserbe, das Recht auf Frieden, Selbstbestimmung, Partizipation und Kommunikation23, entgegen einer Strömung in der neueren Völkerrechtsliteratur24, nicht zu den originären Menschenrechten. Begründet wird dies u. a. mit der fehlenden Universalität dieser Rechte, da sie nicht jeder Mensch kraft seines Menschseins gegen jedermann zu jeder Zeit einklagen kann.25 Andere Stimmen merken dagegen an, dass die sozialen Menschenrechte ihren Grund ebenfalls in der Freiheit des Menschen haben und wie die bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte Freiheitsforderungen sind, sofern sie „. . . als Grund-Bedingungen der nur als sittliche Verantwortung zu verstehenden Würde ausgewiesen 19
van Bueren, The International Law, 1994, S. 6. Vgl. Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 27. 21 Vgl. Cranston, Human Rights, Real and Supposed, in: Raphael (Hrsg.), Political Theory and the Rights of Man, [Bloomington] London 1967, S. 51 f. 22 Üblich ist auch der Begriff der Generation, der allerdings fälschlich impliziert, dass eine jüngere Generation der Menschenrechte die ältere ablöst: Riedel, in: Koenig/Lorz (Hrsg.), Die Universalität der Menschenrechte: Philosophische Grundlagen, Nationale Gewährleistung, Internationale Garantien, Berlin 2003, S. 334. 23 Vgl. dazu ebenda, S. 333 f. 24 Siehe dazu mit weiteren Nachweisen Steiner/Alston, International Human Rights in Context, Oxford 1996, S. 235 ff. 25 Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 25; Riedel bezeichnet die Rechte der dritten Dimension zudem als Menschenrechtsstandards, mit der Folge, dass sie als Maßstab dienen und damit anders als Rechtsnormen umgesetzt werden können aber nicht müssen: Riedel, Die Universalität der Menschenrechte, 2003, S. 354. 20
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
werden können . . .“.26 Unabhängig davon, welche Rechte nun als Menschenrechte angesehen werden; am alleinigen Mehrheitswillen einer Gesellschaft, der die Belange von Minderheiten, z. B. Kindern, tendenziell nicht im erforderlichen Maß berücksichtigt, oder allein in der positiven Verankerung von Rechten machen sich die zu schützenden Werte und Interessen nicht fest.27 Die Werte und Interessen von Kindern sind umfassend in der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Die dort aufgeführten Kinderrechte sind auf die Bedürfnisse von Kindern zugeschnittene Menschenrechte und gelten damit universell.28 Die Konvention beinhaltet dabei sowohl Rechte der ersten als auch der zweiten Dimension, was beispielsweise an den Artikeln 24 ff. zur Gesundheitsvorsorge und sozialen Sicherheit deutlich wird.29 Anders als Cranston es annimmt, gelten durch die UN-Kinderrechtskonvention auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Kindern als Menschenrechte. Werden bedeutende Interessen und Werte als „Menschenrechte“ kodifiziert, erfahren sie eine breite internationale Akzeptanz und Unterstützung.30 Voraussetzung für die konkrete Durchsetzbarkeit von universalen moralischen Rechten ist indes deren Umwandlung in einklagbares positives Recht.31 Die Garantie und Durchsetzung dieser Menschenrechte muss dabei für die Adressaten sowohl finanziell, kulturell als auch moralisch tragbar sein.32 Menschenrechte können aufgrund ihres absoluten, universelle Gültigkeit beanspruchenden Charakters gegebenenfalls gegen das positive 26 Vgl. Schwartländer, Staatsbürgerliche und sittlich-institutionelle Menschenrechte. Aspekte zur Begründung und Bestimmung der Menschenrechte, in: Schwartländer (Hrsg.), Menschenrechte Aspekte ihrer Begründung und Verwirklichung, Tübingen 1978, S. 77–95, S. 80. 27 Ebenso würde die Auffassung, dass die Beachtung entsprechender Minderheiteninteressen, z. B. der von Kindern, letztlich den größten Nutzen für die Gesellschaft bringt und damit für die Mehrheit ein erstrebenswertes Ziel ist, ganze Personengruppen zu erforderlichen Objekten disqualifizieren und sie des Anspruches berauben, gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Kritisch zum Utilitarismusgedanken: Apostel, Children’s Rights and Needs, 1989, S. 47–85, S. 60; van Bueren, The International Law, 1994, S. 2. 28 Vgl. Lopatka, The Rights of the Child are Universal: The Perspective of the UN Convention on the Rights of the Child, in: Freeman/Veerman (eds.), The Ideologies of Children’s Rights, Dordrecht 1992, S. 47–52, S. 48. 29 Siehe auch Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, Berlin 1994, S. 193 ff. 30 Vgl. General Assembly Resolution 41/120 vom 4. Dezember 1986, Art. 4 Punkt e. 31 Vgl. Kühnhardt, Die Universalität, 1991, S. 26 f. mit weiteren Nachweisen. 32 Vgl. Nickel, Making Sense of Human Rights. Philosophical Reflections on the Universal Decleration of Human Rights, Berkeley 1987, S. 54 f.
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte
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Recht einer politischen Ordnung, die ihren Schutz nicht sichert oder sie verletzt, durchgesetzt werden. Gleiches gilt für die Kinderrechte. 2. Entwicklungsstufen der Menschen- und Kinderrechte Bei der Entwicklung der allgemeinen Menschenrechte und der internationalen Kinderrechte zeichnen sich drei Stufen ab.33 In der ersten Stufe erkannte die internationale Gemeinschaft an, dass alle Individuen, einschließlich Kinder, unter dem Schutz des internationalen Rechts stehen.34 Als zweite Stufe lässt sich die Garantie individueller Rechte für bestimmte Personenkreise, wie Kinder, bezeichnen; ein Prozess, welcher noch anhält. In der sich ebenfalls in der Entwicklung befindenden dritten Stufe werden die verfahrenrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um die gewährten Rechte durchsetzen zu können.35 Bereits die Anerkennung, dass Kinder Träger von Menschenrechten sind, erfolgte nicht selbstverständlich. Generell gelten für Kinder als Träger der Menschenrechte alle Menschenrechtsvereinbarungen. Weil Kinder unterschiedliche Entwicklungsstufen durchlaufen, wird ihnen von einigen Vertretern in der Kleinstkindphase jedoch abgesprochen, Träger von Rechten zu sein, da sie diese nicht selbständig wahrnehmen können. Gerade das Zugestehen von Rechten abhängig vom Alter birgt aber Gefahren.36 van Bueren weist zu Recht darauf hin, dass die Möglichkeit der Wahrnehmung von Rechten wichtig ist, aber den zweiten Schritt darstellt. Voraussetzung für jegliche Ausübung ist zu aller erst das Bestehen der Rechte unabhängig vom Alter.37 Die Frage, welche Rechte Kinder besitzen können, findet ebenfalls keine einheitliche Antwort. So wird angenommen, dass Kindern keine politischen Rechte zustehen, da sie weder wählen können noch wählbar sind. Diese Ansicht schränkt die Definition des politischen Rechts allerdings zu weit ein. Die Vertreter dieser Auffassung38 berücksichtigen nicht, dass auch politische Rechte von Kindern, wie deren politische Aktivitäten und das Recht, 33 Zur allgemeinen Entwicklung der Kinderrechte seit dem Mittelalter: Verhellen, Children’s rights in Europe, in: The International Journal of Children’s Rights, 1993, Heft 1, S. 357–376, S. 357 ff.; sowie zum Verständnis der Kindheit: Dasberg, What is a child and what are its rights, in: Verhellen/Spiesschaert (Hrsg.), Ombudswork for children – a way of improving the position of children in society, Leuven, Amersfoort 1989, S. 35–46, S. 35 ff. 34 Vgl. dazu Verhellen, Children’s rights in Europe, 1993, S. 358. 35 Dazu ebenda; van Bueren, The International Law, 1994, S. 1. 36 Siehe dazu ausführlich und mit weiteren Anmerkungen ebenda, S. 3 f. 37 Ebenda, S. 4. 38 Z. B. Libyen.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
Teil der Gesellschaft zu sein, schützenswert sind.39 Ob Kindern ökonomische Rechte einzuräumen sind, war bei den Verhandlungen zur UN-Kinderrechtskonvention ebenfalls streitig.40 Einige Einzelstaaten41 sprechen Kindern die Fähigkeit ab mit Geld umzugehen und es als Eigentum zu behalten (Lohn). Begründet wird dies mit dem Fehlen der dafür erforderlichen ökonomischen Kenntnisse. Gleichzeitig nehmen diese Länder Bestrafungen von Kindern wegen Diebstahl vor, die erkennen lassen, dass Kindern sehr wohl die Einsicht in ökonomische Angelegenheiten zugetraut wird. Regelungen zur prozessualen Durchsetzbarkeit von Kinderrechten enthält die UN-Kinderrechtskonvention.42 Sie legt als Durchsetzungsmechanismus u. a. ein Staatenberichtssystem fest. Ein Staaten- oder Individualbeschwerdeverfahren bekam bei den Beratungen zur UN-Kinderrechtskonvention keine Mehrheit.43 Ebenso fand die im Hintergrund diskutiert Idee der Initialisierung eines internationalen Kinderombudsmannes als Durchsetzungsinstrumentarium kein Interesse bei den Staaten.44 Darüber hinaus sind prozessuale Rechte von Kindern beispielsweise im Europäischen Übereinkommen über die Ausübung der Kinderrechte vom 25. Januar 1996 geregelt, welches am 1. Juli 2000 in Kraft trat.45 Der Schwerpunkt bei diesem Abkommen liegt auf der Gewährung von Verfahrensrechten für Kinder in Familienprozessen zur Durchsetzung materieller Rechte, aber nicht auf deren Statuierung.46 39
Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen: van Bueren, The International Law, 1994,
S. 5. 40
Ausführlich dazu van Bueren, The International Law, S. 5. So die Argumentation Libyens; ebenda. 42 Vgl. u. a. Art. 9 Abs. 4, Art. 12, Art. 37 lit c, Art. 40 UN-Kinderrechtskonvention: siehe Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 241 ff. 43 Vgl. mit weiteren Nachweisen über die Rolle der osteuropäischen Staaten hierbei: Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 284. 44 Vgl. Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 285. 45 Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten, in Kraft getreten am 1. Juli 2000, ETS Nr. 160. Europäisches Übereinkommen über die Ausübung der Kinderrechte, in Polen am 1. Juli 2000 in Kraft getreten 7. Dezember 2000, in: Dz. U. 2000, Nr. 107, Pos. 1128. Deutschland hat am 10. April 2002 das Übereinkommen ratifiziert; Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten; Stand der Ratifikationen ETS Nr. 160, unter: http://conventions.coe.int/Treaty/EN/cadre principal.htm; eingesehen am 25. Februar 2005. 46 Parlamentarische Versammlung des Europarats, Building a 21st century society with and for children: follow-up to the European strategy for children (Recommendation 1286 (1996), Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 6. September 2001 (Berichterstatter: Mr. Cox), Doc. 9188, S. 12. Siehe Parlamentarische Versammlung des Europarats, giving an opinion on the draft European Convention on the exercise of children’s rights (Berichterstatter: Mrs Jaani) vom 30. März 1995, Doc. 7270, S. 6. Vgl. dazu die Ausführungen unter C.VI.1.b)bb). 41
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte
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Die Entwicklung der Kinderrechte ist, wie diese Ausführungen zeigen, keineswegs abgeschlossen. Gerade im Rahmen der zweiten und dritten Stufe werden die Rechte der Kinder in den einzelnen Staaten bislang noch nicht umfänglich anerkannt und in der Praxis durchgesetzt. 3. Der internationale Schutz von Kinderrechten zwischen 1924 und 1989 Vor in Kraft treten der UN-Kinderrechtskonvention finden sich die grundlegenden Regelungen zum Schutz von Kindern in der sog. Genfer Erklärung (1924) und in der Deklaration über die Rechte des Kindes (1959). Im Wesentlichen beschränken sich die folgenden Ausführungen auf diese beiden Kinderschutzdeklarationen. Auf die allgemeine Menschenrechtserklärung und die Menschenrechtspakte wird nur ergänzend eingegangen. Der erste Weltkrieg stürzte viele Kinder in existentielle Not. Die englische Lehrerin Eglantyne Jebb machte es sich mit der auf ihre Initiative hin gegründeten „Save the Children International Union“47 zur Aufgabe, diesen Kindern zu helfen.48 Zielgerichtet organisierte sie eine außerordentlich öffentlichkeitswirksame Werbekampagne, bei der sie u. a. das Foto eines verhungernden Kindes veröffentlichte.49 Um effektiver wirken zu können, strebte sie zusätzlich eine Internationalisierung der Kinderrechtsproblematik an. Aus diesem Grund unterstützte sie die Idee einer internationalen Vereinbarung über die Rechte der Kinder. Im Jahre 1922 entwarf sie die Deklaration über die Rechte des Kindes, die sog. Genfer Erklärung.50 Mit Unterstützung ihres Schwagers, des Labour-Abgeordneten Charles Buxton, gelangte die Erklärung in die Generalversammlung des Völkerbundes.51 Diese nahm die Deklaration im September 1924 einstimmig an.52 Der in 47 Die „Save the Children International Union“ steht in enger Verbindung zum Save the Children Fund; vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 8. 48 Ausführlich Marshall, The construction of children as an object of international relations: The Declaration of Children’s Rights and the Child Welfare Committee of League of Nations, 1900–1924, in: The International Journal of Children’s Rights 1999, Heft 7 S. 103–147, S. 128. 49 Siehe Marshall, The construction of children, 1999, S. 129 f.; van Bueren, The International Law, 1994, S. 8. 50 Siehe van Bueren, The International Law, 1994, S. 8. 51 Hilfreich war dabei auch der große Einfluss Großbritanniens auf alle Geschäftsbereiche des Völkerbundes; dazu Marshall, The construction of children, 1999, S. 128. 52 Siehe Declaration of the Rigths of the Child 1924, in: van Bueren (Hrsg.), International Documents on Children, 2. Auflage, The Hague/Boston/London 1998, S. 3.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
der Deklaration verankerte Grundsatz, dass „die Menschheit den Kindern das Beste schuldet, was sie zu geben hat“, findet seinen Widerhall auch in den späteren Kinderrechtserklärungen von 1959 und 1989.53 Im Unterschied zu den heutigen völkerrechtlichen Verträgen, die Staaten verpflichten, nennt die Genfer Erklärung aber „die Frauen und Männer der Nationen“ als Ansprechpartner. Ebenfalls konträr zu unserem heutigen Verständnis von Kinderrechten werden Kinder nicht als Subjekte und Inhaber von Rechten, sondern als nutznießende Objekte statuiert.54 Interessanterweise handelt es sich bei den geforderten Rechten überwiegend um soziale und ökonomische, wie das Recht auf Nahrung und auf gesundheitliche Versorgung. Eine Tatsache, die einem starren Generationenschema der Menschenrechte zuwiderläuft.55 Nach dem zweiten Weltkrieg und der Gründung der UN56 regte der Wirtschafts- und Sozialrat57 1946 eine Diskussion über eine zweite Deklaration zum Schutz von Kinderrechten an. Ziel der Verhandlungen war es, den besonderen Ansprüchen von Kindern, welche in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 nicht die hinreichende Beachtung gefunden hatten, entgegenzukommen.58 Dreizehn Jahre später, am 20. November 1959, nahm die Generalversammlung der UN die Deklaration ohne eine Gegenstimme oder Enthaltung an.59 Ein Zeichen für den hohen moralischen Wert, den die Staaten den darin enthaltenen 10 Prinzipien zumaßen. Die Bestrebung einiger Staaten, Vorschriften in die Deklaration aufzunehmen, welche die Staaten zu einer nationalen Umsetzung der Prinzipien verpflichten sollten, setzte sich nicht durch.60 Bindend war die Deklaration für die Staaten ebenso wenig, wie die Genfer Erklärung. Dennoch wurden einige der dort enthaltenen Bestimmungen durch die Anerkennung der Staaten zum Völkergewohnheitsrecht.61 Von ihrem Umfang her ist die Deklaration von 1959, im Vergleich zu der 54 Artikel umfassenden UN-Kinderrechtserklärung, eher kurz. In ihrer Präambel stellt sie ausdrücklich eine 53
Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 7. Selbst heute ist dieser Fakt ja nicht unumstritten; ebenda, S. 7 f. 55 Dazu auch ebenda, S. 8. 56 Siehe dazu weiterführend Unser, Die UNO, 5. Auflage, München 1992, S. 19 ff. 57 Weitere Ausführungen zum Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) bei: Unser, Die UNO, 1992, S. 88 ff. 58 Siehe dort die Art. 25 und 26; im Übrigen vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 10. 59 Deklaration über die Rechte des Kindes, Resolution 1386 der Vereinten Nationen vom 20. November 1959. 60 Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 11. 61 Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 12; allgemeine Ausführungen zum Völkergewohnheitsrecht u. a.: Cassese, International Law, Oxford 2001, 119 ff.; Herdegen, Völkerrecht, München 2000, S. 129 ff. 54
I. Die Entwicklung der weltweiten Kinderrechte
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Verbindung zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung her und begründet dort das Erfordernis einer eigenen Erklärung für Kinder. Die Rechte, die den Kindern nach den einzelnen Artikeln zu gewähren sind, sind u. a. das auf einen Namen, eine Nationalität, auf eine harmonische Entwicklung, Bildung und soziale Fürsorge. Außerdem enthält die Erklärung einen umfangreichen Antidiskriminierungsartikel (Art. 1). Obwohl die Deklaration, gleich der von 1924, Kinder überwiegend als Objekte wahrnimmt, bricht dieses Verständnis bei einigen Artikeln bereits auf (z. B. bei Art. 4: „Das Kind genießt die Leistungen der sozialen Sicherheit ...“ und Art. 1 „. . . Alle Kinder ohne jede Ausnahme haben ohne Unterschied oder Diskriminierung auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sozialen Herkunft . . . Anspruch auf diese Rechte.“). Die Entwicklung, Kinder als Subjekte wahrzunehmen, findet hier einen Anfang.62 Die UN-Kinderrechtskonvention manifestiert schließlich diese Entwicklung, indem sie die Geltung individueller Rechte von Kindern bestätigt und damit deren Eigenständigkeit als Rechtspersönlichkeit unterstreicht.63 Obwohl neben der Kinderrechtsdeklaration von 1959 noch andere wichtige Menschenrechtsverträge, wie der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“64 und der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“65 Mitte der 60er Jahre verabschiedet wurden, welche auch Bestimmungen zum Schutz von Kindern enthalten66, galt die internationale Gesamtsituation im Bereich der Kinderrechte als unbefriedigend.67 Vor allem die unzureichende vertragliche Verpflichtung der Staaten, Kinderrechte innerstaatlich garantieren zu müssen, war einer der Hauptkritikpunkte.68 4. Die UN-Kinderrechtskonvention Zwanzig Jahre nach Abschluss der Deklaration von 1959 schwand langsam der Widerstand der Länder gegen ein völkerrechtlich verbindliches Vertragswerk zum Schutz von Kindern.69 Auf Vorschlag Polens ein Jahr zu62
Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 12. Vgl. Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 298 mit Anmerkungen. 64 BGBl. 1973 II 1553. 65 BGBl. 1973 II 1569. 66 Siehe Art. 10 Abs. 3, Art. 12 Abs. 2a, Art. 13 Abs. 1 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 14, Art. 24 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte. 67 Siehe dazu ausführlich: van Bueren, The International Law, 1994, S. 16 ff. 68 Dazu ebenda. 69 Zu den Ursachen des Meinungswandels siehe ebenda, S. 13. 63
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
vor begannen 1979 die konkreten Diskussionen um die UN-Kinderrechtskonvention.70 Orientierte sich der polnische Entwurf noch stark an der Deklaration von 1959 mit der Maßgabe, diese in einen völkerrechtlichen Vertrag umzuwandeln71, bestand im Laufe der Verhandlungen zunehmend das Bedürfnis, auch weitergehende Rechte in die Debatte mit einzubeziehen.72 Nach rund 10 Jahren Vorbereitung nahm die Generalversammlung der UN das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ am 20. November 1989 an. Es trat am 2. September 1990 völkerrechtlich in Kraft.73 Zum ersten Mal wurden damit die Rechte des Kindes umfassend in einem internationalen Vertragswerk mit weltweitem Geltungsanspruch verankert.74 Mittlerweile haben 192 Länder die Konvention ratifiziert75, so dass man fast von einer universellen Geltung ausgehen kann. Einschränkend darf nicht unerwähnt bleiben, dass zahlreiche Staaten die Konvention nur mit Vorbehalten ratifiziert haben, so auch Polen und Deutschland.76 Die UN-Kinderrechtskonvention unterteilt sich in drei große Abschnitte: die Vorschriften von Art. 1 bis Art. 41 enthalten einen Katalog von Kinder70 Siehe Łopatka, Dziecko. Jego prawa człowieka, Warszawa 2000, S. 21; van Bueren, The International Law, 1994, S. 14; Łopatka selbst brachte den Entwurf am 13. Februar 1978 in der Menschenrechtskommission ein: Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 53 mit weiteren Anmerkungen. 71 Vgl. Denkschrift der Bundesregierung zu dem Übereinkommen, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes: UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien, Berlin 2000, S. 37. 72 Ausführlich van Bueren, The International Law, 1994, S. 13. Zu den Vorbereitungsarbeiten siehe auch Detrick (Hrsg.), The United Nations Convention on the Rights of the Child. A guide to the „Travaux Préparatoires“, Dortrecht/Boston/London 1992. 73 In Polen am 7. Juli 1991 in Kraft getreten: Dz. U. 1991, Nr. 120, Pos. 526. In Deutschland am 5. April 1992 in Kraft getreten: Bekanntmachung vom 10. Juli 1992, in: BGBl. II S. 990. Zum Verfahren vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 37; van Bueren, The International Law, 1994, S. 14 f. 74 Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 38. 75 Stand: 7. Oktober 2005. Bislang haben nur Somalia und die Vereinigten Staaten den Vertrag nicht ratifiziert: Stand der Ratifikation siehe unter: http:// www.ohchr.org/english/countries/ratification/11.htm#N4; eingesehen am 7. Oktober 2005. 76 Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24. Januar 1991, S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 89; abgedruckt für Polen: Gaberle/Korcyl-Wolska, Komentarz do ustawy o poste˛powaniu w sprawach nieletnich, Gdan´sk 2002, S. 443 f.
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rechten, die Art. 42 bis 45 regeln im Wesentlichen die Arbeit des Ausschusses für die Rechte der Kinder und im dritten Teil, Art. 46–54, werden u. a. die Ratifikation, die Abgabe von Vorbehalten sowie die Kündigung bestimmt. Die UN-Kinderrechtskonvention klärt gleich zu Anfang, wer in ihren Schutzbereich fällt. Danach sind alle Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres „Kinder“ im Sinne der Konvention. Ungeborenes Leben wird dagegen nicht ausdrücklich von Art. 1 erwähnt, findet sich aber auf Intervention der deutschen Bundesregierung in der Präambel als schützenswertes Gut wieder.77 Im Wesentlichen befasst sich die Konvention mit vier Schwerpunkten: 1. mit der Teilhabe (Participation) von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen, 2. dem Schutz (Protection) von Kindern vor Diskriminierungen, Vernachlässigung und Ausbeutung, 3. dem vorbeugenden Schutz (Prevention) der Kinder vor Schäden und 4. mit unterstützenden Vorkehrungen (Provision) hinsichtlich ihrer wichtigsten Bedürfnisse.78 Dass dabei Überschneidungen zwischen den sog. vier „P’s“ auftreten, ist selbstverständlich.79 Konkret geregelt werden in der Konvention zum einen allgemeine Grundsätze, wie die Nichtdiskriminierung (Art. 2), das Kindeswohl (Art. 3) und das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung (Art. 6) sowie spezielle Fragen, wie zivile Rechte der Kinder (u. a. das Recht auf einen Namen und eine Staatsangehörigkeit, Art. 7; die Achtung ihrer Identität, Art. 8; ihre Meinungs- und Informationsfreiheit, Art. 13; die Vereinigungsund Versammlungsfreiheit, Art. 15), das familiäre Umfeld betreffende Rechte (z. B. Familienzusammenführung, Art. 10; auf Wahrung der Elternrechte, Art. 5), Fragen zur sozialen und Gesundheitsvorsorge (Recht auf Gesundheitsvorsorge, Art. 24; Recht auf soziale Sicherheit, Art. 26) sowie die Bildung und Ausbildung (Art. 28, Art. 29), die Freizeit und das kulturelle Leben betreffende Rechte (Art. 31). Außerdem enthält die Konvention Regelungen zu besonderen Problemsituationen von Kindern, beispielsweise als Opfer von Ausbeutung, als Straffällige oder als Minderheit. Die Konvention selbst fordert zur nationalstaatlichen Durchsetzung der Rechte keine öffentliche Kinderschutzeinrichtung, wie etwa einen Kinder77 Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 42. 78 Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 15. 79 Vgl. dazu ebenda.
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ombudsmann. Betrachtet man jedoch Art. 3 UN-Konvention, der besagt, dass alle Kinder betreffende Maßnahmen, ob nun öffentliche oder private, unter Berücksichtigung des Kindeswohls zustande kommen müssen, eröffnet sich hier ein weiter Aufgabenbereich für einen Kinderombudsmann. In diesem Kontext ebenfalls anzuführen ist Art. 4 UN-Konvention, der den Vertragsstaaten aufträgt, zur Verwirklichung des Übereinkommens alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der die Einhaltung des Vertrages kontrollierende Ausschuss für die Rechte des Kindes (Art. 43) empfiehlt deshalb die Einrichtung eines regierungsunabhängigen Kinderombudsmannes oder einer speziellen Kinderkommission.80 Die Durchsetzung der Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention ergibt sich aus der Rechtsnatur des Übereinkommens. Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag zwischen den Parteien.81 Das heißt, die Staaten als Vertragspartner sind zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention verpflichtet. Wie der völkerrechtliche Vertrag innerstaatlich ausgeführt wird, hängt von den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Regelungen ab. So muss der völkerrechtliche Vertrag zunächst ins nationale Rechtssystem eingegliedert werden. Dies geschieht durch Transformation oder Vollzug des Vertrages.82 Der Transformationstheorie zufolge wird durch das Zustimmungs- bzw. Vertragsgesetz der völkerrechtliche Vertrag in innerstaatliches Recht umgewandelt. Der Erlass eines innerstaatlich gleich lautenden Textes zum völkerrechtlichen Vertrag ist dabei nicht in allen Staaten erforderlich.83 Ausreichend für die Transformation ist in einigen Staaten bereits die parlamentarische Zustimmung zum Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages. Nach der Vollzugslehre beinhaltet das Vertragsgesetz dagegen den Anwendungsbefehl für den innerstaatlichen Vollzug des völkerrechtlichen Vertrages. Seinen Charakter als Völkerrecht verliert er dadurch aber, anders als bei der Trans80 Vgl. Hodgkin/Newell, Implementation Handbook for the Convention on the Rights of the Child, New York 1998, S. 71. 81 Ausführlich zur Bindungswirkung völkerrechtlicher Verträge: Cassese, International Law, Oxford 2001, S. 126 ff. 82 Die Vollzugslehre wird teilweise mit der Adoptionstheorie gleichgestellt (vgl. Doehring, Völkerrecht, 2. Auflage, Heidelberg 2004, Rn. 708, S. 307 f.) oder konsequenterweise als ihr Unterfall angesehen, weil bei der Vollzugstheorie der innerstaatliche Rechtsanwender die im Anwendungsbefehl enthaltene staatliche Geltungsanordnung beachten muss. (Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 158 (§ 29 II 3). Nach der Adoptionstheorie erfolgt die Anwendung des Völkerrechts dergestalt, dass das Völkerrecht in das innerstaatliche Recht einverleibt wird. Dies erfolgt entweder im Einzelfall oder pauschal. 83 Z. B. Großbritannien. Allgemein zur Ausführung internationalen Rechts in innerstaatliches Recht: u. a. Cassese, International Law, Oxford 2001, S. 162 ff.; Herdegen, Völkerrecht, München 2000, S. 149 ff.
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formation nicht. Eine Verdopplung des Vertragsinhalts mit unterschiedlichen Rechtsquellen tritt folglich nicht ein.84 Welche Lehre in Deutschland gilt, lässt sich nicht eindeutig beantworten und soll an dieser Stelle auch nicht entschieden werden.85 Die Verfassung lässt beide Ansichten zu.86 Das Bundesverfassungsgericht folgt nach überwiegender Auffassung in der Lehre der Vollzugstheorie.87 Nachdem es in früheren Entscheidungen explizit von einer Transformation ausging, spricht es in späteren Entscheidungen von einem Rechtsanwendungsbefehl, den das Vertragsgesetz erteilt, was auf eine Hinwendung zur Vollzugstheorie schließen lässt.88 In Deutschland bedarf das Vertragsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag, welcher die politischen Beziehungen des Bundes regelt oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht, der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaft in Form eines Bundesgesetzes, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Für das Vertragsgesetz zur UN-Kinderrechtskonvention war daher aufgrund der Betroffenheit von Länderzuständigkeiten neben der Zustimmung des Bundestags auch die des Bundesrats erforderlich. Die Konvention nimmt in Deutschland seit dem den Rang eines Bundesgesetzes ein. In Polen bedürfen gleichfalls bestimmte völkerrechtliche Verträge89 für ihre Ratifikation der parlamentarischen Zustimmung durch Gesetz. Mit Ver84 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 172 (§ 32 II 2). 85 Vgl. mit weiteren Nachweisen Steinberger, § 173: Allgemeine Regeln des Völkerrechts, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band VII: Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Heidelberg 1992, S. 525–570, S. 547 Rn. 42. 86 Vgl. Seidl-Hohenveldern/Stein/Buttlar Völkerrecht, 11. Auflage, Köln/Berlin/ Bonn 2005, S. 66 Rn. 184. 87 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 172 f. (§ 32 II 2). Siehe zur Interpretation der Entscheidung BVerfGE 6, 309 ff.: Hussner, Die Übernahme internationalen Rechts in die russische und deutsche Rechtsordnung, Stuttgart 3005, S. 34 f.; a. A. Schweitzer, der davon ausgeht, dass sich beide Theorien in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wieder finden; Schweitzer, Staatsrecht III, 7. Auflage, Heidelberg 2000, S. 150 f. (Rn. 441 ff.). 88 Siehe frühere Entscheidungen: BVerfGE 1, 396 (411); neuere Entscheidung: BVerfGE 46, 342 (363); widersprüchlich ist dagegen die Entscheidung BVerfGE 111, 306 vom 14. Oktober 2004, in der das Bundesverfassungsgericht ausführt: „Damit hat er sie [die Europäische Menschenrechtskonvention] in das deutsche Recht transformiert und einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt.“ Die Transformation, die Umwandlung in innerdeutsches Recht spricht für eine Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Transformationstheorie, der Rechtsanwendungsbefehl ist dagegen Teil des Vollzugs nach der Vollzugstheorie. 89 Siehe allgemein Art. 89 Abs. 1 pV, Art. 90 Abs. 1 pV; betreffend UN-Kinderrechtskonvention Art. 89 Abs. 1 Nr. 2 pV.
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öffentlichung eines ratifizierten Vertrages im Gesetzblatt bildet dieser einen Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung. Die Ratifikation des Vertrages und dessen Veröffentlichung haben die Transformation der völkerrechtlichen Rechtsnormen in innerstaatliches Recht zur Folge.90 Erfolgte die Ratifikation durch ein Zustimmungsgesetz, besitzt der völkerrechtliche Vertrag Vorrang dem Gesetz gegenüber, Art. 91 Abs. 2 pV. Nach der Veröffentlichung wird der Vertrag, soweit möglich, unmittelbar angewandt, d.h. alle enthaltenen Rechte und Verpflichtungen sind durch die Organe der öffentlichen Gewalt zu beachten. Sind die umgewandelten Rechtsnormen nicht unmittelbar anwendbar, setzt dies die Verabschiedung eines Gesetzes voraus, Art. 91 Abs. 1 pV.91 Polen ratifizierte die UN-Kinderrechtskonvention jedoch bereits vor Erlass der Verfassung von 1997, so dass die Vorschriften des Art. 241 Abs. 1 pV zu beachten sind. Danach gelten nur für die völkerrechtlichen Verträge, welche nach den damals geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen ratifiziert und im Gesetzblatt veröffentlicht wurden, die oben beschriebenen Regelungen des Art. 91 pV. Die Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention erfolgte am 30. April 1990 durch den halbfrei gewählten Sejm92 nach 90 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo Konstytucyjne zarys wykładu, Warszawa 2000, S. 147; siehe auch Banaszak, Prawo Konstytucyjne, Warszawa 1999, S. 126 (Rn. 111). 91 Vgl. Banaszak, Einführung in das polnische Verfassungsrecht, Wrocław 2003, S. 65. 92 Im Wahlgesetz für die ersten „halbfreien“ Sejmwahlen 1989 blieben im Wesentlichen die sozialistischen Wahlrechtsbestimmungen von 1985 aufrecht erhalten. (Zu den Regelungen von 1944 an: Banaszak, Die Entwicklung des polnischen Parlamentswahlrecht 1944–1991, in Recht in Ost und West 1992, Heft 5, S. 129–133; ders., Parlamentswahlrecht in Polen, in: Banaszak/Manssen, Wahlrechtssysteme in Mittel- und Osteuropa, Berlin 1999, S. 127–140, S. 129. Gesetz über die Wahlordnung zum Sejm der Volksrepublik Polen 10. Kadenz, für die Jahre 1989–1993 vom 7. April 1989, Dz. U. 1989, Nr. 19, Pos. 102) Es gab jedoch aufgrund von Vereinbarungen am Runden Tisch eine Kontingentierung in „reservierte“ und „freie“ Mandate. Den Kommunisten und ihren Bündnispartnern blieben 299 Sitze (65%) im Sejm reserviert, die restlichen 161 Mandate (35%) sollten auf kompetativer Basis vergeben werden. Sichern sollte dies den Einzug und die Mehrheit der kommunistischen Führungselite im Sejm. Die politische Opposition besaß auf der anderen Seite aber erstmals die Chance Mandate zu erringen, wenngleich ihr keine Mehrheit im Sejm möglich war. (Nohlen/Kasapovic, Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, Opladen 1996, S. 118; Grotz, Politische Institutionen und post-sozialistische Parteiensysteme in Ostmitteleuropa, Opladen 2000, S. 102.) Die Vergabe der 460 Sejmsitze erfolgte, wie bereits bei früheren Wahlen, auf zwei Ebenen, in den 108 Wahlkreisen (425 Sitze) sowie über eine Landesliste (35 Sitze). In den Wahlkreisen lag die Zahl der Mandate zwischen zwei bis fünf und wurde vom Staatsrat nach der Anzahl der Wähler festgelegt. Mindestens ein Mandat war dabei „frei“. Es galt das absolute Mehrheitswahlsystem, d.h. die Kandidaten in den Wahlkreisen benötigten mindestens die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Erreichte kein Kandidat die abso-
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den Vorschriften der Übergangsverfassung.93 Deren Art. 32g pV1989 erklärte für die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge grundsätzlich den Präsidenten für zuständig, es sei denn der Vertrag enthielt einschneidende finanzielle sowie rechtliche Implikationen für Polen, was eine Zustimmung des Sejm erforderlich machte. Interessanterweise erfolgte die somit notwendige Billigung der UN-Kinderrechtskonvention nicht nur durch den Sejm sondern zusätzlich auch durch den Senat. Hintergrund dafür dürfte das starke Engagement Polens an der Erarbeitung der Konvention sein.94 Für die UN-Kinderrechtskonvention gelten folglich die Regelungen des Art. 91 pV mit der Konsequenz, dass sie einen Rang über den Gesetzen und unter der Verfassung einnimmt.95 Ist die ins nationale Rechtssystem einbezogene UN-Kinderrechtskonvention nun unmittelbar anwendbar und können außerdem subjektive Rechte und Pflichten Einzelner in Deutschland und Polen auf das Übereinkommen gestützt werden?96 Für Deutschland ist festzustellen, dass die Geltung eines völkerrechtlichen Vertrages im innerstaatlichen Bereich und seine Anwendung getrennt voneinander betrachtet werden müssen.97 Folglich ist die Geltung des Vertrages Voraussetzung der innerstaatlichen Anwendbarkeit. Das Vertragslute Mehrheit, fand eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten statt. Auf der Landesliste befanden sich dagegen nur Kandidaten aus der Regierungskoalition. Die „S“ Opposition lehnte eine Aufstellung ihrer Führungskräfte in dieser Form ab. Auch hier galt es für die Kandidaten wenigstens die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich zu vereinigen, wobei es hier keine Gegenkandidaten gab. Ein Ziel, welches entgegen der Annahmen der Regierungskoalition nur zwei ihrer Kandidaten im ersten Wahlgang erreichten, was den Staatsrat veranlasste per Dekret die übrigen Mandate auf die Wahlkreise zu verteilen. Von den 161 frei wählbaren Mandaten konnte die Opposition mit ihrem Bürgerkomitee alle für sich gewinnen. (Siehe dazu Banaszak, Parlamentswahlrecht in Polen, 1999, S. 127 ff.; Nohlen/Kasapovic, Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, Opladen 1996, S. 118 f.; Grotz, Politische Institutionen und post-sozialistische Parteiensysteme in Ostmitteleuropa, Opladen 2000, S. 102 f.). 93 Konvention über die Rechte der Kinder vom 23. Dezember 1991, in: Dz. U. 1991 Nr. 120, Pos. 526 mit Änderungen (Ratifikation am 30. April 1991). 94 Siehe A. Łopatka, Konwencja praw dziecka w Polsce, S. 17 ff., S. 28, in: Bin´czycka, Prawa Dziecka, Kraków 1999. 95 Auch Polen erklärte einen Vorbehalt hinsichtlich des Verhältnisses der UNKinderrechtskonvention gegenüber Familien. 96 Zur Unterscheidung zwischen unmittelbarer Anwendbarkeit des Vertrages und der Begründung subjektiver Rechte und Pflichten siehe Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 175 f. (§ 32 II 3 b) mit weiteren Anmerkungen; anders Seidl-Hohenveldern/Stein/Buttlar Völkerrecht, 11. Auflage, Köln/ Berlin/Bonn 2005, S. 66 Rn. 187, die keine Unterscheidung treffen. 97 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 174 f. (§ 32 II 3 a).
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gesetz verleiht dem Vertragsinhalt innerstaatliche Geltung, so dass seine Normen Bestandteil des objektiven innerstaatlichen Rechts werden. Ob die Normen des Vertrages unmittelbar anwendbar sind, hängt von ihrem spezifischen Inhalt und ihrer Bestimmtheit ab und kann durch Vertragsauslegung ermittelt werden.98 Die unmittelbare Anwendbarkeit kann aber auch ohne besondere Ermächtigung im Vertrag durch Vorbehalt ausgeschlossen werden, so geschehen bei der UN-Kinderrechtskonvention.99 Die Bundesregierung100 lehnte bereits bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde die unmittelbare Anwendbarkeit sowie die Geltendmachung individueller Rechtsansprüche in einer Erklärung ab.101 Andere Stimmen argumentieren, bereits der Wortlaut des Übereinkommens betone die Subjektstellung des Kindes als Träger von Rechten.102 Daher sei die unmittelbare Anwendbarkeit bestimmter Artikel und die Ableitung individueller Rechtsansprüche aus der UN-Kinderrechtskonvention denkbar.103 Die Interpretation der Konvention durch die Bundesregierung als reine Staatenverpflichtung käme folglich, so die Vertreter dieser Ansicht, einem unzulässigen Totalvorbehalt gleich.104 Gegen diesen Einwand lässt sich Art. 4 S. 1 UN-Kinderrechtskonvention anführen, nach dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen zuerkannten Rechte . . .“ zu treffen. Dies spricht eher gegen eine zwingende unmittelbare Anwendung, den self-executing Charakter ein98 Vgl. Hussner, Die Übernahme internationalen Rechts in die russische und deutsche Rechtsordnung, Stuttgart 2005, S. 50 f. 99 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 175 f. (§ 32 II 3 b); Dorsch geht im Gegensatz dazu nicht von einem Vorbehalt sondern einer zulässigen Interpretationserklärung aus, weil der Ausschluss der unmittelbaren Anwendbarkeit eine rechtmäßige Auslegung des Art. 4 UN-Kinderrechtskonvention ist, da sie den rechtlichen Inhalt des Übereinkommens nicht modifiziert: Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 307 ff., S. 313. 100 Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 40. 101 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 10. Juli 1992, in: BGBl. II S. 990; vgl. dazu Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 175 f. (§ 32 II 3 b). 102 Jeand’Heur vertritt dagegen die Auffassung, dass ein einklagbares Recht auf Erlass einer der objektiv-rechtlichen Staatenverpflichtung genügenden Norm besteht, aus der dann ein subjektiv-rechtlicher Anspruch verfolgt werden kann. Verfassungsrechtliche Grundlage eines solchen Normerlassanspruches sei Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 193. 103 So vorsichtig Alen/Pas, The UN Convention on the Rights of the Child’s Self-executing Character, in: Verhellen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, S. 165–186, S. 185. 104 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 188.
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zelner Vorschriften.105 In Polen gibt es ebenfalls unterschiedliche Stimmen in der Lehre über die Frage, ob einzelne Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention unmittelbar anwendbar sind bzw. sich individuelle Rechtsansprüche ableiten lassen. Czyz˙ hält beispielsweise die unmittelbare Anwendung bereits aufgrund der Formulierungen im Übereinkommen für schwierig.106 Smyczyn´ski nimmt hingegen an, dass sich gewisse Verpflichtungen aus der Konvention nur an den Staat richten und andere ausgewiesene Rechte auch Kindern selbst unmittelbar zustehen.107 Um welche Bestimmungen es sich dabei im Einzelnen handelt, lässt Smyczyn´ski allerdings offen. Wichtig bleibt daher die Kontrolle der Einhaltung der Staatenverpflichtungen durch ein externes Kontrollorgan.108 Der dafür in der UN-Konvention vorgesehene Ausschuss für die Rechte des Kindes109 wertet die von den Vertragsstaaten anzufertigenden Staatenberichte110 aus, gibt Empfehlungen an Vertragsstaaten und berichtet über die Ergebnisse seiner Tätigkeit.111 Aber auch die Kontrolle der innerstaatlichen Umsetzung durch NGOs112 105 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 189 f.; vgl. ferner Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 40. 106 Vgl. Czyz ˙, Process of Implementation of the Convention on the Rights of the Child in Poland, in: Verhellen, Eugeen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, The Hague/Boston/London 1996, S. 453–455, S. 454. 107 Vgl. Smyczyn ´ ski, Legislacyjne podstawy ochrony praw dziecka, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 45–51, S. 47. 108 Vgl. Lanotte/Goedertier, Monitoring Human Rights: Formal and Procedural Aspects, in: Verhellen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, London 1996, S. 73–111, S. 83 ff. 109 Ausführlich zur Arbeit des Ausschusses Lanotte/Goedertier, Monitoring Human Rights, 1996, S. 73. 110 Da die UN-Kinderrechtskonvention nicht exakt ausführt, was der Staatenbericht beinhalten muss, geben Hodgkin/Newell in ihrem Buch, Implementation Handbook for the Convention on the Rights of the Child, New York 1998, konkrete Hilfe bei der Anfertigung eines solchen Staatenberichts. 111 Vgl. Artt. 44 und 45 UN-Kinderrechtskonvention. 112 NGOs ist die Bezeichnung für nichtstaatliche Organisationen (zum Teil wird auch der Begriff „Nichtregierungsorganisation“ verwendet). Der Begriff wird dabei in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich verstanden. Auf nationaler Ebene erfolgt die Konstituierung nach innerstaatlichem Recht, auf internationaler Ebene gibt es unterschiedliche völkerrechtliche Kriterienkataloge. Generell lässt sich feststellen, dass eine NGO einen privaten Charakter besitzen, einen ideellen Zweck erfüllen sowie eine gewisse Organisationsdichte aufweisen muss: vgl. Ölz, Die NGO’s im Recht des internationalen Menschenrechtsschutzes, Wien 2002, S. 34; die NGOs im Bereich der Menschenrechte nehmen vor allem folgende Aufgaben wahr: sie beobachten und berichten, wirken an der Umsetzung und Durchsetzung internationaler Menschenrechte und an der Ausarbeitung neuen Völkerrechts mit, sind Lobby- und Beratungsinstanzen und nehmen gewisse Serviceaufgaben wahr.
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– wie die National children’s right coalitions113 – und staatliche Kinderschutzinstitutionen, wie den Kinderombudsmann spielen eine bedeutende Rolle. Staaten- oder Individualbeschwerdeverfahren als wesentlich stärkere Durchsetzungsinstrumentarien konnten sich bei den Verhandlungen zur UNKinderrechtskonvention bei Verletzungen der Konventionsvorschriften allerdings nicht durchsetzen.114 Daran zeigt sich, dass die Entwicklung der Kinderrechte vor allem in der dritten Stufe noch lange nicht abgeschlossen ist. 5. Der Weltkindergipfel Auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Thema Kinder, dem sogenannten „Weltkindergipfel“ im Jahr 1990, verabschiedeten 71 Staats- und Regierungschefs unter deutscher sowie polnischer Beteiligung eine Erklärung für das Überleben, den Schutz und die Entwicklung von Kindern sowie einen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Erklärung. Etwa alle 10 Jahre sind Nachfolgekonferenzen des Weltkindergipfels geplant, auf denen unter anderem die Umsetzung des Aktionsplanes überprüft wird.115 Auf der letzten Versammlung 2002 wurde eine neue Agenda unter dem Titel „Eine kindgerechte Welt“ verabschiedet.116 Sie enthält neben ei(Ebenda S. 49) Auf Basis von Art. 71 UN-Satzung (und Ausführungsregelungen des ECOSOC vgl. Resolution 1996/31 vom 25. Juli 1999) ist eine formelle Beziehung zwischen den zwischenstaatlichen Organisationen und NGOs im Rahmen des ECOSOC möglich. In der Praxis gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den UN-Organen in Form von Konsultativbeziehungen und ist ausgesprochen facettenreich. (vgl. dazu ausführlich ebenda, S. 106 ff.). Im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention stützt sich eine Mitwirkung der NGOs bei den Staatenberichten auf Art. 45 lit. b UN-Kinderrechtskonvention, der es dem Ausschuss ermöglicht den NGOs als „other competent bodies“ Staatenberichte zur Stellungnahme vorzulegen (Ebenda S. 163). 113 Die National Coalition (NC) in Deutschland wurde 1995 formell gegründet und ist ein Zusammenschluss von über 90 bundesweit tätigen Organisationen/Initiativen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Sie widmet sich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. Zu ihren Aufgaben gehört es u. a., die Ziele der UN-Kinderrechtskonvention bekannt zu machen und die Berichterstattung Deutschlands kritisch zu begleiten. Vgl. dazu: http://www.national-coali tion.de/index.php?id1=1&id2=2; eingesehen am 18.01.2006. Zum internationalen Hintergrund: Hart/Bergmann/Crowley, National children’s rights coalitions: essential to implementation of the U.N. Convention on the Rights of the Child, in: The International Journal of Children’s Rights 1995, Heft 3 S. 275–280. 114 Vgl. Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 304. 115 Vgl. Information des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend: UN-Sondergeneralversammlung zu Kindern (Weltkindergipfel), vom 3. August 2005, unter: http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=20102 ,render=renderPrint.html; eingesehen am 18.01.2006. 116 Abschlußbericht der Sondergeneralversammlung „Eine kindgerechte Welt“ vom 10. Mai 2002, Dokument A/S-27/19/Rev. 1, Kapitel III.
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nem umfassenden Bericht über die weltweite Situation der Kinder konkrete Vorschläge und Absichtserklärungen zur Verbesserung des Schutzes Minderjähriger. Interessanterweise findet sich in der Agenda, im Unterschied zur UN-Kinderrechtskonvention, die Forderung nach Kinderombudsmännern. So besagt Punkt 31 b: „Wir, die an der Sondertagung teilnehmenden Regierungen, verpflichten uns zur Umsetzung dieses Aktionsplans, indem wir unter anderem die nachstehenden Maßnahmen erwägen: . . . die Einsetzung beziehungsweise Stärkung innerstaatlicher Organe, wie unter anderem gegebenenfalls unabhängiger Ombudspersonen für Kinder oder anderer Einrichtungen zur Förderung und zum Schutz der Rechte des Kindes . . .“. Die Agenda ist aber, da kein völkerrechtlicher Vertrag, im Gegensatz zur UN-Kinderrechtskonvention nicht bindend. Diskussionen gibt es zum Verhältnis zwischen Agenda und Kinderrechtskonvention. So wird bemängelt, dass die UN-Kinderrechtskonvention nicht den Rahmen für das Abschlussdokument und den Aktionsplan bildet. Vor allem mit Blick auf den teilweise geringen Stellenwert der Kinderrechtskonvention in einzelnen Ländern wäre, so die NGOs117, die Betonung, dass der Aktionsplan „ein zusätzliches Instrument zur Stärkung und vollen Umsetzung der Konvention“ ist, von Bedeutung.118 Es könnte sonst, laut den NGOs, der falsche Eindruck entstehen, es handle sich bei der Agenda um eine Alternative zur UN-Kinderrechtskonvention.119
II. Die Entwicklung der Institution Ombudsmann Die Institution eines Ombudsmanns hat ihren Ursprung in Schweden. Dort führte man bereits 1713120 auf eine königliche Anordnung Karls XII. hin das 117 Mit Kinderrechten beschäftigen sich auf internationaler und europäischer Ebene zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Neben „EURONET“, deren Schwerpunkt auf der Aufnahme von Kinderrechten in den EU/EG-Vertrag liegt, ist im Bereich der Schaffung von Kinderombudsmännern in europäischen Ländern das Europäische Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC) aktiv. Das ENOC, im Juni 1997 in Norwegen gegründet, verbindet unabhängige Kinderombudsmannbüros aus rund einem Duzend europäischer Staaten. Weitere Ausführungen zum ENOC finden sich im Abschnitt C.VI.2.e). 118 Zur Vorbereitung der Sondergeneralversammlung haben sich über 100 NGOs zum „Child Rights Caucus“ zusammengeschlossen. Vgl. „A world fit for children“ – Outcome Document for the UN Special Session on Children: Eine Einschätzung und Zusammenfassung der Nichtregierungsorganisationen vom 18. April 2002, S. 1–3, S. 1, unter: http://www.weltkindergipfel.de; eingesehen am 18. Januar 2006. 119 Ebenda. 120 In der Literatur werden unterschiedliche Einführungsdaten genannt: so nennen Koren und Patyra 1713 das entscheidende Jahr, Mauerer 1718, bestimmen Garlicki und Zoll das Jahr 1709 als das Entstehungsjahr des Amtes; Patyra, in: Skrzydło
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
Amt eines Justizkanzlers ein, der als hoher Beamter des Königs die Beamten beaufsichtigte.121 Eine endgültige Ausformung zum „riksens ständers justitieombudsman“ (Justizbeauftragten der Reichsstände) erfolgte durch die schwedische Verfassung von 1809.122 Dessen Aufgabe war es, gestützt auf die Klagen der Bürger zu untersuchen, ob öffentliche Institutionen die geltenden Rechtsvorschriften berücksichtigten und bei Erfüllung ihres Amtes redlich handelten. Dabei war es ihm möglich, ein Gerichtsverfahren gegen pflichtwidrig handelnde Beamte einzuleiten.123 Der schwedische Justizombudsmann blieb bis 1919 eine weltweit einmalige Erscheinung. Erst nach seiner Einführung in Finnland 1919 setzte seine Verbreitung zunächst in den skandinavischen Ländern – 1955 in Dänemark, 1962 in Norwegen – und ab den 60er Jahren im übrigen Europa und Commonwealth-Gebiet ein.124 Von besonderer Bedeutung für die weltweite Entwicklung und Verbreitung von Ombudsmanninstitutionen war dabei das dänische Modell, welches, so Franke, zu einer regelrechten „Ombudsmanie“ führte.125 Zurückgeführt wird dies insbesondere auf die erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit des damaligen dänischen Ombudsmannes Prof. Dr. Stephan Hurwitz und die kontinentaleuropäische Ausgestaltung der Institution.126 In Mittel- und Osteuropa war 1987 Polen das erste Land mit einem parlamentarischen Ombudsmann.127 (Hrsg.), Polskie Prawo Konstytucyjne, Lublin 2000, S. 440; Zoll bei seinem Vortrag: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa, Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg, Thema: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten; Garlicki, Polskie Prawo Konstytucyjne zarys wykładu, Warszawa 2000, S. 405; Mauerer, Die parlamentarischen Ombudsmann-Einrichtungen in den Mitgliedsstaaten des Europarates, in: Matscher (Hrsg.), Ombudsmann in Europa – Institutioneller Vergleich –, Kehl/Strasbourg/Arlington 1994, S. 123 ff., S. 128. 121 Vgl. Koren, A children’s ombudsman in Sweden, in: The international Journal of Children’s Rights, 1995, Heft 3, S. 101–118, S. 102; Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland?, Frankfurt am Main/Berlin/Bern 1998, S. 27. 122 Es wurden 1809 zwei Ombudsmänner eingeführt, einer zuständig für zivile Angelegenheiten, der andere für militärische, siehe mit weiteren Anmerkungen: Koren, A children’s ombudsman, 1995, S. 102. 123 Vgl. Koren, A children’s ombudsman, 1995, Heft 3, S. 101–118, S. 102. 124 So erfolgte die Einführung der Ombudsmanninstitution z. B. 1967 in Großbritannien, 1977 auf föderaler Ebene in Australien, 1973 in Frankreich, 1975 in Portugal, 1977 in Österreich und 1981 sowohl in Spanien als auch in den Niederlanden; vgl. International Ombudsman Institute Information BOOKLET; The Ombudsman Concept, unter: http://www.law.ualberta.ca/centres/ioi/brochure.htm; eingesehen am 9.09.2002; S. 3. 125 Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 28. 126 Vgl. mit weiteren Ausführungen ebenda, S. 28 ff. 127 Gesetz über den Bürgerrechtsbeauftragten vom 15. Juli 1987 novelliert 1991, Dz. U. 1991, Nr. 109, Pos. 471 mit Änderungen. Die erste Bürgerrechtsbeauftragte, Frau Ewa Łe˛towska, nahm ihre Arbeit am 1. Januar 1988 auf.
II. Die Entwicklung der Institution Ombudsmann
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Der Terminus Ombudsmann ist dabei, wie eingangs erwähnt, eines der wenigen schwedischen Worte, welches Aufnahme in die englische Sprache fand. Er bedeutet so viel wie „Vertreter für jemanden, der sich in juristischen oder ökonomischen Angelegenheiten zugunsten der Person einsetzt“.128 Seit der weltweiten Verbreitung der Institution im 20. Jahrhundert entstanden aufgrund von Übersetzungsschwierigkeiten aber auch zahlreiche andere Bezeichnungen, so u. a. die der „Volksanwaltschaft“ in Österreich, des Mediators der Republik (Mediateur de la Republique) in Frankreich, des Volksanwalts (Defensor del Pueblo) in Spanien sowie des Bürgerrechtsbeauftragten (Rzecznik Praw Obywatelskich) in Polen.129 In Deutschland ist der Begriff des Beauftragten üblich. Die Ombudsmanninstitution zeichnet sich in der Regel durch vier grundlegende Elemente aus: Es handelt sich beim Ombudsmann erstens um ein eigenständiges staatliches Organ, welches nicht zur Exekutive gehört und überwiegend eine gesetzliche Verankerung aufweisen kann. Zwischen Ombudsmann und Parlament besteht zweitens eine enge Verbindung, da er in den meisten Ländern von diesem gewählt wird und einen Teil der dem Parlament übertragenen Kontrollfunktion wahrnimmt. Der Ombudsmann ist drittens für zwei wesentliche Aufgabenbereiche zuständig. Er widmet sich zum einen den individuellen Beschwerden von Bürgern gegen staatliche Organe und informiert zum anderen das Parlament über die Einhaltung der Gesetze durch die Verwaltung. Als letztes gemeinsames Element sei der nicht formalisierte und unentgeltliche Zugang des Bürgers zum Ombudsmann genannt. Ein Anspruch des Antragstellers auf Bearbeitung und Bescheidung besteht dafür größtenteils nicht.130 Trotz der gemeinsamen Aufgabe die Staatsgewalt zu kontrollieren, ist die Ausgestaltung des Amtes im Detail sehr unterschiedlich. So gibt es regional oder zentral wirkende Ombudsmänner, solche die allgemein zuständig oder aber, wie der deutsche 128 Vgl. Koren, A children’s ombudsman, 1995, S. 101; vgl. Flekkøy, A Voice for Children – Speacking Out as Their Ombudsman, London 1991, S. 23; siehe auch International Ombudsman Institute Information BOOKLET; The Ombudsman Concept, unter: http://www.law.ualberta.ca/centres/ioi/brochure.htm; eingesehen am 9.09.2002; S. 2; vgl. aber auch mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 27. 129 Vgl. International Ombudsman Institute Information BOOKLET; The Ombudsman Concept, unter: http://www.law.ualberta.ca/centres/ioi/brochure.htm; S. 2; eingesehen am 9.09.2002; vgl. mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland?, Frankfurt am Main 1999, S. 27. 130 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo Konstytucyjne zarys wykładu, Warszawa 2000, S. 405 ff.; so auch Zoll bei seinem Vortrag: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa, Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg, Thema: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
Wehrbeauftragte131, auf bestimmte Bereiche beschränkt sind. Parallelen gibt es auch zum Petitionsrecht. Im Unterschied zum Petitionssausschuss eines Legislativorgans hat der Ombudsmann nach Meinung von Experten den „psychologischen Vorteil, dass er als Symbolfigur aus Fleisch und Blut in stärkerem Maß als ein kollegiales Organ das Vertrauen bedrängter Staatsbürger gewinnen kann“.132 Neben der ursprünglichen Ombudsmanninstitution schufen einige Länder auf bestimmte Aufgabenbereiche spezialisierte Ombudsmänner. So existieren in Norwegen neben dem allgemeinen insgesamt fünf weitere staatliche Ombudsmänner, so beispielsweise einer für Verbraucher, einer für Gleichstellungsfragen sowie ein Ombudsmann für die öffentliche Verwaltung.133 Der Kinderombudsmann als in der Regel unabhängige, gesetzlich eingerichtete und spezialisierte Ombudsmanninstitution ist für die Förderung der Rechte und Interessen von Kindern zuständig.134 Das erste Land mit einem solchen für Kinder zuständigen Ombudsmann – dem Barneombud – war 1981 Norwegen.
III. Entwicklung der Institution Kinderombudsmann Nach der Verabschiedung des Kinderombudsmanngesetzes im März 1981 durch das norwegische Parlament trat die erste Kinderbeauftragte, Frau Målfrid Flekkøy, am 1. September 1981 ihr Amt an.135 Die Idee, einen Kinder131 Siehe Jaster, Der polnische Beauftragte für Bürgerrechte, Baden-Baden 1994, S. 42 mit weiteren Anmerkungen. 132 Anhang der Rede der Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, Lieselotte Berger (Enquête über Ombudsmann-Einrichtungen in Europa, 23.–25. November 1983 in Wien; zitiert nach: Mauerer, Die parlamentarischen Ombudsmann-Einrichtungen in den Mitgliedsstaaten des Europarates, in: Matscher (Hrsg.), Ombudsmann in Europa – Institutioneller Vergleich –, Kehl/Strasbourg/Arlington 1994, S. 123 ff., S. 127. 133 Siehe http://www.barneombudet.no/html/english/modern_society.html; eingesehen am 9.09.2002, S. 3 von 14. 134 Vgl. UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1, 1997, Florenz, S. 2. 135 Am 6. März 1981 stimmte der König Norwegens dem zuvor im norwegischen Parlament – dem Storting – angenommenen Gesetz über die Einführung eines Ombudsmannes für Kinder zu. Siehe Act. No. 5 of March 6 1981 Relating to the Ombudsman for Children, abgedruckt in Englisch unter: http://www.ombudsnet.org/ Ombudsmen/Norway/norway.htm; eingesehen am 16.07.2002. Im Herbst 1981 erließ der König außerdem ausführende Vorschriften über die Arbeit des Ombudsmannes, siehe Instructions for the ombudsman for children, royal decree vom 11. September 1981, mit den letzten Änderungen vom 17. Juli 1998, abgedruckt in englisch unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Norway/norway.htm; eingesehen am 16.07.2002.
III. Entwicklung der Institution Kinderombudsmann
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ombudsmann in Norwegen zu schaffen, kam Ende der 60er Jahre auf.136 Der Juraprofessor Anders Bratholm hatte in seinem Buch auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, Kindern bei Konflikten mit ihren Eltern einen öffentlichen Verteidiger an die Seite zu stellen.137 1975 forderte dann die Frauenorganisation der norwegischen Arbeitspartei die Einführung eines Ombudsmannbüros.138 Im gleichen Jahr setzte der norwegische Justizminister einen Ausschuss ein, der u. a. klären sollte, ob bei Konflikten zwischen Kindern und Eltern bzw. zwischen Kindern und Verwaltungsbeamten die vorhandenen Institutionen/Ämter zur Lösung ausreichend seien oder aber etwas Neues zur Hilfestellung benötigt werde. Im 1977 veröffentlichten Bericht sprach sich der Ausschuss klar für die Einführung eines Kinderombudsmanns aus.139 In einem weiteren Ausschuss 1979, der aus Vertretern von sechs Ministerien bestand, zeichnete sich ein Konflikt zwischen den beiden Auffassungen ab, entweder eine neue Institution – einen Kinderombudsmann – zu schaffen oder bereits vorhandene Ämter mit den Aufgaben zu betrauen.140 Letztlich unterbreitete der Minister für Verbraucherschutz und Regierungsverwaltung dem Kabinett einen Gesetzentwurf über den Kinderombudsmann, der an den Storting, das norwegische Parlament, 1980 weitergeleitet wurde. Dieser stimmte der Einführung des Ombudsmannes mit einer Mehrheit von nur fünf Stimmen am 26. Februar 1981 zu.141 Obwohl politische Bestrebungen bestanden, das Amt wieder abzuschaffen, blieb die Institution.142 Interessant ist der Blick auf die zunehmende Akzeptanz der Institution in der Bevölkerung. Lehnten bei Einführung des Amtes 80–90% der Wähler den Kinderombudsmann ab, sah es rund 10 Jahre später genau anders herum aus.143 Die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland bewer136 Siehe Flekkøy, A Voice for Children, 1991, S. 47; sowie Borgen, Developing the Role of an Ombudsman, in: Verhellen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, The Hague/Boston/London 1996, S. 541–554, S. 543. 137 Der Titel des Buches: Anders Bratholm, Umyndige personer, Oslo 1969. 138 Siehe Flekkøy, A Voice for Children, 1991, S. 47. 139 Ebenda. 140 Ausführlich ebenda, S. 48; auch Borgen, Developing the Role of an Ombudsman, in: Verhellen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, The Hague/Boston/London 1996, S. 541–554, S. 544. 141 Auch dazu ausführlich Flekkøy, A Voice for Children, 1991, S. 49. 142 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 57 f.; vorsichtiger formuliert bei Flekkøy, The Norwegian Commissioner („Ombudsman“) for Children: Practical Experiences and future Goals, in: Verhellen/Spiesschaert (Hrsg.), Ombudswork for children – a way of improving the position of children in society, Leuven, Amersfoort 1989, S. 119–132, S. 122. 143 Vgl. Flekkøy, Working for the Rights of Children in Norway, in: Verhellen/ Spiesschaert (Hrsg.), Children’s Rights: Monitoring Issues, Gent 1994, S. 11–24, S. 15.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
tete die Institution des Kinderbeauftragten 1991 politisch wie folgt: „Our experience with the office of the Ombudsman has been very postive, and I truly believe that Norwegian Children have derived great benefit from having an ombudsman of their own, to speak and act on their behalf.“144 1995 fand die erste Evaluierung der norwegischen Kinderombudsmanninstitution durch eine fünfköpfige Expertenkommission statt.145 In ihrem Bericht stellt sie ausdrücklich fest, dass die Zeit für eine Abschaffung der Institution noch nicht reif sei. Gleichwohl sieht sie auch Argumente dafür, den Beauftragten nur als einen zeitlich begrenzten Wegbereiter zu verstehen, der Defizite im Kinderschutzbereich öffentlichkeitswirksam benennt sowie zu Maßnahmen anregt.146 Die Kommission bewertet insbesondere das Tätigwerden des Kinderbeauftragten bei der Aufklärung über Kinderrechte als sehr erfolgreich, da es zu einer besseren Stellung der Kinder im Recht führte. Ein Ergebnis, welches bei der Gesetzgebung so nicht absehbar war.147 Seit der Einführung in Norwegen verbreitete sich diese Institution weltweit. Auf Europaratsebene wird sogar die Einführung eines europäischen Kinderombudsmannes diskutiert.148 Bekannt sind derzeit schätzungsweise 28 Länder, welche auf nationaler Ebene wirkende Kinderombudsmänner besitzen, wobei der Großteil erst Mitte der 90er Jahre etabliert wurde.149 Einer von ihnen ist der polnische Kinderrechtsbeauftragte. Überdies existieren in zahlreichen Bundesstaaten Kinderbeauftragte auf regionaler Ebene, wie etwa in Österreich, Belgien und Großbritannien. Eine aktuelle Zahl der kommunalen Kinderombudsmänner weltweit ist nicht bekannt. Deutschland hat keinen Kinderbeauftragten auf Bundesebene, jedoch in einzelnen Bundesländern, wie Sachsen-Anhalt, einen Landeskinderbeauftragten. Außerdem sind in Deutschland etwa 80 kommunale Kinderbeauftragte tätig.150 144 Vgl. die Seiten des europäischen Kinderombudsmannnetzwerkes: http://www. ombudsnet.org/history.htm; eingesehen am 29.01.2002. 145 Der Kommission gehörten Prof. Dr. Edvard Befring, Dr. Lucy Smith, Prof. Dr. Arne Vikan, Mona Røkke und Trond Waage an. 146 Siehe Ministry of Children and Family Affairs (Hrsg.), The Ombudsman for Children and Childhood in Norway, Norwegian Official Report (NOU) 1995:26, Oslo 1996, S. 5. 147 Siehe ebenda, S. 6. 148 Siehe Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 7. April 2000: Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes 1460 (2000); ausführlich siehe Abschnitt B.V. 149 Vgl. UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1, 1997, Florenz, S. 2. 150 Siehe dazu die Angaben und Anmerkungen in der Studie von Arnold/Wüstendörfer, welche von 64 bekannten Interessenvertretungen und einer „Dunkelziffer“ von 20% nicht genannter kommunaler Kinderbeauftragter ausgehen: Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 124.
IV. Überblick über Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern
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IV. Überblick über die Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern Die Kinderombudsmanninstitutionen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer örtlichen Zuständigkeit, sondern auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung. Gleichfalls vielfältig sind die gewählten Bezeichnungen der Institutionen, so z. B. als Kinderbeauftragter in Deutschland, als Kinderund Jugendanwaltschaft in Österreich, als Beauftragter für Kinderrechte (Rzecznik Praw Dziecka) in Polen oder Kinderkommissar in Flandern. In diesem Abschnitt sollen einige der europäischen Kinderombudsmanninstitutionen auf grundlegende Merkmale bezüglich ihrer rechtlichen Ausgestaltung hin untersucht werden. Es bieten sich dabei die Art und Weise der rechtlichen Verankerung der Institution, ihr Verhältnis zu anderen staatlichen Organen inklusive der Besonderheiten ihrer Bestellung, die der Institution eingeräumten Aufgaben und Kompetenzen sowie deren finanzielle Absicherung an. Die gewählte Ausgestaltung dieser Kriterien gilt als entscheidend für eine wirksame Aufgabenerfüllung von nationalen Menschenrechtsinstitutionen, wozu Ombudsmanninstitutionen gezählt werden können.151 Der Überblick konzentriert sich auf staatliche, entweder für die nationale oder regionale Ebene zuständige Kinderombudsmänner. Private, wie der durch die „Mannerheim League for Child Welfare“ getragene finnische Kinderombudsmann152, bleiben bei den Betrachtungen ebenso wie die kommunalen Institutionen153 außen vor. Der Überblick beschränkt sich außerdem auf Länder mit einem originären „Kinderombudsmann“, so dass Staaten wie Dänemark mit einem Mehrpersonengremium, welches für Kinderfragen zuständig ist, nicht untersucht werden.154 Dies ergibt sich bereits daraus, dass unter dem Begriff des Ombudsmannes kein Kollegial-, sondern ein Individualorgan verstanden wird. Gleichzeitig sind mit Blick auf die 151 Siehe Centre for Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York, Genf 1995, S. 8 sowie S. 10–17. 152 Siehe dazu ausführlich Molander, A Child Against the State: Tasks of the Children’s Ombudsman, in: Verhellen (Hrsg.), Monitoring Children’s Rights, Hague/Boston/London 1996, S. 575–586; sowie UNICEF (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1 1997, S. 16. 153 Siehe dazu die ausführliche Studie Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994. Kritisch zur positiven Einschätzung der kommunalen Kinderbeauftragten durch die Studie: Kammerer, Schafft die Kinderbeauftragten ab!, in: Sozialmagazin 1995, Heft 2, 20. Jhg., S. 25. 154 In Dänemark gibt es seit 1998 einen durch die Regierung eingesetzten Nationalrat für Kinder. Dieser setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen, welche vom Sozialminister und privaten Kinderorganisationen bestimmt werden; http://www. boerneraadet.dk; eingesehen am 17.07.2002.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
Untersuchung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten und auf die Frage der Einführung eines Kinderombudsmannes in Deutschland nur staatliche, auf nationaler oder regionaler Ebene angesiedelte Kinderbeauftragte von Interesse. Diese Einschränkungen dienen dazu, aus der Vielzahl von Kinderschutzinstitutionen das staatliche Individualorgan „Kinderombudsmann“ mit seinen besonderen Merkmalen zu untersuchen. Eine Wertung hinsichtlich der übrigen bestehenden Kinderschutzinstitutionen ist darin nicht zu sehen. Einbezogen werden die Regelungen in Frankreich, Island, Mazedonien, Norwegen und Schweden sowie die Länder mit regionalen Regelungen: Belgien, Großbritannien und Österreich. Soweit für das Verständnis erforderlich, fließen auch die Regelungen zum polnischen Kinderrechtsbeauftragten in den Überblick ein, bleiben aber insgesamt der ausführlichen Darstellung vorbehalten. Die Form der rechtlichen Verankerung einer Institution ist eine wichtige Voraussetzung für eine effektive Aufgabenerfüllung, da diese ein gewisses Maß an Unabhängigkeit der Institution voraussetzt. So kann die Art der gewählten Rechtsgrundlage die Möglichkeit der Abschaffung oder der Reduzierung des Kompetenzbereiches bei einer Institution verringern, deren Aufgabe unter anderem die kritische Begleitung des Handelns der Staatsorgane im Bereich der Kinderrechte ist. Um Rechtssicherheit bezüglich der Institution zu gewährleisten, erließ die Mehrzahl der Länder ein eigenes Parlamentsgesetz als gesetzliche Grundlage für den Kinderbeauftragten. Polen hat den Kinderrechtsbeauftragten sogar in der Verfassung als Verfassungsorgan verankert.155 Die Regelungen des Kinderombudsmanns in Wales (Großbritannien) finden sich dagegen nicht in einem eigenen Gesetz sondern im Care Standards Act von 2000 (Gesetz über die Fürsorgestandards) unter einer eigenen Überschrift.156 In Mazedonien wiederum arbeitet der Kinderombudsmann in einer gemäß Art. 4 Abs. 2 Gesetz über den Volksanwalt157 eingerichteten Abteilung des Ombudsmannbüros nach den allgemein für den Volksanwalt geltenden Vorschriften. Die Institution wird jedoch in Art. 4 nicht ausdrücklich erwähnt. Das Gesetz über den Volksanwalt räumt der parlamentarischen Versammlung Mazedoniens vielmehr die Möglichkeit ein, auf Vorschlag des Ombudsmannes Abteilungen bei diesem einzurichten. Es gibt folglich weder ein spezielles Kinderombudsmanngesetz noch eine sonstige ausdrückliche gesetzliche Verankerung des Kinderombudsmannes in Mazedonien.158 155
Vgl. Art. 72 Abs. 4 pV. Children’s Commissioner for Wales Act 2001, vom 11. Mai 2001, unter: http://www.hmso.gov.uk/acts/acts2001/10018–a.htm#1; eingesehen am 17.07.2002. 157 Siehe Gesetz über den Volksanwalt vom 13. Februar 1997, unter: http://www. omineurope.info/uk/gesetz_macedonia_uk.htm; eingesehen am 26.05.2004. 156
IV. Überblick über Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern
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Der gesetzliche Regelungsumfang gestaltet sich in den einzelnen Ländern verschieden. Grundsätzlich sollten im Gesetz Regelungen zum Ernennungsund Abberufungsverfahren des Kinderombudsmannes, über seine Aufgaben und Kompetenzen sowie hinsichtlich des finanziellen Rahmens enthalten sein.159 Entsprechende, gesetzlich verankerte Bestimmungen erhöhen grundsätzlich die Rechtssicherheit des Kinderombudsmannes sowohl bezüglich seines Kompetenzrahmens als auch seiner Amtsführung. In Island160, Belgien (in Flandern und Wallonien161), Frankreich162 und in Österreich (Salzburg)163 liegen solche detaillierten gesetzlichen Vorschriften vor. Dagegen weist das schwedische Gesetz164 nur drei Artikel auf (Art. 1 allgemeine Aufgaben, Art. 2 Ernennung des Kinderombudsmannes und eines Beratungsgremiums, Art. 3 Zusammenarbeit mit einem Sozialausschuss). Alles Übrige regelt eine Satzung. In Norwegen findet sich ebenfalls der Großteil der Kompetenzen in einer untergesetzlichen Regelung, und zwar in einer königlichen Verfügung.165 Vorteil einer untergesetzlichen Festlegung ist de158 Vgl. http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Macedonia/Macedonia.htm; eingesehen am 16.07.2002, S. 1 von 2. Für die Schaffung einer separaten Kinderombudsmanninstitution fehlt die rechtliche Grundlage; vgl. Republic of Macedonia Public Attorney – ombudsman – Department for Protection of Children’s Rights, unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Macedonia/Macedonia_Update_2002. htm; eingesehen am 26.05.2004; S. 1 von 4. 159 Siehe Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 10 ff. 160 Siehe das isländische Kinderombudsmanngesetz vom 19. Mai 1994, Nr. 83, unter: http://www.althingi.is/lagas/128a/1994083.html; eingesehen am 14.05.2004. 161 Siehe das Gesetz vom 15. Juli 1997 über die Einrichtung eines Kinderkommissars in Flandern mit Änderungen, unter: http://www.Kinderrechtencommissariaat.be/; eingesehen am 26.05.2004; Gesetz vom 20. Juni 2002 über die Einrichtung eines Generalbeauftragten für Kinderrechte für die französische Gemeinschaft, unter: http://www.cfwb.be/dgde/decret.htm; eingesehen am 26.05.2004. 162 Gesetz über den französischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. März 2000 mit Änderungen, Loi nº2000-196, NOR: MENX9903288L; unter: http://www.legi france.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000398170&dateTexte=&fast Pos=2&fastReqId=1338727022&oldAction=rechTexte (Eingesehen am: 9.02.2009). 163 Salzburger Kinder- und Jugendwohlfahrtsordnung (JWO) vom 8. Juli 1992, StF: LGBl. Nr. 83/1992 in der Fassung LGBl. Nr. 15/1996, LGBl. Nr. 9/1998, LGBl. Nr. 51/1999, LGBl. Nr. 6/2000. 164 Gesetz über die Einführung des [schwedischen] Ombudsmannbüros vom 13. Mai 1993 (SFS 1993:335) http://www.bo.se/eng/act_ordinance.asp; eingesehen am 17.07.2002; Satzung betreffend die Vorschriften für den [schwedischen] Kinderombudsmann vom 3. Juni 1993 (SFS 1993:710) http://www.bo.se/eng/act_ordi nance.asp; eingesehen am 17.07.2002. 165 Act. No. 5 vom 6. März 1981 über: Relating to the Ombudsman for Children, abgedruckt mit den letzten Änderungen vom 17. Juli 1998 in englisch unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Norway/norway.htm; eingesehen am 16.07. 2002; Königliches Dekret vom 11. September 1981 über: Instructions for the Om-
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
ren Flexibilität. Erforderliche rechtliche Änderungen sind ohne ein formales Gesetzgebungsverfahren einfacher und schneller möglich.166 Allerdings kann dies gleichzeitig zu Lasten der Rechtssicherheit gehen. Welchen Erwägungen der Vorzug gegeben werden sollte, hängt maßgeblich von der Rechtskultur des betreffenden Landes ab, insbesondere von dem Grad an Legitimität, der für eine Kinderrechtsinstitution für erforderlich gehalten wird. Weiteres wichtiges Kriterium für eine effektive Aufgabenerfüllung ist eine klare Regelung des Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen insbesondere mit den Exekutivorganen und den bestehenden Ombudsmännern. Eine in allen Ländern geregelte Frage des Zusammenwirkens der Staatsorgane ist die Bestellung des Kinderombudsmannes. Sie erfolgt in der Regel für eine bestimmte Amtszeit (4–8 Jahre), wobei zumeist eine Wiederwahl möglich ist. In Flandern, Polen und Mazedonien erfolgt die Bestellung durch das Parlament, in den übrigen Ländern und Landesteilen durch Organe der Exekutive, wie beispielsweise durch die Regierung in Frankreich, Schweden, Salzburg und Wallonien, den Premierminister in Island oder den König in Norwegen.167 Vorschriften über die Abberufung des Kinderombudsmannes sind dagegen nicht die Regel. Sie finden sich in Salzburg (§ 13 Abs. 6), Wallonien (Art. 5), Flandern (Art. 9), Polen und Mazedonien (Art. 4). Vom bestellenden Organ leitet sich grundsätzlich die Zuordnung der Kinderombudsmanninstitution entweder zur Legislative oder Exekutive ab.168 Um dennoch ein hohes Maß an Unabhängigkeit in Form von Weisungsfreiheit zu erreichen, kann der Institution eine hohe Rechtsstellung, z. B. als gleichrangiges Verfassungsorgan, eingeräumt werden, wofür sich Polen entschied. Einige Länder169 wiederum legen die Weisungsfreiheit des Kinderombudsmannes in der Rechtsgrundlage fest. Beim Salzburger Kinderbudsman for children and the Advisory Board, abgedruckt mit den letzten Änderungen vom 17. Juli 1998 in englisch unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/ Norway/norway.htm; eingesehen am 16.07.2002; die Untergesetzlichkeit der königlichen Verfügung ergibt sich aus Art. 30 Abs. 3 Norwegische Verfassung; Verfassung vom 17. Mai 1814 mit letzter Änderung vom 23. Juli 1995. 166 Weiterführend Koren, A children’s ombudsman, 1995, S. 113. 167 Vgl. Art. 2 frz. KinderOG; Art. 2 schwedisches KinderOG, § 13 Abs. 2 Salzburger JWO, Art. 4 Abs. 3 maz. Gesetz über den Volkanwalt; Art. 5 wall. KinderOG; Art. 2 isl. KinderOG, Art. 2 norw. KinderOG. Zu den Regelungen in Wales vgl. Art. 72 B 3 b Care Standards Act. 168 Wie dies für den polnischen Kinderombudsmann zu bewerten ist, siehe unter C.V.1. 169 Vgl. Art. 10 Abs. 1 S. 1 frz. KinderOG; Art. 8 isländ. KinderOG (gilt ausdrücklich nicht hinsichtlich Finanzen); § 6 norw. KinderOG, Art. 8 § 3 fläm. KinderOG, Art. 6 walis. KinderOG.
IV. Überblick über Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern
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ombudsmann besitzt diese Regelung gemäß § 13 Abs. 4 Salzburger JWO sogar Verfassungsrang auf Länderebene.170 Bestimmte Länder versuchen Kompetenzkonflikte zu vermeiden, indem sie die gesetzlichen Kompetenzen zwischen den staatlichen Organen klar voneinander abgrenzen. Erforderlich erscheint dies insbesondere dann, wenn wie z. B. in Norwegen und Island eine Zuordnung des Kinderombudsmannes zur Exekutive erfolgt.171 Denn wird die Zusammenarbeit mit den Exekutivorganen letztlich zu eng, kann die Institution bei der Wahrnehmung ihrer unabhängigen Kontrollfunktion beeinträchtigt sein.172 Neben der garantierten Unabhängigkeit regelt § 4 der Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann daher, wann Sachverhalte an den Parlamentsombudsmann173 sowie an die jeweils zuständige öffentliche Stelle weiterzuleiten sind bzw. die Anklagebehörde zu informieren ist. § 4 norw. KinderOG legt zudem fest, welche Zuarbeit die Exekutive dem Kinderombudsmann auf Anfrage leisten muss. Letzteres sieht auch Art. 5 Abs. 1 isl. KinderOG vor.174 Bei Streitigkeiten kann dieser auch die gewünschten Informationen von den staatlichen Stellen auf dem Zivilrechtsweg einklagen, Art. 5 Abs. 3. Beide Länder verpflichten den Kinderombudsmann außerdem gegenüber dem Minister, § 8 Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann, bzw. gegenüber dem Premierminister, Art. 8 isl. KinderOG einen jährlichen Arbeitsbericht vorzulegen. Letztere Bestimmung findet sich allerdings in sämtlichen Kinderombudsmanngesetzen.175 Andere Kinderombudsmänner, wie der flämische, werden der Legislative zugeordnet.176 Ihnen können wegen des Prinzips der Gewaltenteilung keine Befugnisse zustehen, welche über die parlamentarischen Kontrollrechte hinausgehen. Hinsichtlich der Aufgaben und insbesondere der Kompetenzen der Kinderombudsmanninstitutionen gibt es einige Gemeinsamkeiten, aber auch we170 Vgl. § 13 Abs. 4 JWO 1992: In Österreich können einzelne Vorschriften in Gesetzen zu Vorschriften mit Verfassungsrang erhoben werden, dies gilt auch auf Länderebene; dazu ausführlich Adamovich, Österreichisches Staatsrecht, 1. Band Grundlagen, Wien 1997; S. 6 f., S. 47 f. direkt zum Kinder- und Jugendanwalt; außerdem stellt das Salzburger Gesetz mit einer Unvereinbarkeitsklausel noch zusätzliche gesetzliche Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit, § 13 Abs. 3 S. 2 JWO 1992; ebenso Island: vgl. Art. 8 Abs. 1 isl. KinderOG. 171 Das ergibt sich u. a. aus Art. 2 und 8 isl. KinderOG, § 9 Anweisungen an der norw. Kinderombudsmann; vgl. auch Art. 6 Abs. 1 wall. KinderOG. 172 Siehe dazu Flekkøy, A Voice for Children, 1991, S. 169. 173 Vgl. auch die Regelung in Polen in Art. 10a Abs. 1 KinderG. 174 So auch in Polen gemäß Art. 10b KinderG. 175 Zur Abgabe eines Tätigkeitsberichts gegenüber dem Bestellungsorgan sind in der Regel auch die anderen Kinderombudsmänner verpflichtet. 176 Das ergibt sich aus Art. 3 fläm. KinderOG.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
sentliche Unterschiede zwischen den einzelnen staatlichen Regelungen. Allgemeine Aufgabe aller Kinderombudsmanninstitutionen ist es, sich für Kinderrechte und -interessen einzusetzen und diese in der Öffentlichkeit zu fördern. In den meisten Gesetzen der nationalen Kinderombudsmänner findet sich zudem eine Zuständigkeit, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im jeweiligen Land – kritisch – zu begleiten und bestehende nationale Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-Kinderrechtskonvention hin zu untersuchen.177 Einige, wie etwa Norwegen, nutzen diese Gelegenheit den vom eigenen Land abzugebenden Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in einer separaten Erklärung zu kommentieren.178 Die Kinderschutzinstitution soll zudem in mehreren Ländern Vorschläge für Neuregelungen einbringen bzw. beim Zustandekommen neuer Regelungen mitwirken.179 Die Behörden in Salzburg180 sind verpflichtet, auf vorgetragene Empfehlungen und Änderungsvorschläge des Kinderbeauftragten hinsichtlich der Beachtung von Kinderrechten innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist zu reagieren und müssen ihr Verhalten entsprechend anpassen.181 Ein eigenes Gesetzesinitiativrecht hat allerdings bislang keine der Institutionen. Unterschiede bestehen ferner bezüglich der Frage, ob es dem Kinderombudsmann zusteht, bei individuellen Angelegenheiten zu helfen oder ob er nur allgemein für den Schutz von Kinderrechten zuständig ist. So können u. a. der norwegische, isländische und Salzburger Kinderombudsmann in individuellen Fällen tätig werden.182 Eine Vermittlung bei privaten Konflikten zwischen Kindern und Eltern/Erziehungsberechtigten steht der norwegischen Institution, gemäß § 3 Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann, hingegen nicht zu. Nur der Salzburger Gesetzgeber entschied sich ausdrücklich für eine Zuständigkeit des Kinder- und Jugendanwalts, auch bei privaten Auseinandersetzungen helfend und beratend tätig zu werden, § 14 Abs. 1 b JWO. Außerdem ist es dem Salzburger Kinderombudsmann gestattet, im Interesse von Minderjährigen vor Gericht vorstellig zu werden.183 177 § 3 Abs. 1 b norw. KinderOG, Art. 5 Abs. 3 fläm. KinderOG, Art. 3 Nr. 3 wall. KinderG. 178 Siehe Barneombudet (Hrsg.), The Ombudsman for Children’s report to the UN Committee on the Rights of the Child – a Supplementary Report to Norway’s Second Official Report, Oslo 2000. 179 Vgl. § 3 Abs. 1 c norw. KinderOG; Art. 3 b isl. KinderOG; Art. 3 Nr. 4 wall. KinderG; § 14 Abs. 2 JWO. 180 Vgl. auch die Regelungen in Polen in Abschnitt C. 181 Vgl. § 14 Abs. 3 d JWO; Art. 11 e. KinderOG; so jetzt auch gemäß Art. 10a Abs. 3 KinderG. 182 § 2 Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann; § 14 Abs. 1 b JWO; Art. 4 isl. KinderOG.
IV. Überblick über Ausgestaltung der Institution in ausgewählten Ländern
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Ein Teil der Länder lehnte die Zuständigkeit in individuellen Fällen ab. Befürchtet wurde eine Überlastung mit Beschwerden, für welche bereits andere staatliche Stellen originär zuständig sind und die die Verfolgung der grundlegenden Ziele faktisch unmöglich gemacht hätten. Im Rahmen der Einführung der Institution diskutierten diese Länder zumeist auch, inwieweit durch den staatlichen Kinderombudsmann das uneingeschränkte Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder beeinträchtigt sein könnte. Bei Kenntnisnahme von strafrechtlichen Vorfällen oder Vernachlässigungen im privaten Bereich sind diese nationalen Kinderombudsmänner jedoch nicht zur Untätigkeit verpflichtet, sondern haben die im Land zuständigen Stellen zu informieren.184 Besteht eine Zuständigkeit des Kinderombudsmannes für individuelle Fälle, so ist die Gestaltung des tatsächlichen Zuganges zur Zielgruppe entscheidend. Wichtige Gesichtspunkte dabei sind die Bekanntheit der Institution und die physische Möglichkeit, sich an die Institution zu wenden.185 Beide Punkte sind gerade bei einer Kinderinstitution von Bedeutung. Neben Erwachsenen sind bereits Kinder im Vorschulalter über altersgerechte Fernsehsendungen oder im Kindergarten potenziell zu erreichen. So verhalf eine Fernsehsendung des früheren norwegischen Kinderombudsmannes der Institution zur landesweiten Bekanntheit. Der einfachste Weg der Kontaktaufnahme ist das Telefon, dessen Umgang bereits Kinder im Vorschulalter beherrschen.186 Aus diesem Grund haben viele Kinderombudsmänner kostenlose Telefonnummern geschaltet. Einen Anspruch auf Untersuchung und Bescheidung des vorgebrachten Falles durch den Kinderombudsmann gibt es aber grundsätzlich nicht. Es steht in der Regel im Ermessen der Institution, ob eine Angelegenheit zurückgewiesen, eingestellt oder untersucht wird. Die Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann sehen allerdings vor, dass der Antragsteller über den jeweiligen Verfahrensabschluss zu informieren ist.187 Der Kinderombudsmann darf in der Regel neben den ihm zugetragenen Angelegenheiten auch Fälle aus eigener Initiative heraus untersuchen. Damit der Kinderombudsmann im Rahmen der gesetzten Zuständigkeiten jedoch überhaupt entsprechende Untersuchungen durchführen kann, räumen 183
Siehe im Einzelnen § 14 Abs. 1 c, Abs. 3 b JWO, welcher ein Akteneinsichtsrecht und ein Teilnahmerecht beinhaltet. 184 Siehe ausdrücklich Art. 4 Abs. 3 isl. KinderOG. 185 Ebenda. 186 Dennoch ist die Mehrheit der Kinder, welche sich an den Kinderombudsmann wenden, zwischen 10 und 14 Jahre alt: So die Zahlen in Norwegen; Borgen, Developing the Role, 1996, S. 548. 187 Vgl. §§ 3–7 Anweisungen für den norwegischen Kinderombudsmann; vgl. auch Art. 6 Abs. 2 fläm. KinderOG und Art. 9 Abs. 2 KinderG.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
ihm die meisten Länder ein umfassendes Informationsbeschaffungsrecht gegenüber Behörden und zum Teil gegenüber privaten Institutionen ein.188 Wichtig für eine effektive Aufgabenerfüllung der Institution ist die gesetzliche Festlegung einer angemessenen Finanzierung des Kinderombudsmannbüros. Diese sollte sich mit den übertragenen Aufgaben in einem ausgewogenen Verhältnis befinden.189 Bestenfalls reicht das Büro einen entsprechenden Haushaltsentwurf beim Parlament ein, welches dann über die bereitzustellenden Mittel entscheidet.190 Im Gesetz sollten darüber hinaus sowohl eine jährliche Rechenschaftspflicht des Ombudsmannes über die verwendeten Gelder festgelegt als auch eine regelmäßige Evaluierungen des Büros verankert sein.191 Einige der Kinderombudsmanngesetze enthalten entsprechende Bestimmungen: Das flämische Kinderombudsmanngesetz regelt in Art. 13, dass auf Anregung des „Kinderkommissars“ die jährlich notwendigen Mittel durch das Parlament festgesetzt werden.192 In Frankreich finden sich dagegen die Haushaltsmittel, ähnlich wie in Norwegen, Schweden und Island, im Budget eines Exekutivorgans – hier des Premierministers.193 In Island ist der Premierminister explizit für die Überwachung der finanziellen Angelegenheiten des Büros zuständig, Art. 8.194 Problematisch bleibt bei der Zuordnung der Haushaltsmittel an ein Exekutivorgan, dass ein vom Kinderombudsmann zu kontrollierendes Staatsorgan indirekt die Möglichkeit besitzt, über das Budget auf die Arbeit des Kinderombudsmannbüros steuernd einzuwirken.195 Eine regelmäßige externe Evaluation des Kinderombudsmannbüros sieht dagegen keine gesetzliche Regelung vor. Sie wird allerdings, wie die Praxis beispielsweise in Norwegen zeigt, durchgeführt.196 Voraussetzung einer 188
Vgl. Art. 5 isl. KinderOG; Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 poln. KinderOG; § 4 Abs. 1 norw. KinderOG. 189 Siehe auch Pariser Prinzipien 2. Absatz Punkt 2. 190 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 11. 191 Siehe z. B. den Bericht über die Evaluierung des norwegischen Kinderombudsmannbüros: Ministry of Children and Family Affairs (Hrsg.), The Ombudsman for Children and Childhood in Norway: Norwegian Official Report (NOU) 1995:26 – A summary of the Committee’s conclusions, Oslo 1996. 192 Siehe ähnliche Regelungen in § 13 Abs. 5 JWO; Art. 14 poln. KinderOG. 193 Art. 12 frz. KinderOG; § 9 Anweisungen an den norw. Kinderombudsmann; Art. 8 isl. KinderOG. 194 So auch in Norwegen und Schweden, allerdings ohne ausdrückliche Regelung. In Frankreich unterliegt das Büro gemäß Art. 12 französisches Kinderombudsmanngesetz allerdings der Kontrolle des Rechnungshofes (Cour des Comptes). 195 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 11. 196 Siehe z. B. den Bericht über die Evaluation des norwegischen Kinderombudsmannbüros: Ministry of Children and Family Affairs (Hrsg.), The Ombudsman for
V. Kinderombudsmann auf gemeinschaftsrechtlicher und Europaratsebene?
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Evaluierung ist das Vorliegen klarer Ziele und Leistungsstandards für die zu prüfende Institution.197 Diese können dann durch eine Expertenkommission, je nach Zuordnung des Kinderombudsmannes zur Exekutive oder Legislative eingesetzt durch Regierung oder Parlament, auf ihre Umsetzung hin überprüft werden.
V. Ein Kinderombudsmann auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene und Europaratsebene? Die Idee eines Kinderombudsmannes auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene ist nicht neu. Das Fehlen einer derartigen Institution veranlassten sowohl das Europaparlament in Resolutionen198 als auch den Ausschuss der Regionen (AdR) in einer Stellungnahme199, über eine Einführung nachzudenken. Andere Ansätze, wie die Schaffung eines speziellen Menschenrechtszentrums, beleben zusätzlich die Diskussion um eine Kinderschutzinstitution in der EU/EG.200 Mittels einer solchen Institution soll die Einhaltung der Rechte der Kinder auf EU-Ebene überwacht und auftretende Probleme sowie Lösungsvorschläge den Gemeinschaftsorganen unterbreitet werden.201 Bezüglich dieses Vorschlags stellen sich zwei Fragen: Zum einen, ob der bereits auf Gemeinschaftsebene existierende Ombudsmann die angesprochenen Aufgaben nicht auch wahrnehmen könnte und folglich kein Bedürfnis nach einem Kinderbeauftragten besteht. Zum anderen, ob die Schaffung eines neuen Amtes rechtlich überhaupt möglich ist. Das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten wurde 1992 mit dem Maastrichter Vertrag geschaffen und in Art. 195 EGV verankert. Drei Jahre Children and Childhood in Norway: Norwegian Official Report (NOU) 1995:26 – A summary of the Committee’s conclusions, Oslo 1996; auch in Schweden fand eine entsprechende Evaluation statt: Inquiry into the Role and Function of the Children’s Ombudsman in Sweden: Summary, Swedish Government Official Report No. 1999:65, 1999. 197 Z. B. im technischen Bereich eine funktionierende Homepage und Telefonhotline; vgl. Weigel, Rechtsökonomik, München 2003, S. 152; Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 17. 198 Resolution A3-0172/92 des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 1992 bzgl. einer Europäischen Kinderrechtscharta; Resolution A4-0393/1996 des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 1996 bzgl. des Schutzes von Minderjährigen in der Europäischen Union. 199 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 18. November 1999, CDR225-1999 fin, S. 12, unter: http://195.200.108.36/presentation/down/Comm7/ german/225-99.htm; eingesehen am 27. März 2002. 200 Dazu EURONET (Hrsg.), Erste Schritte: Eine Kinderpolitik für das Europa des 21. Jahrhundertshunderts, S. 6, unter: http://europeanchildrensnetwork.gla.ac.uk/ Documents/German/SumIntro.htm; eingesehen am 15.11.2002. 201 Ebenda.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
später wählte das Europäische Parlament den ersten Beauftragten, Jacob Södermann, der bis April 2003 das Amt innehatte.202 Aufgabe des unabhängigen Bürgerbeauftragten ist die Aufdeckung und Untersuchung von Missständen in den Organen und Institutionen der Europäischen Gemeinschaft, wobei sowohl der EuGH als auch das Gericht erster Instanz von seinem Mandat ausgenommen bleiben.203 Die Kontrolle der Einhaltung von Kinderrechten auf EU-Ebene ist demzufolge vom Auftrag des Ombudsmannes mit umfasst. Beschweren kann sich jede natürliche und juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedsstaat, Art. 195 Abs. 1 EGV. Kindern steht rechtlich gesehen der Weg zum Europäischen Ombudsmann offen. Es ist allerdings fraglich, ob der Ombudsmann für Beschwerden von Kindern auch eine geeignete Institution darstellt, vor allem wenn diese sich ohne Hilfe Erwachsener an ihn wenden möchten. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund problematisch, dass an die Zulässigkeit einer Beschwerde beim europäischen Ombudsmann Bedingungen geknüpft sind. So muss ein u. a. im Internet erhältliches Formular ausgefüllt, sowie eine Frist von zwei Jahren berücksichtigt werden, Art. 2 Abs. 4 BürgerbeauftrBes.204 Der Zugang zum Formular und das Ausfüllen desselben können dabei als wenig kindgerecht eingestuft werden. Darüber hinaus dürfte es den wenigsten Kindern bekannt sein, dass es einen Ombudsmann auf europäischer Ebene gibt und inwieweit dieser für sie zuständig ist. Eine zielgruppenspezifische Werbung für die Institution gibt es bislang nicht. In der derzeitigen Form ist der europäische Bürgerbeauftragte als Ansprechpartner für Beschwerden von Kindern daher ungeeignet. Der Ombudsmann hat zusätzlich die Möglichkeit, Untersuchungen aus eigener Initiative heraus durchzuführen, dass heißt, er kann im Rahmen seiner Zuständigkeit von sich aus auch kinderrechtsrelevante Sachverhalte prüfen.205 Dem Bürgerbeauftragten stehen dafür zahlreiche Untersuchungs202 1999 wurde Södermann für eine weitere Amtsperiode wieder gewählt, siehe unter: http://www.euro-ombudsman.eu.int/glance/de/default.htm; eingesehen am 10.09.2002; am 1. April 2003 trat Nikiforos Diamandouros das Amt an. Er wurde am 15. Januar 2003 durch das EP gewählt. 203 Vgl. Art. 195 Abs. 1 EGV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Beschluss des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten (BürgerbeauftrBes) vom 9. März 1994; unter: http://www.euro-ombudsman.eu.int/lbasis/de/statute.htm; eingesehen am 10.09. 2002. 204 Beschluss des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, in: Amtsblatt L 113, vom 4. Mai 1994, S. 15. 205 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Beschluss des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürger-
V. Kinderombudsmann auf gemeinschaftsrechtlicher und Europaratsebene?
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befugnisse, wie ein Akteneinsichtsrecht und Auskunftsrecht gegenüber den Gemeinschaftsorganen/-institutionen und den mitgliedstaatlichen Behörden zu, Art. 3 Abs. 2 Uabs. 2 und 3 BürgerbeauftrBes. Deckt der Ombudsmann einen Misstand auf, wendet er sich an das betroffene Organ oder die Institution und unterbreitet ihnen gegebenenfalls Entwürfe für Empfehlungen. Innerhalb von drei Monaten haben diese ihm daraufhin eine begründete Stellungnahme zu übermitteln, Art. 3 Abs. 6 BürgerbeauftrBes. Über die Ergebnisse seiner Arbeit berichtet er sowohl dem betroffenen Organ/der betroffenen Institution als auch dem Europäischen Parlament206, wobei der Beauftragte gleichzeitig Empfehlungen abgeben kann. Demzufolge gibt es auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene grundsätzlich eine Institution, welche die Rechte und Interessen von Kindern vertritt. Einen herausgehobenen Stellenwert hat die Problematik der Kinderrechte allerdings in Anbetracht der Vielzahl von Beschwerden – im Jahre 2003 waren es allein 2436 – und Untersuchungen durch den Ombudsmann nicht.207 Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen des Europäischen Parlaments nach einem europäischen Kinderombudsmann nachvollziehbar. In seiner Resolution von 1992 sieht es die Schaffung eines Kinderombudsmannes für erforderlich an, der die Rechte und Interessen von Kindern schützt, die Umsetzung von Kinderrechten überwacht, Ansprechpartner für Beschwerden und Bitten ist und die öffentlichen Stellen bei ihrer Arbeit im Bereich der Kinderrechte informiert und unterstützt.208 1996 wiederholte das EP in einer Resolution dieses Ansinnen.209 Wesentlich zurückhaltender äußerte sich hingegen der AdR, der meint, es könne „überlegt werden . . . dieses Amt auf europäischer . . . Ebene einzurichten . . .“.210 Wie die Einführung und die konkrete Ausgestaltung des Amtes aussehen sollen, lassen albeauftragten vom 9. März 1994, unter: http://www.euro-ombudsman.eu.int/lbasis/ de/statute.htm; eingesehen am 10.09.2002. 206 Abschließend wird dann der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt. 207 2003 gingen insgesamt 2436 Beschwerden ein (432 aus Deutschland). Hinzukommen noch 170 bis Jahresende 2002 nicht abschließend bearbeitete Beschwerden. Der Europäische Bürgerbeauftragte leitet außerdem 5 Untersuchungen auf eigene Initiative hin ein, so dass insgesamt 2611 Fälle durch den Bürgerbeauftragten 2003 behandelt wurden; siehe: Der Europäische Bürgerbeauftragte – Zusammenfassung und Statistiken aus dem Jahresbericht 2003, S. 12, abrufbar unter: http://www. euro-ombudsman.eu.int. 208 Vgl. Punkt 6 und 7 der Resolution A3-0172/92 des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 1992 bzgl. einer Europäischen Kinderrechtscharta. 209 Vgl. Punkt 16 der Resolution A4-0393/1996 des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 1996 bzgl. des Schutzes von Minderjährigen in der Europäischen Union. 210 Vgl. Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 18. November 1999, CDR225-1999 fin, S. 12, unter: http://195.200.108.36/presentation/down/Comm7/ german/225-99.htm vom 29.03.2002.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
lerdings beide Organe offen. Diese Frage ist jedoch insofern von Bedeutung, als die Gemeinschaft im Bereich der Kinderpolitik keine Zuständigkeit besitzt. Eine Einsetzung des Kinderombudsmannes durch Ergänzung des EG-Vertrages müsste jedoch generell möglich sein, wenn sein Wirken auf die gemeinschaftsrechtliche Ebene beschränkt bleibt, d.h. wenn er Handlungen von Organen und Institutionen der EG auf Missstände hinsichtlich von Kinderinteressen untersucht und, geht man von der zukünftigen verbindlichen Geltung der EU-Verfassung mit der Grundrechtscharta aus, die Kinderfreundlichkeitsprüfung von EG/EU-Maßnahmen kontrolliert.211 In diesen Bereichen kann er zuständiger Ansprechpartner für Kinder sein. Denkbar wäre auch sein Wirken als „Informationsknoten“ im Netzwerk der bestehenden nationalen Kinderombudsmänner. Dagegen müssen ihm Maßnahmen gegenüber Mitgliedstaaten oder in die Rechte der Staaten eingreifende Kinderrechtskampagnen mangels Kompetenzen verwehrt bleiben. Legt man diese Aufgabenfelder zugrunde, können sich die weiteren Regelungen an denen bzgl. des europäischen Ombudsmanns orientieren. Kindspezifisch sollten jedoch sowohl der Zugang als auch die Herstellung eines erforderlichen Bekanntheitsgrades der Institution gestaltet sein. Auch auf Europaratsebene gibt es bislang keinen Kinderombudsmann. Allerdings ist hier ebenfalls eine Diskussion um die Verstärkung der Rechte der Kinder und der Schaffung einer eigenen Institution zu beobachten. Bereits die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung vom 1. Februar 1990 zu den Rechten der Kinder212 stand unter dem Eindruck des bekannten und bedeutenden Ekman-Reports von 1989, welcher sowohl alle Kinder betreffenden Aktivitäten des Europarates, der UN, von Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen untersuchte als auch das Spannungsfeld in dem sich Kinder bewegen: zwischen klassischem Schutzobjekt und eigener Rechtsinhaberschaft.213 Die Empfehlung spiegelt das bereits in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Verständnis, Kinder als Rechtssubjekte zu betrachten, vor allem in Punkt 5 wider: „. . . in addition to the 211 Vgl. Art. 24 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000, 2000/C364/01. Zur Grundrechtscharta siehe Knöll, Die Diskussion um die Grundrechtscharta der Europäischen Union aus dem Blickwinkel der deutschen Länder, in: NJW 2000, Heft 25, S. 1845–1848; Hirsch, EG: Kein Staat, aber eine Verfassung, in: NJW 2000, Heft 1, S. 46–47; Tettinger, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: NJW 2001, Heft 14, S. 1010–1015; Alber/ Widmaier, Die EU-Charta der Grundrechte und ihre Auswirkung auf die Rechtsprechung, in: EuGRZ 2000, Heft 17–19, S. 497–510; Häfner/Strawe/Zuegg, In der Auseinandersetzung um eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 365–368. 212 Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung vom 1. Februar 1990 zu den Rechten der Kinder 1121 (1990). 213 Siehe Verhellen, Children’s Rights in Europe, 1993, S. 369.
V. Kinderombudsmann auf gemeinschaftsrechtlicher und Europaratsebene?
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right to be protected, children have rights they may independently exercise themselves – even against opposing adults . . .“.214 Sie fordert außerdem die Erarbeitung einer eigenen europäischen Kinderrechtskonvention, welche als Zusatzprotokoll der EMRK beigefügt werden sollte.215 Von dieser Zuordnung versprach man sich das strenge und vor allem bereits existierende Kontrollsystem durch den EGMR und sah auch die Möglichkeit eines gewissen „knock-on effect“216, der Staaten ermutigen könnte, einer europäischen Kinderkonvention schneller beizutreten.217 Zusätzlich empfahl die Parlamentarische Versammlung dem Ministerkomitee, die Vertragsstaaten aufzufordern, Kinderombudsmänner in ihren Ländern zu schaffen. Deren Aufgabe sollte es sein, so Punkt 13 A ii, Kinder über ihre Rechte zu informieren und zu beraten sowie rechtliche Aktivitäten in ihrem Sinne vorzunehmen. Eine ähnliche Intention findet sich auch in der aktuelleren Empfehlung von 1996218 in Punkt 7 iv, der zusätzlich fordert, dass die Kinderschutzinstitution auch öffentlich zugänglich sein muss.219 Einen institutionell auf Europaratsebene verankerten Kinderombudsmann sehen dagegen beide Empfehlungen nicht vor. Einen solchen begehrt die Parlamentarische Versammlung allerdings mit ihrer Empfehlung vom 7. April 2000 mit dem Titel: Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes.220 Bezug nehmend auf ihre früheren Forderungen nach nationalen Kinderombudsmännern sieht sie nun wegen der zunehmenden grenzüberschreitenden Problematik beim Kinderschutz – erinnert sei an den Dutroux-Fall – die Notwendigkeit eines die Arbeit der nationalen Ämter koordinierenden Kinderombudsmannes auf gesamteuropäischer Ebene.221 Die in Punkt 7 aufgelisteten Aufgaben des Kinderombudsmannes umfassen sowohl die Bekanntmachung der bestehenden Kinderrechte, die Unterstützung aller Beteiligten, welche sich mit Kinderpolitik befassen, die Unter214 „. . . neben dem Recht auf Schutz, haben Kinder Rechte, welche sie selbst unabhängig ausüben können – auch im Widerspruch zu den Erwachsenen . . .“ (Übersetzung d. Verf.). 215 Siehe Punkt 13 B der Empfehlung 1121 (1990). 216 van Bueren, The International Law, 1994, S. 404. 217 So ebenda; auch Verhellen, Children’s Rights in Europe, 1993, S. 370. 218 Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 14. Januar 1996 bzgl. einer europäischen Strategie für Kinder 1286 (1996). 219 In seiner insgesamt positiven Erwiderung ging das Ministerkomitee auf die Forderung nach einem Kinderombudsmann allerdings nicht ein; Antwort des Ministerkomitees auf die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 14. Januar 1996 bzgl. einer europäischen Strategie für Kinder 1286 (1996) vom 23. Dezember 1998. 220 Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. April 2000 bzgl. der Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes 1460 (2000). 221 Siehe Punkt 6 der Empfehlung.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
suchung der Auswirkungen politischer Handlungen unter dem Aspekt der Kinderfreundlichkeit als auch die Entwicklung von Strategien im Bereich des Kinderrechtsschutzes. Weitere vorgesehene Tätigkeitsschwerpunkte, so der Tasca-Report, liegen in der Überwachung der Umsetzung internationaler Verträge, insbesondere der UN-Kinderrechtskonvention in den Staaten des Europarates.222 Auch diese Empfehlung passierte das Ministerkomitee nicht. In seiner Antwort sieht es die Schaffung einer solchen Institution als noch verfrüht an, eine Formulierung, die eine zukünftige Einrichtung aber in den Bereich des Möglichen rückt.223
VI. Zusammenfassung Die Institution des Kinderombudsmannes erwies sich seit ihrer Einführung in Norwegen 1981 aufgrund der Anzahl ihrer Verbreitung als erfolgreiches Modell einer nationalen zielgruppenspezifischen Menschenrechtsinstitution. Bemerkenswert ist, dass die Einführung eines Kinderombudsmannes auch für die Gemeinschaft und den gesamteuropäischen Raum (Europarat) diskutiert wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings der europäische Bürgerbeauftragte im Rahmen seiner Zuständigkeit alleiniger Ansprechpartner für Beschwerden von Unionsbürgern jeden Alters. Der weltweiten Verbreitung förderlich war ferner die seit Geltung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahre 1990 geänderte Wahrnehmung von Kinderrechten und -interessen.224 Um der Konvention zur Durchsetzung bzw. zur Beachtung in den einzelnen Staaten zu verhelfen, wurden die nationalen Kinderombudsmanninstitutionen als geeignet erachtet, die Vertragsstaaten diesbezüglich zu kontrollieren. Folglich ist in fast allen der hier untersuch222 Siehe: Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes, Bericht des Komitees für Soziales, Gesundheit und Familie vom 1. Oktober 1999, Berichterstatter: Elisa Pozza Tasca (Doc. 8552); Punkt 19. 223 „Although the Committee of the Ministers considers that, until such time as the vast majority of member states has undertaken to create institutions of this type, it would be premature to propose setting up the post of European Children’s Ombudsman . . .“ Antwort des Ministerkomitees auf die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. April 2000 bzgl. der Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes 1460 (2000) vom 20. April 2001. 224 Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989: Zustimmung von Bundestag und Bundesrat durch Gesetz vom 17. Februar 1992, in: BGBl. II S. 121; Bekanntmachung vom 10. Juni 1992 bzgl. des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention am 5. April 1992 in Deutschland, in: BGBl. II S. 990. Zum ersten Mal in der Geschichte des Völkerrechts wurden die Rechte des Kindes umfassend in einem internationalen Vertragswerk mit weltweitem Geltungsrang verankert. Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 42.
VI. Zusammenfassung
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ten Kinderombudsmanngesetze diese Kontrollfunktion eine der wichtigsten Aufgaben der Institution. Als weitere wesentliche Aufgabe wird in den nationalen Gesetzen die Schaffung neuer und die Durchsetzung vorhandener Kinderrechte aufgeführt. Die komplementäre Ausgestaltung der Institution mit Kompetenzen fällt dagegen sehr unterschiedlich aus. Ein Gesetzesinitiativrecht gibt es in keinem der Gesetze, ebenso wenig findet sich ein Mitwirkungsanspruch des Kinderombudsmannes bei Gesetzgebungsverfahren mit kindspezifischem Inhalt. Nahezu alle Kinderombudsmänner werden jedoch angehalten, Vorschläge für Neuregelungen bzw. Änderungen einzubringen und die Verwaltungspraxis auf ihre Kinderfreundlichkeit hin zu untersuchen. Für die Durchsetzung von Kinderrechten durch staatliche Stellen gibt der Gesetzgeber in Salzburg dem Kinderombudsmann eine sehr effektive Handhabe, indem er die Ämter verpflichtet, innerhalb einer gesetzlichen Frist auf Vorschläge des Kinderombudsmannes schriftlich zu reagieren225 und die kritisierte Praxis abzuändern. Die Zuständigkeit des Kinderombudsmannes ist unterschiedlich geregelt. In einigen Ländern dürfen individuelle Beschwerden nicht angenommen werden. In Schweden war dies ein grundlegender Kompromiss bei Einführung der Kinderombudsmanninstitution, der die Elternrechte vor staatlichen Interventionen der Institution sichern sollte. Privater Konflikte zwischen Kindern und Erziehungsberechtigten kann sich dagegen nur der Salzburger Kinder- und Jugendanwalt annehmen. Die Institution ist in den meisten der hier einbezogenen Länder in eigenen Kinderombudsmanngesetzen verankert, welche in der Regel Vorschriften über die wichtigsten Aufgaben und die Ernennung enthalten. Die Ernennung durch die Exekutiv- oder Legislativorgane erfolgt in den meisten Fällen für eine bestimmte Amtszeit, wobei eine Wiederwahl grundsätzlich möglich ist. Dem ernennenden Staatsorgan haben die nationalen Kinderombudsmänner jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten. Die Kinderombudsmanninstitutionen sind226 entweder der Legislative oder der Exekutive zugeordnet. Dies hat Auswirkungen sowohl auf den eingeräumten Kontrollumfang als auch auf die Festlegung und Ansiedlung der Haushaltsmittel der Kinderombudsmannbüros. Unter dem Gesichtspunkt einer unabhängigen, effektiven Aufgabenerfüllung erscheint eine Zuordnung zur Legislative grundsätzlich als die bessere Lösung. Abschließend sei noch kurz auf das Verhältnis zwischen Kinderombudsmann und Ombudsmann eingegangen. Dieses gestaltet sich in den untersuchten Ländern sehr unterschiedlich, wie bereits der Fall Mazedonien 225 226
So jetzt auch in Polen Art. 10a Abs. 3 KinderG. Zu den Besonderheiten in Polen siehe die Ausführungen unter: C.V.
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B. Die historische Entwicklung der Institution „Kinderombudsmann“
zeigt. So ist in Mazedonien der Kinderrechtsbeauftragte nur eine Abteilung in der Organisationsstruktur des Bürgerrechtsbeauftragten; entsprechend eng ist folglich auch die Zusammenarbeit. Insgesamt lässt sich feststellen, dass beide Institutionen in der Regel zusammenarbeiten. Dies bestimmen entweder gesetzliche Vorschriften, wie beispielsweise § 4 Abs. 1 Anweisungen für den norwegischen Ombudsmann, oder aber eine entsprechende Notwendigkeit des Zusammenwirkens ergibt sich aus Praktikabilitätsgründen.
C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen I. Einführung Der polnische Kinderrechtsbeauftragte ist eine junge Institution in Polen. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen 1997 in die Verfassung aufgenommen, begann sie nach Verabschiedung des Gesetzes über den Kinderrechtsbeauftragten im Jahr 2000 mit ihrer Arbeit. Die damaligen Gegner machten insbesondere zwei Einwände gegen einen polnischen Kinderombudsmann geltend. Zum einen, dass die bereits bestehende Ombudsmanninstitution, von deren allgemeiner Zuständigkeit auch Kinder umfasst sind, einen zusätzlichen Beauftragten überflüssig machen würde und zum anderen die Befürchtung, dass der Kinderrechtsbeauftragte aufgrund von Interventionen das Verhältnis zwischen Kind und Erziehungsberechtigten beeinträchtigen könnte. Die folgende Untersuchung soll klären, für welche rechtliche Ausgestaltung der polnische Gesetzgeber sich schließlich entschied und inwieweit diese den „Pariser Prinzipien“ bzw. den Anforderungen der ENOC an eine Kinderschutzinstitution entspricht. Für eine entsprechende Bewertung sind im Wesentlichen die Art seiner Statuierung, die Frage nach seiner rechtlichen und finanziellen Unabhängigkeit sowie nach seinen Aufgabenbereichen und Kompetenzen ausschlaggebend. Bevor auf die Stellung des Kinderombudsmannes im staatsorganisationsrechtlichem Gefüge und die Regelung seiner Aufgaben, Befugnisse und Arbeitsweise eingegangen wird, ist im Rahmen der Entstehungsgeschichte ein Blick auf den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten zu werfen. Dessen Einführung bereitete, neben der auf Vorschlag Polens erarbeiteten und ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention, den Weg für die spezifische Kinderrechtsinstitution in Polen.
II. Entwicklung der Ombudsmanninstitution in Polen In Zentral- und Osteuropa war Polen das erste Land mit einem parlamentarischen Ombudsmann. Bereits 1981, unter dem Einfluss der neu gegründeten Gewerkschaft „Solidarnos´c´“, wurde die Schaffung eines Ombudsmannes in der Lehre diskutiert.1 So forderte am 11. April 1981 das Komitee der Rechtswissenschaft der Polnischen Akademie der Wissen1 Siehe zu den politischen Hintergründen: Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 42.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
schaften offiziell in einer Resolution die Einführung eines Ombudsmannes.2 Zwei Jahre später postulierte u. a. die der PZPR nahe stehende Organisation Patriotische Bewegung der Nationalen Wiedergeburt3 auf ihrem Kongress im Mai 1983 ebenfalls einen „Bürgerrechtswächter“ (Straz˙nik Praw Obywatelskich).4 Im Dezember 1987 kam es schließlich nach Auseinandersetzungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Amtes zur Realisierung desselben.5 Als Art. 36a wurde die Institution allerdings erst mit der Verfassungsnovelle im April 1989 in die Verfassung aufgenommen.6 Die vom Sejm mit 254 Stimmen bei einer Gegenstimme und 47 Enthaltungen für vier Jahre berufene Bürgerrechtsbeauftragte (Rzecznik Praw Obywatelskich) Ewa Łe˛towska7 nahm ihre Arbeit auf Grundlage des am 15. Juli 1987 erlassenen Gesetzes über den Bürgerrechtsbeauftragten8 am 1. Januar 1988 auf.9 Die Ausgestaltung des Amtes erfolgte mit Zustimmung der damaligen Regierung nach dem skandinavischen Model. Łe˛towska vermutet, dass die kommunistischen Politiker nur deshalb ihr Einverständnis erklärten, weil sie allenfalls eine „vage Idee“ vom Amt und dessen Aufgaben hatten10 und keinesfalls davon ausgingen, dass die Institution effektiv sein würde.11 Hintergrund der Annahme mangelnder Effektivität war die Erfahrung 2 Rezolucja Komitetu Nauk Prawnych PAN, veröffentlicht in: PiP 1981, Heft 6; dazu Patyra, Polskie Prawo Konstytucyjne, 2000, S. 443. Zur Diskussion in der Literatur über die Einführung: Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 43 ff.; so auch Zoll bei seinem Vortrag: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa; Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg; Thema: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten; siehe auch Klich, Human Rights in Poland: the Role of the Constitutional Tribunal and the Commissioner for Citizen’s Rights, in: Saint Louis-Warsaw Transatlantic Law Journal, Vol. 1996, S. 33–63, S. 38 mit weiteren Anmerkungen. 3 Patriotyczny Ruch Odrodzenia Narodowego = PRON. 4 Näher dazu Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 45 f. 5 Zu den unterschiedlichen Entwürfen siehe Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 46 f. 6 Dz. U. 1989 Nr. 19, Pos. 101; zum Ganzen auch S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich w polskim systemie prawnym, Warszawa 2001, S. 31; Pienia˛z˙ek, Rzecznik Praw Obywatelskich w Systemie Organów Pan´stwa, in: Skrzydło (Hrsg.), Ustrój i Struktura Aparatu Pan´stwowego i Samorza˛du Terytorialnego, Warszawa 1997, S. 198–211, S. 200. 7 Sie war von 1988 bis 1992 polnische Bürgerrechtsbeauftragte. 8 Gesetz über den Bürgerrechtsbeauftragten vom 15. Juli 1987, novelliert 1991, in: Dz. U. 1991 Nr. 109, Pos. 471 mit Änderungen. 9 Vgl. Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 73; dazu auch Kuss, Der Bürgerrechtsbeauftragte „Ombudsman“, in: Wöhlke (Hrsg.), Länderbericht Polen, Bonn 1991, S. 167–168, S. 168; Łe˛towska, The Commissioner for Citizens Rights in Central and Eastern Europe: The Polish Experience, in: Saint Louis-Warsaw Transatlantic Law Journal, Vol. 1996, S. 1–14, S. 1. 10 Łe ˛ towska, The Commissioner, 1996, S. 2 f., S. 7.
II. Entwicklung der Ombudsmanninstitution in Polen
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mit anderen eingeführten Rechtsschutzorganen, insbesondere mit dem Verfassungsgerichtshof.12 Dieser konnte aufgrund zahlreicher Beschränkungen seiner Zuständigkeit und vor allem wegen seiner unter Zustimmungsvorbehalt des Sejm stehenden Entscheidungen die Erwartungen hinsichtlich der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllen.13 Der geschaffene Bürgerrechtsbeauftragte war zuständig für Beschwerden von Bürgern, politischen und gesellschaftlichen Organisationen, Selbstverwaltungsorganen und anderen. Außerdem konnte er Fälle aus eigener Initiative heraus bearbeiten. Alle obersten Verwaltungsorgane waren zur Zusammenarbeit mit ihm verpflichtet. Wurde eine von ihm beanstandete Angelegenheit durch diese Organe nicht zu seiner Zufriedenheit geregelt, konnte er sich an den Landesverteidigungsrat (Komitet Obrony Krajowe) wenden. Der Bürgerrechtsbeauftragte genoss bereits damals die Immunität eines Abgeordneten und durfte ohne Einverständnis des Sejm oder des Staatsrates nicht zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen, verhaftet oder unter Arrest gestellt werden.14 Mit der Einführung des polnischen Verfassungsgerichtshofes und des Bürgerrechtsbeauftragten verband sich bei der damaligen Regierung die Hoffnung, sowohl im Ausland als auch bei der Bevölkerung im Inland bzgl. des Liberalisierungskurses glaubwürdiger zu erscheinen.15 Maßgeblich gestaltet 11 Łe ˛ towska zitiert in Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 42 mit Anmerkungen. 12 Nachdrücklich gefordert wurde die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht nur von Staatsrechtslehrern sondern auch von den 1980 in Danzig streikenden Werftarbeitern. 1982 kam man schließlich mit dem in Art. 33a verankerten Verfassungsgerichtshof den Forderungen nach und schaffte ein Novum in Polen (Verfassungsnovelle vom 26. März 1982, in: Dz. U. 1982, Nr. 11, Pos. 83). Erst drei Jahre später erließ der Gesetzgeber nach zähen Verhandlungen auch das erforderliche Ausführungsgesetz (Gesetz über den Verfassungsgerichtshof vom 29. April 1985, in: Dz. U. 1985, Nr. 22, Pos. 98 sowie Beschluss des Sejm über die Verfahrensordnung des Verfassungsgerichts vom 31. Juli 1985, Dz. U. 1985, Nr. 39, Pos. 184). 1986 konnte der Gerichtshof dann seine Arbeit aufnehmen. Polen besaß damit als erstes Land im sowjetischen Hegemonialbereich eine Verfassungsgerichtsbarkeit. Siehe dazu Patrzałek/Banaszak, Der Verfassungsgerichtshof in Polen – Tätigkeit und Rolle beim Schutz der Bürgerrechte, in: Recht in Ost und West, 1990, S. 158–162, S. 158 f.; Tkaczyn´ski, Zur Problematik des Verfassungsgerichts der Republik Polen, in: Osteuropa Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens, 1998, Heft 11–12, S. 1159–1165, S. 1162. 13 Ausführlich siehe Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 42 f. 14 Vgl. S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 32; vgl. auch Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 66; vgl. zu den heute geltenden Regelungen Abschnitt C.III.1. 15 Łe ˛ towska, The Commissioner, 1996, S. 2 f., S. 7; auch Klich, Human Rights 1996, S. 33–63, S. 37 mit weiteren Anmerkungen.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
wurde das Amt vor allem durch das Engagement einzelner Personen.16 Insbesondere Frau Łe˛towska prägte in der Anfangszeit mit ihrem Einsatz für Rechtsstaatlichkeit diese Institution, so dass die Anerkennung in der Öffentlichkeit für das Wirken des von staatlicher Seite eingesetzten Ombudsmanns nicht ausblieb. Eine ausgesprochen brisante Angelegenheit war 1988 ihre Unterstützung für die Schaffung einer neuen politischen Partei in Polen.17 Die Kontroversen um das Amt endeten 1989 nicht.18 Die Entscheidung, die Ombudsmanninstitution auch in einer demokratischen Gesellschaft beizubehalten, war vielmehr ein Ergebnis der Auseinandersetzungen während des Demokratisierungsprozesses.19 Die Verfassungsgeber nahmen das Amt des Bürgerrechtsbeauftragten 1989 schließlich in die Verfassung auf. Seit dem ist er unumstrittener Bestandteil der polnischen Verfassung.20
III. Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte Der polnische Kinderrechtsbeauftragte ist, wie eingangs erwähnt, eine spezialisierte Ombudsmanninstitution. Beim Bürger- und Kinderrechtsbeauftragten handelt es sich um zwei verfassungsrechtlich verankerte „Beauftragte“, die gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen sowie auf eine Zusammenarbeit angewiesen sind. Zur Erleichterung des Verständnisses hinsichtlich der Rechtsstellung sowie der Aufgaben und Kompetenzen des Kinderbeauftragten sollen vorab eben diese wesentlichen Merkmale beim Bürgerrechtsbeauftragten komprimiert dargestellt werden. 16 Vgl. S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 31; Kuss, Der Bürgerrechtsbeauftragte „Ombudsman“ in: Wöhlke (Hrsg.), Länderbericht Polen, Bonn 1991, S. 167–168, S. 167 f.; Häberle, Dokumentation von Verfassungsentwürfen und Verfassungen ehemals sozialistischer Staaten in (Süd)osteuropa und Asien – Einführung –, in: Jahrbuch für öffentliches Recht 1995, Band 43, S. 105–170, S. 119 und S. 159. 17 Interessante Fälle sind aufgelistet bei: Łe ˛ towska, The Commissioner, 1996, S. 2 ff. Ausführlich zur Arbeit der Bürgerrechtsbeauftragten von 1987–1992: Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 78 ff. 18 Vgl. Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 112. 19 So wurde der Einsatz des Ombudsmanns für die Änderung des Rechtssystems kritisiert, Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 6 f. 20 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 406; siehe auch Art. 36a pV1992b (Verfassung vom 22. Juli 1952, Dz. U. 1952 Nr. 33 Pos. 232 mit Änd.). Alle Verfassungsentwürfe für die Verfassung von 1997 sahen das Amt des Bürgerbeauftragten vor: Art. 96 PräsEntw., Art. 159–160 SLDEntw., Art. 142–145 SenatEntw., Art. 134–137 PSL/UPEntw., Art. 117 KPNEntw., Art. 43–44 UWEntw., Art. 142–145 BürgerEntw.; abgedruckt in: Chrus´ciak, Projekty Konstytucji 1993–1997, Band 1, 1. Auflage, Warszawa 1997; vgl. auch die Verfassungsentwürfe von 1989–1991: Art. 142–145 Senat.Entw., Art. 134–137 SejmEntw., in: Kallas (Hrsg.), Projekty Konstytucyjne 1989–1991, Warszawa 1992. Zur Verfassungsgebung siehe nächstes Kapitel.
III. Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte
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1. Rechtsstellung und Rechtsstatus des Bürgerrechtsbeauftragten Der Bürgerrechtsbeauftragte ist ein eigenständiges Verfassungsorgan, zuständig für den Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger. Die Verfassung verankert ihn in fünf zusammenhängenden Artikeln (Art. 208–212) in Kapitel IX über die Organe der staatlichen Kontrolle und des Rechtsschutzes. Funktional gehört der polnische Ombudsmann zu den Organen des Rechtsschutzes (organ ochrony prawa). Der Bürgerrechtsbeauftragte ist unter keine der drei in Art. 10 pV aufgeführten staatlichen Gewalten subsumierbar.21 Eine enge Verbindung besteht jedoch mit der Legislative, da er von ihr gewählt wird und ihr gegenüber seinen Informationenpflichten nachkommen muss.22 Gleichzeitig ist es seine Aufgabe, die vollziehende Gewalt auf rechtmäßiges Handeln hin zu kontrollieren und damit den Rechtsschutz der Bürger außerhalb des klassischen Rechtsweges zu ermöglichen. Sein diesbezügliches Vorgehen erscheint ähnlich dem der Gerichte, unterscheidet sich aber in der Bearbeitung und Bescheidung der Angelegenheit, die in seinem Ermessen liegt. Der Beauftragte ist von keinem anderen Staatsorgan abhängig und allein dem Sejm nach den im Gesetz bezeichneten Grundsätzen verantwortlich, Art. 210 pV. Er zählt außerdem gemäß Art. 2 Abs. 2 GeVPS zu den Personen mit leitender Stellung im Staat.23 Dadurch hat er u. a. Anspruch auf eine Dienstwohnung und weitere staatliche Vergünstigungen. Der Bürgerrechtsbeauftragte genießt Immunität, dass heißt er darf ohne Zustimmung des Sejm nach Art. 211 pV weder zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen noch verhaftet werden, es sei denn, er wird auf frischer Tat gestellt. Im Gegensatz zu den Regelungen für die anderen Staatsorgane sieht die Verfassung für den Ombudsmann keine Anklage vor dem Staatsgerichtshof vor, Art. 198 Abs. 1 pV. Die frühere Bestimmung in Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 Staatsgerichtshofsgesetz (StGHG), welche im Gegensatz zur Verfassung für „Leiter zentraler Ämter“ den Staatsgerichtshof als zuständig betrachtete, entsprach daher nicht mehr der neuen Verfassung und wurde deshalb im Jahre 2001 geändert.24 Der Bürgerrechtsbeauftragte ist seit Geltung der Verfassung von 1997 zu strikter politischer und ideologischer Neutralität verpflichtet. Er darf nach 21 Vgl. zur Stellung im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge ausführlich Abschnitt C.IV. 22 Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 407. 23 GeVPS = Gesetz über die Vergütung von Personen mit leitender Stellung im Staat vom 31. Juli 1982, in: Dz. U. 1982, Nr. 20, Pos. 101. 24 Zu den früheren Bestimmungen: vgl. Balicki/Braciak/Preisner, Prawo Konstytucyjne, Wrocław 2001, S. 505 f. mit weiteren Anmerkungen; vgl. auch PVerfGH – Entscheidung vom 8. Dezember 1999, Az.: SK. 19/99.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Art. 209 Abs. 2 und 3 pV weder einen Beruf, außer dem eines Hochschullehrers, ausüben noch einer politischen Partei oder Gewerkschaft angehören. Eine öffentliche Tätigkeit, die mit der Würde des Amtes unvereinbar ist, wird ihm nicht gestattet. In der Vergangenheit nutzte, wie Łe˛towska zutreffend kritisiert, der zweite Bürgerrechtsbeauftragte Tadeusz Zielin´ski den Mangel diesbezüglicher Regelungen für seine politische Karriere. Zielin´ski strebte 1995 das Amt des Staatsoberhauptes an und konnte in anbetracht des zahlreichen Bewerberfeldes von 18 Kandidaten immerhin 3,5 % der Stimmen erringen.25 Eine Kandidatur für das Präsidentenamt wäre heute dagegen unzulässig. Dieser Neutralitätsgrundsatz untersagt dem polnischen Ombudsmann aber nicht, die Rechtmäßigkeit von Rechtsakten mit beispielsweise religiösen Bezügen zu überprüfen.26 2. Ernennung und Abberufung des Bürgerrechtsbeauftragten Der Ombudsmann wird nach Art. 209 Abs. 1 pV i. V. m. Art. 3 und 5 BürgerG vom Sejm auf Antrag des Sejmmarschalls oder von 35 Abgeordneten mit Zustimmung des Senates für fünf Jahre berufen. Eine Verlängerung um maximal eine Amtszeit ist nach Art. 5 Abs. 2 BürgerG möglich. Der zu berufende Kandidat muss die polnische Staatsbürgerschaft besitzen, sollte in der polnischen Gesellschaft hohe Anerkennung genießen und – ohne zwingend Jurist zu sein – sich durch gründliche Rechtskenntnisse auszeichnen.27 Für die Ernennung ist im Sejm eine absolute Mehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten erfor25 Der zweite Bürgerrechtsbeauftragte, Tadeusz Zielin ´ ski, erklärte während seiner Amtszeit am 7. Juli 1995 seine Kandidatur zum Präsidenten und gab auch während des Wahlkampfes sein Amt nicht auf. Dies eröffnete ihm insbesondere einen leichteren Zugang zum öffentlichen Rundfunk und Fernsehen. Er errang insgesamt das sechstbeste Ergebnis, Quelle: Gazeta Wyborcza, 7. November 1995, S. 1 zitiert nach: Juchler, Machtwechsel – die Präsidentschaftswahlen in Polen, in: Osteuropa 1996 Jhg. 46, Heft 3, S. 267–283, S. 274; siehe auch Klich, Human Rights, 1996, S. 38; kritisch: Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 13 f. 26 So wendete sich die Bürgerrechtsbeauftragte Łe ˛ towska gegen die Anordnung des Erziehungsministers, Dz. U. 1990, Pos. 160, Nr. 32 auf Einführung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, da für den Erlass eine Ermächtigungsgrundlage fehlte. Zwar entschied sich der PVerfGH denkbar knapp mit 6:6 Stimmen in der Sache anders, das Gebot der Neutralität verletzte Łe˛towska, entgegen den Vorwürfen, damit aber nicht. Entscheidung vom 30. Januar 1991 Az.: K.11/91; dazu Jaster, Der polnische Beauftragte 1994, S. 126. Auch die Forderung der katholischen Kirche nach Rückgabe von Kircheneigentum, das vor dem 2. Weltkrieg enteignet worden war, führte zu Konflikten. Ein weiterer Streitpunkt war das neue Schwangerschaftsabbruchsgesetz; ausführlich zum Ganzen Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 11 f.; Klich, Human Rights, 1996, S. 55 ff. 27 Art. 2 BürgerG; außerdem muss er dem Erfordernis der Neutralität genügen.
III. Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte
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derlich.28 Der Beschluss des Sejm über die Ernennung des Bürgerrechtsbeauftragten wird unverzüglich an den Senat weitergeleitet, der innerhalb eines Monat entscheiden muss.29 Gelingt ihm innerhalb dieser Frist keine Abstimmung, gilt der Ombudsmann als gewählt. Verweigert der Senat seine Zustimmung, bestimmt der Sejm einen anderen Kandidaten, der wiederum der Billigung des Senates bedarf. Die fehlende Zustimmung des Senates gilt als absolutes Veto, mit der Folge, dass der gleiche Kandidat nicht mehr durch den Sejm aufgestellt werden darf.30 War das Verfahren erfolgreich, wird der Bürgerrechtsbeauftragte vor dem Sejm vereidigt.31 Der Bürgerrechtsbeauftragte kann vor Ablauf der Amtszeit vom Sejm auch abberufen oder abgesetzt werden. Eine Abberufung erfolgt, wenn er z. B. aus gesundheitlichen Gründen auf sein Amt verzichtet.32 Verletzt er hingegen seinen geleisteten Eid, ist auf Antrag des Sejmmarschalls oder von 35 Abgeordneten mit einer 3/5 Mehrheit in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Abgeordnetenzahl die Absetzung des Ombudsmanns möglich, Art. 7 Abs. 4 BürgerG. 3. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des Bürgerrechtsbeauftragten Der Ombudsmann „hütet“ gemäß Art. 208 Abs. 1 pV die in der Verfassung und anderen Normativakten festgelegten Rechte und Freiheiten der Menschen.33 Zur Verwirklichung dieser Aufgabe untersucht der Bürgerbeauftragte die Handlungen der zu rechtmäßigem Vorgehen verpflichteten staatlichen Organe, Organisationen und Institutionen insbesondere dahingehend, ob Rechtsverletzungen durch ein Tun oder Unterlassen vorliegen sowie das Prinzip der Koexistenz und sozialen Gerechtigkeit34 beachtet 28 Art. 31 Abs. 1 i. V. m. Art. 29 Abs. 1 SejmGO; vgl. dazu auch Pietrzak, Sejm RP Tradycja i Współczesnos´c´, Warszawa 2000, S. 158. 29 Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 SenatGO. 30 Vgl. mit weiteren Nachweisen Sokolewicz, in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 209, S. 8. 31 Art. 4 BürgerG; auf Vorschlag des Ombudsmanns kann der Sejmmarschall maximal drei Stellvertreter ernennen, Art. 20 Abs. 3 BürgerG, was mittlerweile auch geschehen ist; Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 409. 32 Vgl. Art. 7 Abs. 1 BürgerG. 33 I. V. m. Art. 1 Abs. 2 BürgerG; der Bürgerrechtsbeauftragte ist nicht nur für die polnischen Staatsbürger zuständig, sondern auch für in Polen lebende Ausländer und Staatenlose, Art. 18 BürgerG. 34 Art. 1 Abs. 3 BürgerG; vgl. Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 62; Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 410.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
wurde. Letztere Maßgabe war eine im sozialistischen Recht übliche Generalklausel, welche sich trotz zahlreicher Novellierungen weiterhin im Ombudsmanngesetz findet. Aufgrund dieser kann sich der Bürgerrechtsbeauftragte über soziale Missstände äußern, die nicht gegen gesetztes Recht verstoßen und besitzt folglich hierbei einen breiteren Handlungsspielraum als die Gerichte. Dem Ombudsmann obliegt neben dem Schutz der Menschenund Bürgerrechte auch die Stabilisierung des Rechtssystems als Voraussetzung dafür.35 Der ehemalige Bürgerrechtsbeauftragte Zoll sieht eine Aufgabe der Institution darin, am Aufbau der für eine Demokratie notwendigen Zivilgesellschaft mitzuwirken, was wiederum die Grenze zur politischen Tätigkeit fließend werden lässt.36 Der Bürgerrechtsbeauftragte kann auf Antrag von Bürgern und deren Organisationen, bei Gesuchen von Selbstverwaltungsorganen und aus eigener Initiative tätig werden. Nach Art. 80 pV darf sich „jedermann“, auch in Polen lebende Ausländer37, an den Bürgerrechtsbeauftragten wenden, wenn seine Freiheiten und Rechte durch Organe der öffentlichen Gewalt verletzt worden sind.38 Nach Art. 9 BürgerG sind außerdem juristische Personen, Selbstverwaltungskörperschaften und der in Art. 72 Abs. 4 pV geregelte 35 Ein bekannter Beispielfall soll die Bedeutung des Einsatzes der Bürgerrechtsbeauftragten für den Gleichheitsgrundsatz verdeutlichen. Die Verfassungen von 1989 und 1992 enthielten Aufzählungen der Bereiche, nach denen eine Ungleichbehandlung verfassungswidrig war. Streitig war, ob diese Nennung abschließend verstanden werden sollte, was Diskriminierungen wegen einer Aids-Erkrankung nicht ausgeschlossen hätte. Die damalige Bürgerrechtsbeauftragte Łe˛towska wandte sich gegen eine enumerative Anwendung der Vorschrift. In der aktuellen Verfassung findet sich diese Auffassung wieder, Diskriminierung ist, egal „aus welchem Grund“, verboten, Art. 32 pV. Dazu Łe˛towska, The Polish Ombudsman and Human Rights, in: Matscher (Hrsg.), Ombudsmann in Europa – Institutioneller Vergleich, Kehl/ Strasbourg/Arlington 1994, S. 57–71, S. 61; Klich, Human Rights, 1996, S. 44 ff. mit Anmerkungen. 36 So Zoll (Bürgerrechtsbeauftragter von 2000–2006) bei seinem Vortrag: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten, Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg, Thema: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa. Diese Nähe zur Politik wurde den Ombudsmännern auch vorgeworfen: dazu Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 7. 37 Rechte und Freiheiten werden ihnen insoweit gewährt, wie sie ihnen in Polen zustehen, Art. 18 BürgerG. Siehe zum Ganzen: Winczorek, Komentarz do Konstytucji Rzeczypospolitej Polskiej, Warszawa 2000, S. 104; Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 409. 38 Brzezinski/Garlicki, Polish Constitutional Law, in: Frankowski/Stephan III (Hrsg.), Legal Reform in Post – Communist Europe – The View From Within, Dordrecht/Boston/London 1995, S. 21–70, S. 48. Zu den anfänglichen Missverständnissen über den Aufgabenbereich des Ombudsmanns, die vor allem, so Łe˛towska, ein Resultat der bestehenden und auch so wahrgenommenen Gewalteneinheit waren, siehe Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 5.
III. Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte
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Kinderrechtsbeauftragte antragsberechtigt. Vorgegangen werden kann gegen alle Normativakte, d.h. Akte, die durch ein Organ der öffentlichen Gewalt erlassen wurden und eine Rechtsnorm enthalten. Dazu zählen sowohl allgemeinverbindliche Akte als auch Akte mit Innenwirkung i. S. d. Art. 93 pV, Akte von zentralen als auch solche von lokalen Organen.39 Der Antrag benötigt keine bestimmte Form und ist kostenlos, Art. 10 BürgerG. Es sollte jedoch sowohl der Sachverhalt geschildert als auch die betroffene Person genannt werden.40 Das Vorliegen einer Individualbeschwer ist keine Voraussetzung für das Tätigwerden des Bürgerrechtsbeauftragten, da er auch auf eigene Initiative Rechtsverletzungen staatlicher Organe untersuchen darf. Je nach dem ob eine individuelle oder eine allgemeine Verletzung der Rechte vorliegt, kann der Ombudsmann entweder im speziellen Fall intervenieren oder aber mittels Anträgen und Initiativen das allgemeine Problem einer Lösung zuführen. Der Ombudsmann ist gemäß Art. 11 BürgerG berechtigt, die ihm angetragene individuelle Angelegenheit anzunehmen oder abzulehnen, sie an die zuständige Stelle zu übertragen oder dem Antragsteller die ihm zustehenden Mittel zur Durchsetzung seines Begehrs zu nennen. Es besteht, anders als bei der Beschreitung des Rechtsweges, kein Anspruch auf Annahme oder Entscheidung des Antrages durch den Bürgerrechtsbeauftragten.41 Nimmt der Ombudsmann den Fall auf, führt er nach Art. 12 BürgerG entweder, was in der Praxis am häufigsten vorkommt, selbständige Ermittlungen durch (Abs. 1), oder er wendet sich zur Untersuchung des Falles an die zuständigen Organe, vor allem an die Aufsichtsorgane, an die Staatsanwaltschaft oder an die Organe staatlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Kontrolle (Abs. 2). Außerdem kann er an den Sejm herantreten, damit dieser die Oberste Kontrollkammer mit der Prüfung des Falles beauftragt (Abs. 3). Nimmt er gemäß Art. 12 Abs. 1 BürgerG eigene Ermittlungen auf, stehen ihm dafür nach Art. 13 BürgerG umfangreiche Rechte zu, z. B. das Recht 39 Allgemein zum polnischen Rechtssystem: Banaszak, Einführung, 2003, S. 52 ff. Zur Kontrollbefugnis des Bürgerrechtsbeauftragten: Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 409; vgl. dazu auch S´wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 82 ff. 40 Von der Möglichkeit, den Ombudsmann einzuschalten, wird in Polen rege Gebrauch gemacht. In der ersten Amtsperiode (von 1988–1992, siehe auch Anhang F.V.) waren es rund 120.000 Briefe die den Ombudsmann erreichten. Sie waren hauptsächlich Ergebnis von Frustration über die herrschenden Umstände und gescheiterter Hoffnungen. Die Zahl der Beschwerden beläuft sich derzeit auf etwa 50.000 jährlich. In 24% der Fälle handelt es sich um Fragen der Sozialfürsorge, Rente und ähnliches. Łe˛towska, The Commissioner for Citizens Rights in Central and Eastern Europe: The Polish Experience, in: Saint Louis-Warsaw Transatlantic Law Journal Vol. 1996, S. 1–14, S. 4 ff. 41 Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 411.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
auf Akteneinsicht, das Einfordern von Erklärungen der handelnden Organe, die Möglichkeit, Expertisen und Gutachten in Auftrag zu geben. Wird eine Verletzung der Rechte und Freiheiten festgestellt, ist der Ombudsmann darauf beschränkt, auf Fehler hinzuweisen; fehlerhafte Rechtsakte aufzuheben fällt nicht in seine Kompetenz. Er hat eher eine beratende denn eine anweisende Funktion.42 Der Bürgerrechtsbeauftragte ist u. a. befugt, nach Art. 14 Abs. 2 BürgerG eine Eingabe an das die Rechte verletzende Organ zu richten, ohne dass dieses Vorgehen die richterliche Unabhängigkeit antastet.43 Verbunden damit ist ein Gutachten mit Vorschlägen für die Erledigung des Falls, Art. 15 Abs. 1 BürgerG. Innerhalb von 30 Tagen muss das betreffende Organ dazu eine Stellungnahme abgeben. Teilt der Ombudsmann den Standpunkt nicht, kann er sich an eine übergeordnete Einheit wenden. Bei Vorliegen allgemeiner Rechtsverletzungen darf der Bürgerrechtsbeauftragte den Organen Vorschläge unterbreiten, wie ein wirkungsvollerer Schutz der Rechte und Freiheiten gewährleisten werden kann, Art. 16 Abs. 1 BürgerG. Er hat die Möglichkeit, an die zuständigen Organe mit der Empfehlung heranzutreten, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen.44 Dem Ombudsmann selbst ist, um das Amt vor Politisierung zu schützen, dieses Recht verwehrt. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang die persönliche Überzeugungskraft des Ombudsmannes. In vielen Fällen gelang es den Amtsinhabern auf diesem Wege, die Administration zu rechtmäßigem Handeln zu bewegen.45 42
Klich, Human Rights, 1996, S. 39. Außerdem kann der Ombudsmann nach Art. 14 Abs. 8 BürgerG eine außerordentliche Revision gegen jedes rechtskräftige Urteil einleiten. Weiterhin darf er die Eröffnung von Straf-, Verwaltungs- oder Zivilverfahren (Abs. 5, 6, 4) fordern. Die Beteiligung am Zivilverfahren ist ihm mit den Rechten eines Staatsanwaltes bei jedem laufenden Verfahren möglich, bei einem von ihm eingeleiteten Verwaltungsverfahren besitzt er ebenfalls die Rechte eines Staatsanwaltes. Der Bürgerrechtsbeauftragte in Polen hat, so Garlicki, insgesamt weitreichende Möglichkeiten Gerichtsverfahren zu fordern. Dies ist eine in anderen Ländern dem Ombudsmann nicht zugebilligte Kompetenz; Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 413. Zur Staatsanwaltschaft sei angemerkt, dass deren Aufgabe in der Bewahrung der Gesetzlichkeit und in der Überwachung der Strafverfolgung besteht. Sie vollzieht zum einen die der vollziehenden Gewalt nahe Funktion der Ausführung der Staatspolitik auf dem Gebiet der Gesetzlichkeit und zum anderen wacht sie über die Strafverfolgung, indem sie in Bezug zur Tätigkeit der Gerichte einen Hilfscharakter hat (z. B. Leitung und Aufsicht über das Ermittlungsverfahren in Strafsachen, die Erhebung von Klagen in Zivil-, Verwaltungs- und Strafsachen: dazu Banaszak, Einführung, 2003, S. 288. 44 Weiterhin kann er die Organe ersuchen, die in die Rechte und Freiheiten der Bürger eingreifenden Rechtsakte zu ändern oder aufzuheben. 45 Klich, Human Rights, 1996, S. 61. Zu den Folgen der sozialistischen Verwaltungspraxis siehe Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S 23 f. 43
III. Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte
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Art. 16 Abs. 2 und 3 BürgerG räumen dem Bürgerrechtsbeauftragten zudem den Zugang zum polnischen Verfassungsgerichtshof (PVerfGH) ein. So darf er Anträge über solche Angelegenheiten beim PVerfGH stellen46, die in Art. 188 pV näher bestimmt sind. Dazu zählen die Prüfung der Vereinbarkeit von Gesetzen, Rechtsvorschriften und völkerrechtlichen Verträgen mit der Verfassung und nach Art. 16 Abs. 3 BürgerG die Beteiligung an einer Verfassungsbeschwerde. Bürger können sich folglich, statt den Weg einer eigenen Verfassungsbeschwerde zu gehen, auch an den Bürgerrechtsbeauftragten wenden, der dann gegebenenfalls das Gesetz vom PVerfGH prüfen lässt. Der Bürgerrechtsbeauftragte hat zudem im Verwaltungsverfahren Rechte wie der Staatsanwalt. So darf er gemäß Art. 14 Abs. 6 BürgerG den Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens stellen, am Verfahren mit den Rechten einer Partei teilnehmen und rechtskräftige Verwaltungsentscheidungen im Wege eine Verwaltungsverfahrens oder im Wege des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht anfechten.47 Gleiche Rechte stehen ihm in Zivilverfahren zu, Art. 14 Abs. 4 BürgerG.48 Insgesamt betrachtet besitzt der Bürgerrechtsbeauftragte umfangreiche Beteiligungsrechte an den Gerichtsverfahren der einzelnen Gerichtszweige. Über seine Tätigkeit und darüber, inwieweit die Rechte und Freiheiten der Menschen eingehalten werden, informiert der Bürgerrechtsbeauftragte 46 Nach Art. 191 pV i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BürgerG; seit Einführung des polnischen Ombudsmanns stieg die Zahl der Verfahren beim PVerfGH kontinuierlich. Derzeit erfolgen etwa 10 Anträge pro Jahr. (Zoll bei seinem Vortrag: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten, Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg; Thema: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa; Garlicki/Brunner, Verfassungsgerichtsbarkeit in Polen, Baden-Baden 1999, S. 66; Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 9). Diese Anträge des Ombudsmanns sind, so Klich, eine wichtige Quelle für grundsätzliche Entscheidungen des PVerfGHs zum Rechtsstaatsprinzip („Pensionsentscheidung“ des PVerfGH vom 25. Februar 1992 Az.: K.3/91). Festgestellt wurde, dass ökonomische Probleme nie darüber entscheiden dürfen, ob erlassenes Recht verfassungsmäßig ist. Entwickelt wurde von Ombudsmann und PVerfGH auch das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, des Grundsatzes der Gleichbehandlung (siehe oben) und des Schutzes staatsbürgerlicher und sozialer Rechte. Die ersten Ombudsmänner widmeten sich so u. a. den Verhältnissen in den Gefängnissen und machten sich für eine menschenwürdige Behandlung der Gefangenen stark. Weitere Probleme, die mit der Transformation der sozialistischen Wirtschaftsordnung in eine soziale Marktwirtschaft einhergingen, waren der Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot. Auch in diesen Fragen engagierten sich die Bürgerrechtsbeauftragten; Klich, Human Rights, 1996, S. 41, S. 47 ff. mit Anmerkungen; Łe˛towska, The Commissioner, 1996, S. 10. 47 Adamiak, Das Verwaltungsverfahren in Polen, S. 199–255, S. 219 f., in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Vergleichendes Verwaltungsrecht in Osteuropa, Wien 2004. 48 Nach Art. 16 Abs. 4 BürgerG kann er auch beim Obersten Gericht beantragen, dass dieses per Beschluss zweifelhafte Rechtsvorschriften auslegt.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
jährlich den Sejm und den Senat, Art. 212 pV. Auf Antrag des Sejmmarschalls gibt der Ombudsmann auch über bestimmte Angelegenheiten Auskunft bzw. wird diesbezüglich tätig, Art. 19 BürgerG. Neben seiner Informationspflicht gegenüber dem Parlament gibt es eine rege Zusammenarbeit zwischen Bürgerbeauftragtem und Medien. Rundfunk und Presse informiert der Ombudsmann regelmäßig über die Arbeit seines Büros. Da die Institution des Ombudsmannes für Beschwerden und Bitten genutzt wurde, deren Bearbeitung nicht innerhalb seines Aufgabenbereiches lagen, ist man außerdem bemüht, der Bevölkerung den konkreten Tätigkeitsbereich des Ombudsmannes zu vermitteln.49 Dem Bürgerbeauftragten ist es zusätzlich möglich, öffentlich wirksam auf allgemeine Missstände aufmerksam zu machen. So erklärte der Ombudsmann Polens, sich mit aller Entschlossenheit für eine Korruptionsbekämpfung in Polen einzusetzen sowie das Recht auf Information stärken zu wollen.50 Dass die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit nicht ergebnislos ist, zeigt die Statuierung sozialer Grundrechte in den Art. 64–76 pV, welche auf den Einfluss des Ombudsmanns Tadeusz Zielin´ski zurückgeführt wird.51 Dem Bürgerrechtsbeauftragten steht für seine Arbeit ein Büro mit einem Stab von 220 Mitarbeitern zur Verfügung.52 Eine Satzung bestimmt die genaue Arbeitsweise des Büros.53 Sie wird auf Antrag des Ombudsmanns vom Sejmmarschall nach Art. 20 Abs. 2 BürgerG erlassen. Danach leitet der Bürgerrechtsbeauftragte mit Hilfe seiner Stellvertreter das Büro und legt deren Aufgabenbereiche fest. Derzeit gibt es 19 mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraute Arbeitsgruppen. Interessant ist hierbei mit Blick auf die dieser Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung, die seit 2003 bestehende Arbeitsgruppe XI, zuständig für das Recht der Familie sowie den Schutz der Rechte von Behinderten.54 Zu ihrem Kompetenz49
Siehe ausführlich: Jaster, Der polnische Beauftragte, 1994, S. 102. Siehe dazu auch „Regelmäßiger Bericht 2000 der Kommission über die Fortschritte Polens auf dem Weg zum Beitritt“ vom 8. November 2000, S. 22, unter: http://europe.eu.int/comm/enlargement/poland/index.htm; eingesehen am 12. Dezember 2000. 51 Vgl. Klich, Human Rights, 1996, S. 52. 52 Zoll bei seinem Vortrag: Der verfassungsrechtliche Schutz des Individuums in Polen und die Rolle des Bürgerbeauftragten, Tagung vom 25.–27. Oktober 2001 in Regensburg; Thema: Moderne Verfassungsprinzipien in Mittelost-Europa; vgl. auch Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 268. 53 Satzung des Büros des Bürgerrechtsbeauftragten (Verfügung Nr. 2 des Sejmmarschalls vom 26. Februar 2003 in der Sache Erlass einer Satzung für das Büro des Bürgerrechtsbeauftragten). 54 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 11 Satzung des Büros des Bürgerrechtsbeauftragten, zur Aufgabenbeschreibung siehe Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 271. 50
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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bereich gehören auch die Rechte der Kinder. Für organisatorische, arbeitsrechtliche und finanzielle Angelegenheiten des Ombudsmannbüros ist der Direktor des Büros verantwortlich, der vom Bürgerrechtsbeauftragten ernannt und entlassen wird.55 Die entsprechenden finanziellen Mittel für die Institution des Bürgerrechtsbeauftragten sind im Haushaltsgesetz Polens festgeschrieben, Art. 21 BürgerG, das der Sejm gemäß Art. 219 pV zu erlassen hat.56 Die Ausgaben betragen im Haushaltsgesetz 2005 ca. 27 Millionen Złoty.57
IV. Die Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen Die Einführung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten im Jahr 2000 war Ergebnis einer ausgesprochen kontrovers geführten politischen Debatte in den 90er Jahren. Nachdem sich der Verfassungsgeber 1997 im letzten Moment für eine verfassungsrechtliche Verankerung der Institution entschieden hatte, begannen im Parlament die konkreten Arbeiten am Kinderrechtsbeauftragtengesetz. Grundlage der Beratungen bildeten zwei Gesetzentwürfe, vorgelegt von der Regierung sowie einer Gruppe von Abgeordneten. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen im Sejm standen vor allem die künftigen Aufgaben und Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten sowie sein Verhältnis zum bereits bestehenden Bürgerrechtsbeauftragten. 1. Debatte im Parlament um die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten von 1990–1997 Erste Überlegungen zur Einführung eines Kinderbeauftragten in Polen gab es bereits in den 80er Jahren. Maria Łopatka, die Ehefrau von Adam Łopatka, einem der Ideengeber für die UN-Kinderrechtskonvention, regte eine entsprechende Institution zum Schutze von Kindern an, stieß damit aber in den politischen Kreisen der ehemaligen Polnischen Volksrepublik auf keinen großen Widerhall. Mit Beginn des politischen Transformationsprozesses in Polen und im Rahmen der Diskussion um die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention gelangte die Frage der Einführung eines 55
§ 5 Satzung des Büros des Bürgerrechtsbeauftragten. Siehe auch Ausführungen oben. Die Einnahmen und Ausgaben des Bürgerrechtsbeauftragten werden zuvor in den Haushaltsgesetzentwurf des Finanzministers aufgenommen, Art. 83 Abs. 2 Gesetz über die öffentlichen Finanzen. 57 Haushaltsgesetz für das Jahr 2005 vom 22. Dezember 2004, in: Dz. U. 2004, Nr. 278, Pos. 2755; Anlage 2, Titel 8. Polens Währung wird derzeit (Stand Januar 2006) mit 3,77 Złoty für einen Euro gehandelt. 56
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
polnischen Kinderrechtsbeauftragten 1989 auf die Tagesordnung des Sejm. Ein diesbezüglich erarbeiteter Gesetzentwurf schaffte es jedoch nicht einmal in die erste Lesung, da in diesen Zeiten des Umbruchs grundsätzlichere Fragen politisch beraten wurden als die Einführung eines Kinderbeauftragten.58 Der 1991 erste frei gewählte Sejm setzte die Arbeit an einem diesbezüglichen Gesetzentwurf in einer Zwischenkommissionsgruppe zur Thematik Kinder fort.59 Die Parlamentsauflösung durch Staatspräsident Wałesa 1993 beendete erneut die Beratungen an der Gesetzesvorlage.60 In der zweiten Kadenz des Sejm oblagen die weiteren Arbeiten bezüglich der Einführung eines Kinderombudsmannes der Parlamentarischen Gruppe zur Thematik Kinder.61 Da die inhaltliche Auseinandersetzung nun überwiegend in internen Fachgremien stattfand, war selbst eine Mehrzahl der Abgeordneten über das Anliegen nicht informiert.62 Erst die Rede der Sejm-Abgeordneten Wilczynska am 4. Februar 1994, in der sie auf die schwierige Situation der Kinder in Polen aufmerksam machte, eröffnete die öffentliche Diskussion über die Schaffung einer solchen Kinderrechtsinstitution.63 Das Vorhaben der Einführung eines Kinderbeauftragten erfuhr allerdings auch Ablehnung. Der damalige Bürgerrechtsbeauftragte Tadeusz Zielin´ski vertrat beispielsweise die Auffassung, dass funktionierende Familiengerichte sowie Familien- und Vormundschaftsgesetzbücher den Schutz von Kinderrechten ausreichend gewährleisteten.64 Andere Stimmen, wie die des Familienrechtlers Smyczyn´ski, befürworteten einen Kinderombudsmann und gaben zu bedenken, dass insbesondere Kinder in Konfliktsituationen im Verhältnis zur Erwachsenenwelt hilflos seien und sie dann, um unwiderrufliche nachteilige Folgen auszuschließen, schnelle Hilfe benötigen. Zudem sei ein Vermittler notwendig, weil der Schutz von Kinderrechten und -interessen nicht immer mit den Interessen von erwachsenen Personen im Einklang steht.65 Diese 58
Siehe dazu Błaz˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 9 f. Dazu Wilczyn´ska, Zofia: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8.01.1999 zum Tagesordnungspunkt 14; ohne weitere Angaben von Quellen: Błaz˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 9 f. Es handelt sich dabei nach deutschem Verständnis um eine Enquetekommission zur Thematik Kinder. 60 Wahl am 27. Oktober 1991, Auflösung des aus 29 Parteien bestehenden Sejms (!) durch Staatspräsident Wałe˛sa am 23. Mai 1993; vgl. Nohlen/Kasapovic, Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, Opladen 1996, S. 121 f. 61 Siehe Wilczyn ´ ska, Zofia: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8.01.1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 62 Vgl. Błaz ˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 10. 63 Vgl. Wilczynska, Zofia: Stenographische Mitschrift der 11. Sejm-Sitzung, II. Kadenz (2. Tag) am 4. Februar 1994, zum Tagesordnungspunkt 12. 64 Informacje krótkie, Rzeczpospolita vom 15.10.1994, zitiert nach: Błaz ˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 10. 65 Vgl. Smyczyn ´ ski, Prawa dziecka a obowia˛zki i uprawnienia rodziców, Rzeczpospolita vom 21. Februar 1995, S. 15. 59
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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Meinung stand im Einklang mit dem Ergebnis einer Meinungsumfrage aus dem Jahr 1994, der zufolge sich 84% der Bevölkerung einen Kinderombudsmann wünschten.66 Neben dem Sejm begann auch die zweite Parlamentskammer, der Senat, seine Arbeiten an einem Gesetzentwurf, welchen insbesondere die nunmehrige Senatorin M. Łopatkowa beförderte.67 Die Befürworter der Einführung sondierten außerdem die Meinung der Regierung zu dem Projekt. Während einer Sitzung des Rechtsausschusses des Sejm im März 1995 bestätigte der damalige Justizminister Jaskiernia auf die Anfrage der Abgeordneten K. Piekarska hin, dass er aufgrund der schwierigen Lage von Kindern weltweit dem Vorhaben positiv gegenüberstehe.68 In der 87. Sitzung des Sejm, im August 1996, merkte eine Vertreterin des Bildungsministers an, dass das Ministerium alles im Rahmen seiner Kompetenzen in diesem Bereich tue, die Entscheidung der Einführung selbst jedoch dem Parlament obliege.69 Bildungsminister Wiatr führte in der gleichen Sitzung zwei Möglichkeiten einer Anbindung des Kinderbeauftragten aus. Entweder sei er, wie es der Senatsentwurf favorisierte, ein vollkommen unabhängiges Organ oder aber in ein anderes staatliches Organ, wie den Bürgerrechtsbeauftragten oder das Bildungsministerium integriert.70 Zur Verabschiedung eines Gesetzes über einen Kinderrechtsbeauftragten kam es im Zeitraum zwischen 1990 bis 1997 allerdings nicht. Die vorgebrachten Argumentationen flossen jedoch in die parallel laufenden Verhandlungen zur neuen Verfassung, bei denen die Aufnahme des Kinderrechtsbeauftragten in die Verfassung zur Diskussion stand, mit ein. 2. Debatte in der Nationalversammlung um die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in die Verfassung von 1993–1997 Diskussionen um einen polnischen Kinderrechtsbeauftragten gab es auch im Rahmen des Verfassungsgebungsprozesses in der aus Sejm und Senat 66
Błaz˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 10. Abgedruckt in der Rzeczpospolita vom 3. Februar 1995, zitiert nach: Błaz˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 11; SLD = Sojusz Lewicy Demokratycznej (Bündnis der Demokratischen Linken). 68 Vgl. Biuletyn Komisji Sprawiedliewos ´ci Nr. 1347/II vom 3.03.1995. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass die Institution Kinderombudsmann im Verfassungsentwurf der SLD [Sojusz Lewicy Demokratycznej (Bündnis der Demokratischen Linken)] enthalten sei. 69 So Grabowska, Danuta: Stenographische Mitschrift der 87. Sejm-Sitzung, II. Kadenz (3. Tag) am 30. August 1996, zum Tagesordnungspunkt 18. 70 Vgl. Wiatr, Jerzy: Stenographische Mitschrift der 87. Sejm-Sitzung, II. Kadenz (3. Tag) am 30. August 1996, zum Tagesordnungspunkt 18. 67
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
zusammengesetzten polnischen Nationalversammlung.71 Der Verfassungsentwurf der SLD, der als einziger die Institution eines Kinderombudsmannes (Art. 163) vorsah, war nur einer von sieben Entwürfen im Zeitraum von 1993–1997, der in den Verhandlungen um eine neue Verfassung berücksichtigt werden musste.72 Der Verfassungsgebungsprozess erwies sich in Polen insgesamt als sehr schwierig und langwierig. Nachdem es nicht gelang, zum 200. Jahrestag der polnischen Verfassung am 3. Mai 1991 eine neue Konstitution zu präsentieren, und absehbar war, dass keiner der zum damaligen Zeitpunkt elf Entwürfe73 eine Mehrheit erringen würde, entschied sich das Parlament für eine „kleine Verfassung“, welche im wesentlichen nur die Organisation und Befugnisse der Staats- und Verfassungsorgane regelte.74 Die übrigen Bestimmungen der Verfassung von 1952 blieben weiterhin gültig.75 Ein im April 1992 ergangenes Verfassungsgesetz erklärte die Nationalversammlung für die Vorbereitung und den Beschluss einer neuen Verfassung für zuständig.76 Dies sollte sich als die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Aufgabe der Nationalversammlung im Zeitraum von 1992 bis 1997 erweisen. Entwürfe legten neben der SLD auch Staatspräsident Wałesa, der Senat, die PSL, die KPN und die UD vor.77 Außerdem gab es noch einen Bürgerent71 Vgl. Art. 27 pV1992a Verfassungsgesetz über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt der Republik Polen sowie über die territoriale Selbstverwaltung, Dz. U. 1992, Nr. 84, Pos. 426 (sog. Kleine Verfassung – Anmerkung der Verfasserin). 72 Vgl. Art. 163 SLD-Entwurf, in: Chrus ´ciak, Projekty Konstytucji 1993–1997, Band 1, 1. Auflage, Warszawa 1997 S. 133. 73 Zur kleinen Verfassung vom 17. Oktober 1992 siehe: Kallas, Projekty Konstytucyjne 1989–1991, Warszawa 1992, der alle Verfassungsentwürfe im Wortlaut zusammenfasst. 74 Verfassungsgesetz über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt der Republik Polen sowie über die territoriale Selbstverwaltung vom 17. Oktober 1992, in: Dz. U. 1992 Nr. 84, Pos. 426 (zit. pV. 1992a); siehe dazu u. a. Mohlek, Der steinige Weg Polens zu dem Verfassungsgesetz vom 17. Oktober 1992, in: OstEuropa 1993, S. 146–151; ders., Verfassung der Republik Polen, in: VSO Grundwerk, August 1995, Nr. 1.1. S. 1–14; Banaszak, Verfassungsänderungen in der Republik Polen, WGO-MfOR 1993, S. 109–118; Czeczejko-Sochacki/Machacek, Der Weg zu einer neuen polnischen Verfassung, in: EuGRZ 1992, S. 93–98. 75 Die fortgeltenden Vorschriften der Verfassung der Republik Polen vom 22. Juli 1952 mit Änderungen, in: Dz. U. 1952, Nr. 33, Pos. 232. 76 Verfassungsgesetz vom 23. April 1992 über die Art der Vorbereitung und Beschließung der Verfassung der Republik Polen, in: Dz. U. 1992, Pos67, Pos. 336 mit Änd. 77 PSL = Polskie Stronnictwo Ludowe (Polnische Volks-(Bauern-)partei); KPN = Konfederacja Polski niepodległej: Konföderation Unabhängiges Polen; UD = Unia Demokratyczna: Demokratische Union.
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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wurf einer Verfassung, unterzeichnet von knapp einer Million polnischen Bürgern.78 Der Vorschlag der SLD bezüglich der Einführung eines Kinderombudsmannes fand sich, wenn auch in verkürzter Form, in den Verhandlungsgrundlagen der Nationalversammlung vom 20. und 26. Januar 1995 jeweils in den Artikeln 55 Abs. 4 wieder. Die Artt. 55 Abs. 4 lauteten: „Ein Gesetz bestimmt die Zuständigkeit und die Art der Berufung des Kinderrechtsbeauftragten.“ In den Beratungen der Kommission der Nationalversammlung79 am 4. April 1995 kam diesbezüglich von Osiatyn´ski der Vorschlag, die gesamte Familie unter den Schutz des Kinderombudsmanns zu stellen und diesen dann „Kinder- und Familienrechtsbeauftragter“ zu nennen. Kritik erfuhr dieser Vorschlag durch Działocha, der den Schutz des Kindeswohls als die zentrale Aufgabe eines Kinderbeauftragten ansah und für die er, durch die Erweiterung des Schutzbereiches, einen Bedeutungsverlust befürchtete. Kwas´niewski wies auf die systematischen Implikationen des Vorschlages hin. Die damals bereits konsensfähige Unterteilung in Rechte von Familien (Art. 54) und Rechte von Kindern inklusive Kinderombudsmann (Art. 55) hätte dann wieder einer Änderung bedurft. Ein anderer Einwand hob auf die bestehende Rechtsschutzinstitution des Bürgerrechtsbeauftragten ab und befürchtete Kompetenzkonflikte zwischen beiden Institutionen. So hinterfragte Winczorek die Notwendigkeit eines Kinderrechtsbeauftragten, wenn Kinder als Bürger auch der Zuständigkeit des Bürgerrechtsbeauftragten unterfielen.80 Außerdem schien ihm die Klärung des Rangverhältnisses beider Beauftragter unabdingbar. Rzeplin´ski warnte in diesem Zusammenhang vor dem möglichen Bedürfnis unterschiedlichster Interessengruppen nach einem eigenen Beauftragten, was seiner Meinung nach den bestehenden Ombudsmann faktisch überflüssig machen würde. Rzeplin´ski ging von einem im Wesentlichen ausreichenden Schutz der Kinderrechte und -interessen durch den Bürgerrechtsbeauftragten aus. Osiatyn´ski erwiderte darauf, dass der Aufgabenbereich eines Kinderbeauftragten, anders als der eines Bürgerbeauftragten, über die reine Rechtsanwendung hinausgehe und durch die zu gewährenden Hilfestellungen auch umfangreich psychologische Bereiche umfasse. Außerdem entkräftete Osiatyn´ski die Befürchtung vor einer Flut von Beauftragten mit dem Hinweis auf die ledig78
Die Entwürfe sind abgedruckt bei Chrus´ciak, Projekty Konstytucji 1993–1997, Band 1, 1. Auflage, Warszawa 1997; die Zwischenberatungen in der Nationalversammlung sind zu finden: ders., Projekty Konstytucji 1993–1997, Band 2, 1. Auflage, Warszawa 1997. Zu den Beratungen Chrus´ciak, Podstawowe problemy przyszłej konstytucji w debacie Zgromadzenia Narodowego, PIP 1995, Heft 1, S. 58–71. 79 Biuletyn Komisji Konstytucyjnej Zgromadzenia Narodowego 1437/II vom 4.04.1995. 80 Siehe auch S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 51.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
lich zwei Vorgesehenen in der Verfassung. Ciemniewski, der sich gegen einen Kinderbeauftragten wandte, gab zu Bedenken, dass die von Osiatyn´ski geplante Beratungsinstitution seiner Ansicht nach keinen konstitutionalisierungsfähigen Charakter aufweise und sie daher als Verfassungsinstitution ungeeignet sei.81 In den darauf folgenden Verhandlungsentwürfen vom 19. Juni 1996 sowie vom 16. Januar 1997 fehlte die Institution in den einschlägigen Artikeln.82 Offensichtlich konnten zum damaligen Zeitpunkt die Kritiker die Mehrheit von ihrer ablehnenden Haltung überzeugen. Am 12. März 1997, kurz vor Verabschiedung der Verfassung, trafen sich nochmals Vertreter des Parlaments, der Präsidialkanzlei, einige Minister und Fachexperten, um abschließend die Frage einer Kinderombudsmanninstitution zu erörtern. Ausschlaggebend war schließlich das Wort des Premierministers Cimoszewicz, der sich ausdrücklich für die Berufung eines Kinderbeauftragten aussprach.83 Das Ergebnis findet sich nunmehr in Art. 72 Abs. 4 pV, welcher die ursprüngliche, bereits in Art. 55 Abs. 4 der Verhandlungsgrundlage von 1995 enthaltene Regelung wieder aufnimmt.84 Die Detailfragen hinsichtlich der Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten überließen die Verfassungsgeber dem Gesetzgeber. 3. Debatte im Parlament um die Ausgestaltung des Kinderombudsmanngesetzes von 1997–2000 Das „Wie“ der rechtlichen Ausgestaltung lag nun in der Hand des Gesetzgebers. Zur Diskussion standen zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens 1999 zwei Entwürfe, einer der Regierung und einer von Abgeordneten.85 Die Vorschläge sind, ausgehend vom Verständnis der Institution, nicht grundsätzlich verschieden, weichen aber in interessanten Teilfragen, auf die nun in aller Kürze eingegangen werden soll, voneinander ab.
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Vgl. Biuletyn Komisji Konstytucyjnej Zgromadzenia Narodowego 1437/II vom 4.04.1995. 82 Artt. 59 und 69; vgl. Chrus ´ciak, Projekty Konstytucji 1993–1997, Band 2, 1. Auflage, Warszawa 1997. 83 Vgl. mit Anmerkungen Błaz ˙ewicz, Rzecznik 2003, S. 13; dazu auch Chrus´ciak/Osiatyn´ski, Tworzenie, 2001, S. 256, S. 316. 84 Verfassung vom 2. April 1997, Dz. U. 1997, Nr. 78, Pos. 483. 85 Druk Sejmowy Nr. 830 (Regierungsentwurf) sowie Druk Sejmowy Nr. 617 (Abgeordnetenentwurf).
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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a) Der Regierungs- und der Abgeordnetenentwurf zum Kinderombudsmanngesetz Als die wesentliche Aufgabe des Kinderrechtsbeauftragten nennen beide Entwürfe in Art. 1 Abs. 2 den Schutz der sich aus der Verfassung, der UNKinderrechtskonvention und anderen Rechtsvorschriften ergebenden Kinderrechte, wobei in beiden Entwürfen als Maßstab das Wohl des Kindes gilt. Interessanterweise wiederholt der Regierungsentwurf in diesem Absatz auch den polnischen Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention bezüglich des Verhältnisses der Konvention zur Familie, was Błaz˙ewicz als „außerordentlich verfehlt“ in einem Gesetz bezeichnet, welches im Rang unter der innerstaatlich geltenden UN-Kinderrechtskonvention steht.86 Im beschlossenen Gesetz, das sei hier bereits angemerkt, findet sich dieser Passus richtigerweise nicht mehr. Sowohl der Regierungs- als auch der Abgeordnetenentwurf definieren in Art. 1 Abs. 4, wenn auch unterschiedlich, was sie unter dem Begriff „Kind“ verstehen. Während der Regierungsentwurf eine Altersgrenze von 18 Jahren angibt, beschränkt sich der Abgeordnetenentwurf auf die Feststellung, dass alle Minderjährigen vom Gesetz umfasst seien. Wer Minderjähriger ist, findet sich in diesem Entwurf selbst nicht. Entgegen der eindeutigen Regelung in Art. 1 der UN-Kinderrechtskonvention, welche eine Altersgrenze von 18 Jahre festlegt, möchte man mit der im Abgeordnetenentwurf vorgenommenen Kopplung des Begriffs „Kind“ an den der Minderjährigkeit einer klaren, sich an der UN-Konvention orientierenden Regelung ausweichen.87 Der Grund dafür findet sich im polnischen Familienrecht, welches ein vom Alter her minderjähriges Mädchen im Falle seiner Heirat für volljährig erklärt.88 Tätigwerden kann der Kinderrechtsbeauftragte den Entwürfen zu folge auf eigene Initiative oder auf Antrag von Bürgern, deren Organisationen sowie kommunalen Organisationen. Der Abgeordnetenentwurf nennt zudem explizit die Antragsmöglichkeit von Kindern und deren Organisationen.89 Obwohl dieser Passus beim Regierungsentwurf fehlt, ist davon auszugehen, dass auch Kinder als Bürger ein Antragsrecht besitzen.90 Der Kinderrechts86
Błaz˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 13. So auch Gwiz˙dz˙, Jerzy: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 88 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel C.VI.1.a)aa). 89 Vgl. Art. 10 RegEntw. und Art. 9 AbgEntw. 90 Gwiz ˙dz˙, der generell gegen ein Antragsrecht von Kindern ist, kritisiert aus diesem Grund auch die „Inkonsequenz“ des Regierungsentwurfs: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14; siehe im Übrigen die Ausführungen im nächsten Abschnitt. 87
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
beauftragte entscheidet, ob er entweder die ihm vorgetragenen Angelegenheiten näher untersucht oder sie an die zuständigen Stellen überweist oder aber den Antragsteller über den geeigneten Ansprechpartner informiert. Außerdem räumt ihm der Abgeordnetenentwurf die Möglichkeit der Nichtbehandlung ein. Die Entscheidungen des Kinderrechtsbeauftragten gelten gemäß Art. 11 Abs. 3 AbgEntw. als abschließend.91 Zur Untersuchung der ihm zugetragenen Angelegenheiten kann er sich beiden Entwürfen zu folge an alle involvierten privaten und öffentlichen Institutionen zum Zwecke der Zusammenarbeit wenden. Diese sind verpflichtet, ihm entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen und auf Stellungnahmen innerhalb von 30 Tagen zu reagieren.92 Dem Kinderrechtsbeauftragten steht nach beiden Entwürfen grundsätzlich offen, selbst Verfahren einzuleiten oder deren Einleitung zu beantragen.93 Das Abgeordnetenprojekt eröffnet dem Beauftragten außerdem den Weg zum Verfassungsgerichtshof sowie die Möglichkeit, vor dem Obersten Gericht mit dem Antrag aufzutreten, Zweifel bei der Auslegung von Rechtsvorschriften sowie bei divergierender Rechtsprechung zu klären.94 Weiterhin kann der Beauftragte gemäß Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 AbgEntw. bei den zuständigen Organen im Bereich Kinderrechte Gesetzesinitiativen beantragen. Das Bestellungsorgan des Kinderrechtsbeauftragten ist in beiden Entwürfen unterschiedlich geregelt. Zuständig ist dafür laut Regierungsentwurf der Senat mit Zustimmung des Sejm, was damit begründet wird, dass insbesondere im Senat jahrelang die Einführung des Amtes befördert wurde.95 Analog dazu sieht der Abgeordnetenentwurf eine Bestellung durch den Sejm mit Zustimmung des Senats vor. Das weitere Prozedere der Ernennung stimmt in beiden Entwürfen überein.96 Die Amtszeit begrenzt der Regierungsentwurf auf maximal zweimal fünf Jahre (Art. 7) und der Abgeordnetenentwurf auf maximal zweimal vier Jahre (Art. 5). Eine vorzeitige Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten regeln beide Entwürfe zum einen enumerativ und zum anderen, mit Ausnahme des Abberufungsorgans (Senat bzw. Sejm), äquivalent. Unterschiedlich ist auch der Einfluss des Kinderrechtsbeauftragten auf die Zusammensetzung seines Büros geregelt. Während nach dem Regierungsentwurf der Beauftragte selbständig die Satzung 91
Vgl. Art. 12 RegEntw. und Art. 11 AbgEntw. Art. 17 AbgEntw.; Art. 18 RegEntw. 93 Vgl. Art. 14 AbgEntw. und Art. 15 RegEntw., z. B. kann er beim Staatsanwalt die Einleitung eines Zivilverfahrens beantragen und beim Obersten Gericht eine Kassation einlegen. 94 Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AbgEntw. 95 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zur Sejm-Drucksache 830, S. 3. 96 Vgl. Art. 5 RegEntw. und Art. 3 AbgEntw.; siehe dazu auch die Ausführungen zum aktuellen Gesetz unten. 92
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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für sein Büro erlassen kann, sieht der Abgeordnetenentwurf vor, dass dies auf Antrag des Beauftragten durch den Sejmmarschall erfolgt. Ebenso soll gemäß Abgeordnetenentwurf die Bestellung der Stellvertreter des Kinderrechtsbeauftragten erfolgen.97 Hinsichtlich der Finanzierung finden beide Entwürfe eine übereinstimmende Lösung, indem sie die erforderlichen Mittel im staatlichen Haushaltsplan festschreiben wollen. Im Unterschied zum Abgeordnetenprojekt enthält der Regierungsentwurf in seiner Begründung aber eine differenzierte Aufschlüsselung der erwarteten Kosten. So geht man beispielsweise in der Kalkulation von 15 erforderlichen Angestellten aus, für die ca. 580.000 Złoty Personalkosten vorzusehen sind. Insgesamt veranschlagt man die jährlichen Kosten der Institution auf ca. 1,4 Millionen Złoty.98 b) Verabschiedung und Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten Die erste Lesung der beiden Entwürfe im Sejm begann am 8. Januar 1999 und setzte sich am 20. Januar fort. Im Vordergrund der Diskussion stand das „Wie“, die rechtliche Ausgestaltung der Aufgaben und Kompetenzen der Kinderombudsmanninstitution. Dennoch stellten einige Redner, wie die Abgeordnete Koblin´ska, ungeachtet der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die Einführung insgesamt in Frage.99 Die Befürworter eines polnischen Kinderombudsmannes verwiesen daraufhin in der Debatte auf die Lage der Kinder in Polen, was ihrer Meinung nach die Notwendigkeit einer solchen Institution begründete.100 Beide Entwürfe wurden zur weiteren Bearbeitung an einen gemeinsamen Ausschuss des Sejm verwiesen, wobei ein gestellter Antrag, nur den Ausschuss für Familie mit den Beratungen zu befassen, ebenso scheiterte101, wie ein in der 43. Sitzung vorgebrachter Antrag, den Abgeordnetenentwurf zu verwerfen.102 Die Beratungen der beiden überwiesenen Entwürfe erfolg97 Vgl. Art. 20 AbgEntw.; die Regionalvertreter des Kinderrechtsbeauftragten werden dagegen mit Zustimmung des Sejm eingesetzt; Art. 22 AbgEntw. 98 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zur Sejm-Drucksache 830, S. 4–9. 99 So Koblin ´ ska, Zdisława Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 100 Als eine Ursache der Gewalt unter Kindern machte die Abgeordnete Sobecka dabei die Medien aus. Sobecka, Anna: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 101 Gwiz ˙dz˙, Jerzy: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 102 Vgl. Stenografisches Protokoll vom 20. Januar 1999, 43. Sitzung III. Kadenz, 1. Tag.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
ten am 22. Juni und 8./9. Juli 1999.103 Nach der Abstimmung über die einzelnen Punkte im gemeinsamen Ausschuss am 9. Juli 1999 gelangte schließlich der Entwurf eines Kinderombudsmanngesetzes zur zweiten Lesung in den Sejm.104 In der Aussprache am 8. September 1999 im Sejm werden die Kontroversen in den vorangegangenen Beratungen deutlich sichtbar. Während die Abgeordneten Cyman´ski und Fra˛czek nunmehr öffentlich in ihren Reden hervorhoben, dass der Gesetzentwurf den Kinderrechtsbeauftragten weniger als Amtsperson, denn als Autorität zum Schutze der Kinderrechte und deren Weiterentwicklung begreift,105 kritisierte die Abgeordnete Grabowska diesen Ansatz mit den Worten, dass der Kinderrechtsbeauftragte zwar wie der englische König überall als Repräsentant auftreten, tatsächlich aber nichts Positives für die Kinder erreichen könne.106 Die Abgeordnete Kowalska bemängelte gleichfalls die geringen Kompetenzen sowie die Zugangsbeschränkung für Kinder, sich an den Beauftragten zu wenden. Sie bezeichnet es als kurios, dass ein Kinderrechtsbeauftragter ernannt werden soll, „. . . der die Kinder des Rechts beraubt, sich an ihn zu wenden . . .“.107 Insbesondere die Vertreterinnen der SLD machten in ihren Reden aus ihrer ablehnenden Haltung zu diesem Gesetzentwurf keinen Hehl.108 Die Beratung am 23. September 1999 im gemeinsamen Ausschuss erbrachte nur geringfügige Veränderungen. Änderungsanträge hinsichtlich der Kompetenzausstattung und des Antragsrechts wurden mit einer ablehnenden Stellungnahme dem Sejm zur Abstimmung zugeleitet.109 Bei der namentlichen Abstimmung im Sejm am 21. Oktober 1999 votierten von den 409 anwesenden Abgeordneten schließlich 229 für das Gesetz, 166 dagegen und 12 enthielten sich der Stimme. Nahezu die gesamte SLD-Fraktion lehnte den Entwurf ab.110 103
Dabei tagten vier Parlamentsausschüsse gemeinsam; Sejm-Biuletyn Nr. 1669/III vom 22. Juni 1999; Sejm-Biuletyn Nr. 1776/III vom 8. Juli 1999; SejmBiuletyn Nr. 1790/III vom 9. Juli 1999. 104 Vgl. Sejm-Biuletyn Nr. 1790/III vom 9. Juli 1999; Sejm-Drucksache 1241, III. Kadenz vom 9. Juli 1999. vgl. Sitzungsprotokolle der 57. Sitzung der III. Kadenz, 1. Tag, am 8. September 1999. 105 Vgl. Cyman ´ ski, Tadeusz und Fra˛czek, Barbara: Sitzungsprotokolle der 57. Sitzung der III. Kadenz, 1. Tag, am 8. September 1999. 106 Sinngemäße Übersetzung; vgl. Grabowska, Danuta: Sitzungsprotokolle der 57. Sitzung der III. Kadenz, 1. Tag, am 8. September 1999. 107 Kowalska, Bronisława: Sitzungsprotokolle der 57. Sitzung der III. Kadenz, 1. Tag, am 8. September 1999; Übersetzung durch die Verf. 108 So u. a. Grabowska, Danuta und Wilczyn ´ ska, Zofia: Sitzungsprotokolle der 57. Sitzung der III. Kadenz, 1. Tag, am 8. September 1999. 109 Vgl. im Einzelnen Sejm-Biuletyn Nr. 1953/III vom 23. September 1999; Sejm-Drucksache 1241 A, III. Kadenz vom 23. September 1999.
IV. Debatte um die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Polen
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Der Senat, an den der Gesetzentwurf anschließend überwiesen wurde, schlug insgesamt neunzehn geringfügige Änderungen vor111, welche sowohl der gemeinsame Ausschuss in der Mehrzahl112 als auch der Sejm abschließend am 6. Januar 2000 billigten.113 Die letzten Vorbereitungen für den Weg der Berufung eines Kinderrechtsbeauftragten nahm der Geschäftsführungsausschuss des Sejm mit der Anpassung seiner Geschäftsordnung in den Artt. 27 Abs. 1 und 2 sowie 27 a Abs. 1 vor.114 Den ersten Kinderrechtsbeauftragten Marek Piechowiak wählte der Sejm schließlich am 8. Juni 2000. Der Senat stimmte dem am 28. Juni 2000 zu.115 Nach der Vereidigung Piechowiaks am 30. Juni 2000 vor dem Sejm trat dieser sein Amt an. Bereits zwei Tage vor seinem Schwur erfuhr Piechowiak, dass für seine Arbeit kaum finanzielle Mittel vorhanden sein würden. Er erwog daher, die Eidesleistung zu verweigern. Dies bedeutete einen Start unter schwierigsten Bedingungen, ohne Büro und Gehalt, finanziert mit geringfügigen Mitteln aus dem Haushalt des Ministerpräsidenten.116 Durch seinen Rücktritt nach nur drei Monaten im Herbst 2000 zog Piechowiak daraus seine Konsequenzen und die Stelle wurde wieder vakant.117 Das erneute Berufungsverfahren scheiterte am 8.12.2000 am Veto des Senats gegen den vorgeschlagenen Kandidaten Mirosław Katna, was die Wiederholung der Prozedur erforderlich machte.118 Anfang Februar 2001 setzte 110 Vgl. das Abstimmungsergebnis Nr. 33, 61. Sitzung, III. Kadenz, 2. Tag (21. Oktober 1999), 9.47 Uhr. 111 Vgl. Sejm-Drucksache 1530, III. Kadenz vom 19. November 1999. 112 Vgl. Sejm-Biuletyn Nr. 2307/III vom 15. Dezember 1999. 113 Vgl. Sitzungsprotokoll der 69. Sitzung der III. Kadenz am 6. Januar 2000. Danach wurde das Gesetz zur Unterzeichnung an den polnischen Staatspräsidenten weitergeleitet und bekannt gemacht; Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000, in: Dz. U. 2000, Nr. 6, Pos. 69. 114 Vgl. Sejm-Biuletyn Nr. 2588/III vom 14. März 2000. 115 Beschluss des Sejm vom 8. Juni 2000 (M. P. 2000, Nr. 19, Pos. 403); Beschluss des Senats vom 28. Juni 2000 zu (M. P. 2000, Nr. 20, Pos. 411). 116 Interview der Verfasserin mit dem ersten Kinderrechtsbeauftragten Polens Marek Piechowiak am 18. Mai 2004 in Slubice. 117 Der erste Ombudsmann, Marek Piechowiak, erklärte im 8. September 2000 seinen Amtsverzicht, den das Parlament durch Beschluss am (Sejm) 12. Oktober bzw. (Senat) 26. Oktober 2000 akzeptiert, in: M. P. 2000, Nr. 35, Pos. 710; M. P. 2000, Nr. 35, Pos. 712. 118 Die Wahl Mirosław Katnas zum zweiten Kinderrechtsbeauftragten scheitert am 14. Dezember 2000 im Senat, der sich mit 42 zu 35 Simmen bei 2 Enthaltungen gegen den Kandidaten entschied: vgl. das Protokoll vom 13./14. Dezember 2000 der 71. Sitzung des Senates zum Abstimmungsergebnis: Protokoll vom 14. Dezember 2000 der 71. Sitzung des polnischen Senates zum Abstimmungsergebnis über den Kinderrechtsbeauftragten (Diariusz Senatu RP nr 76), unter: http://www.senat. gov.pl/K4/DOK/DIAR/76/7603.HTM#a11; eingesehen am 18. Januar 2006.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
sich schließlich Paweł Jaros bei der Abstimmung im Sejm gegen M. Pilcha mit 222 zu 169 Stimmen durch. Der Senat akzeptierte dieses Votum am 18. Februar 2001, so dass Jaros am nächsten Tag das Amt des Kinderrechtsbeauftragten antreten konnte.119 Von 2006 bis 2008 war die polnische Kinderrechtsbeauftragte, Ewa Barbara Sowin´ska, im Amt120, deren Wirken von vielen Seiten scharfe Kritik erntete.121 Seit Juli 2008 ist nun der fünfte polnische Kinderrechtsbeauftragte, Marek Michalak, im Amt.122
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten Im folgenden Abschnitt wird schwerpunktmäßig die Rechtsstellung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge untersucht. Dabei steht im Vordergrund des Interesses die Frage, ob es sich beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten um ein Verfassungsorgan handelt. Ergänzt werden diese Ausführungen mit der Erörterung des Rechtsstatus des Beauftragten unter Berücksichtigung der bestehenden Immunitätsund Neutralitätsbestimmungen sowie das Ernennungs- und Abberufungsverfahren. Möglich wird damit eine Bewertung der Institution hinsichtlich ihrer rechtlichen Unabhängigkeit von anderen Verfassungsorganen, wie sie als Standard für Kinderschutzinstitutionen durch das ENOC vorgesehen ist. 1. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge Die Staatsgewalt wird in Polen wie in Deutschland von verschiedenen Gewalten wahrgenommen. Nach Art. 10 Abs. 2 pV sind dies die Legisla119 Beschluss des Sejm am 1. Februar 2001, M. P. 2001 Nr. 7, Pos. 109; Beschluss des Senats am 14. Februar 2001, M. P. 2001 Nr. 7, Pos. 111. 120 Sejmbeschluss über die Ernennung der Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska vom 24. März 2006, M. P. 2006, Nr. 25, Pos. 274; Senatsbeschluss über die Ernennung Ewa Barbara Sowin´ska vom 30. März 2006, M. P. 2006, Nr. 25, Pos. 275. Beschluss über die Abberufung der Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska durch den Sejm vom 9. Mai 2008, M. P. 2008, Nr. 40, Pos. 349. Beschluss des Senats über die Zustimmung der Abberufung der Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska vom 15. Mai 2008, M. P. 2000 Nr. 40, Pos. 350. 121 Internationale Bekanntheit erlangte die Kinderrechtsbeauftragte mit ihrem Vorgehen gegen die Kindersendung „Teletubbies“, der sie homosexuelle Propaganda unterstellte. Statt vieler: Krohn, Wie schwul sind die Teletubbies?, Aus: Sächsische Zeitung vom 30. Mai 2007, S. 3. 122 Sejmbeschluss über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten Marek Michalak vom 23. Juli 2008, M. P. 2008, Nr. 55, Pos. 490. Senatsbeschluss über die Ernennung von Marek Michalak vom 24. Juli 2008, M. P. 2006, Nr. 55, Pos. 491.
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung
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tive, Exekutive und Judikative. Die Gewaltenteilung dient als staatliches Organisations- und Funktionsprinzip, der Verhinderung von Machtmissbrauch, der Machthemmung und der gegenseitigen Kontrolle und ermöglicht neben einer pluralistischen Repräsentation der politischen Strömungen eine arbeitsteilige und effektive Erfüllung der Aufgaben.123 Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen vertrauen die Staatsgewalt den zu bestimmten Gewalten gehörenden Staatsorganen an. Deren Dasein, so Jellinek, folgt notwendig „. . . schon aus dem Wesen des Staates als eines einheitlichen organisierten Verbandes . . . Ein Staat ohne Organe ist eine unvollziehbare Vorstellung, gleichbedeutend mit der Anarchie, daher eine contradictio in adiecto.“124 Als Organe des Staates werden dabei grundsätzlich solche verstanden, welche einen dem Staat zurechenbaren Staats- oder Rechtsakt setzen.125 Wann ein solches Staatsorgan als Verfassungsorgan zu klassifizieren ist, beantwortet die Rechtslehre in Polen, wie im folgenden Abschnitt zu zeigen sein wird, abweichend von der in Deutschland. Nach der in Deutschland anerkannten Definition des Bundesverfassungsgerichtes werden als Verfassungsorgane diejenigen Organe126 angesehen, welche in der Verfassung konstituiert sind und deren Kompetenzen sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben. Über das formale Kriterium hinaus müssen ihre spezifischen Funktionen und ihre Wesensart integrierend auf den Staat wirken, indem sie mit ihrer Tätigkeit Anteil an der obersten Staatsleitung haben und durch ihre Existenz dem Staat seine spezifische Gestalt verleihen.127 123 Vgl. Maurer, Staatsrecht – Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen, 4. Auflage, München 2005, S. 379 ff. Rn. 2 ff., zu den Grundlagen der Gewaltentrennung vgl. Russell, Philosophie des Abendlandes, 4. Auflage Köln 2001 S. 646 ff., siehe auch Kägi, Von der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, Darmstadt 1969, S. 286–312, S. 292. 124 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1922, S. 544. [lat. = ein Widerspruch im Hinzugefügten = hölzernes Eisen . . .]. 125 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1925, S. 264. 126 Zu unterscheiden ist beim Gebrauch des Ausdrucks Organ zwischen den Organen (Amt, Institution) an sich und den jeweiligen Organwaltern (den Amtsinhabern). In der Darstellung geht es nur um die Organe. 127 Siehe Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, München 1980, S. 344; Maurer, Staatsrecht, 2005, S. 391 Rn. 23; vgl. auch die Ausführungen unter: D.V.1.a)aa). Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit das Staatsvolk zum Kreis der Verfassungsorgane zählt. Obgleich das Staatsvolk in Deutschland als Verfassungsorgan angesehen wird, (so ausdrücklich BVerfGE 8, 104 (115); unentschieden Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 22 ff.; m. w. N. Gester, Einfachgesetzliche Kompetenzen von Verfassungsorganen, Frankfurt am Main/ Berlin/Bern 1994, S. 7 f.) weil es gemäß Art. 20 Abs. 2 GG Staatsgewalt in Wahlen
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Die Gewaltentrennung wird hingegen in Polen gleichermaßen wie in Deutschland nicht absolut begriffen. Verbindung zwischen den Organen und Überschneidungen bei ihren Aufgaben und Kompetenzen treten regelmäßig auf und sind unter Beachtung gewisser Grenzen zulässig.128 Nach den allgemeinen Ausführungen zum Verständnis des Begriffs „Staats- und Verfassungsorgan“ in Polen sowie zur Gewaltenteilung erfolgt die Untersuchung zur Stellung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge. Zu klären ist dabei, ob es sich beim Kinderrechtsbeauftragten um ein Staats- oder um ein Verfassungsorgan handelt und welcher Gewalt er gegebenenfalls im Rahmen der Gewaltenteilung zuzuordnen ist. a) Die polnischen Verfassungsorgane im Rahmen der Gewaltenteilung Eine Definition, was unter Staatsorganen (organ pan´stwowy) zu verstehen ist, gibt Banaszak: Danach sind Staatsorgane, zweckgerichtet organisiert, Ausdruck einer gesonderten Gruppe von Personen und Mitteln, welche aufgrund einer rechtlichen Grundlage existieren und handeln. Sie nehmen im Namen des Staates bestimmte Aufgaben wahr und können für deren Realisierung hoheitliche Mittel und staatlichen Zwang anwenden.129 und Abstimmungen ausübt, bildet es selbst keine handlungsfähige Organisationseinheit auf die der Begriff des Organs im engeren Sinne passt. Vgl. BVerfGE 13, 54 (85; 95); auch Voßkuhle (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein, Grundgesetz Kommentar, Band 3, Art. 79–146, 5. Auflage München 2005, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 103, S. 1046. In Polen wird die Frage, ob das Volk Verfassungsorgan sei, nicht diskutiert, weil der Begriff des Organs eng ausgelegt und als Teil des Staatsapparates verstanden wird, dem bestimmte Aufgaben und Kompetenzen zustehen: vgl. Skrzydło, in: Skrzydło (Hrsg.), Polskie Prawo Konstytucyjne, Lublin 2000, S. 200. Aus diesem Grund soll – die enge Auslegung des Organbegriffs zugrunde gelegt – das Staatsvolk nicht in die Untersuchung einbezogen werden. 128 Vgl. für Polen PVerfGH – Entscheidung vom 22. November 1995, K.19/95, die auf die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 9, 268 (280) zum Kernbereich verweist. Siehe dazu auch PVerfGH – Entscheidung vom 21. November 1994, K.6/94 und PVerfGH – Entscheidung vom 14. April 1999, K.8/99, sowie Oniszczuk, Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej w orzecznictwie Trybunału Konstytucyjnego, Kraków 2000, S. 192. In der neuen Auflage von Oniszczuk, Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej w orzecznictwie Trybunału Konstytucyjnego na pocza˛tku XXI w., Kraków 2004, S. 293 f. wurde auf die Ausführungen in der Vorauflage verzichtet. 129 Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 443; Skrzydło wiederum gebraucht den Begriff des Staatsorgans für die Organe, welche 1. einen bestimmten ihnen anvertrauten Kompetenzbereich besitzen, 2. eine Organisationsstruktur aufweisen und 3. sich durch die Art des Handelns von anderen Organen unterscheiden. Vgl. Skrzydło, Ustrój polityczny RP w s´wietle Konstytucji z 1997 roku, 2. Auflage, Kraków 2000, S. 114 f.
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung
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Die polnische Lehre klassifiziert die Staatsorgane u. a. weiter in zentrale und territoriale, selbständige und unselbständige sowie grundlegende und nicht-grundlegende Staatsorgane.130 Merkmal für die als grundlegend bezeichneten Staatsorgane ist ihre Verankerung in der Verfassung.131 Die Literatur verwendet für diese Organe auch den Terminus Verfassungsorgan (organ konstytucyjne).132 Skrzydło geht wie die Mehrheit im Schrifttum davon aus, dass das Unterscheidungskriterium zwischen Staatsorganen und Verfassungsorganen (grundlegenden und nichtgrundlegenden Staatsorganen) lediglich ein formales ist und allein in der verfassungsrechtlichen Verankerung begründet liegt.133 Von allen in der Verfassung verankerten Staatsorganen nimmt er grundsätzlich an, dass sie eine gleichermaßen fundamentale Rolle für die Staatsordnung besitzen.134 Das würde bedeuten, dass alle in der Verfassung verankerten Staatsorgane auch Verfassungsorgane sind. Nach dieser Lesart könnte man – vorausgesetzt man bejaht seinen Charakter als Staatsorgan – auch den in der Verfassung genannten Sejmmarschall zu den Verfassungsorganen zählen.135 Einen ersten Ansatz für eine genauere Klassifizierung der in der Verfassung verankerten Organe lieferte der polnische Verfassungsgerichtshof, welcher feststellte, dass nicht jedes dieser Organe ein Verfassungsorgan sei. Vielmehr müsse, so der Gerichtshof, die Verfassung den Organen einen besonderen Charakter geben, damit sie als Verfassungsorgan angesehen werden können. Allein die Wahrnehmung einer Funktion in der öffentlichen Verwaltung gilt als noch nicht ausreichend.136 Der Sejmmarschall wird daher nunmehr lediglich als internes Organ des Sejm als sog. unterkonstitutionelles Organ (organ pozakonstytucyjny), eingestuft.137 Nähere Ausführungen über die Ausgestaltung des besonderen Charakters der Organe, die eine weitere Differenzierung der zahlreichen in der Verfassung genannten Organe ermöglichen würde, machte der Gerichtshof jedoch nicht.
130 Skrzydło, Konstytucyjne załoz ˙ enia systemu organów pan´stwa i ich wpływ na kształt aparatu pan´stwowego, in: Skrzydło (Hrsg.), Ustrój i struktura aparatu pan´stwowego i samorza˛du terytorialnego, Warszawa 1997, S. 7–34, S. 15; Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 445. 131 Ob bei der von Skrzydło gewählten Bezeichnung Jellineks unmittelbare Staatsorgane Pate gestanden haben, lässt sich nicht erschließen, ist aber durchaus möglich. 132 Vgl. Winczorek, Komentarz, 2000, S. 245. 133 Vgl. Skrzydło, Konstytucyjne załoz ˙ enia, 1997, S. 15 f. 134 Vgl. ebenda, S. 16. 135 So die Antragssteller im Verfahren Az.: K.21/98 (Urteil des PVerfGH vom 1. Dezember 1998), S. 2 f. 136 Siehe Urteil des PVerfGH vom 1. Dezember 1998, Az.: K.21/98, S. 6. 137 Siehe ebenda.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
In Polen zählt trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes noch eine Vielzahl von Organen zu den Verfassungsorganen. Unbestritten gehören der Sejm, der Senat, der Staatspräsident, der Ministerrat, die Gerichte, der Verfassungsgerichtshof, der Staatsgerichtshof, der Landesrat für Gerichtswesen, der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen, der Bürgerbeauftragte, die oberste Kontrollkammer und die polnische Nationalbank dazu.138 Auch der Nationalversammlung wird dieser Status von Teilen der Lehre zu Recht zuerkannt, handelt es sich doch bei der Nationalversammlung nicht lediglich um eine gemeinsame Form der Beratung der beiden Parlamentskammern, sondern um ein selbständiges Organ mit eigenen Kompetenzen.139 Daneben gelten für einige Vertreter der Lehre auch der Rat für Geldpolitik sowie der Ministerpräsident und die Minister als zentrale Verfassungsorgane.140 Die Zugehörigkeit des ersteren erscheint fraglich, wirkt der Rat für Geldpolitik doch als in der Verfassung verankertes – internes – Organ der Nationalbank. Die Erfüllung seiner Aufgaben sowie Kompetenzen erfolgt damit im Rahmen von verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Kompetenzen des Verfassungsorgans Nationalbank. Zudem bleibt offen, woraus sich eine unterschiedliche Behandlung des Sejmmarschalls als internes Organ und dem Genannten als Verfassungsorgan begründet. Aber auch die Minister und der Ministerpräsident werden nicht als selbständige Verfassungsorgane angesehen, da sie nur einen Teil des kollegialen Verfassungsorgans „Ministerrat“ darstellen. Daher zählt die Darstellung diese Organe nicht zu den Verfassungsorganen. Mit dem engen deutschen Verständnis von einem Verfassungsorgan, welches an der obersten Staatsleitung und Willensbildung beteiligt ist, stimmt die polnische Definition, trotz der Verfassungsgerichtshofentscheidung, nicht überein. Ein Äquivalent zum deutschen Terminus „Verfassungsorgan“ ist möglicherweise im Begriff des zentralen Verfassungsorgans des Staates (centralny konstytucyjny organ pan´stwa) zu finden, der in Art. 189 pV genannt wird. Art. 189 pV, der die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs für Kompetenzstreitigkeiten zwischen den zentralen Verfassungsorganen des Staates festlegt, erfährt eine Konkretisierung durch Art. 192 pV. Danach zählen der Staatspräsident, der Ministerrat, das Parlament, das Oberste Ge138
Siehe Winczorek, Komentarz, 2000, S. 245. Vgl. Banaszak, Einführung, 2003, S. 213; a. A. Skrzydło, Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, Komentarz, Kraków 1998, S. 117. 140 Siehe Winczorek, Komentarz, 2000, S. 245; auch Sarnecki, in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 1999, Art. 148 pV, S. 3; anders Banaszak: er kategorisiert den Ministerpräsidenten als selbständiges Organ der Administration: Banaszak, Prawo Konstytucyjne, Warszawa 1999, S. 526: ders., Einführung, 2003, S. 227. 139
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung
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richt, das oberste Verwaltungsgericht und die Oberste Kontrollkammer zu den zentralen Verfassungsorganen des Staates.141 Nicht genannt sind u. a. der Verfassungsgerichtshof, der Staatsgerichtshof, die Nationalversammlung, die Nationalbank, der Bürgerrechtsbeauftragte und der Kinderrechtsbeauftragte, so dass dies die Frage aufwirft, ob die Aufzählung der zentralen Verfassungsorgane enumerativ ist oder ob den übrigen „einfachen“ Verfassungsorganen lediglich kein Antragsrecht in einem Kompetenzstreitverfahren eingeräumt werden sollte. Möglich sind grundsätzlich beide Interpretationen, wobei gegen den Gesichtspunkt der abschließenden Nennung das Fehlen des Verfassungsgerichtshofes einzuwenden ist, der bereits aus systematischen Erwägungen heraus – die obersten Gerichte gelten gemäß Art. 192 pV als zentrale Verfassungsorgane – und aufgrund seiner Kompetenz, über die Streitigkeiten anderer zentraler Verfassungsorgane entscheiden zu können, als ein solches einzustufen wäre.142 Folglich kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle zentralen Verfassungsorgane in Art. 192 pV genannt sind. Welches Organ zählt nun aber dazu? Die Definition von Boc´ zum zentralen Verfassungsorgan hilft hier teilweise weiter. Nach Boc´ handelt es sich um ein zentrales Verfassungsorgan, wenn es nach Maßstab des Landes einmalig ist, es Kompetenzen hinsichtlich des gesamten Landes besitzt oder solche, die eng mit dem Staat verbunden sind, einen durch die Verfassung bestimmten Namen hat sowie, weil hervorgehoben durch die Verfassung, zu einer einzigartigen Kategorie von Organen gehört.143 Worin die Einzigartigkeit bestehen könnte, lassen Boc´ und das übrige Schrifttum offen, so dass nach dieser Lesart alle der oben genannten „einfachen“ Verfassungsorgane auch „zentrale“ wären.144 Der Begriff des zentralen Verfassungsorgans führt folglich nicht zum erhofften Ziel, eine differenzierte Analyse der zahlreichen in der Verfassung verankerten Organe vornehmen zu können, was nicht ohne Konsequenzen für die Beurteilung des Kinderbeauftragten bleibt. Bemerkbar macht sich hier das Fehlen eines wie in Deutschland in der Lehre mittlerweile anerkannten Unterscheidungsmerkmals aller in der Verfassung verankerten Organe. Es bleibt abzuwarten, wann die polnische Lehre und Rechtsprechung 141 Da in diesen beiden Artikeln die Frage der Kompetenzstreitigkeit vor dem Verfassungsgerichtshof geregelt wird, erwähnt Art. 192 pV jeweils die Vertreter des Organs, z. B. Sejmmarschall, Präsident des Gerichts etc. 142 Siehe zum Unterschied zwischen Gerichten und Gerichtshof auch die PVerfGE vom 21. Februar 2001, Az.: P.12/2000, in der der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich darauf hinweist, dass zur Kategorie der Gerichte nicht die Gerichtshöfe zählen. 143 Boc ´ , Konstytucje Rzeczypospolitej oraz Komentarz do Konstytucji RP z 1997 r., Wrocław 1998, S. 291. 144 So auch Winczorek, Komentarz, 2000, S. 245.
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weitere Schritte hinsichtlich einer Differenzierung zwischen qualifizierten und einfachen Verfassungsorganen unternehmen. Die Beantwortung der Frage, zu welcher Gewalt die Verfassungsorgane gehören, stößt auf weitere systematische Schwierigkeiten. Die polnische Verfassung legt, wie das Grundgesetz, eine Dreiteilung der Staatsgewalt fest.145 So bestimmt sie in Art. 10 Abs. 2 pV, das die gesetzgebende Gewalt von Sejm und Senat, die vollziehende vom Staatspräsidenten und dem Ministerrat sowie die rechtsprechende von den Gerichten und Gerichtshöfen wahrgenommen wird. Die Aufzählung der Organe gilt dabei nach einhelliger Meinung als nicht abschließend.146 Die kodifizierte klassische Dreiteilung in Legislative, Exekutive und Judikative erschwert in Polen die Zuordnung von zahlreichen Organen, wie dem Bürgerrechtsbeauftragten und der Obersten Kontrollkammer, die zwar im Kapitel IX unter der Überschrift Organe der staatlichen Kontrolle und des Rechtschutzes genannt werden, sich aber unter keine der drei Gewalten ohne Schwierigkeiten subsumieren lassen.147 Da, anders als in Deutschland, in Polen kein Grundsatz existiert, der alle außerhalb der Dreiteilung stehenden Staatsorgane einer bestimmten Gewalt zuordnet, stellt sich die Frage nach einer sauberen systematischen Lösung. Von Relevanz ist dabei, ob eine sog. vierte Gewalt der Kontrolle und des Rechtschutzes der verfassungsrechtlichen Dreiteilung widersprechen würde. Gegen eine vierte Gewalt sprachen sich einige Mitglieder der Verfassungskommission mit der Begründung aus, dass, ähnlich der deutschen Praxis, bei einer Typisierung der in Kapitel IX aufgeführten Verfassungsorgane jedes einer der drei klassischen Gewalten zugeordnet werden könnte und es damit kein Erfordernis für eine Erweiterung gäbe.148 So könnte die Oberste Kontrollkammer mit ihrer Kontrollfunktion der Legislative, der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen mit seinen vollziehenden Kompetenzen der Exekutive und der Bürgerrechtbeauftragte aufgrund seiner Kompetenz, Verfahren durchzuführen sowie Entscheidungen zu fällen, der Judikative oder aber aufgrund seiner mit dem Parlament eng verbundenen Kontrolltätigkeit der Legislative zugeordnet werden.149 145 Vgl. dazu auch PVerfGE vom 21. Februar 2001, Az.: P.12/00; PVerfGE vom 14. April 1999, Az.: K.8/99. 146 Vgl. u. a. Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 72. 147 Bemerkenswert ist, dass diese Organe im Kapitel IX der Verfassung unter der Überschrift: Organe der staatlichen Kontrolle und des Rechtschutzes zusammengefasst werden, während die übrigen Organe der drei Gewalten in den Kapitelüberschriften mit ihrem Namen genannt werden. Vgl. Sokolewicz, Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, zu Kapitel IX der Verfassung, S. 1. 148 Vgl. die Diskussion um die Oberste Kontrollkammer in der Verfassungskommission am 26.09.1995, 1919/II.
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Die funktionale Übereinstimmung dieser Organe untereinander – sich schwerpunktmäßig der Kontrolle anderer Organe oder der Wahrung des Rechts zu widmen – ist jedoch höher als zu den jeweils den drei klassischen Gewalten angehörenden Organen. Die Annahme einer vierten Gewalt erscheint in diesem Kontext daher konsequenter.150 Zu den systematischen Bedenken merkt Garlicki an, dass es keinen Sinn mache, die Staatsorgane überhaupt um jeden Preis nach dem Dreiteilungsschema zu klassifizieren, da sich die Verfassungspraxis seit Montesquieu weiterentwickelt habe.151 Entscheidend sei die Teilung der staatlichen Gewalt an sich; in wie viele Gewalten genau, sei bereits historisch bedingt Änderungen unterworfen.152 Daraus lässt sich schließen, dass die in Art. 10 pV festgeschriebene Dreiteilungsregelung von Teilen im Schrifttum lediglich als eine Art Mindeststandard für das staatsorganisatorische Gefüge begriffen wird, deren Modifizierung möglich ist. Ein systematisch anderer Weg wäre die Übertragung des in der deutschen Lehre nicht zur herrschenden Meinung zählenden Lösungsansatzes von Stern, der unter Maßgabe der Dreiteilung bestimmte Organe, wie den Bundesrechnungshof, als zwischen den Gewalten stehende Einrichtungen „sui generis“ ansieht. Damit würde man ebenfalls der verfassungstheoretischen Eigenart und der verfassungsdogmatischen Eigenständigkeit dieser Organe gerecht, die, so Stern, nur „Puristen“ einer bestimmten Gewalt zwangsweise zuordnen.153 Zu dieser Sichtweise scheint der polnische Verfassungsgerichtshof zu neigen, wenn er ausführt, die Oberste Kontrollkammer sei ein selbständiges Verfassungsorgan, welches eine Stellung zwischen Sejm und Ministerrat einnimmt.154 Gleich welcher Ansicht man folgt, erscheint eine Modifikation des starren Dreiteilungsschemas in der Verfassung aufgrund der zahlreichen nicht zuordenbaren Verfassungsorgane als sinnvoll. Da es in der polnischen Literatur keine einheitliche Kategorisierung der Verfassungsorgane gibt, wählt die vorliegende Analyse eigene Maßstäbe. Sie gruppiert die Verfassungsorgane unter funktionalen Gesichtspunkten in vier Kategorien ein: in legislative, exekutive und judikative Organe sowie in solche der Kontrolle und des Rechtsschutzes. 149 Dazu Sokolewicz, Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, zu Kapitel IX der Verfassung, S. 6. 150 So im Ergebnis Sokolewicz, Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, zu Kapitel IX der Verfassung, S. 7. 151 Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 72. 152 Vgl. Sokolewicz, Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, zu Kapitel IX der Verfassung, S. 2. 153 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 446 und S. 448. 154 PVerfGE vom 1. Dezember 1998; Az.: K.21/98.
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Zur Legislative zählen der Sejm und der Senat. Die Nationalversammlung ist, neben ihrer verfassungssystematischen Stellung im Abschnitt der Legislative, auch aufgrund ihrer Zusammensetzung aus den beiden Parlamentskammern und der sich daraus ableitenden Rechtsstellung ihrer Mitglieder sowie des Vorsitzes durch den Sejmmarschall ein Organ der Legislative.155 In ihrem Ermessen liegt es beispielsweise, über die Amtstauglichkeit des Staatspräsidenten zu befinden. Der Exekutive gehören der Staatspräsident und der Ministerrat an. Die Gerichte – worunter das Oberste Gericht, die ordentlichen Gerichte, die Verwaltungs- und Militärgerichte fallen – sowie die beiden Gerichtshöfe – Verfassungsgerichtshof und Staatsgerichtshof – sind die Verfassungsorgane der Judikative. Für die Zuordnung des Landesrats für Gerichtswesen als außerjudikatives Organ zur Judikative spricht, nach Banaszak, dessen bewusste Statuierung im Verfassungsabschnitt dieser Gewalt.156 Legt man dagegen seine Aufgabe zugrunde, über die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu wachen, gehört der Landesrat für Gerichtswesen trotz seiner sachlichen Nähe nicht zu den Organen der Rechtsprechung sondern zu den Organen der Kontrolle und des Rechtsschutzes. Zu letzteren zählen auch die Oberste Kontrollkammer, der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen und die Nationalbank mit dem Rat für Geldpolitik als Organe der Kontrolle sowie der Bürgerrechtsbeauftragte als Organ des Rechtsschutzes. b) Der Kinderbeauftragte – ein Verfassungsorgan der Kontrolle und des Rechtsschutzes? Ob der Kinderrechtsbeauftragte gleichfalls Verfassungsorganqualität besitzt, ist trotz seiner Statuierung in der Verfassung umstritten. Nach einer ersten allgemeinen Klassifizierung des Organs sollen weitere Aspekte, wie der Wille der Verfassungsgeber sowie die systematische Stellung und Ausgestaltung des Organs in der Verfassung, für eine Bewertung herangezogen werden. Abschließend bleibt festzustellen, zu welcher staatlichen Gewalt der Kinderrechtsbeauftragte gegebenenfalls zu rechnen ist. Anhaltspunkte für eine Klassifizierung von Organen liefern die von Banaszak genannten Kriterien hinsichtlich der Anzahl der Amtsträger, der Form der Ernennung und der Amtszeit, der örtlichen Zuständigkeit sowie des Verhältnisses der Organe untereinander.157 Beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten handelt es sich um ein zentralstaatliches Einpersonenorgan. Damit unterscheidet er sich zum einen von anderen kinderombuds155 156 157
Banaszak, Einführung, 2003, S. 213. Vgl. ebenda, S. 287. Siehe Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 444 ff.
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung
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mannähnlichen Institutionen, bei denen z. B. ein „Kinderrat“ wie in Dänemark diese Aufgabe wahrnimmt, und zum anderen von regional tätigen Kinderbeauftragten wie den Kinderanwälten in Österreich. Der Kinderombudsmann wird durch Sejm und Senat für eine bestimmte Amtszeit gewählt, was ihn von den für einen unbestimmten Zeitraum ernannten Wojewoden unterscheidet.158 Aufgrund seiner Konstituierung in Art. 72 Abs. 4 pV stellt sich die Frage, ob es sich beim Kinderrechtsbeauftragten um ein eigenständiges Verfassungsorgan oder um ein internes Hilfsorgan eines Verfassungsorgans handelt. Gegen die Klassifizierung als Hilfsorgan spricht, dass der Kinderrechtsbeauftragte weder zur Struktur eines anderen Organs gehört und damit bestimmten Weisungen unterworfen ist159, noch seine Entscheidungen von anderen Verfassungsorganen – mit Ausnahme des Verfassungsgerichts – geändert und aufgehoben werden können. Vielmehr besitzt er einen eigenen Amtsapparat, der ihn bei der unabhängigen Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des vorangegangenen Abschnittes, wonach es sich um ein (zentrales) Verfassungsorgan handelt, wenn es nach Maßstab des Landes einmalig ist, es Kompetenzen hinsichtlich des gesamten Landes besitzt und in der Verfassung namentlich genannt wird, wäre der Kinderrechtsbeauftragte als Verfassungsorgan zu klassifizieren.160 Aus diesem Grund ist auch die Regelung in Art. 1 Abs. 1 KinderG ungenau, welche besagt, dass der Kinderombudsmann durch das Kinderombudsmanngesetz eingeführt wird.161 Die Institution beruht auf der Festlegung in der Verfassung und kann folglich als Verfassungsorgan nur mit einer Änderung der Konstitution wieder abgeschafft werden. Trotz dieser konsequent aus Schrifttum und Rechtsprechung gewonnenen Schlussfolgerung, war und ist die Rechtsstellung und damit auch die Verfassungorganqualität des Kinderrechtsbeauftragten in Polen nicht unumstritten. So findet sich der Kinderrechtsbeauftragte nicht in Kapitel IX der Verfassung bei den Organen der Kontrolle und des Rechtschutzes, sondern in Kapitel II bei den Freiheiten, Rechten und Pflichten des Menschen und des Staatsbürgers wieder. Dort wird er im Abschnitt über die ökonomischen, sozialen, kulturellen Freiheiten und Rechte aufgeführt. Dieses Vorgehen 158 Vgl. Art. 10 Gesetz über die Regierungsverwaltung in den Wojewodschaften vom 5. Juni 1998, in: Dz. U. 2001 Nr. 80, Pos. 872. Danach wird der Wojewode vom Ministerpräsidenten auf Antrag des zuständigen Ministers für die Regierungsverwaltung ernannt und entlassen. 159 Das unterscheidet ihn auch vom Wehrbeauftragten in Deutschland, der als Hilfsorgan des Bundestages ausgewiesen ist und auch auf dessen Weisung hin tätig wird; dazu mehr in Kapitel D. 160 So auch Winczorek, der den Kinderrechtsbeauftragten auch ausdrücklich als Verfassungsorgan nennt: Komentarz, 2000, S. 245. 161 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Błaz ˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 39; Gesetzestext siehe Anhang F.II.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
könnte von der Absicht des Verfassungsgesetzgebers motiviert worden sein, dem Kinderrechtsbeauftragten nur ungern eine gleichwertige Stellung zum Bürgerrechtsbeauftragten einzuräumen, um seine subsidiären Kompetenzen zu betonen. Außerdem liegt die Entscheidung möglicherweise auch darin begründet, dass er sich der Verleihung der Eigenschaft als Verfassungsorgan enthalten wollte, weil er die Institution immer noch als ein wenig experimentell ansah.162 Welcher Wille des Verfassungsgebers sowie des einfachen Gesetzgebers der Schaffung der Institution tatsächlich zu Grunde lag, kann nur unter Verwendung der entsprechenden Beratungsprotokolle als Quelle beantwortet werden. Bereits bei den Verhandlungen zur Verfassung in der Nationalversammlung warf Winczorek mit Blick auf die verfassungsrechtliche Ausgestaltung von Bürgerrechtsbeauftragten und Kinderrechtsbeauftragten die Frage auf, ob letzterer nicht eher eine Institution zweiter Kategorie und dem Bürgerrechtsbeauftragten untergeordnet sei.163 In eine ähnliche Richtung ging der Beitrag Rzeplin´skis, der die Zweifel Winczoreks hinsichtlich eines gleichberechtigten Verfassungsorgans teilte, aber darüber hinaus die Schaffung eines speziellen Kinderbeauftragten generell für verfehlt betrachtete. Osiatyn´ski und Działocha nahmen im Gegensatz dazu die gleichberechtigte Institutionalisierung beider Beauftragter an.164 Insgesamt lässt sich eine klare Mehrheitsmeinung der Verfassungskommission hinsichtlich der Rechtsstellung des Kinderrechtsbeauftragten aber aus den Verhandlungsprotokollen selbst nicht ableiten. Die Kürze der letztlich in die Verfassung aufgenommenen Regelung liegt unzweifelhaft im bereits beschriebenen späten Zeitpunkt der Aufnahme des Kinderombudsmanns in die Verfassung begründet, als bereits über alle übrigen Verfassungsvorschriften Einigkeit erzielt werden konnte. Hilfreich sind daher die Quellen zum Gesetzgebungsprozess ab 1999. Während der Verhandlungen zum Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten im Sejm äußerte sich die Abgeordnete Liszcz dahingehend, dass es sich beim Kinderrechtsbeauftragten nicht um ein Staatsorgan handelt und dieser außerdem einen niedrigeren Status als der Bürgerrechtsbeauftragte hat. Sie begründete ihre Auffassung mit fehlenden verfassungsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Ernennung und der Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten. Unter Verweis auf den Passus in Art. 72 Abs. 4: „Das Gesetz bestimmt die Zuständigkeit und die Berufungsweise des Beauftragten für die Rechte des Kindes.“, nahm sie an, die Verfassung statuiere den Kinderrechtsbeauftragten nicht selbst, „sondern 162
Sokolewicz, Konstytucja Rzeczypospolitej 2002, zu Kapitel IX der Verfassung, S. 4 f. 163 Biuletyn Komisji Konstytucyjnej Zgromadzenia Narodowego 1437/II vom 4. April 1995. 164 Ähnlich auch Działocha, Biuletyn Komisji Konstytucyjnej Zgromadzenia Narodowego 1437/II vom 4. April 1995.
V. Rechtsstellung, Rechtsstatus, Ernennung und Abberufung
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spricht nur von ihm, als wenn klar sein sollte, dass es ihn gibt, aber erst das Gesetz beantworten sollte, wie er zu ernennen ist und welche Kompetenzen er besitzen sollte.“ Die Mehrheit im befassten Sejm-Ausschuss sah jedoch im Kinderrechtsbeauftragten, wie Liszcz selbst einräumt, ein selbständiges Verfassungsorgan. Rzeplin´ski, der sich noch bei den Verhandlungen in der Nationalversammlung ausgesprochen kritisch zum Kinderbeauftragten geäußert hatte, wies auf die Ämterinkompatibilitätsvorschrift des Art. 103 Abs. 1 pV hin und unterstützte damit argumentativ die Ansicht, vom Vorliegen einer selbständigen und unabhängigen Institution.165 Diese Vorschrift, so Derzcz, ist Ausdruck des Gesetzgebers dafür, beide Ombudsmanninstitutionen als gleichwertig anzusehen.166 Ergebnis der historischen Auslegung ist, dass der Gesetzgeber letztlich von der Schaffung eines selbständigen Verfassungsorgans ausging. Es ist allerdings den Kritikern zuzustimmen, die bemerken, der Gesetzgeber habe mit seiner Marginalisierung der Kinderombudsmanninstitution in Absatz 4 des Art. 72 pV eher für Verwirrung hinsichtlich der statusrechtlichen Einordnung der Institution gesorgt, denn für Klarheit. Deutlich wird dies, wenn zum Vergleich die ausführlichen, fünf Kapitel umfassenden Regelungen des Bürgerrechtsbeauftragten herangezogen werden, dessen rechtlich gleichwertiges Äquivalent der Kinderrechtsbeauftragte sein soll.167 Abschließend ist auf die Frage einzugehen, welcher staatlichen Gewalt der Kinderrechtsbeaufragte zuzuordnen ist. Ähnlich wie beim Bürgerrechtsbeauftragten lassen die Aufgaben und Kompetenzen des Kinderbeauftragten keine klare Subsumtion des Verfassungsorgans unter eine der drei klassischen Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative zu. Die Klassifizierung wird zusätzlich erschwert, da sich der Kinderbeauftragte, anders als der Bürgerbeauftragte, nicht im Kapitel über die Organe der Kontrolle und des Rechtsschutzes findet, sondern im Kapitel über die Freiheiten, Rechte und Pflichten des Menschen und des Staatsbürgers. Legt man seine Aufgaben und Kompetenzen – über die Einhaltung der Kinderrechte zu wachen sowie die staatlichen Organe bezüglich deren Einhaltung zu kontrollieren – zugrunde und betrachtet man außerdem die Ähnlichkeit mit der Institution des Bürgerrechtsbeauftragten – es handelt sich bei beiden Institutionen schließlich um Ombudsmänner168 –, kommt nur eine Zugehörigkeit zu den Organen der Kontrolle und des Rechtsschutzes in Betracht. 165
Siehe insgesamt Liszcz, Teresa und Rzeplin´ski, Andrzej in der gemeinsamen Ausschusssitzung vom 8. Juli 1999, Sejm-Bulletin 1776/III. 166 Dercz, Pozycja Prawna Rzecznika praw dziecka, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 61–64, S. 61; so wohl auch S´wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 50. 167 Vgl. Art. 208–212 pV.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
2. Rechtsstatus des polnischen Kinderrechtsbeauftragten Untermauert wird die unabhängige Rechtsstellung des Kinderrechtsbeauftragten durch die Bestimmungen zum Rechtsstatus, welche denen des Bürgerrechtsbeauftragten gleichen. So genießt auch der Kinderrechtsbeauftragte gerichtliche Immunität, wobei sich die entsprechende Regelung, anders als beim Ombudsmann, nicht in der Verfassung, sondern in Art. 7 Abs. 2 KinderG findet.169 Ohne Zustimmung des Sejm darf der Kinderrechtsbeauftragte demzufolge nicht zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen oder festgenommen werden, es sei denn, er wird auf frischer Tat gestellt und die Festnahme ist für den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf unentbehrlich. Erfolgt eine Festnahme, muss diese dem Sejmmarschall unverzüglich mitgeteilt werden, der dann eine Freilassung anordnen kann. Abweichend vom Bürgerrechtsbeauftragten gestalteten sich die Neutralitätsanforderungen an den Kinderrechtsbeauftragten. Nach Art. 7 Abs. 3 KinderG ist es ihm untersagt, eine berufliche Tätigkeit auszuüben bzw. ein öffentliches Amt wahrzunehmen, das mit den Verpflichtungen und der Würde des Amtes unvereinbar ist. Anders als dem Bürgerrechtsbeauftragten war ihm die Wahrnehmung einer Hochschulprofessur nicht gestattet.170 Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei oder Gewerkschaft war dem Kinderrechtsbeauftragten vor der Novellierung, anders als dem Ombudsmann, mangels untersagender Regelungen erlaubt.171 Für eine berufliche Perspektive nach Beendigung seiner Verpflichtungen sorgt Art. 7 Abs. 4 KinderG und der neu eingefügte Abs. 5, der dem Kinderombudsmann garantiert, in seine vorherige oder in eine gleichwertige Stellung zurückkehren zu können. Neben den gesetzlich festgelegten Neutralitätsanforderungen bestimmt Art. 103 Abs. 1 pV zudem die Unvereinbarkeit des Amtes mit dem Abgeordnetenmandat und gemäß Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 108 pV mit dem Senatorenamt. Kontrovers diskutierte man im Gesetzgebungsverfahren die Frage, ob der Kinderombudsmann zur Gruppe von Personen mit leitender Stellung im Land zu rechnen ist und somit die gesetzlichen Regelungen über die Vergütung dieser Personen auf ihn Anwendung finden.172 Umfasst waren davon u. a. eine staatliche Krankenversicherung für die gesamte Familie und 168
Vgl. die allgemeinen Ausführungen zur Ombudsmanninstitution in den Abschnitten B.II. sowie C.III. 169 Vgl. dazu auch die Diskussion im Gesetzgebungsprozess im vorigen Abschnitt C.IV. 170 Vgl. Art. 209 Abs. 2 pV. 171 Siehe jetzt Art. 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2 KinderG. Die Novellierung sorgte für eine Angleichung der Regelungen an die des Bürgerrechtsbeauftragten. 172 GeVPS = Gesetz über die Vergütung von Personen mit leitender Stellung im Staat vom 31. Juli 1981, Dz. U. Nr. 20, Pos. 101.
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eine Dienstwohnung.173 Diese zusätzlichen Leistungen gelten seit dem 1. Januar 2005 nur noch eingeschränkt für den Kinderrechtsbeauftragten.174 Als Ergebnis der gemeinsamen Ausschusssitzung am 8. Juli 1999 billigte der Gesetzgeber dem Kinderrechtsbeauftragten, nachdem seine Verfassungsorganqualität bereits Konsens war, auch den Status als Person mit leitender Stellung im Land zu.175 Daraus ergibt sich nach dem Gesetz über die Beschränkung wirtschaftlicher Tätigkeit von Personen mit öffentlichen Funktionen vom 21. August 1997 allerdings die Verpflichtung des Kinderrechtsbeauftragten, die Vermögensverhältnisse des Ehegatten offen zu legen.176 Mit diesem Gesetz sollen mögliche Interessenkonflikte oder Parteilichkeit bei der Wahrnehmung des Amtes aufgezeigt werden. 3. Wahl und Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten Der Kinderrechtsbeauftragte wird für eine Amtszeit von 5 Jahren vom Sejm ernannt, welche einmal verlängerbar ist.177 Die Verfahren zur Ernennung von Kinderrechtsbeauftragtem und Ombudsmann sind ähnlich geregelt. Unterschiedlich ist der vorschlagsberechtigte Personenkreis. So dürfen neben Sejmmarschall oder mindestens 35 Abgeordneten alternativ auch der Senatsmarschall oder 15 Senatoren den Antrag auf Ernennung stellen.178 Der ungewöhnlich große Personenkreis von Vorschlagsberechtigten erklärt sich nur mit Verweis auf den Gesetzgebungsprozess, bei dem die Frage, welche Parlamentskammer die Ernennung der Institution vornehmen darf, kontrovers debattiert wurde.179 Diese nunmehr ins Kinderombudsmanngesetz aufgenommene, scheinbar salomonische Lösung, die es sowohl dem Sejm als auch dem Senat ermöglicht, Kandidaten für das Amt aufzustellen, birgt die Gefahr, dass beide Kammern auf jeweils ihren Kandidaten beharren und die Wahl des jeweils anderen Anwärters, welche durch beide Kammern erfolgen muss, blockieren. Von Nachteil ist dies insbesondere für die Reputation der Institution. 173 Vgl. die ehemaligen Artt. 5a, 5b, 3b GeVPS. Diese zusätzlichen geldwerten Vergünstigungen sind, wie der ehemalige Kinderrechtsbeauftragte Piechowiak mir versicherte, durchaus mit Blick auf die Gesamtbesoldung nicht zu unterschätzen; siehe zum letzen Aspekt die Ausführungen unten. 174 Vgl. Art. 5a GeVPS (Dz. U. 2004 Nr. 210, Pos. 2135) hinsichtlich der Gesundheitsversorgung. 175 Vgl. dazu u. a. Liszcz im Sejm-Biuletyn Nr. 1776/III vom 8. Juli 1999. 176 Vgl. Art. 1, Art. 8 Abs. 1 und 2 Gesetz über die Beschränkung wirtschaftlicher Tätigkeit von Personen mit öffentlichen Funktionen vom 21. August 1997 in: Dz. U. 1997, Nr. 106, Pos. 679 mit Änderungen. 177 Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 KinderG. 178 Vgl. Art. 4 Abs. 1 KinderG. 179 Vgl. dazu die Ausführungen oben.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Der durch den zuständigen Personenkreis eingereichte Antrag muss neben einer Begründung, Angaben zur Person des Kandidaten sowie dessen Einverständnis umfassen.180 Das Gesetz schrieb bislang keine qualifizierten Voraussetzungen vor, die der Kandidat für das Amt des Kinderrechtsbeauftragten erfüllen musste. Eine dem Art. 2 BürgerG vergleichbare Vorschrift, welche rechtliche Kenntnisse und hohes Ansehen der Person fordert, gab es nicht. Dies hat sich mit dem novellierten Art. 1 Abs. 4 KinderG geändert. Danach muss der Kinderrechtsbeauftragte nun u. a. eine Hochschule abgeschlossen haben und einen Magistertitel oder einen gleichwertigen Titel führen sowie mindestens 5 Jahre Erfahrungen mit der Arbeit mit Kindern oder mit ihren Angelegenheiten vorweisen können.181 Für die Kandidaten besteht zudem nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 5 Lustrationsgesetz (LustRG)182 als Person mit leitender Stellung im Staat die Pflicht, in einer Erklärung anzugeben, ob sie mit den Sicherheitsorganen der Volksrepublik Polen in der Zeit von 1944–1990 zusammengearbeitet haben oder hauptamtlich bei diesen angestellt waren.183 Wird in der Erklärung die Zusammenarbeit zugegeben, lässt dies eine Kandidatur zu. Es erfolgt allerdings gemäß Art. 11 Abs. 2 LustRG eine öffentliche Bekanntmachung. Stellt das in Art. 1 LustRG geregelte sog. „Lustrationsgericht“ wahrheitswidrige Angaben in der Erklärung fest, gilt der Kandidat nach Art. 30 Abs. 1 LustRG für einen Zeitraum von 10 Jahren für die Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion als ungeeignet. Der Sejmmarschall sammelt die entsprechenden Ernennungsanträge, welche bis zum 30. Tag vor Ablauf der Amtsperiode des amtierenden Kinderombudsmannes einzureichen sind. Über die Kandidaten werden die Abgeordneten schriftlich informiert; die anschließende Ernennung darf frühestens nach dem 7. Tag der Zusendung dieses Schreibens erfolgen. Der Sejmmarschall leitet die Vorschläge außerdem zur schriftlichen Stellungnahme an den zuständigen Sejmausschuss weiter. Nach Erhalt der Stellungnahme sendet der Sejmmarschall diese an die Abgeordneten weiter. Mit den Beratungen darf indes frühestens einen Tag später begonnen werden.184
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Vgl. Art. 30 Abs. 2 SejmGO; Sejmgeschäftsordnung vom 29. Mai 2002, in: M. P. 2002, Nr. 23, Pos. 398. 181 Vgl. Art. 1 Abs. 4 KinderG. 182 Gesetz über die Offenlegung der Arbeit oder des Dienstes in den Organen des Sicherheitsdienstes des Landes bzw. über die Zusammenarbeit mit ihnen in den Jahren 1944–1990 für Personen mit öffentlichen Funktionen vom 11. April 1997, Dz. U. 1999, Nr. 42, Pos. 428 mit Änderungen. 183 Vgl. dazu Bingen, Die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Polen, in: Berichte des BIOst Heft 27, 1997, S. 2–40, S. 16; Wilkiewicz, Eine polnische „Gauck-Behörde“, in: Osteuropa 1997, Jhg. 47, Heft 4, S. A153–A160. 184 Vgl. Art. 30 Abs. 3–8 SejmGO.
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Der Sejm wählt185 schließlich den Beauftragten mit einer absoluten Mehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten.186 Erhält keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit, wird in jedem Wahlgang derjenige von der Wahlliste gestrichen, der die wenigsten Stimmen auf sich vereinigen konnte.187 Der Sejmmarschall leitet das Ergebnis an den Senatsmarschall weiter. Der Senat muss innerhalb eines Monats sein Votum abgeben. Geschieht dies nicht, gilt der Kandidat als gewählt.188 Dafür ist eine einfache Mehrheit in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Senatoren notwendig.189 Macht der Senat Einwände geltend, wie bei der Wahl Mirosław Katnas zum Beauftragten am 8.12.2000, muss der Sejm einen neuen Kandidaten finden und das Wahlverfahren wiederholen.190 Die das Verfahren abschließende Vereidigung findet vor dem Sejm statt.191 Die Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten regelt Art. 8 KinderG. Möglich ist sie vor Ablauf der Amtszeit dann, wenn der Beauftragte auf sein Amt verzichtet, infolge von Krankheit seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder seinen Eid verletzt. Beantragen können die Abwahl der Sejmmarschall, mindestens 35 Abgeordnete, der Senatsmarschall oder 15 Senatoren. Hat der Kinderrechtsbeauftragte seinen Eid verletzt, muss der Senat dem Abberufungsbeschluss des Parlaments, anders als beim Ombuds185 Zum Unterschied zwischen Ernennung und Wahl siehe Sokolewicz, in: Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, Art. 209 S. 6. 186 Art. 31 Abs. 1 i. V. m. Art. 29 Abs. 1 SejmGO und Art. 190 SejmGO. Die qualifizierte Abstimmungsmehrheiten und Anwesenheitsmehrheit ist eine absolute Mehrheit der Stimmen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl. Für den Sejm bedeutet dies bei 460 Abgeordneten mindestens 230 anwesende Abgeordnete und mindestens 116 Stimmen; vgl. Pietrzak, Sejm RP Tradycja i Współczesnos´c´, Warszawa 2000, S. 158. 187 Art. 31 Abs. 2 SejmGO. 188 Art. 4 Abs. 4 KinderG, Art. 91 Abs. 1 Nr. 2 Senatsgeschäftsordnung (SenatGO), Beschluss des Senates vom 23. November 1990, in: M. P. 2000, Nr. 8, Pos. 170. 189 Art. 3 Abs. 1 SenatsGO. 190 Art. 4 Abs. 4 und Abs. 5 KinderG; die Wahl Mirosław Katnas zum zweiten Kinderrechtsbeauftragten scheitert wie bereits beschrieben (s. o. C.IV.3.b), Fn.: 118) am 14. Dezember 2000 im Senat. 191 Art. 5 KinderG; mit der Vereidigung Marek Piechowiaks am 30. Juni 2000 trat der erste Kinderrechtsbeauftragte sein Amt an. Den ersten Kinderrechtsbeauftragten bestimmte der Sejm mit Beschluss vom 8. Juni 2000 (M. P. 2000, Nr. 19, Pos. 403). Der Senat stimmte der Ernennung Marek Piechowiaks mit Beschluss vom 28. Juni 2000 zu (M. P. 2000, Nr. 20, Pos. 411). Durch seinen Amtsverzicht im Herbst 2000, wurde die Stelle vakant und der Sejm wählte am 6. Februar 2001 Paweł Jaros zum neuen Beauftragen für Kinderrechte (Sejmbeschluss vom 1. Februar 2001, in: M. P. 2001, Nr. 7, Pos. 109; Senatsbeschluss vom 14. Februar 2001, in: M. P. 2001, Nr. 7, Pos. 111).
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mann, innerhalb eines Monats zustimmen, Art. 8 Abs. 4 KinderG.192 Das Abberufungsverfahren fand bereits Anwendung. Der erste Ombudsmann, Marek Piechowiak, erklärte im September 2000 seinen Amtsverzicht, den das Parlament mit Beschluss vom 26. Oktober 2000 akzeptierte.193 4. Bewertung und Schlussfolgerung Die Einführung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten erfolgte aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorschrift in Art. 72 Abs. 4 pV, welche durch das KinderG ihre Konkretisierung erfuhr. Der Kinderombudsmann entspricht folglich mit seiner gesetzlichen Statuierung den eingangs erläuterten Anforderungen des ENOC. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der staatsorganisationsrechtlichen Stellung der Institution. Dies liegt vor allem an der fehlenden Konkretisierung des Begriffs „Verfassungsorgan“ in der polnischen Lehre, was eine Bestimmung der Verfassungsorganqualität des Kinderrechtsbeauftragten erschwert. Die Untersuchung ergab, dass unter Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten beim Gesetzgebungsprozess sowie der formellen Gleichwertigkeit von Kinderrechtsbeauftragten und Bürgerrechtsbeauftragten nur eine Klassifizierung als Verfassungsorgan in betracht kommt. Damit stellt der polnische Kinderrechtsbeauftragte eine Besonderheit unter den weltweiten Kinderombudsmännern dar. Verdeutlicht wird seine Stellung als unabhängiges gleichrangiges Verfassungsorgan darüber hinaus durch seinen gesetzlich festgelegten Rechtsstatus, der ihm gerichtliche Immunität und Schutz vor Strafverfolgung zusichert aber auch besondere Neutralitätsanforderungen stellt. Statusrechtlich zugesichert wird ihm ferner ein – neben seiner Wahl – gesetzlich abgesichertes Verfahren seiner Abwahl durch Sejm und Senat, welches nur in enumerativ aufgeführten Fällen rechtlich zulässig ist. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte kann vor diesem gesetzlichen Hintergrund als eine rechtlich unabhängige Kinderrechtsschutzinstitution eingestuft werden.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des polnischen Kinderrechtsbeauftragten Entscheidend für das Wirken einer unabhängigen Kinderschutzinstitution, wie die des polnischen Kinderrechtsbeauftragten, ist die gesetzliche Aus192
Vgl. Ausführungen oben. Vgl. den Beschluss über die Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten (durch Sejm vom 12. Oktober 2000, in: M. P. 2000, Nr. 35, Pos. 710; durch Senat vom 26. Oktober 2000, in: M. P. 2000, Nr. 35, Pos. 712). Auch die Kinderrechtsbeauftragte, Ewa Sowin´ska, gab vorzeitig ihr Amt auf. 193
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gestaltung seiner Aufgaben und Kompetenzen. An der gesetzlichen Grundlage beurteilt sich, ob die Kinderschutzinstitution in Übereinstimmung mit den allgemeinen „Pariser Prinzipien“194 ein ausreichendes Mandat bezüglich der Überwachung, der Unterstützung und des Schutzes von Kinderrechten besitzt. Dies schließt sowohl die eröffneten Tätigkeitsfelder als auch die ihm anvertrauten Durchsetzungsbefugnisse, die zur sachgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich sind, ein. Von Bedeutung ist vor allem, in welcher Relation Aufgaben und Befugnisse zueinander stehen. Besteht ein grobes Missverhältnis insbesondere zum Nachteil der Kompetenzen, kann dies einen Vertrauensverlust angesichts enttäuschter Erwartungen gegenüber der Institution zur Folge haben. Im Rahmen der Arbeitsweise stellt sich in erster Linie die Frage der finanziellen Unabhängigkeit des Kinderrechtsbeauftragten, welche als Standard für Kinderschutzinstitutionen durch das ENOC vorgesehen ist. In den folgenden Abschnitten werden die Aufgaben, Kompetenzen sowie die Arbeitsweise des polnischen Kinderrechtsbeauftragten dargestellt und bewertet. Da Recht und Praxis mitunter starke Unterschiede aufweisen und letztere zudem geeignet ist, die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse zu beleben, werden zu den einzelnen Gesichtspunkten Handlungsbeispiele des polnischen Kinderrechtsbeauftragten genannt. Um die Aufgaben des Kinderrechtsbeaufragten konkretisieren zu können, ist es erforderlich zu untersuchen, was unter dem Begriff „Kind“ und „Kindeswohl“ zu verstehen ist, welche Kinderrechte in Polen konkret existieren sowie im Abschnitt C.VI.3. welche Beschränkungen für den Kinderrechtsbeauftragten bei der Aufgabenwahrnehmung aufgrund des elterlichen Erziehungsrechts gelten. 1. Die Aufgaben des Kinderrechtsbeauftragten Im Rahmen der vom Kinderrechtsbeauftragten wahrzunehmenden Funktion als Organ der Kontrolle und des Rechtsschutzes werden ihm durch das Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten in mehreren Artikeln bestimmte und begrenzte Aufgabenbereiche zugewiesen. So hat der Kinderrechtsbeauftragte unter Beachtung der bei den Eltern liegenden Verantwortlichkeit über die Rechte der Kinder, wie sie in der polnischen Verfassung, der UN-Kinderrechtskonvention und anderen Vorschriften festgelegt sind, zu wachen (Art. 1 Abs. 2 KinderG). Art. 3 Abs. 2 KinderG nennt außerdem einige konkrete Kinderrechte, wie den Schutz des Lebens von Kindern, für die sich der Kinderrechtsbeauftragte einsetzen soll, und Absatz 3 beschreibt die 194
Siehe zu den „Pariser Prinzipien“ die Einführung, Kapitel I.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Aufgabe des Beauftragten, Kinder vor Gewalt, Grausamkeiten, Ausbeutung, Sittenverfall, Vernachlässigung und anderen „schlimmen Behandlungen“ zu schützen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben soll sich der Kinderrechtsbeauftragte vom Wohl des Kindes leiten lassen und hat zu berücksichtigen, dass für Kinder die Familie das natürliche Umfeld ihrer Entwicklung ist.195 a) Der Begriff des Kindes und des Kindeswohls aa) Der Begriff des Kindes Definiert wird der Begriff des „Kindes“ in der Regel ex negativo, d.h. es erfolgt eine Beschreibung negativer Tatbestandsmerkmale. Unter einem Kind begreift man traditionell eine Person, welche noch nicht erwachsen ist, wobei die religiösen, kulturellen, physischen und psychologischen Praktiken und Vorstellungen einer Gesellschaft für die Bestimmung eine wesentliche Rolle spielen.196 Von Bedeutung sind für die Eingrenzung der Kindheitsphase zwei Zeitpunkte, der Anfang und das Ende. Allgemein lässt sich einfacher die Frage nach der Beendigung der Kindheit beantworten, denn nach ihrem Beginn. Die Schwierigkeit besteht insbesondere dann, wenn man den Anfang der Kindheit nicht, wie im landläufigen Sprachgebrauch üblich, auf den Zeitpunkt der Geburt festlegt, sondern mit dem Beginn des menschlichen Lebens verknüpft. Relevanz hat der Beginn der Kindheit auch für die Zuständigkeit von Kinderrechtsinstitutionen. Legt man den Anfang der Kindheit auf den Zeitpunkt der Befruchtung oder Empfängnis, fallen auch Problemfelder, wie der Schutz der befruchteten Eizelle vor medizinischen Experimenten sowie der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate, grundsätzlich in die Aufgabengebiete der Kinderschutzinstitutionen.197 Zu untersuchen bleibt daher erstens, wann in Polen menschliches Leben als schützenswertes Gut entsteht und zweitens, ob dieser Zeitpunkt mit dem Beginn der Kindheit gleichzusetzen ist bzw. wann diese gegebenenfalls beginnt. Theoretisch kommen für den Beginn menschlichen Lebens als schützenswertes Gut mehrere Ansätze in betracht. Möglich ist es den Beginn des Schutzes des menschlichen Lebens auf den Moment der Empfängnis oder der Befruchtung der Eizelle zu datieren. Abgestellt werden könnte aber u. a. auch auf die Fähigkeit des Kindes zum selbständigen Leben außerhalb des Mutterleibes etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche. Außerdem kann die 195 196 197
Art. 1 Abs. 3 KinderG. van Bueren, The International Law, 1994, S. 33. Siehe kritisch ebenda.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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Vollendung der Geburt, wenn das Kind den Mutterleib verlassen hat und die Nabelschnur durchtrennt wurde, als entscheidendes Kriterium gelten oder aber ein Zeitpunkt während der Geburt, wenn das Kind noch mit der Nabelschnur verbunden ist bzw. nur teilweise den Mutterleib verlassen hat. Ein anderer, physiologischer Anknüpfungspunkt wäre der Beginn der selbständigen Atmung durch das Kind nach seiner Geburt. In Polen nehmen die einzelnen Rechtsgebiete demgemäß, wie in Deutschland, jeweils unterschiedliche Zeitpunkte für den Beginn des Schutzes an. Die neue polnische Verfassung selbst enthält keine ausdrückliche Regelung, ob menschliches Leben ab dem Moment seiner Entstehung – ab der Empfängnis – ein verfassungsrechtlich geschützter Wert ist. Gemäß Art. 38 pV gewährleistet die Republik Polen jedem Menschen rechtlichen Schutz des Lebens. Ob davon die vorgeburtliche Phase umfasst ist, wird unterschiedlich beantwortet. Sarnecki nimmt an, dass generell auch der Nasciturus durch die Verfassung geschützt ist, wenngleich bezüglich der staatlichen Schutzintensität nach Lebensabschnitten zu differenzieren ist.198 Skrzydło lehnt dagegen diese weite Auslegung des Begriffes „menschliches Leben“ mit dem Hinweis fehlender weiterer verfassungsrechtlicher Vorschriften ab.199 Der polnische Verfassungsgerichtshof hat in dieser Frage bereits kurz vor in Kraft treten der heutigen Verfassung im sog. Schwangerschaftsabbruchurteil eine Entscheidung getroffen, welche heute noch gilt.200 In seinem Urteil schloss er aus dem in der Verfassung statuierten Rechtsstaatsprinzip die Verpflichtung des Staates, einen alle Entwicklungstufen umfassenden Schutz des Lebens durch die Verfassung zu gewährleisten. Davon betroffen ist das Leben ab dem Moment seiner Entstehung – der Empfängnis.201 Die Sichtweise des Gerichtshofes ist, wie aufgezeigt, in der polnischen Lehre nach wie vor umstritten. Der ersten Auffassung, dass es aufgrund der Gesamtheit der ein objektives Wertesystem bildenden Verfassungsnormen und 198 Dies betrifft insbesondere die Problematik des Schwangerschaftsabbruches; Sarnecki (Bearb.) in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 38 pV S. 7; ebenso Jaros, Konstytucyjne podstawy ochrony praw dzieci, in: Kinderbeauftragter (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 35–39, S. 36. So auch grundsätzlich Garlicki in seinem Sondervotum zum Urteil PVerfGH vom 28. Mai 1997, Az.: K.26/96. 199 Skrzydło, Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, Komentarz, Kraków 1998, S. 49; unentschieden Winczorek, Komentarz, 2000, S. 57. 200 Vgl. PVerfGH vom 28. Mai 1997, Az.: K.26/96. 201 Vgl. PVerfGH vom 28. Mai 1997, Az.: K.26/96. Kritisch zur fehlenden Differenzierung des Gerichts zwischen pränataler und postnataler Phase Garlicki in seinem Sondervotum zum Urteil PVerfGH vom 28. Mai 1997, Az.: K.26/96; vgl. dazu auch ausführlich Wiak, Ochrona dziecka pocze˛tego w polskim prawie karnym, Lublin 2001, S. 186 ff. Zur allgemeinen Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip vgl. nunmehr kritisch PVerfGH vom 26. Februar 2003, Az.: K.1/01.
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Grundsätze (insbesondere des Rechtsstaatsprinzips) geboten ist, das vorgeburtliche Leben als ein eigenständiges Rechtsgut zu betrachten und es unter verfassungsrechtlichen Schutz zu stellen, ist hierbei der Vorzug zu geben. Unabhängig vom Beginn des Schutzes menschlichen Lebens bleibt zu beantworten, welche Zeitspanne die Verfassung als Kindheit festlegt. In der Verfassung Polens findet sich keine ausdrückliche Begriffsbestimmung. Art. 72 pV gewährleistet zwar den Schutz der Rechte der Kinder durch die Republik Polen, trifft aber keine Aussage über den Zeitraum der Kindheit. Garlicki vertritt daher die Auffassung, dass Art. 72 pV keine Grundlage für eine Auslegung bietet, welche die Kindheitsphase von der Empfängnis bis zur Volljährigkeit erstreckt. Dagegen findet sich eine Konkretisierung in der einfach-gesetzlichen Vorschrift des Art. 2 KinderG, wonach „. . .unter einem ‚Kind‘ jede natürliche Person von der Empfängnis bis zur Erlangung der Volljährigkeit . . .“ verstanden wird. Garlicki hält die Ausweitung des Begriffes „Kind“ auf die pränatale Phase durch Art. 2 KinderG202, da die Verfassung sie nicht verbietet, zwar für zulässig, aber nicht für ein Gebot von Art. 72 pV.203 Die gewählte Formulierung in Art. 2 KinderG ist allerdings ein Ergebnis der bereits zitierten Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichtshofes, die den Beginn der Kindheit auf den Zeitpunkt der Empfängnis bestimmt. Dazu verweist der Verfassungsgerichtshof auf die UN-Kinderrechtskonvention.204 Diese schützt mit Absatz 9 ihrer Präambel Kinder vor und nach ihrer Geburt, so dass der Schluss nahe liegt, der gesamte pränatale Zeitraum ab der Empfängnis werde durch die Konvention als Kindheit definiert. Da die Präambel aber nur die maßgeblichen Prinzipien nennt und keine Rechtsverbindlichkeit verleiht, stellt sich die Frage, ob diese Begriffsbestimmung auch für den materiellen Vertragsteil gilt. Dem ist jedoch, wirft man einen Blick auf die Vorbereitungsarbeiten an der Kinderrechtskonvention, nicht 202 „Das Gesetz versteht unter einem ‚Kind‘ jede natürliche Person von der Empfängnis bis zur Erlangung der Volljährigkeit.“ Nach Art. 2 KinderG beginnen die Kindheit und der daran geknüpfte Schutz durch die Kinderombudsmanninstitution folglich mit dem Zeitpunkt der Empfängnis. 203 Vgl. Garlicki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 72 pV S. 4; anders wohl Jaros, für den die Kindheit bereits mit der Empfängnis beginnt: Jaros, Konstytucyjne podstawy, 2003, S. 35–39, S. 36. 204 Vgl. PVerfGH vom 28. Mai 1997, Az.: K.26/96; „Uje ˛ cie tej reguły w preambule Konwencji musi prowadzic´ do wniosku, iz˙ zawarte w Konwencji gwarancje odnosza˛ sie˛ równiez˙ do prenatalnej fazy ludzkiego z˙ycia.“ [Die Fassung dieser Regelung in der Präambel der Konvention muss zur der Annahme führen, das die in der Konvention enthaltenen Garantien auch die pränatale Phase des menschlichen Lebens betreffen.]; so auch Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, Art. 72 pV S. 3.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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so.205 Die auf Antrag Deutschlands in die Präambel aufgenommene Formulierung war Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses, bei dem sich die Verhandlungsteilnehmer darauf verständigten, dass diese Passage nicht die Auslegung des Art. 1 der UN-Kinderrechtskonvention zum Begriff des Kindes festlegt.206 Vielmehr ist, so der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Łopatka, eine solche Einigung der Staaten über den Kindesbegriff der Konvention nicht zustande gekommen und die Lösung dieses Problems den einzelnen Staaten überlassen worden.207 Die Konvention bestimmt somit nicht rechtsverbindlich den Beginn der Kindheit auf einen pränatalen Zeitpunkt. Rechtlich gesehen ist der Verweis des polnischen Gerichtshofes auf die Präambel der UN-Kinderrechtskonvention daher nur insoweit von Relevanz, als der Wille des Gerichtshofes erkennbar wird, die Kindheit an den Zeitpunkt der Empfängnis zu knüpfen. Die Ansicht des Gerichtshofes, in der Präambel eine Garantie bezüglich der vorgeburtlichen Phase durch die Konvention anzunehmen, geht dagegen fehl. Hinsichtlich der Beendigung der Kindheit trifft die polnische Verfassung gleichfalls keine konkrete Aussage. Eine Altersangabe enthält Art. 65 Abs. 3 pV, der eine ständige Beschäftigung von Kindern unter 16 Jahren verbietet. Gegen die Annahme, diesen Absatz als Altersbegrenzung anzusehen, sprechen sowohl die Festlegungen über das aktive Wahlrecht (Art. 62 Abs. 1 pV) als auch über die Schulpflicht (Art. 70 Abs. 1 pV). In beiden Fällen wird das 18. Lebensjahr – vollendet oder vor Vollendung – als Voraussetzung angegeben. Als der wichtigste Anhaltspunkt gilt allerdings die Regelung in Art. 1 der UN-Kinderrechtskonvention, die jeden Menschen, „. . . der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat . . .“ und „. . . die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendende Recht nicht früher eintritt . . .“ als Kind definiert.208 Da die Verfassung nicht die Absicht erken205
Auslegung entsprechend Art. 32 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK). Vgl. Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 96 ff.; Piechowiak, Preambuła, in: Smyczyn´ski, Konwencja o Prawach dziecka – analiza i wykładnia, Poznan´ 1999, S. 19–37, S. 29 f. 207 Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe bei Erarbeitung der UN-Kinderrechtskonvention hat dazu folgende Erklärung zu Protokoll gegeben: „Mit der Annahme dieses Präambelabsatzes verfolgt die Arbeitsgruppe nicht die Absicht, der Auslegung des Artikel 1 oder einer anderen Übereinkommensbestimmung durch die Vertragsstaaten vorzugreifen.“ UNO-Dokument E/CN.4/1989/48 vom 2. März 1989, S. 11. Siehe dazu mit weiteren Anmerkungen Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, Berlin 1994, S. 97, 101. In diesem Zusammenhang erklärte China vor dem Hintergrund seiner Ein-Kind-Politik, dass es nur Kinder ab ihrer Geburt von der Konvention als umfasst ansieht. 208 Art. 1: „Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.“ 206
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
nen lässt, diese Begiffsbestimmung zu ändern, ist von ihrer Rechtsverbindlichkeit in Polen auszugehen.209 Gestützt wird diese Annahme durch das im Rang unter der Verfassung und dem völkerrechtlichen Vertrag stehende polnische Zivilgesetzbuch210, welches in Art. 10 § 1 den Beginn der Volljährigkeit grundsätzlich an die Vollendung des 18. Lebensjahres knüpft.211 Die Volljährigkeit kann allerdings bei polnischen Frauen, wenn sie heiraten, bereits ab dem 16. Lebensjahr eintreten, Art. 10 § 2 polnisches Zivilgesetzbuch i. V. m. Art. 10 § 1 S. 2 polnisches Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch.212 Für eine solche Heirat müssen laut Gesetz wichtige Gründe vorliegen, worunter die Lehre und die Judikatur die Geburt eines Kindes, eine bestehende Schwangerschaft und ein langandauerndes faktisches Zusammenleben der Brautleute versteht, wobei letzteres nicht unumstritten ist.213 Zudem ist die Heirat einer Minderjährigen mit einem volljährigen Mann nur dann zulässig, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Wohl der gegründeten Familie erfolgt. Bestehen diese Umständen und besitzt die junge Frau bereits die physische und psychische Reife eine Familie zu gründen, erscheint die Annahme ihrer vorzeitigen Volljährigkeit, verbunden mit der Befugnis, eigenständig Rechtsgeschäfte abschließen zu können, als konsequent. Das Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten knüpft in Art. 2 an die Regelungen des Art. 10 polnisches Zivilgesetzbuch zur Volljährigkeit an, wenn es den Begriff des Kindes definiert. Eine verheiratete Frau unter 18 Jahren fällt folglich nicht mehr in seinen Zuständigkeitsbereich und gilt nach dem Gesetz nicht mehr als Kind. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die Verfassung und die UN-Kinderrechtskonvention keine verbindlichen Vorgaben bezüglich des 209
Vgl. dazu Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej, 2002, Art. 72 pV
S. 3. 210
Vgl. dazu Art. 91 Abs. 2 pV, Art. 241 Abs. 1 pV. Zivilgesetzbuch vom 23. April 1964, in: Dz. U. 1964, Nr. 16, Pos. 93 mit Änderungen. 212 Polnisches Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch vom 25. Februar 1964, Dz. U. 1964, Nr. 9, Pos. 59 mit Änderungen. In Deutschland führt die Ehe durch einen Minderjährigen dagegen nicht zu dessen Volljährigkeit: vgl. § 1303 BGB. Auf der anderen Seite müssen auch keine Kinder, Schwangerschaft oder ein dauerhaftes Zusammenleben vorliegen. Entscheidend ist vielmehr das Wohl des eheschließenden Kindes. Dafür wird die charakterliche Reife, die Tragweite des Heiratsentschlusses, das Bestehen einer wechselseitigen Beziehung und gegebenenfalls die Sicherstellung der Erziehung eines gemeinsamen Kindes geprüft: Brudermüller (Bearb.), in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar –, 62. Auflage, München 2003, § 1303 Rn. 5 mit weiteren Anmerkungen. 213 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawa Rodzinne, 2. Auflage, Kraków 2003, S. 101. Eine empirische Untersuchung ergab, dass die Gerichte in den genannten Fällen nur sehr selten die Zustimmung zur Eheschließung verweigern. 211
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Beginns der Kindheit machen. Der Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 28. Mai 1997 sowie das darauf bezugnehmende Kinderombudsmanngesetz bestimmen ihn auf den Zeitpunkt der Empfängnis. Die Beendigung der Kindheit, in der Regel mit Vollendung des 18. Lebensjahres, ergibt sich dagegen aus der UN-Kinderrechtskonvention sowie den Regelungen des polnischen Zivilgesetzbuches, auf welche das Kinderombudsmanngesetz verweist. bb) Der Begriff des Kindeswohls Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben lässt sich der Kinderrechtsbeauftragte, unter Berücksichtigung des familiären Umfelds des Kindes, von dessen Wohl leiten, Art. 1 Abs. 3 KinderG. Beim sog. Wohl des Kindes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der näheren Konkretisierung bedarf. Die polnische Verfassung erwähnt in ihrem Kinderrechtsartikel (Art. 72 pV), anders als die UN-Kinderrechtskonvention, das Kindeswohl nicht ausdrücklich. Und obwohl in Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention der Begriff des Kindeswohls zur Leitlinie der Auslegung und Umsetzung des Übereinkommens bestimmt wird, enthält auch die Konvention keine Definition desselben.214 Łopatka geht davon aus, dass die Konvention selbst eine grobe inhaltliche Bestimmung des Kindeswohls ermöglicht.215 Bereits die Präambel liefert mit ihrem Idealbild Anhaltspunkte für die Auslegung, indem sie ein Aufwachsen des Kindes in einer Familie umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufzeigt, was eine volle und harmonische Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglichen soll. In diesem Zusammenhang wird eine Erziehung zum eigenständigen Leben im Geist des Friedens, der Würde, der Toleranz, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität als Leitbild aufgeführt.216 Eine rechtliche Konkretisierung erfährt der Begriff des Kindeswohls zudem durch Art. 9 UN-Kinderrechtskonvention, der sicherstellt, dass ein Kind grundsätzlich nicht gegen seinen Willen von seinen Eltern getrennt werden darf. 214
Beim Begriff des Kindeswohls in der Konvention handelt es sich um einen Gesichtspunkt der vorrangig zu berücksichtigen ist, allerdings keinen absoluten Vorrang vor allen anderen Belangen besitzt. Zur Diskussion um diesen Passus: Denkschrift der Bundesregierung, abgedruckt in: BT-Drucksache 12/42 vom 24.1.1991 S. 29–53, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 2000, S. 46; Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 106 ff. 215 Andere vertreten die Ansicht, dass es den Vertragsstaaten selbst obliegt, das Kindeswohl festzulegen. Wiederum andere Vertreter halten generell die Bestimmung des Kindeswohls für fragwürdig bzw. unmöglich; siehe dazu ausführlich Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 106 f. 216 Dazu Łopatka, Dziecko, Jego prawa człowieka, Warszawa 2000, S. 31.
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In Polen fand der Begriff des Kindeswohls bereits mit dem Dekret über die Angelegenheiten der Familien vom 22. Januar 1946 Eingang in das polnische Recht.217 Er ist nunmehr in zahlreichen Vorschriften u. a. des Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches sowie im Zivilverfahrensgesetzbuch zu finden, wird aber gleichfalls nicht gesetzlich definiert.218 Die polnische Familienrechtsliteratur versteht unter dem „Wohl des Kindes“ die optimale Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes sowie die Sicherstellung seiner Interessen.219 Dabei bilden die Familienrechtsvorschriften, so Stojanowska, einen Wertekomplex materiellen und nichtmateriellen Charakters, welcher die erforderliche physische und geistige Entwicklung gewährleisten, sowie der Vorbereitung einer den Fähigkeiten entsprechenden künftigen Tätigkeit des Kindes dienen soll. Die dem Wohl des Kindes dienenden Regelungen stehen dabei im Kontext aber auch mitunter in Widerspruch zu anderen Interessen und Bedürfnissen, z. B. von solchen der Eltern oder der Gesellschaft.220 Nicht nur für den Kinderombudsmann ist das Wohl des Kindes damit Richtschnur seiner Arbeit, auch die Eltern dürfen gemäß Art. 95 § 3 Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch221 ihre elterliche Gewalt nur so ausüben, wie das „Wohl des Kindes“ und „das gesellschaftliche Interesse“ es erfordert. Unter letzterem versteht Strzebin´czyk die gesellschaftlichen Erwartungen an die seelische und körperliche Entwicklung des Kindes sowie die Vorbereitung auf ein selbständiges Leben.222 Unverständlich bleibt, warum die psychophysische Entwicklung des Kindes und seine Erziehung zu einem eigenständigen Leben überhaupt als objektive gesellschaftliche Ansprüche verstanden werden, statt sie, wie Stojanowska, als Maßstab für die Erfüllung des Kindeswohls anzusehen. Durch die Nennung des gesellschaftlichen Interesses erhält die Vorschrift den Anschein, dass ein Kind nur dann eine vollständige Anerkennung genießt, wenn es diesen Ansprüchen genügt. Gerade Kinder z. B. mit Behinderungen blieben hinter solchen „gesell217 Vgl. ebenda, S. 28; weiterführend auch Stojanowska, Dobro dziecka jako instrument wykładni norm konwencji o prawach dziecka oraz prawa polskiego i jako dyrektywa jego stosowania, in: Smyczyn´ski, Konwencja o prawach dziecka – analiza i wykładnia, Poznan´ 1999, S. 81–109, S. 89 f. 218 Vgl. mit einer Auflistung der einzelnen Vorschriften Stojanowska, Dobro dziecka, 1999, S. 92 f. 219 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawa Rodzinne, 2003, S. 308; weiterführend zu den Ansichten in der polnischen Lehre: Stojanowska, Dobro dziecka, 1999, S. 97 ff. 220 Stojanowska, Dobro dziecka, 1999, S. 98; vgl. dieselbe zur Rechtsprechung zum Begriff des Kindeswohls, S. 100 ff.; vgl. auch die Entscheidung des PVerfGH vom 28. April 2003, Az.: K.18/02. 221 Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch vom 25. Februar 1964, in: Dz. U. 1964, Nr. 9, Pos. 59 mit Änderungen. 222 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawa Rodzinne, 2003, S. 308.
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schaftlichen Erwartungen“ allerdings zurück. Erklärbar bleibt dieser Passus im Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch nur angesichts des Zeitpunkts des Erlasses im Jahr 1964. Die damals herrschende marxistisch-sozialistische Persönlichkeitskonzeption, welche sich nicht an der Werthaftigkeit der Person, wie sie sich aus der humanistisch-individualistischen Entwicklung ergibt, orientierte, sondern die Gliedhaftigkeit der Person in einer mit ihren Interessen angeblich übereinstimmenden Gesellschaft betonte, scheint hier noch in Rudimenten erkennbar zu sein.223 Staatliche Eingriffe in das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 109 FamilienG sind allerdings nur bei Verletzungen des Kindeswohls aber nicht bei Verstößen gegen das gesellschaftliche Interesse möglich.224 b) Kinderrechte in Polen Was unter Kinderrechten zu verstehen ist und wie sie sich herleiten, war bereits im 2. Kapitel Teil der Untersuchung. Unter Kinderrechten werden hier alle geschriebenen nationalen und internationalen Rechte verstanden, welche im Schwerpunkt den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen sollen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Dazu zählen u. a. allgemeine Schutzvorschriften, Abwehrrechte, Freiheitsrechte und Leistungsansprüche für und von Kindern. Unmittelbarer Adressat der Regelungen können dabei u. a. Organe der staatlichen Gewalt aber auch Kinder selbst sein.225 Bevor die Frage beantwortet werden kann, über welche konkreten Kinderrechte der Kinderrechtsbeauftragte zu wachen hat, ist vorab ein Blick auf das polnische Rechtsquellensystem zu richten, welcher erst eine systematische Betrachtung der geltenden Kinderrechte hinsichtlich ihres rechtlichen Ursprungs und des sich jeweils daraus ergebenden rechtlichen Ranges ermöglicht. Anschließen wird sich ein Überblick über die wichtigsten in Polen gültigen internationalen und nationalen Rechtsakte, die Kinderrechte enthalten. Die Untersuchung einiger essentieller vom Kinderrechtsbeauftragten zu schützender Kinderrechte schließt die Darstellung ab. 223 Vgl. Preisner, Sozialistische Grundrechtskonzeption, in: Manssen/Banaszak, Grundrechte im Umbruch: Das Beispiel von Polen und Deutschland, Berlin 1997, S. 9–17, S. 11. 224 Vgl. auch zum gesellschaftlichen Ansatz Strzebin ´ czyk, Prawa Rodzinne, 2003, S. 309; siehe dazu auch Abschnitt C.VI.3. 225 Zu den Kinderrechten siehe van Bueren, The International Law on the Rights of the Child, Dordrecht/Boston/London 1994, S. 53. Siehe auch Erklärung der Rechte des Kindes, Resolution 1386 der Vereinten Nationen vom 20. November 1959, Art. 2.
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aa) Das Rechtsquellensystem in Polen Rechtsquellen werden in der polnischen Lehre als Grundlage für die Schaffung bindender Rechtsnormen für alle Adressaten und Rechtssubjekte verstanden.226 Die Verfassung von 1997 nennt erstmals u. a. in Kapitel III (Art. 87–94 pV) die Quellen des geltenden Rechts und ordnet die Normativakte, also alle durch ein Organ der öffentlichen Gewalt erlassenen Akte, die eine Rechtsnorm enthalten, in solche mit allgemein verbindlichem Charakter und solche mit reiner Innenwirkung.227 Die Lehre und die Rechtsprechung entwickelten daran angelehnt ein zweigeteiltes Rechtsquellensystem.228 Hinsichtlich der allgemein verbindlichen Normativakte war es Ziel, ein geschlossenes System zu etablieren, das alle entsprechenden Rechtsnormen in der Verfassung erschöpfend nennt und klar regelt, welche Subjekte diese Normen erlassen können sowie welche Bereiche mit den jeweiligen Normativakten geregelt werden dürfen. Außerdem sollte eine klare Hierarchie das Verhältnis zwischen den Rechtsnormen festlegen. Zu den nach außen gerichteten, allgemein verpflichtenden Normativakten zählen gemäß Art. 87 pV Verfassung, Gesetze, völkerrechtliche Verträge, Rechtsverordnungen sowie lokale Rechtsakte. Die aufgrund der Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union seit dem 1. Mai 2004 geltenden europäischen Regelungen werden dagegen nicht in der Verfassung genannt, obwohl auch die polnische Lehre zwischen Völker- und Europarecht unterscheidet.229 Eine Ergänzung des Art. 87 pV durch den Verfassungsgesetzgeber erscheint vor diesem Hintergrund sinnvoll. Nach der derzeitigen Rechtlage ist trotz der bestehenden Unterschiede davon auszugehen, dass vom Wortlaut („völkerrechtliche Verträge“) des Art. 87 pV grundsätzlich auch die europarechtlichen Regelungen umfasst sind. Keine Erwähnung im Kapitel über die Rechtsquellen findet darüber hinaus die Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft, welche im Kriegszustand zulässig ist und gemäß Art. 234 Abs. 2 pV ebenfalls zur Gruppe der allgemein verpflichtenden Normativakte 226
Banaszak, Einführung, 2003, S. 54. Vgl. Gdulewicz in: Skrzydło (Hrsg.), Polskie Prawo Konstytucyjne, Lublin 2000, S. 187; Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 409. 228 Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 409 und S. 130; die nach außen oder innen gerichteten Normativakte unterliegen dabei grundsätzlich der Kontrolle durch den polnischen Verfassungsgerichtshof. Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften mit der Verfassung, den ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen und den Gesetzen gemäß Art. 188 Abs. 3 pV müssen die Normativakte von zentralen Staatsorganen erlassen worden sein; vgl. bei der konkreten Normenkontrolle: Art. 193 pV. 229 Vgl. zur Unterscheidung von Völkerrecht und Europarecht auch in Polen Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 127 ff. 227
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gehört.230 Gewohnheitsrecht, Naturrecht und richterliche Präzedenzfälle nennt die Verfassung dagegen nicht als Rechtsquellen gemäß Art. 87 pV.231 Von den allgemein verbindlichen nach außen gerichteten Normativakten sind die nach innen gerichteten zu unterscheiden. Die Innenakte verpflichten gemäß Art. 93 pV nur die dem erlassenden Organ organisatorisch unterstellten Einheiten und besitzen demnach reine Innenwirkung.232 Im Gegensatz zum System der allgemein verpflichtenden Akte ist das der nach innen gerichteten Normativakte hinsichtlich der Rechtssubjekte und Rechtsobjekte offen. So können zum einen andere als die in Art. 93 pV genannten Verfassungsorgane Innenakte erlassen und zum anderen sind die Innenakte nicht auf die Form von Anordnung und Beschluss beschränkt.233 Voraussetzung ist lediglich, dass der Grundsatz der organisatorischen Unterlegenheit des Rechtsaktadressaten im System der staatlichen Organe beachtet wird.234 Problematisch wird diese strenge Klassifizierung bei Akten, wie den Geschäftsordnungen der beiden Parlamentskammern (Art. 112, 124 pV) und den Tarifverträgen (Art. 59 Abs. 2 pV), welche sowohl nach innen als auch nach außen allgemein verbindlich wirken können und in Art. 87 pV keine Erwähnung finden. Die herrschende Lehre ordnet diese beiden Ausnahmen dem Charakter nach dem allgemein geltendem Recht zu.235 Interessant ist die Einordnung der Tarifverträge in das System der Rechtsquellen insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei diesen nicht um Normativakte im oben definierten Sinne handelt, sondern um private Vereinbarungen, die Rechtsnormen beinhalten. Aufgrund dieser Ausnahmen betrachtet Gdulewicz den in Art. 87 pV aufgestellten Rechtsquellenkatalog „gewissermaßen als offen“.236 Vor dem Hintergrund des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit geht die Mehrheit in der Lehre jedoch von einem geschlossenen System aus.237 230
Vgl. Art. 234 Abs. 2 pV. Zur Problematik der Amtsakte des Präsidenten Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 196. 231 Vgl. dazu ausführlich Banaszak, Einführung, 2003, S. 56 f. Er geht davon aus, dass es sich beim Naturrecht um eine Rechtsquelle unterkonstitutionellen Ranges handelt. 232 Vgl. Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 188. 233 Siehe PVerfGH – Entscheidung vom 1. Dezember 1998, Az.: K.21/98, S. 11; abweichende Meinung im Urteil Garlicki; dazu auch ders., in: Polskie Prawo, 2000, S. 127 f., 144. 234 Siehe PVerfGH – Entscheidung vom 1. Dezember 1998, Az.: K.21/98. 235 Vgl. mit weiteren Ausführungen insbesondere auch zur Problematik der Verwaltungsvorschriften Banaszak, Einführung, 2003, S. 60. 236 Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 197; auch Kulesza zitiert bei Banaszak, Einführung, 2003, S. 61. Anders die Rechtsprechung des polnischen Verfassungsgerichtshofs: siehe u. a. PVerfGH – Entscheidung vom 28. Juni 2000, Az.: K.25/99, S. 53.
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(1) Die allgemein verbindlichen Normativakte Die Verfassung steht an der Spitze des Rechtssystems und ist laut Art. 8 Abs. 1 pV oberstes Recht in Polen. Daraus folgt zum einen, dass andere polnische238 Normativakte nicht im Widerspruch zur Verfassung stehen dürfen und zum anderen das Gebot, dass nur in der Verfassung vorgesehene Normativakte erlassen werden können.239 Erlassen wird die Verfassung in einem besonderen Verfahren durch das Parlament.240 Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen gelten, soweit nicht anders festgelegt, unmittelbar.241 Die ausdrückliche Festlegung der unmittelbaren Anwendbarkeit der Rechte und Freiheiten der Menschen und Bürger resultiert aus den Erfahrungen in sozialistischen Zeiten, als diese bei verfassungsrechtlichen Vorschriften abgelehnt wurde.242 Im Rang unter der Verfassung steht grundsätzlich das einfache Gesetz.243 Dabei handelt es sich in Polen um einen Normativakt mit einer allgemein (generell) bestimmenden Norm, verabschiedet durch das Parlament in einem festgelegten Verfahren.244 Eine besondere Ermächtigungsgrundlage für den Erlass allgemein verbindlicher Gesetze bedarf es dabei nicht. Einzelfallgesetze schließt das polnische Rechtssystem aus.245 Der Regelungsbereich des einfachen Gesetzes ist bei Berücksichtigung verfassungsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben unbegrenzt. Schwieriger zu beantworten ist, welche Sachverhalte allein den Gesetzen vorbehalten sind. Für die Bereiche Steuern und Verhängung von Repressionen (nulla poena sine lege) legt die Verfassung selbst einen absoluten Gesetzesvorbehalt fest.246 Außerdem fordert der polnische Verfassungsgerichtshof allgemein bei Eingriffen in die Rechte und Freiheiten der Bürger eine gesetzliche Regelung.247 Ob in Zu237 238
Vgl. u. a. Banaszak, Einführung, 2003, S. 61. Ausgenommen wird hier ausdrücklich die Problematik der Rechtsakte der
EU. 239
Vgl. Banaszak, Prawo konstytucyjne, 1999, S. 53 f. Vgl. Art. 235 pV. 241 Art. 8 Abs. 2 pV; dazu u. a. Banaszak, Die Konzeption der Rechte des Individuums in Polen, in: Osteuropa-Recht, 47. Jhg., Heft 6, S. 477–491, S. 485 f. 242 Vgl. Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 188 f. 243 Vgl. Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 190. 244 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 134. Unter dem Begriff „Gesetz“ werden in Polen folglich Gesetze im formellen und materiellen Sinne verstanden. Ebenso wie in Deutschland werden nicht nur abstrakte (generelle) sondern in bestimmten Fällen (z. B. Art. 216 und Art. 217 pV) auch konkrete Regelungen davon umfasst; siehe dazu Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 135. 245 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 135. 246 Vgl. Art. 42, Art. 217 pV. 247 Siehe dazu PVerfGH – Entscheidung vom 19. Mai 1998, Az.: U.5/97. 240
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kunft weiterhin ein Gesetzesvorbehalt für die Leistungsverwaltung vorausgesetzt wird248, bleibt ebenso wie die konkrete Ausgestaltung des Gesetzesvorbehaltes bei Eingriffsakten durch die Rechtsprechung und Lehre abzuwarten.249 Im Falle des Kriegszustandes ist es dem Staatspräsidenten auf Antrag des Ministerrates grundsätzlich erlaubt, Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen.250 Sie zählen, obwohl nicht in Art. 87 pV aufgeführt, nach Art. 234 Abs. 2 pV zu den Quellen allgemeinen Rechts und besitzen den gleichen Rang wie Gesetze. Ratifizierte völkerrechtliche Verträge sind ebenfalls Quellen des allgemein geltenden Rechts in Polen.251 Sie bilden einen Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung und werden unmittelbar angewandt, es sei denn, für ihre Anwendung wird die Verabschiedung eines Gesetzes vorausgesetzt.252 Die ratifizierten völkerrechtlichen Verträge stehen in der Regel unter den Gesetzen und über den Rechtsverordnungen. Ist ihnen jedoch ein Zustimmungsgesetz vorausgegangen, besitzen sie Gesetzeskraft bzw. haben sogar Vorrang vor den Gesetzen, wenn diese mit dem Vertrag unvereinbar sind.253 Zustimmungsbedürftige völkerrechtliche Verträge sind solche, die Frieden und Bündnisse, politische oder militärische Abkommen, Freiheiten, Rechte oder Pflichten der Staatsbürger, die in der Verfassung bestimmt worden sind, die Mitgliedschaft Polens in einer internationalen Organisation oder erhebliche finanzielle Belastungen des Staates betreffen.254 Aufgrund fehlender spezieller verfassungsrechtlicher Bestimmungen würden sich der Rang und die Anwendung der von den völkerrechtlichen Regelungen zu unterscheidenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen ebenfalls nach Art. 91 pV richten. Danach besäßen sie gemäß Art. 91 Abs. 3 pV nur 248
Vgl. PVerfGH – Entscheidung vom 9. Mai 1989 Az.: Kw.1/89, S. 21 ff.; Lipowicz, Rechtsstaatlichkeit in Polen, in: Hofmann (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit in Europa, Heidelberg 1996, S. 199–217, S. 209; Hofmann, Die Bindung staatlicher Macht, in: Hofmann (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit in Europa, Heidelberg 1996, S. 3–29, S. 9. 249 Zu den historischen Hintergründen: Lipowicz, Rechtsstaatlichkeit in Polen, in: Hofmann (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit in Europa, Heidelberg 1996, S. 199–217, S. 201 f. 250 Art. 234 Abs. 1 pV; vgl. Ciapała, Prezydent w systemie ustrojowym Polski 1989–1997, Warszawa 1999, S. 327. 251 Ausführlich dazu Banaszak, Einführung, 2003, S. 65 ff. 252 Es erfolgt somit grundsätzlich eine Transformation aufgrund Art. 91 Abs. 1 pV. 253 Art. 91 Abs. 2 pV; vgl. Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 193. 254 Oder wenn es so im Gesetz oder in der Verfassung vorgesehen ist, Art. 89 Abs. 1 pV.
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Vorrang vor dem Gesetz. Dies steht im Widerspruch zur Lehre255 und zu dem vom EuGH aufgestellten Grundsatz des Anwendungsvorrangs von Gemeinschaftsrecht vor allen, auch den verfassungsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten.256 Eine entsprechende Verfassungsänderung gilt als wenig wahrscheinlich.257 Stattdessen nahm der polnische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. Mai 2005 die notwendige Präzisierung zum Verhältnis von europäischem und nationalem Recht vor.258 Entgegen der Auffassung des EuGH geht der PVerfGH davon aus, dass europäisches Recht gegenüber der Verfassung keinen Anwendungsvorrang genießt. Danach soll im Falle eines Konflikts entweder die Verfassung geändert oder aber das europäische Recht angepasst werden. Die weitere Entwicklung in diesem Punkt bleibt interessant. Die Verfassung ermöglicht einem festgelegten Kreis von Verfassungsorganen den Erlass von Rechtsverordnungen.259 Rechtsverordnungen sind untergesetzliche Akte, welche aufgrund einer durch Gesetz erteilten Ermächtigung mit dem Ziel der Ausführung eines Gesetzes erlassen werden. Sie besitzen allgemein verpflichtenden Charakter und können an jede Art von Adressaten gerichtet sein.260 Erlassen werden können Rechtsverordnungen nur vom Staatspräsidenten, dem Ministerrat, dem Vorsitzenden des Ministerrats, von Ministern mit einem eigenen Bereich der Regierungsverwaltung, den Komiteevorsitzenden261 sowie dem Landesrat für Rundfunk und Fernsehen. Eine Delegierung der Kompetenzen auf andere Organe schließt die Verfassung in Art. 92 Abs. 2 pV aus. 255 Vgl. Działocha, in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 1999, Art. 91 pV S. 9. 256 Costa Enel, Urteil vom15. Juli 1964; Slg. 1964, S. 1251; Internationale Handelsgesellschaft, Urteil vom 17. Dezember 1970, Slg. 1970, S. 1125. 257 Vgl. Biernat, Czy konieczne sa ˛ zmiany w Konstytucji przed przysta˛pieniem Polski do Unii Europejskiej?, in: Barcz (Hrsg.), Czy zmieniac´ konstytucje˛? Ustrojowo-konstytucyjne aspekty przysta˛pienia Polski do Unii Europejskiej, Warszawa 2002, S. 41–65, S. 45, S. 46 ff.; vgl. dazu Barcz, Członkowsko Polski w Unii europejskiej a Konstytucja z 1997 r., in: Barcz (Hrsg.), Czy zmieniac´ konstytucje˛? Ustrojowo-konstytucyjne aspekty przysta˛pienia Polski do Unii Europejskiej, Warszawa 2002, S. 13–40, S. 27 f., S. 40. 258 PVerfGH vom 11. Mai 2005, Az.: K.18/04, in: OTK ZU 2005/5A, Pos. 49. Zur Entscheidung siehe Banaszkiewicz, Prawo polskie a prawo Unii Europejskiej w orzecznictwie Trybunału Konstytucyjnego, in: EPS 2005, Nr. 3 S. 49–58. 259 Die einem Organ erteilte Befugnis darf nicht auf andere Organe übertragen werden, Art. 92 Abs. 2 pV; vgl. auch Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 194. 260 Weitere formelle Einzelheiten regelt Art. 92 Abs. 1 pV; vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 304. 261 Vgl. Art. 147 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 3 pV sowie die Ausführungen von Sarnecki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2000, Art. 147 pV S. 2 f.
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Die gleichfalls zu den Außenakten zählenden lokalen Normativakte gelten gemäß Art. 87 Abs. 2 pV im territorialen Gebiet der lokalen Organe der Regierungsverwaltung und der Organe der örtlichen Selbstverwaltung, die sie erlassen haben.262 Die Organe der örtlichen Selbstverwaltung können auf Grundlage und in den Grenzen einer durch Gesetz übertragenen Ermächtigung Akte lokalen Rechts nur in Form von Beschlüssen verabschieden,263 welche nach Art. 184 pV der Rechtmäßigkeitskontrolle des Hauptverwaltungsgerichts unterliegen.264 (2) Die nach innen gerichteten Normativakte Zu den die organisatorisch unterstellten Einheiten verpflichtenden Innenakten zählen gemäß Art. 93 pV die Anordnungen des Staatspräsidenten, des Premiers und der Minister, die Beschlüsse von Sejm, Senat und Ministerrat, die lokalen Rechtsakte, sofern sie nicht allgemein verpflichtend sind, und die nicht ratifizierten völkerrechtlichen Abkommen.265 Die nach innen gerichteten Normativakte sind, wie dargestellt, aber hinsichtlich der Rechtssubjekte und Rechtsobjekte offen. So können sie zum einen von anderen als den in Art. 93 pV genannten Verfassungsorganen erlassen werden und sind zum anderen nicht auf die Form von Anordnung und Beschluss beschränkt.266 Anordnungen können normativen Charakter haben, müssen aber nicht. Erstere dürfen nur durch den Staatspräsidenten, den Premier und die Minister aufgrund eines Gesetzes erlassen werden. In der Regel handelt es sich um die Organisationseinheiten verpflichtende organisatorische und technische Anweisungen.267 Die normativen Beschlüsse des Ministerrates verlangen dagegen keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Sie sind auf Grundlage der dem Ministerrat zustehenden Kompetenzen, im Rahmen der verfassungs262
Siehe dazu ausführlich Abschnitt C.VI.2.d)cc)(2). Art. 94 pV; Działocha (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2000, Art. 94 pV S. 4. 264 Ebenfalls der Rechtmäßigkeitskontrolle des Hauptverwaltungsgerichts unterliegen die Normativakte der lokalen Organe der Regierungsverwaltung, Art. 184 pV, Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 195. Zur Problematik der örtlichen Rechtsakte insgesamt mit weiteren Anmerkungen Banaszak, Einführung, 2003, S. 53. 265 Siehe Wierzbowski (Hrsg.), Cies ´lak, Dyl, Jagielski, u. a. Prawo Administracyjne, 2. Auflage, Warszawa 1999, S. 42. 266 Siehe PVerfGH – Entscheidung vom 1. Dezember 1998, Az.: K.21/98, S. 11; abweichende Meinung im Urteil Garlicki; dazu auch ders., in: Polskie Prawo, 2000, S. 127 f., 144. 267 Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne, 1999, S. 44. 263
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rechtlichen Bestimmungen zulässig.268 Die Beschlüsse der beiden Parlamentskammern Sejm und Senat haben zum Teil normativen Charakter.269 Ist dies der Fall werden sie im Gesetz- oder Amtsblatt veröffentlicht.270 Die beschlossenen Geschäftsordnungen der Parlamentskammern besitzen im polnischen Recht einen besonderen Status und haben nicht nur Innenwirkung.271 Die Verfassung selbst bestimmt in Art. 112 pV, was die Geschäftsordnungen im Wesentlichen zu enthalten haben. Die Geschäftsordnungen dürfen in bestimmten, durch die Verfassung festgelegten Bereichen Sachverhalte mit gesetzlicher Wirkung allein regeln, anderseits aber keine Regelungen enthalten, welche Gesetzen vorbehalten sind. Möglich sind auf dieser Grundlage Regelungen über die Pflichten anderer staatlicher Organe dem Sejm gegenüber. Die übrigen Beschlüsse, z. B. solche mit individuell-konkretem Charakter wie etwa die Wahl des Sejm-Marschalls, Misstrauensanträge sowie zur Durchführung eines Referendums, oder von allgemeiner Natur, wie Resolutionen, Deklarationen, Appelle und Erklärungen272, haben dagegen keinen normativen Charakter.273 Die Initiative für einen Beschluss können das Präsidium oder die Ausschüsse der Kammern sowie eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten oder Senatoren ergreifen. Das Beschlussverfahren deckt sich im Wesentlichen mit dem der Gesetzgebung.274 Zu den Innenakten zählen auch die lokalen Rechtsakte sofern sie nicht allgemein verpflichtend sind. Beispiel dafür ist der Beschluss des kommunalen Haushaltes.275 Zentrale und territoriale staatliche Organe – wie Ministerien, zentrale Behörden und Organe der territorialen und betrieblichen Selbstverwaltung – schließen in Bereichen ihrer Tätigkeiten und Kompetenzen aufgrund eines Gesetzes oder ratifizierten völkerrechtlichen Vertrages die nicht ratifizierten völkerrechtlichen Abkommen ab, die ebenfalls zu den Innenakten zählen.276 Diese Abkommen verpflichten ebenfalls nur die unterstellten Organisationseinheiten. 268 Eine entsprechende Regelung wie bei den Anordnungen sieht die Verfassung bzgl. der Beschlüsse nicht vor. Zu den Voraussetzungen, welche die Beschlüsse erfüllen müssen: vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 304; so auch Działocha in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 1999, Art. 93 pV S. 11. 269 Siehe dazu Czeszejko-Sochacki, Prawo Parlamentarne w Polsce, Warszawa 1997, S. 245; Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 196. 270 Siehe Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne, 1999, S. 42. 271 Unklar insoweit Garlicki, der vom sekundären Charakter der Geschäftsordnungen spricht: Polskie prawo konstytucyjne zarys wykładu, Warszawa 2000, S. 196. 272 Vgl. Art. 112 pV, Art. 68, Art. 69 SejmGO. 273 Gdulewicz, Polskie Prawo, 2000, S. 196. 274 Zu den Unterschieden Czeszejko-Sochacki, Prawo Parlamentarne w Polsce, Warszawa 1997, S. 254 f.; Art. 53 SejmGO. 275 Siehe Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne, 1999, S. 44. 276 Siehe ebenda, S. 42.
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bb) Überblick über Kinderrechte enthaltende Rechtsakte277 1. Die Verfassung als höchste Rechtsquelle enthält in mehreren Artikeln Kinderrechte. Als grundlegende Vorschrift kann Art. 72 pV bezeichnet werden, der in Absatz 1 den Schutz der Kinder durch den Staat allgemein gewährleistet sowie jedermann das Recht einräumt, von den Organen der öffentlichen Gewalt den Schutz eines Kindes gegen Gewalt, Grausamkeit, Ausbeutung und Unsittlichkeit zu fordern. In diesem Sinne regelt auch Art. 68 Abs. 3 pV die Verpflichtung der öffentlichen Gewalt, „den besonderen Schutz der Kinder . . . zu sichern“. Art. 72 Absatz 2 legt das Recht des Kindes fest, bei fehlender elterlicher Pflege, Hilfe und Pflege von der öffentlichen Gewalt in Anspruch nehmen zu können. Absatz 3 verpflichtet die Organe der öffentlichen Gewalt sowie die für das Kind verantwortlichen Personen, bei der Feststellung der Kinderrechte die Meinung des Kindes anzuhören und diese möglichst zu berücksichtigen. Im abschließenden Absatz 4 wird der Beauftragte für die Rechte des Kindes eingeführt. Neben Art. 72 pV enthalten Kinderrechte auch: Art. 71 Abs. 2 (Schutz der Mutter vor und nach der Geburt des Kindes), Art. 70 Abs. 1 pV (Recht auf Schulunterricht sowie die Schulpflicht), Art. 68 Abs. 3 pV (Schutz der Gesundheit von Kindern), Art. 68 Abs. 5 pV (Unterstützung der Entwicklung der sportlichen Betätigung insbesondere von Kindern und Jugendlichen durch die öffentliche Gewalt), Art. 65 Abs. 3 pV (Verbot der ständigen Beschäftigung von Kindern unter 16 Jahren) und Art. 48 Abs. 1 S. 2 pV (Berücksichtigung der Gewissens- und Bekenntnisfreiheit sowie der Anschauungen des Kindes bei der Erziehung des Kindes). Andere Vorschriften, wie Art. 71 Abs. 1 pV, der das Wohl der Familie regelt, Art. 47 pV, der das Privat- und Familienleben schützt und Art. 48 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 pV, welcher den Eltern das elterliches Erziehungsrecht einräumt und etwaige staatliche Eingriffe beschränkt, kommen ebenfalls Kindern zugute, legen aber ihren Schwerpunkt nicht allein auf das Wohlergehen des Kindes, sondern dienen auch der Wahrung Rechte Dritter. 2. Weitere Kinderrechte enthalten einige der von Polen ratifizierten internationalen Verträge bzw. ergeben sich aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Dazu zählt die bereits erwähnte UN-Kinderrechtskonvention. Zu nennen ist auch das Europäische Übereinkommen über die Ausübung der Kinderrechte vom 25. Januar 1996, welches, bislang von neun Staaten ratifiziert, am 1. Juli 2000 in Kraft trat.278 Der Schwerpunkt liegt auf der Gewährung 277 Weitere Rechtsakte die Kinderrechte enthalten sind aufgeführt bei: Szyman´czak, Konwencja o prawach dziecka ONZ, Uwagi o realizacji konwencji przez Rzeczpospolita˛ Polska˛, Kancelaria Sejmu biuro Studiów i Ekspertyz, September 1999, Informacja Nr. 684, S. 10 ff. 278 Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten, in Kraft getreten am 1. Juli 2000, ETS Nr. 160. Europäisches Übereinkommen über die Ausübung der
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von Verfahrensrechten für Kinder in Familienprozessen zur Durchsetzung materieller Rechte, aber nicht auf deren Statuierung.279 Das Übereinkommen regelt z. B. das Recht des Kindes auf Meinungsäußerung im Verfahren, Art. 3. Kritische Stimmen beklagen, dass der Vertrag hinter die bereits anerkannten Standards der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 9) und der EMRK (Art. 6) zurückfällt, da er Kindern in Familienprozessen beispielsweise nur in bestimmten Fällen die Möglichkeit einräumt, sie zu hören (Art. 6 b iii).280 Interessanterweise empfiehlt das Übereinkommen in Art. 12 den Staaten auch die Schaffung von Kinderrechtsinstitutionen. So sollen die Vertragsparteien Organe unterstützen, welche sich der Förderung und Ausübung von Kinderrechten widmen, indem sie Vorschläge zur Stärkung der Kinderrechte einbringen, zu Kinderinteressen tangierenden Gesetzgebungsvorhaben ihre Meinung äußern und die Öffentlichkeit über den Stand der Umsetzung der Kinderrechte informieren. Die aufgeführte Liste der Funktionen wird als nicht abschließend betrachtet.281 Weiterhin ratifizierte Polen die Europäische Konvention über die Adoption von Kindern vom 24. April 1967282, das Haager ÜbereinkomKinderrechte, in Polen am 1. Juli 2000 in Kraft getreten 7. Dezember 2000, in: Dz. U. 2000, Nr. 107, Pos. 1128. Deutschland hat am 10. April 2002 das Übereinkommen ratifiziert; Stand der Ratifikationen, unter: http://conventions.coe.int/ Treaty/EN/cadreprincipal.htm; eingesehen am 25. Februar 2005. 279 Parlamentarische Versammlung des Europarats, Building a 21st century society with and for children: follow-up to the European strategy for children (Recommendation 1286 (1996), Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 6. September 2001 (Berichterstatter: Mr. Cox), Doc. 9188, S. 12; siehe Parlamentarische Versammlung des Europarats, giving an opinion on the draft European Convention on the exercise of children’s rights (Berichterstatter: Mrs Jaani) vom 30. März 1995, Doc. 7270, S. 6. 280 Siehe Parlamentarische Versammlung des Europarats, Building a 21st century society with and for children: follow-up to the European strategy for children (Recommendation 1286 (1996), Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 6. September 2001 (Berichterstatter: Mr. Cox), Doc. 9188, S. 13. 281 Am Fehlen von Eingriffsbefugnissen der Organe zum Wohle der Kinder äußerte die Parlamentarische Versammlung Kritik; vgl. Parlamentarische Versammlung des Europarats, giving an opinion on the draft European Convention on the exercise of children’s rights (Berichterstatter: Mrs Jaani), vom 30. März 1995 Doc. 7270, S. 15. Sowohl das Ministerkomitee als auch die Begründung zum Übereinkommen haben bei dieser Bestimmung einen Kinderombudsmann vor Augen, ohne ihn allerdings als die einzig mögliche Alternative anzusehen. Damit erfüllen auch anders konzipierte Kinderschutzinstitutionen die Erfordernisse des Art. 12 des Übereinkommens, z. B. die Kinderkommission des Deutschen Bundestages; siehe Ministerkomitee des Europarats, Antwort des Ministerkomitees auf die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. April 2000 bzgl. der Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmannes 1460 (2000) vom 20. April 2001. 282 Europäische Konvention über die Adoption von Kindern, in: Dz. U. 1999, Nr. 99, Pos. 1157.
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men über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993283, die Europäische Konvention über den Rechtsstatus nichtehelicher Kinder vom 15. Oktober 1975284 und das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980285. Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union im Jahr 2004 gelten auch die in den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und der EUGrundrechtscharta formulierten Rechte des Kindes in Polen. Angesichts der vergleichsweise zahlreichen deutschsprachigen Literaturquellen und der erst kurzen Mitgliedschaft Polens erfolgen die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt über die in Deutschland geltenden Kinderrechte.286 3. Ein Gesetz, welches Kinderrechte enthält ist u. a. das Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten selbst. Danach hat der Beauftragte alle ihm möglichen Schritte zu unternehmen, um Kindern ein sicheres und harmonisches Aufwachsen zu ermöglichen, Art. 3 Abs. 1 KinderG. Insbesondere widmet er sich dabei dem Schutz von Leben und Gesundheit sowie dem Recht der Kinder, in einer Familie aufzuwachsen. Außerdem ist es die Aufgabe des Beauftragten, sich für ein Heranwachsen der Kinder unter adäquaten sozialen Bedingungen sowie für ein Recht auf Bildung einzusetzen, Art. 3 Abs. 2 KinderG. Der Schutz vor Gewalttaten, insbesondere für behinderte Kinder, ist ein weiterer Aufgabenbereich, Art. 3 Abs. 4 KinderG. Daneben finden sich auch Kinderrechte im bereits erwähnten Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch. Zahlreiche Vorschriften im II. Titel des Gesetzbuches (Art. 95 § 3, Art. 106, Art. 109, Art. 113, Art. 125 § 1) verlangen die Beachtung des Wohls des Kindes, z. B. bei der Ausübung des elterlichen Erziehungsrechtes und bei Entscheidungen des Vormundschaftsgerichts.287 Weitere Gesetze, die Vorschriften über die Entwicklung oder den Schutz von Kindern enthalten, sind z. B. das Gesetz über das Bildungssystem288, das Gesetz über Verfahren in Angelegenheiten mit Minderjährigen (Jugend283 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, in: Dz. U. 2000, Nr. 39, Pos. 448. 284 Europäische Konvention über den Rechtsstatus nichtehelicher Kinder, in: Dz. U. 1999, Nr. 79, Pos. 888. 285 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, in: Dz. U. 1995, Nr. 108, Pos. 528. 286 Vgl. Abschnitt D.II.3. 287 Vgl. zu Art. 440 Zivilverfahrensgesetzbuch (vom 17. November 1964 in: Dz. U. 1964, Nr. 43, Pos. 296 mit Änderungen), der ebenfalls das Wohl des Kindes schützt: Stojanowska, Dobro dziecka, 1999, S. 105 f. 288 Gesetz über das Bildungssystem vom 7. September 1991, in: Dz. U. 1991, Nr. 95, Pos. 425 mit Änderungen.
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strafgesetzbuch)289, das Gesetz über die Erziehung zur Nüchternheit und dem Kampf gegen Alkoholismus290, das Gesetz über die staatlichen Sanitätsinspektionen291 sowie das Gesetz über Familienplanung, den Schutz des menschlichen Embryos und die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs.292 4. Von den zahlreichen in Polen erlassenen Rechtsverordnungen zum Schutz von Kindern seien an dieser Stelle exemplarisch nur folgende genannt: die Rechtsverordnung über allgemeine Vorschriften über die Sicherheit und Hygiene an Schulen und öffentlichen Stellen293, die Rechtsverordnung über den Umfang, die Organisation und die Form der Gesundheitsvorsorge bei Schülern294 sowie die Rechtsverordnung über die Aufnahme von Personen ohne polnische Staatsbürgerschaft in Kindergärten, Schulen, Anstalten der Lehrerausbildung und Arbeitsstätten295. cc) Untersuchung ausgewählter Kinderrechte Der Kinderrechtsbeauftragte handelt gemäß Art. 3 Abs. 2 KinderG zum Schutz von Kinderrechten insbesondere in folgenden Angelegenheiten: 1. bezüglich des Rechts von Kindern auf Leben und Schutz der Gesundheit, 2. bezüglich des Rechts von Kindern in einer Familie aufzuwachsen, 3. bezüglich des Rechts von Kindern auf angemessene soziale Bedingungen, 4. bezüglich des Rechts von Kindern auf Bildung. 289 Gesetz über Verfahren in Angelegenheiten mit Minderjährigen vom 26. Oktober 1982, in: Dz. U. 2002, Nr. 11, Pos. 109. 290 Gesetz über die Erziehung zur Nüchternheit und dem Kampf gegen Alkoholismus vom 26. Oktober 1982 in: Dz. U. 1982, Nr. 25, Pos. 230 mit Änderungen. 291 Gesetz über die staatlichen Sanitätsinspektionen vom 14. März 1985, in: Dz. U. 1985, Nr. 12, Pos. 49 mit Änderungen. 292 Gesetz über Familienplanung, den Schutz des menschlichen Embryos und die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs vom 7. Januar 1993, in: Dz. U. 1993, Nr. 17, Pos. 78 mit Änderungen. Das Gesetz konkretisiert Art. 71 Abs. 2 pV. 293 Rechtsverordnung über allgemeine Vorschriften über die Sicherheit und Hygiene an Schulen und öffentlichen Stellen vom 31. Dezember 2002, in: Dz. U. 2003, Nr. 6, Pos. 69. 294 Rechtsverordnung über den Umfang, die Organisation und die Form der Gesundheitsvorsorge bei Schülern vom 29. Dezember 1995, in: Dz. U. 1996, Nr. 4 Pos. 31. 295 Rechtsverordnung über die Aufnahme von Personen ohne polnische Staatsbürgerschaft in Kindergärten, Schulen, Anstalten der Lehrerausbildung und Arbeitsstätten vom 4. Oktober 2001, in: Dz. U. 2001 Nr. 131 Pos. 1458.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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Die aufgeführte Liste nennt, in Form von Regelbeispielen, nur eine repräsentative Auswahl der in zahlreichen unterschiedlichen Rechtsakten verankerten Kinderrechte. Außerdem handelt die Institution gemäß Art. 3 Abs. 3 KinderG, der die in Artt. 19, 32, 34, 36, 37 UN-Kinderrechtskonvention genannten Rechte aufgreift, um Kinder vor Gewalt, Grausamkeiten, Ausbeutung, Sittenverfall, Vernachlässigung und anderen gefährlichen Behandlungen zu schützen. Angelehnt an Art. 3 Abs. 2 KinderG sollen nun exemplarisch 1. das Recht auf Leben, 2. das Recht auf Gesundheit, 3. das Recht auf Bildung sowie 4. das Recht, in einer Familie aufzuwachsen näher dargestellt werden. 1. Dem polnischen Kinderrechtsbeauftragten obliegt es, das Recht von Kindern auf Leben zu schützen. Das Recht auf Leben ist das Recht zu leben, das Recht auf körperliches Dasein.296 Dieses Recht ist ein ursprüngliches und unveräußerliches Recht, d.h. es besteht unabhängig vom Willen des Gesetzgebers und kein Dritter kann ermächtigt werden über das Leben zu entscheiden.297 Das Recht auf Leben wird in Polen durch zahlreiche internationale und nationale Rechtsvorschriften gewährleistet. An erster Stelle sei die UN-Kinderrechtskonvention genannt, die ausdrücklich Kindern ein angeborenes Recht auf Leben sowie Überleben durch Art. 6 UN-Kinderrechtskonvention garantiert.298 Das Recht auf Leben als universelles und unveräußerliches Menschenrecht sowie die Verpflichtung der Staaten dieses zu schützen, findet sich zudem in zahlreichen weiteren von Polen ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen299, beispielsweise im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte300 (IPBPR) in Art. 6 Abs. 1 sowie in der EMRK301 in Art. 2 Abs. 1. Neben den internationalen Verträgen gewährleistet die polnische Verfassung als oberste Rechtsquelle in Art. 38 allen Menschen und damit auch Kindern rechtlichen Schutz des menschlichen Lebens.302 Der gewährte Schutz umfasst das menschliche Leben bis zum 296 Sarnecki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 38 pV S. 2; Jarass/ Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 2 Rn. 61, 7. Auflage, München 2004. 297 Vgl. Giezek/Kokot, Granica ludzkiego z ˙ ycia a jego prawna ochrona, in: Banaszak/Preisner (Hrsg.), Prawa i wolnos´ci obywatelskie w Konstytucji RP, Warszawa 2002, S. 101–117, S. 102. 298 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Dorsch, Die Konvention, 1994, S. 127 ff. 299 Vgl. die Auflistung bei Czyz ˙, Prawa Dziecka, Warszawa 2002, S. 40. 300 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, in: Dz. U. 1977, Nr. 38, Pos. 167. 301 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, in: Dz. U. 1993, Nr. 61, Pos. 284 mit Änderungen. 302 Die Polnische Literatur macht den Streit an den Begriffen „Schutz des Lebens“ und „Schutz des Rechts auf Leben“ fest, wobei in ersterem nicht nur das
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Tod, wobei auf den Hirntod303 abzustellen ist.304 Umstritten ist allerdings bei Verfassung und genannten völkerrechtlichen Verträgen, ob der Zeitraum vor der Geburt vom Rechtsschutz umfasst ist.305 Hinsichtlich der polnischen Verfassung ist dies, folgt man grundsätzlich der oben ausführlich dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zu bejahen. Detaillierte Regelungen zum Schutz des ungeborenen Lebens enthalten u. a. das polnische Strafgesetzbuch306 (Art. 152–154, 157a) sowie das Gesetz zur Familienplanung, zum Schutz des Fötus und den Bedingungen zur Beendigung einer Schwangerschaft307. Insgesamt kann bereits mit Verweis auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 KinderG festgestellt werden, dass der Kinderrechtsbeauftragte auch für den Schutz des Lebens ungeborener Kinder zuständig ist.308 Verletzungen des Lebens einer Person können von verschiedener Seite erfolgen. Zu unterscheiden ist zwischen Verletzungen durch Eingriffe von Seiten des Staates, Verletzungen durch andere Personen und Organisationen sowie Verletzungen des Lebens durch eigenes Tun.309 Denkbare staatliche Eingriffe in das Recht auf Leben sind beispielsweise der finale Todesschuss im Rahmen des Polizeirechts. Solche gesetzlichen Einschränkungen des verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf Leben sind dem polnischen Gesetzgeber nur unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 3 pV möglich. Danach dürfen entsprechende staatliche EinRecht auf sondern auch die Pflicht zu Leben gesehen wird und in letzterem Fall die Entscheidung über das eigene Leben möglich ist. Die Autoren vertreten zu Recht die Auffassung, dass es sich hier entgegen dem genauen Wortlaut der Verfassung um einen Schutz des Rechts auf Leben handelt: Giezek/Kokot, Granica ludzkiego, 2002, S. 103. – Zu den Unterschieden zwischen Recht auf Leben und Schutz des Rechts auf Leben siehe auch Sarnecki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 38 pV S. 3. 303 Ausführlich zur genauen Bestimmung des Hirntods: Giezek/Kokot, Granica ludzkiego, 2002, S. 112. 304 Uerpmann, § 3 Höchstpersönliche Rechte und Diskriminierungsverbot, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin 2003, S. 47–72, S. 64. 305 Siehe dazu die Ausführungen zum Begriff des Kindes in Abschnitt C.VI.1.a)aa); vgl. zu Art. 2 Abs. 1 EMRK mit weiteren Anmerkungen: Uerpmann, § 3 Höchstpersönliche Rechte, 2003, S. 64. 306 Strafgesetzbuch (Kodeks Karny) vom 6. Juni 1997, in: Dz. U. 1997, Nr. 88, Pos. 553 mit Änderungen. 307 Gesetz zur Familienplanung, zum Schutz des Fötus und den Bedingungen zur Beendigung einer Schwangerschaft vom 7. Januar 1993, in: Dz. U. 1993, Nr. 17, Pos. 78 mit Änderungen. 308 Vgl. die Ausführungen im Abschnitt C.VI.1.a)aa). 309 Dazu Giezek/Kokot, Granica ludzkiego, 2002, S. 102.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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griffe nur in einem Gesetz beschlossen werden, wenn sie in einem demokratischen Staat u. a. wegen seiner Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit oder wegen der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig sind. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte hat in diesem Bereich wenig Anlass und Einfluss zu Handeln. Vorstellbar ist aufgrund der sich möglicherweise aus den Gesetzen ergebenden Implikationen für Kinder eine Beteiligung des Kinderrechtsbeauftragten an entsprechenden Gesetzesinitiativen.310 Zu den Verletzungen des Rechts auf Leben durch Dritte zählen Tötungsdelikte und prinzipiell auch der Schwangerschaftsabbruch. Dem Staat obliegt es grundsätzlich, solche Verletzungen aufgrund einer bestehenden Schutzpflicht zu unterbinden, was in der Regel durch den Erlass von Strafgesetzen auch bezüglich der Straftaten von Jugendlichen erfolgt.311 Differenziert betrachtet werden muss dies allerdings beim Schwangerschaftsabbruch. Hier hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, die gesetzliche Schutzintensität an die Entwicklungsphasen des Nasciturus anzupassen, so dass Phasen des Abbruchs straffrei sein können.312 Der Kinderrechtsbeauftragte hat aufgrund der bestehenden Strafgesetze zum Schutz des Lebens auf diesem Gebiet nur relativ begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Denkbar ist eine Mitarbeit an entsprechenden Gesetzesinitiativen. In der Vergangenheit beteiligte er sich insbesondere an der Erarbeitung des Jugendstrafgesetzbuches. Tätigkeitsfelder eröffnen sich für ihn im Bereich des Schwangerschaftsabbruches, indem er sich durch Informationskampagnen gezielt für das Recht auf Leben der ungeborenen Kinder einsetzt. Verletzungen des Lebens sind ebenso durch eigenes Tun, z. B. durch Selbsttötung oder den Konsum von bestimmten Rauschmitteln möglich. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Handlungsfreiheit des sich Verletzenden gemäß Art. 31 Abs. 1 pV den staatlichen Schutz des Rechtsguts Leben vor dem Verletzenden selbst nicht ausschließt und ob es überhaupt eine Verpflichtung des Staates gibt, den einzelnen vor sich selbst zu schützen. Anders ausgedrückt, besteht tatsächlich eine staatliche Schutzpflicht bei Eigenverletzungen, deren Konsequenz gleichzeitig die Bestrafung von Selbsttötungen wäre,313 oder nur ein staatliche Schutzbefugnis. Von letzterem ist auszugehen. Diese Befugnis, z. B. einen Selbstmord zu verhindern, ermöglicht es gleichzeitig, Personen in ihrer Handlungsfreiheit – sich selbst zu verletzen – einzuschränken. Eine gewünschte Tötung durch Dritte ist auf310 311 312 313
Zu den Kompetenzen siehe den folgenden Abschnitt C.VI.2. Dazu auch Giezek/Kokot, Granica ludzkiego, 2002, S. 103. Dazu ebenda, S. 105 f. Vgl. Ausführungen oben in Fn.: 302.
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grund der Unveräußerlichkeit des Rechts auf Leben dagegen nicht mehr von der Handlungsfreiheit umfasst. Dies hat zur Folge, dass das Leben des Sterbewilligen vor dem Eingriff Dritter zu schützen ist.314 In diesem Zusammenhang ergeben sich auch für den Kinderrechtsbeauftragten zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Neben Aufklärungskampagnen bezüglich des Konsums von Rauschmitteln durch Kinder sind in diesem Rahmen auch Gesetzesinitiativen und die Einflussnahme auf Entscheidungen von Behörden sowie die Information der Öffentlichkeit denkbar.315 2. Der Kinderrechtsbeauftragte handelt außerdem zum Schutz der Gesundheit von Kindern. Unter Gesundheit wird dabei das vollständige physische, psychische und soziale Wohlergehen einer Person und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen verstanden. Normiert ist das Recht auf Schutz der Gesundheit u. a. in Art. 68 Abs. 1 und 3 pV, in Art. 12 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte316 (IPWSR) sowie konkretisiert für Kinder in Art. 24 UN-Kinderrechtskonvention. Bei Art. 68 pV handelt es sich allerdings nicht um ein subjektives Recht, sondern um eine sog. Zielbestimmung (norma programowa).317 Obwohl Art. 68 Abs. 1 pV jedermann das Recht auf Schutz der Gesundheit einräumt und, betrachtet man die Norm isoliert von den weiteren Absätzen, klar der Adressatenkreis „jedermann“ bestimmt zu sein scheint, geht die polnische Lehre davon aus, dass Art. 68 pV in seiner Gesamtheit mit allen 5 Absätzen zu beurteilen ist. Daraus ergibt sich, so Trzcin´ski, dass Adressat der Regelungen allein die öffentliche Gewalt ist und Art. 68 pV eine zu den ökonomischen Rechten gehörende verfassungsrechtliche Zielbestimmung darstellt.318 Konkretisiert wird die verfassungsrechtliche Bestimmung durch 314
Giezek/Kokot, Granica ludzkiego, 2002, S. 104. Zu den Kompetenzen siehe Abschnitt C.VI.2. Im Jahr 2003 wandte er sich an den Staatspräsidenten mit der Bitte ein Veto gegen die Gesetzesänderung über die Erziehung zur Nüchternheit und die Bekämpfung des Alkoholismus einzulegen: vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 159. 316 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. und 19. Dezember 1966, in: Dz. U. 1977, Nr. 38, Pos. 169. 317 Dazu Gizbert-Studnicki/Grabowski, Normy programowe w konstytucji, in: Trzcin´ski (Hrsg.), Charakter i struktura norm konstytucji, Warszawa 1997, S. 95–112. 318 Art. 68 pV besteht aus 5 Absätzen, die in engem Zusammenhang stehen. Absatz 1, der das Recht auf Schutz der Gesundheit regelt, findet seine Konkretisierung im Wesentlichen in den Absätzen 2–5; dazu Trzcin´ski (Bearb.) in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 68 pV S. 2 ff.; siehe auch Winczorek, Komentarz, 2000, S. 91 f.; siehe auch zu den Möglichkeiten, dennoch Rechte aus der Norm vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen: ders., S. 6 f. 315
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zahlreiche Gesetze, wie beispielsweise das Gesetz über die allgemeine Versicherung im staatlichen Gesundheitsfond319, das Gesetz über den Schutz der psychischen Gesundheit320 und das Gesetz über die staatliche Sanitätsinspektion.321 Neben zahlreichen Rechtsverordnungen gibt es noch ein vom Ministerrat am 3. September 1996 aufgelegtes – rechtlich unverbindliches – Staatliches Gesundheitsprogramm, welches die Ziele und Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspolitik in Polen bis 2005 festlegt und große praktische Bedeutung besitzt.322 Dem Kinderrechtsbeauftragten stehen im Bereich des Rechts auf Gesundheit von Kindern zahlreiche Einsatzmöglichkeiten offen. Insbesondere kann er die Erarbeitung von Gesetzen initiieren, die Bevölkerung und das Parlament über die medizinische Versorgung der polnischen Kinder informieren sowie Aufklärungsarbeit leisten. Konkret wirkt der Kinderrechtsbeauftragte beispielsweise im Bereich der Patientenrechte von Kindern323, bei Lücken im Bereich des Gesetzes über die allgemeine Versicherung im staatlichen Gesundheitsfond, die für gewisse minderjährige Personengruppen, z. B. Kindern ab drei Jahren von nicht versicherten Personen, keine kostenlose Gesundheitsversorgung vorsah324 sowie bei der medizinischen Versorgung in Schulen und hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchung von Minderjährigen.325 3. Ein weiteres Recht von Kindern, welches der Kinderrechtsbeauftragte zu schützen verpflichtet ist, ist das Recht auf Bildung. Es findet sich u. a. in Art. 70 Abs. 1 pV, in den Artt. 28 und 29 UN-Kinderrechtskonvention sowie in Art. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Gemäß Art. 70 Abs. 1 pV hat jedermann in Polen das Recht auf Bildung und damit auf Schulunterricht. Unter Bildung kann man bei weitem Verständnis den gesamten gesellschaftlichen Lebensprozess verstehen, mit dem der Einzelne bewusst und mit Unterstützung für sich und zum Wohle der Gesellschaft seine persön319
Gesetz über die allgemeine Versicherung im staatlichen Gesundheitsfond vom 31. Januar 2003, in: Dz. U. 2003, Nr. 45, Pos. 391. 320 Gesetz über den Schutz der psychischen Gesundheit vom 19. August 1994, in: Dz. U. 1994, Nr. 111, Pos. 535 mit Änderungen. 321 Vgl. die Auflistung bei Dercz, Prawne podstawy ochrony zdrowia dzieci, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 166–182, S. 168 f. 322 Ebenda, S. 169. 323 Vgl. dazu die Publikation Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Prawa dziecka jako pacjenta, Warszawa 2003, welche ausführlich die bestehenden Patientenrechte untersucht. 324 Vgl. dazu Dercz, Prawne podstawy ochrony, 2003, S. 171 f. 325 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2001 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002, S. 14 ff.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
lichen Möglichkeiten, Einstellungen, Fähigkeiten und Ansichten erweitert. Versteht man den Begriff der Bildung dagegen eng, so erfolgt der Bildungsprozess insbesondere in Schulen und anderen Bildungsstätten.326 Adressat der Norm ist zum einen die öffentliche Gewalt, weil ihr es obliegt ein Schulsystem zu unterhalten, und zum anderen die Eltern, da sie die aus dem Schulrecht resultierende Schulpflicht ihrer minderjährigen Kinder durchsetzen müssen.327 Die Bildung an allen staatlichen Schulen ist in Polen für jedermann kostenlos.328 Für alle Staatsbürger besteht zudem ein allgemeiner und gleicher Zugang zur Bildung an diesen Schulen. Der Begriff des gleichen Zugangs ist jedoch nicht absolut zu verstehen. Unterschiedliche Qualifikationen dürfen auch unterschiedlich behandelt werden. Um einen allgemeinen und gleichen Zugang gewähren zu können, wird durch ein staatliches System eine individuelle finanzielle und organisatorische Hilfe für Schüler ermöglicht.329 Art. 70 Abs. 3 pV sichert zudem eine freie Wahl der Schule zu. Gewählt werden kann allerdings – verfassungsrechtlich garantiert – nur zwischen einer staatlichen oder einer privaten Bildungsinstitution. Die übrigen Wahlmöglichkeiten u. a. hinsichtlich des Schulorts und der Art der Schule finden sich in einfachen Gesetzen. Welchen Charakter das Recht auf Bildung hat, ist in der polnischen Lehre umstritten. Für einige Vertreter handelt es sich um ein Recht, welches seinem Charakter nach zu den sozialen Rechten – den Versorgungsrechten – gehört.330 Eine Mindermeinung nimmt dagegen an, bei dem Recht auf Bildung handele es sich um ein Freiheitsrecht des Einzelnen, in das der Staat nicht eingreifen darf. Bei der alleinigen Wahrnehmung des Handlungsrechts durch die Eltern kann allerdings die Gefahr einer Verletzung des Kindeswohls bestehen, da die Eltern aufgrund ihres Eigeninteresses mitunter nicht im ausreichenden Maß den Willen und das objektive Wohl des Kindes berücksichtigen. So sind Fälle denkbar, in denen Eltern ihre Kinder auf Schulen schicken möchten, die für die Kinder unter geistigen und körperlichen Gesichtpunkten ungeeignet sind. Auszugehen ist daher beim Recht auf Bildung von einem so326
Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 50. 327 Schulpflicht besteht gemäß Art. 70 pV bis zum 18. Lebensjahr. Genauere Ausführungen diesbezüglich sind gesetzlich geregelt. 328 An Hochschulen kann für bestimmte Leistungen, wie Abendstudiengänge, ein Entgelt verlangt werden: Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 70 pV S. 5; vgl. auch PVerfGH vom 8. November 2000, Az.: SK 18/99. 329 Näher zu den Stipendiensystemen Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 70 pV S. 7 f.; siehe auch Rudak, Prawo do nauki, in: Banaszak/Preisner (Hrsg.), Prawa i wolnos´ci obywatelskie w Konstytucji RP, Warszawa 2002, S. 489–505, S. 500 ff. 330 Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 70 pV S. 3.
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zialen Recht, welches allerdings aufgrund der unterschiedlichen Adressaten auch Eigenschaften eines Freiheitsrechts aufweist.331 Dem Kinderrechtsbeauftragten eröffnen sich hinsichtlich der Durchsetzung des Rechts auf Bildung zahlreiche Tätigkeitsfelder. So kann er, wie beim Schutz der oben aufgeführten Rechte, die Erarbeitung von Gesetzen initiieren, die Bevölkerung und das Parlament über die Bildungsfragen und die Situation in Schulen informieren, Aufklärungsarbeit leisten und die zuständigen Behörden in konkreten Angelegenheiten zum Handeln auffordern. Unter besonderer Beobachtung durch den Kinderrechtsbeauftragten stehen dabei Diskriminierungen ethnischer und nationaler Minderheiten hinsichtlich des gleichen Zugangs zu öffentlichen Schulen, die Schulnetzplanung332, das Niveau der Lehrer, das wachsende Analphabetentum bei jungen Personen333, die Situation in den Schulen, die Mitentscheidung an Schulen durch Eltern und Schüler sowie die Bestrafung an Schulen.334 Außerdem werden erlassene Rechtsverordnungen kritisch auf ihre Umsetzung hinterfragt, wie beispielsweise die Rechtsverordnung vom 7. Januar 2003 in der Angelegenheit der Gewährung und Organisation von psychologischer und pädagogischer Unterstützung in staatlichen Kindergärten, Schulen und Stellen.335 4. Dem Kinderrechtsbeauftragten kommt außerdem die Aufgabe zu, das Recht des Kindes in einer Familie aufzuwachsen zu schützen. Ähnlich formuliert es die Präambel der UN-Kinderrechtskonvention, die in den Familien die Grundeinheit der Gesellschaft und die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen insbesondere der Kinder sieht und vorgibt, dass das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit in einer Familie aufwachsen soll. Die polnische Verfassung schützt in den Artt. 18, 48, 53 Abs. 3 und 71 sowohl das Elternrecht als auch das Wohl der Familie. Ähnliche Regelungen finden sich u. a. auch in den Artt. 5, 9, 331 Vgl. Rudak, Prawo do nauki, 2002, S. 495; Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 70 pV S. 4 f. 332 So werden häufig öffentliche Schulen geschlossen an deren Stelle dann nichtöffentliche entstehen: Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 51. 333 Und Halbanalphabetentum: siehe dazu Wejner, Wyrównywanie szans edukacyjnych uczniom ze specyficznymi trudnos´ciami w uczeniu sie˛, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 127–131, S. 130. 334 Weiterführend dazu Konarzewski, System os ´wiaty: wczoraj, dzis´ i jutro, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 113–120; Wejner, Wyrównywanie szans edukacyjnych uczniom ze specyficznymi trudnos´ciami w uczeniu sie˛, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 127–131; Dzierzgowska, Wybrane problemy systemy edukacji w Polsce i na s´wiecie, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 132–134. 335 Dazu Wejner, Wyrównywanie szans, 2003, S. 128 f.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
18 und 27 UN-Kinderrechtskonvention. Beide Elemente, der Schutz des Familienwohls und das Elternrecht, sind wesentliche Voraussetzungen für ein harmonisches Aufwachsen des Kindes in der Familie und somit für das Kindeswohl. Ausdrücklich findet sich das Recht des Kindes, in einer Familie aufzuwachsen, allerdings weder in der Verfassung noch in den verbindlichen Rechtssätzen der UN-Kinderrechtskonvention. Es ergibt sich aber aus einer Gesamtbetrachtung der erwähnten Vorschriften und ist zudem gesetzlich in Art. 3 KinderG verankert. Was allgemeinsprachlich unter dem Begriff der Familie zu verstehen ist, unterliegt einem fortlaufenden gesellschaftlichen Wandel. So verändern sich in der Realität Struktur und Funktion der Familie. Während in der Vergangenheit insbesondere die Verwandtschaft die Familie im weiten Sinn darstellte, versteht man heute die Kleinfamilie der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen darunter (enger Familienbegriff).336 Aber auch das Verständnis von der Kleinfamilie ändert sich. Das Ehepaar mit Kindern ist längst nicht mehr die einzig denkbare Form einer Familie. Nichtverheiratete Eltern mit Kindern, Alleinerziehende und erziehende Großeltern gelten im gesellschaftlichen Bewusstsein ebenfalls als Familien.337 Die allgemeine Wahrnehmung von Familie ist vom juristischen Familienbegriff jedoch zu unterscheiden. Sie tendieren in der Regel zwar aufeinander zu, sind aber nicht kongruent.338 In den polnischen Gesetzen selbst finden sich sehr unterschiedliche Legaldefinitionen von „Familie“. So legt die polnische Abgabenordnung mit ihren Regeln in Art. 111 § 3 einen sehr weiten Familienbegriff zugrunde, wenn sie alle Abkömmlinge des Steuerpflichtigen, alle Verwandten, Eltern, den Ehegatten, den Lebenspartner und die Adoptierten dazuzählt.339 Das polnische Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch (FamilienG) versteht unter dem Begriff der Familie hingegen nur verheiratete Personen mit oder ohne Kinder. Dies ergibt sich trotz fehlender Legaldefinition aus den Art. 10 § 1, Art. 23, 24 und 27 FamilienG, welche, anders als im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Soziologie üblich, nicht zwischen Familie und Ehe unterscheiden.340 Von Interesse bleibt daher, was Art. 71 Abs. 1 pV, der bestimmt, dass der Staat bei seiner Sozial- und Wirtschaftspolitik das Wohl der Familie 336
Vgl. Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, in: Banaszak/Preisner, Prawa i wolnos´ci obywatelskie w Konstytucji RP, Warszawa 2002, S. 463–488, S. 463. 337 Vgl. Schwab, Familienrecht, München 2003, S. 1 f. Zu den weiteren Formen des Zusammenlebens Strzebin´czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 27. 338 Siehe dazu Schwab, Familienrecht, 2003, S. 1 f. 339 Polnische Abgabenordnung vom 29. August 1997, in: Dz. U. 1997, Nr. 137, Pos. 926 mit Änderungen. 340 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 28 f.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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zu berücksichtigen hat, unter dem Begriff der Familie versteht. Eine Legaldefinition liefert die Verfassung nicht, aber es wird angenommen, dass eine Familie jede dauerhafte Verbindung von zwei oder mehreren Personen ist, die gewöhnlich ihre Stütze in der Ehe, in der Verwandtschaft oder Schwägerschaft hat. Dabei gibt es verschiedene Familientypen. Als Grundlage für den Familienbegriff der Verfassung diente die vollständige Familie, bestehend aus – grundsätzlich verheirateten – Eltern und ihren Kindern. Geschützt werden aber u. a. auch größere Familienverbände sowie Familien mit allein erziehenden Elternteilen oder kinderlose Ehepaare.341 Stimmen in der Lehre zählen ferner die im „Konkubinat“ – der nichtehelichen Lebensgemeinschaft – zusammenlebenden Eltern von gemeinsamen Kindern zum Begriff „Familie“.342 Herrschend ist diese Ansicht wohl noch nicht, wenngleich sie eine immer stärkere Stellung einnimmt. Eine homosexuelle Gemeinschaft bildet dagegen keine Familie im Sinne von Art. 71 Abs. 1 pV.343 Was unter dem Wohl der Familie zu verstehen ist, bestimmt die Verfassung nicht. Der Verfassungsgerichtshof nimmt an, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der anerkannten politischen Grenzen über das Wohl entscheidet, wobei er bei seinen Lösungen den Erfordernissen der Verfassung gerecht werden muss.344 Ausgegangen wird von einer unterstützenden und ergänzenden Rolle des Staates. Die Verfassung nennt selbst keine Instrumente, wie das Wohl der Familie zu gewährleisten ist.345 Da das Wohl der Familie eine wichtige Voraussetzung für das harmonische Aufwachsen des Kindes in der Familie und für dessen Wohlergehen ist, setzt sich der Kinderrechtsbeauftragte nicht nur für das Wohl des Kindes, 341 Siehe dazu Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 71 pV S. 2 f. Inwieweit vom verfassungsrechtlichen Familienbegriff auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft sowie die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft erfasst werden, lässt Garlicki dagegen mit einem Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR offen. 342 Vgl. Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 464; anderer Ansicht: Smyczyn´ski, Rodzina i prawo rodzinne w s´wietle nowej Konstytucji, in: PiP 1997, Heft 11–12, S. 185–194, S. 188. 343 Vgl. dagegen die Entscheidungen des EGMR Goodwin ./. Vereinigtes Königreich (Beschwerde Nr. 28957/95, ECHR 2002-VI, in: NJW-RR 2004, S. 289) und I ./. Vereinigtes Königreich (Beschwerde Nr. 25680/94), in denen der Gerichtshof auf die sich wandelnden Auffassungen zum traditionellen Institut der Ehe hinwies. Dabei zog er Art. 9 EU-Charta heran, die lediglich von einem Recht auf Eheschließung spricht, ohne dies auf Männer und Frauen zu beschränken: vgl. Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, München 2003, S. 28 f. 344 Vgl. PVerfGHE vom 8. Mai 2001, Az.: P.15/OO, OTK ZU 2001, Nr. 4, Pos. 83, S. 494–495. 345 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Garlicki (Bearb.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, 2002, Art. 71 pV S. 4.
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sondern auch, obwohl nicht gesetzlich festgeschrieben, für das Wohl der Familie ein.346 Instrument des Schutzes des Kindes durch die Eltern ist die elterliche Gewalt.347 Diese wird – neben der Familie – als sog. Elternrecht durch den Staat in Art. 18 pV geschützt und garantiert als weitere Säule ein harmonisches Aufwachsen des minderjährigen Kindes und dessen Wohl insgesamt. Sie umfasst die Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihrem Kind als Person sowie gegenüber dessen Vermögen.348 Über die elterliche Gewalt verfügen nur die natürlichen Eltern und die Adoptiveltern des Kindes. Andere Personen können an der Ausübung jedoch teilhaben.349 Ein wesentlicher Aspekt bei der Wahrnehmung der elterlichen Gewalt ist die Erziehung. Unter Erziehung durch die Eltern versteht man das Einprägen und Festigen von bestimmten Weltanschauungen und Überzeugungen sowie von moralischen, ethischen und sittlichen Werten, Art. 53 Abs. 3 pV. Bei der Erziehung sollen von den Eltern die „Reife“350 des Kindes, seine Anschauungen und seine Gewissens- und Bekenntnisfreiheit berücksichtigt werden, Art. 48 Abs. 1 S. 2 pV. Hierbei handelt es sich um eine sog. Programmnorm, deren Einhaltung in der Praxis von staatlicher Seite aus faktisch nicht kontrollierbar und durchsetzbar ist. Wie die Erziehung darüber hinaus konkret auszuüben ist, regelt Art. 48 pV nicht. Er trifft insbesondere keine Festlegungen, was unter einer guten oder schlechten Erziehung zu verstehen ist.351 Art. 40 pV gibt jedoch eine Grenze für die Ausübung der 346 Aus dem Recht des Kindes in einer Familie aufzuwachsen ergibt sich auch im Fall einer Trennung das Recht auf Kontakt des Kindes mit seinen Eltern. Dem kann nach einer Trennung insbesondere durch ein gemeinsames Wahrnehmen der Verpflichtungen (Sorgerecht) gegenüber dem Kind entsprochen werden, so grundsätzlich Art. 61 § 3 FamilienG; vgl. auch Art. 9 UN-Kinderrechtskonvention. 347 Vgl. Smyczyn ´ ski, Legislacyjne podstawy ochrony praw dziecka, in: Rzecznik praw dziecka (Hrsg.), Polska dla Dzieci, Warszawa 2003, S. 45–51, S. 47. Zur Kritik am Begriff elterliche Gewalt, den einige Autoren durch den Begriff der elterlichen Obhut ersetzt wissen wollen: vgl. u. a. Strzebin´czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 278 f. Zum Begriff selbst Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 470; da es sich jedoch um einen traditionellen Rechtsbegriff in Polen handelt, wird er in dieser Untersuchung so verwendet. 348 Art. 95 § 1 FamilienG; die Obhut über das Kindsvermögen sowie die Aufsichtspflicht der Eltern sollen an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. Außerdem hat die Ausübung der elterlichen Gewalt auch den gesellschaftlichen Interessen zu entsprechen; Art. 95 § 3 FamilienG; vgl. dazu die Ausführungen oben im Abschnitt C.VI.1.a)bb). 349 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 285. 350 Zur Eingrenzung diesen Begriffes Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 469. 351 Sarnecki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 48 pV S. 1.
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elterlichen Gewalt vor, indem er festlegt, dass niemand der Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder demütigen Behandlung und Bestrafung unterworfen werden darf, und außerdem die Anwendung von Leibstrafen verbietet. Grzejdziak sieht darin ein Grundrecht mit Drittwirkung und schließt daraus ein Verbot der Eltern, solcher Art körperliche Strafen anzuwenden.352 Wann die elterliche Gewalt anfängt, ist in Art. 92 FamilienG nicht expressis verbis geregelt und umstritten. Eine Ansicht in der Lehre vertritt die Auffassung, dass sie mit dem Zeitpunkt der Geburt, ab dem das Kind gemäß Art. 8 Zivilgesetzbuch die volle Rechtsfähigkeit erlangt, beginnt. Probleme bereitet diese Ansicht, wenn man berücksichtigt, dass der Kinderrechtsbeauftragte bereit mit der Empfängnis für den Schutz der Kinder zuständig ist und damit vom Zeitpunkt der Empfängnis bis zur Geburt mangels elterlicher Gewalt die Rechte und Pflichten der Eltern nicht berücksichtigen müsste. Dies widerspräche dem Geist des polnischen Kinderombudsmanngesetzes. Eine weitere Lehrmeinung geht davon aus, dass die elterliche Gewalt bereits mit dem Zeitpunkt der Befruchtung besteht. Sie begründet dies mit einer analogen Anwendung von Art. 182 FamilienG, der die Einsetzung eines für das Kind bereits vor der Geburt zuständigen Kurators/Pflegers ermöglicht. Die Vertreter dieser Lehre folgern daraus, dass die Eltern bereits vor der Geburt den Status eines Kurators bei ihrem eigenen ungeborenen Kind innehaben, da sie bereits in diesem Stadium wichtige Entscheidungen zum Schutz ihres Kindes treffen.353 Zu nennen sind Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge durch die Eltern, Verzicht auf Rauschund Betäubungsmittel sowie die Entscheidung für das Leben des Kindes an sich. Konsequenz für das Handeln des Kinderrechtsbeauftragten wäre, dass er bereits in diesem Zeitraum den Willen der Eltern zu berücksichtigen hätte. Die elterliche Gewalt umfasst in der Regel den Zeitraum bis zur Volljährigkeit. Unterbrechungen bzw. Beendigungen der elterlichen Gewalt sind jedoch u. a. denkbar beim Tod von Eltern oder Elternteilen, nach der Adoption eines Kindes und bei Aberkennung der elterlichen Gewalt. Wesentlich sind folglich für das harmonische Aufwachsen des Kindes in einer Familie drei Elemente: das Kindeswohl, das Familienwohl und das Elternrecht. Sie können miteinander übereinstimmen, sind aber nicht immer deckungsgleich. Denkbar sind beispielsweise Fälle, in denen das elterliche Erziehungsrecht nicht dem Wohl des Kindes entspricht. Möglich ist auch, dass die Wahrnehmung des Erziehungsrechtes durch getrennte, nicht mehr 352 Ausführlich mit weiteren Anmerkungen dazu Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 478 f. 353 Siehe dazu mit weiteren Ausführungen Strzebin ´ czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 285.
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in einer Familie lebende Eltern erfolgt.354 Optimal ist das Aufwachsen des Kindes, wenn es in seiner eigenen Familie geschieht und das Erziehungsrecht durch beide Eltern zum Wohl des Kindes ausgeübt wird. Harmonisch aufwachsen kann ein Kind aber auch in einer Kleinfamilie, in der ein Elternteil das Elternrecht zu seinem Wohle wahrnimmt. Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung eines harmonischen Aufwachsens bleibt das Kindeswohl. Dem Kinderrechtsbeauftragten eröffnen sich beim Schutz des Kinderrechtes, in einer Familie aufwachsen zu können, zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Sein Handlungsschwerpunkt liegt dabei aber nicht auf der Durchsetzung des Familienwohls, sondern auf der des Kindeswohls. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte beschäftigt sich in der Praxis vielfach mit der Situation von Kindern in unvollständigen Kleinfamilien mit allein erziehenden Elternteilen, da deren ökonomische Situation im Vergleich zu in vollständigen Familien aufwachsenden Kindern häufig schlechter ist.355 Weitere Bereiche der Tätigkeit sind u. a. die häufig von Vätern vorgebrachte Durchsetzung des Kontakts mit dem getrennt lebenden Elternteil sowie Fragen der Alimentzahlungen.356 2. Die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten In diesem Kapitel wird untersucht, ob die gesetzlichen Regelungen, neben den beschriebenen Aufgaben des Kinderrechtsbeauftragten, angemessene Durchsetzungsbefugnisse aufweisen. Als Befugnisse bzw. Kompetenzen eines Organs bezeichnet die polnische Lehre dessen gesetzlich bestimmte Ermächtigung, mittels eines festgelegten Verfahrens tätig werden zu können. Es handelt sich bei den Kompetenzen der staatlichen Organe nicht um subjektive Rechte, sondern um übertragene, der Allgemeinheit und der Wahrung der staatlichen Rechtsordnung dienende Handlungspflichten.357 Die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten finden sich in den Artikeln 9–11a KinderG. Dazu zählen das Informationsbeschaffungsrecht sowie die Kontroll- und Interventionsbefugnisse. Letztere nimmt der Kinderrechtsbeauftragte in Form von Warnungen, Anzeigen und Anregungen gegenüber 354 Dann hat das Kind einen Anspruch auf Kontakt mit beiden Eltern, der sich aus dem Recht in einer Familie aufzuwachsen ergibt. Weitergehend dazu Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 474. 355 Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der finanziellen Unterstützung von Ersatzfamilien; vgl. den Tätigkeitsbericht 2001 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002, S. 24 f. 356 Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 26 f. 357 Siehe dazu Boc ´ , Prawo administracyjne, Wrocław 2003, S. 141 f.; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 235.
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anderen Organen wahr.358 Der Kinderrechtsbeauftragte darf die an ihn herangetragenen Angelegenheiten nicht selbst entscheiden, sondern kann sich nur in der genannten Form an die zuständigen Organe wenden. Die rechtliche Durchsetzbarkeit seiner Anliegen anderen Organen gegenüber war bis zur Novellierung allerdings ausgesprochen begrenzt, so dass man seine Handlungsinstrumente insgesamt zu recht, als „soft-instruments“ bezeichnete.359 Der Kinderrechtsbeauftragte war sowohl hinsichtlich der Anzahl als auch der Ausgestaltung mit weit weniger Kompetenzen als der Bürgerrechtsbeauftragte ausgestattet. Dies hat sich mit der Gesetzesänderung, die seit November 2008 gilt, rechtlich gesehen geändert. Allerdings gibt es derzeit noch keine Erkenntnisse bezüglich der tatsächlichen Anwendung, der Rechtswirklichkeit. Aus diesem Grund soll sowohl auf die bisherige Rechtslage als auch auf die Neuerungen eingegangen werden. Der erste Abschnitt untersucht die allgemeinen, gegenüber allen Organen, Organisationen und Institutionen bestehenden Rechte des Kinderrechtsbeauftragten. Im zweiten Abschnitt soll die spezifische Zusammenarbeit des Kinderrechtsbeauftragten mit bestimmten Organen und Organisationen, wie z. B. dem Ombudsmann, dem Parlament und dem European Network dargestellt werden, da die Erfüllung seiner Aufgaben im Wesentlichen nur im Zusammenspiel mit anderen Verfassungsorganen, sonstigen Organen der öffentlichen Gewalt und NGOs möglich ist. In beiden Abschnitten richtet sich der Blick auch auf die tatsächliche Umsetzung seiner Befugnisse. Der dritte Abschnitt nimmt abschließend unter Einbeziehung der Regelungen beim Ombudsmann eine Bewertung der Handlungsinstrumente des Kinderrechtsbeauftragten vor. a) Das Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten Art. 9 KinderG bestimmt, dass der Beauftragte die im Gesetz vorgesehenen Tätigkeiten aus eigener Initiative, unter besonderer Beachtung von Informationen über Kinderrechts- und Kindeswohlverletzung aufnimmt. Die durch den polnischen Kinderrechtsbeauftragten eingeleiteten Verfahren sind folglich auf die Offizialmaxime gestützt. Der Kinderrechtsbeauftragte entscheidet nach dem Erhalt entsprechender Hinweise sowohl über die Einleitung als auch die Beendigung des Verfahrens.360 Wer diese Informationsquellen sein können, oder anders ausgedrückt, wer Zugang zum Kinder358
Vgl. Dercz/Izdebski, Mały do duz˙ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002. 359 Vgl. http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Eastern_Europe/Poland/Poland. htm; S. 4; eingesehen am 13.01.2004. 360 Bekannt im Zusammenhang mit dem deutschen Strafprozessrecht, nach der die Staatsanwaltschaft die Herrschaft über das Verfahren hat.
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rechtsbeauftragten hat, ließ das Gesetz bislang offen. Nachdem Vorschläge während des Gesetzgebungsprozesses, die eine ausdrückliche gesetzliche Festlegung der Antragssteller vorsahen, keine Mehrheit fanden361 und sich stattdessen der Formulierungsvorschlag von Działocha durchsetzte, wurde davon ausgegangen, dass jede – natürliche oder juristische – Person oder gesellschaftliche Organisation Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten hat.362 Damit waren auch Kinder Informationsquellen für ein künftiges Handeln des Kinderrechtsbeauftragten.363 Art. 9 Abs. 1 KinderG stellt nun klar, dass der Kinderrechtsbeauftragte „. . . unter besonderer Beachtung der von Bürgern und ihren Organisationen eingehenden Informationen . . .“ seine Tätigkeit aufnimmt. Umstritten war beim Gesetzgebungsprozess, ob der Kinderrechtsbeauftragte neben allgemeinen Kinderrechtsproblemen auch für individuelle Anfragen zuständig sein sollte. Eine Möglichkeit, die zahlreiche andere Länder für ihre Kinderrechtsombudsmänner ausschlossen, worauf die Gegner einer individuellen Zuständigkeit hinwiesen.364 Letztlich entschied sich der Gesetzgeber für die oben genannte Formulierung des Art. 9 KinderG mit der Konsequenz, dass aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Einschränkung der Kinderrechtsbeauftragte in individuellen Fällen tätig werden kann. Ob der Kinderrechtsbeauftragte allerdings bei Familienkonflikten intervenieren darf, soll später untersucht werden.365 Gegenstand der Beanstandungen können allgemeine Probleme sowie individuelle und konkrete Rechtsakte und Entscheidungen, z. B. Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen, sein, soweit sie eine Verletzung von Kinderrechten oder des Kindeswohls beinhalten. Eine eigene Betroffenheit ist nicht erforderlich. Sonstige besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie die Einhaltung von Fristen und die Erschöpfung des Rechtsweges gibt es bei einer Beschwer beim Kinderombudsmann nicht. Ob der Kinderrechtsbeauftragte in der Praxis, gleich dem Ombudsmann, bestimmte Angelegen361 So forderte Stefan Pastuszka bereits während des Verfassungsgebungsprozesses folgende Formulierung: „Jedes Kind hat das Recht in Angelegenheiten, die im Gesetz näher bestimmt sind, sich an den Kinderrechtsbeauftragten mit dem Antrag um Hilfe beim Schutz seiner Rechte und seiner Persönlichkeit zu wenden . . .“, in: Bulletin der Verfassungskommission der Nationalversammlung Nr. 1460/II vom 11. April 1995. 362 Sejm-Biuletyn Nr. 1790/III vom 9. Juli 1999; vgl. dazu auch die Ausführungen zum Ombudsmann von Balicki, Rzecznik Praw Obywatelskich, in: Banaszak/ Preisner (Hrsg.), Prawa i wolnos´ci obywatelskie w Konstytucji RP, Warszawa 2002, S. 789–805, S. 792. 363 Daneben u. a. auch Eltern, Vormünder, Institutionen, Erzieher und die Medien; vgl. die Statistik im Tätigkeitsbericht 2001 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002, S. 113. 364 Vgl. Cyman ´ ski, in: Sejm-Biuletyn Nr. 1669/III vom 22. Juni 1999. 365 Siehe Abschnitt C.VII.
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heiten nicht weiter behandelt, bis die zuständigen Behörden über die Angelegenheiten entschieden haben, kann mangels entsprechender Hinweise nicht beantwortet werden.366 Denkbar ist dies allerdings. b) Die Informationsbeschaffungs- und Interventionskompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten Die Verfahren des Kinderrechtsbeauftragten wie des Ombudsmannes besitzen, insbesondere in individuellen Fällen, in der Regel Kontrollcharakter. Die Kontrolle von anderen Organen durch den Kinderrechtsbeauftragten hat unparteiisch, fachbezogen, effektiv und effizient zu erfolgen, wobei sich die Effizienz an den eingesetzten finanziellen Mitteln für die Kontrolle misst. Je weniger Mittel zur Erreichung eines umfangreichen Ergebnisses veranschlagt werden, desto effizienter ist die Kontrolle. Der Besitz hinreichender Informationen zu einem individuellen oder allgemeinen Problem ist die Voraussetzung für jegliches Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten, mit oder ohne Kontrollcharakter. Neben den oben beschriebenen Informationsquellen, die eigenständig den Kontakt zum Kinderrechtsbeauftragten suchen, räumt ihm deshalb Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KinderG367 die Möglichkeit ein, sich an Organe der öffentlichen Gewalt, Organisationen und Institutionen hinsichtlich der Erteilung von Informationen zu wenden. Erlaubt ist ihm dabei ausdrücklich die Einsichtnahme in Akten und Dokumente, welche persönliche Daten enthalten. Adressaten des Kinderrechtsbeauftragten können grundsätzlich nur öffentlich-rechtliche Organe, Organisationen und Institutionen sein. Darunter versteht man Rechtssubjekte, deren hoheitliche Kompetenzen auf Rechtsvorschriften beruhen, unabhängig davon, ob ihr Wesen sie für eine Zugehörigkeit zum Staatsapparat qualifiziert.368 Dem Kinderrechtsbeauftragten steht ein Recht auf vollständige und zuverlässige Informationsbeschaffung von Seiten der öffentlichen Organe zu. Allein aus den Bestimmungen im KinderG ergab sich bislang allerdings keine durchsetzbare Verpflichtung der Organe mit dem Kinderrechtsbeauftragten zusammenzuarbeiten. Entsprechende rechtliche Sanktionsmöglichkeiten des Kinderrechtsbeauftragten im Falle einer verweigerten Zusammenarbeit fehlten.369 In der Praxis war der Kinderrechtsbeauftragte daher 366
Balicki, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2002, S. 794 f. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 KinderG (alte Fassung). 368 Vgl. dazu die Ausführungen zum Bürgerrechtsbeauftragten: S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 56. 369 Vgl. Błaz ˙ewicz, Rzecznik, 2003, S. 45; Dercz/Izdebski, Mały do duz˙ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, in: Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002. 367
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bei der Informationsbeschaffung auf eine gute Zusammenarbeit mit den einzelnen Organen angewiesen. Ein hartes Durchsetzungsinstrument bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben war Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 KinderG (alte Fassung) folglich nicht. Jetzt verpflichtet Art. 10b KinderG ausdrücklich Organe, Organisationen und Institutionen, an die sich der Beauftragte bezüglich der Erlangung von Informationen gewandt hat, zur Zusammenarbeit. Eine weitere Befugnis des Kinderrechtsbeauftragten ist es, sich gemäß Art. 10a Abs. 1 KinderG370 an die zuständigen Organe, Organisationen und Institutionen wenden zu können, damit diese im Rahmen ihrer Kompetenzen Handlungen in Kinderangelegenheiten vornehmen. In der Regel wird der Kinderrechtsbeauftragte von dieser Befugnis nur in individuellen Fällen Gebrauch machen. Ein entsprechendes Vorgehen setzt auf seiner Seite eine umfassende fachliche Vorabprüfung des Vorgangs voraus. Dabei benötigt der Kinderrechtsbeauftragte für die Umsetzung seines Anliegens genaue Kenntnisse hinsichtlich der Zuständigkeit der einzelnen Organe sowie über deren konkretes Handeln in der Angelegenheit. Eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung auf Seiten der Adressaten, die vorgeschlagenen Handlungen vorzunehmen, bestand in der Praxis mangels entsprechender Regelungen nicht. Dies hat sich mit Art. 10a Abs. 2–4 KinderG grundlegend geändert. Danach müssen Organe, Organisationen und Institutionen, an die sich der Beauftragte wendet, die weitergeleiteten Angelegenheiten aufnehmen und ihn innerhalb von 30 Tagen über die vorgenommenen Handlungen oder den eingenommenen Standpunkt informieren. Unterlassen sie die Information, kann der Beauftragte sich bezüglich der Aufnahme entsprechender Handlungen an die zuständige übergeordnete Einheit wenden. Durchsetzungsfähige Kompetenzen, die in der polnischen Lehre auch als „harte“ Kompetenzen bezeichnet werden, besaß der Kinderrechtsbeauftragte bislang nur gemäß Art. 11 Abs. 1 und 3 KinderG.371 Danach konnte und kann der Beauftragte den zuständigen Organen der öffentlichen Gewalt, Organisationen und Institutionen Gutachten und Vorschläge unterbreiten, die auf einen wirkungsvolleren Schutz der Rechte und des Wohls des Kindes und auf eine Verbesserung der Erledigung der Fälle in diesem Bereich abzielen. Mit dieser Befugnis kann er vorschriftswidriges oder Kinderrechte nicht ausreichend berücksichtigendes Handeln durch die genannten Organe aufgreifen und diesen vorhalten. Seine gewonnenen Erkenntnisse basieren dabei oft auf seiner Arbeit an Einzelfällen. Die Adressaten sind verpflichtet, dazu innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Vorschlags Stellung zu neh370
Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KinderG (alte Fassung). Vgl. Dercz/Izdebski, Mały do duz˙ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002. 371
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men. Es bleibt ihnen allerdings vorbehalten, ob und wie sie den Gutachten und Vorschlägen des Kinderrechtsbeauftragten folgen. Eine ablehnende Stellungnahme schließt das Gesetz nicht aus. In der Praxis spielte daher bei der Durchsetzung der unterbreiteten Vorschläge die Autorität des Kinderrechtsbeauftragten eine nicht zu unterschätzende Rolle. c) Sonstige Kompetenzen Neben seinen Informationsbeschaffungs- und Interventionsbefugnissen sind nun die Möglichkeiten hinsichtlich des Erlasses von Rechtsakten sowie seiner Beteiligung bei der Gesetzgebung zu untersuchen. 1. Der Kinderrechtsbeauftragte besitzt, wie der Ombudsmann, keine Kompetenz, allgemein verbindliche Normativakte zu erlassen. Dies ergibt sich bereits aus den verfassungsrechtlichen Vorschriften, welche abschließend die zur Rechtsetzung befugten Organe nennen. Anders sieht es im Bereich des als offen geltenden internen Rechtsquellensystems aus. Der Erlass von nach innen gerichteten Rechtsakten an unterstellte Organisationseinheiten steht dem Kinderrechtsbeauftragten zu.372 Da der Kinderrechtsbeauftragte bei seiner Arbeit gemäß Art. 13 Abs. 1 KinderG von seinem Büro unterstützt wird, kann er in diesem Rahmen auch interne Rechtsakte setzen. Das Büro ist gemäß § 5 Abs. 1 KinderGO zur Befolgung dieser Anordnungen, Entscheidungen, Beschlüsse, Richtlinien und Anweisungen verpflichtet. 2. Ein Gesetzesinitiativrecht sehen die Vorschriften des polnischen Kinderombudsmanngesetzes ebenfalls nicht vor. Dies entspricht der rechtlichen Ausgestaltung aller eingangs untersuchten europäischen Kinderombudsmanninstitutionen.373 Der Kinderrechtsbeauftragte kann allerdings nach Art. 11 Abs. 2 KinderG mit einem Vorschlag an die zuständigen Organe herantreten, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Eine entsprechende Zuständigkeit besitzen gemäß Art. 118 Abs. 1 und 2 pV mindestens 15 Sejm-Abgeordneten, der Senat auf Anregung seiner Ausschüsse oder von mindestens 10 Senatoren374, der Staatspräsident, der Ministerrat sowie eine Gruppe von mindestens 100.000 Staatsbürgern, die das Wahlrecht zum Sejm haben und gemäß Art. 32 Abs. 2 SejmGO auch Ausschüsse des Sejm. Bezüglich der Anregung zum Erlass oder der Änderung untergesetzlicher Rechtsakte stehen dem Kinderrechtsbeauftragten gleichfalls die Kompetenzen des Art. 11 Abs. 2 KinderG zu. Die Organe, Institutionen und Organisationen, an die sich der Beauftragte mit dem Vorschlag einer Gesetzesinitiative, der Anre372 373 374
Vgl. Ausführungen im Abschnitt C.VI.1.b)aa). Vgl. Ausführungen im Abschnitt B.IV. Vgl. Art. 79 Abs. 1 SenatsGO.
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gung zum Erlass oder der Änderung untergesetzlicher Rechtsakte wendet, sind gemäß Art. 11 Abs. 3 KinderG verpflichtet, innerhalb von 30 Tage nach Erhalt zum Vorschlag Stellung zu nehmen. Die formale Beteiligung des Kinderrechtsbeauftragten bei der Erstellung von Kinderrechtsfragen tangierenden Gesetzentwürfen und bei entsprechenden Gesetzgebungsverfahren ist nicht zwingend vorgeschrieben. Zwar ist eine Hinzuziehung des Beauftragten im Anfangsstadium der Gesetzgebung oder im Rahmen einer Expertenanhörung im laufenden Verfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 SejmGO möglich, steht jedoch dem jeweils zuständigen Organ frei. In der Praxis ist diese Form der Beteiligung jedenfalls nicht selbstverständlich.375 Sie erfolgt vereinzelt, wie das Beispiel der Stellungnahme des Kinderrechtsbeauftragten und Bürgerrechtsbeauftragten zum Volksantrag über das „Verbot von Werbung in den Massenmedien“ vom 12. November 2003 zeigt.376 d) Das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Organen der öffentlichen Gewalt In den folgenden Abschnitten soll auf das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Organen der öffentlichen Gewalt näher eingegangen werden. Von Interesse ist die wechselseitige Ausgestaltung der Befugnisse unter Einbeziehung von Erfahrungen aus der Praxis. aa) Zusammenwirken mit den Organen der Kontrolle und des Rechtsschutzes (1) Zusammenwirken mit dem Ombudsmann Die Zusammenarbeit des Kinderrechtsbeauftragten mit dem Ombudsmann ist im novellierten KinderG nicht mehr ausdrücklich geregelt. Vielmehr gelten die allgemeinen Vorschriften gegenüber staatlichen Organen. Nach der alten Fassung konnte der Kinderrechtsbeauftragte bisher gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KinderG (alte Fassung) an den Bürgerrechtsbeauftragten herantreten, damit dieser im Rahmen seiner Kompetenzen Handlungen in Kinderangelegenheiten vornimmt. Grundsätzlich beinhaltete dabei Art. 10 KinderG (alte 375 Chojnacka/Komar-Morawska bei einem Interview mit der Verfasserin am 4. Februar 2004 im Kinderombudsmannbüro in Warschau, die zum damaligen Zeitpunkt bedauerten, dass eine aktuelle Gesetzesinitiative der Regierung ohne Hinzuziehung des Kinderrechtsbeauftragten „gestrickt“ wurde. 376 Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 164.
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Fassung) keine Verpflichtung der Organe, Organisationen und Institutionen, dem Ersuchen des Kinderrechtsbeauftragten nachzukommen. Eine Ausnahme ergab sich meiner Ansicht nach aber für den Bürgerrechtsbeauftragten aus der Auslegung des Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung), der explizit vorsah, dass der Kinderrechtsbeauftragte Angelegenheiten an den Bürgerrechtsbeauftragten weiterleiten konnte. Eine Übertragung geschah insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Bürgerrechtsbeauftragten bis 2008 wesentlich mehr Handlungsbefugnisse zustanden als dem Kinderombudsmann.377 Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung) bestimmte konkret, dass der Ombudsmann die vom Kinderrechtsbeauftragten weitergeleiteten Angelegenheiten aufnimmt (podje˛cie sprawy). Diese Formulierung entsprach jedoch nicht der Regelung in Art. 9 Abs. 2a BürgerG, welche die Aufnahme von Handlungen (podje˛cie czynnos´ci) durch den Bürgerrechtsbeauftragten auf Antrag des Kinderrechtsbeauftragten vorsieht. Als Kompromisslösung im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Senats zustandegekommen, war nun in der Lehre streitig, zu welchen Konsequenzen diese unterschiedlichen Termini bei der Zusammenarbeit der beiden Organe führen.378 Auf der einen Seite wurde vertreten, dass der Begriff der „Aufnahme der Angelegenheit“ gemäß Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung) im Lichte von Art. 9 Abs. 2a BürgerG als „Aufnahme von Handlungen“ auszulegen ist. Folgt man dieser Ansicht und nimmt die Regelung in Art. 9 Abs. 2a BürgerG zur Grundlage, hätte es gemäß Art. 11 BürgerG an der Bewertung des Bürgerrechtsbeauftragten gelegen, ob er die vom Kinderrechtsbeauftragte übertragene Angelegenheit weiter untersucht oder nicht. S´wia˛tkiewicz ging davon aus, dass sich dieser Entscheidungsspielraum des Bürgerrechtsbeauftragten aus seiner unabhängigen verfassungsrechtlichen Stellung ergibt.379 Eine Ansicht, die so bereits im Gesetzgebungsprozess vom ehemaligen Bürgerrechtsbeauftragten A. Zielin´ski vertreten wurde.380 Izdebski und Dercz versuchten, den Konflikt der unterschiedlichen Begrifflichkeit anders zu lösen, indem sie davon ausgingen, dass die Vornahme von Handlungen durch den Bürgerrechtsbeauftragten nur eine Möglichkeit der Aufnahme der weitergeleiteten Angelegenheiten ist. Folglich verstanden sie den Begriff der Aufnahme der Angelegenheiten „podje˛cie sprawy“ weiter als den der Handlungsaufnahme „podje˛cie czynnos´ci“. Die Aufnahme von Angelegenheiten umfasste ihrer Ansicht 377 Dies gilt zum Teil auch heute noch. So hat der Bürgerrechtsbeauftragte das Recht, vor dem PVerfGH ein Verfahren gemäß Art. 191 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 188 pV zu beantragen, bei dem er u. a. die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung klären lassen kann. 378 Sejm-Biuletyn Nr. 2307/III vom 15. Dezember 1999. 379 S ´ wia˛tkiewicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2001, S. 51, wohl auch Arcimowicz, Rzecznik Praw Obywatelskich, 2003, S. 56. 380 Vgl. Sejm-Biuletyn Nr. 2307/III vom 15. Dezember 1999.
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nach die Aufnahme von Verfahrenshandlungen, über welche das Gesetz spricht und die damit verbundenen Verpflichtungen zur Durchführung von angemessenen Ermittlungen und formalen Akten. Izdebski und Dercz konzentrierten sich bei ihrer Argumentation auf die Ablehnung einer Gleichsetzung der Begriffe „podje˛cie sprawy“ und „podje˛cie czynnos´ci“ i. S. v. Art. 9 Abs. 2a BürgerG aus systematischen Gründen. Sie begründeten dies damit, dass die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit des Bürgerrechtsbeauftragten nicht als Abkehr vom Grundsatz der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Gewalt, der so in der Präambel der Verfassung formuliert ist, interpretiert werden darf. Dies gilt inbesondere, weil beide Beauftragte Verfassungsorgane sind.381 Ein Beleg für diese Ansicht war auch Art. 1 Abs. 2a BürgerG, der eine Zusammenarbeit des Bürgerrechtsbeauftragten mit dem Kinderrechtsbeauftragten in Kinder betreffenden Angelegenheiten vorsieht. Wie diese zu erfolgen hat, lässt die Bestimmung allerdings offen. Untermauert wird die Ansicht von Izdebski und Dercz mit einem Blick auf die kontroversen Verhandlungen bei der Gesetzgebung. Die Mehrheit der Abgeordneten – ob Befürworter oder Gegner – nahm an, dass der Änderungsvorschlag des Senats, so wie er sich in Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung) findet, eine Verpflichtung des Bürgerrechtsbeauftragten zur Bearbeitung darstellte.382 Insgesamt gesehen war die gesetzliche Regelung in Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung) jedoch außerordentlich unzulänglich, da sie aufgrund der geschilderten Auslegungsmöglichkeiten ein großes Konfliktpotential enthielt. Mit der Ausweitung der Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten und der Einführung des Art. 10a KinderG wurde dieser Streit nunmehr gelöst.383 In der Praxis war die Zusammenarbeit nach der alten Rechtslange dennoch weit weniger problembehaftet als es die rechtlichen Grundlagen vermuten lassen. Die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung wird als gut beschrieben.384 So fanden in der Regel monatliche Zusammenkünfte zwischen beiden Beauftragten statt, auf denen u. a. das gemeinsame Vorgehen in individuellen und allgemeinen Fällen besprochen wurde.385 Außerdem besitzt das Ombuds381
Vgl. Dercz/Izdebski, Mały do duz˙ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, in: Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002. 382 Działocha ging als Unterstützer des Senatsvorschlages davon aus, das die Weiterleitung durch den Kinderrechtsbeauftragten eine Verpflichtung des Bürgerrechtsbeauftragten beinhaltet, die Angelegenheit aufzunehmen und über das weitere Verfahren zu entscheiden; Sejm-Biuletyn Nr. 2307/III vom 15. Dezember 1999. 383 Vgl. Ausführungen unter C.VI.2.b). 384 Chojnacka/Komar-Morawska bei einem Interview mit der Verfasserin am 4. Februar 2004 im Kinderombudsmannbüro in Warschau. 385 Nach Auskunft des ehemaligen Kinderrechtsbeauftragten Piechowiak gab oder gibt es eine schriftliche Vereinbarung über die Zusammenarbeit beider Beauftragter. Diese war der Verfasserin nicht zugänglich; vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV, S. 87.
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mannbüro eine eigene korrespondierende Fachabteilung „Recht der Familie und Schutz der Rechte von behinderten Personen“, welche sich, anders als der Titel vermuten lässt, mit Kinderangelegenheiten beschäftigt und auch Ansprechpartner für das Kinderombudsmannbüro ist.386 Die Hilfeersuchen der beiden Beauftragten erfolgen wechselseitig, d.h. auch der Bürgerrechtsbeauftragte bittet den Kinderrechtsbeauftragten um Stellungnahmen und Unterstützung bei Initiativen. Gemeinsam wandten sich beide Beauftragte Anfang 2003 an den Ministerpräsidenten mit dem Anliegen, eine starke Zentrale innerhalb der Regierung zu schaffen, welche die Politik betreffend Kinder und Familien koordiniert und realisiert.387 Ein weiterer Bereich des Zusammenwirkens ist die Organisation von Konferenzen, wie z. B. im Jahr 2002 über „Die Stellung des Kindes im polnischen Familienrecht“.388 (2) Zusammenwirken mit der Obersten Kontrollkammer und dem Landesrat für Rundfunk und Fernsehen Neben dem Ombudsmann arbeitet der Kinderrechtsbeauftragte auch mit anderen Organen der Kontrolle und des Rechtsschutzes zusammen. 1. Das betrifft insbesondere sein Zusammenwirken mit der Obersten Kontrollkammer (OKK), der die Überprüfung der Organe der Regierungsverwaltung, der Polnischen Nationalbank, der staatlichen juristischen Personen389 und anderer staatlicher Organisationseinheiten390 gemäß Art. 2 Abs. 1 Gesetz über die Oberste Kontrollkammer (OKKG) obliegt. Obligatorisch geprüft wird die Rechtmäßigkeit Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Redlichkeit der Tätigkeiten.391 Rechtmäßigkeit ist dann gegeben, wenn die Handlungen der überprüften Organisationseinheit auf einer Ermächtigungsgrundlage beru386 Siehe zur Struktur und den Aufgaben der Abteilung: http://www.brpo.gov.pl/ index.php?poz=70&id=2&wydruk=1; eingesehen am 28.10.2004. 387 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 121. 388 Siehe die Beispiele im Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV, S. 88 f. 389 Zu den juristischen Personen zählen Einheiten, denen ausschließlich Vermögen dem Fiskus zusteht, z. B. Staatsunternehmen und Hochschulen: dazu Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 561. 390 Alle anderen staatlichen Einheiten, die nicht juristische Personen sind, und ihren Haushalt nach dem im Haushaltsrecht bestimmten Grundsätzen führen. Dazu zählen sog. „Hilfsbetriebe“ (gospodarstwa pomocnicze), wirtschaftliche Nebenbetriebe von Anstalten mit regelmäßig nicht gewerblichem Charakter, Definition bei Kilian, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Warszawa 2000, S. 88; im Übrigen Banaszak, Prawo Konstytucyjne, 1999, S. 561. 391 Art. 5 Abs. 1 Gesetz über die Oberste Kontrollkammer vom 23. Dezember 1994, Dz. U. 1995, Nr. 13, Pos. 59 mit Änd.
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hen und den Vorschriften entsprechen. Zur Erfüllung des Kriteriums Wirtschaftlichkeit müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen soll mit den aufgewendeten Mitteln der maximale Erfolg erreicht und zum anderen soll zur Erreichung des Ziels die Variante mit dem geringsten dafür notwendigen Kostenaufwand gewählt werden. Zweckmäßig ist die Tätigkeit der Organe dann, wenn die Handlung zum beabsichtigten Ziel führt und das Verfahren zur Zielerreichung auf der richtigen Wahl der Mittel beruht. Unter Redlichkeit versteht man die Vereinbarkeit der Tätigkeiten mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik sowie mit dem guten Glauben.392 Des Weiteren prüft die OKK gemäß Art. 4 Abs. 1 OKKG u. a. die Präsidialkanzlei, den Sejm und den Senat, das polnische Verfassungsgericht, den Bürgerrechtsbeauftragten, den Landesrat für Rundfunk und Fernsehen, das Landeswahlbüro, das Oberste Gericht, das Oberste Verwaltungsgericht, die staatliche Aufsichtsbehörde für den Arbeitsschutz und den Datenschutzbeauftragten vor allem bezüglich des wirtschaftlichen Handelns und des Haushaltes. Die OKK bewertet, anders als bei den oben genannten Organisationseinheiten gemäß Art. 2 Abs. 1 OKKG, nicht die Ausführung der Aufgaben durch diese Organe.393 Der Kinderrechtsbeauftragte wird in Art. 4 Abs. 1 OKKG im Gegensatz zum Bürgerrechtsbeauftragten allerdings nicht aufgeführt. Hierbei scheint es sich um eine gesetzliche Lücke zu handeln, die mit einer analogen Anwendung des Art. 4 Abs. 1 OKKG geschlossen werden könnte. Konsequent wäre eine entsprechende Anwendung der Vorschrift, insbesondere wenn man den mit dem Bürgerrechtsbeauftragten vergleichbaren Rechtsstatus sowie die vergleichbare Rechtsstellung und rechtliche Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten betrachtet. Die OKK entscheidet sich jedoch gegen eine analoge Anwendung und führt ihre Prüfungen auf Grundlage von Art. 2 Abs. 1 OKKG durch.394 Im Rahmen einer Kontrolle dürfen die Mitarbeiter der OKK u. a. Objekte und Räume der kontrollierten Organe frei betreten, in alle Dokumente Einsicht nehmen, Besichtigungen vornehmen, Zeugen aufrufen und verhören und Aufklärung fordern. Dabei hat der Chef der untersuchten Organisationseinheit, der Kinderrechtsbeauftragte bzw. der Direktor des Kinderombudsmannbüros395, die Pflicht, die OKK bei ihrer Arbeit zu unterstützen, 392 Vgl. Banaszak, Prawo Konstytucyjne, Warszawa 1999, S. 562 f.; auch Winczorek, Komentarz, 2000, S. 260 f. 393 Jarze ˛ cka-Siwik/Liszcz, Komentarz do ustawy o Najwyz˙szej Izbie Kontroli, Warszawa 2000, S. 32. 394 Vgl. Najwyz ˙sza Izba Kontroli, Informacja o wynikach kontroli wykonania budz˙etu pan´stwa w 2002 roku cze˛s´c´ nr. 14 Rzecznik Praw Dziecka, Warszawa 2003 (Kontrollnummer: P/02/042, Nr. ewid. 66/2003/P/02/042/KNO), S. 1. 395 Vgl. § 10 g Geschäftsordnung des Kinderombudsmannbüros und die Ausführungen im Abschnitt C.VI.4.
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Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. a–e OKKG396. Die kontrollierten Organe erhalten eine Bewertung, die im Falle von aufgetretenen Rechtswidrigkeiten Anmerkungen und Anträge zu deren Beseitigung enthält, Art. 60 Abs. 2 OKKG. Die OKK kann sowohl für die Einleitung von Straf- und Disziplinarverfahren als auch für die Entlassung des Leiters der mit Mängeln behafteten organisatorischen Einheit sorgen. Nicht gestattet ist der OKK dagegen, die Ausführung der von ihr erlassener Anordnungen zu verlangen oder aber Strafen gegen Personen kontrollierter Einheiten zu verhängen.397 In der Praxis gab es bislang bei den Kontrollen des Kinderombudsmannbüros durch die Oberste Kontrollkammer keine Beanstandungen.398 Neben dieser Form des Zusammenwirkens regt der Kinderrechtsbeauftragte auch selbst Kontrollen bei der OKK an. Dies erfolgte in der Vergangenheit z. B. hinsichtlich der Wahrnehmung des Rückgangs von Studienanfängern und in Bezug auf die Durchsetzung der Schulpflicht bei Jugendlichen im Alter von 16–18 Jahren.399 2. Der Kinderrechtsbeauftragte arbeitet zudem mit dem Landesrat für Rundfunk und Fernsehen (LfRuF) zusammen. Die Aufgabe des LfRuF ist es, sich für die Meinungsfreiheit im Hörfunk und Fernsehen einzusetzen, die Unabhängigkeit der Sender und die Interessen des Publikums zu schützen sowie ein pluralistisches Radio und Fernsehen zu garantieren, Art. 6 Abs. 1 Rundfunk- und Fernsehgesetz (RuFG).400 So ist er 1. für die Entwicklung der Politik auf dem Gebiet Hörfunk und Fernsehen im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten zuständig, bestimmt 2., auf Grundlage des Gesetzes, die rechtlichen und anderen Bedingungen für den Sendebetrieb, vergibt 3. Sendelizenzen, kontrolliert 4. den Sendebetrieb, organisiert 5. Untersuchungen über den Inhalt und Empfang der Programme, bestimmt 6. die Abonnementsgebühren sowie die Gebühren für Lizenzen und Registrierungen, ist 7. Ansprechpartner bei Gesetzgebungsvorhaben und völkerrechtlichen Verträgen in diesem Bereich, fördert 8. Untersuchungen und technische Entwicklungen im Senderbereich, ist 9. für die Organisation internationaler Kooperationen im Senderbereich zuständig und arbeitet 10. mit 396
Im Übrigen vgl. Art. 29 Abs. 2 Nr. f–h OKKG. Siehe Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 345. 398 Vgl. Najwyz ˙sza Izba Kontroli, Informacja o wynikach kontroli wykonania budz˙etu pan´stwa w 2002 roku cze˛s´c´ nr. 14 Rzecznik Praw Dziecka, Warszawa 2003 (Kontrollnummer: P/02/042, Nr. ewid. 66/2003/P/02/042/KNO), S. 18; Najwyz˙sza Izba Kontroli, Analiza wykonania budz˙etu pan´stwa i załoz˙en´ polityki pienie˛z˙nej w 2003 roku, vom 9. Juni 2004, Anlage 5 Punkt 14. 399 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 122. 400 Rundfunk- und Fernsehgesetz vom 29. Dezember 1992, Dz. U. 1993, Nr. 7 Pos. 34. 397
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Organisationen und Institutionen zusammen, welche sich u. a. dem Schutz der Autorenrechte, dem Recht der Produzenten und der Sender widmen. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, einem Sender den Status als „sozialer Sender“ zu verleihen. Der beschriebene Aufgabenkatalog ist keine abschließende Aufzählung, so dass weitere Bereiche hinzukommen können. Streitig war in der Vergangenheit, wie weitreichend der LfRuF nach Art. 10 Abs. 2 RuFG zur inhaltlichen Kontrolle der Sendungen ermächtigt ist. Der PVerfGH entschied 1994, dass der Landesrat nicht mit inhaltlichen Kontrollen der Sendung vor deren Ausstrahlung Werte, wie das Wohl und die Moral der Allgemeinheit, schützen darf, da ansonsten eine Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit gegeben ist.401 Der Landesrat kann gemäß Art. 213 pV Rechtsverordnungen und Beschlüsse erlassen, so z. B. Rechtsverordnungen über Werbung in Hörfunk und Fernsehen sowie Schutzbestimmungen für Kinder und Jugendliche. In diesem Zusammenhang ergeben sich Schnittstellen zwischen LfRuF und Kinderrechtsbeauftragtem, die eine Zusammenarbeit notwendig machen. So darf sich auf der einen Seite der Kinderrechtsbeauftragte mit Vorschlägen und Gutachten an den LfRuF gemäß Art. 11 Abs. 1 KinderG wenden, wenn es der Schutz von Kinderrechten und -interessen erfordert. Auf der anderen Seite kann der LfRuF den Kinderrechtsbeauftragten z. B. um die Abgabe einer Einschätzung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Kindeswohls und der Kindsinteressen durch bestimmte Sendungen bitten.402 bb) Zusammenwirken mit der Legislative – dem Sejm und Senat Eine enge Verbindung besteht auch zwischen Kinderrechtsbeauftragtem und den beiden Parlamentskammern. Diese zeigte sich in der geschilderten Befugnis von Sejm und Senat, den Kinderrechtsbeauftragten berufen bzw. abberufen zu können.403 Der Kinderrechtsbeauftragte ist, wie zahlreiche andere Verfassungsorgane, dem Sejm, aber auch dem Senat gegenüber zur Abgabe eines jährlichen Berichtes über seine Tätigkeit unter Berücksichtigung des Standes der Einhaltung der Kinderrechte verpflichtet, Art. 12 KinderG.404 401 Beschluss des PVerfGH vom 2. März 1994, W 3/93; abgedruckt in Deutsch bei: Brunner/Garlicki, Verfassungsgerichtsbarkeit in Polen, Baden-Baden 1999, S. 231 ff., S. 237 f. 402 So bat der LfRuF den Kinderrechtsbeauftragte am 11. März 2004 um Auskunft, inwieweit eine bestimmte Fernsehserie das Wohl von Kindern zu beeinträchtigen in der Lage ist; vgl.: http://www.brpd.gov.pl; eingesehen am 2.2.2005. 403 Vgl. Abschnitt C.V.3. 404 Diese Regelung entspricht grundsätzlich der beim Ombudsmann, Art. 212 pV. Nach der Novellierung muss der Bericht bis zum 31. März eines jeden Jahres vorgelegt werden.
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Dem schließt sich in der Praxis eine Debatte in den Parlamentskammern und Ausschüssen an.405 Der Bericht wird zudem gemäß Art. 12 Abs. 2 KinderG der Öffentlichkeit bekannt gemacht.406 Der erste Kinderrechtsbeauftragte Piechowiak erklärte zur jährlichen Informationspflicht, dass diese für ihn keine einfache Obliegenheit darstellte, da die Abgeordneten und Senatoren kurz nach Einführung der Institution sehr investigativ nachfragten.407 Eine Evaluation der Institution durch den Sejm ist dagegen konsequenterweise nicht gesetzlich vorgesehen. Sie würde der Konzipierung der Institution als selbständiges Verfassungsorgan widersprechen. Von Relevanz gegenüber dem Parlament sind insbesondere die Kompetenzen des Kinderrechtsbeaufragten im Bereich der Gesetzgebung. So kann er sich gemäß Art. 11 Abs. 2 KinderG mit dem Vorschlag einer Gesetzesinitiative oder Gesetzesnovellierung an Sejm und/oder Senat wenden, worauf diese verpflichtet sind, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt eine Stellungnahme abzugeben.408 Außerdem ist eine Mitarbeit des Kinderrechtsbeauftragten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens möglich. So kann er zu Gesetzentwürfen, die auf einen wirkungsvolleren Schutz der Rechte und des Wohls des Kindes abzielen, gemäß Art. 11 Abs. 1 KinderG Gutachten und Vorschläge unterbreiten. Sejm und Senat als Adressaten sind nach Abs. 3 im Falle von Vorschlägen durch den Kinderombudsmann verpflichtet, dazu Stellung zu beziehen. Eine entsprechende Regelung für die eingereichten Gutachten sieht Art. 11 Abs. 3 KinderG allerdings nicht vor. Eine Folge der Nichtregelung ist, dass es Sejm und Senat obliegt, zu entscheiden, ob und inwieweit sie sich mit den Gutachten des Kinderrechtsbeauftragten auseinandersetzen. Dass die allgemeine fachliche Beratung in Kinderfragen in der Realität von Seiten des Sejm eher angestrebt wird, zeigen die zahlreichen Beteiligungen des Kinderrechtsbeauftragten an Ausschusssitzungen von Sejm und Senat. Bei diesen Sitzungen gibt er Expertisen, Reporte, Meinungen und Ausarbeitungen zu bestimmten Themen, wie dem Schutz der Gesundheit von Kindern oder der Vorbereitung der Jugendlichen auf den Arbeits405 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 87; Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 120. 406 Die Jahresberichte bis 2005 sind auch auf der Homepage des Kinderrechtsbeauftragten für alle einsehbar. 407 Interview der Verfasserin mit dem ersten Kinderrechtsbeauftragten Polens Marek Piechowiak am 18. Mai 2004 in Słubice. Mit Sicherheit lagen diese Nachfragen auch an der skeptischen Haltung einiger Parlamentarier gegenüber der geschaffenen Institution; siehe dazu auch Abschnitt C.IV.3. 408 Vgl. Abschnitt C.VI.2.c).
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
markt, ab.409 Eine weitere Form der Zusammenarbeit sind seine informellen Treffen mit Parlamentariern, bei denen er hinsichtlich der Änderung von Gesetzen lobbyistisch tätig wird. Um an für ihn relevante Informationen der Regierungsverwaltung zu gelangen, kann der Beauftragte ebenfalls intern die Einreichung von Anfragen und Interpellationen410 durch die Abgeordneten an die Mitglieder des Ministerrates anregen,411 welche die Regierung dem Abgeordneten gegenüber innerhalb einer festgelegten Frist beantworten muss. Die Interpellation kann gemäß Art. 195 Abs. 2 SejmGO anders als die Anfrage (Art. 196 SejmGO), außerdem zum Ausgangspunkt für eine Diskussion im Sejm genommen werden. Ein besonders öffentlichkeitswirksames Beispiel des Zusammenwirkens im Kinderrechtsbereich sind zudem die gemeinsam von Parlament und Kinderrechtsbeauftragten veranstalteten Konferenzen wie im Jahr 2002 zum Thema „Kinder und Internet – Chancen und Vorbehalte“.412 cc) Zusammenwirken mit der Exekutive Die folgenden Ausführungen gehen auf das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Exekutivorganen Staatspräsident und Regierung einschließlich der Regierungsverwaltung ein. Ihnen vorangestellt wird jeweils eine kurze Darstellung der Verfassungsorgane Staatspräsident und Ministerrat, da sich deren Ausgestaltung von den entsprechenden deutschen Organen deutlich unterscheidet. (1) Zusammenwirken mit dem Staatspräsidenten Der Kinderrechtsbeauftragte arbeitet, wie sein Tätigkeitsbericht aufzeigt, mit dem polnischen Staatspräsidenten – dem Staatsoberhaupt der Republik 409 Zur nicht selbstverständlichen formalen Beteiligung in Gesetzgebungsverfahren siehe Abschnitt C.VI.2.c). 410 Eine Art besondere Anfrage sind die Interpellationen. Spezielle Regelungen finden sich dazu in den Art. 192–195 SejmGO. Art. 192 SejmGO bestimmt, dass Interpellationen in Angelegenheiten „von grundsätzlicher Bedeutung“ von den Abgeordneten schriftlich eingebracht werden können. Zum Wesen der Anfrage finden sich dagegen keine Regelungen. Sowohl für die schriftliche Beantwortung der Interpellation als auch der Anfrage räumt die Verfassung der Regierung eine Frist von 21 Tagen ein. Im Übrigen gelten für Interpellation und Anfrage im Wesentlichen die gleichen Regelungen der SejmGO. Zu weiteren Unterschieden vgl. Bałaban, Pozycja ustrojowa i Funkcje Sejmu RP, Warszawa 2000, S. 93. 411 Vgl. Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: SejmDrucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 120. 412 Siehe Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: SejmDrucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 87.
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Polen – zusammen. Als Verfassungsorgan zählt der vom Volk gewählte Präsident gemäß Art. 10 Abs. 2 pV zur Exekutive. Nach Art. 126 Abs. 1 pV ist er „oberster Vertreter der Republik Polen“ und „Gewährsmann“ für die „Fortdauer der Staatsgewalt“.413 Art. 126 pV beschreibt die wichtigsten Ziele und Werte414, deren Schutz und Realisierung sich der Präsident widmet und die seine hervorgehobene Stellung an der Spitze des Staates unterstreichen.415 So umfasst der Begriff des „Gewährsmannes“ für die „Fortdauer der Staatsgewalt“ in Abs. 1 mehr als die reinen Repräsentationsfunktionen, denn er legitimiert den Präsidenten, als Schiedsrichter (arbiter) zwischen den Organen aufzutreten.416 Nach Abs. 2 obliegt es dem Präsidenten außerdem, über die „Einhaltung der Verfassung“ zu „wachen“. Das schließt eine Kontrollbefugnis den anderen Staatsorganen gegenüber ein. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist es ihm so beispielsweise möglich, gegen das ihm vom Parlament zur Unterzeichnung vorgelegte Gesetz ein suspensives Veto einzulegen, wenn er dessen Verfassungsmäßigkeit anzweifelt. In den meisten Fällen liegt die endgültige Entscheidung über das Vorliegen einer Verletzung der Verfassung aber beim Verfassungsgerichtshof.417 Die Verfassung trägt dem Präsidenten ferner auf, sowohl die Sicherheit und Souveränität des Staates als auch die Integrität und Unteilbarkeit des Staatsgebietes zu „hüten“418, ein nur aus der polnischen Geschichte zu erklärendes Ziel.419 Von Relevanz für den Kinderrechtsbeauftragten ist insbesondere das umfassende Prüfungsrecht des Präsidenten, welches er vor Abschluss eines Ge413 Als höchster Repräsentant verkörpert der Präsident, so anschaulich Sarnecki, in „metaphorischer Weise“ die Republik Polen und ist damit zugleich „lebendes Symbol des Landes“; Sarnecki, Prezydent Rzeczypospolitej Polskiej, Kraków 2000, S. 31. 414 Seine Kompetenzen werden an dieser Stelle nicht erschöpfend aufgezählt. Ein Blick auf Art. 144 Abs. 2 pV zeigt die umfassenden Betätigungsfelder des Präsidenten und auch die, welche seiner Prärogative unterliegen, Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 263. 415 Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 262; dabei hat die Formulierung in Art. 126 pV zwei Funktionen: zum einen legt sie subjektiv dem Staatsorgan Präsident den Schutz der Werte auf, richtet sich zum anderen aber objektiv an alle Adressaten der Verfassung, da die Werte Verfassungsrang besitzen, so Garlicki, S. 264. Vgl. allgemein zur Stellung des Staatspräsidenten: Gerhardt, Die Stellung des polnischen Präsidenten in Verfassungsrecht und -praxis seit 1989, in: Osteuropa-Recht 1999, Jhg. 47, S. 217–237, S. 217 ff. 416 Gemeint ist eine Art politischer Schiedsrichter: vgl. Sarnecki, Prezydent, 2000, S. 32; auch Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 265. 417 Vgl. Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 264. 418 Siehe im Einzelnen dazu: Sarnecki, Prezydent, 2000, S. 32 f., auch Banaszak, Die Verwaltungsorganisation in Polen, S. 3–43, S. 3 ff., in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Vergleichendes Verwaltungsrecht in Osteuropa, Wien 2004. 419 Zu den Teilungen Polens ausführlich: Hoensch, Geschichte Polens, Stuttgart 1998, S. 162 ff.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
setzgebungsverfahrens wahrnimmt.420 Das Prüfungsrecht als rein formalen Akt zu klassifizieren, würde der tatsächlichen Bedeutung dieses Verfahrensabschnittes im Gesetzgebungsprozess nicht gerecht.421 Die Verfahrensweise bei der Unterzeichnung von Gesetzen durch den Präsidenten regelt Art. 122 pV. Nach der Verabschiedung im Sejm legt der Sejmmarschall das Gesetz dem Präsidenten vor, der, sollte er nicht von einem suspensiven Veto oder der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes Gebrauch machen, es innerhalb von 21 Tagen nach der Vorlage unterzeichnet422 und die Veröffentlichung im Gesetzblatt anordnet.423 Sowohl nach dem Wortlaut der Übergangsverfassung von 1989424 als auch dem der kleinen Verfassung von 1992425 war es dem Präsidenten möglich, gegen Gesetzesvorlagen ein suspensives Veto einzulegen und den Verfassungsgerichtshof anzurufen.426 Seit Geltung der neuen Verfassung ist ihm nur noch die alternative Geltendmachung der Einwände gestattet, Art. 122 Abs. 5 pV bzw. Art. 122 Abs. 3 pV. Legt der Präsident sein Veto ein, kann der Sejm es mit einer Dreifünftelmehrheit zurückweisen.427 Der Präsident ist dann verpflichtet, das Gesetz zu unterzeichnen, Art. 122 Abs. 5 Satz 2 pV. Mit der gesetzlich festgelegten Dreifünftelmehrheit in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetz420 Das Staatsoberhaupt handelt folglich in keiner Weise lediglich als „Staatsnotar“. Im Zeitraum von 1989 bis 1997 erfuhren die verfassungsrechtlichen Grundlagen dieser Kompetenzen zahlreiche Änderungen, die im Wesentlichen aber nur aus Konkretisierungen und Lückenschließungen bestanden. Dennoch hatten diese Verfassungsänderungen große Bedeutung, änderten sie doch die kontrovers diskutierte Rechtspraxis wesentlich ab. 421 Siehe dazu Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 245. 422 Für die Unterzeichnung des Haushaltsgesetzes gelten kürzere Fristen. Ein Veto gegen das Budget ist dagegen nach Art. 224 Abs. 1 pV ausgeschlossen, die Möglichkeit einen Antrag beim PVerfGH zur Überprüfung des Gesetzes zu stellen bleibt dem Präsidenten aber unbenommen, Art. 224 Abs. 2 pV. 423 Vgl. dagegen Art. 27 Abs. 3 pV1989 und Art. 18 Abs. 2 pV1992a, die teilweise lückenhaften und für die Verfassungspraxis auch unbefriedigenden Regelungen in den früheren Verfassungen, die zu starken Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess führten. 424 Art. 27 Abs. 4 und 5 pV1989 sah zwischen den beiden Möglichkeiten des Präsidenten kein Ausschlussverhältnis vor, vielmehr standen beide Absätze nebeneinander, ohne das Verfahren der Anwendung zu regeln. 425 Art. 18 Abs. 3 pV1992a: „Der Präsident kann die Unterzeichnung des Gesetzes verweigern und dieses mit einem begründeten Antrag an den Sejm zur erneuten Beratung überweisen. Wird dieses Gesetz durch den Sejm mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittel erneut verabschiedet, so unterzeichnet der Präsident das Gesetz innerhalb von sieben Tagen und ordnet seine Verkündung an, es sei denn, dass er sich nach Abs. 4 an das Verfassungstribunal wendet.“, in: Dz. U. 1992 Nr. 84 Pos. 42. 426 Dazu Ciapała, Prezydent w systemie ustrojowym Polski 1989–1997, Warszawa 1999, S. 253 ff. mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Mojak, Instytucja Prezydenta RP w okresie przekształcen´ ustrojowych 1989–1992, Warszawa 1994, S. 226.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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lichen Abgeordnetenzahl brachte die Verfassungskommission die Interessen von Parlament und Präsident geschickt in ein Gleichgewicht. Dem Präsidenten ist es mit dieser Regelung auf der einen Seite möglich, bessere Kontrolle auszuüben, was bei einer absoluten Mehrheit mit entsprechender Anwesenheitsmehrheit nicht in diesem Maße gewährleistet gewesen wäre, das Parlament hat auf der anderen Seite die reale Möglichkeit gegen ein Veto vorzugehen.428 Der Beginn der siebentägigen Unterzeichnungsfrist bestimmt sich, obwohl nicht geregelt, nach dem Tag der Vorlage des Gesetzes beim Präsidenten durch den Sejmmarschall. Statt der Einlegung des Vetos kann der Präsident auch das Verfassungsgericht anrufen. Stellt dieses die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes fest, unterzeichnet der Staatspräsident nach der derzeitigen Praxis, obwohl in der Verfassung selbst kein Termin genannt ist, sofort nach Verkündung der Entscheidung das Gesetz.429 Bei Verfassungswidrigkeit des gesamten Gesetzes hat er seine Unterschrift zu verweigern. Der Präsident hat die Unterzeichnung auch dann zu verweigern, wenn die einzelnen für verfassungswidrig erklärten Vorschriften des Gesetzes mit dem restlichen Gesetz untrennbar verbunden sind.430 Liegt keine Untrennbarkeit vor, kann der Präsident nach Anhörung des Sejmmarschalls das Gesetz ohne die verfassungswidrigen Vorschriften unterzeichnen oder es insgesamt zur erneuten Bearbeitung an das Parlament verweisen, Art. 122 Abs. 4 pV. 427
Für ein Verbot der Zurücknahme des Vetos siehe ebenda, S. 258; a. A. Garlicki (Bearb.), Art. 122, S. 21, in: Garlicki (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz, – Loseblattsammlung – 2. Lieferung, Warszawa 2001. 428 Geht man von einer Abgeordnetenanzahl von 460 aus, wären nach der Dreifünftel-Regelung in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Abgeordnetenzahl mindestens 138 Stimmen erforderlich und nach der absoluten Mehrheit mit entsprechender Anwesenheitsmehrheit nur 116 Stimmen. 429 Art. 122 Abs. 3 Satz 2 pV; Ciapała vertritt die Auffassung, dass eine Verpflichtung des Staatspräsidenten zu sofortigen Verkündung besteht: Ciapała, Prezydent w systemie ustrojowym Polski 1989–1997, Warszawa 1999, S. 255; a. A. Garlicki (Bearb.), Art. 122, S. 22, in: Garlicki (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz, – Loseblattsammlung – 2. Lieferung, Warszawa 2001. Er nimmt an, dass die gehemmte Frist gemäß Art. 122 Abs. 6 pV wieder zu laufen beginnt. In der Praxis erfolgt die Unterzeichnung allerdings meist unmittelbar nach Verkündung. 430 Der polnische Verfassungsgerichtshof legte in seinem Urteil vom 22.04.1999 Kriterien fest, wann von einer untrennbaren Verbindung gemäß Art. 122 Abs. 4 Satz 2 pV auszugehen ist. Danach ist eine untrennbare Verbindung gegeben, wenn die durch Wegfall der Vorschrift entstandene Lücke durch die übrigen Vorschriften im Wege der Auslegung nicht geschlossen werden kann. Außerdem auch dann, wenn sich der Anwendungsbereich durch die Nichtgeltung einzelner Vorschriften so ändert oder verkürzt, wie es vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war, das Gesetz demzufolge ohne die Vorschrift nicht zustande gekommen wäre. Urteil vom 28.04.1999, K.3/99 zur Verfassungsmäßigkeit des Zivildienstes.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Für den Kinderrechtsbeauftragten ist im Rahmen des Prüfungsrechts des Präsidenten insbesondere dessen Vetorecht von Interesse. Der Kinderrechtsbeauftragte kann sich gemäß Art. 11 Abs. 1 KinderG wegen eines konkreten Gesetzes, welches das Wohl des Kindes oder den Schutz ihrer Rechte nicht ausreichend berücksichtigt, mit einem Gutachten oder Vorschlag an den Staatspräsidenten wenden, damit dieser das Zustandekommen durch sein Veto verhindert. In der Praxis richtete der Kinderrechtsbeauftragte bereits entsprechende Gesuche an den Staatspräsidenten um beispielsweise im Jahr 2003 die Novellierung des Gesetzes über die Erziehung zur Nüchternheit und die Bekämpfung des Alkoholismus zu verhindern.431 (2) Zusammenwirken mit dem Ministerrat und der Regierungsverwaltung In Polen besitzt die Exekutive eine Doppelspitze, bestehend aus dem bereits genannten Staatspräsidenten und dem Ministerrat, Art. 10 Abs. 2 pV. Im Gegensatz zu einigen Verfassungsentwürfen432, die den Präsidenten als Chef der vollziehenden Gewalt vorsahen, verzichtet die Verfassung auf die ausdrückliche Festlegung einer Hierarchie zwischen beiden Staatsorganen. Solche Regierungssysteme, die eine bipolare Exekutivspitze ihr Eigen nennen, enthalten regelmäßig ein Potential für Spannungen zwischen den Zentren demokratisch legitimierter Machtausübung.433 Die neue Verfassung verschiebt zwar die Exekutivgewalt eindeutig zugunsten der Regierung, billigt ihr aber nicht die alleinige Exekutivgewalt zu.434 So obliegt dem Ministerrat die Innen- und Außenpolitik sowie die Staatspolitik, soweit sie nicht anderen staatlichen Organen oder Organen der Selbstverwaltung vorbehalten ist, Art. 146 Abs. 2 pV. Ein hierarchisches Verhältnis beider Organe untereinander begründet diese Regelung, wie Garlicki hervorhebt, jedoch nicht.435 Die vollziehende Gewalt teilen sich, wenn auch in einem anderen Verhältnis zueinander als früher, beide Staatsorgane. Ohne Zweifel ist der 431 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 159. 432 Vgl. Art. 54 Abs. 1 PräsEntw.: „Der Präsident steht an der Spitze der Exekutive und übt diese unmittelbar oder mittelbar durch den Ministerrat und die Regierungsmitglieder aus.“ (Übers. v. Verfasserin); vgl. auch Art. 85 SenatEntw. 433 Entscheidend ist in diesen Fällen dann weniger die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der beiden Organe als vielmehr die politischen Mehrheitsverhältnisse, auf die sich beide Verfassungsorgane stützen können. Vgl. zur Problematik Rüb, Schach dem Parlament!, Wiesbaden 2001, S. 304. 434 So auch Rydlewski, Regierung und Regierungsverwaltung in Polen, in: WeltTrends 2000, Nr. 27, S. 41 ff. 435 Siehe Garlicki, Polskie prawo, 2000, S. 284; anders der Senatsentwurf, der eine Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Präsidenten vorsah, Art. 102 SenatEntw., auch Art. 95 BürgerEntw.
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Ministerrat nunmehr mit umfangreicheren und gewichtigeren Kompetenzen betraut als der Staatspräsident. Dennoch verlangt die Verfassung in vielen Bereichen, wie z. B. bei der Regierungsberufung, in Notstandszeiten und bei der Gegenzeichnung ein enges Zusammenspiel beider Staatsorgane. Zwar obliegt die Gestaltung der Politik dem Ministerrat, der Staatspräsident ist aber u. a. bei der Zusammenarbeit im Bereich der Außenpolitik wesentlich an einer erfolgreichen Durchführung der Regierungspolitik beteiligt.436 Für den Kinderrechtsbeauftragten ergeben sich bei seinem Zusammenwirken mit der Exekutive zahlreiche Berührungspunkte mit der Regierungsverwaltung, die der Leitung des Ministerrates untersteht, Art. 146 Abs. 3 pV.437 Die Minister leiten entweder einen bestimmten Bereich der Regierungsverwaltung oder nehmen die ihnen vom Ministerpräsidenten zugewiesenen Aufgaben wahr, Art. 149 Abs. 1 pV. Über die Berufung der Minister ohne ein bestimmtes Ressort entscheidet allein der Ministerpräsident.438 Die Minister mit Ressort leiten dagegen das Verwaltungshandeln einer abgegrenzten Organisationseinheit (Ministerium), welche mit sachbezogenen gleichartigen Angelegenheiten beschäftigt ist.439 Detaillierte Regelungen zum Geschäftsbereich der Minister enthält die Verfassung aber nicht, vielmehr verweist sie auf das einfache Gesetz. Das Gesetz über die Tätigkeit der Regierungsverwaltung440 bestimmt in seinem Art. 5 die 33 Bereiche der Regierungsverwaltung, die der Ministerpräsident flexibel zu Ressorts zusammenfassen kann.441 Ausgenommen davon sind der Verteidigungs- und Justizminister, die, explizit in der Verfassung in den Art. 187 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 134 Abs. 2 pV erwähnt, als Ressort existieren müssen.442 Die Regierungsverwaltung ist mit dem deutschen Begriff der öffentlichen Verwaltung nicht gleichzusetzen, da der Terminus in Deutschland auch die 436 Eine starke Position besitzt in der neuen Verfassung, schon durch sein Recht, die Zusammensetzung der Regierung frei zu gestalten, der Ministerpräsident. 437 Ausführlich dazu Sarnecki (Bearb.), Art. 146 S. 18 ff., in: Garlicki (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz, – Loseblattsammlung – 2. Lieferung, Warszawa 2001. 438 Vgl. im Übrigen Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne 1999, S. 180, 185 f. 439 Vgl. ebenda, S. 181. 440 Gesetz über die Tätigkeit der Regierungsverwaltung vom 4. September 1997, in: Dz. U. 1999, Nr. 82, Pos. 928 mit Änd. 441 Dies erfolgt durch Rechtsverordnung des Ministerpräsidenten, Art. 33 Abs. 1 Gesetz über den Ministerrat; Gesetz über den Ministerrat (Früher: Gesetz über die Organisation und Arbeit des Ministerrates und den Wirkungskreis der Minister) vom 8. August 1996, in: Dz. U. 1999, Nr. 82, Pos. 929 mit Änd.; vgl. die Übersicht im Anhang F.IV. 442 Vgl. Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne 1999, S. 182 f.; Rydlewski, Regierung, 2000, S. 46.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
kommunale Verwaltung umfasst.443 Zur Regierungsverwaltung gehören die Ministerien, die zentralen Ämter der Regierungsverwaltung444 und die territoriale Regierungsverwaltung. Letztere werden durch die vom Ministerpräsident ernannten Wojewoden geleitet, die Vertreter des Ministerrates auf regionaler Ebene (Wojewodschaftsebene) sind.445 Den Wojewoden unterstehen die allgemeine Verwaltung und die Kreisämter in der Wojewodschaft. Die speziellen Fachverwaltungen in den Wojewodschaften, wie beispielsweise die Schulämter, sind dagegen direkt den jeweils zuständigen Ministerien unterstellt.446 Die territoriale Selbstverwaltung, welche die polnische Verfassung als Form der Dezentralisierung der öffentlichen Gewalt versteht,447 ist neben der Regierungsverwaltung die zweite Säule der polnischen Verwaltung. Einheiten der Selbstverwaltung sind die Gemeinde, der Kreis und die Wojewodschaft mit ihren Organen Gemeinderat, Gemeindevorsteher, Kreisrat, Kreisvorstand, Wojewodschaftsvertretung und Wojewodschaftsvorstand. Dabei nehmen die örtlichen Einheiten der Selbstverwaltung gemäß Art. 166 pV eigene Aufgaben, die der Befriedigung der Bedürfnisse der Selbstverwaltungsgemeinschaft dienen, sowie Auftragsaufgaben, welche den Einheiten wegen des begründeten Bedarfs des Staates durch ein Gesetz auferlegt werden, wahr.448 Bezüglich der Eigenaufgaben erfolgt eine Aufsicht betreffend die Rechtmäßigkeit u. a. durch den Vorsitzenden des Ministerrats und den Wojewoden, bei den Auftragsaufgaben umfasst die Aufsicht zusätzlich die Zweckmäßigkeit, Redlichkeit und Wirtschaftlichkeit.449 Sowohl die Regierungsverwaltung als auch die örtliche Selbstverwaltung erfüllen aufgrund von Gesetzen öffentliche Aufgaben in den für den Kinderrechtsbeauftragten relevanten Bereichen der Gesundheitsvorsorge, der sozialen Hilfe, der Fürsorge über das Aufwachsen des Kindes und des Schulwesens.450 Gegenüber diesen Organen, Organisationen und Institutionen der öf443 Siehe Winczorek, Komentarz, 2000, S. 192; vgl. auch Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne 1999, S. 162. 444 Dazu ausführlich Wierzbowski (Hrsg.), Prawo Administracyjne 1999, S. 191 ff. 445 Die Wojewodschaften enthalten sowohl Elemente der Regierungs- als auch der territorialen Selbstverwaltung, siehe ausführlich Rydlewski, Regierung, 2000, S. 54. 446 Banaszak, Die Verwaltungsorganisation in Polen, S. 3–43, S. 17, in: Wieser/ Stolz (Hrsg.), Vergleichendes Verwaltungsrecht in Osteuropa, Wien 2004. 447 Art. 15 und 16 pV. 448 Banaszak, Die Verwaltungsorganisation in Polen, 2004, S. 21. 449 Art. 171 Abs. 1 pV; vgl. auch Banaszak, Die Verwaltungsorganisation in Polen, 2004, S. 38. Hinsichtlich der Kontrolle der Finanzwirtschaft sind die regionalen Rechnungshöfe für die finanzielle Kontrolle zuständig (ebenda S. 39). Ausführlich dazu Boc´, Prawo administracyjne, Wrocław 2003, S. 240 ff. 450 Zur Aufgabe der Kreise ausführlich Garczyn ´ ski, Rola Wojewody w ramach działan´ słuz˙a˛cych ochronie praw dziecka, S. 85–86, S. 85 f., in: Stadniczen´ko
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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fentlichen Gewalt hat der Kinderrechtsbeauftragte das bereits dargestellte Informationsbeschaffungs- und Akteneinsichtsrecht gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KinderG. Er kann sie zum Tätigwerden in Kinderangelegenheiten im Rahmen ihrer Kompetenzen auffordern, Art. 10a Abs. 1 KinderG, sowie ihnen Gutachten und Vorschläge für einen wirkungsvollen Schutz der Rechte und des Wohls des Kindes nach Art. 11 Abs. 1 KinderG unterbreiten. Außerdem kann der Kinderrechtsbeauftragte sich mit einem Gesuch an den Ministerrat wenden, Gesetzesinitiativen zu starten sowie Rechtsverordnungen zu erlassen oder zu novellieren, Art. 11 Abs. 2 KinderG. In den Fällen des Art. 10a Abs. 1 KinderG, Art. 11 Abs. 1 und 2 KinderG resultiert daraus die Pflicht der Adressaten zur Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen, Art. 10a Abs. 3 KinderG sowie Art. 11 Abs. 3 KinderG. In der Praxis gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der Regierungsverwaltung und der örtlichen Selbstverwaltung. Im Rahmen des Art. 11 Abs. 2 KinderG schlug der Kinderrechtsbeauftragte beispielsweise im Jahr 2003 dem Minister für Bildung und Sport die Änderung der Rechtsverordnung über die Art und Weise der Organisation des individuellen Unterrichts von Kindern und Jugendlichen vor.451 Gemeinsam mit dem Ombudsmann wandte er sich im gleichen Jahr an den Ministerpräsidenten mit der Bitte um Schaffung einer zentralen Stelle in der Regierung zur Koordinierung der Politik betreffend Kinder und Familien.452 Aus seinen Tätigkeitsberichten ergibt sich, dass der Kinderrechtsbeauftragte regelmäßig einzelne Minister oder den Ministerpräsidenten auffordert, in bestimmten Angelegenheiten tätig zu werden. Konkret forderte er z. B. die Fortsetzung der Bildung von behinderten Kindern an integrativen Schulen zu gewährleisten.453 Darüber hinaus verfolgt der Kinderrechtsbeauftragte die Erarbeitung des regelmäßigen Berichtes der Regierung an den Ausschuss der UN-Kinderrechtskonvention über die Umsetzung der Konvention in Polen.454 In der Vergangenheit fanden zudem zahlreiche gemeinsame Konferenzen der beiden Organe statt. Ähnlich wie mit der Regierungsverwaltung gestaltet sich in der Praxis die Zusammenarbeit mit der örtlichen Selbstverwaltung. So schlug der Kinderrechtsbeauftragte Grundsätze und Standards für die Arbeit (Hrsg.), Rzecznictwo praw dziecka w Polsce, Konin 2003. Zu den Aufgaben der Gemeinden, Kreise und Wojewodschaften Boc´, Prawo administracyjne, Wrocław 2003, S. 200 ff., S. 211 ff., S. 217 f. 451 Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 159. 452 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 158. 453 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 160. 454 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 92.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
der Vormundschafts- und Erziehungsstellen in den Einheiten vor und wies öffentlich auf deren begrenzte finanzielle Mittel hin. Im Jahr 2003 begann außerdem auf Anregung des Kinderrechtsbeauftragten der Aufbau eines Netzes von örtlichen Kreisfamilienberatungsstellen.455 In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist ferner die Kooperation des Kinderrechtsbeauftragten mit den von der Gesellschaft für Kinderfreunde geschaffenen lokalen Kinderrechtsbeauftragten.456 Diese privaten Kinderrechtsbeauftragten gehören zwar nicht zu den staatlichen Organen der Selbstverwaltung, ermöglichen aber dem polnischen Kinderombudsmann den Erhalt von relevanten Informationen vor Ort. dd) Zusammenwirken mit der Judikative Der Kinderrechtsbeauftragten arbeitet auch mit den Gerichten und Gerichtshöfen zusammen. Die Verfassung unterscheidet zwischen dem Obersten Gericht, den ordentlichen Gerichten sowie den Verwaltungs- und Militärgerichten. Die beiden Gerichtshöfe – der Verfassungsgerichtshof und der Staatsgerichtshof – fallen dagegen nicht unter den Begriff des „Gerichts“. Zur Judikative gehörend, sind sie keine Organe der Rechtsprechung. Die Ursache dafür liegt im traditionellen Verständnis der Rechtsprechung, welches entstand, als Gerichtshöfe in Polen noch unbekannt waren.457 Obwohl in der polnischen Literatur eine Diskussion um die Definition des Begriffs „Rechtsprechung“ existiert, kann man allgemein unter Rechtsprechung die Tätigkeit des Staates verstehen, verbindlich in einem Rechtsstreit zu entscheiden, bei dem sich auf mindestens einer der Seiten ein Individuum oder ein gleich gestelltes Subjekt findet. Für diese Aufgabe des Staates besitzen „die Gerichte das Monopol“.458 Verlangt wird nicht, dass die Gerichte über alle Rechtstreitigkeiten entscheiden müssen. Wichtig ist allein die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle von getroffenen Entscheidungen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit. Die Rechte des Kinderrechtsbeauftragten gegenüber den Gerichten und Gerichtshöfen waren bislang mit den geschilderten umfangreichen Befug455 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 124 f. 456 Siehe dazu Stadniczen ´ ko, Rzecznik praw dziecka TPD. Tezy do dyskuji w celu wypracowania modelu, zasad i form pracy, S. 97–98, S. 97 f., in: Stadniczen´ko (Hrsg.), Rzecznictwo praw dziecka w Polsce, Konin 2003; Pyszkowski, Rzecznik praw dziecka w strukturach Zachodniopomorskiego Towarzystwa Przyjaciół Dzieci, S. 99–102, S. 99 ff., in: Stadniczen´ko (Hrsg.), Rzecznictwo praw dziecka w Polsce, Konin 2003. 457 Vgl. Garlicki, Polskie Prawo, 2000, S. 350. 458 Ebenda.
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nissen des Ombudsmannes nicht vergleichbar. Das KinderG sah für den Kinderrechtsbeauftragten weder die Möglichkeit einer Verfahrenseinleitung noch die Beteiligung an Verfahren vor. Dies galt sowohl für Zivil-, Strafund Verwaltungsverfahren als auch für Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Mittelbar bestand für den Kinderrechtsbeauftragten die Möglichkeit durch eine Übertragung der Angelegenheit gemäß Art. 10 Abs. 2 KinderG (alte Fassung) auf den Ombudsmann, dessen Befugnisse für die Durchführung seiner Angelegenheiten zu nutzen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit im Zusammenhang mit der Judikative lag folglich bislang bei der Beratung von Hilfesuchenden. In an ihn herangetragenen Fällen zeigt der Kinderrechtsbeauftragte danach den interessierten Parteien ihre verfügbaren rechtlichen Mittel, z. B. bestehende Klagemöglichkeiten, auf. Außerdem kann er auf die Wahrnehmung von Beistand durch einen im laufenden Verfahren vom Gericht ernannten Gerichtsvertreter hinweisen. Mit der Novellierung wurden die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten stark aufgewertet. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 3–6 KinderG kann der Beauftragte nun die Einleitung eines Zivilrechtsverfahrens fordern oder an einem bereits laufenden Verfahren, mit den Rechten eines Staatsanwalts, teilnehmen. Er kann zudem vom ermächtigten Ankläger die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Strafsachen fordern. Weiterhin kann er die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens fordern, Klage beim Verwaltungsgericht einreichen sowie am Verfahren teilnehmen – ebenfalls ausgestattet mit den Rechten eines Staatsanwalts. Ein Informationsbeschaffungs- und Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Gericht in laufenden oder abgeschlossenen Verfahren ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KinderG. Möglich ist ihm nach Art. 10 a Abs. 1 KinderG auch – soweit dies nach Analyse eines Vorgangs notwendig ist – sich an den Gerichtspräsidenten mit der Bitte um administrative Kontrolle eines laufenden Verfahrens wenden.459 Bislang ist ein solches Vorgehen in der Praxis nicht dokumentiert. In der Vergangenheit widmete sich der Kinderrechtsbeauftragte u. a. der Problematik von Kindern als Zeugen in Gerichtsverfahren und stellte in diesem Zusammenhang die mangelnde Befolgung von bestehenden besonderen Verfahrensvorschriften durch die Polizei, Staatsanwaltschaft und die Gerichte fest. Darüber informierte er den Justizminister.460 459 Vgl. Ombudsman for Children (Hrsg.), Ombudsman for Children in Poland, Guide-Book 2003, Warszawa 2003, S. 31. 460 Tätigkeitsbericht 2001 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002, S. 84 f.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Die Tätigkeit des Kinderrechtsbeauftragten wird durch die Unabhängigkeit der Judikative beschränkt, die sich aus der Unabhängigkeit der Gerichte und aus der der Richter ergibt.461 Erstere, ausdrücklich durch Art. 173 pV gewährt, äußert sich in der besonderen Tätigkeit und der selbständigen Struktur der Gerichte. Auch den Richtern garantiert die Verfassung in Art. 178 Abs. 1 pV, im Rahmen der Verfassung und der Gesetze, die unabhängige Ausübung ihres Amtes. Die Richter genießen danach einen besonderen rechtlichen Status (Artt. 178–181) und handeln bei ihren Entscheidungen unabhängig und eigenverantwortlich. So sind die Richter verpflichtet, unabhängig von ihren persönlichen Ansichten, auf Grundlage des Gesetzes unparteiische Entscheidungen zu treffen. Jeglicher Druck von außen auf die Richter, der geeignet ist ihre Entscheidungsfindung zu beeinträchtigen – und sei es durch den Kinderombudsmann – ist untersagt. Im Zuge der Reform des Gerichtswesens von 1989–1992 beschnitt der Gesetzgeber daher auch die Eingriffsrechte des Justizministers in die Tätigkeit der Gerichte. Nunmehr übt der Minister als Organ der Exekutive nur die Aufsicht über die Gerichtsverwaltung aus.462 e) Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und mit dem Europäischen Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC) Das polnische Kinderombudsmanngesetz schrieb bislang eine Zusammenarbeit des Kinderrechtsbeauftragten mit internationalen Organisationen und NGOs463 nicht fest. In der Praxis kooperiert der Beauftragte regelmäßig mit Organisationen, wie UNICEF und ENOC, deren Ziel der Schutz von Kindern oder die Schaffung von Kinderrechten ist. Ein Beispiel aus der Praxis ist die 2003 beschlossene Erarbeitung eines „Staatlichen Planes in Sachen Kinder“ für die Kinderhilfsorganisation UNICEF.464 Nunmehr statuierte der Gesetzgeber die Zusammenarbeit mit NGOs in Art. 11a KinderG. 461 Siehe Sobczak, in: Skrzydło, Wiesław (Hrsg.), Polskie Prawo Konstytucyjne, Lublin 2000, S. 390. 462 Vgl. ebenda, S. 391. 463 NGOs sind internationale Organisationen, die nicht auf ein zwischenstaatliches völkerrechtliches Übereinkommen zurückgehen. Auch staatliche Einrichtungen können an NGOs beteiligt sein, um in diesem Rahmen mit öffentlichen und privaten Organisationen aus anderen Staaten zusammenzuwirken. Die UN-Charta und andere Gründungsverträge von internationalen Organisationen eröffnen die Möglichkeit der Verleihung eines Konsultativstatus an NGOs; vgl. Herdegen, Völkerrecht, München 2000, S. 91 ff. sowie ausführlich die Anmerkungen im Abschnitt B.I.3. unter Fn.: 141. 464 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 131.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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Aufgrund seiner Aufgabe, über die Einhaltung der Rechte der UN-Kinderrechtskonvention zu wachen, pflegt der polnische Kinderrechtsbeauftragte engen Kontakt mit dem Ausschuss für die Rechte des Kindes. Dieser prüft gemäß Art. 44 UN-Kinderrechtskonvention die Fortschritte der Vertragsstaaten bzgl. der Erfüllung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention. Bei den Zusammenkünften mit Mitgliedern des Ausschusses nimmt der Kinderrechtsbeauftragte insbesondere zum alle fünf Jahre einzureichenden Staatenbericht der Regierung bezüglich der Realisierung der UN-Kinderrechtskonvention in der Republik Polen Stellung465 und wird über die Kritikpunkte des Ausschusses an der Umsetzung in Kenntnis gesetzt.466 Von besonderem Interesse soll an dieser Stelle seine Mitarbeit im Europäischen Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC)467 seit März 2001 sein. Das ENOC, im Juni 1997 in Norwegen gegründet, verbindet unabhängige Kinderombudsmannbüros aus derzeit 30 europäischen Staaten.468 Diese müssen Mitglied im Europarat sein. Ziele des ENOC sind die koordinierte Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, die Stärkung von Kinderinteressen international und europaweit,469 die Unterstützung von nationalen Kinderschutzinstitutionen sowie deren Entstehung, die Erarbeitung von Studien und die Entwicklung von Strategien zum Wohl von Kindern.470 Mit dem ENOC besteht ein informatives Netzwerk, welches den nationalen Kinderombudsmännern bei ihrer Arbeit in den Ländern erheblich Unterstützung leisten kann. Die Mitgliedschaft steht nicht nur nationalen Kinderombudsmännern, sondern auch unabhängigen regionalen Büros offen, welche durch ein Gesetz zur Unterstützung von Kinderrechten geschaffen worden sind. Gleiches gilt für nationale Menschenrechtsinstitutionen mit einem Fokus auf Kinder.471 Mitglied konnten bis 1999 zudem gesetzlich geschaffene lokale Büros sowie von der Regierung oder dem Parlament eingesetzte Institutionen werden, soweit deren unabhängiges Wirken, trotz Fehlen einer 465
Art. 44 UN-Kinderrechtskonvention. Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 98 f. 467 ENOC (European Network of Ombudsmen for Children). 468 Siehe European Network of Ombudsmen for Children, unter: http://www. ombudsnet.org/; eingesehen am 8.06.2009. 469 Z. B. in der EU, dem Europarat und im Ausschuss für die Rechte des Kindes gemäß Art. 43 UN-Kinderrechtskonvention. Siehe z. B. Schreiben des ENOC vom 15. November 1999 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Kinderkommissionsdrucksache 14/58, der einen Aufruf zum Handeln im Bereich der Kinderrechte an alle europäischen Staaten enthält. 470 Siehe European Network of Ombudsmen for Children, unter: http://www. ombudsnet.org/AboutENOC/WhatEnoc.htm; eingesehen am 13.01.2004. 471 Siehe European Network of Ombudsmen for Children, unter: http://www. ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3656; eingesehen am 16.02.2005. 466
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
eigenen gesetzlichen Grundlage, garantiert war. Institutionen innerhalb der Regierung erfüllten diese Anforderungen nicht. Von NGOs betriebenen Büros, wie dem finnischen Ombudsmannbüro, stand die Mitgliedschaft im ENOC ebenfalls offen. Seit 1999 ist nichtstaatlichen Büros der Eintritt ins ENOC allerdings nicht mehr möglich.472 Die Mitarbeit Polens im ENOC konzentrierte sich in der Praxis bei den gemeinsamen Treffen auf Diskussionen zu bestimmten Themen bspw. dem der Vormundschaft sowie auf den Erfahrungsaustausch zwischen den europäischen Kinderombudsmännern.473 Auf der Zusammenkunft der ENOC am 13.–15. Oktober 2004 in Cardiff (Wales) wählten die Vertreter den ehemaligen polnischen Kinderrechtsbeauftragten Paweł Jaros zum Vorsitzenden für das Jahr 2005.474 3. Beschränkungen der Aufgaben und Kompetenzen durch die elterliche Gewalt Bereits bei der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention gab Polen mit der Ratifikationsurkunde neben einem Vorbehalt auch eine Deklaration ab, wonach die in Art. 12–16 enthaltenen Rechte nur unter Wahrung der elterlichen Gewalt, im Einklang mit den polnischen Gewohnheiten und der Tradition hinsichtlich des Platzes des Kindes in der Familie und der Stellung der Familie umgesetzt werden.475 Ein Vorbehalt ändert gemäß Art. 21 WVK für den anbringenden Staat im Verhältnis zu den anderen Vertragsparteien die Vertragsbestimmungen, auf die sich der Vorbehalt bezieht, in dem darin vorgesehenen Ausmaß. Was eine Deklaration genau ist, wird, anders als für den Vorbehalt, nicht durch die Wiener Vertragsrechtskonvention definiert. Häufig handelt es sich bei Deklarationen jedoch um verdeckte Vorbehalte. Schulz verwendet in ihrer Untersuchung bezüglich der polnischen Deklaration teilweise den Begriff des Vorbehalts und teilweise den der Erklärung. Dazu merkt sie richtigerweise an, dass angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe „Tradition und Gewohnheit“ der Inhalt der Deklaration unbestimmt und die eigentliche Zielrichtung, ob und inwieweit Vertragsbestimmungen geändert werden sollen, unklar ist.476 Die Aufgaben472
Ebenda. Vgl. den Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 127 f. 474 Vgl. http://www.brpd.gov.pl/15.10.04.html; eingesehen am 1.02.2005. 475 Wortlaut der Erklärung in: Gaberle/Korcyl-Wolska, Komentarz do ustawy o poste˛powaniu w sprawach nieletnich, Gdan´sk 2002, S. 444. 476 Schulz, Zastrzez ˙ enia, deklaracje, sprzeciwy do Konwencji o Prawach Dziecka in: Smyczyn´ski, Konwencja o prawach dziecka – analiza i wykładnia, Poznan´ 1999, S. 111–132, S. 112; S. 117 ff. 473
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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erfüllung und Kompetenzwahrnehmung des Kinderrechtsbeauftragten findet aber unzweifelhaft nach Art. 1 Abs. 2 und 3 KinderG ihre Beschränkung durch die elterliche Gewalt. Dort heißt es, dass der Kinderrechtsbeauftragte über die Rechte der Kinder „. . . unter Achtung der Verantwortlichkeit, der Rechte und Pflichten der Eltern . . .“ wacht und bei der Ausübung seiner Befugnisse beachtet, „. . . dass das natürliche Umfeld für seine Entwicklung die Familie ist . . .“. Interessanterweise nennt das KinderG den Rechtsbegriff der elterlichen Gewalt selbst nicht, sondern spricht nur von Rechten und Pflichten der Eltern. Der die Elternrechte kodifizierende Art. 48 Abs. 2 pV lässt Eingriffe in die elterliche Gewalt nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen zu. Eingriffe des Staates sind danach bei Mängeln im Familienleben und bei der Ausübung des Erziehungsrechts in Form von Hilfe und Unterstützung bei der Erziehung sowie als Interventionsmaßnahme möglich.477 Mängel im Familienleben und bei der Ausübung des Erziehungsrechts werden angenommen, wenn die Erziehung das Wohl des Kindes nicht gewährleistet ist. Dafür muss die individuelle oder soziale Entwicklung des Kindes derart gefährdet sein, dass ohne Hilfeleistungen eine körperliche, geistige oder seelische Störung der Persönlichkeit einzutreten droht oder die Persönlichkeitsentwicklung bereits gestört ist. Liegen Verletzungen des Kindeswohls vor, entscheidet gemäß Art. 109 FamilienG das Vormundschaftsgericht über die vorzunehmende Maßnahme, die verhältnismäßig sein muss.478 Die Form des staatlichen Handelns richtet sich nach der jeweils konkret geeigneten und notwendigen Hilfe. Der in Art. 109 FamilienG enthaltene Katalog nennt nur Regelbeispiele. Als geeignet gilt eine Hilfe dann, wenn sie das bestehende Erziehungsdefizit zu beseitigen in der Lage ist; notwendig ist die Hilfe, welche mit dem am wenigsten einschneidenden Mittel Abhilfe schafft.479 In Polen überwiegen staatliche Maßnahmen mit dem Ziel, der Familie Unterstützung zu leisten oder die Familie neu zu organisieren. Gegebenenfalls können aber auch, je nach der geistigen und körperlichen Konstellation der Familienmitglieder, eine Aufhebung der elterlichen Gewalt und eine Auflösung der Familie erforderlich sein.480 Neben dem Schutz des Kindeswohls vor Verletzungen durch die Eltern stellt sich die Frage, wie eine Interessenkollision zwischen Eltern und Kindern beispielsweise in einem Ehescheidungsprozess aufzulösen ist. Einer 477
Vgl. dazu Art. 100 FamilienG. Eine Verletzung der gesellschaftlichen Interessen lässt im Gegensatz zur Verletzung des Kindeswohls kein Einschreiten gemäß Art. 109 FamilienG zu; siehe aber Art. 110 § 1 i. V. m. Art. 154 FamilienG: Grzejdziak, Prawo do wychowania w rodzinie, 2002, S. 482. 479 Vgl. Strzebin ´ czyk, Prawo Rodzinne, 2003, S. 314. 480 Vgl. Art. 111 § 1 und § 1a FamilienG. 478
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
Entscheidung des Appellationsgerichts von Białystok zufolge, treten die Interessen der Eltern hinter denen des Kindes zurück, falls sie sich nicht mit denen des Kindes in Einklang bringen lassen.481 Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Eltern nicht in allen Fällen in der Lage sind, objektiv das Beste für das Wohl ihres Kindes zu tun. Aufgrund der beschränkenden Regelungen in Art. 1 Abs. 2 und 3 KinderG ist der Kinderrechtsbeauftragte als staatliches Organ in keiner Weise berechtigt, selbst elterliche Gewalt auszuüben. Ferner darf er keine Eingriffe in den Bereich der elterlichen Gewalt vornehmen. Dies schließt aber nicht jegliches Handeln des Kinderrechtsbeauftragten aus. Liegt erwiesenermaßen eine Verletzung des Kindeswohls durch die Ausübung der elterlichen Gewalt vor, kann er sich mit einem Antrag an die zuständigen Organe wenden, in dieser Angelegenheit tätig zu werden. Davon umfasst ist die Stellung eines Strafantrags bei der Staatsanwaltschaft. Mittelbare Folge seines Tätigwerdens kann daher durchaus ein staatlicher Eingriff in Form eines Entzuges der elterlichen Gewalt sein. Fraglich ist, ob der Kinderrechtsbeauftragte individuelle Sachverhalte, von Kindern oder Dritten vorgetragen, zwischen Familienmitgliedern untersuchen bzw. dabei vermitteln darf. Aus der Regelung in Art. 9 KinderG, der selbst keine Beschränkung für das Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten enthält482, ließe sich eine entsprechende Befugnis des Kinderrechtsbeauftragten schlussfolgern. Dagegen sprechen jedoch die Bestimmungen in Art. 1 Abs. 2 und 3 KinderG, die sein Handeln klar der Achtung der Verantwortlichkeit der Eltern unterwerfen und die keinen Sinn machen, würde man sie nur als Hinweise an den Kinderrechtsbeauftragten verstehen. Eine Stütze findet diese Ansicht in der Diskussion im Gesetzgebungsprozess, bei der die Abgeordnete Kowalska eine Zuständigkeit des Kinderrechtsbeauftragten bei Familienkonflikten mit Verweis auf die diesbezügliche Zuständigkeit der Gerichte klar ausschloss.483 Ein Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten in familiären Konflikten stellt somit grundsätzlich eine Beeinträchtigung des Elternrechts dar, wofür das KinderG keine gesetzliche Ermächtigung bietet. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte darf sich folglich, wie sein norwegisches Pendant, nicht in die von Kindern vorgetragenen individuellen Erziehungsangelegenheiten der Familien einmischen, solange das Wohl des Kindes aufgrund eines „Versagens der Familie“ nicht verletzt wird.484 481 Entscheidung vom 14. September 1995 (1ACz 266/95, OSPiKA 1997, z.4, Pos. 23) zitiert nach Stojanowska, Dobro dziecka, 1999, S. 103. 482 Vgl. Abschnitt C.VI.2.a). 483 Kowalska, Bronisława: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. 484 Piekarska, Maria: Stenographische Mitschrift der 41. Sejm-Sitzung III. Kadenz (3. Tag), 8. Januar 1999 zum Tagesordnungspunkt 14. So war auch die Grundkon-
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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4. Die Arbeitsweise des Kinderrechtsbeauftragten In diesem Abschnitt richtet sich der Blick auf die Arbeitsweise des Kinderrechtsbeauftragten. Zu untersuchen gilt es den organisatorischen und finanziellen Hintergrund der Institution sowie die Verfahrensregelungen für die Bearbeitung der einzelnen Vorgänge. Darüber hinaus wird die Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten dargestellt, welche die Wahrnehmung seiner Aufgaben und Kompetenzen unterstützt. a) Organisation des Büros des Kinderrechtsbeauftragten Dem Kinderrechtsbeauftragten steht für die Umsetzung seiner Aufgaben und Kompetenzen gemäß Art. 13 Abs. 1 KinderG ein Büro zur Verfügung, dessen rechtliche Grundlagen und Arbeitsorganisation Gegenstand der Ausführungen sein sollen. aa) Rechtliche Grundlagen Die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des polnischen Kinderombudsmannbüros finden sich in der Satzung des Büros des Kinderrechtsbeauftragten (KinderSatz) sowie in der Geschäftsordnung über die Organisation des Büros des Kinderrechtsbeauftragten (KinderGO).485 Nach Art. 13 Abs. 2 KinderG obliegt dem Sejmmarschall der Erlass der Satzung. In der Praxis weist allerdings eine Anordnung des Sejmmarschalls das Kinderrechtsbüro an, eine entsprechende Satzung zu erlassen. Die aktuelle Satzung des Büros beruht auf § 2 der Anordnung des Sejmmarschalls vom 25. Juli 2000.486 Die Geschäftsordnung (KinderGO) hat ihre Rechtsgrundlage wiederum in der Satzung des Büros. Problematisch erscheint die Regelung des Art. 13 Abs. 2 KinderG vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 1 KinderG, der die Unabhängigkeit des Kinderrechtsbeauftragten von anderen Organen festschreibt. Diese ist durch die gesetzlich vorgesehene Mitwirkung des Sejmmarschall beeinträchtigt, insbesondere wenn man im Vergleich dazu die Regelungen bezüglich des Bürgerrechtsbeauftragten betrachtet, nach denen der Ombudsmann nur den Erlass der Satzung beim Sejmmarschall nach Art. 20 Abs. 2 zeption des Regierungsentwurfes: Chojnacka/Komar-Morawska bei einem Interview mit der Verfasserin am 4. Februar 2004 im Kinderombudsmannbüro in Warschau; vgl. Abschnitt B.IV. 485 Einzusehen unter: Satzung: http://www.brpd.bip.doc.pl/drukuj.php?id=6033 &t=0; Geschäftsordnung: http://www.brpd.bip.doc.pl/drukuj.php?id=6034&t=0; eingesehen am 26.20.2004. 486 Verfügung Nr. 2 des Sejmmarschalls vom 25. Juli 2000 über den Erlass einer Satzung für das Büro des Kinderrechtsbeauftragten.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
BürgerG beantragen muss. Ein Widerspruch zur gesetzlichen Systematik ergibt sich ferner daraus, dass es sich beim Normativakt des Sejmmarschalls um eine „Anordnung“ handelt, die nur an unterstellte Organisationseinheiten gerichtet werden kann. Ein dem Sejm unterstelltes Hilfsorgan ist der Kinderrechtsbeauftragte mit seinem Büro aber gerade nicht. An der Verfassungsorganqualität des Kinderrechtsbeauftragten ändert diese unsystematische gesetzliche Regelung nichts, ergibt sich diese neben Art. 7 Abs. 1 KinderG doch aus dem Willen des Gesetzgebers.487 bb) Arbeitsorganisation des Kinderombudsmannbüros Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt den Kinderrechtsbeauftragten das Kinderombudsmannbüro, welches durch § 4 KinderSatz in drei Organisationseinheiten unterteilt wird: in das Kabinett des Kinderrechtsbeauftragten, die Abteilung Forschung und Analysen sowie in die Abteilung Information und Intervention. Den Organisationseinheiten steht jeweils ein Direktor vor, der vom Kinderrechtsbeauftragten ernannt und abberufen wird.488 Die Einstellung der übrigen Mitarbeiter liegt ebenfalls in dessen Verantwortlichkeit.489 Darüber hinaus kann der Beauftragte nun gemäß Art. 13 Abs. 3 und 4 KinderG auch die Berufung eines Stellvertreters beantragen, dessen Aufgabenbereiche er festlegt. 1. Die wichtigste Aufgabe des Kabinetts ist die Unterstützung des Kinderrechtsbeauftragten bei der sachlichen und organisatorischen Umsetzung seiner Aufgaben, § 4 KinderSatz sowie § 6 KinderGO. Das Kabinett wird unmittelbar vom Direktor des Kinderombudsmannbüros geleitet, den der Kinderrechtsbeauftragte gemäß § 3 Abs. 1 KinderSatz ein- und abberuft. Der Direktor des Büros ist für das Funktionieren des Büros, insbesondere für die Arbeitsorganisation, die Arbeitsbedingungen sowie für die das Büro betreffenden Vertragsangelegenheiten zuständig.490 Zum Kabinett gehören neben dem Direktor u. a. das Sekretariat des Kinderrechtsbeauftragten, eine Presseabteilung, die Personal- und Finanzabteilung sowie die Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten. Die juristische Beratung des Kinderrechtsbeauftragten erfolgt durch einen zum Kabinett gehörenden Justitiar.491 Die konkreten Aufgaben, z. B. die Zuständigkeit für die Korrespondenz, das Erstellen des Budgets oder die Auswertung der Presselage, finden sich in § 6 Abs. 4–7 KinderGO. 487 488 489 490 491
Vgl. dazu Abschnitt C.V.1.b). § 5 Abs. 2 und 3 KinderGO, § 15 KinderGO. Vgl. dazu im Einzelnen die Regelung in § 19 Abs. 1 KinderGO. Vgl. § 3 Abs. 2 KinderSatz; vgl. auch § 10 und 11 KinderGO. § 5 Abs. 5 KinderGO, § 6 Abs. 3 KinderGO.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
171
2. Die Aufgabe der Abteilung Forschung und Analysen ist die Erstellung von Analysen zur Situation von Kindern und hinsichtlich der Wahrung ihrer Rechte. Des Weiteren zählen dazu Untersuchungen von Defiziten beim Rechtschutz mitsamt der Entwicklung von Konzepten, die entsprechende Mängel beseitigen helfen sollen, § 7 Abs. 1 KinderGO. Konkrete Handlungsbereiche der Abteilung sind z. B. Stellungnahmen zu Gesetzgebungsprozessen; Analysen bestehender Rechtsvorschriften im Hinblick auf den Kinderrechtsschutz; Erarbeitung von Projekten des Kinderrechtsbeauftragten, die dem Schutz von Kinderrechten dienen; Erstellung von Statistiken über die Einhaltung von Kinderrechten; Koordinierung der Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsorganen, internationalen Organisationen und NGOs; Organisation von Tagungen und Konferenzen; Erarbeitung von Tätigkeitsberichten (Informationsbulletin) sowie Gestaltung und Pflege des Internetauftritts des Kinderrechtsbeauftragten. Der die Abteilung Forschung und Analysen leitende Direktor handelt mit Vollmacht und im Namen des Kinderrechtsbeauftragte, § 5 Abs. 3 KinderGO. Ihm obliegt die unmittelbare Aufsicht über die Mitarbeiter seiner Abteilung, § 5 Abs. 4 KinderGO. 3. Die Abteilung Information und Intervention, der ebenfalls ein Direktor vorsteht, ist für die Erteilung von Informationen sowie die Vornahme von Interventionen im Falle einer Verletzung von Kinderrechten zuständig, § 8 Abs. 1 KinderGO. Die Mitarbeiter der Abteilung erteilen auf Anfrage Informationen und beraten Personen, die sich mit individuellen Problemen schriftlich oder mündlich an den Kinderrechtsbeauftragten gewandt haben. Diese Daten werden statistisch erfasst. Die Abteilung nimmt u. a. Besuche in öffentlichen und privaten Einrichtungen vor und sammelt Informationen zu Sachverhalten, die die Grundlage für Entscheidungen oder mögliches Eingreifen bilden. Ergeben Informationen in bestimmten Bereichen regelmäßige Verletzungen von Kinderrechten, wird die Abteilung Forschung und Analysen hinzugezogen, § 8 Abs. 2 KinderGO. b) Finanzielle Ausstattung des Kinderrechtsbeauftragten aa) Rechtliche Grundlagen für den Haushalt des Kinderrechtsbeauftragten Die finanziellen Mittel für das Amt des Kinderrechtsbeauftragten schreibt gemäß Art. 14 KinderG das Haushaltsgesetz Polens fest, welches von der Regierung vorgeschlagen und vom Sejm erlassen wird. Die wichtigsten Regelungen zur Haushaltsgesetzgebung finden sich in der Verfassung (Artt. 219–226 pV), dem bereits erwähnten Gesetz über die öffent-
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
lichen Finanzen (Artt. 61–108)492 und in der Sejmgeschäftsordnung. Die finanziellen Mittel für den Kinderrechtsbeauftragten sind im 14. Titel des Haushaltsgesetzes verankert.493 bb) Tatsächliche finanzielle Ausstattung Obwohl die Regelungen in Art. 14 KinderG eindeutig sind, traten in der Vergangenheit bei der finanziellen Ausstattung des Kinderrechtsbeauftragten Probleme auf. Im Jahr seiner Einführung 2000 sah das Budget für die geschaffene Institution noch keinerlei finanzielle Mittel vor, was de facto zur Handlungsunfähigkeit des Kinderombudsmanns führte. Erst Ende 2000 wies die Regierung Mittel für die Ausstattung des Amtes an.494 Das derzeit aktuelle Haushaltsgesetz geht von Ausgaben des Kinderrechtsbeauftragten in Höhe von 6,58 Mio. Złoty aus.495 Davon sind 6,455 Mio. Złoty sog. laufende Ausgaben und 125.000 Złoty sog. Vermögensausgaben (wydatki maja˛tkowe).496 Das bedeutet insgesamt eine Steigerung um 37,4 % im Vergleich zu 2005.497 Begründet wird dieser Umstand mit der gestiegenen Inanspruchnahme des Kinderrechtsbeauftragten durch Hilfesuchende.498 Ein großer Kostenpunkt ist das Büro. Im Vergleich dazu besaß der Beauftragte noch im Jahr 2000 keine eigenen Räumlichkeiten und war zeitweise sogar im Büro des Ombudsmanns untergebracht.499 Weitere Kosten fallen u. a. für Konferenzen und das zu unterhaltende Servicetelefon an. Im Büro des Kinderrechtsbeauftragten waren laut den letzten offiziellen Informationen im Jahr 2003 durchschnittlich 35,5 Personen beschäftigt, die einen durchschnittlichen Bruttolohn in Höhe von etwa 4.314 Złoty erhielten.500
492 Gesetz über die öffentlichen Finanzen vom 26. November 1998, in: Dz. U. 1998, Nr. 155, Pos. 1014 mit Änderung. 493 Im Polnischen wird der Begriff Teil (cze ˛ s´c´) statt des Begriffes Titel verwendet. Haushaltsgesetz für das Jahr 2009 vom 9. Januar 2009, in: Dz. U. 2009, Nr. 10, Pos. 58. 494 Siehe Schreiben des Kinderrechtsbeauftragten an den Sejmmarschall vom 2. August 2001, Sejm-Drucksache Nr. 3307. 495 Derzeit etwa 1,645 Mio. Euro (Umrechnungkurs 2009 etwa 1:4). 496 Vgl. Haushaltsgesetz für das Jahr 2009, S. 1149. 497 Vgl. die Zahlen oben; Augustyniak-Górna, Opinia w sprawie projektu budz ˙ etu pan´stwa na rok 2005 – cze˛s´c´ 14 – Rzecznik Praw Dziecka, in: Informacje Biuro Studiów i Ekspertyz Nr. 1094, XI 04, S. 23–25, S. 23. 2005: 4,118 Mio. Złoty. 498 Dazu auch Augustyniak-Górna, Opinia w sprawie projektu budz ˙ etu pan´stwa na rok 2005 – cze˛s´c´ 14 – Rzecznik Praw Dziecka, in: Informacje Biuro Studiów i Ekspertyz Nr. 1094, XI/04, S. 23–25, S. 23. 499 Schreiben des Kinderrechtsbeauftragten an den Sejmmarschall vom 2. August 2001, Sejm-Drucksache Nr. 3307.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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c) Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten Mittels der Öffentlichkeitsarbeit kann der polnische Kinderombudsmann die Interessen und Rechte von Kindern sowie die Situation von Kindern in Polen als deren persönlicher „Botschafter“ nach außen publik machen. Sein Tätigkeitsbereich umfasst dabei die Bekanntmachung der UN-Kinderrechtskonvention gemäß Art. 42 UN-Kinderrechtskonvention. Mit der Bereitstellung von Informationen über diese Rechte gewährleistet der Kinderrechtsbeauftragte Kindern gleichzeitig die Wahrnehmung ihres Rechts auf Information gemäß Art. 54 Abs. 1 pV. Ein Nebeneffekt des öffentlichen Eintretens für Kinderrechte durch den Beauftragten ist die Steigerung der Bekanntheit der Kinderschutzinstitution selbst.501 Gesetzlich vorgesehen ist an Öffentlichkeitsarbeit durch den Kinderrechtsbeauftragten gemäß Art. 12 Abs. 2 KinderG nur die öffentliche Bekanntmachung seines jährlichen Tätigkeitsberichts bis zum 31. März. Weitere Regelungen diesbezüglich existieren nicht. Eine indirekte Beschränkung der Öffentlichkeitsarbeit erfolgt allerdings durch das Budget. Im Jahr 2003 standen dem Kinderrechtsbeauftragten für diesen Bereich 210.000 Złoty zur Verfügung.502 Verantwortet wird die Öffentlichkeitsarbeit durch einen Medienberater, der zum Kabinett des Büros gehört, § 6 Abs. 3 KinderGO. Dieser ist für die Erarbeitung eines themenbezogenen Pressespiegels hinsichtlich der Umsetzung von Kinderechten und Problemen von Kindern zuständig. Außerdem obliegen ihm u. a. der Kontakt zu den Vertretern der Medien, die Organisation von Pressekonferenzen und die Erstellung von Pressemitteilungen.503 Des Weiteren konzipieren die beiden Abteilungen Forschung und Analysen sowie Information und Intervention Mitteilungen und Themenbroschüren für Außenstehende. Konkret erfolgen in der Praxis die Herausgabe von Büchern sowie Veröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen. Beispiele sind die Themenhefte des Kinderrechtsbeauftragten zum Schutz der Kinderrechte im Bereich „Kinder als Patienten“ und „Kinder in der Familie“.504 Regelmäßig infor500 Vgl. Augustyniak-Górna, Opinia w sprawie projektu budz ˙ etu pan´stwa na rok 2005 – cze˛s´c´ 14 – Rzecznik Praw Dziecka, in: Informacje Biuro Studiów i Ekspertyz Nr. 1094, XI/04, S. 23–25, S. 24 f. 501 Der zweite Kinderombudsmann in Norwegen, Torgesen, machte die Institution durch seine Fernsehsendung in ganz Norwegen bekannt. 502 Vgl. Augustyniak-Górna, Opinia w sprawie projektu budz ˙ etu pan´stwa na rok 2005 – cze˛s´c´ 14 – Rzecznik Praw Dziecka, in: Informacje Biuro Studiów i Ekspertyz Nr. 1094, XI/04, S. 23–25, S. 24 f. 503 § 6 Abs. 7 KinderGO. 504 Rzecznik Praw Dziecka (Hrsg.), Ochrona Prawna Dziecka – Dziecko w rodzinie, Warszawa 2003; Rzecznik Praw Dziecka (Hrsg.), Ochrona Prawna Dziecka – Prawa Dziecka jako pacjenta, Warszawa 2003.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
mierte z. B. der Kinderrechtsbeauftragte Paweł Jaros auch in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ über seine Arbeit.505 Außerdem unterhält das Büro zwei instruktive Homepages, www.brpd.gov.pl und strefamlodych.pl. Die erste Internetseite hat einen allgemeinen Charakter und stellt die Institution, ihr Handeln und die entsprechenden Rechtsakte vor. Die Seite „Strefa Młodych“506 ist auf Kinder und Jugendliche ab 13 Jahre zugeschnitten und behandelt aktuelle Ereignisse sowie Probleme von Kindern in der Schule und mit den Eltern.507 Nach ihrer Umgestaltung stieg die Anzahl der Besucher von 224 im Mai auf 221.448 im Juni 2005 an.508 Der Kinderrechtsbeauftragte erstellt zudem Informationsmaterial wie beispielsweise den „Informator RPD 2001“, der an 6.198 Schulen verschickt wurde und alle Ansprechpartner im Kinderrechtsbereich enthielt.509 Neben den Printmedien werden Rundfunk- und Fernsehsendungen zur Außendarstellung genutzt.510 Weitere öffentlichkeitswirksame Foren für den Kinderombudsmann sind Kongresse und Tagungen zu bestimmten Themenfeldern, wie z. B. „Kinder in der derzeitigen Medienkultur“.511 Außerdem kann der Kinderrechtsbeauftragte mittels Informationsmaterial und Veranstaltungen zu spezifischen Themen öffentlichkeitswirksame Kampagnen verwirklichen. Genannt sei die gemeinsame Werbung mit UNICEF für Kinderrechte unter dem Titel: „Die Menschenrechte beginnen mit den Kinderrechten“ im Jahr 2002.512
505 Siehe Jaros, Dobre wzorce, in: Rzeczpospolita vom 8. Oktober 2001 unter: http://arch.rp.pl/a/rz/2001/10/20011008/200110080057.html; eingesehen am 23. Januar 2001; Jaros, Wybrali włas´nie mnie, in: Rzeczpospolita vom 17. Dezember 2001 unter: http://arch.rp.pl/a/rz/2001/12/20011217/200112170054.html; eingesehen am 23. Januar 2001. 506 Übersetzt: Jugendzone. 507 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2004 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 76 V. Kadenz vom 29. November 2005, S. 151; Tätigkeitsbericht 2005 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 788 V. Kadenz vom 3. Juli 2006, S. 120. 508 Tätigkeitsbericht 2005 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 788 V. Kadenz vom 3. Juli 2006, S. 120. 509 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 102. 510 Siehe zur Präsenz in Rundfunk und Fernsehen: Tätigkeitsbericht 2001 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002, S. 93 f. 511 Konferenz am 8. Juli 2003 in Warschau, siehe Tätigkeitsbericht 2003 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004, S. 181. 512 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 102.
VI. Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise
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d) Eingang und formale Bearbeitung der Vorgänge aa) Kontaktaufnahme mit dem Kinderrechtsbeauftragten Regelungen über die formale und technische Ausgestaltung des Zugangs zum Kinderrechtsbeauftragten finden sich weder im KinderG noch in der Geschäftsordnung oder Satzung des Büros. Formale Anforderungen für den Zugang zum polnischen Kinderombudsmann, wie etwa das Ausfüllen eines Formulars beim Europäischen Bürgerrechtsbeauftragten, bestehen nicht. Die technische Kontaktaufnahme ist in der Praxis durch die vom Büro finanzierte 24-Stunden-Telefonhotline513, mittels E-Mail, Chat und per Post möglich. Außerdem dient das Büro selbst als Kontaktstelle. Informationen darüber finden sich u. a. auf den kindgerecht gestalteten Internetseiten des polnischen Kinderombudsmannes. Wie sich die Kontaktaufnahme in der Praxis gestaltet, zeigen Zahlen aus dem Jahr 2005: Am häufigsten erfolgte der Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten per Telefon. Insgesamt wandten sich 7589 Personen telefonisch an das Büro insbesondere Kinder und Eltern (47,5 %). Per Post suchten 3497 Personen Kontakt mit dem Kinderombudsmann und das Büro selbst suchten 921 Interessenten auf.514 Die Anzahl der Kontakte stieg im Vergleich zum Jahr 2002 um über 50 Prozent.515 bb) Die formale Bearbeitung der Vorgänge Nur wenige Regelungen gibt es bezüglich der formalen Bearbeitung der eingegangenen Vorgänge. In der KinderGO finden sich lediglich Vorschriften über die zu wahrende briefliche Form von Seiten des Büros sowie zur Unterzeichnung von Schriftstücken, § 24–31 KinderGO. Außerdem gelten für den Kinderrechtsbeauftragten bei seinen Untersuchungen und Kontrollen aufgrund der ihm zugänglichen persönlichen Daten die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.516 Danach unterliegt er gemäß Art. 15 Datenschutzgesetz auch der Kontrolle des polnischen Datenschutzbeauftragten. Recht513 Chojnacka/Komar-Morawska bei einem Interview mit der Verfasserin am 4.02.2004 im Kinderombudsmannbüro in Warschau. 514 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2005 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 788 V. Kadenz vom 3. Juli 2006, S. 134, 137 139. 515 Vgl. den Tätigkeitsbericht 2002 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 1671 IV. Kadenz vom 31. Mai 2003, S. 120 ff. Damals gab es insgesamt 6035 Kontakte, im Jahr 2005 waren es 12737. 516 Siehe dazu Gesetz über den Schutz der persönlichen Daten vom 29. August 1997, in: Dz. U. 1997, Nr. 133, Pos. 883 mit Änderungen.
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
lich offen bleiben, anders als beim polnischen Ombudsmann und beim norwegischen Kinderombudsmann517, insbesondere die Fragen der Bescheidung eines Vorgangs sowie die der Information des Antragsstellers über den Bearbeitungsstand seiner vorgetragenen individuellen Angelegenheit. Mangels entsprechender Vorschriften ist davon auszugehen, dass es im Ermessen der Institution liegt, ob eine Angelegenheit zurückgewiesen, eingestellt oder untersucht wird. Einen Anspruch auf Information über den Stand der Untersuchung oder eine Bescheidung des vorgebrachten Falles durch den polnischen Kinderombudsmann gibt es daher nicht.
VII. Zusammenfassung und Bewertung Die rechtliche Ausgestaltung im ersten polnischen Kinderombudsmanngesetz spiegelt deutlich die Auseinandersetzung um die Einführung der Institution während des Gesetzgebungsprozesses wieder. Wie dargelegt, debattierten angesichts der bereits seit 1987 bestehenden allgemeinen Ombudsmanninstitution Befürworter und Gegner über die Erforderlichkeit der Kinderschutzinstitution sowie um deren Verhältnis zur Familie. Ergebnis war ein Gesetz, welches der Institution als unabhängiges und gleichrangiges Verfassungsorgan auf der einen Seite eine starke Rechtsstellung im staatsorgansiationsrechtlichen Gefüge gab. Auf der anderen Seite eröffneten ihm die geregelten Befugnisse für die Wahrnehmung seiner Aufgaben bis 2008 nur sehr wenige Durchsetzungsmöglichkeiten. Trotz dieser heterogenen Regelungen entwickelte sich der Kinderrechtsbeauftragte in der Praxis zu einer sehr erfolgreichen Institution, was die Anzahl der Anfragen – allein im Jahr 2005 waren es insgesamt 12.737 – verdeutlicht. Ob der Kinderrechtsbeauftragte in den vergangenen Jahren tatsächlich erfolgreich im Sinne von durchsetzungsstark war, lässt sich nur mittels einer umfassenden Auswertung des Datenmaterials in den Tätigkeitsberichten ermitteln, die bislang nicht vorliegt. Zusammenfassend, unter Einbeziehung der eingangs genannten Anforderungen des ENOC und der Pariser Prinzipien an eine Kinderschutzinstitution, lässt sich Folgendes feststellen: Der polnische Kinderrechtsbeauftragte, durch die Verfassung in die polnische Rechtsordnung eingeführt, ist eine den internationalen Standards entsprechende, durch Legislativakt geschaffene Institution. Beim Kinderombudsmann handelt es sich aufgrund seiner Rechtsstellung als Verfassungsorgan der Kontrolle und des Rechtsschutzes sowie aufgrund seines Rechtsstatus als Immunität besitzendes Organ um eine rechtlich unabhängige Institution. Die Festlegung als Verfassungsorgan 517 Vgl. Art. 11 Gesetz über den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten. Siehe die Ausführungen zum norw. Kinderrechtsbeauftragten oben.
VII. Zusammenfassung und Bewertung
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ist bislang einzigartig. Die finanzielle Unabhängigkeit und die effektive Aufgabenwahrnehmung durch den Kinderrechtsbeauftragten sind unmittelbar von den Regelungen über seinen Haushalt abhängig. Die Ausgaben der Institution sind nach Art. 14 KinderG im Haushaltsgesetz Polens in einem eigenen Titel verankert. Sein in Titel 14 eingebundenes Budget gewährleistet auch der Höhe nach den Unterhalt des Büros und der Mitarbeiter sowie die Finanzierung von Veröffentlichungen und Kampagnen. Dem Kinderrechtsbeauftragten ist damit – entsprechend den Prinzipien – selbst unter finanziellen Gesichtspunkten eine unabhängige Aufgabenwahrnehmung von Exekutive und Legislative möglich. In der Praxis war die Unabhängigkeit der Institution in der Anfangsphase hingegen mangels eingestellter Gelder im Haushaltsplan nicht gesichert. Dieses Problem besteht nicht mehr. Die Auswahl des im Kinderombudsmannbüro arbeitenden Führungspersonals – der Direktoren – durch den Kinderrechtsbeauftragten selbst, ist ein weiterer Ausdruck seiner Unabhängigkeit. Das Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten eröffnet dem Kinderombudsmann entsprechend den Prinzipien ein weites Aufgabenspektrum. Vorschriften über seine Aufgaben finden sich in den Artt. 1–3 KinderG. Danach obliegt es dem Kinderrechtsbeauftragten, die Rechte und das Wohl von Kindern vom Zeitpunkt ihrer Empfängnis an bis zum 18. Lebensjahr zu schützen, wozu u. a. die Rechte auf Leben, Bildung, angemessene soziale Bedingungen sowie in einer Familie aufzuwachsen zählen. Die polnische Verfassung selbst enthält im Unterschied zu Deutschland (Art. 6 Abs. 5 GG) mehr explizite Kinderrechte (z. B. Art. 72 pV), d.h. Rechte, welche im Schwerpunkt den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen sollen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Zahlreiche weitere durch den Kinderrechtsbeauftragten zu schützende Kinderrechte finden sich noch in anderen Rechtsquellen, beispielsweise in der UN-Kinderrechtskonvention, dem KinderG selbst sowie in Rechtsverordnungen zur Gesundheitsvorsorge. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben steht das Wohl des Kindes an erster Stelle. Da das Kindeswohl von der familiären Situation abhängt, setzt sich der Kinderrechtsbeauftragte auch für das Wohl der Familie ein. Die festgelegten Aufgaben des polnischen Kinderrechtsbeauftragten können vor diesem Hintergrund als sehr umfassend eingestuft werden und entsprechen den Regelungen für andere Kinderombudsmanninstitutionen. Mit seiner Novellierung im Oktober 2008 stärkte der Gesetzgeber den Kinderrechtsbeauftragten mit zahlreichen neuen Kompetenzen. Die Kompetenzen des polnischen Kinderrechtsbeauftragten finden sich nun in den Artt. 9–11a KinderG. Der Zugang zum polnischen Kinderrechtsbeauftragten steht jedem offen, wie Kindern, Erwachsenen, staatlichen oder privaten Or-
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C. Der Kinderrechtsbeauftragte in Polen
ganen, Organisationen und Institutionen u. a. mittels Kindertelefon, E-Mail und Briefkontakt. Seine Zuständigkeit umfasst allgemeine und individuelle Angelegenheiten. Sie findet allerdings ihre Beschränkung bei Familienkonflikten, solange diese das Wohl des Kindes nicht gefährden. Seine Befugnisse umfassten bis 2008 Warnungen, Anzeigen und Anregungen gegenüber staatlichen Organen und galten, wie aufgezeigt, als „weich“.518 Konkret hat er u. a. ein Informationsbeschaffungs- und Akteneinsichtsrecht, kann Anregungen in Kinderangelegenheiten geben, unterbreitet Gutachten und Vorschläge für einen wirkungsvolleren Schutz der Kinderrechte und kann Gesetzesinitiativen anregen. Eine den Rechten korrespondierende Pflicht der Organe zu reagieren bestand bis 2008 nur in den letzten beiden Fällen gemäß Art. 11 Abs. 3 KinderG. Mit dem neuen Gesetz wurde dies auch auf weitergeleitete Angelegenheiten des Beauftragten ausgeweitet, Art. 10a Abs. 3 KinderG. Während Sanktionsinstrumente bei Pflichtverstößen der Organe bislang nicht vorgesehen waren, kann sich der Kinderrechtsbeauftragte jetzt bei fehlender Informationsweitergabe gemäß Art. 10a Abs. 4 KinderG an die übergeordnete Einheit wenden. War der Kinderrechtsbeauftragte bislang, überspitzt formuliert, im Wesentlichen aufgrund fehlender rechtlicher Durchsetzungsinstrumente und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Adressaten auf ein einvernehmliches Handeln mit den Organen und auf die Anerkennung seiner Autorität in Kinderangelegenheiten angewiesen, so verleiht ihm die Novelle u. a. mit Art. 10a, Art. 10b aber auch mit Art. 10 KinderG (Rechte über die Einleitung von Verfahren) „harte“ Handlungsinstrumente. Die alten Regelungen bezüglich der Aufgaben und Befugnisse des Kinderrechtsbeauftragten spiegelten sehr deutlich die widerstreitenden Interessen bei der Einführung der Institution im Gesetzgebungsprozess wider. Folge davon war, dass den umfangreichen Aufgaben des Kinderrechtsbeauftragten im Wesentlichen nur „soft-instruments“ zu deren Durchsetzung zur Seite gestellt wurden, die weit hinter den Befugnissen des Bürgerrechtsbeauftragten zurückblieben. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte besaß daher nur begrenzt klar bestimmte, umfassende und im Verhältnis zu den Aufgaben adäquate Befugnisse gegenüber den staatlichen Organen, Organisationen und Institutionen, wie sie die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ vorsehen. Diesem rechtlich unbefriedigenden Zustand begegnet die Novelle, wobei abzuwarten bleibt, wie sich die Praxis künftig gestalten wird. In der Praxis war das Wirken des Kinderrechtsbeauftragten bislang in Bezug auf die bearbeiteten Anfragen erfolgreicher als es seine Kompeten518 Vgl. Dercz/Izdebski, Mały do duz ˙ ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002.
VII. Zusammenfassung und Bewertung
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zen vermuten lassen, was zum Teil an der effektiven Zusammenarbeit mit dem Bürgerrechtsbeauftragten lag. Mit anderen Organen hat sich ebenfalls, wie die in der Untersuchung aufgezeigten Beispiele belegen, neben der rechtlichen Kooperation eine intensive informelle Zusammenarbeit entwickelt. Ein weiteres effizientes Mittel für die Durchsetzung seines Mandats, ist die gleichfalls nicht im Gesetz geregelte Öffentlichkeitsarbeit. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte entspricht damit insbesondere nach der Novelle 2008 den internationalen Anforderungen an eine Kinderrechtsinstitution.519 Inwieweit sich die Institution des polnischen Kinderrechtsbeauftragten uneingeschränkt als Modell für Deutschland empfiehlt, bleibt der Untersuchung im nächsten Kapitel vorbehalten.
519
Siehe insgesamt kritisch zur Erfüllung der Standards: Dercz/Izdebski, Mały do duz˙ego – status prawny Rzecznika Praw Dziecka, in: Rzeczpospolita vom 19. Februar 2002.
D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland? I. Einführung In Deutschland gibt es im Gegensatz zu Polen keinen Kinderrechtsbeauftragten auf Bundesebene. Dafür sind mehrere Gründe möglich: Zum einen, dass kein politisches und kein rechtliches Bedürfnis nach einer neuen Kinderschutzinstitution besteht und zum anderen, dass die Einführung bislang politisch nicht durchsetzbar war. Angesichts der zahlreichen in den 80er und 90er Jahren geäußerten kinderpolitischen Forderungen nach einem Kinderrechtsbeauftragten beschränkt sich der Untersuchungsgegenstand auf die rechtlichen Aspekte. Bevor über die Einführung und Ausgestaltung eines Kinderrechtsbeauftragten nach polnischem Vorbild nachgedacht werden kann, stellt sich die Frage nach einem bestehenden rechtlichen Defizit bezüglich des Kinderschutzes in Deutschland. Eine Einführung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das bestehende Institutionensystem im Bereich des Kinderschutzes rechtliche Lücken aufweist. Um eventuelle Defizite feststellen zu können, bedarf es zum einen einer Analyse der existierenden und zu schützenden Rechte von Kindern in Deutschland und zum anderen einer Untersuchung hinsichtlich der Wirksamkeit von vorhandenen Institutionen im Bereich des Kinderrechtsschutzes. Rechtliche Lücken werden angenommen, sofern die Institutionen sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel den Standards der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ an Kinderrechtsschutzinstitutionen nicht entsprechen. Ergeben sich Mängel bei den bestehenden Institutionen, ist ein Kinderrechtsbeauftragter erst zu erwägen, falls Modifikationen der Institutionen keine Abhilfe schaffen können. Gewährleisten die bestehenden Institutionen keinen den Standards entsprechenden Schutz, so ist daran zu denken, die rechtlichen Defizite mittels Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten zu beseitigen, wofür, soweit übertragbar, die Regelungen zum polnischen Kinderombudsmann herangezogen werden. Im Anschluss an diese Ausführungen gilt es ergänzend einen Blick auf die politische Durchsetzbarkeit der neuen Kinderschutzinstitution zu werfen.
II. Rechte von Kindern in Deutschland
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II. Rechte von Kindern in Deutschland Bevor mit der Untersuchung über die bestehenden institutionellen Einrichtungen zum Schutz von Kindern in Deutschland begonnen werden kann, stellt sich die Frage nach der rechtlichen Lage von Kindern in Deutschland. Die überblicksartige Schilderung der Ausgangslage ist notwendig, weil die Aufgaben der bestehenden Institutionen auch in der Wahrung der Kinderrechte liegen. Für eine in Deutschland nach polnischem Vorbild zu schaffende Institution des Kinderrechtsbeauftragten wäre die Beachtung der Kinderrechte sogar Kernpunkt der Arbeit. Erinnert sei daran, dass der polnische Kinderrechtsbeauftragte, unter Berücksichtigung der bei den Eltern liegenden Verantwortlichkeit, über die Rechte der Kinder, wie sie in der polnischen Verfassung, der UN-Kinderrechtskonvention, dem Kinderombudsmanngesetz sowie anderen Vorschriften festgelegt sind, zu wachen hat. Richtschnur für die Wahrnehmung seiner Aufgaben ist dabei das Wohl des Kindes.1 Was unter Kinderrechten im Rahmen dieser Untersuchung verstanden wird, sei an dieser Stelle nochmals betont: Ein weites Verständnis zu Grunde gelegt, werden als Kinderrechte alle in Deutschland geltenden geschriebenen nationalen und internationalen Rechte angesehen, welche im Schwerpunkt den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen sollen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Dazu zählen u. a. allgemeine Schutzvorschriften, Abwehrrechte, Freiheitsrechte und Leistungsansprüche für und von Kindern. Unmittelbarer Adressat der Regelungen können dabei u. a. Organe der staatlichen Gewalt aber auch Kinder selbst sein. Einbezogen werden in den Überblick nur ausgesuchte Rechtsquellen, wie das Grundgesetz, die höchstrichterliche Rechtsprechung, europarechtliche und völkerrechtliche Verträge sowie Bundesgesetze.2 Es erfolgt eine Analyse derjenigen Rechtsnormen und Entscheidungen, welche von besonderer Relevanz für Kinder sind bzw. originäre Kinderrechte darstellen. Andere Rechtsquellen, seien es die untergesetzlichen Vorschriften oder die Landesbestimmungen, sollen, zum Zwecke der Konzentration der Untersuchung, außen vor bleiben. Bevor jedoch auf die geltenden Kinderrechte eingegangen wird, bleibt zu klären, wer nach der deutschen Rechtsordnung als „Kind“ gilt. 1
Art. 1 Abs. 3 KinderG; vgl. die Ausführungen in Abschnitt C.VI.1. Siehe zum Begriff der Rechtsquelle: Ossenbühl (Bearb.), § 61 Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Heidelberg 1996, Band III, S. 281–314, S. 282 f. 2
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
1. Der Begriff des Kindes in Deutschland Der Begriff des „Kindes“ in der deutschen Rechtsordnung ist zum einen von der verwandtschaftlichen Beziehung her und zum anderen vom zeitlichen Gesichtspunkt aus definierbar. Im Rahmen der Verwandtschaftsbeziehung bedeutet der Terminus „Kind“, dass das Kind ein Abkömmling zweier Personen ist. Die Frage nach dem Alter des Nachkommen stellt sich nicht, da die Eigenschaft als Kind unabhängig davon gilt. Betrachtet man die Ausführungen zum Kindesbegriff vor dem Hintergrund einer neu zu schaffenden Kinderschutzinstitution und deren Zuständigkeit, ist dieser altersunabhängige Kindesbegriff nicht von Relevanz. Von alleinigem Interesse ist der zeitliche Aspekt, die Dauer der sog. Kindheitsphase. Bezüglich der für eine Bestimmung der Kindheitsphase maßgeblichen Zeitpunkte, Anfang und Ende, legen die einzelnen Regelungen Unterschiedliches fest. Das deutsche Grundgesetz als oberste nationale Rechtsquelle regelt nicht ausdrücklich, welchen Zeitraum die Kindheitsphase umspannt. Insbesondere lässt es offen, ob der Anfang der Kindheit mit dem Zeitpunkt der Geburt zusammenfällt oder aber bereits vor der Geburt beginnt. Von Interesse für diese Untersuchung ist folglich, wann das menschliche Leben und dessen Schutz beginnen und ob dieser Zeitpunkt den Beginn der Kindheit markiert. Abschließend ist auf das Ende der Kindheit einzugehen. Da das Grundgesetz selbst nicht ausdrücklich den Beginn des menschlichen Lebens bestimmt, sind die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in die Überlegungen einzubeziehen.3 In seiner ersten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch führte das Bundesverfassungsgericht 1975 aus, dass „Leben im Sinne der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums . . . nach gesicherter biologischer-physiologischer Erkenntnis jedenfalls vom 14. Tag nach der Empfängnis . . . an . . .“ besteht.4 In seinem zweiten Schwangerschaftsabbruchurteil aus dem Jahre 1993 sah es das Gericht dagegen als nahe liegend an, einen früheren Zeitpunkt, die Verschmelzung von Ei und Samenzelle, als den Beginn menschlichen Lebens anzunehmen.5 Eine Festlegung in dieser Frage hielt das Gericht allerdings, mangels Entscheidungserheblichkeit, nicht für erforder3 Das Grundgesetz lässt mit seinen Normen einen großen interpretatorischen Spielraum. Das Bundesverfassungsgericht besitzt daher die Kompetenz das GG auszulegen und letztverbindlich über Verfassungsrechtsfragen zu entscheiden: vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 93 Rn. 3; Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 951 ff. 4 Vgl. BVerfGE 39, 1 (37); sog. Nidation. 5 Besser wäre der Begriff der Befruchtung statt der Begriff der Verschmelzung. Die Verschmelzung der Zellkerne des Spermiums und der Eizelle stellen lediglich ein wesentliches Merkmal der Befruchtung dar.
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lich.6 Nach der in der Lehre überwiegenden Ansicht entsteht menschliches Leben mit der Befruchtung der Eizelle.7 Fraglich ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Grundrechtsberechtigung des Nasciturus besteht oder ob er nur objektivrechtlich dem Schutz der Grundrechte unterstellt ist. Grundsätzlich gelten nur Lebende als grundrechtsberechtigt, wobei der Beginn der Berechtigung in Anlehnung an § 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)8 mit der Vollendung der Geburt und das Erlöschen der Grundrechtsberechtigung mit dem Tod der Person angenommen wird.9 In Ausnahmefällen, insbesondere bei der Wahrung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, dem Recht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG und dem Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, geht eine überwiegende Auffassung in der Lehre davon aus, dass die Grundrechtsberechtigung schon vor Vollendung der Geburt beginnen und aufgrund postmortaler Rechtssatzzuordnungen über den Tod hinausgehen kann.10 Für den Nasciturus bedeutet dies nicht nur, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert, einen objektivrechtlichen Schutz durch die Grundrechte, sondern auch eine subjektive Berechtigung aus den Grundrechtsnormen.11 Diese beginnt, folgt man der herrschenden Lehre, nicht erst mit dem Zeitpunkt der Nidation, der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter, sondern bereits mit der Befruchtung.12 Teile der Lehre sehen jedoch die Verletzung eines geborenen Menschen nicht als gleichwertig mit der Verletzung eines ungeborenen Menschen an, was sie insbesondere für die frühen Schwangerschaftswochen annehmen. Als notwendig wird von Vertretern dieser Lehre, im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht, eine zeitliche Differenzierung der Schutzintensität erachtet, die mit Fortschreiten der Schwangerschaft 6 Im Urteil ging es um die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruches. Da eine Schwangerschaft erst ab dem 14. Tag nach der Empfängnis besteht, war die Entscheidung in dieser Frage folglich für das Gericht nicht relevant; BVerfGE 88, 203 (251). 7 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschlands, Band III/1, München 1988, S. 1061 f.; Hofmann (Bearb.), in: Schmidt-Bleibtreu/Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage, München 2004, Art. 1 Rn. 21; mit weiteren Anmerkungen Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 64. 8 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 2. Januar 2002, in: BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. I, 2003, S. 738. 9 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1045. 10 Dazu ebenda, S. 1045 ff. 11 Vgl. BVerfGE 39, 1 (41); BVerfGE 88, 203 (251 f.); Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1063 mit weiteren Anmerkungen; Kunig (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 2 Rn. 47; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 64. 12 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 64.
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zunimmt.13 Für diese Ansicht sprechen auch die unterschiedlichen Regelungen bzgl. eines Abbruchs vor und nach der Nidation. Als physischer Teil der Mutter unterliegen die Grundrechte des Nasciturus zudem im Verhältnis zur Mutter gewissen Beeinträchtigungen.14 Angesicht des Schutzes eines ungeborenen Kindes gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG sowie aus der Anerkennung seiner pränatalen Grundrechtsberechtigung seitens der Lehre kann gefolgert werden, dass der Beginn der Kindheit nach dem Grundgesetz mit dem Beginn des menschlichen Lebens verbunden ist. Die Kindheit hat damit ihren Anfang zum Zeitpunkt der Befruchtung. Indiz hierfür ist im Falle Deutschlands auch die UN-Kinderrechtskonvention. Wie ausgeführt, klammern die für die Staaten verbindlichen völkerrechtlichen Regelungen der UN-Kinderrechtskonvention diese Frage explizit aus.15 Interessanterweise kam die für die Auslegung der Vorschriften unverbindliche Präambel, welche den Beginn der Kindheit auf einen Zeitpunkt vor der Geburt verankert, auf Initiative Deutschlands zustande. Dies kann als Spiegel der hierzulande geltenden Grundrechtsauffassung angesehen werden. Regelungen über den Schutz des ungeborenen Kindes enthalten darüber hinaus einfachgesetzliche Bestimmungen, z. B. das Strafgesetzbuch (StGB)16 und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). So schützt das Strafgesetzbuch das ungeborene Leben, indem es mit § 218 StGB den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. Eine Schwangerschaft nimmt das StGB allerdings erst nach dem Zeitpunkt der Nidation an.17 Für das BGB gilt die ungeborene Leibesfrucht gemäß § 1 BGB zwar nicht als rechtsfähig, wird aber durch zahlreiche Vorschriften direkt oder mittels analoger Anwendung geschützt. So ist der Nasciturus u. a. erbfähig (§ 1923 Abs. 2 BGB), wird gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegen vorgeburtliche Schäden geschützt und hat 13
Vgl. für eine zeitliche Differenzierung: BVerfGE abweichende Meinung 88, 203/342 ff.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 64; Kunig (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 2 Rn. 58b; gegen Fristenlösung für eine Indikationslösung BVerfGE 46, 160 (164); so auch Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 49. Auflage, München 1999, Vor § 218 Rn. 17. Zum gesamten Meinungsstreit sei auf Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch – Kommentar, München 2004, Vor § 218 Rn. 6 ff. verwiesen. 14 Vgl. BVerfGE 88, 203 (256). 15 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt C.VI.1.a)aa). 16 Strafgesetzbuch in der Fassung vom 13. November 1998, in: BGBl. I, S. 3322 mit Änderungen. 17 Der Zeitraum vor der Nidation wird in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz strafrechtlich geschützt; Gesetz zum Schutz von Embryonen vom 13. Dezember 1990 (BGBl I S. 2764; III 453-19 mit Änderungen).
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bei Tötung eines Unterhaltspflichtigen einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger (§ 844 Abs. 2 BGB).18 Die Bezeichnung des ungeborenen Kindes als Leibesfrucht durch das BGB scheint darauf hinzudeuten, dass für das BGB erst die Geburt den Beginn der Kindheit markieren soll. Ebenso scheint das Sozialgesetzbuch, welches in seinem Achten Buch die Kinderund Jugendhilfe regelt, den Beginn der Kindheit zu definieren.19 In seinem § 7 bestimmt das KJHG lediglich den Zeitpunkt der Beendigung der Kindheit, lässt ihren Beginn aber offen. Aus den Bestimmungen des KJHG über Angebote und Leistungen ergibt sich allerdings eine Zuständigkeit der Jugendhilfe für geborene Kinder. Das Ende der Kindheit definiert das Grundgesetz gleichfalls nicht. Einen Anhaltspunkt liefert Art. 38 Abs. 2 GG, der das aktive und passive Wahlrecht volljährigen Personen einräumt.20 Für die Bestimmung der Volljährigkeit wird die in § 2 BGB festgelegte Altersgrenze herangezogen. Das Bundesverfassungsgericht knüpft das Ende der Kindheit und das Erlöschen des Elternrechts ebenfalls an die einfachgesetzlichen Volljährigkeitsregelungen an.21 Demzufolge endet die elterliche Sorge gemäß § 1626 BGB mit der Volljährigkeit des Kindes, welche nach § 2 BGB mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Die Beendigung der Kindheit mit Vollendung des 18. Lebensjahres ergibt sich auch aus den Regelungen im KJHG sowie der UN-Kinderrechtskonvention. Danach gelten gemäß § 7 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) und Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention Personen als Kinder bzw. Jugendliche, die noch nicht 18 Jahre alt sind. Entsprechend den grundgesetzlichen Regelungen in ihrer Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht und ihrer Präzisierung durch einfache Gesetze beginnt die Kindheit in Deutschland mit der Befruchtung der Eizelle und endet mit Vollendung des 18. Lebensjahres.
18 Vgl. Heinrichs (Bearb.), in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar –, 62. Auflage, München 2003, § 1 Rn. 5 f. 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, in: BGBl. I S. 1163; zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 2. November 2000, in: BGBl. I S. 1479; (SGB VIII = KJHG)). 20 Gemäß § 2 BGB ergibt sich daraus auch für das passive Wahlrecht das vollendete 18. Lebensjahr als Altersgrenze. Siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Mindestaltersgrenze im Wahlrecht: BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2000 – 2 BvC 2/99, in: NVwZ 2002, Heft 1, S. 69–70, S. 69. 21 Vgl. u. a. BVerfGE 59, 360 (382).
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2. Verfassungsrechtliche Bestimmungen a) Einführung Das deutsche Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und die oberste nationale Rechtsquelle.22 Mit der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 wurde, eine historische Seltenheit, zugleich der Staat selbst, die Bundesrepublik Deutschland, gegründet. Die zuvor nicht existente Bundesrepublik ist damit Ergebnis des verfassungsmäßigen Konstitutionsaktes.23 Die Bezeichnung als „Grundgesetz“ erklärt sich mit dem bei Erlass unter Vorbehalt der Vorläufigkeit stehenden Geltungsanspruch des Grundgesetzes, was Art. 146 GG (alt) hervorhob. Diese damals durch die Ministerpräsidenten vertretene Provisoriumskonzeption sollte eine endgültige Teilung Deutschlands in West und Ost verhindern helfen.24 Nach dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 gemäß Art. 23 GG (alt) gilt das Grundgesetz für das gesamte deutsche Volk. Da bislang keine neue Verfassung für Gesamtdeutschland erarbeitet wurde, sondern nur Novellierungen erfolgten, verliert das Grundgesetz gemäß Art. 146 GG (neu) erst seine Gültigkeit, wenn eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.25 Für die Untersuchung der Frage, ob das Grundgesetz Kinderrechte im oben definierten Sinne enthält, sind insbesondere die Grundrechte von Interesse. Als elementarer Bereich des Grundgesetzes und unmittelbar geltendes Recht binden die Grundrechte die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung bei ihrem Handeln, Art. 1 Abs. 3 GG. Die Grundrechte sind zum einen als subjektive Rechte, d.h. als Rechte des Einzelnen in Form von Menschen- und Bürgerrechten, sowie als Rechte bezüglich der Gewährleistung eines Rechtsinstituts oder der Freiheit eines Lebensbereichs konzipiert. Unterschieden wird zwischen Menschen(grund)rechten, die jedermann zustehen, und Bürgerrechten, welche Gewährleistungen für alle Deutschen vorsehen. Kinder sind, wie zu zeigen sein wird, als Inhaber von Grundrechten anerkannt, solange die Grundrechte keine 22 Zum Verhältnis nationales Recht und EU-Recht: vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 249 ff. (§ 44 III ). 23 Vgl. Vorländer, Grundgesetzverständnis und Verfassungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Deutsche Verfassungsgeschichte 1849–1919–1949, Bonn 1989, S. 115–133, S. 115. 24 Mit der Erarbeitung war der Parlamentarische Rat betraut, eine von den Alliierten 1948 initiierte verfassungsgebende Versammlung; vgl. dazu ausführlich Niclauß, Der Weg zum Grundgesetz, Paderborn/München/Wien 1998, S. 110 ff. 25 Art. 146 GG neu gefasst durch Art. 4 Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, in: BGBl. II S. 889.
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speziellen Altersangaben vorsehen.26 Aufgrund der unmittelbaren Geltung kann die Beachtung der Grundsatznormen von den Grundrechtsträgern gerichtlich durchgesetzt werden. Die Grundrechte bilden zum anderen als objektive Normen ein Wertesystem des Gemeinwesens, das als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht.27 Die meisten Grundrechte bedürfen für ihre Wirksamkeit der rechtlichen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Nur durch die Festlegung von rechtlichen Ordnungen können bestimmte grundrechtliche Gewährleistungen, wie die von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, ihre Wirkungen entfalten und ermöglichen es dem Einzelnen, von diesen Gebrauch zu machen.28 Abgesehen von der Ausgestaltung ist auch eine Einschränkung der Grundrechte möglich, soweit das Grundgesetz eine Beschränkung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorsieht, Art. 19 Abs. 1 GG. Der Wesensgehalt der Grundrechte darf in keinem Falle angetastet werden, Art. 19 Abs. 2 GG.29 Art. 79 Abs. 3 GG unterstellt zudem die in den Artt. 1 und 20 GG genannten Grundsätze der Ewigkeitsgarantie, d.h. entzieht sie künftigen Abänderungen durch den Verfassungsänderungsgesetzgeber.30 Inwieweit von Art. 79 Abs. 3 GG auch die übrigen Grundrechte umfasst werden, ist streitig. Eine Ansicht in der Lehre nimmt an, dass über die Erwähnung des Art. 1 GG in Art. 79 Abs. 3 GG mittelbar der gesamte Grundrechtsteil einer Abänderung entzogen ist. Demzufolge wären alle Grundrechte gewissermaßen in Kettenreaktion auf Art. 1 Abs. 3, Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich festgelegt, soweit sie keinen Gesetzesvorbehalt enthielten.31 Andere Stimmen in der Lehre lehnen diese Ansicht ab, weil sie den Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 GG überdehnt.32 Gleich dem Bundesverfassungsgericht gehen sie davon aus, dass über Art. 1 Abs. 3 GG ein bestimmter Kerngehalt der Einzelgrundrechte von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt ist, wofür die Men26 Das Kind als Grundrechtsträger wird in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anerkannt: u. a. BVerfGE 24, 119 (143 ff.); 37, 217 (252); 60, 79 (88). 27 Vgl. Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 279 ff. (S. 127 ff.). 28 Vgl. ebenda Rn. 303 f. (S. 138 f.). 29 Zum Charakter des Art. 19 Abs. 2 GG: Hesse, Grundzüge Rn. 332 (S. 148). Zur deklaratorischen Bedeutung der Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG sowie zu seiner institutionellen Garantie siehe: Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Auflage, Heidelberg 1983. 30 Nicht gebunden an Art. 79 Abs. 3 GG wäre allerdings der Verfassungsgeber (das Volk), der eine völlig neue Verfassung konzipiert; vgl. Stern, das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschlands, Band III/2, München 1994, S. 1099. 31 Siehe dazu Stern, der die Ansicht Wernickes wiedergibt: Stern, Das Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 1073. 32 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 1127.
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schenwürde und die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte Maßstab sind.33 b) Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsausübungsfähigkeit von Minderjährigen Im Folgenden soll ein Überblick zur Problematik gegeben werden, inwieweit Kindern die Innehabung sowie die materiell-rechtliche und prozessuale Ausübung von Grundrechten möglich ist. Dies ist notwendig, weil die entsprechenden Ausführungen grundlegend für die anschließende Analyse des Grundgesetzes in Bezug auf Kinderrechte sind.34 Dass Kinder Träger grundsätzlich aller Grundrechte und damit grundrechtsberechtigt sind, wird von der herrschenden Lehre angenommen und fand in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholt seine Bestätigung.35 Die Grundrechtsfähigkeit des Individuums wurzelt in der unantastbaren Würde des Menschen, welche in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ihre Grundlage findet. Einen Beleg dafür, dass die Grundrechtsberechtigung von Kindern dem Grundgesetz nicht fremd ist, liefert das Grundgesetz u. a. mit Art. 6 Abs. 5 selbst, wonach für uneheliche Kinder durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen zu schaffen sind wie für eheliche. Da dieser Absatz nach überwiegender Ansicht nicht lediglich als Programmnorm, sondern als subjektives Recht des unehelichen Kindes angesehen wird36, zeugt dies bereits von der prinzipiell vorgesehenen Grundrechtsberechtigung von Kindern.37 33 Vgl. BVerfGE 84, 90 (121); 94, 12 (34); 95, 48 (62); Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 79 Rn. 10. Siehe dazu insgesamt Stern, Das Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 1072 ff. und S. 1131. 34 Zur Fragestellung der Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsmündigkeit von Minderjährigen sind mehrere Monographien erschienen auf die hier verwiesen werden soll: vgl. u. a. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger im Spannungsfeld selbständiger Grundrechtsausübung, elterlichen Erziehungsrechts und staatlicher Grundrechtsbindung, Berlin 2003; Roell, Die Geltung der Grundrechte für Minderjährige, Berlin 1984; Fehnemann, Die Innehabung und Wahrnehmung von Grundrechten im Kindesalter, Berlin 1983; Kuhn, Grundrechte und Minderjährigkeit, Neuwied/Berlin 1965. Die Darstellung in der vorliegenden Untersuchung beschränkt sich auf die wesentlichen Problemfelder. 35 Vgl. BVerfGE 24, 119 (143 ff.); 37, 217 (252); 60, 79 (88); Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1045; Hohm, Grundrechtsträgerschaft und „Grundrechtsmündigkeit“ Minderjähriger am Beispiel öffentlicher Heimerziehung, in: NJW 1986, Jhg. 39, Heft 50, S. 3107–3115, S. 3108; Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 11. 36 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 53 f. 37 Vgl. mit weiteren Ausführungen Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 14. Roth leitet zudem auch aus Art. 6 Abs. 3 GG eine Grundrechtsberechtigung
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Eine auf den ersten Blick nahe liegende Relativierung dieser allgemeinen Grundrechtsberechtigung mittels teleologischer Reduktion auf solche Rechte von Kindern, deren Wahrnehmung sie selbst oder ihre Vertreter gewährleisten, ist abzulehnen. Ein Kleinstkind wird zwar von bestimmten Rechten, wie der Versammlungsfreiheit, kaum Gebrauch machen und die Sorgerechtsberechtigten werden es auch nicht in Vertretung für das Kind ausüben können. Dennoch würde ein Entzug der Rechtsträgerschaft aufgrund faktisch fehlender vorübergehender Rechtsausübungsfähigkeit des Kindes eine Verknüpfung an die jeweilige Lebensphase darstellen, die, wie Roth zu Recht anmerkt, so nicht allgemeines Prinzip sein kann.38 Vielmehr zählt die Individualfreiheit des Einzelnen zum schlechthin Ursprünglichsten und die Gewährleistung von Selbstbestimmung für den Einzelnen in seiner Individualität ist substantieller Sinn der Grundrechte.39 Aus der allgemeinen Rechtsfähigkeit des Menschen gemäß § 1 BGB und Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich nach Fehnemann die Rechtsfähigkeit jedes Menschen für alle Rechtsgebiete, was ebenfalls gegen die oben erwähnte Relativierung spricht. Das Bestehen einer inhaltlich unbeschränkten Rechtsfähigkeit schließt Fehnemann zu folge die Möglichkeit einer inhaltlichen beschränkten Rechtsfähigkeit aus. Daraus zieht sie die Konsequenz, dass es eine gegenüber der allgemeinen Rechtsfähigkeit eingeschränkte Grundrechtsfähigkeit nicht geben kann.40 Die herrschende Lehre differenziert zwischen Rechtsfähigkeit und Grundrechtsfähigkeit und macht diesen Unterschied an den Rechten von Deutschen nach dem Grundgesetz, die nicht allen rechtsfähigen Personen zustehen, sowie am verfassungsrechtlichen Schutz des Nasciturus, der ebenfalls keine Rechtsfähigkeit nach bürgerlichem Recht besitzt, fest. Hinsichtlich der Fähigkeit von Minderjährigen, Grundrechte inne zu haben, kommt die herrschende Lehre aber zum gleichen Ergebnis, indem sie davon ausgeht, dass der Mensch ab der Geburt Träger aller Grundrechte ist.41 Die Relativon Kindern her, wenn er annimmt, dass der Schutz vor unberechtigter Trennung des Kindes von seiner Familie nicht nur den Eltern sondern auch dem Kind selbst zusteht. Dass der Schutzgehalt des Art. 6 Abs. 3 GG neben den Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten auch dem Kind zugute kommt, erscheint plausibel. Als Beleg für die Grundrechtsberechtigung eignet sich Art. 6 Abs. 3 GG jedoch nicht, da es sich bei ihm nicht um ein eigenständiges Grundrecht sondern um eine Schranke-Schranke handelt: vgl. auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 41. 38 Bei behinderten Menschen oder Menschen im Koma beispielsweise wäre diese Fragestellung ebenfalls von Relevanz: dazu Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 16 f. 39 Dazu mit weiteren Verweisen: Hohm, Grundrechtsträgerschaft, 1986, S. 3108. 40 Vgl. Fehnemann, Die Innehabung, 1983, S. 18 ff. 41 Vgl. Roell, Die Geltung der Grundrechte, 1984, S. 16 ff.
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vierung gilt es insbesondere deshalb abzulehnen, weil die Rechte des Menschen ansonsten durch seine Funktionsfähigkeit definiert würden, statt sie aufgrund ihrer personalen Substanz als für alle Menschen gleich geltende grundrechtliche Freiheitsverbürgungen anzuerkennen.42 Kontrovers wird in der Lehre über die Frage der Ausübung von Grundrechten durch Kinder, das sog. Rechtsinstitut der „Grundrechtsmündigkeit“, diskutiert. Diese Rechtsfigur verdankt ihr Bestehen dem – in der deutschen Rechtssytematik vorkommenden – Auseinanderfallen der Innehabung eines Rechts von der Fähigkeit, dieses selbständig ausüben zu können.43 Während das Rechtsinstitut in der Rechtsprechung und Teilen der Lehre viel Zustimmung fand44, bemängeln Stimmen im Schrifttum den Begriff der „Grundrechtsmündigkeit“ aufgrund seiner Missverständlichkeit.45 Andere Vertreter in der Lehre lehnen das Rechtsinstitut wiederum grundlegend mit dem Verweis auf dessen fehlende verfassungsrechtliche Verankerung ab.46 Die Problematik der Ausübungsfähigkeit von Minderjährigen eröffnet sich allerdings überhaupt nur dann, wenn die Grundrechte – was nicht stets zutrifft – entsprechend ihrem Schutzbereich ausübungsbedürftig sind. Dafür sind die Grundrechte je nach Art ihres Schutzbereiches in Abwehr- und Leistungsrechte zu unterscheiden. Vom Begriff der Abwehrrechte werden sowohl die Verhaltensfreiheiten des Einzelnen (die Freiheit zu etwas) als auch die Rechte, welche dem Schutz bestimmter Rechtspositionen und Eigenschaften dienen (die Freiheit von etwas), umfasst.47 Unter Leistungsrechten versteht man allgemein die Rechte des Einzelnen auf staatliche Leistungen, die u. a. in Form von Schutzansprüchen auftreten.48 Deutlich wird, ohne die Problematik in allen Einzelheiten darzulegen, dass insbesondere die Abwehrrechte, welche den Schutz von Rechtspositionen und Ei42 Vgl. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 16 f.; Hohm, Grundrechtsträgerschaft, 1986, S. 3108; ebenso Roell, Die Geltung der Grundrechte, 1984, S. 37 f. Ähnlich argumentierte im Zusammenhang mit den weltweiten Kinderrechten bereits wie oben dargestellt van Bueren, die darauf hinwies, dass die Ausführung von Rechten wichtig ist, aber den zweiten Schritt darstellt, der erst das Bestehen der Rechte unabhängig vom Alter essentiell voraussetzt: van Bueren, The International Law, 1994, S. 4. 43 Vgl. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 2. 44 Vgl. u. a. Reuter, Die Grundrechtsmündigkeit – Problem oder Scheinproblem?, in: FamRZ 1969, Jhg. 16, Heft 12, S. 622–625, S. 623. Siehe zu weiteren Befürwortern die Verweise bei Hohm, Grundrechtsträgerschaft, 1986, S. 3109. 45 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1065. 46 Vgl. Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 285 (S. 130); Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 19 Rn. 11; Roell, Die Geltung der Grundrechte, 1984, S. 34; Hohm, Grundrechtsträgerschaft, 1986, S. 3109. 47 Siehe dazu Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 23. Zur Unterscheidung: Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 558 ff.
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genschaften vorsehen, keiner besonderen Ausübung bedürfen, da sie ihren vollen Schutz für den jeweiligen Grundrechtsträger schon allein kraft ihres Seins entfalten. Zu nennen sind als Beispiele die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, das Gleichheitsrecht nach Art. 3 GG sowie die Rechte, die sich beispielsweise an den Status als Eigentümer (Art. 14 GG), Wohnungsinhaber (Schutz der Wohnung gemäß Art. 13 GG) oder als Deutscher (Schutz vor Auslieferung und Ausbürgerung nach Art. 16 GG i. V. m. Art. 116 GG) knüpfen. Ähnlich unproblematisch gestaltet sich, so Roth, die Ausübung von Leistungsrechten durch Minderjährige, wenn der Staat diese Leistungen zugunsten des Kindes gerade aufgrund deren besonderer Schutzbedürftigkeit gewährt. Nur im Rahmen der besonderen Verhaltensfreiheiten, die eine positive Ausübung verlangen, wie beispielsweise dem Recht auf Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), stellt sich folglich überhaupt die Frage nach der Grundrechtsausübungsfähigkeit.49 Im Rahmen der Grundrechtsausübungsfähigkeit von Minderjährigen wird im Schrifttum, gestützt auf das bürgerliche Recht, zwischen Grundrechtshandlungsfähigkeit, Grundrechtsreife (Grundrechtserkenntnisfähigkeit) und Grundrechtsmündigkeit (Grundrechtsgeschäftsfähigkeit) unterschieden. Von Interesse sind für diese Untersuchung vor allem die beiden letzten Merkmale der Ausübungsfähigkeit.50 Eine gewisse intellektuelle Reife des Minderjährigen für die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale wird insbesondere bei den Grundrechten der Religionsfreiheit (Art. 4 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Berufswahl (Art. 12 GG) und dem Petitionsrecht (Art. 17 GG) vorausgesetzt. Diese Einsichtsfähigkeit ist im Rahmen des Art. 4 GG beispielsweise erforderlich, damit der Minderjährige überhaupt eine Glaubensüberzeugung entwickeln kann, für oder gegen die er sich im Rahmen der Religionsfreiheit dann entscheidet. Art. 8 GG verlangt bei der Zusammenkunft verschiedener Personen zum Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung, eine innere Bindung der Beteiligten zu einer gemeinschaftlichen Zweckverfolgung, die ebenfalls eine gewisse Reife des Kindes erfordert. Art. 12 GG schützt über den Wortlaut hinaus neben der Wahl der Ausbildungsstätte auch die Freiheit der berufsbezogenen Ausbil48 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 569. Ausführlich zur Problematik der Leistungsrechte im Grundgesetz: ders., S. 687 ff. (§ 67); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 123 ff. 49 Näher dazu Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 26 ff. und S. 30 f. 50 Ebenda, S. 34 ff.
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dung51 und setzt voraus, dass der minderjährige Jugendliche bereits in der Lage ist, eine entsprechende berufsbezogene Ausbildung anzustreben.52 Ähnlich gestaltet sich die Wahrnehmung des Petitionsrechts durch den Minderjährigen nach Art. 17 GG, wonach er fähig sein muss, sein Vorbringen in verständlicher Weise zu formulieren und ihm überdies klar sein muss, dass sich ein bestimmtes staatliches Organ dieses Gesuchs annehmen soll.53 Wann diese Reife gegeben ist, richtet sich nicht nach festgelegten Altersgrenzen, sondern zum einen nach den individuellen Fähigkeiten des Kindes sowie nach der grundrechtlichen Ausgestaltung des geschützten Verhaltens.54 Ob neben der Grundrechtsreife zusätzlich eine Grundrechtsmündigkeit des Minderjährigen zu fordern ist, bleibt streitig. Unter Grundrechtsmündigkeit versteht die Lehre eine zusätzliche persönliche Gewährleistungsschranke. Danach muss der Minderjährige die Einsichtsfähigkeit besitzen, die Bedeutung der Grundrechte und ihrer Ausübung für das Ganze zu erfassen sowie das Grundrecht bewusst und folgenorientiert ausüben können.55 In der Lehre und in der Judikatur zeichnen sich zur Problematik der Grundrechtsmündigkeit vier Strömungen ab. Einige gehen, gestützt auf den Eintritt der zivilrechtlichen Geschäftsfähigkeit, von einer Grundrechtsmündigkeit ab dem 18. Lebensjahr aus. Eine derartige Verknüpfung der verfassungsrechtlichen Frage der Grundrechtsmündigkeit an Festlegungen aus dem zivilrechtlichen Bereich, die statt vom Verfassungsgesetzgeber vom einfachen Gesetzgeber entschieden wurden, lehnt die herrschende Lehre als unzulässige Einschränkung des Grundrechtsschutzes allerdings ab.56 Roth weist zudem richtigerweise auf den unterschiedlichen Sinngehalt beider Rechtsinstitute hin: während die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit dem Schutz des Minderjährigen dienen soll, würde eine starre Altergrenze im Rahmen des Grundgesetzes zu Einschränkungen seines Grundrechtsschutzes führen und damit zu seinen Lasten gehen.57 Andere bevorzugen ebenfalls 51
Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 12 Rn. 70. Zum weiten Schutzbereich siehe Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 12 Rn. 71. Vgl. dazu auch das Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976, in: BGBl. I S. 965, welches zwar kein Mindestalter für alle Beschäftigungen von Jugendlichen festschreibt aber nach Art der Beschäftigung differenziert. 53 Dazu ausführlich Roth, der auch jeweils konkrete Altersgrenzen für die Grundrechtsreife angibt (Art. 4 GG: ab 7. Lebensjahr; Art. 8 GG: ab 4. Lebensjahr): Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 49 ff. 54 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1069; Roth, Die Grundrechte, 2003, S. 62 f. 55 Vgl. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 65. 56 Siehe dazu ausführlich mit weiteren Anmerkungen von Mutius, Grundrechtsmündigkeit, in: Jura 1987, 9. Jhg., Heft 5, S. 272–275, S. 274; Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 68 f. 57 Vgl. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 73 f. 52
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eine feste Altersgrenze, setzen diese allerdings niedriger an.58 Die derzeit wohl herrschende Lehre lehnt, wie das Bundesverfassungsgericht, eine Festlegung der materiell-rechtlichen Grundrechtsausübungsfähigkeit auf eine starre Altersgrenze mit Verweis auf die Willkürlichkeit einer solchen, angesichts der gleitend zunehmenden individuellen Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen, ab.59 Die verstärkt an Einfluss gewinnende vierte Ansicht in der Lehre wendet sich insgesamt gegen das Erfordernis einer Grundrechtsmündigkeit.60 Diese Ansicht hebt meiner Ansicht nach zu recht hervor, dass die Verfassung selbst eine solche zusätzliche persönliche Gewährleistungsschranke nicht vorsieht. Für erforderlich halten Vertreter dieser Ansicht nur die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen bezüglich der tatbestandlichen Verwirklichung einzelner Grundrechte (Grundrechtsreife), nicht jedoch eine persönliche Einsichtsfähigkeit über die Bedeutung des jeweiligen Grundrechtes an sich (Grundrechtsmündigkeit).61 Von der materiell-rechtlichen Grundrechtsausübungsfähigkeit ist die prozessuale Geltendmachung der Grundrechte durch den Minderjährigen, die allgemeine Grundrechtsprozessfähigkeit vor den Fachgerichten sowie die Verfassungsbeschwerdeprozessfähigkeit, zu unterscheiden. Eine generelle Grundrechtsprozessfähigkeit des Kindes vor den Fachgerichten lehnen Lehre und Judikatur ab, da für die prozessuale Verteidigung der Grundrechte ein weit größeres Maß an Einsichtsfähigkeit verlangt wird, als es für die tatbestandliche Ausübung erforderlich ist.62 Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerdeprozessfähigkeit eines Minderjährigen nimmt das Bundesverfassungsgericht dagegen an, dass für die Beurteilung der Fähigkeiten, die erforderlichen Verfahrenshandlungen vorzunehmen, die Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte sowie deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis ausschlaggebend sind.63 Gewähren folglich die besonderen Vorschriften des einfachen Rechts eine prozessuale Handlungsfähigkeit des Minderjährigen vor den allgemeinen Gerichten und besitzt der Minderjährige zudem die Einsichtsfähigkeit be58 Vgl. mit weiteren Nachweisen ebenda S. 77 Fn.: 234; Schulze-Fielitz (Bearb.), in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1 Artikel 1–19, Tübingen 1996, Art. 8 Rn. 30. 59 Vgl. BVerfGE 47, 46 (74); 59, 360 (382); siehe auch Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1065. 60 Siehe: Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 285 (S. 130); Hohm, Grundrechtsträgerschaft, 1986, S. 3107–3115; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 19 Rn. 11; Roell, Die Geltung der Grundrechte, 1984, S. 34; mit weiteren Anmerkungen Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 66 ff. 61 Dazu Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 80. 62 Vgl. Fehnemann, Die Innehabung, 1983, S. 50. 63 Vgl. BVerfGE 28, 243 (254); dazu Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1070.
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züglich des Grundrechts, kann er, so Fehnemann, auch Verfassungsbeschwerde erheben.64 Käme es allein auf das Vorliegen der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen an, könnte die widersprüchliche Situation entstehen, wonach der Minderjährige mangels Prozessfähigkeit vor den einfachen Gerichten zwar den auch für ihn zwingend vorgeschriebenen Rechtsweg nicht erschöpfen könnte, aber für die Verfassungsbeschwerde die notwendige Prozessfähigkeit besäße.65 Fehlt die notwendige Prozessfähigkeit des Kindes, kann ein gesetzlicher Vertreter (z. B. gemäß § 1629 BGB die Eltern des Kindes) bestellt werden, der die Grundrechte des Kindes gerichtlich geltend machen kann. Der Zugang zum Bundesverfassungsgericht wird dem Kind bei fehlender eigener Prozessfähigkeit aber auch dann nicht verwehrt, wenn wegen einer Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind die Eltern nicht Willens oder in der Lage sind, namens des Kindes Verfassungsbeschwerde zu erheben. In diesen Fällen wird dem Kind ein geeigneter Ergänzungspfleger zur Seite gestellt oder in Ausnahmefällen ein nicht förmlich bestellter Vertreter zugelassen.66 c) Untersuchung einiger ausgewählter Grundrechte in Bezug auf Kinder In diesem Abschnitt wird untersucht, ob und wie das Grundgesetz Rechte von Kindern schützt. Über die vorangegangenen kurzen Ausführungen zu den allgemeinen – nicht nur Kinder betreffenden – Grundrechten in den Artt. 4, 8, 12, und 17 GG hinaus sollen die Artikel 1, 2, 5, 6 und 7 Grundgesetz erörtert werden. Dabei bedarf es, wie Münning anmerkt, einer Verfassungsinterpretation über den Wortlaut hinaus, um die Rechte der Kinder zu orten.67 Die überblicksartige Analyse stellt dabei die besonders relevanten Bestimmungen in der grundgesetzlich vorgesehenen Reihenfolge vor und bestimmt erst bei den Ausführungen zu den einzelnen Artikeln, ob es sich um Kinderrecht, Kindergrundrecht oder um ein allgemeines Grundrecht handelt. Unter einem im Grundgesetz verankerten Kinderrecht versteht diese Untersuchung jede Vorschrift, bei der die Interessen des Kindes zwar 64
Vgl. Fehnemann, Die Innehabung, 1983, S. 53 f. Zu diesem Widerspruch Roell, Die Geltung der Grundrechte, 1984, S. 62 f.; Stern (Bearb.), in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Zweitbearbeitung, Heidelberg 1982, Art. 93 Rn. 475. 66 Vgl. BVerfGE 72, 122 (135 f.); siehe auch BVerfGE 99, 145; dazu Walter, Die Stellung des Minderjährigen im Verfassungsbeschwerdeverfahren, in: FamRZ 2001, Heft 1, S. 1–7, S. 3 ff. 67 Münning, Die Rechte der Kinder in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Gernert, Wolfgang (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes, Stuttgart/ München/Hannover 1992, S. 233–245, S. 233. 65
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den Schwerpunkt bilden, das Kind selbst aber nicht Träger des Grundrechts ist bzw. die Vorschrift keinen Grundrechtscharakter aufweist. Kindergrundrechte sind dagegen spezifische Kinderrechte, bei denen das Kind selbst Träger des Grundrechts ist. Von einem allgemeinen Grundrecht wird gesprochen, wenn dieses nicht vorrangig, sondern auch Kinderinteressen zu gute kommt. aa) Die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen. Die Würde von Kindern wird nicht explizit angeführt. Nach ständiger Rechtsprechung garantiert Art. 1 Abs. 1 GG als zentrale Vorschrift der Verfassung aber auch die Würde des Kindes.68 Um ein spezielles Kindergrundrecht handelt es sich folglich nicht, gilt dieses Grundrecht doch für alle Menschen. Den Begriff der „Würde“ interpretiert das Bundesverfassungsgericht regelmäßig im Kontext mit anderen Grundrechten, insbesondere mit Bezug auf ihren jeweils die Menschenwürde betreffenden Kernbestand.69 Die Art. 1 Abs. 1 GG nachfolgenden Grundrechte führen auf diese Weise zu einer Konkretisierung des Würdebegriffes. Im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG sieht das Bundesverfassungsgericht das Kind als ein Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit an.70 In Bezug auf das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entschied es, dass die Verfassung bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen kann, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren.71 Eine Anwendung des Art. 1 Abs. 1 GG als alleiniger Prüfungsmaßstab kommt allerdings nur subsidiär nach Prüfung der spezielleren Grundrechte in Frage.72
68
Vgl. BVerfGE 24, 119 (144). Vgl. Niemeyer, Bedarf es einer Änderung des Art. 1 Abs. 1 GG?, in: Familie und Recht, 1992, Heft 3, S. 145–148, S. 147. 70 Vgl. BVerfGE 24, 119 (144). 71 Vgl. BVerfGE 72, 155 (172); vgl. auch Münning, Die Rechte der Kinder in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Gernert, Wolfgang (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes, Stuttgart/München/Hannover 1992, S. 233–245, S. 234. 72 Vertreter in der Lehre nehmen an, dass es sich bei Art. 1 Abs. 1 GG um ein subjektives Grundrecht handelt. Das BVerfG hat diese Frage bislang nicht entschieden: vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 1 Rn. 3. Zur Frage des Schwangerschaftsabbruches siehe die Ausführungen unter D.II.1. 69
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bb) Die allgemeine Handlungsfreiheit, das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 GG Als weiteres Grundrecht schützt Art. 2 GG die allgemeine Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht des Menschen gemäß Abs. 1 sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Abs. 2. Um ein Kindergrundrecht im oben beschriebenen Sinne handelt es sich folglich nicht. Durch die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG wird jedes menschliche Tun oder Unterlassen vor Eingriffen geschützt, sofern es nicht durch ein anderes Freiheitsrecht erfasst wird.73 Kinder sind Träger dieses allgemeinen Grundrechts, wobei im Verhältnis zu den Eltern Beschränkungen bestehen können.74 Ungeborene Kinder gelten bezüglich der Handlungsfreiheit dagegen nach herrschender Ansicht nicht als grundrechtsberechtigt.75 Das Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG besteht auch in so genannten besonderen Gewaltverhältnissen, z. B. in der Schule76, mit der Folge, dass die Handlungsfreiheit grundsätzlich in diesem Rahmen die Entfaltung des Kindes sowie jede Art von Aus- und Weiterbildung gewährleistet.77 Vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ausgenommen ist die berufliche Ausbildung von Deutschen, wozu nach überwiegender Ansicht die weiterführende Schule (Sekundarstufe II) zählt. Sie wird von Art. 12 GG umfasst.78 Die Lehre nimmt zudem aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht des Kindes auf Teilhabe an bestehenden öffentlichen Schulen an, ein allgemeiner Anspruch auf Bildung ergibt sich daraus aber wohl nicht.79 73
Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 3. Vgl. BVerfGE 53, 185 (203); 59, 360 (382). 75 Vgl. Podlech (Bearb.), in: Denninger/Hofmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, (Reihe Alternativkommentare), 3. Auflage, Neuwied 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 60 mit weiteren Verweisen; auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 9. 76 Als besonderes Gewaltverhältnis versteht man dabei eine verschärfte Abhängigkeit, welche zugunsten eines bestimmten Zwecks öffentlicher Verwaltung begründet wird und für alle, die in den vorgesehenen Zusammenhang treten Wirkung entfaltet: dazu Kunig (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 2 Rn. 4 sowie von Münch (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Vorb. Art. 1–19 Rn. 59; a. A. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 180 ff. 77 Vgl. BVerfGE 34, 165 (200); 53, 185 (203); 58, 257 (272); 98, 218 (257). 78 Differenzierend zum Verhältnis Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 257 (273); dazu Gubelt (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 12 Rn. 26; a. A. Jarass, der Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 GG heranzieht: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 12 Rn. 44a. 74
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Neben der Handlungsfreiheit schützt Art. 2 Abs. 1 GG, als lex spezialis zu dieser, das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Persönlichkeitsrecht gewährleistet unter Berufung auf die Würde des Menschen die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen vor Eingriffen, die geeignet sind, dieses zu beeinträchtigen.80 Sowohl geborene als auch ungeborene Kinder sind grundrechtsberechtigt.81 Das Persönlichkeitsrecht hat jedoch bei Kindern einen anderen Inhalt als bei Erwachsenen. So stellte das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang fest, dass der Jugendliche von vornherein und mit zunehmendem Alter in immer stärkerem Maße eine eigene, durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeit ist.82 Während das Kleinstkind wegen seiner Hilfsbedürftigkeit schon zu seinem eigenen Schutz weitgehend der elterlichen Sorge und den damit verbundenen Rechten der Eltern unterworfen sein muss, werden bei zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit und gleichzeitig abnehmender Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt, bis sie schließlich mit Volljährigkeit des Kindes erlöschen.83 Legt man den hohen Rang des Persönlichkeitsschutzes zu Grunde, scheint es ausgeschlossen zu sein, nur dem „Endergebnis“ in Form der Persönlichkeit, nicht aber dem Weg dorthin, dem Prozess der Entwicklung zur Persönlichkeit, Schutz zu 79 Für ein Recht auf Bildung BVerwGE 47, 201 (206); uneindeutig BVerfGE 53, 185 (203); wohl ablehnend Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 14. 80 Vgl. BVerfGE 54, 148 (153); 72, 155 (170); 96, 56 (61). Kritisch Pieroth/ Schlink, die dazu anmerken, dass wegen des weiten Schutzbereiches des Art. 2 Abs. 1 GG i. S. d. Handlungsfreiheit und wegen der Auflösung des klassischen Eingriffsbegriffs mit der Folge, dass jegliche Beeinträchtigung einen Eingriff darstellt, die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ausufert: Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 20. Auflage, Heidelberg 2004 Rn. 379. Zur Diskussion der Schutzbereichsbegrenzung Kunig (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 2 Rn. 14. 81 Vgl. BVerfGE 29, 120; vgl. dazu die Ausführungen unter D.II.1. 82 Vgl. BVerfGE 47, 46 (74). 83 Vgl. BVerfGE 59, 360 (382); 72, 122 (137); 24, 119 (144); Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 28. Das Recht garantiert Kindern auch, sich frei von öffentlicher Beobachtung zu einer Persönlichkeit zu entwickeln: vgl. BVerfGE 101, 361 (385); BVerfG-K, NJW 2000, S. 2192. Außerdem sichert es den familiären Umgang zwischen Eltern und Kindern und die elterliche Hinwendung zu den Kindern (BVerfGE 101, 361 (385)). Aus Art. 2 Abs. 1 GG wird zudem ein höchstpersönliches Recht des Menschen und damit auch des Kindes auf Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung gefolgert; BVerfGE 79, 256; 90, 263; bei einem Auskunftsverlangen des Kindes hat aber ein Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Mutter zu erfolgen, wenn diese den Erzeuger des Kindes nicht nennen will: NJW 1997, Heft 27, S. 1769–1770, S. 1769 f. (= BVerfGE 96, 56). So besteht kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen der eigenen Abstammung aber ein Schutz vor Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe.
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gewähren.84 Das Bundesverfassungsgericht nimmt dementsprechend an, dass Kinder und Jugendliche ein Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben und für die Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft des Schutzes und der Hilfe bedürfen.85 Dies gestattet dem Staat, Kinder und Jugendliche vor solchen Einflüssen zu bewahren, welche sich nachteilig auf deren Persönlichkeitsentwicklung auswirken können.86 Das Gericht leitet auf diese Weise aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG den Kinder- und Jugendschutz ab. Der Verfassungsrang des Kinder- und Jugendschutzes ergibt sich nach dem Bundesverfassungsgericht, vor allem aufgrund von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.87 Engels folgert daraus, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Jugendschutz nur mittelbar in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verankert ist, was Ausdruck einer sich vollziehenden Verschiebung, weg von den Elternrechten hin zu den Rechten der Minderjährigen, in Recht und Gesellschaft sei.88 Die Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht werden durch die verfassungsmäßige Ordnung, die Rechte anderer und die Sittengesetze beschränkt, wobei die letzten beiden Schranken in der ersten aufgehen. Die verfassungsmäßige Ordnung umfasst alle formellen und materiellen verfassungsmäßigen Gesetze sowie das EG-Recht; bei der Klausel handelt es sich folglich um einen Gesetzesvorbehalt.89 Im Falle einer hinreichenden formell-gesetzliche Ermächtigung darf das Grundrecht daher durch jede Rechtsvorschrift eingeschränkt werden.90 Art. 2 Abs. 2 GG schützt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Unter Leben wird, wie in Polen, das körperliche Dasein, die biologisch-physische Existenz verstanden.91 Durch die Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit wird die Gesundheit vor biologisch-physiologische Einwirkungen sowie das psychische Wohlbefinden vor Beeinträchtigungen, sofern diese vergleichbare Wirkungen wie Schmerzen entfalten, geschützt. Aus Art. 2 Abs. 2 GG ergibt sich zudem für den Staat eine Pflicht, sich 84 Vgl. Engels, Kinder- und Jugendschutz in der Verfassung, in: AöR 122 (1997), S. 212–247, S. 226. 85 Vgl. BVerfGE 83, 130 (140). 86 Vgl. ebenda; siehe dazu auch die Ausführungen zu Art. 5 GG im nächsten Abschnitt. 87 BVerfGE 83, 130 (139). 88 Vgl. Engels, Kinder- und Jugendschutz, 1997, S. 218. 89 Dazu Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 17 ff. 90 Zu den unterschiedlichen Anforderungen an die Schranken, insbesondere an die Bestimmtheit des einschränkenden Gesetzes, siehe Jarass/Pieroth, Grundgesetz 2004, Art. 2 Rn. 17 ff., 45 ff. 91 Vgl. ebenda, Art. 2 Rn. 61.
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schützend und fördernd vor das Leben92 sowie die körperliche Unversehrtheit93 zu stellen, um sie vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Bezüglich der Erfüllung seiner Schutzpflichten besitzt der Staat allerdings einen erheblichen Spielraum.94 Kinder, geboren oder nicht geboren, sind Träger dieses für alle natürlichen Personen geltenden Grundrechts95 bzw. werden, so das Bundesverfassungsgericht, als ungeborene von den objektiven Normen der Verfassung in ihrem Recht auf Leben geschützt.96 cc) Der Schutz der Jugend nach Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der Kommunikationsfreiheit sowie der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Kommunikationsfreiheiten: Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit sowie die Rundfunk- und Filmfreiheit. Bezüglich deren konkreter Ausgestaltung soll an dieser Stelle auf das umfassende Schrifttum verwiesen werden.97 Die Verfassung sieht in Abs. 2 Schranken für die Ausübung dieser Grundrechte vor, welche Eingriffe in die genannten Freiheiten rechtfertigen. Diese Schranken sind, neben den allgemeinen Gesetzen als die wohl bedeutendste, das Recht der persönlichen Ehre sowie die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend.98 Das Bundesverfassungsgericht fasst unter den allgemeinen Gesetzen die Gesetze zusammen, welche nicht eine Meinung als solche verbieten und die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutz eines Gemeinwerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat.99 Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs der allgemeinen Gesetze 92 Vgl. BVerfGE 46, 160 (164); BVerfGE 45, 187 (254 f.); BVerfGE 85, 191 (212). 93 Vgl. BVerfGE 56, 54 (78). 94 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 71. 95 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1063; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 64. 96 BVerfGE 39, 1 (37); Ähnlich BVerfGE 88, 203 (251 f.). 97 Siehe dazu umfangreiche Angaben zum Schrifttum bei Wendt (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 5, S. 465–472; Kannengießer (Bearb.), in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/ Klein, Franz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage München 2004, Art. 5, S. 260 f. 98 Zum Verhältnis der Schranken untereinander siehe Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 20. Auflage, Heidelberg 2004 Rn. 585. 99 BVerfGE 7, 198 (209); vgl. auch Beckmann, Staatsrecht II – Grundrechte, 4. Auflage, Köln/Berlin/Bonn/München 1997, § 26 Rn. 98, S. 846 f.
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in der Rechtsprechung hat die ebenfalls in Art. 5 Abs. 2 GG genannte Grundrechtsschranke der persönlichen Ehre an Bedeutung verloren, insbesondere da Bestimmungen zum Schutz der Ehre auch allgemeine Gesetze sind.100 Von Interesse soll an dieser Stelle nur der Jugendschutz sein, der Regelungen gestattet, welche die Jugend vor Gefahren schützen, die von Medienprodukten ausgehen können. Entsprechende Normen müssen bestimmt und geeignet sein, die Jugend vor gewaltverherrlichenden oder Verbrechen glorifizierenden Produkten oder solchen, die Hass auf andere Menschen provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen, zu schützen.101 Darüber hinaus müssen die Regelungen ein gebotenes und adäquates Mittel zum Schutz der Jugend bieten.102 Wie den genannten Gefahren zu begegnen ist, obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber, der gleichwohl in diesem Zusammenhang verpflichtet ist, zwischen dem Grundrechtsschutz und dem Jugendschutz abzuwägen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.103 Beispiel für eine Beschränkung von Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen des Jugendschutzes ist das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte vom 12. Juli 1985, welches u. a. bestimmt, dass Medien mit jugendgefährdenden Inhalten in eine Liste für jugendgefährdende Schriften („Index“) einzutragen sind.104 Zu den Schriften zählen neben Printmedien, Ton- und Bildträgern, Datenspeichern und Abbildungen auch Videofilme105, Computerspiele sowie das Internet. Nicht indiziert werden können allerdings Kinofilme, wenn sie von der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ (FSK) eine Alterskennzeichnung erhalten haben.106 Die Bundesprüfstelle, welche über die Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Schriften entscheidet, unterliegt bezüglich ihrer Festlegung indes der Kontrolle der Gerichte.107 Streitig ist, ob sich aus der Grundrechtsschranke des Art. 5 Abs. 2 GG ein Auftrag zum Schutz der Jugend entnehmen lässt. Das Bundesverfas100 Vgl. Degenhart (Bearb.), in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Heidelberg 1999, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 77. 101 Vgl. BVerfGE 30, 336 (347). 102 Vgl. Wendt (Bearb.), in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000, Art. 5 Rn. 79. 103 Vgl. BVerfGE 30, 336 (347 f.). 104 Vgl. § 1 Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte vom 12. Juli 1985, in: BGBl. I S. 1502 mit Änderungen. 105 Siehe aber § 7 Abs. 5 Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit vom 25. Februar 1985, in: BGBl. I S. 425 mit Änderungen. 106 Siehe Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Jugendschutzgesetze, Berlin 2001, S. 35. 107 Vgl. BVerwGE 91, 211 (213 f.).
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sungsgericht vertritt die Auffassung, dass diese Vorschrift eine Wertung des Grundgesetzes enthält, „. . . wonach der Schutz der Jugend ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein gewichtiges Gemeinschaftsanliegen ist“.108 Die eigentliche Grundlage für den (Jugend)Schutzauftrag ist allerdings das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, da sich aus den Grundrechtsschranken in Art. 5 Abs. 2 GG selbst keine kollidierbaren Verfassungsgüter ableiten lassen.109 Bei Art. 5 Abs. 2 GG handelt es sich folglich lediglich um eine an den Staat gerichtete Vorschrift, welche in Form einer Schranke den Schutz der Jugend ausdrücklich festlegt.110 Insofern ist sie zwar kein „Kindergrundrecht“ aber doch eine verfassungsrechtliche Regelung, welche in erster Linie Kinder schützt. Anderes gilt im Zusammenhang mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG. Sinn der Kunstfreiheit ist es, so das Bundesverfassungsgericht, die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten. Die Wissenschaftsfreiheit schützt wiederum die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe.111 Dabei sind die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit nicht nur Abwehrrechte, sondern auch wertentscheidende Grundsatznormen, welche den Staat zur Pflege und Förderung verpflichten.112 Im Rahmen der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG gelten die Schranken des Abs. 2 nicht. Dies bedeutet aber nicht, dass keinerlei Einschränkungen dieser Freiheiten möglich sind. Vielmehr unterliegen sie den Schranken, welche sich durch andere verfassungsrechtlich geschützte Werte ergeben.113 Ein solch anerkannt verfassungsrechtlich geschütztes Gut ist der Jugendschutz, der es gestattet, im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG insbesondere die Kunstfreiheit zu begrenzen.114 Ist ein Kunstwerk jugendgefährdend, so kann nach genauer Abwägung dessen Verbreitung (der Wirkbereich) verboten werden.115 Einen abso108
Vgl. BVerfGE 30, 336 (348); BVerfGE 77, 346 (356). Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 61; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 114; vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt D.IV.2.b)cc)(2). 110 Vgl. dazu ausführlich Engels, Kinder- und Jugendschutz, 1997, S. 212–247. 111 Vgl. BVerfGE 47, 327 (367). 112 Vgl. BVerfGE 30, 173 (190 und 188) zur Kunstfreiheit; zur Wissenschaftsfreiheit: Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 102. 113 Vgl. BVerfGE 67, 213 (228). 114 Vgl. BVerfGE 30, 173 (193); BVerfGE 83, 130 (139). 115 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 2 Rn. 115. 109
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luten Vorrang des Jugendschutzes oder der Kunstfreiheit gibt es nicht. Vielmehr ist die Abwägung der Verfassungsgüter nach Einzelfallgesichtspunkten vorzunehmen.116 Der Werkbereich, der Ort an dem das Kunstwerk entsteht, ist dagegen grundsätzlich als frei garantiert.117 dd) Der Schutz von Ehe und Familie, des Elternrechts und der Gleichbehandlung unehelicher Kinder nach Art. 6 Abs. 1, 2, 3 und 5 GG Eine zentrale Rolle für die Untersuchung von Kinderrechten nimmt Art. 6 GG ein, der das Verhältnis von Eltern, Staat und Kind näher bestimmt. In seinen fünf Absätzen regelt er den Schutz von Ehe und Familie (Abs. 1), das Elternrecht (Abs. 2 und 3), den Schutz- und Fürsorgeanspruch der Mutter (Abs. 4) sowie die Gleichbehandlung von unehelichen Kindern (Abs. 5). In der nun folgenden Darstellung sollen, mit Ausnahme des vierten Absatzes118, alle übrigen Absätze unter Einbeziehung ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung einer näheren Analyse unterzogen werden. Den Schutz der Ehe und Familie gewährleistet Art. 6 Abs. 1 GG. Das Institut der Ehe ist, so das Bundesverfassungsgericht, die Vereinigung eines Mannes und einer Frau unter Mitwirkung des Staates zu einer umfassenden und grundsätzlich unauflöslichen119 Lebensgemeinschaft.120 Anders als die 116 Vgl. BVerfGE 83, 130 (147 f.); vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 225. 117 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 224 f. 118 Auf die Darstellung des vierten Absatzes wird verzichtet, weil Träger dieses Grundrechts nach herrschender Lehre nur Mütter sind sowie deren Schutz auch alleiniger Schwerpunkt der Vorschrift ist; vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 46. 119 Zum Thema der Ehescheidung Robbers (Bearb.), Art. 6 Rn. 59 f., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005. 120 Gängig ist auch die Formulierung für die Ehe als rechtlich sanktioniertes und auf Dauer angelegtes Zusammenleben von Mann und Frau; vgl. mit weiteren Anmerkungen Henrich, Wertentscheidung im Wertewandel: Betrachtungen zu Art. 6 Abs. 1 GG, in: Badura (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, München 1993, S. 239–250, S. 246; auch BVerfGE 10, 59, (66); BVerfGE 29, 166, (176); BVerfGE 62, 323, (331). Das Zustandekommen der Ehe setzt dabei in der Regel eine Eheschließung vor dem Standesbeamten voraus. Vgl. Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 39. Nichteheliche sowie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften fallen daher nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG: siehe dazu mit weiteren Anmerkungen ebenda, Art. 6 Rn. 43 ff. Zum Verhältnis der eingetragenen Lebenspartnerschaft (Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001 mit Änd.,
II. Rechte von Kindern in Deutschland
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institutionalisierte Ehe besitzt der Begriff „Familie“ keine vergleichbar scharfen Konturen.121 Die Verfassung versteht unter Familie in erster Linie die sog. Kernfamilie bestehend aus den Eltern und ihren Kindern, als umfassende Gemeinschaft, in der die Eltern vor allem Rechte und Pflichten zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder besitzen.122 Die Verfassungsgeber gingen ursprünglich davon aus, dass es sich bei der Familie grundsätzlich um ein verheiratetes Paar mit seinen minderjährigen Kindern handelt. Sie sahen darin die größte Gewähr für die Erfüllung der Familienfunktionen, insbesondere der Entwicklung der Kinder.123 Die Ehe galt dabei als „Vorstufe“ zur Familie124, ein Umstand der sich, wie das klassische Familienbild selbst, in den letzten Jahren tiefgreifend gewandelt hat.125 Heute bestehen zahlreiche andere, von der klassischen Vorstellung abweichende Konstellationen des Zusammenlebens, wie kinderlose Ehen, nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern oder Elternteile mit Kindern. Weil faktisch ebenfalls Familienfunktionen erfüllend, werden nunmehr auch andere Formen von Lebensgemeinschaften als „Familien“ im Sinne des Grundgesetzes begriffen. Dazu gehören z. B. Eltern mit nicht leiblichen Kindern, Elternteile mit nichtehelichen bzw. ehelichen Kindern sowie unverheiratete Eltern in: BGBl. I S. 266) zur Institution der Ehe: BVerfGE 105, 313, Urteil vom 17. Juli 2002, – 1 BvF 1, 2/01. Verfassungsrechtlich zulässig sind im Rahmen der positiven Eheschließungsfreiheit, d.h. der Freiheit bezüglich der Wahl des Partners sowie der Entscheidung über das ob und wie der Eheschließung, aber Ehebeschränkungen und Ehefähigkeitsvoraussetzungen wie die Ehemündigkeit. Danach tritt die Ehemündigkeit mit der Volljährigkeit ein oder aber mit Vollendung des 16. Lebensjahres, wenn die vormundschaftliche Genehmigung vorliegt und ein künftiger Ehepartner bereits volljährig ist: dazu ebenda, Art. 6 Rn. 51 ff. Jeglichen Zwang zur Eheschließung verbietet Art. 6 Abs. 1 GG als Ausdruck der negativen Eheschließungsfreiheit. 121 Vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/ New York 2003, S. 327 (Rn. 12); dazu kritisch Lecheler, Schutz von Ehe und Familie, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 2001, Band VI, S. 211–264, S. 227. 122 Vgl. BVerfGE 10, 59, (66); BVerfGE 48, 327 (339); BVerfGE 62, 323 (330); Lecheler, Schutz von Ehe und Familie, 2001, S. 225; Schmitt-Kammler, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6 Rn. 16; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 77. Zur Frage der Einbeziehung von Geschwistern, Großeltern und anderer Verwandtschaft in den Familienbegriff siehe ders., Art. 6 Rn. 86 ff. 123 Siehe BVerfGE 25,167 (196); BVerfGE 56, 363 (384); BVerfGE 76, 1 (51). 124 Vgl. BVerfGE 6, 55 (73 f.), welche die Auffassung im Parlamentarischen Rat wiedergibt; dazu Schmitt-Kammler, in: Sachs, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6 Rn. 15. 125 A. A. Lecheler, Schutz von Ehe und Familie, 2001, S. 231 ff., der die Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG nur als eine auf der Ehe beruhende Lebensgemeinschaft von Mann und Frau begreift.
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mit Kindern.126 Als Familien gelten zudem nicht nur Eltern mit minderjährigen, sondern auch solche mit volljährigen Kindern, unabhängig davon, ob sie eine gemeinsame Hausgemeinschaft bilden oder nicht.127 Verheiratete oder zusammenlebende Paare ohne Kinder zählen dagegen nicht als Familie und unterliegen gegebenenfalls nur dem grundrechtlichen Schutz der Ehe.128 Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zum einen für den Staat die Aufgabe, Ehe und Familie vor Drittbeeinträchtigungen zu schützen sowie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zum anderen ein Verbot für den Staat, dieses Schutzgut zu beeinträchtigen. Art. 6 Abs. 1 GG entnimmt das Bundesverfassungsgericht drei Regelungsinhalte: das Grundrecht129, die Institutsgarantie und die Grundsatznorm130. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG ist dabei das Recht des Einzelnen, im Interesse des Einzelnen oder des Familienverbandes schädigende oder störende Eingriffe des Staates in seine Ehe und seine Familie, die nicht durch Art. 6 Abs. 2 S. 2 gedeckt sind, abwehren zu können. Träger des Grundrechts sind Ehepartner und Familienangehörige – und damit auch Kinder – unabhängig davon, wen die Maßnahme der öffentlichen Gewalt im Einzelfall betroffen hat.131 Die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG hebt dagegen die außerverfassungsrechtliche Rechtseinrichtung der Ehe auf die Ebene des Verfassungsrechts und stellt sie unter deren Schutz. Unter der Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG wird schließlich die verbindliche Wertentscheidung für den Gesamtbereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts verstanden. Dies hat für den Staat ein Verbot, Ehe und Familie zu schädigen bzw. ein Gebot, diese durch geeignete Maßnahmen zu fördern, zur Folge.132 126 Zu Familien zählen auch Gemeinschaften mit Adoptiv-, Stief- oder Pflegekindern und Kindern aus Ein- oder Mehrehen; Engels, Kinder- und Jugendschutz, 1997, S. 240; vgl. dazu auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 4. 127 BVerfGE 80, 81 (90 f.); BVerfGE 76, 1 (51); siehe mit weiteren Anmerkungen Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 83; ablehnend Lecheler, Schutz von Ehe und Familie, 2001, S. 232. 128 Vgl. BVerfGE 36, 146 (165); vgl. insgesamt mit weiteren Anmerkungen Schmitt-Kammler, in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6 Rn. 16; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 78. In Polen werden dagegen kinderlose Ehepaare unter den Begriff der Familie nach Art. 71 pV subsumiert: Garlicki (Bearb.), in: Działocha (Hrsg.), Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Komentarz (Loseblattsammlung), Warszawa 2002, Art. 71 pV S. 2. 129 Vgl. BVerfGE 6, 386 (388). 130 Vgl. BVerfGE 6, 55 (72). 131 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 6.
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Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG regelt das Elternrecht. Als Eltern gelten ausschließlich alle biologisch-genetisch oder rechtlich einem Kind zugeordneten Personen.133 Das Elternrecht garantiert den Eltern den Vorrang, die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Pflege der Kinder umfasst die tatsächliche Sorge für ihre Person – ihr physisches und psychisches Wohlergehen – sowie die Sorge für ihr Vermögen. Als Erziehung der Kinder werden die Anleitung zur geistigen und seelischen Persönlichkeitsentwicklung sowie die Vermittlung von Kenntnissen, Überzeugungen und von moralischen, ethischen und sittlichen Werten verstanden.134 Obwohl die Pflege und Erziehung der Kinder „zuvörderst“ den Eltern obliegt, gibt es neben den Eltern weitere Berechtigte und Verpflichtete, die sich darum ergänzend und unterstützend kümmern. Zu nennen sind die Schule (Art. 7 GG) sowie andere staatliche und kommunale Einrichtungen, wie beispielsweise Kindergärten und Kinderheime.135 Welchen Zeitraum das Elternrecht umfasst, beantwortet die Lehre nicht einheitlich. Die wohl herrschende Lehre nimmt für die Ausübung des Elternrechts den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit des Kindes an.136 Andere Stimmen in der Lehre gehen von einem früheren Beginn des Elternrechts mit der Schwangerschaft aus. Gefolgert wird dies aus § 1912 Abs. 2 BGB, der bestimmt, dass die Fürsorge für die Leibesfrucht den Eltern insoweit zusteht, als ihnen die elterliche Sorge zustünde, wenn das Kind bereits geboren wäre.137 Die überwiegende Ansicht sieht hingegen die Rechte der werdenden Eltern im vorgeburtlichen Zeitraum durch ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht auf Fortpflanzung im Rahmen des Art. 2 GG 132 Dazu ausführlich und mit weiteren Anmerkungen Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, Berlin 1989, S. 396 ff. 133 Unter den Elternbegriff fallen nur Personen, welche durch Abstammung, Abstammungsschein oder Adoption mit dem Kind verbunden sind. Personen, die nur Elternfunktionen wahrnehmen, fallen nicht darunter: siehe dazu Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 70 ff.; Hannemann, Pflicht und Recht des Jugendamtes in die elterliche Sorge einzugreifen, Dortmund 2002, S. 129 f. 134 Vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/ New York 2003, S. 332 (Rn. 28). 135 Siehe Zacher, Elternrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 2001, Band VI, S. 265–328, S. 268 f. Der staatliche Erziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG ist dem Elternrecht allerdings nicht nach – sondern gleichgeordnet: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 7 Rn. 5, BVerfGE 34, 165 (182 f.), BVerfGE 47, 46 (71 ff.), BVerfGE 98, 218 (244 f.). Anders Schwab, Familienrecht, 2003, S. 208, der von nachgeordnet spricht. 136 Vgl. Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 68. 137 Vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/ New York 2003, S. 333 (Rn. 29).
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als geschützt an.138 Zacher problematisiert zudem die abrupte Beendigung des Elternrechts mit der Volljährigkeit. Obwohl, so Zacher, auf der einen Seite das Sorgerecht der Eltern wegfällt (§§ 1626 ff. BGB), bleibt die Verpflichtung der Eltern ihren volljährigen Kindern Ausbildung und Unterhalt zu gewähren (§ 1610 Abs. 2 BGB) weiter bestehen. Er erwägt daher eine Ausstrahlung des Elternrechts auch auf die nachfolgende Lebensphase.139 Die verfassungsrechtliche Relevanz der Beziehung von Eltern und Kindern nach deren Volljährigkeit wird in der Lehre nicht bestritten, jedoch sieht diese zutreffend für das einseitig strukturierte Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nach der Volljährigkeit keinen Raum mehr.140 Das Elternrecht ist als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe ausgestaltet. Es steht unstreitig den Eltern und im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 GG sonstigen Erziehungsberechtigten141 zu. Ob Kinder unmittelbar aus dem Elternrecht eigene Grundrechte geltend machen können, ist streitig. Zacher vertritt die Auffassung, dass Kinder selbst Adressaten des Grundrechts sind, weil die gewährte Autonomie durch Art. 6 Abs. 1–3 GG gleichfalls Sache der Kinder ist. Die Rechte der Kinder gegen den Staat werden aber, so Zacher, grundsätzlich von den Rechten der Eltern überdeckt.142 Das Bundesverfassungsgericht nimmt zudem – mittels Pflichtbindung – aus dem Elterngrundrecht einen Anspruch der Kinder auf Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung durch die Eltern an.143 Unklar bleibt nach dieser Konstruktion, so zutreffend Schmitt-Kammler, welcher Natur dieser weit über den Unterhaltsanspruch hinausgehende Anspruch des Kindes auf Erziehung gegen die Eltern ist.144 Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass Kinder selbst nicht Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, 138
Vgl. Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 68. 139 Vgl. Zacher, Elternrecht, 2001, S. 293 f.; weitergehend noch Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 161. Er hält die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für verfehlt, wenn dieses das elterliche Erziehungsrecht mit Eintritt der Volljährigkeit bei Vollendung des 18. Lebensjahres als erloschen ansieht. 140 Vgl. BVerfGE 92,158 (176); BVerfGE 72, 122 (137); vgl. auch Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York 2003, S. 333 (Rn. 29); Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 68; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 33; a. A. Robbers (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 161. 141 Vgl. Zacher, Elternrecht, 2001, S. 291. 142 Vgl. ebenda; Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 94, 127. 143 BVerfGE 68, 256 (269); Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 34. 144 Vgl. Schmitt-Kammler (Bearb.), in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6 Rn. 59.
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sondern nur Begünstigte sind.145 Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG schützt damit die Familie vor allem als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, in der die Eltern ihr dienendes Grundrecht zum Wohle des Kindes wahrzunehmen haben. Zu dieser allgemein in der Lehre anerkannten Fremdnützlichkeit des Elternrechts führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Verfassung grundsätzlich „. . . niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen . . .“ kann.146 Die Elternrechte sind daher eine komplexe Verknüpfung von Rechten und Pflichten, wobei die Pflichten nicht lediglich eine Schranke darstellen, sondern ein wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechtes sind, der auch als Elternverantwortung bezeichnet wird.147 Grundsätzlich bleibt es den Eltern überlassen, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden. Konkrete Erziehungsziele oder pädagogische Theorien werden vom Grundgesetz nicht vorgegeben.148 Entscheidend ist, dass die Eltern im Rahmen ihrer Elternverantwortung das Wohl des Kindes garantieren.149 Was unter dem Kindeswohl zu verstehen ist, lässt sich in einer Sachdefinition nicht eindeutig festlegen.150 Es handelt sich beim „Kindeswohl“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der so im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt wird.151 In den einfachgesetzlichen, insbesondere den familienrechtlichen Vorschriften findet sich der generalklauselartige Begriff dagegen allenthalben, z. B. in den §§ 1626 Abs. 3 und 1666 Abs. 1 BGB. Verwendung findet der Begriff in erster Linie um klarzustellen, dass die Eltern zu einem Sorgeverhalten verpflichtet sind, welches die Integrität und Entfaltung des Kindes am besten gewährleistet.152 Wann eine Gefährdung des 145 Vgl. Robbers (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 182; Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 77. 146 Vgl. BVerfGE 72, 155, 172; siehe auch Zacher, Elternrecht, 2001, S. 291. 147 BVerfGE 68, 176 (190); BVerfGE 72, 155, 172; dazu auch Schmid, Die Familie, 1989, S. 96, Fn.: 73; Zacher, Elternrecht, 2001, S. 267. Kritisch zum Begriff der Elternverantwortung Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 113 ff. 148 Dazu Robbers (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 152 ff. 149 Vgl. BVerfGE 24, 119, (143 f.); BVerfGE 61, 358, (371 f.); BVerfGE vom 10. November 1998, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91, in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 5, S. 285–291, S. 287. 150 Vgl. dazu die Ausführungen oben im Abschnitt C.VI.1.a)bb) bzgl. der Regelungen zum Kindeswohl in der UN-Kinderrechtskonvention. 151 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 102. 152 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 259. Zur Eingrenzung des Begriffs siehe auch Münning, Die Rechte der Kinder, 1992, S. 236.
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Kindeswohls konkret gegeben ist, lässt sich im Einzelfall nur gerichtlich feststellen.153 Der Staat geht davon aus, dass den Eltern in der Regel das Wohl ihrer Kinder – das Kindeswohl – mehr am Herzen liegt als jeder anderen Person oder Institution.154 Das Elternrecht ist folglich bereits naturgemäß auf das Kindeswohl ausgerichtet. Jeand’Heur bezeichnet das Wohl des Kindes sogar als das zentrale Rechtsgut der Gesamtvorschrift des Art. 6 Abs. 2 GG. Roth verwirft dagegen plausibel die denkbare Schlussfolgerung, Art. 6 Abs. 2 GG schütze nicht mehr in erster Linie das Elternrecht, sondern im Rahmen der Elternpflicht allein das Kindeswohl.155 Er begründet seine ablehnende Auffassung der Reduzierung des Elternrechts auf seine Pflichtmomente mit dem „Eigenwert“ des Elternrechts. Dieser liegt darin, dass es den Eltern selbst obliegt, in Ausübung ihres „Elternrechts“ grundsätzlich ohne staatliche Einmischung festlegen zu können, worin das Wohl ihres Kindes besteht.156 Abschließend stellt sich die Frage, ob es sich bei Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG um ein Kinderrecht oder Kindergrundrecht im oben beschriebenen Sinne handelt. Festzustellen bleibt, dass die Bestimmung ausdrücklich das Elternrecht gewährleistet, welches allerdings als fremdnütziges Recht dem Wohl des Kindes dient. Kindern wird es damit ermöglicht, sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde zu entwickeln. Obwohl Kinder selbst, folgt man der herrschenden Ansicht, nicht Träger dieses Grundrechts sind, schließt dies die Kategorisierung als Kinderrecht nicht aus. Fraglich bleibt allein, ob die Interessen der Kinder im Schwerpunkt durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützt werden. Diese Bestimmung garantiert nicht nur das Kindeswohl, sondern gleichfalls das Elternrecht. Dennoch stellt das Kindeswohl das zentrale Rechtsgut der Vorschrift dar. Deshalb ist bei Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG von einem Kinderrecht, wenn auch nicht Kindergrundrecht im oben definierten Sinne, auszugehen. Der Staat hat die Aufgabe, über die Einhaltung der Rechte und Pflichten der Eltern zu wachen, wobei er in Ausübung dieser Funktion sowohl den 153 Vgl. Mann, Spannungsverhältnis Elternrecht, Kindeswohl, staatliches Wächteramt, in: van den Boogaart (Hrsg.), Rechte von Kindern und Jugendlichen – Wege zu ihrer Verwirklichung, Münster 1996, S. 77–96, S. 87 f.; siehe dazu auch die Ausführungen zu § 1666 BGB im Abschnitt D.II.3.a). 154 Vgl. BVerfGE 61, 358, (371); unentschieden: Zacher, Elternrecht, 2001, S. 293. 155 Vgl. auch Mann, der dies anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts belegt: Mann, Spannungsverhältnis Elternrecht, 1996, S. 80 f. 156 Vgl. dazu mit weiteren Argumenten Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 128. S. 117 ff.; auch Coester-Waltjen, in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 77; a. A. Engels, Kinder- und Jugendschutz 1997, S. 234.
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Kindern als auch den Eltern gegenüber steht. Zum einen ist der Staat den Kindern zum Schutz ihrer Grundrechte verpflichtet (Schutzpflicht)157 und zum anderen hat er die Ausübung des sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ergebenden Elternrechts zu gewährleisten. Das elterliche Bestimmungsrecht und die Ausübung des staatlichen Wächteramtes ergänzen sich nahtlos zum Schutze des Kindes. Handeln die Eltern innerhalb des Schutzbereiches zum Wohl ihrer Kinder, darf der Staat nicht intervenieren. Vernachlässigen die Eltern ihre Pflicht, muss der Staat zugunsten der Kinder eingreifen und deren Grundrechte gegenüber den Eltern ausüben.158 Dabei handelt es sich beim zu beachtenden „Kindeswohl“159 nicht um ein originäres Freiheitsgrundrecht des Kindes, wie Jeand’Heur anmerkt, sondern nur um eine zu seinem Wohle bestehende staatliche Eingriffslegitimation zur Kontrolle der Elternbefugnisse.160 Kinder besitzen bei Vorhandensein einer entsprechenden Gefahrenlage für ihr Wohl aber einen Anspruch gegen den Staat auf dessen Eingreifen, der sich aus der bestehenden Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ergibt.161 Zur Aufgabe des Staates gehört es nicht, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes entsprechende bestmögliche Förderung zu sorgen.162 Das Wächteramt rechtfertigt aufgrund deren nachgewiesener schädlicher Wirkung allerdings ein Verbot körperlicher Züchtigung.163 Versagen die Erziehungsberechtigten oder drohen die Kinder zu verwahrlosen, hat der Staat gemäß Art. 6 Abs. 3 GG die Befugnis, die Eltern von ihren Kindern zu trennen.164 Diese Vorschrift beschränkt gleichzeitig den aus dem Wächteramt resultierenden Trennungseingriff, indem sie den Ein157 Siehe Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 84 ff.; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 241. 158 Vgl. Schmid, Die Familie, 1989, S. 97, Fn.: 73; Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 13. 159 Vgl. BVerfGE 37, 217 (252). 160 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 18. 161 Roth leitet bei gravierendem Elternversagen, resultierend aus dem staatlichen Wächteramt nach Art. 6, Abs. 2 S. 2 GG, einen subjektiven Anspruch der Kinder gegen den Staat her, ihnen in solchen Situationen beizustehen und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen; Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 127. 162 Vgl. BVerfGE 60, 79 (94). 163 So Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 40; Coester-Waltjen (Bearb.), in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 65; a. A. Robbers (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 154; siehe dazu auch die Ausführungen zu § 1631 Abs. 2 BGB unten. 164 Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder gemäß Art. 6 Abs. 3 GG nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden.
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griff unter einen speziellen Gesetzesvorbehalt stellt. Die Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen gehört zu den schwerwiegendsten staatlichen Eingriffen, der Eltern und Kind gleichermaßen massiv betrifft. Während Teile der Lehre aus Art. 6 Abs. 3 GG ein dem Trennungsverbot korrespondierendes subjektives Grundrecht der Eltern und des Kindes auf Verbleib in der Familie herleiten165, lehnen das Bundesverfassungsgericht und Teile der Lehre dies mit dem Hinweis, dass es sich bei Art. 6 Abs. 3 GG nur um eine Schranken-Schranke handelt, ab.166 Jeder staatliche Eingriff, ob nach Art. 6 Abs. 2 oder 3 GG, unterliegt dabei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dem Staat obliegt es zudem im Vorfeld, Verletzungen des Kindeswohls vorzubeugen und gegebenenfalls Maßnahmen der Gefahrenabwehr einzuleiten.167 Das Verhältnis von Elternrecht und Grundrechten der Kinder gilt als nicht abschließend geklärt.168 Gegenstand der Diskussionen ist, wie kollidierende Interessen von Kindern und Eltern zu behandeln sind, welche sich im Zusammenhang mit den Einwirkungsrechten und Wahrnehmungsbefugnissen der Eltern im Rahmen der Personen- oder Vermögensvorsorge ergeben können.169 Um dieses Spannungsverhältnis zu lösen, ist zu bedenken, dass den Eltern das Elternrecht um des Kindes und seiner Persönlichkeitsentfaltung willen gewährleistet wird und es mit zunehmendem Alter des Kindes nachlässt, zurücktritt und schließlich ganz erlischt.170 Nach herrschender Lehre ist das Kind zudem kein Rechtsobjekt der Eltern. Das Bundesverfassungsgericht lehnt daher das Vorliegen einer Kollision der Grundrechte von Eltern und Kindern miteinander, ab, indem es vorbringt, dass die Beachtung der Grundrechte des Kindes konstitutiv für die sog. Elternverantwortung ist.171 Die Grundrechte der Kinder gelten danach im Rahmen des Erzie165
Vgl. Robbers (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Grundgesetz – Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2005, Art. 6 Rn. 255; Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York 2003, S. 338 (Rn. 46). 166 Vgl. BVerfGE 76, 1 (48); Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 41. 167 Siehe dazu Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 135 f. 168 Vgl. dazu u. a. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, S. 94, 125 ff.; Schmid, Die Familie, 1989, S. 94 ff. 169 Vgl. Schmitt-Kammler (Bearb.), in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6 Rn. 59. 170 Wie dies im Einzelnen auszugestalten ist, obliegt in erster Linie dem einfachen Gesetzgeber; vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 6 Rn. 37. 171 Vgl. BVerfGE 24, 119 (144); einen anderen Ansatz vertritt dagegen Roth: Er geht davon aus, dass die Grundrechte der Kinder eine eigene dogmatische Grundlage besitzen und damit eine Kollisionslage möglich ist. Grundsätzlich gilt, dass die Grundrechte von Kindern und Eltern nur gegen den Staat gerichtet sein können, da
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hungsrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und werden durch die Ausübung des staatlichen Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG bereits umfassend berücksichtigt und bedürfen darüber hinaus keiner ständigen Beachtung. Bei Interessenkollisionen zwischen dem Kind und seinen Eltern wird den Belangen des Kindes zudem grundsätzlich Vorrang zugestanden.172 Dass, wie Lecheler schreibt, die nach diesem Ansatz erfolgende Stärkung der Position der Kinder gegen ihre Eltern für die Familienautonomie eine schwere Belastungsprobe ist173, wird aufgewogen durch die damit geschaffene Möglichkeit der Kinder, zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gesellschaft heranwachsen zu können.174 Art. 6 Abs. 5 GG trägt der Gesetzgebung auf, unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung sowie ihre Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen wie sie für eheliche Kinder gelten. Nichteheliche Kinder wurden in der Vergangenheit insbesondere aus religiösen Gründen stark benachteiligt, da Leitbild die monogame Ehe als einzige legitime Geschlechterverbindung war. Das Grundgesetz gibt dem Gesetzgeber mit Art. 6 Abs. 5 GG den Auftrag, eine wirkliche Gleichstellung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern herbeizuführen.175 Bei jeder zwischen ehelichen und unehelichen Kindern unterscheidenden Regelung ist daher, so das Bundesverfassungsgericht, zu prüfen, ob es für die Ungleichbehandlung überzeugende Gründe gibt. Selbst in diesen Fällen ist eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte unter Privaten bereits an Art. 1 Abs. 3 GG scheitert, der nur die öffentliche Gewalt bindet. Dass Eltern und Kinder untereinander nicht Verpflichtete sind bedeutet aber nicht, dass eine Grundrechtskollision ausgeschlossen wäre. Vielmehr ist es der Charakter einer Grundrechtskollision, so Roth, dass die Grundrechte von Privaten bei der verpflichteten öffentlichen Gewalt kollidieren, weil diese nicht allen Interessen gleichzeitig nachkommen kann. Die Lösung dieser Konfliktlage kann nur im Wege der praktischen Konkordanz erfolgen, nach der ein Ausgleich der unterschiedlichen Grundrechtspositionen unter besonderer Berücksichtigung der Eigenart des Elternrechts als fremdnütziges Recht stattfindet. Die Abwägung darf dabei nicht allein nach der Stärke des grundrechtlichen Schutzes ausgerichtet sein, sondern muss die Schutz- und Beistandpflichten der Eltern im besonderen Maße in die komplexe Bewertung mit einbeziehen. Folge kann entweder eine Einschränkung der Elternrechte oder der Kinderrechte sein; Roth, Die Grundrechte Minderjähriger im Spannungsfeld selbständiger Grundrechtsausübung, elterlichen Erziehungsrechts und staatlicher Grundrechtsbindung, Berlin 2003, S. 94 und 126 ff. 172 Vgl. BVerfGE 75, 201 (218); BVerfGE 79, 203 (211); BVerfGE 99, 145 (156). 173 Vgl. Lecheler, Schutz von Ehe und Familie, 2001, S. 239. 174 Vgl. BVerfGE 29, 120, (144); siehe auch mit weiteren Anmerkungen Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 19. 175 Vgl. BVerfGE 85, 80 (81); eine schematische Gleichstellung ist allerdings nicht geboten; siehe auch Coester-Waltjen (Bearb.), in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 112.
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ein entsprechender Ausgleich anzustreben.176 Ziel ist folglich die Gleichwertigkeit der Verhältnisse.177 Die Legislative vernachlässigte allerdings lange den Verfassungsauftrag178, so dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 29. Januar 1969 die unmittelbare Wirkung von Art. 6 Abs. 5 GG ab dem 20. Oktober 1969 anordnete.179 Dem Art. 6 Abs. 5 GG entgegenstehendes einfaches Recht wurde damit, sofern der Gesetzgeber seinem Auftrag noch nicht nachgekommen war, außer Kraft gesetzt.180 Daraufhin erließ der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften, wie das oft kritisierte Nichtehelichengesetz vom 19. August 1969181, sowie die Reformgesetze von 1997, welche ein einheitliches Kindschaftsrecht schufen und am 1. Juli 1998 in Kraft traten.182 Seitdem unterscheiden die familienrechtlichen Regelungen nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Selbst der Begriff des „nichtehelichen Kindes“ kommt in den Reformgesetzen nicht mehr vor. Die Bestimmungen behelfen sich mit der Umschreibung eines Kindes, dessen Eltern „bei Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet“ waren.183 Art. 6 Abs. 5 GG gewährt als spezielle Ausprägung des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 und 3 GG jedem nichtehelichen Kind einen Anspruch auf rechtliche Regelungen, die seine Lebensbedingungen an die von ehelichen Kindern angleichen.184 Grundrechtsträger sind alle nichtehelichen Kinder, 176
BVerfGE 85, 80; siehe auch Schwab, Familienrecht, München 2003, S. 211. Vgl. Zacher, Elternrecht, 2001, S. 325. 178 Vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/ New York 2003, S. 342 (Rn. 62). 179 Vgl. BVerfGE 25, 167 (167 ff.). 180 Vgl. BVerfGE 25, 167 (188); vgl. Coester-Waltjen (Bearb.), in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 113. 181 Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969, in: BGBl. I, 1243 mit Änderungen; zur Kritik Schwab, Familienrecht, 2003, S. 211 f.; Coester-Waltjen (Bearb.), in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 113. 182 Zu den Reformgesetzen gehören das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsreformgesetz) vom 17. Dezember 1997, BGBl 1997, I S. 2942, das Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und zur Neuordnung des Rechts der Beistandschaft (Beistandsgesetz) vom 4. Dezember 1997, in: BGBl. 1997, I S. 2846. Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltgesetz) vom 6. April 1998, in: BGBl. 1998, I S. 666. Das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz) vom 16. Dezember 1997, in: BGBl. 1997, I S. 2968. 183 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 210; vgl. § 1626 a Abs. 1 BGB. Seit der Reform gibt es keine Amtspflegschaft für nichteheliche Mütter mehr sondern nur die freiwillige Beistandschaft (vgl. § 1712 ff. BGB). Dies kann dann von Nachteil für das Kind sein, wenn die Mutter vom anderweitig verheirateten Mann aus Rücksicht keinen Unterhalt einfordern oder keine Feststellung der Vaterschaft betreiben möchte. 177
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wovon nicht nur Minderjährige, sondern alle Kinder ohne Altersbegrenzung umfasst werden.185 Den Eltern steht dieses Grundrecht nicht zu. Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 GG regelt folglich, trotz ihrer Geltung auch für erwachsene nichteheliche Kinder, im Schwerpunkt Interessen von einer bestimmten Gruppe von Menschen in ihrer Kindheitsphase, damit sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde gleich den ehelichen Kindern entwickeln können. Aus diesem Grund ist Art. 6 Abs. 5 GG als Kindergrundrecht anzusehen. ee) Der staatliche Schulerziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG Der in Art. 7 Abs. 1 GG verankerte staatliche Schulerziehungsauftrag ist kein Grundrecht, sondern eine an den Staat adressierte staatsorganisationsrechtliche Norm, die ein Rechtsinstitut statuiert, mit dem notwendige Grundrechtseinschränkungen verbunden sind. In der Regelung wird zudem ein Verfassungsauftrag zur Gewährleistung eines leistungsfähigen Schulwesens, sei es durch Errichtung und Betrieb staatlicher Einrichtungen, sei es durch Überwachung privater Schulen gesehen. Außerdem verortet das Schrifttum nach einhelliger Ansicht einen so genannten staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG.186 Dieser steht neben dem elterlichen Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 2 GG und wird aus der positiv im Gesetz normierten Schulaufsicht in Art. 7 Abs. 1 GG hergeleitet.187 Begründet wird der staatliche Erziehungsauftrag mit dem Umstand, dass die in Art. 7 Abs. 1 GG festgelegte Schulaufsicht den Auftrag des Staates voraussetzt, das einzelne Kind mittels der Schule zu einem selbstverantwortlichen Mitglied der Gesellschaft heranzuziehen.188 Der Staat kann folglich in der Schule grundsätzlich unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen.189 Der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule beschränkt sich nicht allein auf die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes im Rahmen des elterlichen Erziehungsrechts, sondern ist eigenständig und in seinem Bereich dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet. Die schulische und 184
Vgl. BVerfGE 25, 167 (191). Vgl. BVerfGE 44, 1 (29); so heute h. M.; siehe dazu Coester-Waltjen (Bearb.), in: v. Münch, Grundgesetz – Kommentar, 5. Auflage, München 2000, Art. 6 Rn. 116; Zacher, Elternrecht, 2001, S. 325. 186 Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 7 Rn. 1. 187 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht des Jugendamtes in die elterliche Sorge einzugreifen, (Diss.), Dortmund 2002, S. 143; Jarass/ Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 7 Rn. 5. 188 Vgl. BVerfGE 47, 46 (72). 189 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 143. 185
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elterliche Erziehungsaufgabe ergänzen sich folglich mit dem Ziel, das Kind zu einer eigenständigen Persönlichkeit heranzubilden. Der Staat hat in der Schule allerdings die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder zu achten. Das bedeutet, dass der Staat bei der Planung seines Schulsystems, insbesondere bei der organisatorischen Gliederung und Strukturierung des Schulwesens dem gemeinsamen Erziehungsauftrag gerecht werden muss.190 Der Staat darf daher nicht durch schulorganisatorische Maßnahmen den gesamten Werdegang des Kindes regeln. Die Eltern bleiben die natürlichen Sachwalter für die Erziehung ihrer Kinder, da sie am besten die Interessen ihrer Kinder wahrnehmen können.191 So besitzen sie das Recht zwischen den vom Staat zur Verfügung gestellten Schulformen zu wählen, was allerdings nicht den Anspruch auf eine ihnen wunschgemäße Schulform umfasst.192 Der Staat kann in Form der negativen Auslese die Aufnahme von Schülern, welche die Kriterien für eine weiterführende Schule nicht erfüllen, ablehnen. Sein Erziehungsauftrag gestattet es dem Staat jedoch nicht, begabte Schüler für den Besuch einer weiterführenden Schule zu verpflichten.193 Die Eltern haben neben dem Wahlrecht einen Anspruch, über die Vorgänge an der Schule, deren Verschweigen die Ausübung des elterlichen Erziehungsrechts beeinträchtigen könnte, unterrichtet zu werden.194 Dies umfasst u. a. die schulischen Leistungen des Kindes, beabsichtigte Ein- und Umstufungen195 sowie Informationen über den Inhalt und den methodischdidaktischen Weg der Sexualerziehung in der Schule.196 Eingeschränkt wird der Informationsanspruch der Eltern, wenn die Auskünfte zu Reaktionen der Eltern führen könnten, die, so das Bundesverfassungsgericht, im Interesse des Kindeswohls nicht zu vertreten sind.197 Abschließend bleibt festzustellen, ob es sich bei Art. 7 Abs. 1 GG um ein Kinderrecht im oben beschriebenen Sinne handelt. Entsprechend den Ausführungen ist die Bestimmung kein Grundrecht, sondern eine an den Staat adressierte staatsorganisationsrechtliche Norm, welche ein leistungsfähiges Schulwesen sowie einen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag festlegt. Der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule gewährleistet 190
Vgl. BVerfGE 34, 165 (182 f.). Vgl. BVerfGE 34, 165 (184). 192 Vgl. BVerfGE 34, 165 (185); BVerwGE 35, 111 (112). 193 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 145 f. 194 Vgl. BVerfGE 59, 360 (381 f.). 195 Vgl. BVerfGE 34, 165 (192); siehe mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 146. 196 Vgl. BVerfGE 47, 46 (76). 197 BVerfGE 59, 360 (in: DVBl. 1982, 97. Jhg., Heft 8, S. 406–409, S. 408). 191
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Kindern im Rahmen der schulischen Ausbildung die Entwicklung zu körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich eigenständigen Persönlichkeiten. Obwohl Kinder nicht selbst Träger dieses Rechts sind, schließt dies eine Charakterisierung als Kinderrecht nicht aus, sofern die Interessen der Kinder Schwerpunkt der Vorschrift sind. Davon ist auszugehen, da Sinn und Zweck von Art. 7 Abs. 1 GG die Gewährleistung einer schulischen Bildung durch ein staatliches Schulwesen ist, welches in der Hauptsache der Entwicklung minderjähriger Kinder dient. d) Reformbestrebungen zur Einführung von Kinderrechten in das Grundgesetz Trotz der hier umrissenen verfassungsrechtlichen Absicherung von Kinderrechten gab es im Rahmen der Verfassungsdiskussionen im Jahre 1990 und 1992 Vorschläge, weitere Rechte von Kindern im Grundgesetz zu verankern. Nachgedacht wurde vor allem über eine Neufassung der Artt. 1, 3 und 6 GG. Im Gespräch war u. a. die Idee, eine geschlechtspezifische Fassung des Würdebegriffs in Art. 1 Abs. 1 GG einzuführen („Die Würde von Frau, Mann und Kind ist unantastbar . . .“). Dies allein hätte zu der – kaum zu beantwortenden – Frage geführt, ob es eine spezielle Würde der Männer, Frauen und Kinder überhaupt gibt und ob nicht bereits die garantierte Würde des Menschen alle Geschlechter und Altersspektren umfassend berücksichtigt und schützt.198 Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches der DDR vom 4. März 1990 sah zudem in Ergänzung zu Art. 3 Abs. 3 GG ein Benachteiligungsverbot wegen des Alters vor.199 Salgo befürchtete bei Aufnahme dieses Zusatzes den Beginn einer unerquicklichen Gleichberechtigungsdebatte zwischen Eltern und Kindern.200 Möglicherweise wäre das Ergebnis heute im Lichte des Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (neu: Art. II-81 EU-Verfassung)201, ein anderes. Zur Diskussion stand die Verstärkung des Kinderschutzes auch im Rahmen des Art. 6 GG.202 Der Vorschlag, in Artikel 6 einen Absatz: „Kinder und Ju198 Entwurf des Frankfurter Frauenmanifestes „Frauen für eine neue Verfassung“ zitiert nach Niemeyer, Bedarf es einer Änderung des Art. 1 Abs. 1 GG?, in: Familie und Recht 1992, Heft 3, S. 145–148, S. 146, 148. 199 Siehe ebenda, S. 147. 200 Siehe Salgo, Das Verhältnis von Eltern, Kind und Staat in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Familie und Recht 1990, Heft 6, S. 363–366, S. 364 f. 201 Vgl. oben Abschnitt D.II.4. 202 So verabschiedeten auch im Juni 1992 sämtliche Jugendminister der Länder einen Vorschlag zur Neuformulierung des Artikel 6 GG, der ebenfalls scheiterte; ausführlich dazu Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 19 f.
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gendliche haben das Recht auf Schutz und besondere Förderung . . .“ einzuführen,203 fand trotz breiter Befürwortung bei der Verfassungskommission im Oktober 1993 keine Mehrheit.204 Die Bundesregierung geht in ihrem Bericht an die UN im Jahre 2001 davon aus, „. . . dass die Rechte der Kinder in der Verfassung ausreichend verankert sind . . .“ und für eine Änderung des Grundgesetzes keine „rechtliche Notwendigkeit besteht“.205 Obwohl der Schutz der Kinder durch die geltenden Verfassungsrechtsvorschriften in Verbindung mit der Judikatur des Bundesverfassungsgerichtes sicherlich als umfassend bezeichnet werden kann, würde einer Verankerung des Kindeswohls im Grundgesetz eine Signalwirkung hinsichtlich des besonderen Stellenwertes von Kindern in Deutschland zukommen. 3. Einfach-gesetzliche Bestimmungen In Deutschland gewährleisten zahlreiche Bundesgesetze den Schutz von Kindern und Jugendlichen.206 Dazu zählen neben dem noch näher zu erörternden Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG (SGB VIII)) und dem BGB, das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG)207 und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS)208. Von Bedeutung ist ferner das Jugendgerichtsgesetz (JGG), das bei 203
Vgl. den Vorschlag des Deutschen Juristinnenbundes, zitiert nach: Niemeyer, Art. 6 GG auf dem Prüfstand, in: Familie und Recht 1993, Heft 1, S. 29–30, S. 30. 204 Siehe ebenda. 205 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 26. 206 Siehe Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Jugendschutzgesetze, Berlin 2001, S. 32. Auf Landesgesetze geht diese Untersuchung mangels Relevanz für eine staatliche Kinderschutzinstitution auf Bundesebene nicht ein. 207 Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) vom 12. Juli 1985 mit Änderungen, in: BGBl. I S. 1502. So regelt das JÖSchG Fragen bezüglich des Aufenthalts von Minderjährigen in Gaststätten (§ 3), die Abgabe alkoholischer Getränke (§ 4), den Besuch von öffentlichen Tanz- und Filmveranstaltungen (§§ 5 und 6) und das Rauchen in der Öffentlichkeit (§ 9). Verstößt ein Veranstalter oder Gewerbetreibender gegen die Bestimmungen des JÖSchG handelt er ordnungswidrig oder strafbar, § 12. 208 Siehe Abschnitt D.II.2.c)cc). Das GjS enthält, wie bereits ausgeführt, Bestimmungen zum Jugendmedienschutz. Medien mit jugendgefährdendem Inhalt müssen danach in die Liste der jugendgefährdenden Schriften eingetragen werden. Eine Gefährdung der Jugend wird dann angenommen, wenn das Medium in der Lage ist, die gesunde sittliche Entwicklung von Minderjährigen, d.h. sein Denken, Fühlen, Reden und Handeln so zu beeinflussen, dass dies den tragenden Erziehungszielen in der Gesellschaft widerspricht.
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Verfehlungen von Minderjährigen209 zu deren Schutz u. a. an die Strafbarkeit besondere Voraussetzungen knüpft.210 Rechte zum Schutz der Minderjährigen z. B. vor sexuellem Missbrauch (§§ 174 ff. StGB), vor Misshandlungen (§ 223b StGB) sowie bei Verletzungen der Unterhaltspflicht und der Fürsorge (§ 170b und d StGB) enthält außerdem das Strafgesetzbuch (StGB).211 Da nicht alle einfach-gesetzlichen Bestimmungen, welche Rechte von Kindern enthalten, in dieser Untersuchung genannt werden können, beschränkt sich die Darstellung auf zwei Schwerpunkte: Zum einen auf die wesentlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zur elterlichen Sorge, welche Art. 6 Abs. 2 GG konkretisieren und zum anderen auf das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), begrenzt auf solche Rechte des Kindes, bezüglich derer das Kind selbst anspruchsberechtigt ist. a) Schutz der Rechte von Kindern durch die familienrechtlichen Bestimmungen des BGB Die Bestimmungen des elterlichen Erziehungsrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG werden durch die familienrechtlichen Vorschriften des BGB näher ausgeführt. Das Recht der Eltern, für das Kind zu sorgen, findet sich in § 1626 Abs. 1 BGB. Die elterliche Sorge umfasst dabei sowohl die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) als auch die Sorge bezüglich des Kindesvermögens (Vermögenssorge). Teil der Personensorge ist das Recht der Eltern, ihr Kind zu pflegen, d.h. für sein leibliches Wohl und seine gesunde äußere Entwicklung zu sorgen, sowie das Recht, ihr Kind zu erziehen, d.h. Sorge für dessen geistige, seelische und soziale Entwicklung zu tragen.212 Daneben besitzen die Eltern im Rahmen der Personensorge die Befugnis, ihr Kind gesetzlich zu vertreten (§ 1629 BGB), seinen Aufenthalt und Umgang zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB und § 1632 Abs. 2 BGB), die Herausgabe des Kindes gegenüber jedem, der das Kind dem Personensorgeberechtigten vorenthält, verlangen zu können (§ 1632 Abs. 1 BGB) sowie die Pflicht, es zu beaufsichtigen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Ziel der Vermögenssorge ist die Erhaltung, Vermehrung und Verwendung des Vermögens im Kindesinteresse, § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB.213 209
Und Heranwachsenden; Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist, § 1 Abs. 2 JGG vom 11. Dezember 1974, in: BGBl. I S. 3427 mit Änderungen; siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt D.III.2.e)aa)(1). 210 Vgl. § 3 JGG. 211 Vgl. dazu mit weiteren Beispielen Münning, Die Rechte der Kinder, 1992, S. 243. 212 Siehe Schwab, Familienrecht, 2003, S. 256 f. 213 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 287.
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Die elterliche Sorge besteht grundsätzlich für den Zeitraum ab der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.214 Die Personensorge kann allerdings bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt werden. So sieht das Gesetz in speziellen Fällen eine vorgezogene Teilmündigkeit vor.215 Als Beispiel sei die Ehemündigkeit genannt. Auf Antrag gemäß § 1303 Abs. 2 BGB kann von dem Erfordernis der Volljährigkeit nach § 1303 Abs. 1 BGB eine Befreiung erteilt werden, wenn ein Antragssteller das 16. Lebensjahr vollendet hat, sein künftiger Gatte volljährig ist und kein aus triftigen Gründen vorgebrachter Widerspruch des gesetzlichen Vertreters gegen die Teilmündigkeit nach § 1303 Abs. 3 BGB vorliegt. Die Personensorge für einen verheirateten Minderjährigen beschränkt sich dann gemäß § 1633 BGB auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten. Für die Vermögenssorge des Kindes sind die Sorgerechtsinhaber jedoch auch nach dessen Eheschließung verantwortlich.216 Im Rahmen der Vermögenssorge sieht § 106 BGB bereits ab Vollendung des 7. Lebensjahrs bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres eine beschränkte Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen vor. Während die vollumfängliche Geschäftsfähigkeit es der natürlichen Person ermöglicht, ihre Rechtsverhältnisse durch eigene Willenserklärungen selbständig zu gestalten217, kann der Minderjährige nur wirksam handeln, wenn das Rechtsgeschäft ihm entweder nur einen rechtlichen Vorteil einbringt (§§ 107, 1903 Abs. 3 S. 1 BGB)218, der gesetzliche Vertreter in die Geschäfte nach § 107 BGB einwilligt oder die ohne Einwilligung abgeschlossenen Geschäfte nachträglich genehmigt, § 108 Abs. 1 BGB. Die §§ 110, 112 und 113 BGB enthalten zudem Ermächtigungen des gesetzlichen Vertreters an das minderjährige Kind, selbständig Geschäfte zu tätigen, die entweder mit den ihm überlassenen Mitteln bewirkt werden oder im Zusammenhang mit dem selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder eines Dienst- und Arbeitsverhältnisses stehen.219 Vor dem 7. Lebensjahr ist das Kind hingegen geschäftsunfähig, d.h. seine Willenserklärungen sind gemäß § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Hinsichtlich der Ausübung der elterlichen Sorge, d.h. der Personensorge und der Vermögenssorge, bestimmt § 1627 BGB, dass die Eltern die elter214
Vgl. dazu die Ausführungen in den Abschnitten D.II.2.c)dd) sowie D.II.1. Zur Religionsmündigkeit ab dem 14. Lebensjahr vgl. Hannemann, Pflicht und Recht des Jugendamtes in die elterliche Sorge einzugreifen, (Diss.), Dortmund 2002, S. 131. 216 Vgl. Diederichsen (Bearb.), in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar –, 62. Auflage, München 2003, § 1633 Rn. 2. 217 Vgl. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Auflage, Heidelberg 2002, S. 211 Rn. 535. 218 Zum Tatbestandsmerkmal des rechtlichen Vorteils siehe ebenda, S. 218 ff. Rn. 560. 219 Vgl. dazu ebenda, S. 225 ff. Rn. 579 ff. 215
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liche Sorge in eigener Verantwortung und gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes wahrzunehmen haben und dabei nach § 1626 Abs. 2 BGB die wachsenden Fähigkeiten und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen sollen. Die Vorschrift eröffnet dem Kind kein allgemeines Mitentscheidungsrecht bei seiner Erziehung, sondern schreibt den Eltern nur ein partnerschaftliches Vorgehen vor.220 Ein im Rahmen der Ausübung der Personensorge auf Gehorsam ausgerichteter, autoritärer Erziehungsstil gilt dabei als unzulässig und kann Maßnahmen des Familiengerichts gemäß § 1666 BGB nach sich ziehen221, auf die gleich noch näher einzugehen ist. Kinder besitzen zudem seit der Einführung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kinderunterhaltsrechts vom 7. November 2000222 ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. § 1631 Abs. 2 BGB verbietet den Sorgeberechtigten körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen gegenüber Kindern. Unter körperliche Bestrafungen fallen beispielsweise Prügel, sonstige Schläge sowie festes Zupacken über einen längeren Zeitraum hinweg. Als seelische Verletzung gelten sprachliche Äußerungen der Nichtachtung oder Verachtung.223 Die als drittes Tatbestandsmerkmal genannten „entwürdigenden Maßnahmen“ bilden einen Auffangtatbestand, da in der Regel bereits die beiden anderen Formen verbotener Erziehungsmittel solche „entwürdigende Maßnahmen“ darstellen. Sie umfassen alle Handlungen der Sorgerechtsberechtigten, die das Kind dem Gespött und der Verachtung anderer Personen, insbesondere Freunden und Klassenkameraden, aussetzen oder dessen eigene Selbstachtung und Ehrgefühl in unzulässiger Weise beeinträchtigen.224 Gravierende Verstöße gegen dieses Gebot im Rahmen der Personensorge können, sofern sie das Kindeswohl gefährden, Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB auslösen.225 Inwieweit sich aus der Verletzung des § 1631 Abs. 2 BGB eine Strafbarkeit der Eltern ergibt, ist noch Gegenstand der Diskussion. Das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung selbst sieht keine Ausweitung der Strafbarkeit vor. Allerdings geht es davon aus, dass das früher als 220 Vgl. mit weiteren Nachweisen Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1626 Rn. 23; OLG-Karlsruhe, Beschluss vom 2. Juni 1989 (Az.: 5 Wx 1/89), in: NJW 1989, Heft 38, S. 2398–2399, S. 2399. 221 Vgl. Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1626 Rn. 23; § 1666 Rn. 54. 222 Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kinderunterhaltsrechts vom 7. November 2000, in: BGBl. I S. 1479. 223 Vgl. Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1631 Rn. 12. 224 Vgl. ebenda Rn. 13. 225 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 261; Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1631 Rn. 10.
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Gewohnheitsrecht angesehene und geltende Züchtigungsrecht der Eltern abgeschafft ist.226 Die Eltern haben bei der Ausübung der Personensorge gemäß § 1631 Abs. 3 BGB das Recht, sich in geeigneten Fällen unterstützen zu lassen. Dazu zählt beispielsweise die Vorladung des Kindes227, wenn dieses sich dem elterlichen Bestimmungsrecht entzieht. Präventive Hilfe bei der elterlichen Sorge bieten zudem die §§ 1712 ff. BGB, wonach auf Antrag eines Elternteils das Jugendamt Beistand des Kindes wird. Im Rahmen der Beistandschaft unterstützt das Jugendamt das Kind bei der Feststellung der Vaterschaft sowie bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 1712 Abs. 1 BGB). Bezüglich der Ausübung der Vermögenssorge konkretisieren die Bestimmungen des § 1638 ff. BGB, wie die Anlage und Verwaltung der Vermögenswerte des Kindes durch die Eltern zu erfolgen hat. Danach ist das Geld des Kindes entsprechend den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es nicht für die Bestreitung von Ausgaben bereitgehalten werden muss, § 1642 BGB. Einer Erfolgsgarantie bei der Vermögensverwaltung unterliegen die Eltern aber nicht, vielmehr besitzen sie einen weitgehenden Spielraum bei der Wahrnehmung der Vermögenssorge. Für riskante oder besonders wichtige Rechtsgeschäfte benötigen die Eltern allerdings gemäß § 1643 BGB eine Genehmigung des Familiengerichts. Eingeschränkt ist der Handlungsspielraum der Eltern auch bei unentgeltlichen Zuwendungen oder letztwilligen Verfügungen an das Kind, indem sie an die Anordnungen des Verfügenden oder Zuwendenden gebunden sind, § 1639 BGB.228 Zu klären bleibt, wann ein Eingriff des Staates in Ausübung seines Wächteramtes in das Elternrecht, die elterliche Sorge, erfolgen darf. Die Gefahrenschwelle ergibt sich aus den bereits erwähnten §§ 1666, 1666a BGB, die gerichtliche Maßnahmen im Rahmen der Personen- und der Vermögenssorge bei Gefährdung des Kindeswohls vorsehen. So hat das Familiengericht nach § 1666 Abs. 1 BGB dann in die elterliche Personensorge einzugreifen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten Dritter gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.229 Liegen diese 226
Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 261. Vgl. Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1631 Rn. 16. 228 Siehe dazu Schwab, Familienrecht, 2003, S. 288 f. 229 Dazu ausführlich Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 136 ff.; Schwab, Familienrecht, 2003, S. 300 f. 227
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Voraussetzungen für den Eingriff vor, kann das Familiengericht die für die Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese werden im Gesetz nicht näher konkretisiert. In Betracht zu ziehen sind Ermahnungen, Verwarnungen und die Vermittlung von ambulanten Beratungsangeboten gemäß §§ 16 ff. KJHG (SGB VIII), Gebote und Verbote zur Lebensführung des Minderjährigen, die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie und die teilweise Entziehung der Personensorge.230 Für die vollständige Entziehung der Personensorge sowie die Trennung des Kindes von der elterlichen Familie stellt § 1666a BGB besondere Anforderungen. Danach dürfen diese Maßnahmen nur erfolgen, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, d.h. sie geeignet, erforderlich und angemessen sind und demzufolge mildere Mittel zur Zweckerreichung nicht ausreichen.231 Eine Gefährdung des Kindesvermögens liegt nach § 1666 Abs. 2 BGB vor, falls der Sorgerechtsberechtigte seine Unterhaltspflicht bzw. seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt. Ist eine entsprechende Gefährdungslage im Sinne des § 1666 Abs. 2 BGB gegeben, kann das Familiengericht nach § 1667 BGB Maßnahmen anordnen, welche ebenfalls dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen müssen. In Betracht kommen die Verpflichtung der Eltern, ein Verzeichnis des Kindsvermögens bei Gericht einzureichen und über die Vermögensverwaltung Rechnung abzulegen sowie bestimmte, vom Gericht vorgeschriebene Geldanlagen vorzunehmen. Außerdem kann das Gericht die Geldabhebung durch die Eltern von einer gerichtlichen Genehmigung abhängig machen und den Elternteil, welcher das Vermögen des Kindes gefährdet, zu einer Sicherheitsleistung verpflichten. Äußerste Maßnahme ist der teilweise oder vollständige Entzug der Vermögenssorge.232 Ist die Eingriffsschwelle des § 1666 BGB erreicht, hat der Minderjährige, wie dargelegt, einen aus Art. 6 Abs. 2. S. 2 GG resultierenden Rechtsanspruch auf Ausübung des staatlichen Wächteramtes.233 Einen weiteren originären Anspruch des Kindes gegen beide Eltern enthält § 1684 Abs. 1 BGB. Da in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen dem Wohl des Kindes dient (§ 1626 Abs. 3 BGB), hat das Kind einen Anspruch auf Umgang mit jedem Elternteil. Das bedeutet, dass der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, ihm den Umgang mit dem an230 Vgl. Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 139; Schwab, Familienrecht, 2003, S. 302. 231 Dazu ausführlich Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1666a Rn. 1 ff. 232 Vgl. ebenda, § 1667 Rn. 7 f.; Schwab, Familienrecht, 2003, S. 304. 233 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 13.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
deren Elternteil gestatten muss und der andere Elternteil zur Ausübung des Umgangs nicht nur berechtigt, sondern hierzu verpflichtet ist. Besitzt ein Elternteil die alleinige Sorge und ist nicht bereit, den Umgang des Kindes zu gestatten, kann dem Kind zur Verfolgung seines Anspruches, wenn dies der Wahrnehmung seiner Interessen dient, ein Verfahrenspfleger bestellt werden, § 50 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGG.234 Von Bedeutung ist das Umgangsrecht des Kindes vor allem bei Desinteresse des Umgangsberechtigten. Liegt hingegen ein Interesse des umgangsberechtigten Elternteils vor, kann dieser sein Umgangsrecht gegen den unwilligen Elternteil aufgrund seines eigenen Anspruches geltend machen.235 Dies trifft auch für den nichtehelichen Vater zu, der ein vom Willen der alleinsorgeberechtigten Mutter unabhängiges Recht auf Umgang mit seinem Kind besitzt.236 Den Kindern selbst steht darüber hinaus nach § 18 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) ein Recht auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung ihres Umgangsrechts zu.237 b) Die Rechte der Kinder nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)238 Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom 26. Juni 1990 trat am 1. Januar 1991 (auf dem Gebiet der ehemaligen DDR am 3. Oktober 1990) als achtes Buch des Sozialgesetzbuches in Kraft.239 Es löste sowohl das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) der Bundesrepublik von 1961240 als auch die Jugendhilfeverordnung der DDR von 1966241 ab, welche beide im Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt242 von 1922 wurzelten.243 Seit seinem Erlass er234 Heintschel-Heinegg, Das Verfahren in Familiensachen, 7. Auflage, Neuwied 2003, S. 7 (Rn. 28); Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, RGBl. S. 189, RGBl. S. 771 mit Änderungen. 235 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 325. 236 Vgl. Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1684 Rn. 1; Entscheidung des EGMR vom 13. Juli 2000 – Beschwerde Nr. 25735/94 (Elsholz ./. Deutschland), in: FamRZ 2001, Heft 6, 48. Jahrgang, S. 341–343, S. 341. 237 Vgl. Schwab, Familienrecht, 2003, S. 325. Im Übrigen siehe § 1568 BGB zum Thema Scheidung und zu berücksichtigendes Kinderinteresse. 238 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt D.III.2.d). 239 Zu den früheren Regelungen, dem Gesetzgebungsprozess und den Diskussionen im Vorfeld vgl. mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 148 ff.; Kunkel, Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Auflage, BadenBaden 2001, S. 11. 240 Jugendwohlfahrtsgesetz der Bundesrepublik vom 11. August 1961, in: BGBl. 1961 I S. 1205. 241 Jugendhilfeverordnung der DDR vom 3. März 1966, in: GBl. II Nr. 34, S. 215. 242 Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922, in: RGBl. I, Nr. 54, S. 633. 243 Siehe Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 15.
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fuhr das KJHG einige Novellierungen, wovon als eine der bedeutendsten die Garantie eines Kindergartenplatzes im neu gefassten § 24 KJHG (SGB VIII) angesehen werden kann.244 Mit seiner Einordnung in das Sozialgesetzbuch als achtes Buch gilt das Kinder- und Jugendhilferecht als Sozialrecht im engeren Sinne.245 Die allgemeinen materiellen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB I246 und X247 sind folglich anwendbar. Nach den allgemeinen Vorschriften des § 8 SGB I haben junge Menschen und Personensorgeberechtigte ein Recht, Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu zählen gemäß § 27 Abs. 1 SGB I Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes, Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie, Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege, Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen für Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige einschließlich der Nachbetreuung. In den §§ 1–10 KJHG (SGB VIII) finden sich die tragenden Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe, welche insbesondere das Verhältnis von Eltern, Staat und Kind sowie zwischen den Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe näher bestimmen. § 1 KJHG (SGB VIII) als Generalklausel besitzt über den Bereich der öffentlichen Jugendhilfe hinaus für alle Erziehungsträger Bedeutung.248 Er räumt den Kindern als Träger von Grundrechten eine Subjektstellung ein.249 Durch § 1 KJHG (SGB VIII) wird die Intention des Gesetzgebers deutlich, das eingriffs- und ordnungsrechtlich ausgerichtete JWG durch ein modernes, präventiv orientiertes Leistungsgesetz abzulösen, dessen Ziel es ist, die Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen und jungen Menschen das Hineinwachsen in die Gesellschaft zu erleichtern.250 Von einem Paradigmenwechsel durch das KJHG im Vergleich zum JWG kann, so Kunkel, allerdings nicht ausgegangen werden, da bei beiden Gesetzen die Priorität auf der Wahrung des Kindeswohls lag und weiterhin liegt.251 Umfasst werden aber von der Kinder244 Die Novellierung erfolgte durch Art. 5 Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27. Februar 1992, in: BGBl. I S. 1397. 245 Siehe zur Unterscheidung des Sozialrechts: Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 155 ff. 246 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil – vom 11. Dezember 1975, in: BGBl. I S. 3015 mit Änderungen. 247 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (X) – Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz – vom 18. Januar 2001, in: BGBl.I S. 130 mit Änderungen. 248 Vgl. ausführlich zur Begründung des Regierungsentwurfs zum KJHG Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 158. 249 Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 1. 250 Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 2. 251 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 33.
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und Jugendhilfe im Gegensatz zum JWG neben deutschen Kindern nunmehr auch ausländische, soweit sie ihren Aufenthalt im Inland haben. § 1 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) gibt jungen Menschen252 das Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Ein Rechtsanspruch der Kinder und Jugendlichen gegen die öffentlichen Träger der Jugendhilfe bzw. den Staat ergibt sich daraus allerdings nicht. Entsprechend der Intention des Gesetzgebers sieht auch die herrschende Ansicht in § 1 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) eine Programmnorm.253 Begründet wird die Ablehnung eines Anspruches auf Erziehung mit der Unbestimmtheit des Begriffs, der für einen Leistungsanspruch nicht justitiabel ist.254 Aufgrund von § 1 Abs. 2 KJHG (SGB VIII), der wörtlich die Formulierung des Art. 6 Abs. 2 GG übernimmt, wird außerdem geschlussfolgert, dass der öffentlichen Jugendhilfe – anders als der Schule – kein eigenständiger Erziehungsauftrag zukommt, sondern ihr Ziel in der Unterstützung von Familien bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung liegt.255 Die in der Regel beratende und unterstützende Aufgabe der Jugendhilfe ergibt sich ferner aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 sowie den §§ 27 ff. KJHG (SGB VIII). Die öffentliche Jugendhilfe darf deshalb die Interessen des Kindes grundsätzlich nicht gegen den Willen der Eltern wahrnehmen. Kommen die Eltern allerdings ihrem Erziehungsauftrag nicht nach und gefährden das Kindeswohl, wird das staatliche Wächteramt ausgelöst256 mit der Folge, dass die Kinder ein eigenes Recht auf Erziehung gegen den öffentlichen Träger aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG besitzen.257 Aufgrund dieser Zielrichtung des KJHG sind die im Gesetz enthaltenen leistungsbezogenen Anspruchsgrundlagen im Wesentlichen an die Eltern und Sorgerechtsberechtigten, nicht aber an die Kinder selbst gerichtet. Aus252 Gemäß § 7 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) gelten als junge Menschen Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahrs. Das KJHG (SGB VIII) unterscheidet zwischen Kind (vor Vollendung 14 Jahre), Jugendlicher (14 – vor Vollendung 18 Jahre), junger Volljähriger (18 – vor Vollendung 27 Jahre) und junger Mensch (vor Vollendung 27 Jahre). 253 Siehe Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 3; Schellhorn (Bearb.), in: Schellhorn, Walter (Hrsg.), Sozialgesetzbuch achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe: SGB VIII, KJHG, ein Kommentar für Ausbildung, Praxis und Wissenschaft, 2. Auflage, Neuwied 2000 § 1 Rn. 5; kritisch Mrozynski, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe – Kommentar, 4. Auflage, München 2004, § 1 Rn. 2 ff. 254 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 1 Rn. 1. 255 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 31. 256 Vgl. dazu § 8a, der den Schutzauftrag und die daraus erwachsenden Aufgaben des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdungen konkretisiert. Dazu Jung (Bearb.), § 8a, in: Jung (Hrsg.), SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2008. 257 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 4.
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nahme diesbezüglich bilden u. a. die §§ 18 Abs. 3, 24 und 35 a KJHG (SGB VIII). Wie erwähnt, steht den Kindern im Rahmen der Förderung der Erziehung in der Familie ein Recht auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung ihres Umgangsrechts nach § 18 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) zu. Der Anspruch aus § 18 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) gilt als Sozialleistung.258 Im Rahmen der familienergänzenden Hilfen259 begründet zudem § 24 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) für ein Kind ab dem 3. Lebensjahr den Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens.260 Ebenfalls als familienergänzende Hilfe zur Erziehung räumt der nach einer Gesetzesnovellierung ins KJHG aufgenommene § 35a KJHG (SGB VIII) Kindern, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, einen Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe ein, nicht aber deren Eltern. Diese Regelung erfährt allerdings berechtigt Kritik. So wird auf den Widersinn hingewiesen, ausgerechnet Kindern, welche aufgrund ihrer Behinderung am wenigsten zur Selbsthilfe fähig sind, einen alleinigen Anspruch zu gewähren, während deren Eltern, obwohl sie eine besonders große Verantwortung für ihre Kinder besitzen, bestimmte Behandlungen nicht veranlassen können, da ihnen dieses Recht verwehrt wird.261 Obwohl folglich kaum Leistungsansprüche des Minderjährigen im KJHG (SGB VIII) vorgesehen sind, bedeutet dies nicht, dass er keine Anträge auf Sozialleistungen stellen darf. Dies ist Kindern bereits mit Vollendung des 15. Lebensjahres nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB I möglich.262 Einen gewissen Ausgleich für das weitgehende Fehlen von Rechtsansprüchen auf Leistungen schafft § 8 Abs. 1 KJHG (SGB VIII), der das Beteiligungsrecht der Kinder und Jugendlichen an allen Entscheidungen der Jugendhilfe regelt. § 8 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) räumt keinen Anspruch auf eine Entscheidung, sondern nur einen auf Beteiligung an ihr ein. Die Entscheidung darf daher auch ohne Zustimmung des Kindes getroffen werden. Fehlt die Mitwirkung in Form einer Anhörung des betroffenen Kindes, führt dies zu einer formell rechtswidrigen Entscheidung. Der Minderjährige kann gegen diese fehlerhafte Entscheidung klagen oder aber seinen Rechtsanspruch auf Beteiligung einklagen.263 Ein weiteres Mitwirkungsrecht ent258 259
Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 18 Rn. 9 f. Zum Begriff siehe die Übersichten bei Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 30 und
34. 260 Vgl. Klinger (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 24 Rn. 3; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 79 (Schaubild); Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 24 Rn. 5. 261 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 35 a Rn. 10. 262 Vgl. ebenda, § 8 Rn. 3; siehe dazu auch Abschnitt D.III.2.g)bb)(4). 263 Dazu Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 2 ff.; a. A. zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 8 Rn. 1.
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hält § 36 Abs. 1 S. 1 KJHG (SGB VIII), wonach Kinder und Personensorgeberechtigte vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Hilfen (§§ 27–35a, 41 KJHG) oder der notwendigen Änderung von Art und Umfang von Hilfen sowie über deren Folgen von Amts wegen zu beraten sind. Eine unterlassene Mitwirkung kann zur Rechtswidrigkeit des Hilfebescheids und zu dessen Aufhebung führen.264 Nach überwiegender Ansicht in der Lehre können sich aus den anderen Aufgaben der Jugendhilfe, welche in § 2 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) enumerativ aufgeführt sind, ebenfalls Rechtsansprüche des Kindes ergeben. Vor allem bei einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl hat der Minderjährige bei Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage einen Anspruch auf Wahrnehmung des Wächteramtes und damit auf das Tätigwerden des Jugendamtes.265 Konkret besteht beispielsweise ein Anspruch des Kindes gemäß § 42 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) auf Inobhutnahme durch das Jugendamt in Not- und Konfliktsituationen. Das Jugendamt ist verpflichtet, dem Kind in einer solchen Lage zu helfen, egal ob die Begründung des Jugendlichen überzeugend erscheint. Ein bloßes Unterkunftverlangen ohne den Wunsch auf Inobhutnahme und Betreuung darf das Jugendamt aber wohl zurückweisen.266 Erfolgt eine Inobhutnahme, sind die Personensorgeberechtigten des Kindes unverzüglich zu informieren. Widersprechen sie der Maßnahme, kann das Jugendamt entweder den Minderjährigen an den Personensorgeberechtigten übergeben oder eine Entscheidung des Familiengerichtes über weitere Maßnahmen zum Wohl des Kindes herbeiführen, § 42 Abs. 3 Nr. 1 und 2 KJHG (SGB VIII). 4. Völkerrechtliche und europarechtliche Bestimmungen Einige der in Deutschland geltenden völkerrechtlichen und europarechtlichen Verträge enthalten ebenfalls Regelungen in Bezug auf Kinder. Eine Auswahl der wichtigsten Bestimmungen soll exemplarisch aufgeführt werden, wobei auf deren Rang in der deutschen Rechtsordnung einzugehen ist. Bedeutung für Kinder besitzen von den verabschiedeten internationalen Verträgen die bereits erwähnte UN-Kinderrechtskonvention, das jeweils von Deutschland und Polen ratifizierte Europäische Übereinkommen über die Ausübung der Kinderrechte vom 25. Januar 1996,267 die Europäische Kon264
Dazu ausführlich Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 36 Rn. 1. Z. B. aus §§ 42, und 8a Abs. 3 KJHG (SGB VIII); vgl. Röchling (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 42 Rn. 34. 266 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 42 Rn. 13; dazu auch Röchling (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 42 Rn. 35, der einen objektiven Hilfebedarf für die Inobhutnahme voraussetzt. 265
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vention über die Adoption von Kindern vom 24. April 1967268, das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961269, das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993270 und das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980271. Jeder dieser Verträge nimmt den Rang eines Bundesgesetzes ein.272 Weitere Rechte von Kindern ergeben sich aus der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union. So enthalten die Primär- und die Sekundärrechtsquellen diesbezüglich relevante Bestimmungen. Zunächst ist jedoch auf das Verhältnis von nationaler und gemeinschaftlicher Rechtsordnung einzugehen. Die Frage nach dem Verhältnis stellt sich, wenn beide Rechtsordnungen Regelungen über denselben Sachverhalt treffen. Die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechtes in allen Mitgliedstaaten setzt voraus, dass dieses sich gegenüber den nationalen Regelungen im Kollisionsfall durchsetzen kann. Nach allgemeiner Auffassung besteht daher ein Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen 267 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt C.VI.1.b)bb); Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten, in Kraft getreten am 1. Juli 2000, ETS Nr. 160. Deutschland hat am 10. April 2002 das Übereinkommen ratifiziert; Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten; Stand der Ratifikationen ETS Nr. 160, unter: http://conventions.coe.int/Treaty/EN/cadreprincipal.htm; eingesehen am 25. Februar 2005. 268 Europäische Konvention über die Adoption von Kindern, in: BGBl. 1980 II, S. 1094. 269 Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, in: BGBl. 1971 II, S. 219. 270 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, in: BGBl. 2001 II, S. 1034. 271 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, in: BGBl. 1990 II, S. 207. 272 Hinsichtlich des Ranges völkerrechtlicher Bestimmungen im innerstaatlichen Recht ist wie folgt zu unterscheiden: Während die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, worunter das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechtes verstanden werden, unterhalb der Verfassung stehen aber den Bundesgesetzen gemäß Art. 25 GG vorgehen, besitzen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder die gesetzesinhaltlichen Verträge nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG den Rang des Zustimmungsgesetzes, also eines Bundesgesetzes. (Näher dazu Herdegen, Völkerrecht, München 2000, S. 157 ff.). Verwaltungsabkommen sind gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG schließlich alle völkerrechtlichen Verträge, die nicht die erforderliche politische Bedeutung besitzen und zu deren Durchführung kein Gesetz, sondern nur eine Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschrift oder ein anderer Akt der Exekutive notwendig ist, dessen Rang sie dann einnehmen. Vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 59 Rn. 20.
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Recht.273 Dieser gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowohl gegenüber dem einfachgesetzlichen innerstaatlichen Recht als auch gegenüber dem Verfassungsrecht.274 Entgegenstehende nationale Normen werden im Fall einer Kollision allerdings nicht nichtig, sondern finden im konkreten Fall nur keine Anwendung.275 Grenzen setzt das Bundesverfassungsgericht den Gemeinschaftsakten, sofern sie in die als integrationsfest angesehenen Bereiche des Art. 79 Abs. 3 GG eingreifen.276 Der EG-Vertrag enthält keine Rechtsgrundlage für die umfassende Förderung der Rechte und Belange von Kindern. Im Vertrag sind jedoch einige Bestimmungen vorhanden, welche geeignet sind, direkt oder indirekt Rechte von Kindern zu schützen. Dazu zählen Art. 13 EGV (Diskriminierungsverbot), Art. 137 (Kampf gegen soziale Ausgrenzung) und 141 EGV (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Um Kinderrechte im oben definierten Sinne handelt es sich dabei nicht. Der mit dem Amsterdamer Vertrag eingefügte Art. 13 EGV ermöglicht es dem Rat, unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des Vertrages, im Rahmen der Zuständigkeit der Gemeinschaften auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des EP, einstimmig geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen u. a. aus Gründen des Alters zu bekämpfen.277 Art. 13 EGV selbst stellt kein allgemeines Diskriminierungsverbot dar, sondern ermöglicht nur ein Vorgehen gegen Diskriminierungen. Eine Form der Maßnahme kann allerdings auch ein Diskriminierungsverbot sein.278 Aufgrund von Art. 13 EGV sind bereits Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen erlassen worden,279 keine hatte aber bislang den Schutz von Minderjährigen zum Ziel.280 Am 27. November 2000 fasste der Rat, gestützt 273
Siehe Koenig/Haratsch, Europarecht, 4. Auflage, Tübingen 2003, S. 48 f. EuGH, Slg. 1964, S. 1251 (1269) Costa/ENEL; EuGH, Slg. 1970, S. 1125 Internationale Handelsgesellschaft. 275 Siehe dazu Koenig/Haratsch, Europarecht, 2003, S. 49. 276 Ausführlich zu den Grenzen des Anwendungsvorranges, insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteile: Solange I (BVerfGE 37, 271) und Solange II (BVerfGE 73, 339), Maastricht (BVerfGE 89,155) und zur Bananenmarktverordnung (BVerfGE 102, 147)): Koenig/Haratsch, Europarecht, 2003, S. 50 f.; auch Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 249 ff. (§ 44 III, V). 277 Vgl. Zuleeg (Bearb.), in: Bardenhewer-Rating/Grill/Jakob/Wölker (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage, Baden-Baden 2003, Art. 13 Rn. 12. 278 Vgl. ebenda, Art. 13 Rn. 2. 279 Z. B. Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, in ABl. 2000 L 189/22-26. Vgl. auch Lenz (Bearb.), in: Lenz/Borchadt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag – Kommentar, 3. Auflage, Köln 2003, Art. 13 Rn. 3 f. 274
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auf Art. 13 EGV, jedoch einen Beschluss über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001–2006), welches, wie Art. 8 deutlich werden lässt, auch für Minderjährige Relevanz besitzt.281 Die Ermächtigung in Art. 13 Abs. 1 EGV ist ausdrücklich auf die der Gemeinschaft durch den Vertrag eingeräumten Befugnisse beschränkt, verlangt aber nicht, dass diese Zuständigkeiten vor der konkreten Heranziehung des Art. 13 EGV tatsächlich ausgeübt wurden.282 Eine umfassende Rechtsetzungskompetenz hinsichtlich der Bekämpfung von Alterdiskriminierung stellt die Ermächtigung folglich nicht dar. Allerdings ermöglicht die „geschmeidige Formulierung“ Maßnahmen in Form von Aufklärungskampagnen bis hin zu echten, für den gesamten Anwendungsbereich des Vertrages horizontal wirkenden Diskriminierungsverboten.283 Art. 13 EGV ist, da es sich um eine Kann-Bestimmung handelt, nicht unmittelbar anwendbar.284 Daher können Individuen die Regelungen nicht vor einem Gericht, auch nicht vor dem EuGH, geltend machen.285 Ebenfalls für Kinder von Bedeutung, ohne diese ausdrücklich zu erwähnen, ist Art. 137 EGV. Die Regelung enthält eine Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen gegen soziale Ausgrenzung. In der EU leben nach Ermittlung von Eurostat immerhin 20% der Kinder in Armut und werden damit als „sozial ausgegrenzt“ angesehen. Entsprechende Aktionsprogramme z. B. gegen Kinderarmut können mit einer qualifizierten Mehrheit der Vertragsstaaten – anders als bei Art. 13 Abs. 1 EGV, der einstimmige Entscheidungen voraussetzt286 – verabschie280 Vgl. Stalford, The Developing European Agenda on Children’s Rights, S. 1, unter: http://www.leeds.ac.uk/law/csle/wp3-00.htm; eingesehen am 7. Januar 2003. 281 Beschluss des Rates 2000/750/EG vom 27. November 2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001–2006), in: Abl. 2000 L 303/23-28. 282 Vgl. Thun-Hohenstein, Der Vertrag von Amsterdam, Wien 1997, S. 25 f. 283 Vgl. dazu Thun-Hohenstein, Der Vertrag von Amsterdam, Wien 1997, S. 25 f. 284 Vgl. Zuleeg (Bearb.), in: Bardenhewer-Rating/Grill/Jakob/Wölker (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage, Baden-Baden 2003, Art. 13 Rn. 5. 285 Siehe Bergmann/Lenz, Der Amsterdamer Vertrag vom 2. Oktober 1997: Eine Kommentierung der Neuerungen des EU- und EG Vertrages, Köln 1998, S. 37; Sutton, Le Réseau Européen des Enfants (EURONET): Le nouveau traité sur l’Union Européenne: Que contient-il en matiére d’enfants?, Brüssel November 1997 S. 5, sich dem anschließend Stalford, The citizenship status of children in the European Union, in: The International Journal of Children’s Rights, Vol. 8, 2000, S. 101–131, S. 124; neben diesem Punkt bemängeln die NGOs sowohl das Erfordernis der Einstimmigkeit zum Erlass entsprechender Maßnahmen, als auch den begrenzten Anwendungsbereich, welcher allein auf die Beseitigung von Diskriminierungen gerichtet ist. Gefordert wird hingegen eine Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen, die neben Diskriminierungen auch andere Beeinträchtigungen von Kinderinteressen erfasst; vgl. Stalford, S. 124. 286 Anderes gilt bei Fördermaßnahmen nach Art. 13 Abs. 2 EGV.
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det werden.287 Schließlich dient auch Art. 141 EGV, der gleiches Entgelt für Frauen und Männer von den Mitgliedstaaten einfordert, nicht nur in Extremsituationen, wie der Trennung der Eltern, dem Wohle von Kindern, erreicht er doch indirekt ebenfalls die Erhöhung ihres Lebensstandards.288 Die Verträge spiegeln allerdings nicht die tatsächliche rechtliche Situation von Kindern in der Gemeinschaft wider. Sowohl die Entscheidungen des EuGH als auch die sekundärrechtlichen Bestimmungen ergänzen im Rahmen der gesetzten Kompetenzen die bestehenden Rechte aus dem EGV. Ohne an dieser Stelle alle Vorschriften nennen zu können, seien folgende Beispiele genannt: im Rahmen des Verbraucherschutzes die Richtlinien für Produktsicherheit, welche u. a. die Sicherheit von Spielsachen regeln289, im Bereich der Medien die Richtlinie „Audiovisuelle Mediendienste“ (ehemals „Fernsehen ohne Grenzen“), welche Programme verbietet, die der Entwicklung von Kindern ernsthaft schaden können290, hinsichtlich minderjähriger Arbeitnehmer die Richtlinie zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit dieser Arbeitnehmer.291 Die ebenfalls kinderspezifische Rechte enthaltende Verordnung „über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft“ war zudem häufig Gegenstand von Entscheidungen des EuGH.292 So räumte der EuGH im Fall Diatta Familienangehörigen von Wanderarbeitnehmern die Möglichkeit ein, sich an einem anderen Ort als dem Aufenthaltsort des Wanderarbeitnehmers eine Tätigkeit zu suchen und 287 Vgl. Sutton, Le Réseau Européen des Enfants (EURONET): Le nouveau traité sur l’Union Européenne: Que contient-il en matière d’enfants?, Brüssel November 1997 S. 7 f. 288 Vgl. ebenda, S. 9. 289 Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit sowie Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug. 290 Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit mit Änderungen. Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. 291 Mit weiteren Angaben und Beispielen siehe EURONET (Hrsg.), Erste Schritte: Eine Kinderpolitik für das Europa des 21. Jahrhunderts, S. 4 ff., unter: http://euro peanchildrensnetwork.gla.ac.uk/Documents/German/AppNotes.htm; eingesehen am 15. November 2002. 292 Siehe vor allem die Art. 10–12 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968 (Abl. Nr. L257/2, ber. Nr. L 295/12) zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 2434/92 vom 27. Juli 1992 (Abl. Nr. L 245/1).
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dort zu wohnen.293 In den Fällen Casagrande und Carmina di Leo präzisierte er Art. 12 der Verordnung, nach der Kindern von Wanderarbeitnehmern bei der Schul- und Berufsausbildung hinsichtlich des Anspruchs auf Ausbildungsförderung die gleichen Rechte zustehen wie Inländern.294 Neben den sekundärrechtlichen Bestimmungen gibt es auf Gemeinschaftsebene Aktionsprogramme, mit deren Hilfe Forschungsarbeiten und Aufklärungskampagnen finanziell unterstützt werden.295 Eines der bekanntesten Programme heißt „DAPHNE“. Es widmet sich „vorbeugenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen“. Ziele von DAPHNE sind die Unterstützung und Förderung der Zusammenarbeit von NGOs und öffentlichen Stellen, die im Bereich der Gewaltbekämpfung tätig sind. Gleichzeitig soll eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Problematik der Gewalt und der Verhütung von Gewalt gegen Minderjährige und Frauen erreicht werden. In anbetracht einer fehlenden angemessenen Rechtsgrundlage für Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte stützte man den Beschluss des Daphneprogramms auf Art. 152 EGV (Gesundheitswesen).296 Rechte des Kindes formuliert zudem die bereits erwähnte EU-Grundrechtscharta.297 Sie wurde am 7. Dezember 2000 vom Präsidenten des 293 Vgl. den analog auch auf Kinder anzuwendenden Fall Diatta gegen Land Berlin; Rs. 267/83 Urteil vom 13. Februar 1985; Slg. 1985, S. 567; dazu ausführlich Stalford, The citizenship status, 2000, S. 109. 294 Siehe z. B. den Fall Casagrande gegen Landeshauptstadt München, Urteil vom 3. Juli 1974; Slg. 1974, S. 773 sowie den Fall Carmina di Leo gegen Land Berlin, Urteil vom 13. November 1990; Slg. 1990, S. I-4185; siehe weiterführend und mit aktuellen Fällen: Stalford, The citizenship status, 2000, S. 113 ff. 295 Zur Rechtsgrundlage, insbesondere der Finanzierung derartiger Programme: siehe den Fall Großbritannien gegen Kommission vor dem EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998, C-106/96. 296 Dabei wird eine „großzügige Auslegung“ des Begriffes des Gesundheitswesens angemahnt, damit sich die entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung auf jede Art von Gewalt erstrecken können. Siehe dazu die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 18. November 1999 zum Thema „Lokale und regionale Zusammenarbeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Europäischen Union vor Missbrauch und Verwahrlosung“ CdR 225/99 fin, S. 3. Sowie den Beschluss Nr. 293/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Januar 2000 zur Annahme eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft (DAPHNE-Programm) (2000–2003) zu vorbeugenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen. Dieses Programm wurde verlängert. 297 Allgemein zur Grundrechtecharta siehe u. a. Baer, Grundrechtecharta ante portas, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 361–364; Häfner/Strawe/Zuegg, In der Auseinandersetzung um eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 364–368; Meyer/Engels, Aufnahme von sozialen Grundrechten in die Europäische Grundrechtecharta?, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 368–371; Ritgen, Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 371–375.
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Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission proklamiert und ist nunmehr Teil II der am 29. Oktober 2004 durch die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten EU-Verfassung.298 Die Charta, welche von der Kommission als „gemeinsamer europäischer Aquis auf dem Gebiet der Grundrechte“ bezeichnet wird299, hat bislang rein programmatischen Charakter. Sollten die derzeit beginnenden Ratifizierungsverfahren der neuen EU-Verfassung in den Mitgliedstaaten erfolgreich verlaufen, wird auch die EU-Charta zukünftig rechtlich verbindlich werden.300 Nach den ablehnenden Voten in Frankreich und den Niederlanden im Rahmen von Referenden zum Verfassungsentwurf bleibt allerdings abzuwarten, für welches weitere Vorgehen sich die Regierungschefs der Mitgliedstaaten entscheiden. Als zusätzliche Interpretationshilfe für die Organe, vor allem den EuGH, entfaltet sie bereits jetzt mittelbare Wirkung.301 Der Anwendungsbereich der Charta umfasst nach Art. 51 EU-Charta (neu: Art. II-111 EU-Verfassung) die Organe und Einrichtungen der Union. Die Charta gilt außerdem für die Mitgliedstaaten bei Durchführung des Rechts der Union (Verordnungen, Richtlinien) und damit in einem Regelungssektor, welcher der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der Mitgliedstaaten entzogen ist.302 In ihrem Art. 24 EU-Charta (neu: Art. II-84 EUVerfassung) enthält die EU-Grundrechtscharta Rechte von Kindern. Sie gewährt diesen in Art. 24 Abs. 1 S. 1 EU-Charta einen „Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge“, welche „für ihr Wohlergehen notwendig sind“.303 Dieser eindeutige Wortlaut enthält einen Schutzanspruch von Kindern und eine Verpflichtung der Adressaten der Charta, entsprechende Maßnahmen aktiv vorzunehmen.304 Kinder haben nach Art. 24 Abs. 1 S. 2 EU298 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000, 2000/C364/01. 299 Siehe Anmerkungen bei: Tettinger, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: NJW 2001, Heft 14, S. 1010–1015, S. 1010. 300 Siehe zur EU-Verfassung (auch bezüglich der neuen Nummerierung) den noch unverbindlichen Text: Europäische Union (Hrsg.), Vertrag über eine Verfassung für Europa, Luxemburg 2005. 301 Vgl. Weber, Die Europäische Grundrechtscharta – auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, in: NJW 2000, Heft 8, S. 537–544, S. 538. 302 Vgl. Tettinger, Die Charta, 2001, S. 1010. 303 Gewarnt wird dabei, vor allem im Bereich der sozialen Rechte, vor daraus resultierenden Verstößen gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Konsequenterweise wird daher von Hirsch ein präziser Kompetenzkatalog für notwendig erachtet; vgl. dazu Knöll, Die Diskussion um die Grundrechtscharta der Europäischen Union aus dem Blickwinkel der deutschen Länder, in: NJW 2000, Heft 25, S. 1845–1848, S. 1846; Hirsch, EG: Kein Staat, aber eine Verfassung, in: NJW 2000, Heft 1, S. 46–47, S. 47; zustimmend Tettinger, Die Charta, 2001, S. 1014. 304 Daraus ergeben sich allerdings keine neuen Kompetenzen der Union: vgl. Hölscheidt (Bearb.), in: Meyer (Hrsg.), Kommentar zur Charta der Grundrechte der
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Charta zudem das Recht, ihre Meinung frei zu äußern. Außerdem soll gemäß Art. 24 Abs. 1 S. 3 EU-Charta die Meinung von Kindern in allen sie betreffenden Angelegenheiten, „in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt“ werden. Daraus ergibt sich für öffentliche aber auch private Institutionen die Verpflichtung, sich mit der Kindermeinung auseinanderzusetzen und sie in den Erkenntnisprozess einzubeziehen.305 Bei Maßnahmen von öffentlichen und privaten Einrichtungen ist nach Art. 24 Abs. 2 EU-Charta das Kindeswohl vorrangig in die Erwägungen einzubeziehen.306 Es handelt sich hier um eine Formulierung, welche vom genannten Anwendungsbereich in Art. 51 EU-Charta eine Ausnahme zu machen scheint, fordert sie doch eine Kindeswohlprüfung durch Private und entfaltet insoweit unmittelbare Drittwirkung.307 Ungeachtet dessen verpflichtet die vorgesehene Kinderfreundlichkeitsprüfung die an die UN-Kinderrechtskonvention nicht gebundene Gemeinschaft, die Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf Kinder genauer zu untersuchen. Kindern wird durch Art. 24 Abs. 3 EU-Charta zudem ein Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen eingeräumt. Dieser Anspruch, aus dem sich ein ansonsten nicht in der Charta enthaltenes Elternrecht „herausfiltern“ lässt308, ist allerdings mit dem Makel versehen, dass die mangelnde Kompetenz der Gemeinschaft diesbezüglich eine Forderung nach nationaler Umsetzung ausschließt.309 Neben Art. 24 EU-Charta (neu: Art. II-84 EU-Verfassung) finden sich in Art. 14 EU-Charta (neu: Art. II-74 EU-Verfassung) das Recht auf Bildung310, in Art. 21 EU-Charta (neu: Art. II-81 EU-Verfassung) die Nichtdiskriminierung wegen des Alters und Art. 32 EU-Charta (neu: Art. II-92 EU-Verfassung) das Verbot der Kinderarbeit und der Schutz von Jugendlichen am Arbeitsplatz; Regelungen, Europäischen Union, Baden-Baden, 1. Auflage 2003, Artikel 24 (Rn. 18); Winner, Die Europäische Grundrechtscharta, 2005, S. 201. 305 Vgl. Hölscheidt (Bearb.), Kommentar zur Charta, 2003, Artikel 24 (Rn. 20); Winner, Die Europäische Grundrechtscharta, 2005, S. 201. 306 Zum Begriff der „Erwägung“: Hölscheidt (Bearb.), Kommentar zur Charta, 2003, Artikel 24 (Rn. 21); Winner, Die Europäische Grundrechtscharta, 2005, S. 201. 307 Eine Horizontalwirkung dieser Gewährleistungen unter Privaten müsste eigentlich nach Art. 51 EU-Charta (neu: Art. II-111 EU-Verfassung) ausgeschlossen sein. In dieser Frage ist die Charta widersprüchlich, so dass diese Fragen einer späteren Präzisierung bedürfen, siehe dazu auch Tettinger, Die Charta, 2001, S. 1011 sowie S. 1013. 308 Ebenda, S. 1013. 309 Vgl. Alber/Widmaier, Die EU-Charta der Grundrechte und ihre Auswirkung auf die Rechtsprechung, in: EuGRZ 2000, Heft 17–19, S. 497–510, S. 500; Hölscheidt (Bearb.), Kommentar zur Charta, 2003, Artikel 24 (Rn. 22). 310 Vgl. dazu Häfner/Strawe/Zuegg, In der Auseinandersetzung um eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: ZRP 2000, Heft 9, S. 365–368, S. 367.
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die entweder Kindern und Jugendlichen im Schwerpunkt oder wie anderen Unionsbürgern auch zu Gute kommen. Die umfassenden Regelungen von Kinderrechten in der noch nicht verbindlichen EU-Grundrechtscharta wecken Erwartungen hinsichtlich des künftigen rechtlichen Schutzes von Kindern in der Europäischen Union. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese aufgrund der bestehenden Kompetenzen der EU tatsächlich erfüllen.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution? Die bisherigen Ausführungen zeigen, wie facettenreich der rechtliche Schutz von Kindern in Deutschland ist. Einen staatlichen Kinderrechtsbeauftragten auf Bundesebene, der über die genannten Rechte wacht, gibt es allerdings nicht. Bevor über die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten nachgedacht werden kann, ist zu untersuchen, welche staatlichen Organe und Institutionen sich in Deutschland auf welche Art und Weise bereits dem Schutz von Kindern widmen. Festzustellen ist, dass es in Deutschland ein dichtes Netz an staatlichen und privaten Institutionen und Gremien gibt, die sich als Sachwalter der Interessen von Kindern verstehen.311 Zu nennen sind im staatlichen Bereich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Landesjugendämter, die Landeskinderbeauftragten und die obersten Landesjugendbehörden (Landesjugendministerien) sowie die Jugendämter und Kinderbeauftragten in den Kommunen. Hinzu kommen noch Institutionen, wie die Petitionsausschüsse des Deutschen Bundestages und der Landtage sowie die Gerichte, welche für den Schutz und die Durchsetzung von Kinderrechten ebenfalls von Bedeutung sind, ohne dass es sich bei ihnen um originäre Kinderschutzinstitutionen handelt. Komplettiert wird dieses Netz durch zahlreiche private Organisationen und Gremien wie beispielsweise die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland, den Deutschen Bundesjugendring, die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, der Verein Nummer gegen Kummer e. V. als Dachverband der Kinder und Jugendtelefone, den Kinderschutzbund und das Deutsche Kinderhilfswerk. In den nun folgenden Ausführungen werden die wichtigsten staatlichen Institutionen dieses Netzwerkes mit dem Ziel vorgestellt, einen Überblick über den bundesweiten, regionalen 311 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 15.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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und kommunalen Schutz von Kinderrechten durch Institutionen der Legislative, Exekutive und Judikative zu geben. Als besonders relevant gelten dabei die Kinderkommission und der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Jugendämter und Landesjugendämter, die Gerichte, insbesondere das Familien- und Vormundschaftsgericht mit den speziellen Verfahrenshelfern Jugendgerichtshilfe und Verfahrenspfleger, sowie am Rande die Landeskinderrechtsbeauftragten. Verzichtet wird hingegen auf die Darstellung der obersten Landesjugendbehörden (Landesjugendministerien) und der Petitionsausschüsse der Landtage, da sie strukturell den Ausführungen zum Bundesministerium bzw. dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gleichen. Ebenfalls keine ausführliche Erwähnung finden die kommunalen Kinderrechtsbeauftragten wegen ihrer ausgesprochen heterogenen Ausgestaltung. Ausschlaggebend für die Entscheidung über die Schaffung einer neuen Kinderschutzinstitution ist die Frage, ob eine der bestehenden Einrichtungen oder das System von Einrichtungen in Deutschland insgesamt rechtlich in der Lage ist, einen ebenso wirkungsvollen institutionellen Schutz der Kinderrechte und -interessen zu garantieren, wie etwa der polnische Kinderrechtsbeauftragte. Da beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten zahlreiche Defizite bezüglich seiner rechtlichen Ausgestaltung festgestellt wurden, sind für die Bewertung außerdem die in den „Pariser Prinzipien“ sowie den „Grundmaximen des ENOC“ aufgestellten Standards an eine Kinderschutzinstitution heranzuziehen und zu interpretieren. Entscheidend sind die folgenden Kriterien: die Unabhängigkeit der jeweiligen Institution, die garantierten Aufgaben und Kompetenzen sowie in diesem Rahmen der Zugang von Kindern zur Institution. Erfüllen die deutschen Institutionen diese Voraussetzungen nicht, bleibt noch die Möglichkeit, an eine Modifizierung der bestehenden staatlichen Einrichtungen zu denken, wobei, wie noch zu zeigen sein wird, insbesondere die Kinderkommission und das Jugendamt in Betracht kommen. Sollten auch diese Überlegungen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis im Sinne der Standards führen, ist die Einführung einer neuen Institution zu erwägen. 1. Standards für eine Kinderschutzinstitution in Deutschland Anforderungen an nationale Menschenrechtsinstitutionen, d.h. Institutionen wie Ombudsmänner und Menschenrechtskommissionen, die sich direkt oder indirekt mit dem Schutz, der Überwachung und der Förderung von Menschenrechten bzw. Kinderrechten befassen,312 stellt die Resolution der 312 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 6; vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt A.
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UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 1993.313 Die in der Resolution enthaltenen „Pariser Prinzipien“314 beschreiben rechtliche Kriterien für die Schaffung von staatlichen Menschenrechtsinstitutionen. In Anlehnung daran definierten im Oktober 2001 bei einem Treffen in Paris die Mitglieder des ENOC spezielle Maximen für eine unabhängige Menschenrechtsinstitution für Kinder.315 Die Maximen des ENOC und die „Pariser Prinzipien“ setzen Kriterien, wie eine Kinderschutzinstitution idealerweise funktionieren sollte, unabhängig davon ob es sich um nationale, regionale oder lokale Büros handelt.316 Diese Standards werden nunmehr neben denen des polnischen Kinderrechtsbeauftragten zur Grundlage der folgenden Betrachtungen herangezogen. Essentiell für die Arbeit von Kinderschutzinstitutionen ist danach die Art und Weise der rechtlichen Ausgestaltung ihres Amtes in folgenden vier Punkten: hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, der Festlegung ihrer Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise und dabei insbesondere der Zugang von Personen – vor allem von Kindern – zur Institution.317 a) Standards bzgl. der formellen Ausgestaltung von staatlichen Kinderschutzinstitutionen Für eine Kinderschutzinstitution, deren Tätigkeit die Kontrolle der Arbeit von anderen staatlichen Organen im Bereich der Kinderrechte und -interessen umfasst, ist Unabhängigkeit eine wichtige Voraussetzung. Wäre es den anderen staatlichen Organen, beispielsweise der Regierung, in welcher Form auch immer, möglich, die mitunter kritische Begleitung zu unterbinden oder in die Arbeit steuernd einzugreifen, liefe ihr Wirken ins Leere.318 Daher muss die formelle Ausgestaltung der Kinderschutzinstitution hinsicht313 Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993, 48/134; siehe Anhang F.III. Zum empfehlenden Rechtscharakter von UN-Resolutionen siehe: Herdegen, Völkerrecht, München 2000, S. 145 ff. 314 Zur Entstehung der Pariser Prinzipien: vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 5. 315 European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www. ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659, S. 2 ff.; eingesehen am 16. Februar 2005. 316 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659, S. 1; eingesehen am 16. Februar 2005. Mitglied beim ENOC kann eine Institution jetzt allerdings nur werden, wenn sie durch einen Legislativakt eines Parlaments geschaffen wurde. 317 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 10. 318 Der Begriff der Unabhängigkeit versteht sich allerdings nicht absolut, sondern relativ, d.h. er setzt nicht das Fehlen jeglicher Verbindung zum Staat voraus.
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lich der Rechtsstellung und des Rechtsstatus eine unabhängige Aufgabenerfüllung gewährleisten. Entscheidend für die Unabhängigkeit und damit für die Rechtssicherheit ist die Einführung der Kinderschutzinstitution durch ein formelles Gesetz, wobei die Verankerung in der Verfassung oder in einem einfachen Gesetzestext erfolgen kann. Die Statuierung als unabhängiges Verfassungsorgan in der Verfassung, wie in Polen, ist laut den Prinzipien nicht erforderlich, unterstreicht aber die Bedeutung, die ihr beigemessen wird. Im Gesetz ist zudem, als Ausdruck der Unabhängigkeit, das Verhältnis der Institution zu den anderen staatlichen Organen, insbesondere der Regierung, klar zu regeln. Dabei sind 1. Regelungen zum Ernennungs- und Abberufungsverfahren der Mitglieder der Kinderschutzinstitution zu treffen, 2. ihre Entscheidungsfindungs- und Durchführungsbefugnisse klar zu bestimmen sowie 3. der finanzielle Rahmen abzustecken.319 Wie sich die Regelungen im Einzelfall gestalten, bleibt aber nach den „Pariser Prinzipien“ und den Maximen des ENOC Angelegenheit der Staaten. Insbesondere lassen die Prinzipien offen, ob eine Anbindung der Institution an die Legislative oder Exekutive zu erfolgen hat.320 Konkret bedeutet dies im ersten Fall, dass, um Druck auf die Institution über einzelne Personen zu vermeiden, die Voraussetzungen der Ernennung sowie das entsprechende Verfahren, die Amtsdauer, eine mögliche Wiederberufung, die genauen Gründe der Abberufung und eine mögliche Immunität festzulegen sind.321 Die gesetzlichen Regelungen zum polnischen Kinderrechtsbeauftragten erfüllen diese Kriterien und gehen teilweise sogar darüber hinaus. So ist für die Ernennung der Mitglieder einer Kinderschutzinstitution nach den „Pariser Prinzipien“ ein „offizieller Akt“ eines staatlichen Organs erforderlich. Eine Ernennung durch das Parlament, wie sie in Polen erfolgt, ist nicht vorgeschrieben, kann allerdings für das Ansehen des Amtes in der Öffentlichkeit sehr förderlich sein. Im zweiten Fall sollen klare gesetzliche Festlegungen hinsichtlich der Entscheidungs- und Durchführungsbefugnisse getroffen werden, die ein unabhängiges Wirken der Institution – ohne Einflussnahmen, Weisungen und Aufsicht – gewährleisten sollen und zum anderen die staatlichen Organe 319
Siehe Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 10 ff. 320 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659, S. 1; eingesehen am 16. Februar 2005. 321 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 11.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
zur Zusammenarbeit mit der Kinderschutzinstitution verpflichten. Zur rechtlichen und operativen Autonomie gehört zudem die eigenständige Regelung der Arbeitsweise der Institution. Dies schließt allerdings eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament oder dem Staatsoberhaupt nicht aus. Einer solchen Verpflichtung unterliegt auch der polnische Kinderrechtsbeauftragte gegenüber dem Sejm. Ansonsten umfassen die oben genannten Befugnisse des polnischen Kinderrechtsbeauftragten im Wesentlichen Kontroll- und Interventionsbefugnisse, Verfahrensrechte sowie Informationsbeschaffungsrechte.322 Insbesondere letztere sind für die unabhängige Entscheidungsfindung einer Kinderschutzinstitution unabdingbar erforderlich.323 Welche Befugnisse eine Kinderschutzinstitution im Einzelnen für ein unabhängiges Wirken besitzen sollte, wird im nächsten Abschnitt D.III.1.b) untersucht. Die Arbeitsweise des polnischen Kinderrechtsbeauftragten stimmt mit einer Ausnahme – und zwar dem der Verfassungsorganqualität der Kinderschutzinstitution entgegenstehenden Erlass der Satzung durch den Sejmmarschall – im Übrigen mit den Standards überein.324 Dies betrifft auch die Auswahl des Personals, die der polnische Kinderrechtsbeauftragte entsprechend den Pariser Prinzipien selbständig vornehmen darf.325 Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Unabhängigkeit ist die an dritter Stelle zu nennende Festlegung des finanziellen Rahmens der Kinderschutzinstitution.326 So ist ein rechtlich unabhängiges Büro wirkungslos, wenn die Exekutive über den Fluss der Geldmittel indirekt auf die Arbeit steuernd einwirken und auf diese Weise bestimmte Projekte verhindern kann. Überdies hat nach den „Pariser Prinzipien“ die finanzielle Ausstattung der Kinderschutzinstitution mit den übertragenen Aufgaben in einem ausgewogenen Verhältnis zu stehen, da ansonsten der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit den Ruf der Institution beeinträchtigen könnte.327 Eine Kontrolle des Kinderombudsmannbüros über die Verwendung der öffentlichen Gelder schließt dies nicht aus. Um daher eine klare Grundlage für die Finanzierung zu schaffen, sollten die diesbezüglichen Regelungen im Gesetz über die Kinderschutzinstitution enthalten sein. Bestenfalls reicht die Kinderschutzinstitution einen entsprechenden Vorschlag für 322
Vgl. die Ausführungen im Abschnitt C.VI.2. Z. B. in der Form, dass die Behörden zur Herausgabe von Informationen oder der Beantwortung von Anfragen des Kinderombudsmannes verpflichtet sind. 324 Vgl. die Ausführungen im Abschnitt C.VII. sowie im Abschnitt C.VI.4.a)aa). 325 Vgl. die Pariser Prinzipien „Composition and guarantees of independence and pluralism“ Punkt 2 im Anhang F.III.; siehe auch Abschnitt C.VI.4.a)bb). 326 Siehe auch Pariser Prinzipien 2. Absatz Punkt 2. 327 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 15. 323
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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seinen Haushalt beim Parlament ein, welches dann, wie in Polen im Rahmen des Gesamthaushaltes, über diesen entscheidet.328 Die häufig praktizierte Anbindung an den Haushalt eines Ressorts birgt hingegen die Möglichkeit der Einflussnahme durch den zuständigen Minister und Streitigkeiten über die Höhe der zugewiesenen Mittel in sich.329 Im Gesetz ist eine jährliche Rechenschaftspflicht über die verwendeten Gelder festzulegen. Außerdem kann auch eine regelmäßige Evaluierung der Institution verankert werden.330 Letztere Festlegung fehlt allerdings aufgrund der Verfassungsorganqualität der Institution im polnischen Kinderombudsmanngesetz. b) Standards bzgl. der materiellen Ausgestaltung von staatlichen Kinderschutzinstitutionen Entscheidend neben der Unabhängigkeit der Kinderschutzinstitution ist die materielle Ausgestaltung der Kinderschutzinstitution in Form einer klaren Festlegung ihrer Aufgaben und Kompetenzen im zugrunde liegenden Rechtsakt. Je genauer diese gesetzlich geregelt werden, desto stärker ist grundsätzlich die Position der Kinderschutzinstitution.331 Um Aufgabenüberschneidungen mit bestehenden staatlichen Institutionen zu verhindern und dem Gewaltenteilungsgrundsatz gerecht zu werden, sind nach den „Pariser Prinzipien“ die jeweiligen Tätigkeitsfelder klar voneinander abzugrenzen.332 Unerlässlich ist, wie das polnische Beispiel bislang vor Augen führte, dass neben den zugewiesenen Aufgaben entsprechende, für die Umsetzung erforderliche Kompetenzen durch den Rechtsakt eingeräumt werden. Die zugewiesenen Aufgaben sollten zudem in einem angemessenen Verhältnis zu den eingeräumten Kompetenzen stehen. Einen speziellen Aufgaben- und Kompetenzkatalog für Kinderschutzinstitutionen gibt es nach den für alle Menschenrechtsinstitutionen geltenden „Pariser Prinzipien“ nicht. Gewisse Kriterien für Kinderschutzinstitutionen finden sich in den speziellen Maximen des ENOC, die jedoch bei einer Kinderschutzinstitution nicht alle gegeben sein müssen und eher als Rah328
Vgl. ebenda, S. 11. Vgl. ebenda. 330 Siehe z. B. den Bericht über die Evaluierung des norwegischen Kinderombudsmannbüros: Ministry of Children and Family Affairs (Hrsg.), The Ombudsman for Children and Childhood in Norway: Norwegian Official Report (NOU) 1995:26 – A summary of the Committee’s conclusions, Oslo 1996. 331 In diesem Fall werden die Auslegungsschwierigkeiten geringer; im Übrigen vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 12. 332 Beispielsweise ist zu bestimmen, welche Materien allein der Rechtsprechung vorbehalten bleiben; vgl. ebenda, S. 13. 329
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
menvorgaben zu verstehen sind. Wesentliche Aufgabenbereiche sind danach: Das Vorgehen der Kinderschutzinstitution gegen Verletzung von Kinderrechten oder bei der Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen sowie die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik, die Sorge für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention und die kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten, die Rolle als Ansprechpartner von Kindern, die Beratung im Bereich Kinderschutz und Kinderrechte sowie die Durchführungen von Schulungen für Behördenmitarbeiter und Interessierte, die Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit, verbunden mit der Erstellung von Informationsmaterial und Berichten zum Thema, sowie abschließend die Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen im Kinderschutzbereich. Die Maximen des ENOC fordern, dass eine staatliche Kinderschutzinstitution ein möglichst weites Mandat bzgl. der Überwachung, der Förderung und des Schutzes von Kinderrechten basierend auf der UN-Kinderrechtskonvention besitzen sollte.333 Dafür bedarf es der Möglichkeit, Meinungen, Stellungnahmen, Vorschläge und Untersuchungen auf eigene Initiative oder auf Bitte von anderen staatlichen Organen im Bereich der Kinderrechte vorlegen und öffentlich bekannt machen zu dürfen. Konkret davon umfasst sein könnten u. a. das Recht, bestehende oder künftige Rechtsnormen im Bereich der Kinderrechte zu kontrollieren und gegebenenfalls Gesetzesinitiativen bzw. Änderungsvorschläge wegen bestehender Kinderrechtsverletzungen einzubringen, an Gesetzgebungsverfahren bei Kinderrechtsfragen tangierenden Entwürfen mitzuwirken, Vorkehrungen im legislativen, administrativen und judikativen Bereich hinsichtlich der Bewahrung und Erweiterung des Schutzes von Menschenrechten anzuregen sowie bestimmte Verletzungen von Kinderrechten näher zu untersuchen.334 Weiterhin sollte es der Kinderschutzinstitution nach den ENOC-Maximen obliegen, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention aktiv zu begleiten bzw. zu kontrollieren.335 Dies betrifft insbesondere die Artikel 3 und 4 UNKinderrechtskonvention, welche die Berücksichtigung des Kindeswohls bei 333
Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 2; eingesehen am 16. Februar 2005. 334 Siehe zum Tätigwerden des polnischen Kinderrechtsbeauftragten aus eigener Initiative die Ausführungen im Abschnitt C.VI.2.b). 335 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 2; eingesehen am 16. Februar 2005; vgl. dazu auch die Regelungen in Polen.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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allen Kinder betreffenden Maßnahmen verlangen bzw. die Vertragsstaaten auffordern, geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstige Maßnahmen zur Verwirklichung der im Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen. Widerspricht die innerstaatliche Gesetzgebung den Anforderungen aus der Konvention, ist die Politik von der Notwendigkeit einer Änderung der Gesetzgebung zu überzeugen.336 Bestehen die gesetzlichen Grundlagen dagegen, hat die Kinderschutzinstitution die konventionskonforme Ausführung der Gesetze zu überwachen.337 Davon sollte auch die Möglichkeit umfasst sein, den gemäß der Konvention anzufertigenden Staatenbericht kritisch zu begutachten. Voraussetzung, um die genannten Aufgaben von beträchtlichem Umfang erfüllen zu können, sind die notwendigen Informationen über Verletzungen des innerstaatlichen Rechts oder der Konvention, die Möglichkeit auf diese aufmerksam zu machen und zu deren Beseitigung beizutragen. Um an die benötigten Informationen zu gelangen, sind eine Auskunftspflicht der Verwaltung und in laufenden, ihre Tätigkeit tangierenden Gerichtsverfahren, ein Akteneinsichtsrecht ein denkbarer Weg. Liegt eine fehlerhafte Anwendung der Gesetze oder die Nichtbeachtung von Kinderinteressen vor, könnte der Kinderschutzinstitution das Recht eingeräumt werden, dieses bei den Ausführenden anzuzeigen. Ein Recht, welches, wie in Polen, gleichzeitig mit der gesetzlichen Verpflichtung der Ausführenden verbunden werden könnte, ihr Vorgehen gegenüber der Kinderschutzinstitution in einer festgelegten Frist zu begründen. Für die Gestaltung des Zugangs zur Kinderschutzinstitution, d.h. der rechtlich und tatsächlich geschaffenen Möglichkeit, sich an die Institution zu wenden, gibt es keine zwingenden Regelungen durch die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Er hängt vielmehr von den ihr zugewiesenen Aufgaben ab. Soll die Kinderschutzinstitution lediglich Ansprechpartner für staatliche Organe im Bereich der Kinderrechte sein, ohne auch als Anlaufstelle für Kinder zu dienen, stellen sich konsequenterweise völlig andere Anforderungen an den Zugang, als dies der Fall wäre, wenn Kinder selbst mit ihr in Verbindung treten sollen.338 Viele der Kinderschutzinstitutionen 336 Vgl. dazu UNICEF (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1 1997, S. 6. 337 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http:// www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 2; eingesehen am 16. Februar 2005; UNICEF (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1 1997, S. 6. 338 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 3; eingesehen am 16. Februar 2005.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
des ENOC stehen aber in direktem Kontakt mit Kindern, so dass die folgenden Ausführungen auf diesen Fall zugeschnitten sind. Wichtige Gesichtspunkte sind in diesem Rahmen die rechtliche Verankerung des Zugangs zur Kinderschutzinstitution von Minderjährigen und Dritten sowie die faktische Gewährleistung der Kontaktaufnahme. Für Letztere sind insbesondere die Bekanntheit der Institution und die physische Möglichkeit, sich an die Institution zu wenden von Belang.339 Beides Punkte, denen gerade bei Kinderschutzinstitutionen besondere Aufmerksamkeit gebührt.340 Der einfachste Weg, eine Kontaktaufnahme zu garantieren, wäre die Einrichtung einer Telefonhotline, da Telefonieren eine Fähigkeit ist, die bereits Kinder im Vorschulalter beherrschen. Aus diesem Grund haben viele Kinderschutzinstitutionen, so auch in Polen, kostenlose Telefonnummern geschaltet.341 Hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Zugangs stellt sich die Frage, inwieweit eine Kinderschutzinstitution auch Kindern in familiären Konflikten zur Seite stehen soll. So besteht die Möglichkeit, das Eingreifen der Kinderschutzinstitution in private Konflikte ausdrücklich zu gestatten oder dieses aufgrund des bestehenden Elternrechts zu untersagen.342 Ein Einschreiten der Kinderschutzinstitution sollte aber immer dann zulässig sein, wenn eine Gefahr für das Kind besteht. In diesen Fällen könnte die Kinderschutzinstitution die Hilfesuchenden oder die Angelegenheit selbst an die zuständigen Stellen vor Ort verweisen. Mit der Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit hat eine Kinderschutzinstitution die Möglichkeit, die Interessen von Kindern als deren persönlicher „Botschafter“ hörbar zu machen. Außerdem erlangt als Nebeneffekt die Institution selbst, wie das Beispiel Norwegen zeigt, einen weiten 339
Ebenda. Keiner wird bestreiten, dass für Kinder im Babyalter wohl eher erwachsene Personen die Initiative ergreifen werden, diese zu kontaktieren. Aber bereits Kinder im Vorschulalter sind über altersgerechte Fernsehsendungen oder im Kindergarten potentiell zu erreichen. So verhalf eine Fernsehsendung des früheren norwegischen Kinderombudsmannes der Institution zur landesweiten Bekanntheit. Dennoch ist die Mehrheit der Kinder, welche sich an Kinderschutzinstitutionen wenden, zwischen 10 und 14 Jahre alt: So die Zahlen in Norwegen; Borgen, Developing the Role, 1996, S. 541–554, S. 548. 341 Dabei sind aber sowohl die mit der Beantwortung der Anfragen benötigten personellen Kapazitäten als auch die Gefahr einer vollständigen Fokussierung der Arbeit auf Einzelfälle nicht zu unterschätzen. In Norwegen beträgt die Zahl der jährlichen Kontakte mit Kindern in etwa 2000–3000! In Staaten mit einer hohen Population mag daher die Entscheidung über diesen Aufgabenbereich anders ausfallen, als in Ländern mit einer geringeren Bevölkerungszahl. Zu den Zahlen in Norwegen vgl. Borgen, Developing the Role, 1996, S. 548; vgl. auch UNICEF (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1 1997, S. 7. 342 Vgl. § 14 Abs. 1 a–c Salzburger Kinder- und Jugendwohlfahrtsordnung. 340
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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Bekanntheitsgrad.343 Das Bewusstsein für die Bedeutung von Kinderrechten in der Gesellschaft wächst zwar nur langsam, dennoch zeigen sich mit einem Blick auf die letzten fünfzig Jahre deutliche Fortschritte. Das Werben für Kinderrechte ist daher keineswegs eine zu vernachlässigende Aufgabe des Kinderombudsmannes. Im polnischen Kinderombudsmanngesetz finden sich zwar außer der jährlichen Bekanntmachung des Tätigkeitsberichts keine weiteren Regelungen diesbezüglich, dennoch findet in der Praxis durch ihn eine intensive Öffentlichkeitsarbeit statt. Die Beratung von öffentlichen Stellen und Privaten im Bereich Kinderschutz und Kinderrechte gehört zu einer weiteren wichtigen, wenn auch nicht kurzfristig zu Erfolgen führenden Tätigkeit von nationalen Menschenrechtsinstitutionen.344 Sie kann z. B. die Unterrichtung und Beratung der Regierung in bestimmten Fragen beinhalten sowie regelmäßige Schulungen von auf diesem Gebiet arbeitenden Verwaltungsmitarbeitern. Von der Beratung und Öffentlichkeitsarbeit ist die adressatenbezogene Erstellung von Informationsmaterial umfasst. Nach den ENOC-Maximen sollen die nationalen Menschenrechtsinstitutionen zudem mit anderen internationalen wie nationalen Institutionen kooperieren.345 Gerade im Bereich der Kinderrechte gibt es zahlreiche Organisationen, mit denen eine Kinderschutzinstitution zur Nutzung von Synergieeffekten zusammenarbeiten kann.346 Entsprechende Regelungen sollten sich daher in den gesetzlichen Regelungen der Institution finden. In Polen wird dies nunmehr im Kinderombudsmanngesetz geregelt. 2. Rechtliche und faktische Defizite im bestehenden System der Institutionen hinsichtlich der Standards Einzige institutionelle Entsprechung zur zentralen landesweiten Institution des polnischen Kinderrechtsbeauftragten ist die auf Bundesebene bestehende 343 Der zweite Kinderombudsmann in Norwegen, Torgesen, machte die Institution durch seine Fernsehsendung in ganz Norwegen bekannt. 344 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 2; eingesehen am 16. Februar 2005. Siehe auch die Pariser Prinzipien Art. 3 a; sowie Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 20 ff. 345 Vgl. European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http:// www.ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659; S. 2; eingesehen am 16. Februar 2005. Siehe auch die Pariser Prinzipien 1. Absatz Punkt 3 e. 346 Genannt seien z. B. UNICEF, die National Coalitions und in Deutschland der Kinderschutzbund.
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Kinderkommission des deutschen Bundestages. Diese gilt es daher vorrangig auf die Erfüllung der Standards der ENOC, der „Pariser Prinzipien“ und des polnischen Kinderrechtsbeauftragten hin zu untersuchen. Ergeben sich diesbezüglich Defizite, stellt sich anschließend die Frage, ob und wie die deutschen Institutionen – Kinderkommission, Petitionsausschuss, Jugendamt und Gerichtshilfen, Gerichte, Verfahrenspfleger sowie die Landeskinderbeauftragten –, die sich zum Teil auch, aber nicht nur dem Kinderschutz widmen, aufgrund ihres Zusammenwirkens eine den Standards gemäße Wahrnehmung von Kinderrechten und -interessen erreichen. Dafür wird zunächst jede Institution einzeln hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit (Rechtsstellung, Rechtsstatus und finanzielle Ausstattung) sowie ihrer Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise dargestellt und nachfolgend an der Maßgabe der Anforderungen gewürdigt. Im Anschluss ist zu prüfen, inwieweit das deutsche staatliche Institutionensystem insgesamt den Vorgaben gerecht wird. a) Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder Die Kinderkommission ist ein besonderes Gremium des Deutschen Bundestages. Ihr obliegt es, die Kinderpolitik stärker ins Bewusstsein zu rücken und darauf zu achten, dass bei jeder politischen Entscheidung an die Folgen für Kinder gedacht wird. Sie ist ein Instrument des Parlaments, sein Kontrollrecht bzgl. der Wahrung der Belange der Kinder gegenüber der Exekutive wahrzunehmen. Überdies soll die Kinderkommission eine Lobby und Ansprechpartner für Kinder, Eltern, Erzieher und kindbezogene Organisationen sein. Die Kinderkommission nimmt damit ähnliche Funktionen wie der polnische Kinderrechtsbeauftragte wahr, so dass sich die Frage stellt, ob nicht das Vorhandensein der Kinderkommission die Einführung eines neuen Organs entbehrlich macht. aa) Rechtsstellung, Rechtsstatus sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise der Kinderkommission Im Jahre 1986 reichten Kinderschutzbund und Deutsche Liga für das Kind beim Bundestag eine Petition ein347, in der sie die Einführung eines nationalen Kinderbeauftragten forderten.348 Da eine Mehrheit für die Ein347 Petition vom 2. April 1986 zitiert nach Wilken, Activities of the German Society for the Protection of Children: Establishing the Office of the Child Commissioner in the Federal Republic of Germany, in: Verhellen/Spiesschaert (Hrsg.), Children’s Rights: Monitoring Issues, Gent 1994, S. 25–31, S. 27. 348 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 60; Wilken, Activities of the German, 1994, S. 26 f.
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setzung eines Ombudsmannes im Parlament nicht herzustellen war, man aber auf der anderen Seite fürchtete, als kinderunfreundliches Land in der Öffentlichkeit angesehen zu werden, einigte man sich auf einen Kompromiss – die Kinderkommission des Deutschen Bundestages – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder.349 Sie wurde durch Beschluss des Ältestenrates des Deutschen Bundestages 1988350 etabliert und ist, wie der damalige Bundestagspräsident Jenninger betonte, „ein parlamentarisches Gremium eigener Art“351 mit, so Haupt, geradezu „exotischem Sonderstatus“.352 Zunächst war die Kommission weder in der Geschäftsordnung des Bundestages353 verankert, noch besaß sie das Recht, in die Aufgaben der Ausschüsse einzugreifen. Zudem war sie kein Beschlussorgan.354 Im Jahre 1991, der 12. Legislaturperiode, änderte sich der parlamentarische Status der Kinderkommission. Sie wurde Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und erwarb aufgrund der für sie nun anwendbaren Regelungen der GOBT klarere Aufgaben und Kompetenzen.355 Welche Tätigkeitsbereiche und Befugnisse einem Ausschuss und Unterausschuss nach der GOBT konkret zukommen, gilt es nunmehr auszuführen. Ausschüsse des Deutschen Bundestages, wie der für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sind Parlamentsorgane. An sie wird parlamentarische Arbeit aus dem Plenum überwiesen. Als fachlich spezialisierte Gremien bereiten die Ausschüsse Plenarverhandlungen des Bundestages vor (§ 54 349
Vgl. ausführlich Wilken, Activities of the German, 1994, S. 27 f. Beschlüsse des Ältestenrates des Deutschen Bundestages vom 21. April und 5. Mai 1988, in: Informationen zur Kinderkommission, unter: http://www.bundes tag.de/blickpkt/Konferenzen/1999/kinder3.html; eingesehen am 16. Juli 2002. 351 So Philipp Jenninger, damaliger Bundestagspräsident, zitiert aus: Frädrich/ Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 60. 352 So Klaus Haupt, Abgeordneter des Deutschen Bundestages (MdB), auf der 174. Sitzung in der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 23: Eigenständiges Antragsrecht für Kinderkommission im Deutschen Bundestag) vom 1. Juni 2001, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte und Drucksachen. Plenarprotokolle (169–174. Sitzung), Band 207, Berlin 2001 (16. Mai–29. Juni 2001), S. 17134–17139, S. 17134. 353 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, in: BGBl. I S. 1237 mit Änderungen. 354 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 61. 355 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 5. Kritik an der gewählten Konstruktion blieb dennoch nicht aus: vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 62. 350
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Abs. 1 GOBT) und geben Beschlussempfehlungen ab, die Entscheidungscharakter besitzen.356 Die Delegation von Handlungsbefugnissen ist vom Selbstorganisationsrecht des Parlaments gedeckt357, wenngleich die Verlagerung von Verantwortung des Parlaments in immer kleinere, nicht kontrollierbare Gremien durchaus kritisch gesehen wird.358 Das im Rahmen ihrer Beratungen zur Information über einen Gegenstand eingeräumte Anhörungsrecht nach § 70 GOBT gestattet den Ausschüssen, öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vorzunehmen und im Anschluss eine allgemeinen Aussprache über den Sachverhalt durchzuführen.359 Die Ausschüsse besitzen darüber hinaus ein sog. Selbstbefassungsrecht (§ 62 Abs. 1 S. 3 GOBT), welches ihnen die Beschäftigung mit anderen als den ihnen vom Plenum überwiesenen Fragen, auch in Form von öffentliche Anhörungen gemäß § 70 Abs. 1 S. 2 2.Alt. GOBT, ermöglicht. Die Ausschüsse besitzen allerdings kein eigenständiges Initiativrecht und dürfen nur zu überwiesenen Fragen Beschlussempfehlungen fassen.360 Die Ergebnisse der Selbstbefassung gelangen daher lediglich auf informellem Weg über die Arbeit in den Fraktionen oder durch einzelne Abgeordnete ins Plenum.361 Die Ausschüsse unterliegen den Organisationsgrundsätzen, welche für das Parlament gelten, so u. a. dem Mehrheitsprinzip, dem Minderheitenschutz und den Proportionalitätsgrundsätzen. Die Zusammensetzung erfolgt gemäß § 12 GOBT nach der Stärke der Fraktionen. Zu den Befugnissen jedes Ausschusses gehört es, aus seiner Mitte Unterausschüsse einsetzen zu können. Diese werden mit bestimmten Aufgaben betraut (§ 55 GOBT) und sind allein dem einsetzenden Ausschuss und nicht dem Plenum verpflichtet, über ihre Arbeit zu berichten. Wurde der Unterausschuss nicht für eine bestimmte Dauer eingesetzt, kann ihn der Mutterausschuss zudem nach Beendigung seines Auftrages oder jederzeit durch Beschluss nach § 55 Abs. 2 S. 2 GOBT auflösen. Im Falle einer vorfristigen Auflösung bedarf es eines Drittels der Hauptausschussmitglieder, die diesem Vorhaben nicht widersprechen dürfen, § 55 Abs. 2 S. 2, 1. Alt GOBT. Im Übrigen gelten für den Unterausschuss grundsätzlich die gleichen Regelungen wie für den Ausschuss362, da er im selben Verhältnis zum Hauptausschuss steht wie dieser 356
Vgl. v. Westphalen, Parlamentslehre, München/Wien 1996, S. 212. Vgl. ebenda, S. 98; siehe auch BVerfGE 80, 188 (221). 358 Siehe zur Kritik und den Vorteilen der Verlagerung der Arbeit des Parlaments in Ausschussgremien: v. Westphalen, Parlamentslehre, München/Wien 1996, S. 107; siehe auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 253 f. 359 § 70 Abs. 4 S. 1 GOBT. 360 Ismayr, Der Deutsche Bundestag, Opladen 2000, S. 179. 361 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 257 f. 362 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 253. 357
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zum Plenum.363 Dies betrifft beispielsweise die Bestimmungen hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse (§ 12 GOBT), der Wahl des Vorsitzenden (§ 58 GOBT) und der Beschlussfassung (§ 74 i. V. m. § 48 Abs. 2 GOBT), der Durchführung von öffentlichen Anhörungen (§ 70 GOBT) und der Selbstbefassung (§ 62 Abs. 1 S. 3 GOBT). Beim Unterausschuss „Kinderkommission“ bestehen indessen seit seiner Einführung gewichtige Ausnahmen vom Regelfall. So entsendet jede Fraktion des deutschen Bundestages, unabhängig von der Anzahl ihrer Mandate, einen gleichberechtigten Abgeordneten, der auch als „Kinderbeauftragter“ der Fraktion bezeichnet wird, in die Kinderkommission.364 Die Zusammensetzung der Kommission entspricht somit nicht den Mehrheitsverhältnissen im Parlament gemäß § 12 GOBT. Der Vorsitz des Unterausschusses bestimmt sich ebenfalls nicht nach § 58 GOBT, der eine entsprechende Wahl des Vorsitzenden nach Vereinbarung im Ältestenrat vorsieht, sondern wechselt im Laufe der Wahlperiode alle neun Monate.365 Abweichend von anderen Ausschüssen arbeitet die Kommission zudem im sog. „Konsensverfahren“, d.h. sie wird nur dann tätig, wenn alle Mitglieder anwesend sind und zugestimmt haben.366 Dies gilt nicht nur für Beschlüsse, sondern auch für Empfehlungen, Stellungnahmen und öffentliche Äußerungen der Kommission.367 Kommt ein Be363 Vgl. Ritzel/Bücker, § 55, S. 2 (Stand Juni 2004), in: Handbuch für die parlamentarische Praxis mit Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, (Loseblattsammlung) Neuwied/Kriftel (Stand 2005); vgl. dazu die Beispiele aus der Praxis, im: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207, S. 28 ff. 364 Dabei sollen die Kommissionsmitglieder und Stellvertreter ordentliche Mitglieder des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sein. In begründeten Einzelfällen kann von diesem Erfordernis allerdings abgesehen werden: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 6. 365 Wie Klaus Haupt (MdB) hervorhebt, sind diese 9 Monate symbolträchtig: Haupt, Abgeordneter des Deutschen Bundestages (MdB) auf der 174. Sitzung in der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 23: Eigenständiges Antragsrecht für Kinderkommission im Deutschen Bundestag) vom 1. Juni 2001, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte und Drucksachen. Plenarprotokolle (169–174. Sitzung), Band 207, Berlin 2001 (16. Mai–29. Juni 2001), S. 17134–17139, S. 17135. 366 In den Ausschüssen wird dagegen in der Regel mit einfacher Mehrheit entschieden, § 74 i. V. m. § 48 Abs. 2 GOBT. Vgl. die Regeln über Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kinderkommission in: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 6. 367 Vgl. die Regeln über Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kinderkommission in: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
schluss nicht zustande, kann allerdings jedes Mitglied versuchen, das Anliegen selbst im Parlament vorzubringen.368 In der 14. Legislaturperiode gab es mittels eines parteiübergreifenden Antrages zusätzlich die Bestrebung, der Kinderkommission ein eigenes Antragsrecht im Bundestag zu gewähren369, ein Recht, welches ansonsten nur den Fraktionen oder einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten zusteht, §§ 75, 76 Abs. 1 GOBT.370 Beschlossen wurde dies nicht. Einen gleichlautenden Vorschlag stellten nochmals 110 Parlamentarier in der 15. Legislaturperiode.371 In der Begründung heben die Antragssteller hervor, dass sich aus dem Antragsrecht keine gleichartigen Ansprüche anderer Gremien ableiten lassen, da es sich bei der Kinderkommission um einen Unterausschuss mit einzigartigem Status handelt. Auch dieser Vorschlag vom 18. Mai 2005 unterlag schließlich der Diskontinuität. Die Mitglieder der Kinderkommission besitzen allerdings das Recht, Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen als einzelne Abgeordnete in der zweiten Lesung des Gesetzgebungsverfahrens einzubringen. Im Rahmen von Aussprachen und Abstimmungen können die Mitglieder der Kinderkommission als einzelne Abgeordnete zudem Erklärungen abgeben.372 Die Beantragung einer aktuellen Stunde gemäß § 106 GOBT zu kinderrechtsrelevanten Fragestellungen ist der KinderBelange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 6. Darauf weist auch Ingrid Fischbach (MdB) in der 174. Sitzung der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 23: Eigenständiges Antragsrecht für Kinderkommission im Deutschen Bundestag) vom 1. Juni 2001 explizit hin, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte und Drucksachen. Plenarprotokolle (169–174. Sitzung), Band 207, Berlin 2001 (16. Mai–29. Juni 2001), S. 17134–17139, S. 17135. 368 Vgl. Informationen zur Kinderkommission, unter: http://www.bundestag.de/ blickpkt/Konferenzen/1999/kinder3.html; eingesehen am 16. Juli 2002. 369 Vgl. Bundestagsdrucksache 14/5346 vom 15. Februar 2001; dazu auch Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. August 2000 bis 30. April 2001, Kinderkommissionsdrucksache 14/176, S. 13 f. 370 Ausführlich zum Antragsrecht Ismayr, Bundestag, 2000, S. 403 ff. In der zweiten Lesung von Gesetzentwürfen kann allerdings auch ein einzelner Abgeordneter des Bundestages Änderungsanträge einbringen: dazu Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150, S. 12. 371 Vgl. Bundestagsdrucksache 15/5527 vom 18. Mai 2005; siehe auch Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 14. Mai 2005, Nr. 111, S. 5 (Kleine Meldungen). 372 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150, S. 12.
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kommission nach den „Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellem Interesse“ verwehrt.373 Über das von der Kinderkommission gewünschte Rederecht in anderen Ausschüssen konnte dagegen ein Einvernehmen erreicht werden.374 Die genannten speziellen formellen und materiellen Festlegungen zur Kinderkommission finden sich im Einsetzungsbeschluss des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.375 Die Immunität der Mitglieder der Kinderkommission aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Bundestag, deren Amtsdauer sowie die vorzeitige Abberufung des Unterausschusses ergibt sich dagegen aus den allgemeinen Vorschriften des Grundgesetzes (Art. 38, 39, 46 GG) und der GOBT (§ 55 Abs. 2 GOBT). Die gewählte Konstruktion des Unterausschusses „Kinderkommission“ erfuhr aufgrund seiner Kritik an der Regierungsarbeit auch Widerspruch. So wünschte die Regierungsfraktion der 13. Legislaturperiode376 einen den üblichen Kriterien entsprechenden Unterausschuss – mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen. Der in jeder Legislatur über die Einsetzung des Unterausschusses befindende Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entschied sich aber nach mehrmonatigen Verhandlungen am 27. April 1995 doch wieder für die Einsetzung der Kinderkommission in alter Form.377 In dieser Rechtsform besteht sie seitdem fort.378 Ziele und Aufgaben der Kinderkommission sind gesetzlich nicht geregelt und finden sich, abgeleitet aus der Beauftragung durch den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im aktuellen Arbeitsprogramm des 373 374
Vgl. Anlage 5 GOBT, Abschnitt I Unterabschnitt 1. Vgl. Begründung in: Bundestagsdrucksache 14/5346 vom 15. Februar
2001. 375 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 5 f. 376 Es handelte sich damals um die CDU/CSU und FDP-Koalition. 377 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 63. In der 15. Legislaturperiode berief der Ausschuss auf seiner 6. Sitzung am 29. Januar 2003 gemäß § 55 GOBT nunmehr zum 5. Mal die Kinderkommission ein, die sich am 19. Februar 2003 konstituierte: vgl. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ausschussdrucksache 15 (12) 14. In der aktuellen 16. Legislaturperiode ist bislang noch keine Einsetzung erfolgt (Stand: 15. Januar 2006). In der 15. Legislaturperiode berief der Ausschuss auf seiner 6. Sitzung am 29. Januar 2003 gemäß § 55 GOBT nunmehr zum 5. Mal die Kinderkommission ein, die sich am 19. Februar 2003 konstituierte: vgl. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ausschussdrucksache 15 (12) 14. 378 Für die 15. Legislaturperiode siehe: Ausschussdrucksache 15 (12) 14. In der 16. Legislaturperiode berief der Ausschuss am 25. Januar 2006 die Kinderkommission ein, die sich am 8. Februar 2006 konstituierte.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
Unterausschusses wieder.379 Ein vornehmliches Ziel der Kinderkommission ist es danach, die Kinderpolitik stärker ins Bewusstsein zu rücken und darauf zu achten, dass bei jeder politischen Entscheidung an die Folgen für die Kinder gedacht wird. Dabei wird die Tätigkeit der Kinderkommission als Querschnittsaufgabe betrachtet, die sich auf alle Politikfelder erstreckt.380 Die Aufgabe der Kinderkommission besteht u. a. darin, die parlamentarische Arbeit im Bundestag zu begleiten381, d.h. alle bundesrechtlichen Vorschriften sowie Vorlagen der Regierung, der Ausschüsse und von EG-Gremien auf ihre Auswirkungen auf Kinder zu prüfen und, soweit erforderlich, Änderungsvorschläge zu unterbreiten.382 Außerdem kann sie den Ausschüssen des Bundestages und gegebenenfalls der Bundesregierung, den Fraktionen und Parteien eigene Vorschläge unterbreiten.383 Die Kinderkommission ist neben ihrer Funktion im Gesetzgebungsverfahren zudem ein Instrument des Parlaments, sein Kontrollrecht bzgl. der Wahrung der Belange der Kinder gegenüber der Exekutive wahrzunehmen.384 Schließlich soll die Kinderkommission im Rahmen ihrer zeitlichen, technischen und rechtlichen Möglichkeiten eine Lobby und Ansprechpartner für Kinder, Eltern, Erzieher 379
Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 8 ff. 380 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 9; dazu auch Schlussbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) in der 14. Wahlperiode, Kinderkommissionsdrucksache 14/208, S. 4. 381 Werner, Kinderkommission des Deutschen Bundestages, in: Gernert (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes: Impulse für die Jugendhilfe zum Schutz des Kindes durch Familie, Gesellschaft und Staat, Stuttgart/München/Hannover, 1992, S. 281– 286, S. 282. 382 Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 8; Werner, Kinderkommission, 1992, S. 282. So äußerte sich die Kinderkommission kritisch zur Einführung eines Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG (siehe dazu die Ausführungen unten): Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150, S. 43. Weitere Beispiele aus der Praxis: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207, S. 20 ff. 383 Vgl. Werner, Kinderkommission, 1992, S. 282; siehe dazu die Vorschläge der Kinderkommission zur Änderung des Grundgesetzes: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 17. März bis 30. November 1999, Kinderkommissionsdrucksache 14/73, S. 37. 384 Siehe Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 253.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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und kindbezogene Organisationen sein.385 Dabei ist die Kinderkommission in ihrer Zuständigkeit auf die Bundesebene und den parlamentarischen Bereich beschränkt, mit der Folge, dass sie Eingaben außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs entweder an die Landes- und Kommunalbehörden weiterleitet oder aber dem Petitionsausschuss übergibt.386 In der Praxis setzt sich die aktuelle Kinderkommission u. a. für behinderte Kinder, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention387 und die Rücknahme der Vorbehaltserklärungen388, für die Stärkung von Mitwirkungsrechten von Kindern, für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien mit Kindern und bei Gewalt gegen Kinder ein und bearbeitet Themen wie Kinder und Gesundheit, Kinder und Medien sowie Kinder und Ernährung.389 Neben der Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft für Fragen der Kinderpolitik390 waren konkrete Arbeitsschwerpunke in der Vergangenheit (1988–1990) beispielsweise die Ratifikation und Durchführung der UN-Kinderrechtskonvention, die „Tempo 30“ Frage und die Öffentlichmachung von 385
Vgl. Werner, Kinderkommission, 1992, S. 282; siehe auch Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 8. Vgl. aus der Praxis: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207, S. 31. 386 Vgl. Werner, Kinderkommission, 1992, S. 282. 387 Vgl. dazu Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 17. März bis 30. November 1999, Kinderkommissionsdrucksache 14/73, S. 21 f. 388 Vgl. Beschluss der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 14. Januar 2004 über die Rücknahme der Vorbehaltserklärungen gegen die UN-Kinderrechtskonvention in: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 21; siehe auch Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 17. März bis 30. November 1999, Kinderkommissionsdrucksache 14/73, S. 22 ff.; Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Mai 2001 bis 15. Januar 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/199, S. 15 f.; Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207, S. 9 f. 389 Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 10. Einen Überblick über die geleisteten Stellungnahmen liefert http://www.bundestag.de/parlament/gremien15/a12/a12_kiko/ Empfehlungen_und_Stellungnahmen . . .; eingesehen am 1. Juni 2005. 390 Vgl. dazu UNICEF (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1 1997, S. 6.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
(sexueller) Gewalt gegen Kinder.391 Bei der Überprüfung von gesetzgeberischen Maßnahmen auf ihre Kinderfreundlichkeit hin arbeitet die Kinderkommission, wie das Beispiel „Lärmschutz bei Kinderlärm“ zeigt, auch mit dem noch näher darzustellenden Petitionsausschuss zusammen.392 In den Jahren 2006/2007 war die Kinderkommission maßgeblich an der Diskussion über die Einführung von Kinderrechten in die Verfassung beteiligt.393 Angesichts dieser umfangreichen Aufgaben stellt sich die Frage nach der Arbeitsweise der Kinderkommission. Für die Vornahme der Kinderfreundlichkeitsprüfung von jährlich ca. 8000–10000 Bundestagsdrucksachen sowie die Beantwortung von zahlreichen privaten Anfragen von Kindern und Eltern, deren Beantwortung sie zusicherte394, standen den vier Bundestagsabgeordneten anfänglich ein Büro mit einer Schreibkraft und ein Sekretär des höheren Dienstes zur Verfügung.395 Die Gesuche der vier Kinderbeauftragten um eine bessere Ausstattung und eine plenumsnahe Unterbringung des Büros lehnte man 1988 und 1989 ab.396 Später stieg die Zahl der Mitarbeiter leicht.397 In der 15. Legislaturperiode waren 4 Personen bei der Kinderkommission beschäftigt.398 Die Mittel für Sach- und Personalkosten sind, nicht weiter spezifiziert, im Einzelplan des Deutschen Bundestages im aktuellen Bundeshaushaltsplan eingestellt. bb) Rechtliche Würdigung der Kinderkommission Die bundesweit zuständige, innerhalb der Legislative angesiedelte Kinderkommission besitzt in ihrer Ausformung als Unterausschuss des Deut391
Wilken, Activities of the German, 1994, S. 29. Siehe Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207, S. 20 ff. 393 So fand am 20. November 2006 ein öffentliches Expertengespräch auf Veranlassung der Kinderkommission im Bundestag dazu statt (Protokoll Nr. 16/13). Durchgesetzt werden konnte die Forderung bislang nicht. 394 Siehe mit weiteren Anmerkungen Rathgeber, Kinderbeauftragte – Anwälte für Kinder oder Alibifiguren, in: Deutsches Jugendinstitut e. V. (Hrsg.), Was für Kinder. Aufwachsen in Deutschland. Ein Handbuch, München 1993, S. 469–472, S. 470. 395 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) von Mai 1988 bis Juni 1989, S. 4. 396 Siehe mit weiteren Beispielen zur Arbeit der Kinderkommission: Rathgeber, Kinderbeauftragte, 1993, S. 469. 397 Fünf Bundestagsabgeordnete und wohl 2 1/2 Mitarbeiterstellen; Angabe bei Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 61; Wilken, Activities of the German, 1994, S. 25–31, S. 30. 398 Vgl. http://www.bundestag.de/parlament/gremien15/a12/a12_kiko/kontaktsek retariat.html; eingesehen am 1. August 2005. 392
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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schen Bundestages keine unabhängige Rechtsstellung vergleichbar dem polnischen Kinderombudsmann sowie im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Das wird bereits bei der Einsetzung der Kinderkommission als Unterausschuss nach § 55 GOBT deutlich, die in jeder Legislaturperiode von der Zustimmung des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend abhängt. Ein spezielles Gesetz, in welchem die Struktur und Arbeitsweise der Kommission, die Ernennung und Stellung ihrer Mitglieder sowie deren Aufgaben und Kompetenzen näher konkretisiert werden, existiert nicht. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Verankerung – beispielsweise in der GOBT – steht überdies die spezifische rechtliche Ausgestaltung des Unterausschusses bzgl. der Zusammensetzung, Beschlussfassung und des Vorsitzes faktisch bei jeder Einsetzung zur Disposition. Damit hat die Kinderkommission keine rechtlich abgesicherte Bestandsgarantie, mit der Folge fehlender Rechtssicherheit für die Institution.399 Zwar lässt sich in dem Beschluss des Ausschusses kein Rechtsakt „minderer Qualität“ vermuten, dennoch macht es bereits aus normhierarchischen Gründen einen Unterschied, wie die Einsetzung erfolgt. Jeand’Heur vertritt daher zu Recht die Auffassung, dass dieser grundlegende normative Bereich mit seinen engen Bezügen zur Grundrechtsausübung der Regelung durch den Gesetzgeber bedarf. Dies gilt insbesondere deshalb, so der Autor, weil sich die Kinderkommission tendenziell in einer Konfliktsituation mit anderen Rechtspositionen befindet.400 Hinzukommt bei einer Verlagerung solch sensibler Lebenskomplexe in einen Unterausschuss, dass die auf höchster Ebene in der Verfassung verorteten Rechtsgüter ihre Ausstrahlkraft verlieren, „. . . wenn sie verfahrensrechtlich ‚zweitrangigen‘ Einrichtungen zugeordnet werden . . .“.401 Die unzureichende rechtliche Verankerung der Kinderschutzinstitution entspricht folglich nicht den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Die Abhängigkeit der Kinderkommission vom Mutterausschuss ergibt sich neben der Einsetzung bereits aus dem generellen Verhältnis von Ausschuss und Unterausschuss. Zum Zweck der Vorbereitung der Arbeiten im Ausschuss und zur Erledigung bestimmter Aufträge geschaffen, hat die Kinderkommission ihre Arbeitsergebnisse zunächst dem Mutterausschuss vorzulegen und nicht dem Plenum. Der für eine bestimmte Dauer eingesetzte Unterausschuss kann zudem vom Mutterausschuss jederzeit durch Beschluss aufgelöst werden. Konsequenz dessen ist, dass der Ausschuss für Familie, 399
Damit erfüllt die Kinderkommission auch ein wesentliches Aufnahmekriterium für die ENOC nicht, mit der Konsequenz, dass sie bislang nur einen Beobachterstatus besitzt: siehe Schreiben des ENOC an Kinderkommission vom 4. Oktober 2000 Kinderkommissionsdrucksache 14/134. 400 Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 250 f. 401 Ebenda, S. 254.
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Senioren, Frauen und Jugend insgesamt die Kontrolle über die Kinderkommission behält.402 Die rechtliche Absicherung der Kinderkommission ist folglich verhältnismäßig schwach und kann leicht zur politischen „Verhandlungsmasse“ verkümmern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Institution bei der konsequenten Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Konflikt mit anderen Organen und Institutionen, z. B. mit der Bundesregierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktion im Deutschen Bundestag, gerät.403 Eine Situation, die es, wie beschrieben, so in der Vergangenheit bereits gab. Die Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise der Kinderkommission richten sich ebenfalls nach den Festlegungen im Einsetzungsbeschluss des Ausschusses und nach den allgemeinen Regelungen für Unterausschüsse gemäß GOBT. Die im Beschluss genannten Aufgaben der Kommission, „die Interessen von Kindern im Parlament zu vertreten“ sowie im Rahmen der zeitlichen und rechtlichen Möglichkeiten „die Rolle des Ansprechpartners für Verbände, Organisationen und Einrichtungen“ wahrzunehmen, wirken eher vage.404 Aufgrund der allgemeinen Formulierung kann man die von der ENOC aufgestellten Kriterien, wie das Vorgehen der Kinderschutzinstitution gegen Verletzung von Kinderrechten oder bei der Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen sowie die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik, die Sorge für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention und die kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten, die Rolle als Ansprechpartner auch von Kindern, die Beratung im Bereich Kinderschutz und Kinderrechte und die Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit, verbunden mit der Erstellung von Informationsmaterial und Berichten zum Thema, sowie abschließend die Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen im Kinderschutzbereich durchaus als vom Aufgabenbereich der Kinderkommission umfasst ansehen. Die Kinderkommission geht diesen Aufgaben in der Praxis, wie die Berichte zeigen, zumindest teilweise nach. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Interessensvertretung anfänglich die Prüfung aller Vorgänge im Bundes402
Ebenda. Vgl. ebenda, S. 251. Betrachtet man in diesem Kontext auch die Zusammensetzung der Kommission aus Mitgliedern einzelner Parteien, so mag sich dies zwar in der Praxis der Zusammenarbeit bisher nicht weiter negativ ausgewirkt haben (siehe Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 62), ein Verdacht der Verfolgung parteipolitischer Interessen lässt sich aber nicht gänzlich ausräumen (vgl. Flekkøy, Working for the Rights of Children in Norway, in: Verhellen/ Spiesschaert (Hrsg.), Children’s Rights: Monitoring Issues, Gent 1994, S. 11–24, S. 19). 404 Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 5. 403
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tag auf ihre Bedeutung für Kinder hin erwartet. Davon nahm die Kinderkommission in der Zwischenzeit angesichts der Anzahl der Bundestagsdrucksachen Abstand. Inwieweit die Kinderkommission zudem Ansprechpartner für Kinder sein soll, lässt sich aus den im Einsetzungsbeschluss formulierten Aufgaben nicht zweifelsfrei erkennen. Da sie als Interessenvertretung für Kinder konzipiert ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine Anrufung der Kinderkommission durch Kinder möglich, aber bislang offensichtlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. So werden Kindern keine besonderen Kontaktangebote unterbreitet, sich an den Unterausschuss zu wenden. Zwar findet sich auf den offiziellen Internetseiten der Kommission ein E-Mail Briefkasten für Kinder, im Übrigen sind diese Seiten aber noch nicht annähernd kindgerecht gestaltet.405 Eine Telefonnummer oder gar eine spezielle Hotline für Kinder sucht man vergeblich.406 Es ist daher davon auszugehen, dass die Kinderkommission eher indirekt über Verbände oder Personensorgeberechtigte parlamentarischer Ansprechpartner für Kinder ist. Ergänzt wird dieser „Aufgabenkatalog“ des Einsetzungsbeschlusses noch durch ein rechtlich unverbindliches Arbeitsprogramm der Kinderkommission, welches deren aktuelle Handlungsziele in der laufenden Legislatur enthält.407 Gesetzlich fixiert ist jedoch, dies sei nochmals hervorgehoben, keine der Aufgaben der Kinderkommission. Zu den Kompetenzen und der Arbeitsweise der Kinderkommission gibt es, wie beschrieben, einige wenige Bestimmungen im Einsetzungsbeschluss und in der GOBT. Sie stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den übertragenen Aufgaben. Als parlamentarisches Kontrollorgan ist die Kinderkommission hinsichtlich ihres Gestaltungsspielraums an die Kompetenzgrenzen, welche für Bundestagsausschüsse gelten, gebunden. Ihre Rolle beschränkt sich daher auf den parlamentarischen Bereich, so auf die Prüfung der bestehenden und neu zu schaffenden Gesetzesvorhaben in Bezug auf Kinderfreundlichkeit. Eine darüber hinausgehende Einflussnahme auf die Entschei405 Siehe dazu auch Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2004 bis 15. Dezember 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/119, S. 65 f.; siehe bereits Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150, S. 7 f. Im Gegensatz dazu gibt es ein recht ansprechendes Internetangebot des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (sog. „Kinder-Ministerium“). 406 Vgl. dazu Informationen zur Kinderkommission, unter: http://www.bundes tag.de/blickpkt/Konferenzen/1999/kinder3.html; eingesehen am 16. Juli 2002. 407 Vgl. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder: Arbeitsprogramm vom 25. September 2003, Kommissionsdrucksache 15/033.
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dungsabläufe der Exekutive oder Judikative, die gleichwohl von außerordentlicher Relevanz für Kinder sein können, entfällt weitgehend.408 Eine spezielle Kompetenz der Kinderkommission ist das Rederecht der Kommissionsmitglieder in anderen Ausschüssen.409 Im Übrigen weisen die Befugnisse der Kinderkommission keine Besonderheiten gegenüber anderen Unterausschüssen auf. Folglich besitzt die Kinderkommission im Wesentlichen nur die Möglichkeit, sich mit bestimmten kinderrechtsrelevanten Problemfeldern zu befassen, dazu Anhörungen durchzuführen sowie Beschlussvorlagen und Stellungnahmen zu verfassen, um diese dem Mutterausschuss vorzulegen. Diesbezüglich kann sie das Parlament und die Öffentlichkeit informieren. Weitere Befugnisse hat die Kinderkommission nicht, insbesondere kein Antragsrecht. Ein solches würde es der Kinderkommission allerdings ermöglichen, dem Plenum in Form von selbständigen Anträgen, Entschließungsanträgen sowie Änderungsanträgen Defizite in der Kinderpolitik aufzuzeigen, die Öffentlichkeit mit eigenen, alternativen Ziel- und Handlungskonzepten vertraut zu machen und die Bundesregierung zum Handeln aufzufordern.410 Die Arbeitsweise der Kinderkommission ist wegen der finanziellen, personellen und organisatorischen Ausstattung ebenfalls von der Abhängigkeit zum Mutterausschuss geprägt.411 Allein die Vornahme der Kinderfreundlichkeitsprüfung bedarf, in anbetracht der Menge von jährlichen Bundestagsdrucksachen gewisser personeller Ressourcen. Durch die 4 bis 5 Bundestagsabgeordneten und die 2 ½–4 Mitarbeiter in den beiden letzten Legislaturperioden ist diese Aufgabe, so auch die zutreffende Einschätzung Frädrichs, nicht hinreichend zu bewältigen.412 Gleiches gilt für die Beantwortung von privaten Anfragen durch die Kinderkommission. Eine rechtlich, finanziell und personell unabhängige, mit im Verhältnis zu den Aufgaben ausreichend Kompetenzen ausgestattete und sowohl die par408
Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 255 f. Die besondere einstimmige Entscheidungsfindung wird nicht zu den Kompetenzen der Kinderkommission gezählt. Ob die besondere rechtliche Ausgestaltung – in Form des Einstimmigkeitsprinzips – der Arbeit in der Praxis zu Gute kommt, wird dagegen meiner Ansicht nach zu Recht hinterfragt, soll aber an dieser Stelle kein Untersuchungsgegenstand sein: vgl. Wilken, der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes 1991: Wilken, Activities of the German, 1994, S. 30. Den Fragen der Effektivität von öffentlichen Institutionen und in diesem Rahmen zur Auslagerung von Beschwerdeeinrichtungen widmet sich u. a. die Rechtsökonomie: vgl. Weigel, Rechtsökonomik, München 2003, S. 160. 410 Ismayr, Bundestag, 2000, S. 405. 411 Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 254. 412 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 61; Wilken, Activities of the German, 1994, S. 25–31, S. 30. 409
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lamentarische als auch die exekutive und judikative Arbeit begleitende Kinderschutzinstitution im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ ist die Kinderkommission folglich nicht.413 Als besonders nachteilig ist insbesondere die fehlende gesetzliche Grundlage der Kinderkommission zu bewerten, die das Bestehen der Institution in jeder Legislaturperiode zur Disposition stellt.414 Hinzu kommen noch die Abhängigkeit vom Mutterausschuss, die Begrenzung der Tätigkeit auf den parlamentarischen Bereich und die damit fehlende Einflussnahme auf Bereiche der Exekutive und Judikative sowie das fehlende Antragsrechts. Die Wahrnehmung der im Einsetzungsbeschluss genannten Aufgaben, z. B. die Kinderfreundlichkeitsprüfung und die Funktion als Ansprechpartner für Kinder, Eltern und Erzieher, sind der Kinderkommission des Deutschen Bundestages aufgrund der rechtlichen und personellen Ausgestaltung nur begrenzt möglich. Insbesondere ist sie bislang kein öffentlich bekannter unmittelbarer Ansprechpartner für Kinder in Deutschland. In Bezug auf ihre eigenen Leistungen sagt die Kinderkommission in der 14. Legislaturperiode dann auch selbst, dass sie „. . . relativ erfolgreich . . .“ gewesen ist.415 b) Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages Ein Kontrollgremium eigener Art ist der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Ihm obliegt die Behandlung der nach Art. 17 GG an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden, Art. 45c Abs. 1 GG. Von Relevanz für die Untersuchung ist der Petitionsausschuss deshalb, weil sich jedermann und damit grundsätzlich auch Minderjährige an ihn wenden können. Er nimmt damit als allgemeines parlamentarisches „Beschwerdeorgan“ ähnlich dem polnischen Kinderrechtsbeauftragten eine Funktion wahr, welche weder die Kinderkommission416 noch andere bundesstaatliche Institutionen417 mit Kinderrechtsbezug in Deutschland auf diese Art und Weise verrichten. Der Petitionsausschuss ist damit ein Baustein des staatlichen Institutionensystems bei der Durchsetzung und Kontrolle der Einhal413
Vgl. dazu mit weiteren Anmerkungen Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 64. 414 Die Einsetzung fällt der Diskontinuität anheim. 415 Vgl. Informationen zur Kinderkommission, unter: http://www.bundestag.de/ blickpkt/Konferenzen/1999/kinder3.html; eingesehen am 16. Juli 2002; siehe auch Schmidt, Practice and Implementation: The German „Kinderkommission“, in: The International Journal of Children’s Rights 1993, Heft 1, S. 99–100, S. 100. 416 Vgl. die Ausführungen zur Tätigkeit der Kinderkommission im Abschnitt D.III.1.b). 417 Z. B. das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit seinem Internetangebot für Kinder.
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tung von Kinderrechten. Es stellt sich natürlich die Frage, wie umfassend er als Beschwerdeinstanz für die Belange von Kindern handeln kann bzw. welche rechtlichen Einschränkungen bestehen. In diesem Zusammenhang ist die Rechtspraxis für die Darstellung von Interesse. Vorab sind jedoch die Rechtsstellung sowie die Aufgaben, Kompetenzen und die Arbeitsweise des Petitionsausschusses näher darzustellen. aa) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des Petitionsausschusses Im Juli 1975 erfolgte eine umfassende Reform des Petitionsrechts. Zum einen wurde der Petitionsausschuss in Art. 45 c GG als ständiger Ausschuss eingeführt und zum anderen seine Aufgaben und Kompetenzen im Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des deutschen Bundestages (Gesetz nach Art. 45 c des Grundgesetzes)418 geregelt. Bereits vor der Verfassungs- und Gesetzesnovelle standen dem Petitionsausschuss sowohl das sich aus Art. 17 GG ergebende Petitionsüberweisungsrecht als auch das Petitionsinformierungsrecht als parlamentarische Annexrechte zu Verfügung.419 Insbesondere letzteres wies allerdings erhebliche Defizite auf. So umfasste das Petitionsinformierungsrecht nur die Einholung von Informationen gegenüber der Bundesregierung, die weitere Nachforschungen bei ihren nachgeordneten Behörden anstellen musste. Dies führte zu Zeitverzögerungen bei der Bearbeitung der Petitionen. Zudem lag es in der Hand der Exekutive, dem Petitionsausschuss nur ausgewählte Informationen zur Verfügung zu stellen und folglich dessen Kontrolle zu beeinflussen oder gar zu blockieren. Ein Recht auf Vorlage von Akten, auf Vornahme von Untersuchungen sowie zur Vernehmung von Zeugen bestand dagegen nicht.420 Seit 1975 ist der Petitionsausschuss nunmehr als ständiger Ausschuss ein Pflichtausschuss des Deutschen Bundestages. Er zählt zu den Organen des Bundestages und ist kein weisungsabhängiges Hilfsorgan. Die Zusammensetzung des Petitionsausschusses bestimmt sich gemäß § 12 GOBT nach der Stärke der einzelnen Fraktionen. Die verfassungsrechtliche Fundierung des Petitionsausschusses in Art. 45 c GG wird ergänzt durch das Grundrecht des Art. 17 GG und dem sich daraus ergebenden Petitionsüberwei418
Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (Gesetz nach Artikel 45 c des Grundgesetzes) = PetitionG vom 19. Juli 1975, in: BGBl. I S. 1921. 419 So mit weiteren Anmerkungen Stern, in: Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 92 f. 420 Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 55.
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sungsrecht durch das Parlament an die Regierung (§ 113 Abs. 1 a GOBT) sowie dem Petitionsinformierungsrecht des Parlaments. Das Petitionsrecht nach Art. 17 GG ermöglicht es jedermann, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und die Volksvertretungen zu wenden, um eine Änderung zukünftigen oder vergangenen Verhaltens zu erreichen.421 Dies gilt unabhängig vom Wohnsitz oder der Staatsangehörigkeit sowie auch bei fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit des Petenten, soweit dieser sein Anliegen in verständlicher Form schriftlich zum Ausdruck bringen kann.422 Unter diesen Voraussetzungen können auch Kinder ihr Petitionsrecht ausüben.423 Liegen die formellen Voraussetzungen vor, hat jede mittelbare oder unmittelbare staatliche Stelle die Pflicht, die Petition entgegenzunehmen. Zur Erledigung sind allerdings nur die Stellen berechtigt und verpflichtet, welche aufgrund ihrer Zuständigkeit Einfluss auf die Erfüllung des Begehrens nehmen können.424 Die Petenten besitzen außerdem die Möglichkeit, sich an die Volksvertretungen, wie den Bundestag, zu wenden, obwohl die Parlamente häufig nicht im oben beschriebenen Sinne als kompetent (zuständig) anzusehen sind. Seine Grenze findet die traditionell begründete Allzuständigkeit in der föderalen Struktur der Bundesrepublik und im Gewaltenteilungsgrundsatz. Abhilfe können die Volksvertretungen folglich nur dann schaffen, wenn die Aufgaben- und Zuständigkeitsnormen dies vorsehen.425 Der zuständige Adressat der Petition hat einen entsprechenden Bescheid über die Art der Erledigung der Petition zu erlassen. Einen Begründungszwang für die zuständigen Stellen gibt es dagegen nicht.426 Der Petitionsausschuss besitzt hinsichtlich der an den Bundestag gerichteten Petitionen das Zuständigkeitsmonopol, mit der Folge, dass an ihn alle im Bundestag eingehenden Bitten und Beschwerden durch den Bundestagspräsidenten weitergeleitet werden, § 109 Abs. 1 S. 1 GOBT. Formelle Zuständigkeit besitzt der Petitionsausschuss nur, wenn die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt sowie im Bereich der Exekutive, bei Beschwerden 421 Vgl. 2.1. Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze), in: Bericht des Petitionsausschusses vom 21. Mai 2003, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/920, Anlage 9, S. 140 ff. 422 Ausnahmen vom Petitionsrecht gelten für Soldaten gemäß Art. 17a Abs. 1 GG (sog. „Meutereiklausel“), teilweise für Beamte sowie bei einer Kontaktsperre bei Strafgefangenen (BVerfGE 49, 64); vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 63. 423 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.II.2.b). 424 Mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 64. 425 Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 64 f. 426 Vgl. BVerfGE 2, 225 (230). Für eine Begründungsverpflichtung dagegen Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 17 Rn. 5.
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gegen das Handeln der Bundesregierung, von Bundesbehörden oder sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben des Bundes wahrnehmen.427 Im Rahmen der Judikative des Bundes findet seine Zuständigkeit Grenzen bei der verfassungsrechtlich gewährten Unabhängigkeit der Justiz, Art. 92, 97, 101 GG. Folglich sind ihm entsprechende Anregungen428 über die Aufhebung rechtskräftiger Entscheidungen oder der Eingriff auf die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Gerichte in laufenden Verfahren nicht möglich.429 Für den Bundestag bedeutet dies, dass einer Erledigung sowohl die vorgesehene Gewaltenteilung im Kernbereich als auch die föderale Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern entgegenstehen können. Entsprechende Beschwerden werden dann an die formell zuständigen Ländervertretungen weitergeleitet. In materieller Hinsicht ist rechtlich verbindliche Abhilfe durch den Bundestag nur möglich, wenn den allgemeinen Aufgaben und Zuständigkeitsnormen eine Abhilfemöglichkeit zu entnehmen ist.430 Das Gesetz hat den Petitionsausschuss selbst nicht zu einem beschließenden Entscheidungsorgan über Petitionen gemacht, obwohl Art. 45 c Abs. 1 GG infolge des Begriffes „Behandlung“ dies zugelassen hätte. Der Petitionsausschuss bereitet somit gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT nur Beschlüsse über Beschwerden nach Art. 17 GG für das Parlament vor. Welche Anträge die Ausschussberichte über Petitionen enthalten müssen, bestimmt § 113 Abs. 2 GOBT.431 Für Petitionen an den Petitionsausschuss des Bundestages schreibt § 112 GOBT im Gegensatz zu den allgemeinen Regelungen vor, dass die „. . . Mitteilungen [über die Art der Erledigung A. d. V.] . . . mit Gründen versehen sein . . .“ sollen. Anders als Gesetzentwürfe oder Anträge unterliegen die Petitionen zudem nicht der Diskontinuität, so dass der Petitionsausschuss alle in der vergangenen Wahlperiode nicht abschließend behandelten Petitionen wieder aufgreifen muss.432 Dem Petitionsausschuss kommen Befugnisse im Rahmen des Petitionsinformierungsrechts gegenüber der Exekutive zu, die andere Ausschüsse 427 Für die Ausführung der Bundesgesetze sind allerdings gemäß Art. 83 GG in der Regel die Länder zuständig, so dass dann an deren zuständige Stellen zu verweisen ist. 428 Vgl. § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT. 429 Vgl. 5. Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze), in: Bericht des Petitionsausschusses vom 21. Mai 2003, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/920, Anlage 9 S. 140 ff.; dazu zählen u. a. die Bereiche der Organisation und Verwaltung der Justiz und das Verhalten von behördlichen Verfahrensbeteiligten in einem laufenden Prozess. 430 Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 65. 431 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 93. 432 Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 382.
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nicht besitzen. So hat er einen Aktenvorlage- und Auskunftserteilungsanspruch gegenüber allen Bundesbehörden und bundesunmittelbaren Behörden, §§ 1 und 2 PetitionG. Die Annexverwaltung der Verfassungsorgane sowie die mittelbare Bundesverwaltung werden im PetitionG dagegen nicht erwähnt. Ihnen gegenüber kann der Petitionsausschuss nur die Rechte aus Art. 17 GG wahrnehmen, d.h. er hat im Rahmen des Petitionsinformierungsrechts gegenüber diesen nur ein Recht auf schriftliches Auskunftsverlangen.433 Der Petitionsausschuss besitzt zudem ein Zutrittsrecht sowie ein Recht auf Inspektionen in Einrichtungen der Bundesexekutive. Diese sind verpflichtet, den Forderungen des Petitionsausschusses nachzukommen, es sei denn, dass der Vorgang nach einem Gesetz geheim gehalten werden muss oder sonstige zwingende Geheimhaltungsgründe bestehen, § 3 Abs. 1 PetitionG. Über die Verweigerung hat die zuständige oberste Aufsichtsbehörde des Bundes zu entscheiden, § 3 Abs. 2 PetitionG. Überdies kann der Petitionsausschuss Gerichte und Verwaltungsbehörden im Wege der Amtshilfe in Anspruch nehmen, § 7 PetitionG. Ist das Anliegen der Petition Gegenstand der Beratung in einem Fachausschuss – vorwiegend handelt es sich dann um einen Gesetzentwurf – muss der Petitionsausschuss eine Stellungnahme des befassten Ausschusses einholen, § 109 Abs. 1 S. 2 GOBT.434 Er ist gemäß § 4 PetitionG zudem zur Anhörung von Petenten, Zeugen und Sachverständigen berechtigt. Wegen der zeitlichen Belastung der Mitglieder des Petitionsausschusses unterbleibt in der Praxis allerdings häufig die erschöpfende Wahrnehmung der genannten Rechte.435 Daneben steht dem Petitionsausschuss im Rahmen des Petitionsüberweisungsrechts die Möglichkeit offen, nach Bearbeitung der Petitionen diese an die entsprechende Stelle der Exekutive zu leiten. Die Überweisung besitzt keinen rechtsverbindlichen Charakter, stellt aber eine Einwirkung auf die materielle Erledigung der Eingabe und die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollfunktion in Form von Kritik gegenüber der Regierung und Verwaltung dar.436 In der Praxis ist die Bereitschaft der Mehrheitsfraktion, politisch brisante Petitionen zur „Berücksichtigung“ oder zur „Erwägung“ an die Bundesregierung zu überweisen und damit „Druck“ zu erzeugen, dagegen relativ gering.437 433
Dazu Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 92 f. Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 381. 435 Vgl. ebenda, S. 382. 436 Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 66 f. 437 Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 384. In der 14. Wahlperiode waren es 10 Petitionen zur „Berücksichtigung“, 475 zur „Erwägung“ aber insgesamt 2.890 als „Material“, die unverbindlichste Form der Überweisung, so Ismayr. Vgl. Bericht des Petitionsausschusses vom 5. Juni 2002, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/9146, S. 109. 434
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Dem Petitionsausschuss steht für die notwendigen Vorarbeiten ein Ausschussdienst zur Verfügung. Dieser setzt sich aus ca. 70 Mitarbeitern zusammen.438 Der Ausschussdienst prüft die Petitionen daraufhin, inwieweit Lücken, Mängel oder Härten Veranlassungen zum Erlass oder zur Änderung von Rechtsnormen geben. Dazu holt er in der Regel Stellungnahmen der betroffenen Ministerien und Behörden ein. Entspricht die zuständige Stelle dem Anliegen des Petenten, wird der Vorsitzende des Petitionsausschusses vom Ausschussdienst darüber informiert. Nur über die sachlich und politisch schwierigen Fälle beschließt der Petitionsausschuss nach Beratungen einzeln. Über die übrigen Petitionen wird gesammelt abgestimmt. Abschließend werden allerdings alle, auch die bereits vorab erledigten Fälle, dem Plenum zur Beschlussfassung vorgelegt.439 In den Jahren 2001440 und 2002441 gingen jährlich etwa 14.000–15.000 neue Petitionen beim Petitionsausschuss des Bundestags ein. Davon besaßen zahlreiche Petitionen einen kinderrechtlichen Bezug. Schwerpunkte im Jahr 2001 waren beispielsweise im Rahmen des Ausländer- und Asylrechts der Kindernachzug442, die Familienzusammenführung443 und die Problematik der Abschiebungshindernisse444, außerdem die Vorbehaltserklärungen zur UN-Kinderrechtskonvention445 sowie Themen wie die Adoption von Kindern446 und Spielzeugwaffen447. Bezüglich der Petitionen zur Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention sprach sich der Petitionsausschuss im Ergebnis für eine Rücknahme der „Interpretationserklärungen“ aus, „. . . um eine bestmögliche Umsetzung der VN-Kinderrechtskonvention zur gewährleisten. Er vertrat die Auffassung, dass die in Bezug auf ausländische Kinder abgegebene Erklärung nicht mit Ziel und Zweck der Konvention vereinbar ist . . .“.448 Die Bundesregierung berief sich bei einer Anhörung des Petitionsausschusses auf die ablehnende Haltung der Bundesländer, die, dem Lindauer Abkommen entsprechend, der Rücknahme des 438
Angabe bei Ismayr, Bundestag, 2000, S. 383. Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 383 f. 440 Vgl. Bericht des Petitionsausschusses vom 5. Juni 2002, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/9146, S. 99. 441 Vgl. Bericht des Petitionsausschusses vom 21. Mai 2003, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/920, S. 82. 442 Vgl. Bericht des Petitionsausschusses vom 5. Juni 2002, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/9146; S. 22 f. 443 Vgl. ebenda, S. 27 f. 444 Vgl. ebenda, S. 26 f. 445 Vgl. ebenda, S. 29 f. 446 Vgl. ebenda, S. 36 f. 447 Vgl. ebenda, S. 74. 448 Ebenda, S. 29. 439
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Vorbehalts zustimmen müssen. Festzustellen bleibt, dass der Petitionsausschuss auch in der Praxis ein Organ ist, welches sich der Durchsetzung und der Kontrolle von Kinderrechtsbelangen widmet. bb) Rechtliche Würdigung des Petitionsausschusses Der Petitionsausschuss stellt keine originäre Kinderschutzinstitution dar, d.h. keine Institution, die sich ausschließlich dem Schutz, der Kontrolle und der Durchsetzung von Kinderrechten widmet. Vielmehr ist er Adressat von Petitionen aller Personen und damit auch von Kindern. Damit kann der Petitionsausschuss nicht alle materiellen Kriterien der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ erfüllen, da er nicht als Kinderschutzinstitution konzipiert ist. In bestimmten Bereichen nimmt er aber, insbesondere in und bei seiner Funktion als Beschwerdeinstanz auch für Kinder, Aufgaben wahr, die die Standards vorsehen. Vor diesem Hintergrund bleibt nun zu fragen, inwieweit der Petitionsausschuss den Anforderungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ entspricht. Anders als bei der Kinderkommission handelt es sich beim Petitionsausschuss um einen in Art. 45c GG festgeschriebenen Ausschuss, der nicht weisungsabhängig ist. Die Einberufung ist damit verfassungsrechtlich vorgeschrieben, während sich Zusammensetzung und Mitgliederzahl nach den allgemeinen Regeln der GOBT in § 12 und § 57 bestimmen. Die Immunität seiner Mitglieder sowie deren Amtsdauer von grundsätzlich vier Jahren legen die Art. 39 Abs. 1 GG sowie Art. 46 Abs. 2 GG fest. Der Petitionsausschuss als sog. ständiger Ausschuss ist allerdings trotz seiner Verankerung in Art. 45 c Grundgesetz kein Verfassungsorgan, sondern ein Unterorgan des Bundestages. Defizite hinsichtlich einer unabhängigen Arbeit des Petitionsausschusses ergeben sich jedoch aus dessen Zusammensetzung, welche gemäß § 12 GOBT, anders als bei der Kinderkommission, entsprechend der Stärke der Fraktionen erfolgt. Dies hat zur Konsequenz, dass die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse für die Bearbeitung und Vorabentscheidung über Petitionen von Relevanz sind und folglich parteipolitische Erwägungen sowie Fraktionszwang in der praktischen Arbeit des Petitionsausschusses eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.449 So sind die Mitglieder der Oppositionsfraktionen im Petitionsausschuss auf die Zustimmung der Ausschussmehrheit angewiesen, wenn sie die vorgesehenen Informationsinstrumentarien im Rahmen der Bearbeitung einer Petition nutzen wollen. Die Bereitschaft der Mehrheitsfraktion zur Wahrnehmung dieser sinkt jedoch in der 449
Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 71.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
Regel umso mehr, je politisch brisanter das Anliegen ist. Ein vor diesem Hintergrund seit geraumer Zeit gefordertes Minderheitenrecht hat sich bislang nicht durchsetzen können.450 Der Petitionsausschuss hat gegenüber der Exekutive Rechte, die weder anderen Ausschüssen noch dem Parlament selbst zukommen.451 Im Gegensatz zur Kinderkommission sind dessen Aufgaben und Kompetenzen in Art. 45 c GG, im PetitionG sowie in der GOBT ausführlich geregelt. Der Petitionsausschuss besitzt damit hinsichtlich seines Handelns Rechtssicherheit und kann folglich als Ausschuss weitgehend unabhängig tätig werden. Im Rahmen seiner Aufgaben und Kompetenzen ist der Zuständigkeitsbereich des Petitionsausschusses positiv anzumerken. Dieser umfasst grundsätzlich alle Petitionen im Bereich der Legislative, Exekutive und Judikative, sofern die Gesetzgebung, das Verwaltungshandeln und die Justiz dem Bund zugeordnet werden können.452 Damit kann der Petitionsausschuss grundsätzlich alle kinderrechtsrelevanten Belange auf Bundesebene einer Untersuchung unterziehen. In der Rechtspraxis setzt sich der Petitionsausschuss im Zusammenhang mit zahlreichen Petitionen mit Kinderrechtsbezug auch für den Schutz, die Kontrolle und Förderung von Kinderrechten ein.453 Seine Befugnisse nach dem PetitionG umfassen allerdings nur die Bundesregierung und die bundesunmittelbare sowie die der Aufsicht der Bundesregierung unterstehende Bundesverwaltung. Die Annexverwaltung der Verfassungsorgane und die mittelbare Bundesverwaltung fallen nicht darunter. Diese Lücken hinsichtlich der Kontrollkompetenz des Petitionsausschusses werden der Nachlässigkeit des Gesetzgebers zugeschrieben, Klarheit über den Aufbau der Bundesverwaltung und deren Zuordnung zur Bundesregierung zu schaffen.454 Im Rahmen des Petitionsinformierungsrechts stehen dem Petitionsausschuss die Befugnisse auf Aktenvorlage, Auskunftserteilung, Zutritt, Zeugenanhörung und die Einholung von Stellungnahmen von Fachausschüssen zu. Dieser umfassende Informationsanspruch ermöglicht ihm eine unabhängige Entscheidungsfindung entsprechend den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ (auch) bei Petitionen im Kinderrechtsbereich. Entscheidungsbefugnis hat er jedoch nicht. Ungeachtet der rechtlichen Möglichkeit, eine solche dem Petitionsausschuss einzuräumen, entschied sich der Gesetzgeber für die abschließende Kontrolle der Beschlussvorlagen durch das Plenum. 450
Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 382. Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 69. 452 Ebenda, S. 75 f. 453 Vgl. die Ausführungen im Abschnitt D.III.2.a). 454 Vgl. Vitzthum, Petitionsrecht und Volksvertretung: Zu Inhalt und Schranken des parlamentarischen Petitionsbehandlungsrechts, Rheinbreitbach 1985, S. 78. 451
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Trotz der zahlreichen Kompetenzen des Petitionsausschusses, die denen der Ombudsmanninstitutionen in anderen Ländern gleichen, fehlen jedoch bestimmte Befugnisse. Kritisch wird beispielsweise seine fehlende abschließende Beschlussfähigkeit angemerkt. Obwohl der Petitionsausschuss das Organ ist, welches sich eingehend mit den Belangen auseinandersetzt, entscheidet das Plenum in einem formalen Akt und in der Regel ohne Aussprache über die Behandlung der Petitionen. Aus diesem Grund wird im Schrifttum eine Übertragung der Kompetenzen auf den Petitionsausschuss als im Grunde kompetenteres Organ diskutiert.455 Im Vergleich zu anderen Ombudsmanninstitutionen, wie dem polnischen Kinderrechtsbeauftragten, besitzt der Petitionsausschuss auch kein Eigeninitiativrecht, welches ihm mittels seiner Befugnisse die eigenständige Verfolgung von Sachverhalten und die Vorlage diesbezüglicher Beschlussempfehlungen im Plenum ermöglichen würde.456 Das sog. Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse ersetzt diese Befugnis aufgrund seiner rein internen Ausgestaltung nicht. Das Eigeninitiativrecht ist besonders dann relevant, wenn eine Person nicht in der Lage ist, von Ihrem Petitionsrecht Gebrauch zu machen. Dies trifft insbesondere für Kinder zu, welche die erforderlichen Fähigkeiten für die Einlegung einer Petition noch nicht besitzen. Aus dem Blickwinkel von Kindern ist überdies der Zugang zum Petitionsausschuss als Nachteil zu bewerten. Hat der Minderjährige die Absicht, sich mit einer Bitte oder Beschwerde an den Ausschuss zu wenden, muss er zunächst die formalen Zugangshürden überwinden. Das heißt, der minderjährige Petent muss sich zum einen schriftlich an den Petitionsausschuss wenden können und zum anderen muss er auch in der Lage sein, sein Anliegen verständlich zu äußern.457 Spezielle Hilfen für Kinder sind dabei nicht vorgesehen. In der Praxis wahrscheinlicher ist daher, dass in diesem Fall die Eltern für ihre Kinder Petitionen einreichen, wobei der Petitionsausschuss zu prüfen hat, ob diese damit einverstanden sind.458 Die Anzahl der Mitglieder im Petitionsausschuss – insgesamt 25 –459 führt zudem, im Vergleich zu einem als Einzelperson amtierenden Ombuds455
Vgl. Schulte (Bearb.), Art. 45 c, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/ Starck, Christian (Hrsg.), Das Grundgesetz – Kommentar, Band 2, Art. 20–82, 5. Auflage, München 2005, Art. 45c Abs. 1 Rn. 31 mit weiteren Anmerkungen. 456 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland?, Frankfurt am Main/Berlin/Bern 1998, S. 90 f. 457 Vgl. 3. Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze), in: Bericht des Petitionsausschusses vom 21. Mai 2003, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/920, Anlage 9 S. 140 ff. 458 Ebenda. 459 Vgl. die Mitglieder des Petitionsausschuss unter: http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a02/mitglieder.html; eingesehen am 30.05.2006.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
mann, in der Praxis zu einem langwierigen Meinungsbildungsprozess; ein Umstand, der sich an den Bearbeitungszeiten von einem Jahr und länger offenbart.460 Ein weiterer Grund für die Bearbeitungszeiten sind die langen Wartezeiten des Petitionsausschusses auf Stellungnahmen von Seiten der Behörden, Ministerien und Fachausschüsse.461 Für Anfragen von Kindern stellen diese Bearbeitungszeiten einen großen Nachteil dar, da sich innerhalb dieser Zeiträume die Bedürfnisse der minderjährigen Petenten aufgrund ihrer Weiterentwicklung vollkommen wandeln können. Ein weiterer Gesichtspunkt, den Franke in diesem Zusammenhang kritisch anmerkt, ist die scheinbar bestehende Anonymität der Entscheidungsfindung und deren Träger in einem Kollegialorgan.462 Der Petitionsausschuss ist demzufolge ein Organ, welches auch, aber nicht schwerpunktmäßig, der Durchsetzung und Kontrolle von Kinderrechten und -interessen dient. Spezielle Regelungen für Minderjährige bestehen nicht. Minderjährige Petenten werden bei der Wahrnehmung ihres Petitionsrechts gleich den Erwachsenen behandelt mit der Folge, dass weder Erleichterungen oder Unterstützung beim Zugang noch spezielle Fristen bei der Bearbeitung bestehen. c) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ein weiterer Bestandteil des staatlichen Institutionennetzes in Deutschland, welches sich unter anderem dem Schutz, der Förderung und Überwachung von Kinderrechten und -interessen widmet, ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, kurz BmFSFJ.463 Das BmFSFJ ist auf Bundesebene für die Realisierung von Kinderrechten und Kinderpolitik zuständig und bezeichnet sich selbst als „Kinderministerium“. Die Nennung des Jugendressorts im Namen des Ministeriums findet sich 460
Vgl. mit weiteren Nachweisen Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 70. Vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 382. 462 Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 70. In diesem Zusammenhang ist noch auf ein faktisches Defizit des Petitionsausschusses hinzuweisen. Der Petitionsausschuss besitzt unter den Abgeordneten einen relativ geringen Stellenwert, da er trotz der einhergehenden Arbeitsbelastung für den Abgeordneten nur bescheidene Möglichkeiten bietet, sich in der Fraktion zu profilieren. Aus diesem Grund finden/fanden sich auch häufig Parlamentsneulinge im Petitionsausschuss wieder; vgl. Ismayr, Bundestag, 2000, S. 382. 463 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 13. 461
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bereits seit 1985.464 Näher zu untersuchen gilt es nunmehr die Rechtsstellung sowie die Aufgaben, Kompetenzen und die Arbeitsweise des BmFSFJ. aa) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise des BmFSFJ Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist Teil des Exekutivorgans Bundesregierung, das sich aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern zusammensetzt. Die Einrichtung der Ministerien sowie die Zuteilung der Ressorts erfolgt aufgrund von Organisationserlassen des Bundeskanzlers465 entsprechend § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg)466. Einige Ressorts, wie das des Bundesministers für Verteidigung, sind nach der Verfassung zwingend vorgeschrieben.467 Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zählt nicht dazu. Die allgemeine Organisation und die Zusammenarbeit der Bundesregierung bestimmen sich im Kern nach den Regelungen in Art. 65 GG sowie in der GOBReg. Im Rahmen der Arbeit der Regierung gelten danach drei Prinzipien: das Kanzlerprinzip468, das Ressortprinzip469 und das Kollegialprinzip.470 464 Vgl. dazu http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Ministerium/geschichte,did=10408. html; eingesehen am 22. August 2005. 465 Vgl. u. a. den Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 27. Oktober 1998, in: BGBl. I S. 3288 sowie den Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 22. Oktober 2002, in: BGBl. I S. 4206. 466 Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. Mai 1951 (GMBl. S. 137), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 21. November 2002 (GMBl. S. 848). 467 Vgl. z. B. Art. 65a GG; vgl. im Übrigen Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 64 Rn. 2. 468 Das Kanzlerprinzip besagt, dass der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und dem Bundestag gegenüber für die Regierungsarbeit verantwortlich ist. Unter Richtlinien der Politik versteht man die grundlegenden und richtungweisenden Entscheidungen, die unter bestimmten Umständen auch Einzelfälle betreffen können: vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 65 Rn. 3. Unterschieden wird dabei zwischen Richtlinien im politischen und im rechtlichen Sinn. Erstere umfassen die politischen Leitvorgaben, u. a. die Regierungserklärungen, letztere dagegen die konkreten Entscheidungen des Kanzlers z. B. bei der Lösung eines Konflikts. Die Richtlinien des Bundeskanzlers sind formlos und binden die Bundesminister und die Bundesregierung, nicht jedoch die anderen Verfassungsorgane: Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung: Aufgabe, Organisation, Arbeitsweise, 3. Auflage, Heidelberg 2001, S. 47 f.; ausführlich dazu Junker, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, Tübingen 1965, S. 45 ff. Die Richtlinienkompetenz ist insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten der Bundesminister von Relevanz, da der Bundeskanzler so auf eine einheitliche Haltung der Bundesregierung hinwirken kann, § 2 GOBReg. Dies gilt vor allem für Gesetzgebungsverfahren, in
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Geleitet wird jedes Ministerium, auch das BmFSFJ, von einer Bundesministerin oder einem Bundesminister. Der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird wie alle anderen Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und leistet vor dem Bundestag vor Amtsübernahme seinen Eid, Art. 64 GG. Die Entlassung erfolgt auf die gleiche Weise, Art. 64 Abs. 1 GG. Als Bundesminister steht er im Verhältnis zum Bund in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis und darf neben seinem Amt weder einer anderen Landesregierung angehören noch einen anderen Beruf ausüben.471 Indemnität und Immunität genießen, im Gegensatz zu Polen472, nur Regierungsmitglieder, die auch Abgeordnete sind. Die Indemnität erfasst allerdings nur Äußerungen, die im Rahmen des Abgeordnetenmandats abgegeben wurden.473 Die Vertretung des Bundesministers erfolgt innerhalb des Ressorts durch den Staatssekretär/Amtschef. Im BmFSFJ handelt es sich derzeit um einen an der Zahl. Dieser leitet die Verwaltung und ist für die zielorientierte Wahrnehmung der Aufgaben des Ministeriums verantwortlich.474 denen die Bundesregierung eine einheitliche Auffassung zu vertreten hat: vgl. Busse, S. 47. Der Bundeskanzler hat aufgrund seiner Richtlinienkompetenz zudem die Möglichkeit, Einzelfragen an sich zu ziehen. 469 In den Details obliegt die Ausformung seiner Politik aber den Ressortministern. Diese sind im Rahmen der Richtlinien des Bundeskanzlers selbständig für ihr Ressort verantwortlich. So trägt jedes Regierungsmitglied für die eigenen Akte und die ihm zugerechneten Akte auch die parlamentarische Verantwortung: vgl. Junker, Die Richtlinienkompetenz, 1965, S. 105. 470 Bestimmte Entscheidungen werden allerdings innerhalb der Bundesregierung als Kollegialorgan gemeinsam gefasst. Das betrifft insbesondere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministern. Gemäß § 15 GOBReg sind zudem alle Angelegenheiten von allgemeiner innen- oder außenpolitischen, wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen oder kulturellen Bedeutung der Bundesregierung zur Beratung und Beschlussfassung zu unterbreiten: vgl. Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 2001, S. 52. 471 Art. 66 GG sowie § 4 und § 5 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung vom 27. Juli 1971, in: BGBl. I S. 1166 mit Änderungen. 472 Die Art. 156 Abs. 1, Art. 198 Abs. 1 pV i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 Staatsgerichtshofsgesetz bestimmen die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Ministerrates vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung der Verfassung oder von Gesetzen oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes begangen werden. Voraussetzung für eine Anklage ist ein Beschluss des Sejm auf Antrag des Staatspräsidenten oder ein Antrag von mindestens 115 Abgeordneten, dem das Parlament mit einer Drei-Fünftel Mehrheit der gesetzlichen Abgeordnetenzahl zustimmen muss, Art. 156 Abs. 2 pV i. V. m. Art. 6 Abs. 2 StGHG. Die vorhandene Möglichkeit des Sejm, einem bestimmten Minister gem. Art. 159 pV das Misstrauen auszusprechen, wird aber im Vergleich zum Verfahren vor dem Staatsgerichtshof der schnellere Weg zur Abberufung des Regierungsmitgliedes sein. 473 Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 46 Rn. 1 und 5. 474 Vgl. § 6 GGO.
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Die Organisation der einzelnen Bundesministerien hat laut § 4 Abs. 1 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)475 so zu erfolgen, dass sie den sich ändernden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen flexibel gerecht werden kann. Das BmFSFJ gliedert sich wie alle Bundesministerien in Abteilungen und Referate, wobei innerhalb der Referate die erste Entscheidung in allen Angelegenheiten getroffen wird. Die Bildung von Unterabteilungen ist laut § 8 GGO möglich, wenn dies sachlich erforderlich ist. Das BmFSFJ besitzt derzeit 5 Abteilungen, die sich in Unterabteilungen und Referate gliedern. Abteilung 5 im BmFSFJ ist in der 16. Legislaturperiode wie bereits zuvor der Bereich Kinder und Jugend zugeordnet. Die dieser Abteilung untergeordneten Referate widmen sich u. a. der Jugendsozialarbeit, dem Kinder- und Jugendschutz, der Integration, der Kinder- und Jugendhilfe sowie der bilateralen und überregionalen jugendpolitischen Zusammenarbeit.476 Beim BmFSFJ sind zudem gegenwärtig zwei Beauftragte angesiedelt: Zum einen der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration477 sowie der Bundesbeauftragte für den Zivildienst. Beide Beauftragte unterstützen die Bundesregierung in unabhängiger und beratender Funktion. Einen Kinderrechtsbeauftragten gibt es nicht.478 Die Bundesministerien nehmen Aufgaben wahr, die der Erfüllung oder der Unterstützung der Regierungsfunktionen dienen. Dazu gehören u. a. die strategische Gestaltung und Koordination von Politikfeldern, die Realisierung von politischen Zielen, Schwerpunkten und Programmen, die Öffentlichkeitsarbeit, die internationale Zusammenarbeit, die Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren in Form der Vorbereitung der Gesetzgebung und des Bundeshaushaltes sowie die Steuerungs- und Aufsichtsfunktion gegenüber dem nachgeordneten Geschäftsbereich gemäß § 3 Abs. 1 GGO.479 Konkret bedeutet dies für das BmFSFJ, dass es ihm im Bereich Kinder und Jugend 475
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 26. Juli 2000, in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Moderner Staat – moderne Verwaltung, Berlin 2000, S. 11. 476 Vgl. Organisationsplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stand: 5. Januar 2006, Az.: 103-1311-01/000. 477 Die Bestellung des Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration erfolgte beispielsweise durch die Bundesregierung per Gesetz (§§ 92–94 Aufenthaltsgesetz). Seine Zuordnung zum BmFSFJ erfolgte am 22. Oktober 2002 per Organisationserlass des Bundeskanzlers: Punkt IV. Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 22. Oktober 2002, in: BGBl. I S. 4206. 478 Bei Vorhaben, die ihre Aufgaben berühren, sind sie gemäß § 21 Abs. 1 GGO frühzeitig zu beteiligen: vgl. zum Thema „Beauftragte“ die Ausführungen unter D.IV.1.a). 479 Vgl. auch Blumöhr/Hübner/Maichel (Hrsg.), Die politische Ordnung in Deutschland, 11. Auflage 2004, S. 77.
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federführend obliegt, die bestehenden Bundesgesetze, z. B. das KJHG (SGB VIII), das Gesetz zur Förderung des freiwilligen ökologischen Jahres, das Gesetz zum freiwilligen sozialen Jahr, das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit sowie das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte, zu betreuen. Es nimmt zudem als Querschnittsaufgabe in engem Kontakt zu anderen Ressorts, den Ländern und Gemeinden sowie der öffentlichen Jugendhilfe die Interessen von Kindern und Jugendlichen in allen Politikbereichen wahr. Dazu gehört insbesondere der Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktbereich. Das BmFSFJ unterstützt und fördert überregionale und bundeszentrale freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe in ihrer Vielfalt und Wertorientierung, ihren Inhalten, Methoden und Arbeitsweisen. Es wirkt bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der europäischen Jugendprogramme mit. Außerdem kann es unabhängige Sachverständige beauftragen und minderjährigenspezifische Forschungsvorhaben fördern.480 Das BmFSFJ kann, soweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht, wie jedes andere Ministerium Gesetzvorlagen z. B. im Bereich Kinder und Jugend erarbeiten. In Angelegenheiten der öffentlichen Fürsorge, auf die die Regelungen des KJHG (SGB VIII) gestützt sind, besteht allerdings konkurrierende Gesetzgebung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. D.h. die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgbungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Der Bund stützt die Regelung der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesgebiet gemäß Art. 72 Abs. 2 GG insbesondere auf die notwendige Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus. Anfänglich war jedoch streitig, ob aus dem Begriff der „öffentlichen Fürsorge“ neben den Regelungen zur Jugendfürsorge ebenfalls eine umfassende Regelungskompetenz des Bundes für die Jugendpflege herzuleiten ist. Das Bundesverfassungsgericht bejahte dies in seiner Entscheidung vom 18. Juli 1967 bereits kraft Sachzusammenhang.481 In der Folgezeit wurde weiter darüber diskutiert, welche einzelnen Bereiche der Jugendhilfe tatsächlich der „öffentlichen Fürsorge“ zurechenbar sind. Unterschiedliche Auffassungen gab es diesbezüglich bei der Jugendarbeit, den Angeboten zur Familienbildung sowie der Förderung von Kindern im Kindergarten.482 Hinsichtlich der Erziehung und Bildung in Kindertagesstätten vertraten der Bayerische Verfassungsgerichtshof und Teile der Lehre die Auffassung, dass es sich um vorbeugende Jugendpflege handelt, die nicht vom Begriff der öffentlichen Fürsorge umfasst sei. Vor diesem 480 Vgl. Informationen des BmFSFJ unter: http://www.bmfsfj.deKategorien/ Ministerium/aufgaben,did=9320.html; eingesehen am 18. August 2005. 481 BVerfGE 22, 180. 482 Vgl. Wiesner (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage, München 2000, Einleitung Rn. 26.
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Hintergrund wird die Ausnahmeregelung des § 26 KJHG (SGB VIII) verständlich, die landesrechtliche Regelungen zulässt, die das Kindergartenwesen dem Bildungsbereich zuordnen.483 Mit Ausnahme der bundesrechtlich geregelten Bereiche besitzen demzufolge die Länder weiterhin die originäre Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Diese wird innerhalb der Landesregierungen von den obersten Landesjugendbehörden wahrgenommen.484 Auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG werden neben den Regelungen des KJHG (SGB VIII) z. B. auch die bundesgesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz (z. B. JÖSchG) gestützt.485 Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besteht u. a. für die kinderrechtsrelevanten Bereiche: bürgerliches Recht und Jugendstrafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) sowie für Ausbildungsbeihilfen für alle Bildungsbereiche (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG). Gegebenenfalls wird die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wie beim Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung, auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt.486 Das Schulrecht selbst fällt dagegen allein in die Kompetenz der Länder. Die Einbringung von Gesetzesvorlagen ins Parlament gemäß Art. 76 GG erfolgt in der Praxis vielfach durch die Bundesregierung. Begründet wird dies mit dem Umfang der Gesetze, die einer umfassenden sachlichen Vorbereitung bedürfen, die faktisch nur von einem Verwaltungsapparat zu erbringen ist. Die in der Bundesregierung entstandenen Entwürfe können allerdings auch aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden487, was die nachträgliche Bestimmung ihrer Herkunft erschwert. Diese Tendenz der Schaffung von Gesetzen durch die Exekutive kann vom Parlament nur durch einen verstärkten Sachverstand in den entscheidenden Gremien ausgeglichen werden.488 Dies gilt ebenso für gesetzliche Regelungen im Bereich Kinder und Jugend. Das BmFSFJ war in den letzten Jahren an zahlreichen Vorlagen im Kinderrechtsbereich wie dem Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung489, dem neuen Jugendschutzgesetz490 sowie der 483 Diese Regelung wird der geschilderten Rechtsauffassung Bayerns gerecht: vgl. mit weiteren Anmerkungen Wiesner (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Einleitung Rn. 26 f. 484 Vgl. Wiesner (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Einleitung Rn. 29. 485 Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 74 Rn. 18. 486 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 23. Juni 1999, in: BT-Drucksache 14/1247, S. 5. 487 Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 76 Rn. 3. 488 Vgl. dazu Rausch, Bundestag und Bundesregierung: Eine Institutionenkunde, 4. Auflage, München 1976, S. 243 f. 489 Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung vom 2. November 2000, in: BGBl. I S. 1479. 490 Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002, in: BGBl. I S. 2730.
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gesetzlichen Regelung zu den sog. „Alkopops“ (Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums491) beteiligt. Legt das BmFSFJ einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, hat es die vom Gesetzentwurf betroffenen Ministerien bei den Vorarbeiten und der Ausarbeitung frühzeitig einzubeziehen, § 45 GGO. Tangieren hingegen Gesetzgebungsvorhaben anderer Ministerien die Belange der Kinder- und Jugendpolitik und besteht insbesondere Klärungsbedarf, inwieweit die vorgesehenen Rechtsnormen mit dem Wohl des Kindes vereinbar sind, ist wiederum das BmFSFJ zu beteiligen.492 Der Bundesregierung unter Federführung des BmFSFJ obliegt zudem die Verbreitung und Umsetzung der Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention. Dem kommt sie u. a. in Form von bundesweiten Projekten und der Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplanes (NAP) nach. Der NAP „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–2010“ wurde am 16. Februar 2005 vom Kabinett verabschiedet.493 Er stellt sechs Handlungsfelder in den Mittelpunkt: Chancengleichheit durch Bildung, Aufwachsen ohne Gewalt, Förderung eines gesunden Lebens und gesunder Umweltbedingungen, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, Entwicklung eines angemessenen Lebensstandards für alle Kinder sowie internationale Verpflichtungen.494 Neben der Umsetzung und Verbreitung der UN-Kinderrechtskonvention nimmt innerhalb der Bundesregierung das BmFSFJ die Berichtspflicht gegenüber dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes wahr. Das BmFSFJ informiert wie jedes Bundesministerium die Öffentlichkeit über seine Arbeit und Ziele. Dies erfolgt zur Kenntnis des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, § 25 Abs. 4 GGO. Das BmFSFJ gibt in diesem Rahmen zahlreiche Publikationen heraus, die zum Teil an Kinder adressiert sind. Zu nennen ist insbesondere das Aufklärungsmaterial für Kinder über ihre Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention.495 Der Zugang zum BmFSFJ gestaltet sich für Kinder mit Internetzugang technisch gesehen einfach. Die Webseite enthält eine kindgerechte Information über das „Kinderministerium“ und ermöglicht einen Kontakt per 491
Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums vom 23. Juli 2004, in: BGBl. I S. 1857. 492 Vgl. Anlage 8 zu § 45 Abs. 1, § 74 Abs. 5 GGO. 493 Vgl. dazu http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=31372. html; eingesehen am 22. August 2005. 494 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Nationaler Aktionsplan: Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–2010 (Kurzfassung), S. 3, unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagem/nap-kurz fassung,property=pdf.pdf; eingesehen am 22. August 2005. 495 Z. B. die Broschüren: „Die Rechte der Kinder von logo einfach erklärt“; „Eine Welt-Fit für Kinder“.
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E-Mail.496 Darüber hinaus gibt es noch ein spezielles Internetportal „Netzcheckers“ für Jugendliche. Nicht beantwortet werden kann allerdings, wie bekannt diese Anlaufstelle bei Kindern in der Praxis tatsächlich ist.497 bb) Rechtliche Würdigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Das BmFSFJ ist als Teil der Bundesregierung und somit als Teil der Verwaltungsorganisation des Bundes498 keine Kinderschutzinstitution im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“, da deren Kriterien eine von der Regierung unabhängige Kinderschutzinstitution vorsehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass einer Kinderschutzinstitution im Sinne der Standards die Kontrolle über das Handeln der öffentlichen Verwaltung und auch über das BmFSFJ zu obliegen hat. Eine Aufgabe, die das BmFSFJ selbst nicht in dieser Form wahrnehmen kann. Unabhängigkeit des BmFSFJ ist deshalb nicht gegeben, weil Ressortaufteilung sowie Ressortbenennung grundsätzlich von der Entscheidung des Bundeskanzlers abhängig sind und damit dem Kanzlerprinzip unterliegen. Eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie, wie sie sich beispielsweise für den Bundesminister für Finanzen und sein Ministerium aus Art. 114 Abs. 1 GG ergibt499, ist für das BmFSFJ nicht vorgesehen. Da außerdem die Berufung und Abberufung des dem BmFSFJ vorstehenden Fachministers und aller anderen Bundesminister rechtlich gesehen allein der Entscheidung des Bundeskanzlers obliegt, besteht zudem keine persönliche Unabhängigkeit des Amtsinhabers.500 Aufgabe des BmFSFJ ist es u. a., die Entwicklung des öffentlichen Lebens durch vielfältige Maßnahmen im Kinder und Jugendbereich zu fördern, Neugestaltungen in die Wege zu leiten und dem Parlament gesetzgeberische Maßnahmen diesbezüglich vorzuschlagen.501 Die Einbringung solcher Gesetzesvorlagen ins Parlament erfolgt, wie beschrieben, aufgrund der fachlichen Kompetenz vielfach durch die Bundesregierung unter Federführung des BmFSFJ. Bei der Erarbeitung von Vorhaben ist das BmFSFJ 496
www.kinder-ministerium.de. Wie oft diese Kontaktmöglichkeit von Kindern tatsächlich genutzt wird, konnte das BMFSFJ nach Anfrage am 16. Januar 2006 nicht beziffern, da die Eingänge nicht statistisch erfasst werden. 498 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 566. 499 Vgl. Art. 65a GG für den Verteidigungsminister. 500 Angemerkt sei, dass weder an eine Entlassung von Bundesministern noch an eine Kabinettsumbildung weitere rechtliche Voraussetzungen geknüpft sind. 501 Dazu allgemein Rausch, Bundestag und Bundesregierung: Eine Institutionenkunde, 4. Auflage, München 1976, S. 211. 497
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zwar hinsichtlich der detaillierten Ausformungen frei, insgesamt ist es jedoch an die vom Bundeskanzler aufgestellten allgemeinen Richtlinien der Politik gebunden. Neben der Erarbeitung und Einbringung von Gesetzesvorlagen nimmt das BmFSFJ in der Praxis zahlreiche öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und Projekte im Bereich Kinder und Jugend vor. Genannt seien u. a. der Nationale Aktionsplan für ein kindgerechtes Deutschland und Projekte, wie die Aufklärungskampagne über die Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums.502 Grundsätzlich wird allerdings bemängelt, dass das Kindeswohl bei der Umsetzung von allgemeinen politischen Maßnahmen und Programmen der Bundesregierung bislang noch keine uneingeschränkte Berücksichtigung findet.503 Das BmFSFJ ist überdies für die Koordinierung der Umsetzung der UNKinderrechtskonvention und für deren Bekanntmachung verantwortlich. In den vergangenen Jahren kam es insbesondere der Verpflichtung zur Bekanntmachung mittels der „Karawane für mehr Kinderfreundlichkeit“ sowie durch die Herausgabe von Druckerzeugnissen für Kinder und Erwachsene nach.504 Gewisse Personengruppen, wie Asylsuchende, Flüchtlinge und ethnische Minderheiten werden indes durch die Kampagnen des BmFSFJ, so die Einschätzung des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes, noch nicht im erforderlichen Maße erreicht. Insgesamt fehlt es, so der UN-Ausschuss, hinsichtlich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention an einer umfassenden Kontrolle des BmFSFJ durch eine zentrale und unabhängige staatliche Institution in Deutschland.505 Kritisch bewertet der UN-Ausschuss darüber hinaus, dass trotz der bestehenden Zuständigkeit des BmFSFJ und der Koordinierungsmechanismen zwischen den einzelnen Bundesländern (z. B. Oberste Landesjugendbehörden) ein umfassender zen502 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Nationaler Aktionsplan: Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–2010 (Kurzfassung), unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagem/nap-kurzfassung, property=pdf.pdf; eingesehen am 22. August 2005, S. 5. 503 Vgl. Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add.226, S. 5. 504 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 31 f. 505 Vgl. Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add.226, S. 4.
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traler Mechanismus zur Koordinierung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention fehlt und damit eine umfassende und kohärente Kinderrechtspolitik auf allen strukturellen Ebenen erschwert wird.506 Das BmFSFJ selbst kann dies, wie die Praxis zeigt, nicht leisten. Dem Zugang zum Bundesministerium nach zu urteilen, ist das BmFSFJ kein allgemeiner Ansprechpartner sowie keine umfassende Beschwerdeund Beratungsinstanz für Kinder. So würde ein allgemeiner Zugang u. a. voraussetzen, dass dieser entsprechend bekannt ist bzw. zielgruppenspezifisch bekannt gemacht wird. Die Kenntnis der Kinder und Jugendlichen vorausgesetzt, besteht technisch gesehen die kindgerecht gestaltete Möglichkeit für Minderjährige, über die Homepage des Ministeriums in Kontakt mit diesem zu kommen. Im Rahmen dieses Minimalangebots können sich Kinder zumindest mit allgemeinen Fragen an das Ministerium wenden. Die Funktion eines allgemeinen Ansprechpartners oder einer Beratungsinstanz wird mit dieser Webseite jedoch nicht wahrgenommen. Andere Kontaktmöglichkeiten sind bislang nicht vorgesehen. d) Die Jugendämter Die Ebene des Bundes soll nunmehr verlassen werden, um die lokale Institution, das Jugendamt, näher zu untersuchen. Im 19. Jahrhundert wurde der deutsche Gesetzgeber erstmals mit dem Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in den Fabriken und mit den Regelungen über die Zwangserziehung strafunmündiger Kinder auf dem Gebiet der Jugendhilfe aktiv. Ziel dieser Bestimmungen war jedoch nicht das Wohl der Kinder, sondern die Sicherung des Rekrutennachwuchses durch eine gesunde Jugend sowie der Schutz der Bürger vor Straftaten von Kindern.507 Kurz vor dem Ersten Weltkrieg richteten einzelne Städte – wie Mainz, Dresden und Magdeburg – erste Ämter für die Jugend ein.508 In einzelnen Ländern gab es überdies erste Gesetze über die Kinderund Jugendfürsorge, welche, wie beispielsweise der preußische Jugendpflegeerlass von 1911, Grundlage für das später erlassene Reichsjugendwohl506
So der Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add.226, S. 3. 507 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 12. 508 Vgl. Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt: Entwicklungslinien der Sozialverwaltung in Deutschland, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, S. 9; Rauschenbach, Von der Jugendwohlfahrt zu einer modernen Kinder- und Jugendhilfe, in: Müller (Hrsg.), Soziale Arbeit: gesellschaftliche Bedingungen und professionelle Perspektiven, 1. Auflage, Neuwied/Kriftel 2000, S. 465–479, S. 465.
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fahrtsgesetz (RJWG) von 1922 waren.509 Alles in allem bewegte sich die damals auf freiwilliger Basis vorhandene Jugendhilfe aber weitestgehend im rechtsfreien Raum.510 Nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen sozialen Folgeproblemen begann für die Jugendhilfe eine Ära, die in einer lang anhaltenden Phase des Aufstiegs münden sollte.511 So regelte die nach dem ersten Weltkrieg verabschiedete Reichsverfassung von 1919 (sog. Weimarer Verfassung) in Art. 7 Nr. 7 dtV1919 erstmals ausdrücklich die Gesetzgebungskompetenz des Reiches für die Kinder- und Jugendfürsorge.512 Seine Gesetzgebungskompetenz nahm der Reichstag schließlich am 14. Juni 1922 mit der Verabschiedung des RJWG war.513 In Kraft trat das Gesetz allerdings erst am 1. April 1924.514 Das RJWG besaß erste Ansätze einer umfassenden Jugendhilfegesetzgebung und stellte die Jugendhilfe zudem auf ein rechtliches Fundament.515 Organisatorisch wurden unter dem Dach des Wohlfahrtsamtes drei Ämter geschaffen: das Jugendamt, das Wohlfahrtsamt und das Gesundheitsamt.516 Beim Jugendamt, welches in allen Stadt- und Landkreisen errichtet werden sollte, war eine Konzentration der öffentlichen Jugendhilfe, d.h. der Jugendpflege und der Jugendfürsorge, vorgesehen. Dabei regelte das RJWG auch das Verhältnis von öffentlicher und freier Jugendhilfe dergestalt, dass das Jugendamt freie Vereinigungen bei der Ausführung seiner Aufgaben zu beteiligen hatte.517 Aufgaben des Jugendamtes waren u. a. die Mitwirkung im Vormundschaftswesen, der Schutz der Pflegekinder, die Mitwirkung bei der Durchführung der Fürsorgeerziehung, die Jugendgerichtshilfe, die Mitwirkung bei der Beaufsichtigung von Kinderarbeit und jugendlichen Arbeitern, 509 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 12; Jordan/Senglinger, Kinder- und Jugendhilfe: Einführung in Geschichte und Handlungsfelder, Organisationsformen und gesellschaftliche Problemlagen, Weinheim/München 2000, S. 40 ff. 510 Vgl. Rauschenbach, Von der Jugendwohlfahrt, 2000, S. 466. 511 Jordan/Senglinger, Kinder- und Jugendhilfe, 2000, S. 43; Rauschenbach, Von der Jugendwohlfahrt, 2000, S. 466. 512 Die Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung vom 11. August 1919, in: RGBl. 1919 I, Nr. 152, S. 1383–1418; abgedruckt in: Hildebrandt, Horst (Hrsg.), Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. aktualisierte und erweiterte Auflage, Paderborn/München/Wien/Zürich 1992, S. 69 ff. 513 Gemäß Art. 12 dtV1919 besaßen die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Reich von seinem Recht selbst noch keinen Gebrauch gemacht hatte. 514 Mit weiteren Anmerkungen Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994, S. 23. 515 Vgl. Rauschenbach, Von der Jugendwohlfahrt, 2000, S. 467; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 13. 516 Vgl. Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994, S. 29. 517 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 13.
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die Mitwirkung bei der Fürsorge für Kriegswaisen, die Mitwirkung in der Jugendhilfe und die Beratung der Eltern.518 Im Gegensatz zur allgemein geregelten Jugendpflege, welche Maßnahmen für die normale Jugend umfasste, bei denen sich der Staat und die Gesellschaft an den Aufgaben der Familie helfend beteiligte, war die Jugendfürsorge, die vorbeugende, schützende oder heilende Maßnahmen in nicht normalen Situationen vorsah, im RJWG sehr detailliert formuliert.519 Diese ungleiche Gewichtung erfuhr bereits in den 20er Jahren Kritik.520 Mit Beendigung der Zeit des Nationalsozialismus521 und des Zweiten Weltkrieges traten noch gravierendere soziale Probleme auf als nach dem Ersten Weltkrieg.522 Nach Bewältigung der Kriegswirren wurde auch das RJWG 1953 novelliert. Das Gesetz sah nunmehr u. a. die Errichtung von Jugendämtern als rechtsverbindliche Aufgabe der Kommunen vor.523 Zudem schrieb das geänderte RJWG den bis heute geltenden zweigliedrigen Aufbau der Behörde, bestehend aus Jugendhilfeausschuss und Verwaltung, fest, worauf im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen wird. 1961 schließlich schuf der Gesetzgeber das JWG, das, basierend auf der katholischen Soziallehre, den Vorrang der freien Träger auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips festlegte und das Erziehungsrecht der Eltern festigte, indem es die Jugendhilfe stärker an den Elternwillen band.524 aa) Allgemeine Ausführungen zum Jugendamt (1) Die Träger der Jugendhilfe Die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierung sowie einer Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen, § 3 Abs. 1 KJHG (SGB VIII). Sie wird durch das Neben- und Miteinander von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe gewährleistet, wobei das KJHG (SGB VIII) eine 518
Vgl. die Übersicht bei Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994,
S. 25. 519
Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 13; Hannemann, Pflicht und Recht, 2002,
S. 99. 520
Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 13. Zum Bedeutungsverlust des Jugendamtes in der Zeit des Nationalsozialismus siehe Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994, S. 42 f.; auch Jordan/ Senglinger, Kinder- und Jugendhilfe, 2000, S. 48 ff. 522 Vgl. Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994, S. 55; Jordan/ Senglinger, Kinder- und Jugendhilfe, 2000, S. 56. 523 Vgl. Kühn, Jugendamt – Sozialamt – Gesundheitsamt, 1994, S. 59. 524 Siehe dazu Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 14. 521
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klare Trennung vornimmt, welche Aufgaben von welchem Träger wahrzunehmen sind.525 Es stellt sich daher die Frage, wer die freien und öffentlichen Träger der Jugendhilfe sind und an welcher Stelle in dieser Systematik das Jugendamt einzuordnen ist. Unter freien Trägern der Jugendhilfe werden natürliche und juristische Personen verstanden, die gesetzliche Aufgaben nach dem KJHG (SGB VIII) erfüllen können und dürfen.526 Die gesetzlichen Bestimmungen des KJHG (SGB VIII) verzichten allerdings, trotz des weiten Verständnisses, auf eine konkrete Festlegung der freien Träger. Eine enumerative Aufzählung der freien Träger existiert folglich nicht. Entsprechend der in § 3 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) hervorgehobenen unterschiedlichen Wertorientierung zählen zu den freien Trägern u. a.: die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, wie Arbeiterwohlfahrt und Deutsches Rotes Kreuz, sowie die Jugendverbände.527 Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden im Gegensatz dazu in § 69 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) explizit genannt. Es sind die örtlichen und überörtlichen Träger. Zu den örtlichen Trägern zählen die Kreise und die kreisfreien Städte. Wer überörtlicher Träger ist, regeln dagegen die Bestimmungen des Landesrechts.528 § 69 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) schreibt den örtlichen und überörtlichen Trägern für die Wahrnehmung der im Gesetz vorgesehenen Aufgaben zwingend die Schaffung von Jugendämtern bzw. Landesjugendämtern vor. (2) Das Jugendamt im Einzelnen Im Vergleich mit anderen Ämtern stellt das Jugendamt aufgrund seiner Zweigliedrigkeit eine Besonderheit dar. So werden seine Aufgaben gemäß § 70 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) sowohl vom Jugendhilfeausschuss als auch von der Verwaltung des Jugendamtes wahrgenommen. Gleiches gilt für die Landesjugendämter. 525 Vgl. auch § 3 und § 4 KJHG (SGB VIII); siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt D.III.3.b)aa). 526 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 3 Rn. 3. 527 Vgl. Papenheim (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 3 Rn. 12 ff.; auch Kunkel, Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Auflage, Baden-Baden 2001, S. 174; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 4 Rn. 3. 528 Überörtliche Träger sind entweder staatliche Behörden oder die höheren Kommunalverbände; vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 69 Rn. 1; vgl. auch Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 177. In Sachsen und Brandenburg sind es staatliche Behörden, das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales und in Brandenburg das Landesjugendamt; siehe Kunkel, S. 390 f.
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Der Jugendhilfeausschuss bindet aufgrund seiner Zusammensetzung die freien Träger in die Arbeit des Jugendamtes mit ein. Danach stammen 3/5 der Mitglieder aus der Vertretungskörperschaft (z. B. Stadtrat)529 und 2/5 sind Vertreter der anerkannten freien Träger der Jugendhilfe.530 Weitere beratende Mitglieder können aufgrund von Landesgesetzen berufen werden, § 71 Abs. 5 KJHG (SGB VIII). Die Rechtsnatur des Jugendhilfeausschusses ist streitig, da er zum einen Bestandteil des Jugendamts ist. Andererseits ähnelt er den anderen beschließenden Ausschüssen der Selbstverwaltungsorganisation, so dass auf den Jugendhilfeausschuss als bundesgesetzlich festgeschriebenen Ausschuss eigener Art neben den Bestimmungen des KJHG (SGB VIII) auch die des Kommunalverfassungsrechts Anwendung finden.531 Zuständig ist der Jugendhilfeausschuss u. a. für die Erörterung aktueller Problemlagen von jungen Menschen und Familien, für Anregungen und Vorschläge für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe, die Jugendhilfeplanung, die Förderung der freien Jugendhilfe, die Geschäftsordnung sowie die Mittelverwendung.532 Außerdem ist er in allen Angelegenheiten der Jugendhilfe sowie bei der Berufung eines Jugendamtsleiters durch die Vertretungskörperschaft anzuhören.533 Der Jugendhilfeausschuss dient folglich der Kommunikation, der Verteilung von Zuschüssen, der Planung und der Vertretung von Kindern und Jugendlichen.534 Er ist dabei gemäß § 70 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) ein der Verwaltung des Jugendamtes übergeordnetes Gremium. Trifft folglich die Verwaltung Entscheidungen, welche der Zuständigkeit des Jugendhilfeausschusses unterliegen, sind diese Entscheidungen rechtswidrig. Sie sind jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 SGB X analog heilbar. Während sich die Beratungen auf alle Angelegenheiten der Jugendhilfe beziehen können, müssen sich die Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses im Rahmen der durch die Vertretungskörperschaft festgelegten Mittel, Satzungen und Beschlüsse halten.535 Der Verwaltung obliegt folglich neben der Umsetzung der Beschlüsse der Vertretungskörperschaft (z. B. Stadtrat) auch die Ausführung der Entscheidungen des Jugendhilfeausschusses.536 Der Verwaltung steht entweder der 529 Beim Landesjugendamt werden 3/5 der Vertreter durch Landesrecht bestimmt, § 71 Abs. 4 KJHG (SGB VIII). 530 § 71 Abs. 1 KJHG (SGB VIII). 531 Vgl. Vondung (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 70 Rn. 2a. 532 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 179. Siehe auch § 71 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) sowie § 71 Abs. 3 KJHG (SGB VIII). 533 § 71 Abs. 3 KJHG (SGB VIII). 534 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 183. 535 Vgl. dazu Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 180. Vgl. die Abbildung im Anhang F.IX. 536 Überdies ist das Jugendamt auch an das Gesetz aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 185.
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Leiter der Verwaltung der Gebietskörperschaft (Oberbürgermeister/Landrat) oder ein Jugendamtsleiter vor, der die Geschäfte der laufenden Verwaltung führt, § 70 Abs. 2 KJHG (SGB VIII).537 Dazu zählen grundsätzlich alle Geschäfte, welche eine ungestörte und ununterbrochene Fortdauer der Verwaltungstätigkeit gewährleisten sollen, d.h. in der Regel in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und zugleich nach Größe und Umfang der Verwaltungstätigkeit sowie Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind.538 bb) Rechtsstellung sowie Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise der Jugendämter (1) Rechtsstellung des Jugendamtes Der örtliche Träger ist, wie erwähnt, nach § 69 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) verpflichtet, ein Jugendamt einzurichten, welches die Aufgaben der Jugendhilfe erfüllt. Die Kompetenz des Bundes für diese Regelung ergibt sich aus Art. 84 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG.539 Das Jugendamt besitzt daher aufgrund seiner bundesgesetzlichen Festschreibung im Vergleich zu anderen Ämtern eine gewisse Selbständigkeit. Daraus folgt, dass das Jugendamt weder in ein anderes Amt innerhalb der Kommunalverwaltung eingegliedert werden kann noch dass ein anderes Amt seine Aufgaben wahrnehmen darf.540 Im organisationsrechtlichen Sinne ist das Jugendamt keine eigene Behörde, sondern Teil der kommunalen Behörde. Betrachtet man das Jugendamt allerdings funktional, stellt es eine Behörde im Sinne von § 1 VwVfG und § 1 Abs. 2 SGB X dar, da es als Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. So handelt das Jugendamt bei der Ausübung bestimmter Aufgaben, wie der Amtsbeistandschaft, der Amtspflegschaft und der Amtsvormundschaft gemäß § 55 KJHG (SGB VIII) als gesetzlich bestellter Vertreter einer natürlichen Person, wie eine Behörde nach außen hin selbständig und ist Träger von Rechten und Pflichten.541 537
Für das Landesjugendamt vgl. § 70 Abs. 3 KJHG (SGB VIII). Vgl. BGH, in: DVBl 1979, Heft 13, Jhg. 94, S. 514–516, S. 515; auch Kunkel, Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Auflage, Baden-Baden 2001, S. 185; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 70 Rn. 2. Vgl. die Übersicht im Anhang F.IX. 539 Zu dieser Problematik siehe Vondung (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 69 Rn. 8; sowie BVerfGE 22, 180 (211). Die Träger werden zur Errichtung von Jugendämtern verpflichtet. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG beruht die Bestimmung der Behörde auf einer Annexkompetenz zur materiellen Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. 540 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 69 Rn. 3 f. Gleiches gilt auch für das Landesjugendamt, welches selbständige Organisationseinheit innerhalb der Körperschaft der Träger ist: Vondung (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 69 Rn. 9. 541 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 187 f. 538
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Als Teil der kommunalen Behörde gehört das Jugendamt zur Exekutive. Dennoch weist es aufgrund seiner Zusammensetzung542 Besonderheiten im Vergleich zu anderen Exekutivorganen auf. Die Jugendhilfe ist eine weisungsfreie Pflichtaufgabe der örtlichen Träger im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten. Die Maßnahmen des Jugendamtes unterliegen daher hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit der Überprüfung durch eine übergeordnete Behörde (sog. Rechtsaufsicht). Eine Fachaufsicht, d.h. die Prüfung der Zweckmäßigkeit seiner Maßnahmen findet dagegen nicht statt.543 Die Rechtsaufsicht bestimmt sich nach dem jeweiligen Kommunalverfassungsrecht und wird vom Regierungspräsidium/ der Bezirksregierung und dem Innenministerium wahrgenommen.544 Das Landesjugendamt ist folglich keine dem Jugendamt im aufsichtsrechtlichen Sinne übergeordnete Behörde.545 (2) Ziele der Jugendhilfe und des Jugendamtes Die allgemeinen Ziele der Jugendhilfe und des Jugendamtes, die dazu beitragen sollen, dass ein junger Mensch bei seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert wird,546 nennt § 1 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) in vier Punkten: Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 KJHG (SGB VIII) soll die Jugendhilfe junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Eine entsprechende Umsetzung kann u. a. durch die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen gemäß § 22 KJHG (SGB VIII) und durch Jugendarbeit gemäß § 11 KJHG (SGB VIII) erfolgen. Überdies entspricht § 9 Nr. 3 KJHG (SGB VIII), der die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebens542
Beim Jugendhilfeausschuss als Teil des Jugendamts und als Ausschuss eigener Art stammen, wie oben bereits erwähnt, 3/5 der Mitglieder, welche Entscheidungen für das Jugendamt treffen, aus dem Legislativorgan – der Vertretungskörperschaft – der Kommune oder werden von diesem vorgeschlagen. Die anderen 2/5 sind Vertreter der anerkannten freien Träger und sollen die Mitarbeit von externen Personen, die in der Jugendarbeit aktiv sind, gewährleisten. Vgl. § 71 Abs. 1 KJHG (SGB VIII). Kritisch zur demokratischen Legitimation dieser Mitglieder: Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 71 Rn. 3. Siehe zu den historischen Quellen: Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 188; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 71 Rn. 3. 543 Vgl. Vondung (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 69 Rn. 2a; auch Kunkel, Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Auflage, Baden-Baden 2001, S. 187. 544 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 187; siehe zum Ganzen auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 589 ff. 545 Vgl. Vondung (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 69 Rn. 2a. 546 Siehe § 1 Abs. 1 KJHG (SGB VIII).
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lage von Jungen und Mädchen zu beachten verlangt und zur Förderung der Gleichberechtigung verpflichtet, der Zielsetzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 KJHG (SGB VIII). Weitere Bestimmungen zum Ausgleich von sozialen und individuellen Benachteiligungen enthält § 13 KJHG (SGB VIII), welcher insbesondere Maßnahmen der Jugendsozialarbeit vorsieht, und § 35 a KJHG (SGB VIII), der für seelisch behinderte Kinder Eingliederungshilfen für den Abbau der Benachteiligung bestimmt.547 Ein weiteres Ziel formuliert § 1 Abs. 3 Nr. 2 KJHG (SGB VIII), wonach die Jugendhilfe Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen soll. Damit versucht man staatliche Eingriffsmaßnahmen in das Elternrecht zu vermeiden und stattdessen die Erziehungskraft und -fähigkeit der Eltern sowie ihre erzieherische Kompetenz zu stärken und zu fördern.548 Entsprechende Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie sieht der Zweite Abschnitt des KJHG (SGB VIII) in den §§ 16–21 sowie mit den Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27–35 vor. Gemäß dem dritten Ziel in § 1 Abs. 3 Nr. 3 KJHG (SGB VIII) soll die Jugendhilfe Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen. Folgend aus dem staatlichen Wächteramt kann und muss die Jugendhilfe gegebenenfalls präventive oder repressive Maßnahmen ausüben. Unter präventive Maßnahmen fallen dabei u. a. der erzieherische Kinder- und Jugendschutz gemäß § 14 KJHG (SGB VIII), die Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. KJHG (SGB VIII) und die Beratung eines Kindes oder Jugendlichen ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten in einer Not- und Konfliktlage gemäß § 8 Abs. 3 KJHG (SGB VIII). Als repressiv gelten die vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gemäß §§ 42 KJHG (SGB VIII) sowie die Vorschriften über den Schutz Minderjähriger in Familienpflege und Einrichtungen, §§ 44–48 a KJHG (SGB VIII).549 Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 KJHG (SGB VIII) schließlich soll die Jugendhilfe dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. Das Jugendamt hat danach über die Leistungsverpflichtungen und sonstigen Aufgaben hinaus die Belange von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit zu vertreten.550 So soll eine „Einmischung“ der Jugendhilfe in andere Politik- und Zuständigkeitsbereiche im Interesse von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien erfolgen und darauf hinwirken, die Stadt- und Kommunalpolitik von kinderfreundlicheren Konzepten zu 547 548 549 550
Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 15. Mit weiteren Anmerkungen Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 16. Vgl. dazu Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 17. Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 32.
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überzeugen.551 Ausformungen dieses Ziels enthalten § 80 (Jugendhilfeplanung) und § 81 (Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen) KJHG (SGB VIII). Das Jugendamt kann diesem Ziel insbesondere mit seinem Jugendhilfeausschuss gerecht werden, der Problemlagen von Kindern und Jugendlichen diskutieren und Weiterentwicklungen der Jugendhilfe anregen und vorschlagen kann.552 Aufgrund dieser sich auf die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen beziehenden Zielrichtung der Jugendhilfe, hält Kunkel die Einführung von Kinderanwälten oder Kinderbeauftragten für überflüssig.553 Die Aufzählung der Ziele ist nicht abschließend, was sich aus dem Tatbestandsmerkmal „insbesondere“ ergibt.554 Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) enthält keine konkreten Aufgabenzuweisungen, sondern beschreibt die Zielsetzungen, von denen der Gesetzgeber bei der Ausformung der Leistungen und der anderen Aufgaben der Jugendhilfe ausgegangen ist. Diese Ziele sind bei der Interpretation der in § 2 aufgeführten Einzelregelungen zu beachten. Ebenso haben sich konkrete jugendhilferechtliche Maßnahmen sowohl der öffentlichen als auch der freien Jugendhilfe an diesen Grundzielen zu orientieren.555 (3) Aufgaben und Kompetenzen des Jugendamtes Für die Verwirklichung der oben genannten Ziele sind der Jugendhilfe bestimmte Aufgaben zugewiesen, wobei nach § 2 KJHG (SGB VIII) zwischen (Sozial)leistungen556 im eigentlichen Sinn und anderen Aufgaben zugunsten junger Menschen, die im Wesentlichen auf Grund des staatlichen Wächteramts zu erfüllen sind, unterschieden wird.557 551
Mit weiteren Anmerkungen Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 18. Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 18. 553 Siehe Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 32. 554 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 1 Rn. 13. 555 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 14. 556 Als Sozialleistungen gelten alle Vorteile, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer Rechte dem Einzelnen zugute kommen sollen. Sie sind möglich als Dienst-, Sach- und Geldleistungen, wobei die persönlichen und erzieherischen Hilfen zu den Dienstleistungen gehören (§ 11 Satz 2 SGB I); vgl. mit weiteren Nachweisen Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 2. 557 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt D.II.3.b); vgl. auch Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 18. Bei den in § 2 KJHG (SGB VIII) genannten Aufgaben handelt es sich um die Kernaufgaben der Jugendhilfe, welche durch Annexaufgaben, wie §§ 74, 75, 77, 78a–g, 80, 81, 90–97 und 98 ergänzt werden. Weitere Aufgaben des Jugendamts finden sich zudem in anderen Gesetzen, so z. B. im Adoptionsvermittlungsgesetz; vgl. Kunkel, § 2 Aufgaben der Jugendhilfe, in: Becker-Textor/ Textor (Hrsg.), SGB VIII – Online-Handbuch, S. 1, unter: http://www.sgbviii.de/ S38.html; eingesehen am 20.01.2004. 552
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Die Leistungen nach § 3 Abs. 2 S. 1 KJHG (SGB VIII) werden von den Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe gemeinsam erbracht, wobei allerdings die freien Träger einen relativen Vorrang genießen.558 Die Leistungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe stellen im Unterschied zu den Leistungen privater Träger öffentlich-rechtliche Sozialleistungen dar, die den Regelungen des SGB unterliegen. Die Leistungen der freien Träger werden auf privatrechtlicher Grundlage erbracht.559 Der relative Vorrang der freien Träger bei der Leistungserbringung findet allerdings seine Grenze an dem Grundsatz, dass die Letztentscheidung über die Erbringung staatlicher Leistungen vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu treffen ist.560 Denn die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Leistungen im SGB VIII verbleibt gemäß § 79 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe.561 In der Praxis erbringen die freien Träger den überwiegenden Anteil an den Jugendhilfeleistungen in Deutschland.562 Die anderen Aufgaben nehmen dagegen grundsätzlich die Träger der öffentlichen Jugendhilfe wahr, es sei denn das KJHG (SGB VIII) bestimmt anderes (§ 76 KJHG (SGB VIII)) und die öffentlichen Träger beteiligen die freien Träger mit der Ausführung, § 3 Abs. 3 KJHG (SGB VIII). Eine solche Beteiligung setzt das Einverständnis des freien Trägers voraus. Verantwortlich für die Erfüllung der Aufgaben bleibt gemäß § 79 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) die öffentliche Jugendhilfe, da der freie Träger keine eigenen, sondern deren Aufgaben wahrnimmt.563 Die (Sozial)leistungen des KJHG (SGB VIII) bewegen sich zwischen präventiv alltagsorientierten Angeboten der Jugendarbeit bis hin zu extrem individualisierten sozialpädagogischen Einzelhilfen.564 Sie sind in § 2 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) abschließend aufgezählt und werden im zweiten Kapitel des KJHG (SGB VIII) in den §§ 11–41 konkretisiert. Innerhalb der einzelnen Leistungsbereiche sind weitergehende Maßnahmen möglich, wie sich bereits aus der Formulierung des § 27 Abs. 2 S. 1 KJHG (SGB VIII) ergibt. Die sog. Innovationsklausel lässt weitere, nicht in den §§ 28–35 SGB VIII aufgeführte Hilfen zu, vorausgesetzt, eine dem Wohl des Kindes oder des 558 Zum Vorrang Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 3 Rn. 5; siehe auch zum Subsidiaritätsprinzip § 4 Abs. 2 KJHG (SGB VIII). 559 Papenheim (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 3 Rn. 7. 560 Vgl. BVerfGE 22, 180 (203 f.); Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 3 Rn. 5. 561 Siehe dazu Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 189. Zu den einzelnen Gewährleistungspflichten der Träger der öffentlichen Jugendhilfe siehe § 79 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) sowie Kunkel, S. 190. 562 Vgl. mit weiteren Nachweisen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 170. 563 Vgl. Papenheim (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 3 Rn. 15; Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 172. 564 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Hannemann, Pflicht und Recht, 2002, S. 164.
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Jugendlichen entsprechende Erziehung kann anders nicht gewährleistet werden und die Hilfe erweist sich überdies für seine Entwicklung als geeignet und notwendig.565 Zu den Leistungen zählen die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit sowie erzieherischer Kinder- und Jugendschutz gemäß §§ 11–15 KJHG (SGB VIII), die Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie gemäß §§ 16–21 KJHG (SGB VIII), die Förderung von Kindern in Tagesstätten und in der Tagespflege gemäß §§ 22–26 KJHG (SGB VIII) sowie die Hilfen zur Erziehung, die Erziehungshilfen für seelisch behinderte Kinder und die Hilfen für junge Volljährige gemäß §§ 27–35a KJHG (SGB VIII). Inwieweit diese Bestimmungen Rechtsansprüche normieren, hängt vom Grad der Verbindlichkeit einer Leistungsvorschrift ab.566 Das Gesetz unterscheidet insoweit zwischen Muss-, Soll- und Kann-Leistungen.567 So genannte Muss-Vorschriften verpflichten die Jugendhilfebehörde zum Handeln, ohne das es einen Ermessenspielraum gäbe.568 Sie gewähren einen unmittelbaren und individuellen Rechtsanspruch nur dann, wenn die Norm den Schutz des Einzelnen bezweckt (Schutzzwecktheorie). Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, handelt es sich um eine Muss-Vorschrift ohne Rechtsanspruch, wie bei § 11 Abs. 3 Nr. 6 KJHG (SGB VIII).569 Zu den Muss-Vorschriften mit Rechtsanspruch zählen u. a. die Trennungsberatung gemäß § 17 KJHG (SGB VIII), die Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge durch Alleinerziehende, beim Umgangsrecht und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen laut § 18 KJHG (SGB VIII), die Beratung und Unterstützung bei notwendiger Unterbringung zur Erfüllung der Schulpflicht gemäß § 21 S. 1 KJHG (SGB VIII), Beratungen bei der Tagespflege gemäß § 23 Abs. 2 KJHG (SGB VIII), die Garantie eines Kindergartenplatzes nach § 24 KJHG (SGB VIII) sowie die Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. KJHG (SGB VIII).570 Bei vielen Regelungen im Leistungsbereich handelt es sich dagegen um sog. Soll-Vorschriften. Soll-Vorschriften verpflichten die Behörde, sofern 565 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 3; sowie Kunkel (Bearb.), LPKSGB VIII, § 27 Rn. 13. 566 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 9. 567 Siehe dazu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 135 ff. 568 Das Wort „muss“ ist prinzipiell entbehrlich. Der Anspruch muss nur unzweideutig klargestellt sein. Eine Verpflichtung besteht daher auch, wenn die Formulierungen „hat Anspruch auf“, „ist ein Anspruch gegeben“ oder „ist“ und „sind“ lauten: vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 9. 569 Es handelt sich um die Jugendberatung; im Übrigen Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 61, der diesbezüglich auch auf § 4 Abs. 1 S. 1 BSHG verweist. 570 Vgl. die Übersicht bei Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 38.
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kein atypischer Ausnahmefall vorliegt, grundsätzlich so zu verfahren wie es im Gesetz bestimmt ist. Grundsätzlich bedeutet ein „Soll“ folglich ein „Muss“.571 Auch in diesen Fällen ist wieder je nach Schutzzweck der Norm darüber zu entscheiden, ob es einen Rechtsanspruch auf die Leistung gibt oder nicht. Zu den Sollleistungen ohne Rechtsanspruch zählen u. a. die Familienberatung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 KJHG (SGB VIII), die Beratung zur selbstorganisierten Förderung von Kindern gemäß § 25 KJHG (SGB VIII) sowie die Beratung in Fragen der Tagespflege von Zusammenschlüssen von Pflegepersonen gemäß § 23 Abs. 4 KJHG (SGB VIII).572 Sollleistungen mit Rechtsanspruch sind die Betreuung in gemeinsamen Wohnformen für Mütter, Väter und Kinder gemäß § 19 KJHG (SGB VIII), die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen nach § 20 KJHG (SGB VIII) sowie die Hilfen für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1–3 KJHG (SGB VIII).573 Bei sog. Kann-Vorschriften entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen über das „Ob“ (Entschließungsermessen) und „Wie“ (Auswahlermessen) der Leistung. Dabei hat er gemäß § 39 Abs. 1 SGB I sein Ermessen pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.574 Die Ermessensentscheidung muss in ihrer Begründung die Gesichtspunkte, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist, erkennen lassen, § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X. Ein Anspruch auf fehlerfreies Ermessen besteht nur dann, wenn die Ermessensnorm den Schutz des Einzelnen bezweckt.575 In diesen Fällen besteht ein einklagbarer Anspruch, der zur Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung führen kann. Kann-Leistung sind u. a. die Übernahme der Kosten der Unterbringung einschließlich des notwendigen Unterhalts sowie die Krankenhilfe nach § 21 KJHG (SGB VIII). Bezüglich dieser Leistungen hat der Personensorgeberechtigte einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.576 Weitere Kann-Leistungen ohne Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung sind die sozialpädagogisch begleiteten Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 KJHG (SGB VIII).577 571 Siehe dazu BVerwGE 56, 220 (223); vgl. auch Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 10. 572 Vgl. die Übersicht bei Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 38. 573 Vgl. die Übersicht bei Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 63 ff. 574 Dazu Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 11. 575 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 61. 576 Siehe Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 65. 577 Vgl. Nonninger/Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 13 Rn. 24; gleiches gilt bei § 13 Abs. 3: ebenda, § 13 Rn. 27.
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Die anderen Aufgaben der Jugendhilfe zugunsten junger Menschen und Familien werden in § 2 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) abschließend benannt.578 Detailliert finden sie sich in den §§ 42–60 KJHG (SGB VIII). Diese Aufgaben sind regelmäßig keine Sozialleistungen i. S. d. § 11 SGB I; in Teilbereichen enthalten aber auch sie Leistungen.579 Sie unterscheiden sich von den Leistungen in der Hinsicht, dass für sie nicht der Grundsatz der Freiwilligkeit, das Wunsch- und Wahlrecht und das Mitwirkungsrecht gelten.580 Im Wesentlichen resultieren die anderen Aufgaben aus dem staatlichen Wächteramt.581 Danach obliegt es der Jugendhilfe als Teil der staatlichen Gemeinschaft gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 KJHG (SGB VIII), über die Pflege und Erziehung der Kinder zu wachen und diese sicherzustellen, soweit die Eltern dazu nicht in der Lage sind.582 Der Zweck der anderen Aufgaben ist folglich der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl.583 Im dritten Kapitel des KJHG (SGB VIII) werden die anderen Aufgaben in fünf Abschnitte unterteilt. Der 1. Abschnitt bestimmt die vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Der 2. Abschnitt normiert den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und in Einrichtungen. Der 3. Abschnitt regelt die Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren und der 4. Abschnitt beschäftigt sich mit der Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft für Kinder und Jugendliche sowie mit der Auskunft über die Nichtabgabe von Sorgeerklärungen. Entsprechende gesetzliche Konkretisierungen des staatlichen Wächteramtes, die zum Teil „an den Eltern vorbei“ erbracht werden können, sind z. B. die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 KJHG (SGB VIII).584 Umfasst wird mit § 42 KJHG (SGB VIII) nun auch die Herausnahme des Kindes aus der eigenen Familie – allerdings nur vorläufig und kurzzeitig.585 Die Mitwirkung der Personensorgeberechtigten bei der Ausübung der Maßnahmen nach § 42 KJHG (SGB VIII) ist allerdings nicht völlig ausgeschlossen, da sie bei der Fortführung der Maßnahmen von Relevanz ist.586 Eingeschränkt weisen die 578 Die Regelung lässt allerdings weitere Aufgaben der Jugendhilfe nach dem KJHG (SGB VIII) oder nach anderen Gesetzen zu: vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 18 sowie Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 135. 579 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 18. 580 Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 135. 581 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 18. 582 Vgl. auch die Ausführungen oben im Abschnitt D.II.2.c)ee) sowie D.II.3.b). 583 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 135. 584 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 1 Rn. 13; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 35; vgl. auch die Ausführungen im Abschnitt D.II.3.b). 585 Vgl. Jung (Bearb.), § 42 Rn. 13 f., in: Jung (Hrsg.), SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2008. 586 Vgl. Steffan (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 2 Rn. 19.
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Eingriffsrechte auch leistungsrechtliche Elemente auf. So kann die Inobhutnahme durch die Jugendlichen erbeten werden (leistungsrechtliches Element) sowie gegen deren Willen erfolgen (eingriffsrechtliches Element). (4) Arbeitsweise des Jugendamtes Aufgaben der Jugendhilfe, wie das Vormundschaftswesen, die Beurkundung und Beglaubigung, die Hilfe zur Erziehung durch Leistungsbescheid sowie die Bearbeitung von Kostenbeiträgen und Kostenerstattung werden als Geschäfte der laufenden Verwaltung durch die Verwaltung des Jugendamtes wahrgenommen.587 Daneben unterstehen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe u. a. die Tageseinrichtungen und Jugendtreffs als Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe.588 Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben bedient sich das Jugendamt aufgrund der Aufgabenvielfalt unterschiedlicher Rechtsformen.589 So wird das Amt sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich tätig. Im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Handelns darf das Jugendamt zum einen durch schlichtes und vorbereitendes Verwaltungshandeln, z. B. im Rahmen seiner Beratungstätigkeit, auftreten und zum anderen durch regelndes Handeln. Letzteres kann, wie beim Erlass von Verwaltungsakten gemäß § 31 SGB X und beim Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen nach § 53 SGB X, Außenwirkung besitzen oder, wie bei Weisungen und Verwaltungsvorschriften, nur interne Wirkung entfalten. Ein privatrechtliches Vorgehen des Jugendamtes mittels Vertrag kommt insbesondere bei der Regelung der Benutzung von Einrichtungen – beispielsweise von Kindertagesstätten – in Betracht.590 Richtet sich das Handeln des Jugendamtes auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, setzt dies ein Verwaltungsverfahren in Gang. Voraussetzung dafür ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Jugendamtes, welche sich aus den §§ 85 ff. KJHG (SGB VIII) ergibt. Danach ist der örtliche Träger gemäß § 85 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) sachlich zuständig, soweit keine Zuständig587
Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 203. Die sind entweder unselbständige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder in privatrechtlicher Form organisiert oder der öffentliche Träger bedient sich der freien Träger: dazu Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 203 f. 589 § 61 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) i. V. m. § 35 SGB I; siehe dazu Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, Anhang 5 Rn. 22; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 215 ff. 590 Vgl. zum Ganzen Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 208 f. Abschließend sei noch angemerkt, dass das Jugendamt im gesamten Verfahren die Vorschriften zum Datenschutz zu beachten hat. Werden im Widerspruch zu diesen Bestimmungen Daten erhoben, gespeichert oder übermittelt, ist der daraufhin erlassene Bescheid rechtswidrig. 588
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keit des überörtlichen Trägers gegeben ist. Örtlich zuständig ist grundsätzlich das Jugendamt, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 86 Abs. 1 S. 1 KJHG (SGB VIII).591 Über die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entscheidet in der Regel das Jugendamt nach seinem Ermessen, § 18 S. 1 SGB X. Anderes gilt, wenn die Stellung eines Antrages gesetzlich vorausgesetzt wird. In diesen Fällen darf die Behörde nur dann tätig werden, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt.592 Einen solchen Antrag dürfen bereits Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr stellen (§ 36 Abs. 1 SGB I). Anregungen zur Gewährung von Jugendhilfeleistungen gemäß § 8 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) können allerdings auch jüngere Kinder geben.593 So gewährt § 8 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden. Dieses Initiativrecht können Minderjährige allerdings weder ohne noch gegen ihre Eltern wahrnehmen.594 Bei der Durchführung des Verwaltungsverfahrens gilt der Amtsermittlungsgrundsatz mit der Folge, dass das Jugendamt Hausbesuche durchführen kann und die Beteiligten bezüglich der anspruchsbegründenden Tatsachen, soweit erforderlich, zur Mitwirkung verpflichtet sind.595 Der Verwaltungsakt des Jugendamts ist formfrei, d.h. er kann schriftlich, mündlich oder konkludent ergehen, § 33 Abs. 2 SGB X. Ein schriftlicher Verwaltungsakt bedarf einer Begründung, § 35 SGB X. Enthält der schriftliche Verwaltungsakt eine belastende Entscheidung oder entspricht er nicht vollständig dem Antrag des Antragsstellers, muss er mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein, § 36 SGB X. Gegen den Verwaltungsakt kann der Adressat nach Bekanntgabe beim Jugendamt Widerspruch einlegen, § 62 SGB X i. V. m. §§ 40, 68 Verwaltungsgerichtsordnung.596 Das Jugendamt hat in diesem Fall entweder die Möglichkeit, dem Widerspruch durch einen Abhilfebescheid abzuhelfen oder einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, wenn es dem Begehren nicht folgen kann. Gegen letztere Entscheidung kann der Betroffene Klage beim Verwaltungsgericht erheben.597 591 Siehe dazu im Einzelnen die Übersicht bei Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 211 ff.; siehe auch Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, Anhang 5 Rn. 4 ff. 592 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, Anhang 5 Rn. 15. 593 Vgl. die Ausführungen oben im Abschnitt D.II.3.b). 594 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 15. 595 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, Anhang 5 Rn. 17, zur Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts siehe Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, Anhang 5 Rn. 18 f. 596 Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (Neubekanntmachung), in: BGBl. I S. 686 mit Änderungen. 597 Siehe dazu ausführlich Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 214 f. Zum Verwaltungsverfahren sei noch angemerkt, dass die Beteiligten nur während des laufenden Verfahrens ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 25 SGB X besitzen.
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Die Aufgabenerfüllung und Arbeitsweise hängen maßgeblich von der Grundausstattung durch die öffentlichen Träger ab. Diese haben gemäß § 79 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) die rechtzeitige Bereitstellung der erforderlichen und geeigneten Einrichtungen und Dienste in pluraler Breite sowie deren ausreichende Personal- und Finanzausstattung zu gewährleisten. Werden die normierten Qualitätsstandards nicht erreicht, erfüllen die öffentlichen Träger ihre Gewährleistungspflicht nicht. Auch die Haushaltspläne der öffentlichen Träger müssen diesen Vorgaben entsprechen, d.h. in ihren Haushaltsansätzen eine entsprechende Finanzausstattung vorsehen598, da sie ansonsten rechtswidrig und für die Beschlussfassung im Jugendhilfeausschuss nach § 71 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) nicht bindend sind.599 Zu erwähnen ist abschließend noch die Mitarbeiterstruktur des Jugendamtes, die für die Aufgabenerfüllung wesentlich ist. So schreibt das KJHG (SGB VIII) in § 72 Abs. 1 vor, dass hauptberuflich nur Mitarbeiter beschäftigt werden sollen, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen (§ 72 a KJHG (SGB VIII)) und eine entsprechende Ausbildung oder Erfahrung in der sozialen Arbeit besitzen. Zudem sollen Fortbildungen die fachliche Qualität des Personals sicherstellen.600 Für die Anzahl der Mitarbeiter im Jugendamt existieren von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Richtwerte, die allerdings, so Kunkel, eine allgemeine Aussage über die Beschäftigtenzahlen in der Praxis nur schwer ermöglichen.601 (5) Rechtliche Würdigung des Jugendamts Wie der geschichtliche Rückblick aufzeigte, wurde das Jugendamt 1922 als umfassende Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche geschaffen.602 Zu fragen bleibt, inwieweit die Institution „Jugendamt“ aufgrund ihrer Rechtsstellung sowie ihrer Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise rechtlich den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ entspricht und wie sich die Rechtspraxis gestaltet. Der Schwerpunkt der Bewertung liegt hierbei auf den kommunalen Jugendämtern.603 598 Die Angemessenheit findet teilweise ihre Konkretisierung in Landesgesetzen. Die Quote bewegt sich dabei zwischen 10–15% des Haushaltsansatzes: vgl. mit weiteren Nachweisen Rechentin (Bearb.), § 79 Rn. 9, in: Jung (Hrsg.), SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2008. 599 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 190. 600 Vgl. § 72 Abs. 3 KJHG (SGB VIII); sowie die Übersicht über die Fachkräfte der Jugendhilfe bei: Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 186. 601 Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 187. 602 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte der Jugendhilfe?, in: Deutsche Jugend 1990, Heft 3, S. 127–132, S. 127.
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Das Jugendamt wird durch ein Gesetz, das KJHG (SGB VIII), statuiert, welches umfassend seine Organisation (z. B. die Zusammensetzung und die Wahl der Mitglieder des Jugendhilfeausschusses) sowie seine Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise regelt. Im Unterschied zu den bereits erörterten Institutionen der Legislative, Kinderkommission und Petitionsausschuss, handelt es sich beim Jugendamt um eine Institution der Exekutive. Die Jugend- und Landesjugendämter arbeiten zudem nicht auf Bundesebene, sondern sind in die administrative Struktur der Kommunen bzw. des Landes eingebunden. Diese Nähe zum Alltagsgeschehen in der Verwaltung versetzt das Jugendamt einerseits in die Lage, bereits im Anfangsstadium von Planungsvorhaben seine Vorstellungen von einer kinderfreundlichen Politik mit einbringen zu können. Diese Einbindung in die Verwaltung bedeutet andererseits allerdings auch ein Weniger an Unabhängigkeit, da zumindest die Mitarbeiter der Verwaltung einer Amtshierarchie und der Loyalität zur Amtsspitze unterliegen.604 Dieser Effekt wird jedoch kompensiert durch die Zweigliedrigkeit des Jugendamts, die es insbesondere den Vertretern im Jugendhilfeausschuss gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 KJHG (SGB VIII) ermöglicht, sich umfassend und kritisch mit den Interessen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen zu befassen. Durch die Zweigliedrigkeit besitzt das Jugendamt einen Status, der ihm als Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung ein relativ eigenständiges Handeln möglich macht.605 In der Praxis nehmen allerdings die Vertreter der freien Träger diesen Gestaltungsauftrag in vielen Fällen nicht wahr. Stattdessen agieren sie im Jugendhilfeausschuss als Lobbyisten ihrer Organisationen, die sich nur dann beteiligen, wenn die materiellen Interessen ihres Verbandes berührt werden und sich ansonsten, wie Merchel anmerkt, aus der aktiven Arbeit heraushalten.606 Damit entzieht der Jugendhilfeausschuss der Verwaltung des Jugendamts die Basis, sich innerhalb der kommunalen Verwaltungsstruktur oder innerhalb des Landes zu einem Anwalt der Kinder zu profilieren.607 Der Jugendhilfeausschuss ist aus politischen Vertretern, aber auch Vertretern der freien Träger zusammengesetzt. Dabei sind gerade letztere auf603
Die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ enthalten diesbezüglich keine Vorgaben und gelten auch für regionale und lokale Kinderschutzinstitutionen. Regionale Kinderschutzinstitution wäre in diesem Zusammenhang das Landesjugendamt, lokale die kommunalen Jugendämter. 604 Dazu Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 52 f. 605 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 130. 606 Vgl. Merchel, Eine Lobby für Kinder. Zu den Schwierigkeiten, eine wirkungsvolle politische Interessenvertretung für Kinder zu schaffen, in: Gernert (Hrsg.), Über die Rechte des Kindes, Stuttgart/München/Hannover 1992, S. 221–232, S. 224; siehe auch Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 54. 607 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 128.
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grund ihrer Tätigkeit besonders fachlich qualifiziert, die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu beurteilen und Impulse zur Verbesserung der Situation im Jugendhilfeausschuss zu geben.608 Die Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses ist allerdings zugleich kritisch zu sehen, da sie sich in der Regel nach den politischen Mehrheiten in der Vertretungskörperschaft richtet. So repräsentieren 3/5 der Vertreter unmittelbar die Mehrheitsverhältnisse in der Vertretungskörperschaft609 und die übrigen 2/5 wählt die Vertretungskörperschaft aus einer Vorschlagsliste der freien Träger aus, so dass hier ebenfalls mehrheitsbedingte Schwerpunktsetzungen möglich sind. Grundsätzlich besteht damit für die kommunale Kinder- und Jugendpolitik die Gefahr, zum Spielball für parteipolitische Auseinandersetzungen im Jugendhilfeausschuss zu werden. Problematisch ist bei den Vertretern der freien Träger im Jugendhilfeausschuss zudem deren demokratische Legitimation. Während diesbezüglich bei den Vertretern der Vertretungskörperschaften keine Beanstandungen bestehen, erfolgt die Aufstellung der Vorschlagsliste für die übrigen 2/5 Mitglieder ohne ein bestimmtes demokratisches Verfahren.610 Letztlich wird es aber als ausreichend angesehen, dass die Mehrheit der Entscheidung tragenden Mitglieder (3/5) im Jugendhilfeausschuss eine demokratische Legitimation besitzt.611 Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die weisungsfreien Pflichtaufgaben der Jugendämter obliegt grundsätzlich der Entscheidung der Vertretungskörperschaft und damit dem legislativen Element der Kommune. Allerdings fordert Art. 79 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) eine ausreichende Ausstattung. Eine allgemein gültige Quote für die Jugendhilfe, die im Haushaltsansatz zu berücksichtigen ist und die Angemessenheit konkretisiert, gibt es nicht.612 Die oben beschriebenen Aufgaben, welche das Jugendamt, d.h. die Verwaltung und der Jugendhilfeausschuss gemeinsam nach den Bestimmungen des KJHG (SGB VIII) als Teil einer kommunalen Behörde wahrnehmen sollen, gehen weit über das traditionelle Aufgabengebiet einer Behörde der sozialen Leistungsverwaltung hinaus.613 Aufgrund seiner Gesamtverantwor608 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 127–132, S. 127. 609 § 71 Abs. 1 Nr. 1 KJHG (SGB VIII), d.h. sind Mitglieder der Vertretungskörperschaft oder von ihr gewählte Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren sind. 610 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 71 Rn. 2. 611 BVerfGE 93, 37 (67 f.); vgl. auch Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 71 Rn. 2. 612 Vgl. Rechentin (Bearb.), § 79 Rn. 9, in: Jung (Hrsg.), SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2008. Dem Jugendhilfeausschuss steht über die Verwendung der von der Vertretungskörperschaft bereit gestellten Mittel ein Beschlussrecht zu. 613 Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, München 1995, S. 32.
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tung über die Jugendhilfe hat das Jugendamt folglich die gesamte staatliche Tätigkeit auf Relevanz für die Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen zu prüfen und dementsprechend Einfluss zu nehmen. Entsprechend den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ obliegt es dem örtlichen Jugendamt (insbesondere dem Jugendhilfeausschuss), auf allen Ebenen und in allen Politikbereichen Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen aufzunehmen und umzusetzen. Insbesondere kann es die Verletzung oder Nichtbeachtung von Kinderrechten, die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik und die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention erörtern. Im Wesentlichen befasst sich der Jugendhilfeausschuss allerdings mit den Grundsatzund Strukturfragen der örtlichen Jugendhilfe.614 Dafür darf sich das Jugendamt an die Politik und die Öffentlichkeit wenden.615 Mit der Verpflichtung zur Jugendhilfeplanung (§ 80 KJHG (SGB VIII)), mit der sich insbesondere der Jugendhilfeausschuss befasst (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 KJHG (SGB VIII)), besitzt das Jugendamt zudem ein Instrument, dass für die Entscheidung über den Stellenwert der Jugendhilfe in der kommunalen Politik von Bedeutung ist.616 Unter Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Bedingungen können die erörterten Vorstellungen so auf lokaler Ebene umgesetzt werden.617 Trotz dieser umfangreichen Tätigkeitsfelder der öffentlichen Jugendhilfe beschränkt sich die konkrete örtliche Zuständigkeit des Jugendamts hinsichtlich der Gewährung von Leistungen und im Rahmen von Eingriffen in der Regel auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt. Der Wirkungskreis der Jugendämter befindet sich folglich in allererster Linie auf der kommunalen Ebene. Betrachtet man zudem den allgemeinen Gestaltungsauftrag des Jugendamts im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik und die konkreten Aufgaben im Leistungs- und Eingriffsbereich, so ist das Jugendamt durch das KJHG (SGB VIII) als eine Institution konzipiert worden, welche vor allem im kommunalen Bereich umfassend die Belange von Kindern wahrnehmen soll. Ergänzt wird dieser kommunale Wirkungsbereich der Jugendämter allerdings durch die Arbeit der Landesjugendämter, insbesondere des Landesjugendhilfeausschusses, der auf Landesebene die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen aufzunehmen und bei seinen Planungen zu berücksichtigen hat. 614 Vgl. Kaufmann (Bearb.), der von einem Rollenkonflikt ausgeht, in: Wiesner/ Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, § 71 Rn. 18. 615 Vgl. Merchel, Eine Lobby für Kinder, 1992, S. 221–232, S. 224. 616 Ebenda, S. 230. 617 Vgl. Kaufmann (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, § 71 Rn. 17.
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Die Wahrnehmung des Jugendamts in der Praxis ist eine andere als es die Konzeption ursprünglich vorsah.618 So bewerten Stimmen in der Lehre die Ausübung des allgemeinen Gestaltungsauftrags und der konkreten Aufgaben durch das Jugendamt durchaus kritisch. Kritik wird dabei an der Arbeit der Jugendhilfeausschüsse geübt, welche sich, so u. a. Merchel, nur unzureichend mit der Erörterung aktueller Problemlagen von Kindern und Jugendlichen widmen und im Wesentlichen von der Interessenpolitik der Vertreter geprägt sind.619 Dabei bemängeln Stimmen vor allem die ungenügende Beachtung von Kinderinteressen (0–12 Jahre) im Jugendhilfeausschuss, da der Fokus in der Praxis aus ihrer Sicht auf den Belangen von Jugendlichen liegt.620 Vor diesem Hintergrund ist die Schaffung der zahlreichen kommunalen Kinderrechtsbeauftragten zu sehen, die nur als Kritik am bestehenden System zu interpretieren sind. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung beanstanden Vertreter in der Lehre auch die fachlichen Entscheidungen über die Gewährung von Erziehungshilfen oder andere Formen der Unterstützung, welche ihrer Ansicht nach von den Jugendämtern in der Praxis nach fachfremden Kriterien gefällt werden, die oft der finanziellen Situation der Jugendämter geschuldet seien.621 Kritisiert wird neben der Aufgabenausübung zudem der Zugang zum Jugendamt. Rechtlich ist der Zugang für Kinder und Jugendliche zum Jugendamt durch § 8 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) gewährleistet, der ihnen das Recht einräumt, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an die Institution zu wenden. Das Initiativrecht können Minderjährige allerdings weder ohne noch gegen ihre Eltern ausüben, mit der Folge, dass die Eltern im Regelfall zu unterrichten sind.622 Beratungen dürfen nur, soweit erforderlich, in Not- und Konfliktlagen ohne die Kenntnis des Personensorgeberechtigten stattfinden (§ 8 Abs. 3 KJHG (SGB VIII)), da nur in diesen Fällen eine Einschränkung des in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verankerten Elternrechts als zulässig erachtet wird.623 Das Jugendamt gilt überdies in der Praxis häufig als bürokratische, „hochschwellige“ Instanz statt als Anlaufstelle für Jugendliche.624 Aus diesen Gründen suchen es Kinder und Jugendliche z. B. in Fällen des sexuellen Missbrauchs in der Regel nicht von selbst 618 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 128; Merchel, Eine Lobby für Kinder, 1992, S. 224. 619 Vgl. Merchel, Eine Lobby für Kinder, 1992, S. 224; siehe auch Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 54. 620 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 128. 621 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 53. 622 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 15. 623 Vgl. ebenda, § 8 Rn. 17. 624 Vgl. Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 128; Merchel, Eine Lobby für Kinder, 1992, S. 224.
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auf.625 Allgemeine Appellations- und Beschwerdeinstanz für Kinder und Jugendliche ist das Jugendamt daher tendenziell eher nicht. e) Die Gerichte – insbesondere das Jugendgericht, das Familienund Vormundschaftsgericht unter besonderer Berücksichtigung der Gerichtshilfen des Jugendamtes und des sog. „Anwalts des Kindes“ aa) Allgemeine Ausführungen Die Funktionsentscheidung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG erfordert neben einer Trennung der Gewalten auch eine Übertragung der Funktionen auf besondere Organe. Die Gerichte sind nach dem Grundgesetz diejenigen besonderen Organe des Staates, denen speziell die Funktion der Rechtsprechung übertragen wurde und die mit Richtern besetzt sind.626 Die Gerichte als organisatorisch selbständige Organe des Staates sprechen durch die Richter, welche von organisatorischer Selbständigkeit, persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit sowie durch Neutralität und Distanz gegenüber den übrigen Verfahrensbeteiligten gekennzeichnet sind627, im Namen des Volkes Recht.628 Unter Rechtsprechung wird dabei im funktionalen Sinne die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall im Rahmen eines besonders gesetzlich geregelten Verfahrens verstanden.629 Die Gerichte sprechen allerdings nicht nur Recht, sondern nehmen auch Verwaltungstätigkeit wahr. Insbesondere im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit regeln sie Angelegenheiten ohne rechtsverbindliche Entscheidung oder treffen rechtsgestaltende Entscheidungen, in denen sie nicht als neutrale Instanz entscheiden. Als Beispiel für letzteren Fall seien die Eingriffsrechte des Staates im Rahmen des § 1666 BGB genannt.630 Das Rechtsprechungsmonopol, welches die Gerichte und Richter als Ausdruck der Gewaltenteilung besitzen, bezieht sich nach herrschender Ansicht daher nicht nur auf die Rechtsprechung als Streitentscheidung, sondern auch auf die anderen 625
Vgl. Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 53. Daneben nehmen sie außerdem Rechtspflegeaufgaben und Verwaltungstätigkeiten wahr; vgl. insgesamt Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 379. 627 Dabei können Richter sowohl Berufs- als auch Laienrichter sein: vgl. insgesamt Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 92 Rn. 7 f. 628 Vgl. Art. 92 GG. Zur historischen Entwicklung der Judikative: Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 373 ff. 629 Vgl. BVerfGE 103, 111 (138); dazu Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 92 Rn. 4. 630 Vgl. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 3. Auflage, Stuttgart/München/Hannover 2002, S. 44. 626
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Aufgaben, die Gerichten traditionell anvertraut sind, wie große Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit.631 Das Gerichtswesen gliedert sich fachlich in mehrere Zweige. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit, zu welcher die streitige Zivil- und Strafgerichtsbarkeit sowie die freiwillige Gerichtsbarkeit gehören, sind dies die Verfassungs-632, Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit.633 Entsprechend dem bundesstaatlichen Prinzip sind die Gerichte entweder dem Bund oder den Ländern zugeteilt, mit der Folge, dass die jeweils zuständige Organisationseinheit die Errichtung und Ausstattung der Gerichte vornehmen muss. Die Gerichte des Bundes nennen abschließend die Artt. 92, 95 und 96 GG. Dazu zählen das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht und der Bundesfinanzhof.634 Bei den übrigen Gerichten handelt es sich um solche der Länder.635 Aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert ein allgemeiner Justizgewährungsanspruch, der dem Einzelnen garantiert, dass Gerichte im Sinne von Art. 92 GG über seinen Fall entscheiden müssen. Ein Anspruch auf mehrere gerichtliche Instanzen ergibt sich daraus nicht.636 Bei der Rechtsfindung müssen die Gerichte im Rahmen ihres Auftrags zur Rechtsfortbildung mitunter die im Recht vorhandenen Lücken schließen. Folglich entstehen durch die Rechtsprechung zum einen teilweise neue Anspruchsgrundlagen. Zum anderen wird der Normenbestand laufend geklärt und konkretisiert. Die Rechtsprechung besitzt für den Rechtsverkehr gesetzesgleiche Wirkung, so dass das Richterrecht als Rechtsquelle angesehen wird.637 Dies gilt allerdings nur dann, wenn Richterrecht allgemein beachtet und anerkanntermaßen zum Gewohnheitsrecht wird. Eine präjudizielle Wirkung einzelner Gerichtsentscheidungen auf andere Urteile wird dagegen allgemein abgelehnt.638 Auch im Kinderrechtsbereich wurden Gerichte rechtsfortbildend, ergänzend und konkretisierend tätig. Exemplarisch zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzgl. der Annerkennung der Grundrechtsberechtigung von Minder631
Nicht dazu gezählt werden das Urkunds- und Registerwesen. Vgl. insgesamt Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 47. 632 Vgl. dazu Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 346 ff. 633 Vgl. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 33 f. 634 Vgl. ferner die Bundesgerichte nach Art. 96 GG, wozu das Bundespatentgericht zählt. 635 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 92 Rn. 1. 636 BVerfGE 54, 277 (291). 637 Siehe dazu Röhl, Allgemeine Rechtslehre, Köln/Berlin/Bonn 1995, S. 572; vgl. auch die Ausführungen und Anmerkungen zu den Rechtsquellen unter D.II. 638 Vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 572 f.
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jährigen639, der Herleitung des Kinder- und Jugendschutzes aus dem Grundgesetz und dessen Verfassungsrang640 sowie bzgl. der Anordnung der unmittelbaren Wirkung des Art. 6 Abs. 5 GG641. Die Gewährleistung von effektivem Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren hat durch eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung zu erfolgen. Dem dient Art. 103 Abs. 1 GG. Mit dem Recht auf Gehör vor den Gerichten ist den Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zum Gegenstand des Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Einen Anspruch auf rechtliches Gehör besitzen auch Minderjährige. Gleiches trifft im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu, wenn ein Richter entscheidet.642 Insbesondere in familien- und vormundschaftsgerichtlichen Verfahren galten vor der Kindschaftsreform die bestehenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen, wie die Anhörung von Minderjährigen gemäß § 50 b FGG, als nicht ausreichend, um die Interessen von Kindern in diesen Verfahren umfassend zu wahren. Das Bundesverfassungsgericht merkte daher an, dass zur verfahrensrechtlichen Sicherung des sich aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Kindeswohls in Verbindung mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör sich die Pflicht ergibt, Kindern bereits im familiengerichtlichen Verfahren einen Pfleger zur Wahrung ihrer Interessen zur Seite zu stellen, sofern anzunehmen ist, dass die Interessen der Eltern mit denen ihrer Kinder im Widerspruch stehen.643 Der Gesetzgeber schuf schließlich mit der Einführung eines Verfahrenspflegers (§ 50 FGG) eine Institution, die diese Defizite bei der Wahrung der Interessen von Kindern in Verfahren vor den Familien- und Vormundschaftsgerichten beseitigen helfen und damit der grundrechtlichen Position von Kindern Rechnung tragen sollte.644 Vor den Gerichten gelten neben dem Recht auf Gehör die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Verfahrensgrundsätze der Öffentlichkeit, Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Nach dem Öffentlichkeitsgrundsatz (z. B. in § 169 GVG) haben die Verhandlung vor dem Gericht einschließlich der Ver639 Vgl. dazu mit weiteren Anmerkungen die Ausführungen oben in Abschnitt D.II.2.b). 640 Vgl. dazu mit weiteren Anmerkungen die Ausführungen oben in Abschnitt D.II.2.c)bb). 641 Dadurch wurde der Gesetzgeber beauftragt, gleiche Bedingungen für uneheliche wie für eheliche Kinder zu schaffen und entgegenstehendes einfaches Gesetzesrecht außer Kraft gesetzt: vgl. dazu mit weiteren Anmerkungen die Ausführungen oben in Abschnitt D.II.2.c)dd). 642 Vgl. mit weiteren Nachweisen Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 135. 643 Vgl. BVerfGE 99, 145 (in: NJW 1999, 52. Jhg., Heft 9, S. 631–634. S. 631). 644 Vgl. BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 129; vgl. dazu auch die Ausführungen unter D.III.4.c)bb).
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kündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich zu erfolgen. Ausnahmen gelten u. a. zum Schutz der Privatsphäre der beteiligten minderjährigen Personen für Verhandlungen in Familiensachen, insbesondere bei Kindschaftsangelegenheiten (§ 170 GVG), sowie im Jugendstrafverfahren (§ 48 Abs. 1 JGG). Weitere Ausnahmen von der Öffentlichkeitsmaxime finden sich für das streitige Verfahren in den §§ 170 f. GVG. Die Verkündung des Urteils ist allerdings grundsätzlich immer öffentlich.645 Für das FGG-Verfahren gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit allerdings nicht, da der Schutz der Persönlichkeitssphäre der Verfahrensbeteiligten dem Interesse einer öffentlichen Verhandlung vorgeht.646 Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Mündlichkeitsgrundsatz sieht vor, dass bei Gericht mündlich verhandelt wird und nur das mündlich Vorgetragene in der Entscheidung berücksichtigt wird. Ausnahmen zugunsten des schriftlichen Verfahrens werden durch die einzelnen Verfahrensordnungen allerdings zugelassen.647 So besteht im FGG-Verfahren kein Grundsatz der Mündlichkeit und schriftliches Vorbringen ist folglich zu beachten.648 Der Unmittelbarkeitsgrundsatz verlangt schließlich Verhandlungen und Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht. Auch hier sehen die Verfahrensordnungen zahlreiche Ausnahmen vor. So lässt beispielsweise § 255a StPO649 im Strafprozess zum Schutz von Zeugen unter 16 Jahren, die Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen das Leben oder von Misshandlungen waren, auch Bild-Ton-Aufzeichnungen von früheren richterlichen Vernehmungen zu, die eine richterliche Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung ersetzen können. Für das FGGVerfahren nimmt die herrschende Meinung an, dass der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt. Stimmen in der Lehre halten diese Ansicht für verfehlt, da sie ein falsches Verständnis bzw. eine Vermengung der Begriffe Unmittelbarkeit und Mündlichkeit durch die herrschende Lehre ausmachen.650 Neben diesen drei generellen Verfahrensmaximen sind die Verfahren zudem entweder von der Offizial- oder Dispositionsmaxime sowie der Untersuchungs- oder Verhandlungsmaxime geprägt. Das bedeutet im ersten Fall, dass das Gericht entweder auf Ersuchen einer staatlichen Behörde (z. B. Staatsanwalt) oder auf Antrag der Streitparteien651 (z. B. Zivilverfahren) tä645
Vgl. z. B. § 173 GVG mit seiner Ausnahmeregelung in Abs. 2. Vgl. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 134 f. 647 Vgl. z. B. § 128 ZPO mit seiner Ausnahmeregelung in Abs. 2. 648 Vgl. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 135. 649 Vgl. Strafprozessordnung (StPO) vom 7. April 1987, in: BGBl. I, S. 1074, ber. S. 1319 mit Änderungen. 650 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 133. 651 Die Streitparteien können auch den Inhalt und den Ablauf des gerichtlichen Verfahrens bestimmen. 646
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tig wird. Für die Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie etwa Sorgerechtsverfahren, gilt der Offizialgrundsatz.652 Außerdem unterscheiden sich die Verfahren danach, ob das Gericht verpflichtet ist, den Sachverhalt selbst aufzuklären (Untersuchungsmaxime) oder ob die Tatsachen dem Gericht durch die Parteien vorgebracht werden müssen (Verhandlungsmaxime). Grundsätzlich gilt für den Straf- und Verwaltungsprozess die Untersuchungsmaxime und für den Zivilprozess die Verhandlungsmaxime. Ausnahmen davon sieht die Zivilprozessordnung allerdings in Verfahren in Ehe- und Kindschaftssachen vor. In diesen Fällen kann das Gericht gemäß § 616 Abs. 1 ZPO bzw. § 640 Abs. 1 i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Beteiligten nicht vorgebracht wurden. Die Prozessbeteiligten und somit auch Kinder können oder müssen sich durch einen Rechtsanwalt653 ihrer Wahl beraten und vor dem Gericht vertreten lassen. Tangieren bestimmte Verfahren, wie vor den Familiengerichten und Jugendgerichten, besonders stark Kinderinteressen, sehen die bestehenden Verfahrensordnungen besondere gesetzliche Bestimmungen zum Schutz von Kinderbelangen in Form von spezialisierten Verfahrensbeteiligten vor. Spezialisierter Verfahrensbeteiligter ist insbesondere das Jugendamt, welches im Jugendstrafverfahren die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte zur Geltung bringt und in Verfahren vor dem Familien- und Vormundschaftsgericht zum Wohl des Kindes mitwirkt und das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt. Der Verfahrenspfleger, als weiterer Verfahrensbeteiligter soll hingegen gemäß § 50 FGG den Kindswillen ergründen und die subjektiven Interessen des Kindes als Partei im Verfahren darstellen.654 Neben dieser Unterstützung besteht für bestimmte Verfahren die Möglichkeit einer Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB. Danach erhält ein Minderjähriger, der unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. In Frage kommt eine Ergänzungspfleger im Verwaltungsverfahren beispielsweise bei minderjährigen Asylsuchenden ohne Eltern, bei denen das Jugendamt zwar zum Amtsvormund/Amtspfleger bestellt ist, aber nicht die erforderlichen speziellen Kenntnisse im Ausländer- und Asylrecht besitzt.655 Im Zivilverfahren erhält der Minderjährige u. a. dann einen Ergänzungspfleger, sofern er 652
Vgl. ebenda, S. 125. Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung. Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959, in: BGBl. I S. 565 mit Änderungen. 654 Ausführlich dazu D.III.4.c)bb). 655 Vgl. mit Anmerkungen Diederichsen (Bearb.), Kommentar, 2003, § 1909 Rn. 7; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 57. 653
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beide Eltern auf Unterhalt verklagt. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers hält das Bundesverfassungsgericht zudem für erforderlich, wenn die Eltern wegen einer Interessenkollisionen zwischen ihnen und dem Kind nicht Willens oder in der Lage sind, namens des Kindes Verfassungsbeschwerde zu erheben.656 Verfahren von besonders großer Relevanz für die Durchsetzung von Kinderrechten und -interessen sind das Jugendstrafverfahren sowie die Verfahren vor den Familien- und Vormundschaftsgerichten. Beiden Verfahren müssen sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich dem Kindeswohl gerecht werden. Dementsprechend zeichnen sich die Verfahren, je nach den gesetzlichen Voraussetzungen, durch eine Beteiligung des Jugendamts und/ oder die Bestellung eines Verfahrenspflegers aus. Dies ist Grund genug im Rahmen der Analyse von Institutionen, die dem Schutz oder der Durchsetzung von Kinderrechten dienen, die genannten Verfahren überblicksartig darzustellen. Ergänzt werden diese Ausführungen um die nicht zur Judikative zählenden spezialisierten Verfahrensbeteiligten „Jugendamt“ und „Verfahrenspfleger“. (1) Das Jugendstrafrecht und die Jugendgerichte Das Jugendstrafrecht knüpft an die schuldhafte Begehung einer Straftat an und reagiert mit Zwang. Folglich ist Jugendstrafrecht „echtes Strafrecht“.657 Dies wird bereits anhand des Verfahrens mit seinen polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen sowie richterlichen Eingriffsbefugnissen und in Hinblick auf die Sanktionen, welche Freiheitseinschränkungen gegen den Willen des Betroffenen begründen, deutlich.658 Ziel der Intervention ist es, auf begangene Straftaten so zu reagieren, dass die Täter von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten und ihnen die bestehenden Normen verdeutlicht werden.659 Im Unterschied zum Er656 Vgl. BVerfGE 72, 122 (135 f.); BVerfGE 99, 145 (NJW 1999, 52. Jhg., Heft 9, S. 631–634. S. 632). Zum Verhältnis Verfahrenspfleger, Ergänzungspfleger Walter, Die Stellung des Minderjährigen im Verfassungsbeschwerdeverfahren, in: FamRZ 2001, Heft 1, S. 1–7, S. 3 ff. 657 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 13. Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, S. 1, Riekenbrauk (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 52 Rn. 2. Siehe zu den einzelnen weltweit bestehenden Modellen des Jugenstrafrechts (Justiz- und Wohlfahrtsmodell): Streng, Jugendstrafrecht, Heidelberg 2003, S. 8; auch Schaffstein/Beulke, a. a. O., S. 1. 658 Vgl. Riekenbrauk (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 52 Rn. 2. 659 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 2, Riekenbrauk (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 52 Rn. 2. Kritisch dazu Streng, Jugendstrafrecht, Heidelberg 2003, S. 7.
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wachsenenstrafrecht folgt das Jugendstrafrecht zusätzlich, so der BGH, dem Leitgedanken der Erziehung, wonach auf den Sozialisationsprozess der straffälligen jugendlichen Täter pädagogisch Einfluss genommen werden soll.660 Begründet wird die spezialpräventive Verbrechensvorbeugung durch Erziehung mit der bestehenden größeren Formbarkeit junger Menschen. Demnach führt beharrliche Erziehungsarbeit bei jungen Straffälligen eher zum Erfolg als dies bei Älteren der Fall wäre.661 In diesem Sinne gestalten sich die Strafen, die den Gesichtspunkt der Resozialisierung stärker als beim Erwachsenenstrafrecht in den Vordergrund stellen.662 Die damit einhergehende besondere Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit des Minderjährigen für eine individualisierende staatliche Reaktion zeigt, dass das Jugendstrafrecht Täterstrafrecht im Kontrast zum Tatstrafrecht des Strafgesetzbuches ist.663 Das Jugendstrafrecht ist daher, ohne das der Charakter als Strafrecht in Frage steht, aufgrund der Sonderbehandlung von jungen Tätern auf Verfahrensebene und bezüglich der speziell zugeschnittenen Rechtsfolgen, Sonderstrafrecht.664 Aufgrund seines Charakters als echtes Strafrecht vollzieht sich das Verfahren vor den Gerichten in der Form des Strafprozessrechts (StPO). Dies gilt, soweit das JGG nichts anderes bestimmt.665 Über die Verfehlungen der Jugendlichen und Heranwachsenden666 entscheiden allerdings nicht die Strafgerichte, sondern die Jugendgerichte als eine spezialisierte Art der Strafgerichte, § 33 Abs. 1 JGG.667 Die Jugendgerichte sind gemäß § 33 Abs. 2 JGG beim Amtsgericht der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht als Jugendschöffengericht, welches mit einem Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist, sowie die Strafkammer als Jugendstrafkam660 Vgl. u. a. BGHSt 36, 37 (42); 36, 294 (296); 37, 34 (37), kritisch zum Erziehungsgedanken des JGG im Rahmen der Rechtsprechung des BGH: Albrecht, Jugendstrafrecht, 2. Auflage, München 1993, S. 73 ff.; Riekenbrauk (Bearb.), LPKSGB VIII, § 52 Rn. 2. Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 2 zu den Bedenken gegen das Erziehungsstrafrecht und zur möglichen Schlechterstellung des minderjährigen Täters nach dem JGG im Vergleich zum Täter nach dem StGB siehe Streng, Jugendstrafrecht, Heidelberg 2003, S. 10 ff.; Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 71. 661 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 6. Kritisch zum spezialpräventiven Ansatz Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 68 ff. 662 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 10. 663 Vgl. Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 67 f.; Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 7. 664 Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 8. 665 Vgl. §§ 43–81 und 109 JGG, die in wesentlichen Punkten vom StPO-Verfahren abweichen. 666 § 1 Abs. 2 JGG. 667 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 195.
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mer, die sich aus zwei oder drei Richtern und zwei Schöffen zusammensetzt.668 Die Jugendgerichte stellen einen Zweig der Strafgerichtsbarkeit dar, sind aber nach herrschender Ansicht lediglich Abteilungen des Gerichts mit einem eigenen Geschäftsbereich ohne originäre eigene Zuständigkeit. Entscheidet folglich statt des zuständigen Jugendrichters ein Amtsrichter, führt dies als absoluter Revisionsgrund nur nach Erhebung einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils.669 Die sachliche Zuständigkeit der Jugendgerichte ergibt sich dabei aus den §§ 39–41 JGG und die örtliche aus § 42 JGG.670 Neben Jugendrichter, Jugendstaatsanwalt und Angeklagtem können im Jugendstrafverfahren u. a. auch Anwälte, Beistände sowie die Erziehungsberechtigten671 und die Jugendgerichtshilfe Verfahrensbeteiligte sein. Der Jugendgerichtshilfe kommt indessen, so der Gesetzgeber in der Begründung seines Gesetzentwurfs, bei der Verwirklichung des Erziehungsgedankens im JGG eine Schlüsselrolle zu672, so dass auf deren Aufgaben und Kompetenzen nunmehr näher eingegangen werden soll. (a) Die Jugendgerichtshilfe Unter Jugendgerichtshilfe wird die Mitwirkung des Jugendamts – in Zusammenarbeit mit den Vereinigungen für Jugendhilfe673 – im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz verstanden.674 Das KJHG (SGB VIII) bestimmt in § 52 die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe, wobei diese von den Bestimmungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) ergänzt werden.675 Gemäß § 52 Abs. 1 hat die Jugendgerichtshilfe die Pflicht, im Jugendstrafverfahren 668 Vgl. § 33 a Abs. 1, § 33 b Abs. 1 JGG. In einfacheren Fällen entscheidet die Jugendstrafkammer nur mit zwei Richtern und zwei Schöffen: vgl. § 33 b Abs. 2 JGG. Zur Berufung gegen Entscheidungen des Jugendgerichts siehe Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 50. 669 Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 51. 670 Auf diese Fragen soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Daher sei auf Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 51 ff. verwiesen. 671 Da die meisten Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts auch mehr oder weniger starke Eingriffe in das Erziehungsrecht der Eltern enthalten, werden diese am Verfahren mit eigenen Rechten beteiligt. Ziel ist es, unter Umständen unterstützende Mitwirkung durch die Eltern zu erlangen, was die erzieherische Einwirkung des Gerichts auf den Jugendlichen erfolgreicher machen kann: vgl. zum Ganzen Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 197 ff. 672 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 58; Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 207. 673 Siehe dazu Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 209. 674 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 150. 675 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 52 Rn. 1.
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mitzuwirken und dabei das Jugendgericht sowie den Jugendstaatsanwalt zu unterstützen.676 Den konkreten Umfang dieser Pflicht bestimmt das KJHG (SGB VIII) nicht näher. Dieser richtet sich nach den § 38 und § 50 Abs. 2 S. 3 JGG. Der Jugendgerichtshilfe obliegt es gemäß § 38 Abs. 2 JGG, Unterstützung in Form von Ermittlungshilfen, Berichterstattungen, Sanktionsvorschlägen, Sanktionsüberwachungen sowie Betreuungen und Beratungen zu geben.677 Dabei soll die Jugendgerichtshilfe insbesondere die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren zur Geltung678 bringen, was Ausdruck ihrer Schlüsselrolle bei der Verwirklichung des Erziehungsgedankens ist.679 Trotz seiner Mitwirkungspflicht ist das Jugendamt (Jugendgerichtshilfe) eine autonome und in organisatorischer, personeller sowie finanzieller Hinsicht unabhängige Fachbehörde.680 Sie ist ein unabhängiges Prozessorgan, dessen Entscheidungen dem Einfluss der Justiz entzogen bleiben.681 Die Ermittlungshilfe, welche die Erforschung der Persönlichkeit, des Umfelds und der Entwicklung des Jugendlichen oder Heranwachsenden umfasst, erfolgt nach § 38 Abs. 2 S. 2 JGG i. V. m. § 43 JGG.682 Die Ergebnisse der Ermittlungen hält die Jugendgerichtshilfe in einem schriftlichen Bericht fest, der nicht nur Werturteile, sondern auch eine objektive Zusammenstellung des gesamten Tatsachenmaterials nebst Beweismittel enthalten soll.683 Im Urteil selbst darf allerdings nur das Tatsachenmaterial verwertet werden, welches in der von der Strafprozessordnung vorgeschriebenen Form vorgebracht wurde und Gegenstand der Verhandlung war.684 Besitzt daher der Jugendgerichtshelfer Erkenntnisse zum Tathergang kommt seine Vernehmung als Zeuge in Frage. Auf ein Zeugnisverweigerungsrecht kann sich die Jugendgerichtshilfe nicht berufen, da im Vordergrund ihres Wirkens nicht die Unterstützung des Jugendlichen, sondern die Unterstützung der Justiz bei ihrer Entscheidungsfindung steht.685 Durch die Verpflichtung zur Aussage besteht in der Praxis die Gefahr, dass es zu einem Vertrauensbruch mit dem jungen Straffälligen kommt, wenn die in privaten Beratungsgesprächen gewonnenen Informationen an das Gericht weitergegeben werden. Um 676
Vgl. ebenda, § 52 Rn. 2; Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 152. Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 150. 678 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 52 Rn. 8. 679 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 58. 680 Vgl. Riekenbrauk (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 52 Rn. 16. 681 Vgl. Riekenbrauk (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 52 Rn. 24; Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz-Kommentar, 6. Auflage, Köln/Berlin/Bonn/München 2003, § 43 Rn. 7. 682 Siehe dazu ausführlich Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 25 ff. 683 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 213. 684 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 214. 685 Vgl. u. a. Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 313. 677
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dies zu vermeiden, hat der Jugendgerichtshelfer den Jugendlichen und seine Angehörigen rechtzeitig über sein fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht aufzuklären. Unterlässt er dies, kommt ein Beweisverwertungsverbot gemäß § 136, 163 a StPO analog in Betracht.686 Die Abgabe von Sanktionsvorschlägen ergibt sich ebenfalls aus § 38 Abs. 2 S. 2 JGG, wobei die Jugendgerichtshilfe auch vorschlagen kann, von der Verfolgung einer Straftat abzusehen.687 Der Entscheidungsvorschlag der Jugendgerichtshilfe muss sich im günstigsten Fall als Konsequenz der Feststellungen zur persönlichen Situation des Jugendlichen ergeben.688 Bindend ist der im Ermittlungsbericht enthaltene Sanktionsvorschlag für den Richter allerdings nicht. Nach § 38 Abs. 2 S. 5 JGG ist die Jugendgerichtshilfe ferner verpflichtet, die Befolgung von Weisungen (§ 10 JGG) und Auflagen (§ 15 JGG) zu überwachen. Über gravierende Verstöße informiert sie den Jugendrichter. Die Kontrolle der Bewährungszeit und der Bewährungsauflagen obliegt dagegen dem Bewährungshelfer (§ 27 JGG) als Justizorgan. Die Jugendgerichtshilfe ist jedoch zur Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer verpflichtet.689 Als weitere Aufgabe nennt das Gesetz schließlich in § 38 Abs. 2 S. 8 und 9 JGG die Betreuungsaufgaben der Jugendgerichtshilfe. Die fürsorgerische und erzieherische Betreuung umfasst den Zeitraum von Beginn der Ermittlungen bis zur Wiedereingliederung nach Entlassung aus dem Vollzug. Ziel dieser Regelung ist es, den Jugendlichen bei der Bewältigung der Schwierigkeiten, die sich aus der Straffälligkeit ergeben, zu unterstützen.690 Genannt seien insbesondere der Verlust des Arbeitsplatzes und des Wohnraums sowie Konflikte mit den Eltern. In der Praxis wird in Zusammenhang mit den zahlreichen Aufgaben der Jugendgerichtshilfe über den sog. „Intra-Rollenkonflikt“ diskutiert, der dazu führt, dass die Jugendgerichtshilfe immer nur eine der zugewiesenen Aufgaben unter Vernachlässigung der anderen wahrnehmen kann. Deutlich wird dies in Fällen, in denen der Jugendgerichtshelfer auf der einen Seite für Ermittlungs- und Überwachungsaufgaben zuständig ist, aber auf der anderen 686
Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 61; Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 214 f.; Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 314. 687 Dies ist gemäß § 45 Abs. 1 JGG möglich, wenn es sich um eine Bagatellsache handelt, nach Abs. 2, wenn erzieherische Maßnahmen möglich sind oder nach Abs. 3 bei richterlicher Erteilung von Mahnungen, Weisungen und Auflagen: Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 152. 688 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 52 Rn. 8. 689 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 215. 690 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 215 f.
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Seite auch Ansprechpartner für den Jugendlichen sein soll.691 Praktische Folge dieses Rollenkonflikts war in den letzten Jahren, dass sich der Schwerpunkt der Arbeit der Jugendgerichtshilfe von der ermittelnden zur beratenden Tätigkeit verschoben hat.692 Schaffstein/Beulke halten diese Entwicklung der Jugendgerichtshilfe hin zum Betreuungsarbeit leistenden „Sozialanwalt“ für verfehlt, da damit auf die notwendige objektive Ermittlungshilfe für das Gericht zu Lasten des Beschuldigten verzichtet wird.693 Nach ihrer verfahrensrechtlichen Stellung ist die Jugendgerichtshilfe ein dem Jugendstrafverfahren „eigentümliches“ Prozessorgan.694 Es besitzt eine eigenständige Verfahrensrolle und ist gegenüber allen Verfahrensbeteiligten unabhängig.695 Starke Ausprägung haben die Informations- und Beteiligungsrechte der Jugendgerichtshilfe gegenüber der Justiz im JGG erfahren. So ist die Jugendgerichtshilfe zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung und der umfassenden Betreuung der Jugendlichen gemäß § 38 Abs. 3 JGG bereits in einem frühen Stadium heranzuziehen.696 Gemäß § 50 Abs. 3 JGG ist der Jugendgerichtshilfe zudem der Termin der Hauptverhandlung mitzuteilen und ihr auf Verlangen das Wort zu erteilen.697 Erfolgt keine Mitteilung und nimmt die Jugendgerichtshilfe daraufhin nicht an der Hauptverhandlung teil, liegt darin ein Verfahrensverstoß, auf dem regelmäßig das Urteil i. S. v. § 337 StPO beruht.698 Im Gegensatz zu den Verpflichtungen der Justiz besteht allerdings auf Seiten der Jugendgerichtshilfe nach herrschender Meinung keine Pflicht, an den Hauptverhandlungen teilzunehmen.699 Anderes soll allerdings gelten, wenn der Jugendrichter die Jugendgerichtshilfe auffordert, an der Verhandlung teilzunehmen, um einen Verstoß gegen die allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO zu vermeiden.700 Die Jugendgerichtshilfe ist insgesamt 691
Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 61. Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 52 Rn. 4, befürwortend Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz-Kommentar, 2003, § 38 Rn. 6. 693 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 208; ebenso Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 312. 694 Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 210. 695 Vgl. Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz-Kommentar, 2003, § 38 Rn. 6. 696 In Bagatellsachen kann von der Mitwirkung abgesehen werden, §§ 38 Abs. 3, 78 Abs. 3 JGG. 697 Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 59. Ein Fragerecht oder formelles Antragsrecht besitzt sie allerdings nicht: Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 315. Vgl. zu den Befugnissen der Jugendgerichtshilfe im Verfahren: Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 10. Auflage, München 2004, § 38 Rn. 25 ff. 698 Daraus kann eine Revision gestützt werden. Siehe mit weiteren Anmerkungen Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 210. 699 Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 60. 700 Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 211. 692
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so zu organisieren, dass derselbe Mitarbeiter den Jugendlichen von der Ermittlungshilfe an während des gesamten folgenden Verfahrens (Jugendstrafverfahren, Vollstreckung und Vollzug, § 52 Abs. 3 KJHG (SGB VIII)) begleitet. Ziel dieser Regelung ist es, die Praxis von sog. Gerichtsgehern, d.h. Vertreter des Jugendamts, die nur in der Hauptverhandlung auftreten aber kaum persönlichen Kontakt zu den Jugendlichen haben, zu vermeiden.701 In der Praxis nimmt die Jugendgerichtshilfe bei weitem nicht an allen Strafverfahren gegen Jugendliche teil. In rund 20% der Fälle erfolgt weder ein schriftlicher Bericht noch eine Teilnahme an der Hauptverhandlung.702 Ein Umstand, der mit den begrenzten personellen Ressourcen der Jugendgerichtshilfe begründet wird.703 (2) Die Familien- und Vormundschaftsgerichte Für die Durchsetzung von Kinderrechten und -interessen sind weiterhin die Familien- und Vormundschaftsgerichte von wesentlicher Bedeutung. Dies folgt bereits aus ihrer Zuständigkeit u. a. für Kindschaftssachen (Familiengerichte) sowie für Vormundschaftssachen bei Minderjährigen und das Adoptionswesen (Vormundschaftsgerichte).704 Der größte Teil der Zuständigkeit auf dem Gebiet des Familienrechts, welches in seinem Kernbereich die Rechtsbeziehungen zwischen Eheleuten und zwischen Verwandten ordnet, konzentriert sich bei den erst 1976 gesetzlich in das deutsche Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht eingefügten Familiengerichten. Die Einrichtung bezweckt die Konzentration ehe- und familienbezogener Verfahren bei einem entsprechend fachlich spezialisierten Gericht.705 Die allgemeine sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte für Familiensachen folgt für Familiensachen, die sich nach der Zivilprozessordnung (ZPO)706 richten, aus § 23a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)707 und für 701 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 52 Rn. 9; dazu auch Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 62. 702 Siehe dazu mit weiteren Anmerkungen Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 2004, § 38 Rn. 34 ff.; Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 60. 703 Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 60. 704 Vgl. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt D.II.3.a). 705 Vgl. Hohloch, Familienrecht, Stuttgart/München/Hannover 2002, S. 129 ff. 706 Zivilprozessordnung in der Fassung vom 12. September 1950, in: BGBl. I, S. 533 mit Änderungen. 707 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 9. Mai 1975, in: BGBl. I, S. 1077 mit Änderungen.
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FGG-Familiensachen in der Regel aus § 64 Abs. 1 FGG.708 Bei den Amtsgerichten bestehen gemäß § 23b Abs. 1 S. 1 GVG besondere Abteilungen – die Familiengerichte –, denen aufgrund der gesetzlich geregelten Geschäftsverteilung eine ausschließliche gerichtsinterne Zuständigkeit für die in § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 1–14 GVG bestimmten Sachen einer Familie zukommt.709 Diese Regelung bewirkt, dass die wichtigsten – aber nicht sämtliche – Familiensachen vor denselben Richter gelangen können bzw. in Ehescheidungs- und Folgesachen einheitliche Entscheidungen möglich sind.710 Nach § 23b Abs. 1 S. 2 GVG obliegen den Familienabteilungen aufgrund interner Zuweisung die sog. ZPO-Familiensachen, wie beispielsweise Ehesachen, Kindschaftssachen und Lebenspartnerschaftssachen sowie die sog. FGG-Familiensachen, wie Sorgerechtsverfahren, Umgangsregelungen und Verfahren zum Versorgungsausgleich.711 Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit liegen nach herrschender Ansicht immer dann vor, wenn sie dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Zuweisung unterworfen sind.712 Dies erfolgt durch § 621a Abs. 1 ZPO, der bestimmt, welche Verfahrensgegenstände sich konkret nach dem FGG richten. Materiell werden die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig als Rechtsfürsorgesachen in dem Sinne bezeichnet, dass staatliche Verwaltungstätigkeit im Dienste der Privatrechtsordnung stattfindet.713 Folge der Anwendung der beiden Verfahrensordnungen sind unterschiedliche Vorgehensweisen, z. B. bei der Tatsachenerforschung (Untersuchungsmaxime oder – eingeschränkte – Verhandlungsmaxime), was mitunter zu Schwierigkeiten in der Praxis führen kann.714 708
Vgl. ausführlich von Heintschel-Heinegg, Das Verfahren in Familiensachen, 2003, S. 21. Aus § 621 Abs. 1 ZPO ergibt sich keine sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte, vielmehr ergibt sich daraus eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte und eine gerichtsinterne ausschließliche Zuständigkeitsregelung, die zwingend ist: BGHZ 71, 264 (267 f.); siehe auch Putzo (Bearb.), in: Thomas/Putzo (Hrsg.), Zivilprozessordnung – Kommentar, 21. Auflage, München 1998, § 23b GVG Rn. 2. 709 Vgl. mit weiteren Anmerkungen von Heintschel-Heinegg, Das Verfahren in Familiensachen, 2003, S. 21. 710 Vgl. ebenda, S. 1. 711 Der Begriff „ZPO- und FGG-Familiensachen“ bedeutet, das sich das Verfahren entweder nach den besonderen Verfahrensgrundsätzen der §§ 606 ff. ZPO oder nach denen des FGG richtet. Vgl. dazu im Einzelnen von Heintschel-Heinegg, Das Verfahren in Familiensachen, 2003, S. 20. Die Bestimmungen des FGG kommen insbesondere durch die Verbundzuständigkeit, mit der die Konzentration von Ehesachen und Folgesachen auf ein Gericht bezweckt ist, zur Anwendung: dazu Hohloch, Familienrecht, 2002, S. 134. 712 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 35. 713 Vgl. ebenda, S. 37 ff. 714 Vgl. dazu Hohloch, Familienrecht, 2002, S. 135.
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Von Relevanz für Minderjährige sind insbesondere die Kindschaftssachen (ZPO-Familiensache) sowie Sorgerechts- und Umgangsverfahren (FGG-Familiensachen). Unter Kindschaftssachen gemäß § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 12 GVG fallen nach § 640 Abs. 2 ZPO Verfahren, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, insbesondere die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Vaterschaft, die Anfechtung der Vaterschaft sowie die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge der einen Partei für die andere zum Inhalt haben. Im Rahmen der FGG-Familiensachen seien insbesondere die Maßnahmen des Gerichts bei Gefährdung des Kindeswohls durch die Sorgeberechtigten gemäß 1666 BGB genannt, durch die eine staatliche Kontrolle der privatrechtlichen Gewaltverhältnisse durch das Familiengericht zum Wohle des Kindes stattfindet. Diese Kontrollfunktion des Gerichtes ist Ausdruck des staatlichen Wächteramtes.715 Über zahlreiche Angelegenheiten auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder über Angelegenheiten, die dem Familiengericht durch andere Gesetze übertragen sind, darf grundsätzlich der Rechtspfleger entscheiden, § 3 Nr. 2a Rechtspflegergesetz.716 Liegt allerdings ein Richtervorbehalt gemäß §§ 14–19b Rechtspflegergesetz vor, obliegt die Entscheidung dem Richter. Dies ist beim Familiengericht der Familienrichter als Einzelrichter.717 Insgesamt besitzen die Familiengerichte folglich eine reichhaltige, aber keine umfassende Kompetenz auf dem Gebiet des Familienrechts. Die Vormundschaftsgerichte haben daneben einen ebenfalls beträchtlichen Zuständigkeitsbereich. Sie weisen im Vergleich zu den Familiengerichten zudem eine wesentlich längere Tradition auf.718 Die Vormundschaftsgerichte sind für Vormundschafts-, Betreuungs-, und Unterbringungssachen zuständig. Dazu zählen insbesondere die Vormundschaft über Minderjährige (§§ 1773 ff. BGB), die Pflegschaft (§§ 1909–1921 BGB) sowie Betreuungssachen (§§ 65 FGG, §§ 1896 ff. BGB). Außerdem besitzen sie die Zuständigkeit für den Bereich des Adoptionswesens gemäß § 1752 BGB i. V. m. §§ 1746 ff. BGB. 715 Vgl. dazu die Ausführungen D.II.3.a) sowie Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2002, S. 39. 716 Rechtspflegergesetz vom 5. November 1969, in: BGBl. I, S. 2065 mit Änderungen. 717 Vgl. § 23 b Abs. 1 S. 1 GVG sowie § 22 Abs. 1 GVG. Bei den übergeordneten Instanzen Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 2 GVG) und Bundesgerichtshof entscheiden spezielle Familiensenate. 718 Vgl. Hohloch, Familienrecht, 2002, S. 132; vgl. im Übrigen die Ausführungen oben in Abschnitt D.III.4.a).
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Das Amtsgericht ist gemäß § 35 FGG ebenfalls für die Verrichtungen des Vormundschaftsgerichts zuständig.719 Am Vormundschaftsgericht entscheidet grundsätzlich der Rechtspfleger, es sei denn, ein Richtervorbehalt überträgt die Sache auf einen Richter (§ 3 Nr. 2 a i. V. m. § 14 Rechtspflegergesetz). Dabei bildet das FGG die Verfahrensordnung vor dem Vormundschaftsgericht. An den Verfahren vor den Familien- und Vormundschaftsgerichten wirken weitere nicht zur Judikative zählende Beteiligte wie das Jugendamt zum Wohl des Kindes oder der Verfahrenspfleger zur Vertretung des Kindswillens mit. Beide Institutionen unterstützen und ergänzen die Arbeit der Gerichte bei der Durchsetzung von Kinderrechten und -interessen und sollen diesbezüglich näher vorgestellt werden. (a) Die Unterstützung des Jugendamts vor dem Vormundschafts- und Familiengericht gemäß § 50 KJHG (SGB VIII) (sog. Vormundschaftsund Familiengerichtshilfe) Neben der Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren sieht § 2 Abs. 3 Nr. 6 KJHG (SGB VIII) eine Beteiligung des Jugendamts in Verfahren vor dem Familien- und Vormundschaftsgericht vor. Das Jugendamt handelt dabei nicht als Hilfsorgan des Gerichts, sondern nimmt eine eigene Aufgabe wahr. Kunkel spricht in diesem Zusammenhang von Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe, obgleich dieser Begriff im Gesetz selbst so nicht erwähnt wird.720 Unklar ist, ob das Wohl des Kindes Handlungskriterium für das Jugendamt vor Gericht ist. § 50 KJHG (SGB VIII) spricht nicht ausdrücklich vom Kindeswohl, sondern von Leistung, Entwicklung und Hilfe des Jugendamts. Wiesner/Mörsberger gehen deshalb davon aus, dass das Entscheidungskriterium des Gerichts, das „Kindeswohl“, nicht identisch mit den Handlungskriterien der Jugendhilfe ist. Nach ihrer Ansicht geht es der Jugendhilfe nicht in erster Linie um die Findung des Kindeswohls, sondern darum, alle ihr gegebenen Möglichkeiten zu dessen Herstellung oder Förderung zu nutzen.721 Kunkel vertritt dagegen meiner Meinung nach zu Recht die Ansicht, 719
Eine Ausnahme gilt gemäß § 146 EGBGB für den Landesteil Württemberg, in dem die Notariate die Aufgaben des Vormundschaftsgerichts wahrnehmen: Wagenitz (Bearb.), Vor § 1773 Rn. 6, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 8, Familienrecht II, 4. Auflage, München 2002. 720 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 1. 721 Vgl. Mörsberger (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Vor § 50 Rn. 16.
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dass die Hilfe für das Gericht kein Gegensatz zur Hilfe für das Kind ist, da die Unterstützung des Gerichts nur im Hinblick auf das Kind erfolgt. Die Hilfe für das Gericht stellt folglich über das Gericht transportierte Jugendhilfe dar, wobei das „Wohl des Kindes“ Handlungskriterium ist.722 Das Wohl des Kindes ist aus diesem Grund sowohl das Entscheidungskriterium des Gerichts als auch das Handlungskriterium des Jugendamts. § 50 KJHG (SGB VIII) bestimmt die Pflichten und Befugnisse des Jugendamts näher.723 Nach § 50 Abs. 1 S. 1 KJHG (SGB VIII) unterstützt das Jugendamt das Gericht bei allen Maßnahmen, welche die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Außerdem hat es in Verfahren vor dem Vormundschafts- und Familiengericht in den in §§ 49 und 49a KJHG (SGB VIII) genannten Fällen mitzuwirken, § 50 Abs. 1 S. 2 KJHG (SGB VIII). Der in S. 1 genannte Begriff der „Unterstützung“ geht dabei über den der „Mitwirkung“ nach S. 2 hinaus, da ersterer nicht nur die in §§ 49 und 49a FGG genannten Fälle, sondern auch andere personensorgerechtlichen Entscheidungen des Gerichts erfasst.724 Das Jugendamt unterstützt das Gericht bei der dem Gericht nach § 12 FGG obliegenden Tatsachenermittlung sowie bei der Bewertung der Tatsachen als eine Art „sachverständige Amtshilfe“.725 Für die konkreten Unterstützungsmaßnahmen nach S. 1 besitzt das Jugendamt zwar Auswahlermessen, jedoch kein Entschließungsermessen.726 Allerdings bestimmt § 50 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) gewisse Grenzen des Auswahlermessens. So hat das Jugendamt in gutachterlicher Stellungnahme das Gericht zumindest 722 Die Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe ist nur beschränkt mit der Jugendgerichtshilfe vergleichbar: vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 1. 723 Neben den in § 50 Abs. 1 KJHG (SGB VIII) genannten Aufgaben als Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe obliegt es dem Jugendamt nun nach § 8a Abs. 3 (alt § 50 Abs. 3) zudem das Gericht zur Abwendung von Gefährdungen für das Kindeswohl anzurufen. Diese sich aus dem staatlichen Wächteramt ergebene Befugnis zur Gefahrenabwehr umfasst auch die Vornahme entsprechender Ermittlungen von Seiten des Jugendamts. Ob eine Einschaltung des Gerichts erforderlich ist, entscheidet das Jugendamt im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative: vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 12 f. 724 Vgl. Mörsberger (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, vor § 50 Rn. 20, § 50 Rn. 17 ff.; Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 5; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 50 Rn. 2. 725 So mit weiteren Verweisen Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 2; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 50 Rn. 6; ablehnend Mörsberger (Bearb.), in: Wiesner/ Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Vor 50 Rn. 52. 726 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 5; Schellhorn (Bearb.), in: Schellhorn, Walter (Hrsg.), Sozialgesetzbuch achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe: SGB VIII, KJHG, ein Kommentar für Ausbildung, Praxis und Wissenschaft, 2. Auflage, Neuwied 2000, § 50 Rn. 9.
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über die angebotenen und erbrachten Leistungen zu unterrichten, die erzieherischen und sozialen Gesichtpunkte in der Entwicklung des Minderjährigen darzulegen und auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hinzuweisen. Dabei darf es sich nicht nur auf die Mitteilung von Tatsachen beschränken, sondern soll im Rahmen seiner gutachterlichen Stellungnahme diese würdigen und einen konkreten Vorschlag unterbreiten.727 Die Unterstützungspflicht umfasst laut § 50 Abs. 1 S. 2 KJHG (SGB VIII) außerdem die Pflicht des Jugendamts, an Verfahren nach §§ 49 und 49a FGG mitzuwirken.728 So hat sich das Jugendamt gemäß § 49 FGG gegenüber dem Vormundschaftsgericht in Fragen der Adoption zum Kindeswohl sowie zu den Auswirkungen der Ausländereigenschaft bei Adoptionen zu äußern. Gegenüber dem Familiengericht gibt es gemäß § 49a FGG u. a. in Bereichen der Eheschließung von Minderjährigen, zur geschlossenen Unterbringung von Minderjährigen, zur Herausgabe von Minderjährigen an Dritte sowie zum Umgang des Kindes und zum Entzug der elterlichen Sorge Stellungnahmen ab. Die Mitwirkungspflicht des Jugendamts nach § 50 Abs. 1 S. 2 KJHG (SGB VIII) korrespondiert dabei mit der Verpflichtung des Gerichts, das Jugendamt anzuhören. Da das Jugendamt kein Hilfsorgan des Gerichts ist, kann dieses die Erfüllung der Aufgaben nur im Rahmen des § 50 KJHG (SGB VIII) vom Jugendamt verlangen. Weisungen bzgl. der Art und Weise der Aufgabenerfüllung von Seiten des Gerichts unterliegt das Jugendamt nicht. Der Weg, das Jugendamt durch eine gerichtliche Verfügung oder die Verhängung von Zwangsmitteln gemäß § 33 FGG zur Mitwirkung zu zwingen, bleibt dem Gericht verwehrt.729 Wird das Jugendamt allerdings gegen seinen Willen außen vor gelassen, kann es sein Mitwirkungsrecht mittels Beschwerde gemäß § 20 FGG erzwingen.730 (b) Der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG (sog. Anwalt des Kindes) Seit der Kindschaftsreform besteht die besondere Verpflichtung des Gerichts, dem minderjährigen Kind zur Wahrnehmung seiner Interessen vor Gericht einen Verfahrenspfleger gemäß § 50 Abs. 1 FGG zu bestellen.731 Damit setzte der Gesetzgeber eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts um, wonach mittels der Verfahrensgestaltung eine bessere Wahrung 727 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 9; Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 50 Rn. 6. 728 Vgl. Kunkel, Grundlagen, 2001, S. 147. 729 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 2. 730 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 3. 731 Vgl. Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 50 Rn. 19.
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der Belange des Kindes sowie dessen Anspruch auf rechtliches Gehör sichergestellt werden soll.732 Begründet wird die Einführung des zum Teil als „Anwalt des Kindes“733 bezeichneten Verfahrenspflegers damit, dass in bestimmten Situationen derartige Interessengegensätze zwischen Eltern und Kind bestehen können, welche es den Eltern nicht gestatten, selbst die Kinderinteressen im Verfahren einzubringen. Außerdem ist in gewissen Konstellationen auch das Jugendamt kein geeigneter Verfahrenshelfer, vor allem dann, wenn es die Lage nicht mehr „objektiv“ im Interesse des Kindeswohls beurteilen kann.734 Angenommen wird dies beispielsweise in Fällen, in denen das Jugendamt ein Herausgabebegehren der leiblichen Eltern bzgl. ihres Kindes zu beurteilen hat, dessen Hereinwachsen in die Pflegefamilie es über einen langen Zeitraum betreute.735 In all diesen Konfliktfällen bedarf es, so der Gesetzgeber in seiner Begründung, einer Rechtsfigur, die allein die Interessen des Kindes wahrnimmt, die Vorstellungen und Wünsche des Kindes ermittelt und in das Verfahren einbezieht.736 Darin liegt der Unterschied zu den anderen Beteiligten im familiengerichtlichen Verfahren. Während, so das Bundesverfassungsgericht, die Eltern vornehmlich ihre eigenen Interessen im Verfahren verfolgen und es dem Richter obliegt, mit Unterstützung des Jugendamts und Sachverständigen unter Berücksichtigung der Elternrechte eine am Kindeswohl ausgerichtete Sachentscheidung zu treffen, hat der sog. „Anwalt des Kindes“ nicht neben dem Richter das Wohl des Kindes zu ergründen, sondern nur die subjektiven Interessen des Kindes als Partei im Verfahren darzustellen.737 Die überwiegende Ansicht in der Lehre 732 Die Interessen sollen in einer Weise eingebracht werden, dass sie der grundrechtlichen Position des Kindes hinreichend Rechnung tragen: vgl. dazu BVerfGE 55, 171 (179). 733 Kritisch zur Begrifflichkeit „Anwalt des Kindes“: Salgo, Der Anwalt des Kindes, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1996, S. 557, der diesen Begriff für allzu idealisierend oder entsprechend abwertend besetzt hält, vermutlich aufgrund der einhergehenden und nicht zu realisierenden Vorstellung eines umfassenden und allgemeinen Interessensvertreters des Kindes. 734 Siehe dazu Törnig, Anwalt des Kindes und Jugendamt – Ein Überblick, in: Zentralblatt für Jugendrecht 2001, 88. Jhg. Heft 12, S. 457–463, S. 460 f. 735 Vgl. BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 130; Krille, Rechte und Pflichten des Verfahrenspflegers, S. 2, unter http://www.v-a-k.de/Index.php?id=144; eingesehen am 20. Januar 2004; vgl. auch den Beschluss des OLG Naumburg vom 10. März 1999, 8 W 69/99, F57/99 AG Dessau. 736 Gesetzentwurf der Bundesregierung, in: BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 129 f. 737 Vgl. Beschluss des BVerfG vom 9. März 2004, – 1 BvR 455/02 und andere, in: FamRZ 2004, 51. Jhg., Heft 16, S. 1267–1270, S. 1269 f. Dabei handelt der Verfahrenspfleger einseitig und ist gegebenenfalls auch Gegenspieler des Jugendamts: Mrozynski, SGB VIII, 2004, § 50 Rn. 19. Das Jugendamt ist dagegen nicht auf ein-
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versteht den Verfahrenspfleger hingegen mehr als Mittler, welcher zum einen die Interessen des Kindes wahrzunehmen und zum anderen aber auch den Willen des Kindes zu interpretieren hat, wobei er bei seinem Handeln dem Kindeswohl verpflichtet ist.738 Die Besonderheit des Verfahrenspflegers liegt im Unterschied zum Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB darin, dass er unmittelbar vom Vormundschafts- oder Familiengericht bestellt werden kann und damit an die Stelle der gesetzlichen Vertreter tritt, ohne dass diesen zuvor das Vertretungsrecht ausdrücklich entzogen wurde.739 Die Bestellung eines Verfahrenspflegers kann durch das Gericht in allen das Kind mittelbar oder unmittelbar betreffenden Angelegenheiten erfolgen, § 50 Abs. 1 FGG. Davon umfasst werden alle Verfahren, welche die Lebensführung sowie die Lebensstellung des Kindes betreffen und sich nicht ausschließlich auf das Vermögen beziehen.740 § 50 Abs. 2 FGG wiederum nennt Regelbeispiele nach denen eine Bestellung zu erfolgen hat. Die Entscheidung im Falle eines Abweichens vom Grundsatz ist durch das Gericht zu begründen, § 50 Abs. 2 S. 2 FGG. Eine Bestellung kommt gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG in Betracht, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Kind und seinen beiden Elternteilen oder sonstigen gesetzlichen Vertretern in einer bedeutsamen Angelegenheit besteht.741 In der aktuellen Rechtsprechung werden die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers bei Interessenkonflikten restriktiv ausgelegt.742 Allein die Einreichung kontradiktorischer Anträge durch die Parteien begründet beispielsweise zu Recht743 noch keiseitige Interessenvertretung festgelegt: Engelhardt (Bearb.), in: Keidel/Kuntze/ Winkler u. a. (Hrsg.), Freiwillige Gerichtsbarkeit – Kommentar zum Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 14. Auflage, München 1999, § 50 Rn. 2. 738 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Rauscher, Familienrecht: ein Lehr- und Handbuch, Heidelberg 2001, S. 803; Törnig, Anwalt des Kindes und Jugendamt, 2001, S. 460. 739 Vgl. Törnig, Anwalt des Kindes und Jugendamt, 2001, S. 458; vgl. auch BTDrucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 129. 740 Vgl. Engelhardt (Bearb.), Freiwillige Gerichtsbarkeit – Kommentar, 1999, § 50 Rn. 5 f.; BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 131. 741 Abs. 1 ermöglicht hingegen die Bestellung eines Verfahrenspflegers auch für Fälle in denen zunächst nicht feststeht, ob zwischen Kind und Eltern oder Elternteil ein Interessenkonflikt besteht: Engelhardt (Bearb.), Freiwillige Gerichtsbarkeit – Kommentar, 1999, § 50 Rn. 7; BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 131. 742 So ausdrücklich OLG Dresden Beschluss vom 14. Januar 2001, 20 WF 608/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1296–1297, S. 1297. 743 Dieser Umstand allein kann nicht genügen, da in Familien- und Vormundschaftsgerichtsverfahren in der Regel kontradiktorische Anträge vorliegen und daher
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nen erheblichen Interessenkonflikt.744 Unterschiedlich wird von den Oberlandesgerichten beantwortet, ab wann eine Bestellung zu erfolgen hat. Das OLG München fordert vor der Bestellung eines Verfahrenspflegers keinen definitiv festgestellten unüberbrückbaren Interessenkonflikt, da es eine effektive Vertretung des Kindes für nicht gewährleistet hält, wenn der Verfahrenspfleger erst nach Feststellung des Interessenkonflikts bestellt wird.745 Anders entscheidet das OLG Düsseldorf, welches zum Zeitpunkt der Pflegerbestellung einen klar festgestellten erheblichen Interessenkonflikt voraussetzt.746 Ob ein solcher besteht, ist wiederum nur durch Vorermittlungen z. B. im Rahmen einer Anhörung durch das Gericht zu klären.747 Trotz Vorliegen von Interessenkonflikten zwischen Eltern und Kind gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG kann jedoch dann von einer Bestellung abgesehen werden, falls es sich um eine Entscheidung mit geringer Tragweite handelt und die Interessen des Kindes hinreichend auf andere Art und Weise im Verfahren vertreten werden.748 Eine Bestellung kommt überdies nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGG grundsätzlich in Betracht, sofern Gegenstand des Verfahrens Maßnahmen wegen Gefährdungen des Kindeswohls sind, mit denen die Trennung des Kindes von seiner Familie oder die Entziehung der gesamten Personensorge verbunden ist. Gleiches gilt, wenn die Wegnahme des Kindes von einer Pflegeperson, einem Ehegatten, Lebenspartner oder Umgangsberechtigten im Mittelpunkt des Verfahrens steht. Im Rahmen der § 50 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGG hat sich eine Regelbestellung durchgesetzt; Ausnahmen sind möglich und zu begründen. Eine Ausnahme liegt vor, falls das Kind seine Vorstellungen hinreichend klar artikulieren kann und von der Bestellung eines Pflegers keine neuen Erkenntnisse zur erwarten sind.749 immer eine Verfahrenspflegschaft in Betracht kommen würde: vgl. Krille, Rechte und Pflichten des Verfahrenspflegers, S. 3, unter http://www.v-a-k.de/Index.php?id= 144; eingesehen am 20. Januar 2004. 744 Vgl. OLG Dresden Beschluss vom 14. Januar 2001, 20 WF 608/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1296–1297, S. 1297. 745 Vgl. OLG München: Beschluss vom 29. September 1998, 12 WF 1122/98, in: FamRZ 1999, 46. Jhg, Heft 10, S. 667. 746 Vgl. OLG Düsseldorf: Beschluss vom 12. November 1999, 6 WF 154/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1298. Das OLG Frankfurt hält auch eine Bestellung für möglich bevor der Interessenkonflikt definitiv festgestellt ist, fordert aber Anfangsvermittlungen, die unnötige Pflegerbestellungen vermeiden helfen sollen. Beschluss vom 24. Juni 1999, 6 WF 96/99, in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 19, S. 1293–1295, S. 1294. 747 BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 130. 748 Vgl. Engelhardt (Bearb.), Freiwillige Gerichtsbarkeit – Kommentar, 1999, § 50 Rn. 10. 749 Vgl. ebenda, § 50 Rn. 11–15.
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Stellt das Gericht im Rahmen der konkreten Einzelfallprüfung fest, dass eine selbständige Interessenvertretung des Kindes erforderlich ist, hat es einen Verfahrenspfleger zu bestellen.750 Obwohl der Wortlaut des Art. 50 FGG durch die Kann-Bestimmung auf ein richterliches Ermessen schließen lässt, handelt es sich nicht um eine echte Ermessensnorm.751 Sie unterliegt folglich in den Rechtsmittelinstanzen der vollen Nachprüfbarkeit.752 Aufgabe der eigenständigen Kindesvertretung sind die unabhängige Vertretung der Minderjährigenrechte und -interessen im gerichtlichen Verfahren und während der Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung. Der Verfahrenspfleger ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben frei, d.h. weder an Weisungen des Gerichts noch des Jugendamts gebunden.753 Konkrete gesetzliche Regelungen bzgl. der Aufgaben und Kompetenzen des Verfahrenspflegers finden sich in den Bestimmungen des FGG nicht.754 Insbesondere ist nicht geklärt, ob der Verfahrenspfleger als Mittler handelt und neben der Interessenvertretung auch dem Kindeswohl verpflichtet ist. Einige Gerichte sehen es nicht als Aufgabe des Pflegers an, umfangreiche Ermittlungen im Umfeld des Kindes anzustellen, da dem Pfleger ansonsten die Rolle eines Sachverständigen zukäme. Eine Befragung der Eltern wird nur in begründeten Ausnahmefällen für erforderlich gehalten und auch der Kontakt des Pflegers mit dem Kind wird vom OLG Brandenburg ins Ermessen der Eltern gelegt.755 Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie der Verfahrenspfleger zu brauchbaren Ergebnissen bei der Vertretung der Kinderinteressen kommen soll. Im Gegensatz zum OLG Brandenburg vertritt das OLG Koblenz die Auffassung, dass sich der Verfahrenspfleger für die rechtliche Vertretung des Kindes und der Klärung seiner Interessen ein umfassendes Bild von der Situation des Kindes machen können muss.756 Dazu 750
Vgl. ebenda, § 50 Rn. 16. Vgl. mit weiteren Anmerkungen ebenda, § 50 Rn. 16; Mühlens/Kirchmeier/ Greßmann, Das neue Kindschaftsrecht, 1. Auflage, Köln 1998, S. 320. A. A. Rauscher, Familienrecht: ein Lehr- und Handbuch, Heidelberg 2001, S. 803. 752 Vgl. Krille, Rechte und Pflichten des Verfahrenspflegers, S. 2, unter http://www.v-a-k.de/Index.php?id=144; eingesehen am 20. Januar 2004. 753 Vgl. Törnig, Anwalt des Kindes und Jugendamt, 2001, S. 457. 754 Häufig diskutiert werden Rechte und Pflichten des Pflegers in Zusammenhang mit der Honorierung seiner Arbeit. Das Gesetz nimmt mit § 50 Abs. 5 FGG eine Verweisung auf § 67 Abs. 3 FGG und damit auf die Regeln der Betreuung vor. 755 Vgl. OLG Brandenburg: Beschluss vom 9. Dezember 1999, 10 WF 238/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1295–1296, S. 1296. 756 Siehe OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Juni 2002, 9 WF 358/02 in: Kindschaftsrechtliche Praxis 2003, Heft 1, S. 25–26. Diese Funktion als Rechtsbeistand des Kindes ergibt sich bereits aus Art. 50 Abs. 3 FGG nach der die Bestellung unterbleibt oder aufgehoben werden soll, wenn ein Rechtsanwalt oder ein anderer Verfahrensbevollmächtigter das Kind angemessen vertritt. 751
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gehören Ermittlungen des Pflegers in Form von Gesprächen mit dem Kind, dessen Eltern, dem Jugendamt, Kindergärtnerinnen, Hausärzten und Lehrern, welche die Begleitung des Kindes im Verfahren erst sinnvoll ermöglichen. Inwieweit die Bestellung eines Verfahrenspflegers in Form einer verfahrensleitenden Zwischenverfügung einen Eingriff in die Elternrechte darstellt und folglich selbständig anfechtbar ist, wird gleichfalls diskutiert. Gegen ein Anfechtungsrecht wird vorgebracht, dass es sich bei der Einsetzung eines Verfahrenspflegers nicht um einen Eingriff in das Elternrecht handelt bzw. dieser gerechtfertigt sei, da sie der Stärkung der Rechtsstellung des Kindes und damit dem Kindeswohl dient.757 Die wohl herrschende Ansicht geht bei der Pflegerbestellung nach § 50 FGG allerdings von einem Eingriff oder einer Einschränkung des elterlichen Sorgerechts aus und lässt eine Anfechtung zu.758 Der Verfahrenspfleger ist wie ein gesetzlicher Vertreter an allen Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Er hat das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und an der durch Sachverständige vorgenommenen persönlichen Anhörung.759 Das Recht auf Akteneinsicht sowie Einreichung und Erhalt von Schriftsätzen steht ihm ebenfalls zu. Der Verfahrenspfleger kann zu Gunsten des Kindes zudem Rechtsmittel einlegen und das Rechtsmittelverfahren durchführen.760 Die Bestellung endet in der Regel gemäß § 50 Abs. 4 FGG mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Vor der Einführung des Verfahrenspflegers für Kinder diskutierte die Lehre, welcher Personenkreis die Kompetenzen besitzt, die Interessen der Kinder in Erfahrung zu bringen sowie sie in gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Werden entsprechende kommunikative Erfahrungen mit Minderjährigen tendenziell eher Pädagogen und Psychologen zugetraut, besitzen Rechtsanwälte eher die Fähigkeit der prozessualen Vertretung. Daraus zog man – angelehnt an das britische Modell des „Kinderanwalts“ – die Schlussfolgerung, dass ein Tandemmodell, bestehend aus einem Pädagogen/Psycho757 Vgl. Hahn, Kindheits-, Jugend- und Erziehungsrecht, München 2004, S. 163; OLG Brandenburg: Beschluss vom 9. Dezember 1999, 10 WF 238/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1295–1296, S. 1295, welches wiederum hervorhebt, dass die Eltern ihre Vertretungsbefugnis für das Kind nicht verlieren. 758 Vgl. OLG Dresden Beschluss vom 14. Januar 2001, 20 WF 608/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1296–1297, S. 1296 f.; OLG Frankfurt, in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 19, S. 1293–1294, S. 1293; OLG München, in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 10, S. 667, S. 667. 759 Vgl. OLG Bremen: Beschluss vom 20. Dezember 1999, 5 WF 126/99, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1298. 760 Vgl. Engelhardt (Bearb.), Freiwillige Gerichtsbarkeit – Kommentar, 1999, § 50 Rn. 22–25; BT-Drucksache 13/4899 vom 13. Juni 1996, S. 132.
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logen und einem Rechtskundigen, die zu favorisierende Lösung sei.761 Gesetzliche Regelungen, wer Verfahrenspfleger sein kann, existieren seit dessen Einführung jedoch nicht. Das Bundesverfassungsgericht hebt in seiner Entscheidung hervor, dass ein solcher Pfleger anwaltliche Qualifikationen haben kann, aber nicht muss. Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben obliegt es daher den Gerichten, geeignete Personen auszuwählen.762 In der derzeitigen Praxis bestellen die Familiengerichte vor allem Rechtsanwälte (Fachanwälte für Familienrecht) zu Verfahrenspflegern. Eine Abrechnung nach der Gebührenordnung für Rechtsanwälte ergibt sich daraus aber nicht zwingend.763 Vielmehr erfolgt die Entlohnung in Anlehnung an die Entlohnung von Betreuern und ist damit für Rechtsanwälte mit Blick auf den Arbeitsaufwand in der Praxis weniger lukrativ. Die Bestellung von Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Kinderpsychologen zu Verfahrenspflegern ist ebenso möglich.764 bb) Rechtliche Würdigung der Gerichte Bei den Gerichten handelt es sich wie beim Petitionsausschuss nicht um eine originäre Kinderschutzinstitution, die sich ausschließlich dem Schutz, der Kontrolle und der Durchsetzung von Kinderrechten widmet. Aufgabe der Gerichte ist es in allererster Linie, Recht zu sprechen oder im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig zu werden. Folglich entsprechen die Gerichte aus materieller Sicht nur punktuell den Kriterien der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“, vor allem, indem sie Kindern die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte ermöglichen. Für ein kind- und jugendgerechtes Gerichtsverfahren existieren neben speziellen Verfahrensvorschriften auch nicht zur Judikative zählende Verfahrensbeteiligte, die in Gerichtsverfahren mit Minderjährigen mitwirken sollen. Vor diesem Hintergrund bleibt nun zu fragen, inwieweit die Gerichte – insbesondere das Familien- und Vormundschaftsgericht sowie das Jugendgericht – und die Verfahrensbeteiligten den Anforderungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ entsprechen. 761
Vgl. Salgo, Der Anwalt des Kindes, 1996, S. 562. BVerfG Beschluss vom 7. Juni 2000, 1 BvR 23/00 – 1 BvR 111/00, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1280–1284, S. 1281. 763 BVerfG Beschluss vom 7. Juni 2000, 1 BvR 23/00 – 1 BvR 111/00, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1280–1284, S. 1281 ff. 764 Und grundsätzlich auch des Jugendamts; siehe dazu allerdings kritisch: Törnig, Anwalt des Kindes und Jugendamt – Ein Überblick, in: Zentralblatt für Jugendrecht 2001, 88. Jhg. Heft 12, S. 457–463, S. 460 ff. Dazu auch die Anmerkungen von Bienwald zum BVerfG Beschluss vom 7. Juni 2000, 1 BvR 23/00 – 1 BvR 111/00, in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1280–1284, S. 1284; vgl. Mühlens/ Kirchmeier/Greßmann, Das neue Kindschaftsrecht, 1. Auflage, Köln 1998, S. 321. 762
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Die formellen Voraussetzungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ hinsichtlich der gesetzlichen Verankerung und Ausgestaltung liegen bei den Gerichten zweifelsfrei vor, so dass auf die allgemeinen Ausführungen verwiesen wird. Die Gerichte, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, sind, wie die Ausführungen der letzten beiden Kapitel verdeutlichen, ein wichtiger Baustein für die Durchsetzung und den Schutz von Kinderrechten. Vor allem die Rechtsfortbildung durch das Bundesverfassungsgericht hat dazu geführt, dass zahlreiche Rechte, die dem Schutz von Minderjährigen dienen, aus den Bestimmungen des Grundgesetzes hergeleitet wurden. Trotz fehlender ausdrücklicher Verankerung von allgemeinen Kinderrechten in der Verfassung, von der speziellen Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 GG abgesehen, besteht nunmehr durch die Rechtsprechung ein enges Netz von Rechten, die Kindern allgemein oder konkret zugute kommen. Genannt seien exemplarisch die Herleitung des Kinder- und Jugendschutzes als Verfassungsgut sowie der besondere Schutz der Persönlichkeit und des Rechts auf Entwicklung von Kindern. Überdies half das Bundesverfassungsgericht, die Lücken bezüglich der Geltendmachung der Rechte durch die Minderjährigen zu schließen. Die Rechtsschutzlücke, die bestand, wenn Kinder aufgrund fehlender eigener Prozessfähigkeit gegen Grundrechtsverletzungen nicht vorgehen konnten, schloss das Bundesverfassungsgericht, indem es den Gesetzgeber aufforderte, normative Regelungen zu schaffen, die eine hinreichende Berücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des Kindes garantieren. Neben dem Bundesverfassungsgericht treffen vor allem die Familiengerichte Entscheidungen, die das Wohl und die Interessen von Kindern betreffen. Genannt sei im Rahmen des FGG-Verfahrens insbesondere die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes durch die Gerichte mittels Entscheidungen über das Wohl des Kindes nach § 1666 BGB. Den Bedürfnissen von straffällig gewordenen Minderjährigen trägt zudem die Ausgestaltung des Jugendstrafverfahrens Rechnung, welches die Täterpersönlichkeit zum Ausgangspunkt für die staatliche Reaktion macht und von einer Formbarkeit der jugendlichen Täter ausgeht. Der in diesem Zusammenhang verfolgte Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht wird allerdings auch kritisch bewertet. Vor allem dann, wenn dem Jugendlichen neben der eigentlichen Strafe noch ein sog. „Erziehungszuschlag“ von Seiten des Richters droht, der am Ende zu einer Schlechterstellung des minderjährigen Täters im Vergleich zum erwachsenen Täter führt.765 Fraglich ist, wie sich die genannten Verfahren vor den Gerichten aus der Sicht von Minderjährigen gestalten und wie die vorgesehenen besonderen 765 Vgl. Streng, Jugendstrafrecht, 2003, S. 10 ff.; Albrecht, Jugendstrafrecht, 1993, S. 71.
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Beteiligten, die Gerichtshilfen des Jugendamts und der Verfahrenspfleger ihren Rollen in den Verfahren gerecht werden. Das Jugendamt mit der Jugendgerichtshilfe ist gesetzlich im KJHG (SGB VIII) statuiert und ein von der Justiz unabhängiges Organ. Es soll die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Aspekte in das Jugendstrafverfahren einbringen. Danach wäre es grundsätzlich geeignet, die Interessen von Jugendlichen im Strafverfahren wahrzunehmen. Die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe liegen aber nicht in erster Linie im Bereich der Unterstützung und Beratung der Jugendlichen, sondern umfassen auch Ermittlungshilfe und Überwachung. Insbesondere zum Ermittlungsbericht ist bislang empirisch nicht belegt, ob er im Verfahren tatsächlich einen positiven Beitrag leistet. Das Erfordernis an die Berichte, die objektive Zusammenstellung des Tatsachenmaterials von den Wertungen zu trennen, wird, so belegen Untersuchungen, in der Praxis häufig nicht eingehalten. Vielmehr besitzt die Berichterstattung oft einen selektiven Charakter und die Tendenz zu Stereotypen.766 Bei Analysen von Jugendgerichtshilfeberichten ergab sich zudem häufig eine Dominanz der negativen Eigenschaftsbegriffe.767 Die oben dargestellte Doppelfunktion der Jugendgerichtshilfe, auf der einen Seite das Gericht u. a. mittels Ermittlungsbericht zu unterstützen und auf der anderen Seite dem beschuldigten Jugendlichen Hilfe leisten zu wollen, führt in der Praxis zu Spannungen. So fühlen sich Jugendliche in der Hauptverhandlung häufig von der Jugendgerichtshilfe im Stich gelassen oder betrachten deren Handlungen als undurchsichtig.768 Diskutiert wird daher die Verschiebung der Aufgaben der Jugendgerichtshilfe in Richtung beratender „Sozialanwalt“. Die herrschende Meinung lehnt dies zu Recht mit der Begründung ab, dass damit auf eine notwendige objektive Ermittlungshilfe vor Gericht zu Lasten des Jugendlichen verzichtet werden würde.769 Außerdem wäre eine solche Verschiebung zum reinen Interessensvertreter der Minderjährigen vor dem Hintergrund eines fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts der Jugendgerichtshilfe unsinnig. Problematisch ist insgesamt, dass aufgrund der hohen Fallbelastung die Jugendgerichtshilfe in rund 20% der Verfahren auf eine Beteiligung ganz verzichtet. Die Nichteinbringung der erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Aspekte im Jugendstrafverfahren erscheint nur bei ganz bestimmten Fallgruppen, z. B. bei Bagatelldelikten, als vertretbar.770 766 767 768 769 770
Vgl. Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 2004, § 38 Rn. 50. Mit weiteren Anmerkungen ebenda. Ebenda, § 38 Rn. 39. Vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 1998, S. 208. Vgl. dazu Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 2004, § 38 Rn. 34.
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Neben der Gerichtshilfe im Jugendstrafverfahren leistet das Jugendamt gemäß § 50 KJHG (SGB VIII) auch beim Familien- und Vormundschaftsgericht Hilfe, wobei das Wohl des Kindes Handlungskriterium für das Jugendamt ist. Dies ergibt sich bereits aus der Zielsetzung der Jugendhilfe gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3 KJHG (SGB VIII). Im Unterschied zur Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren, deren wesentliche Funktion u. a. die unterstützende Ermittlungshilfe für das Gericht gemäß § 38 JGG ist, erfolgt die Unterstützung der ordentlichen Gerichte als über das Gericht transportierte Jugendhilfe, nur im Hinblick auf das Kind. Sowohl Beratung als auch Unterstützung des Jugendamts sind in diesen Fällen auf das Kindeswohl ausgerichtet. Die Problematik des Rollenkonflikts stellt sich daher in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht.771 Dies gilt insbesondere seit der Einführung des Verfahrenspflegers, der die Aufgabe innehat, die subjektiven Kinderinteressen in das Verfahren einzubringen. Die Aufgabe des Jugendamts ist, wie beschrieben, die Unterstützung und Mitwirkung in Verfahren vor dem Familien- und Vormundschaftsgericht in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen. In seinem abzugebenden Bericht obliegt es dem Jugendamt als Fachbehörde nicht nur, bloße Tatsachen mitzuteilen, sondern diese zu würdigen, Stellung zu beziehen und Vorschläge zu unterbreiten.772 Stimmen in der Lehre bezweifeln allerdings die diagnostische Fachkompetenz des Jugendamts in der Praxis. Kritik üben sie insbesondere in den Fällen, in denen den Stellungnahmen nicht hinterfragte Wertvorstellungen zugrunde gelegt werden und davon abweichendes Verhalten als Normverletzung interpretiert wird. Die Bedeutung dieser Gutachten und Voten ergibt sich aus der häufig vorkommenden Praxis der Gerichte, sie zur Grundlage der richterlichen Entscheidung zu nehmen.773 Mit der Übernahme der gutachterlichen Stellungnahmen unabhängig von deren Qualität, besteht die Gefahr, dass die Justiz ihre gesetzlich vorgegebene Aufgabe der Entscheidungsfindung tendenziell aufgibt und stattdessen die Hilfsinstitutionen zu den faktischen Entscheidungsinstanzen werden. Dem kann begegnet werden, so zu Recht die Stimmen in der Lehre, wenn alle Verfahrensbeteiligten ihrer originären Funktion gerecht werden würden.774 Der gesetzlich in § 50 FGG neu eingeführte Verfahrenspfleger (sog. Anwalt des Kindes) ist dagegen als Ergänzung zur Beteiligung des Jugendamts in familien- und vormundschaftsgerichtlichen Verfahren zu bewerten, mit 771 A. A. Mörsberger (Bearb.), der von einem Rollenkonflikt ausgeht, in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Vor § 50 Rn. 10. 772 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 50 Rn. 9. 773 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Mörsberger (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Vor § 50 Rn. 12, § 50 Rn. 39. 774 So Mörsberger (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, Vor § 50 Rn. 12.
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der die bis dahin vorhandene Rechtsschutzlücke geschlossen wurde. Unklar ist bislang, ob es dem Verfahrenspfleger neben der reinen Darstellung des Kindswillens auch obliegt, diesen zu interpretieren und sein Handeln am Kindeswohl auszurichten (so die h. M.). Diese Vorgehensweise erscheint sachgerecht, da eine klare Darstellung des Kindswillens in der Praxis durch den Minderjährigen selbst nicht in allen Fällen gegeben sein wird. Vor allem entspricht der geäußerte Wille nicht immer seinem tatsächlichen Willen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Verfahrenspfleger gegen den Willen der Eltern eine Befragung des Kindes nicht durchführen darf und dann im Wesentlichen auf die Aussagen des Minderjährigen bei der richterlichen Anhörung angewiesen ist. Dies lässt sowohl eine Befragungen im Umfeld des Kindes als auch eine am Kindeswohl ausgerichtete Interpretation der so gewonnenen Erkenntnisse notwendig erscheinen. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bzgl. der Befugnisse des Verfahrenspflegers, den Kindswillen zu erforschen, gestaltet sich, wie dargelegt, bislang sehr uneinheitlich, was zu Rechtsunsicherheit in der Praxis führt. So versagen einige Gerichte dem Verfahrenspfleger den Kontakt zum Kind bei fehlender diesbezüglicher Befugnis der Eltern und beschränken überdies die Möglichkeit, mit den Eltern persönliche Gespräche zu führen sowie Ermittlungen bei anderen Auskunftspersonen vorzunehmen. Der Sachverhalt und die jeweiligen Standpunkte sollen sich, so die Vorstellung einiger Gerichte, für den Verfahrenspfleger allein aus der Gerichtsakte oder den Anhörungen bei Gericht ergeben. Wie der Verfahrenspfleger unter solchen Gegebenheiten seinen Aufgaben nachkommen soll, erscheint mehr als fraglich. Das Erkennen und Wahrnehmen der Kinderinteressen setzt eine Befassung mit seinem Umfeld vielmehr voraus. Daher sollte der Verfahrenspfleger grundsätzlich in der Lage sein, sich ein umfassendes Bild der Situation machen zu können. Besonders problematisch erscheint, dass die Diskussion um die Befugnisse und den Aufgabenbereich im Zusammenhang mit der Entlohnung des Verfahrenspflegers geführt wird. Damit droht die Forderung nach umfassenden Befugnissen des Verfahrenspflegers in den Hintergrund zu geraten. In der Frage, wann ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, hat sich in der Rechtsprechung mittlerweile eine restriktive Auslegung durchgesetzt. Während kurz nach Einführung des Verfahrenspflegers allein die Möglichkeit eines Interessenkonflikts als ausreichend für eine Bestellung angesehen wurde, hat der Richter nunmehr Vorermittlungen vorzunehmen, um festzustellen, ob ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Minderjährigem und dessen Sorgerechtsberechtigten vorliegt. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, unnötige Pflegerbestellungen zu vermeiden. Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der neuen Institution des Verfahrenspflegers durchaus um einen Gewinn im Institutionengefüge. Allerdings
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
weisen die gesetzlichen Regelungen noch zahlreiche Unklarheiten auf. Der Gesetzgeber ist daher gefordert, für Klarheit und damit Rechtssicherheit zu sorgen.775 f) Die Landeskinderbeauftragten in Deutschland Ergänzt wird der institutionelle Schutz der Kinderrechte und -interessen noch durch zahlreiche weitere staatliche Institutionen, insbesondere auf Kommunal- und Landesebene. So führten in den letzten Jahren zahlreiche Kommunen lokale Kinderombudsmänner ein.776 Neben den Kommunen schufen auch einzelne Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein zusätzlich zu den bestehenden Landesjugendämtern landesweite Kinderombudsmänner.777 Von Interesse für diese Untersuchung sollen nur die Landeskinderbeauftragten sein. Insbesondere sie können Aufschluss darüber geben, welche Handlungsfelder für Kinderrechtsbeauftragte in Deutschland trotz des bestehenden Institutionensystems grundsätzlich verbleiben und welche rechtlichen Voraussetzungen für ihr Tätigwerden generell erforderlich sind. Die Heranziehung der zahlreich bestehenden kommunalen Kinderrechtsbeauftragten für diese Untersuchung unterbleibt angesichts ihrer sehr unterschiedlichen rechtlichen Struktur, welche die Gewinnung von Aussagen zur Systematik des Kinderrechtsschutzes in Deutschland eher behindert.778 In Bezug auf die Landeskinderbeauftragten ergaben sich aufgrund der Regierungswechsel in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen Veränderungen. So ist nach den Wahlen in Schleswig-Holstein im Jahr 2005 unklar, ob eine erneute Einsetzung des Beauftragten erfolgt. Bislang ist dies 775 Siehe zum Ganzen Krille, Rechte und Pflichten des Verfahrenspflegers, S. 2, unter http://www.v-a-k.de/Index.php?id=144; eingesehen am 20. Januar 2004. 776 Bekannt ist z. B. der Kinderrechtsbeauftragte in Köln. Zu den kommunalen Kinderrechtsbeauftragten siehe u. a. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 77 ff.; sowie die umfassende Untersuchung von Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994. 777 In anderen Bundesländern, wie etwa Sachsen, gibt es keinen Kinderbeauftragten. Eine Einführung ist laut Auskunft des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales auch nicht geplant. Auch eine andere zentrale „Zuständigkeit für Kinderrechte“ existiert bislang nicht. Auskunft des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 10. Juli 2002 zum Thema Kinderrechtsbeauftragte mit Anlagen (Az.: 46-6900.10/2), S. 2. 778 Dennoch handelt es sich bei den kommunalen Kinderrechtsbeauftragten und deren Verhältnis zum Jugendamt um einen sehr lohnenden Forschungsgegenstand. Eine umfassende Untersuchung der kommunalen Kinderrechtsbeauftragten erfolgte bereits 1994 durch Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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nicht erfolgt.779 In Nordrhein-Westfalen (NRW) entschied man sich im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung im Jahr 2005 ausdrücklich für die Abschaffung des Kinderrechtsbeauftragten. Diese Aufgabe nimmt nunmehr der zuständige Landesminister wahr.780 Der Kinderrechtsbeauftragte in SachsenAnhalt ist folglich die einzige derzeit existierende Kinderombudsmanninstitution auf Landesebene. Unabhängig von der aktuellen Lage verspricht, neben der Darstellung des bestehenden Kinderrechtsbeauftragten, auch die Untersuchung der ehemaligen Institutionen den oben genannten Erkenntnisgewinn. aa) Der Kinderbeauftragte von NRW – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen Die Einführung des „Beauftragten der Landesregierung für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern“ in Nordrhein-Westfalen – kurz Kinderbeauftragter – erfolgte durch Kabinettsbeschluss am 6. Juni 1989. Der Kinderbeauftragte war als Referat in das für Kinder- und Familienpolitik zuständige Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit eingegliedert.781 Eine gesetzliche Grundlage, welche seine rechtliche Stellung, seine Aufgaben und Kompetenzen regelt, gab es nicht. Ziel der Bestellung des Kinderbeauftragten war es, Politik für Kinder als einen Schwerpunkt der Landespolitik zu profilieren. Dem Beauftragten selbst wies die Landesregierung u. a. die Aufgabe zu, in Bereichen der Schule, des Wohnens, der Umwelt, der Gesundheit, der Medien, bei benachteiligten Kindern sowie bei Fragen der Familienpolitik die Stellung der Kinder zu stärken.782 Dabei stand dem Kinderbeauftragten ein Beteiligungsrecht in allen kinderrechtsrelevanten Angelegenheiten zu, das aber keine 779 Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten ist derzeit für Fragen der Kinder- und Jugendhilfe zuständig. 780 Vgl. die Entscheidung der Landesregierung NRW zur Verwaltungsmodernisierung: Verwaltungsmodernisierung 1: Landesregierung beschließt weitgehende Abschaffung des Beauftragtenwesens – Rüttgers: „Wichtiger Baustein zur Entflechtung überflüssiger bürokratischer Strukturen“, in: Presseerklärung des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW vom 22. September 2005; unter: http://www.mgffi.nrw.de/presse/pressemitteilungen/pm2005/pm0509 22a.html; eingesehen am 17. Januar 2006. 781 Vgl. Kabinettsvorlage des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen betreffend den Bericht über die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses vom 6. Juni 1989 zur Bestellung eines „Beauftragten der Landesregierung für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern“ vom 8. September 1989 nebst Anlagen; Anlage S. 4. 782 So nachzulesen in der Kabinettsvorlage des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen betreffend den Bericht über die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses vom 6. Juni 1989 zur Bestellung eines „Beauftrag-
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
weitere Konkretisierung erfuhr. Im Wesentlichen beschränkte sich seine Zuständigkeit auf die Erarbeitung von Initiativen, welche der Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern dienen sollten. Dafür wurde ihm der Weg eröffnet, öffentlichkeitswirksam für Kinderrechte zu werben. Im Rahmen seiner Tätigkeit war der Kinderbeauftragte in NRW hauptsächlich auf die Bereitschaft Dritter, mit ihm zusammenzuarbeiten, angewiesen.783 Formelle Rechte, etwa in Form einer Mitwirkungspflicht von Behörden bei seinen Untersuchungen oder einer Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren, besaß der Kinderbeauftragte nicht.784 bb) Der Kinderbeauftragte von Schleswig-Holstein – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen Der Landeskinderbeauftragte wurde 1992 in Schleswig-Holstein durch Kabinettsbeschluss eingeführt, eine Regelung durch Gesetz erfolgte nicht. Der erste Kabinettsbeschluss siedelte den Kinderbeauftragten, der gleichzeitig Landtagsabgeordneter sein musste, beim Sozialministerium an. Der Beauftragte war parlamentarischer Vertreter der Sozialministerin.785 Durch die Zwittersituation stand der schleswig-holsteinische Kinderbeauftragte nach eigener Aussage „mit einem Bein in der Regierung und mit dem anderen im Parlament“.786 Am 19. Januar 1999 erging ein neuer abändernder Beschluss der Regierung.787 Das Amt des Kinderbeauftragten wurde als Stabsten der Landesregierung für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern“ vom 8. September 1989 nebst Anlagen, Anlage S. 2. 783 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 252. 784 Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 66. 785 Diese unscharfe Trennung zwischen Legislative und Exekutive ist eine anerkannte Praxis bei parlamentarischen Staatssekretären und Ministern, welche ebenfalls, trotz Zugehörigkeit zur Exekutive, ein Abgeordnetenmandat besitzen dürfen. Zur anerkannten Praxis bei Ministern: vgl. statt viele Pieroth (Bearb.), in: Jarass/ Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 38 Rn. 25. Zur Kritik an der Konstellation: Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 67. 786 So Horst Hager, Kinderbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, zitiert nach: Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 67. Die neu geschaffene Abteilung für Kinder, Jugend und Familie im Sozialministerium sollte ihm dabei zuarbeiten; siehe Abgeordnetenhaus von Berlin, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/600, vom 14. Juni 1996, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über Bericht über Erfahrungen mit parlamentarischen Kinderkommissionen und Kinderbeauftragten sowie die Umsetzung des § 5 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG), S. 30 f. 787 Siehe Erlass der Ministerpräsidentin vom 2. Februar 1999 – StK111 – über die Errichtung der Stabsstelle einer oder eines ehrenamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten der Landesregierung im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, in: Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1999, Nr. 7, S. 64.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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stelle im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin ausgewiesen, so dass ihr auch die Ernennung oblag. Die Arbeit gestaltete sich ab diesem Zeitpunkt ehrenamtlich. Weisungsabhängigkeit bestand nicht. Als Grund für die Abänderung im Jahr 1999 gab die Landesregierung die angespannte Haushaltssituation an, welche die im Koalitionsvertrag788 vorgesehene Schaffung eines hauptamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten nach ihrer Auffassung nicht mehr zuließ.789 Nach der Beschlusslage von 1999 sollte der Kinder- und Jugendbeauftragte vor allem Ansprechpartner für Institutionen und Verbände sein. Erwünscht war eine Moderation zwischen den gesellschaftlichen Gruppierungen. Des Weiteren sah der Beschluss eine Zuständigkeit des Ombudsmannes für Kinder, Jugendliche und Eltern vor.790 In einer „Information zum Kinder- und Jugendbeauftragten in Schleswig-Holstein“791 wurden die Aufgaben präzisiert. So sollte der Amtsinhaber die Landesregierung in allen kinderund jugendpolitischen Fragen beraten, so auch bei Gesetzgebungsverfahren. Gleichzeitig oblag es ihm, Maßnahmen vorzuschlagen, welche die Stellung der Kinder und Jugendlichen absichern helfen sollten. Konkrete Kompetenzen waren allerdings mit diesem Aufgabenkatalog nicht verbunden. cc) Der Kinderbeauftragte von Sachsen-Anhalt – Rechtsstellung, Aufgaben und Kompetenzen Sachsen-Anhalt verfügt aufgrund eines Landtagsbeschlusses vom 2. Mai 1991792 über einen Kinderbeauftragten. Dieser nahm am 1. Oktober 1992 seine Tätigkeit auf.793 Anders als in den bereits vorgestellten Bundesländern 788 Siehe Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Landesverband Schleswig-Holstein, und Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Schleswig-Holstein, vom 10. Mai 1996, Nr. 6.5. 789 Siehe Dringlichkeitsvorlage vom Januar 1999 über die Einrichtung einer oder eines ehrenamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten der Landesregierung im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, S. 2. 790 Bei der Festlegung des Aufgabenbereiches werden die finanziellen Ressourcen durchaus eine Rolle gespielt haben; im Übrigen siehe Erlass der Ministerpräsidentin vom 2. Februar 1999 – StK111 – über die Errichtung der Stabsstelle einer oder eines ehrenamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten der Landesregierung im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, in: Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1999, Nr. 7, S. 64. 791 Siehe Information zum Kinder- und Jugendbeauftragten in Schleswig-Holstein vom 18. Februar 2000 (StK KB 1), S. 1. 792 Vgl. Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt vom 2. Mai 1991 (Drucksache 1/15/349). 793 Vgl. Sachstandsbericht zur Vorbereitung auf die 27. Sitzung des Ausschusses für Jugend und Sport am 6. Dezember 1996, hier: Bericht der Kinderbeauftragten
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
erfolgte die Einsetzung des Kinderbeauftragten in Sachsen-Anhalt durch einen Landtagsbeschluss. Eine gesetzliche Festschreibung des Amtes existiert nicht. Der Kinderbeauftragte ist Referent im Ministerium für Gesundheit und Soziales und damit ebenfalls direkt in die Exekutive eingebunden.794 Die Kompetenzen und Aufgaben schreibt der Geschäftsverteilungsplan des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit fest.795 Danach ist der Kinderbeauftragte u. a. für die Grundsatzangelegenheiten der Kinderpolitik, für die Prüfung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Kinderverträglichkeit und Kinderfreundlichkeit hin, für parlamentarische Initiativen und für die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich zuständig.796 Konkreter werden die Regelungen damit auch in Sachsen-Anhalt nicht. Hinzuzufügen bleibt, dass erstmals 1996 Mittel im Haushaltsplan des Ministeriums in Höhe von 100.000 DM für Maßnahmen zur Förderung der Kinderfreundlichkeit vorgesehen waren.797 dd) Rechtliche Würdigung der Landeskinderbeauftragten Das Vorhandensein von Kinderrechtsbeauftragten auf Landesebene kann als Ergänzung und grundsätzliche Bereicherung des Institutionensystems zum Schutz von Kinderrechten und -interessen angesehen werden. Dies ergibt sich bereits aus den genannten Aufgaben der Kinderombudsmänner, wie z. B. der Prüfung von Legislativakten des jeweiligen Landes auf Kinderfreundlichkeit hin, die Einbringung von Initiativen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder auf Länderebene sowie die beratende Mitarbeit in Gesetzgebungsverfahren des Landes bezüglich kinder- und jugendpolitischer Fragen. Diese Handlungsfelder können aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik nur Länderinstitutionen wahrnehmen.798 des Landes Sachsen-Anhalt über das Programmprofil, Absichten und Erfahrungen dieses Bereiches vom 4. Dezember 1996, S. 2. 794 Früher im Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit. 795 Vgl. Sachstandsbericht zur Vorbereitung auf die 27. Sitzung des Ausschusses für Jugend und Sport am 6. Dezember 1996, hier: Bericht der Kinderbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt über das Programmprofil, Absichten und Erfahrungen dieses Bereiches vom 4. Dezember 1996, S. 2. 796 Vgl. Sachstandsbericht zur Vorbereitung auf die 27. Sitzung des Ausschusses für Jugend und Sport am 6. Dezember 1996, hier: Bericht der Kinderbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt über das Programmprofil, Absichten und Erfahrungen dieses Bereiches vom 4. Dezember 1996, S. 2 f. 797 Vgl. Sachstandsbericht zur Vorbereitung auf die 27. Sitzung des Ausschusses für Jugend und Sport am 6.12.1996, hier: Bericht der Kinderbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt über das Programmprofil, Absichten und Erfahrungen dieses Bereiches vom 4. Dezember 1996, S. 3. Diese oblagen allerdings nicht dem Kinderrechtsbeauftragten!
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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Zu prüfen ist, wie die regionalen Kinderrechtsbeauftragten den formellen und materiellen ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ gerecht werden. Bei der Einführung der Kinderrechtsbeauftragten in den Ländern treten klare rechtliche Defizite zu Tage, wobei insbesondere die fehlende gesetzliche Verankerung der Institutionen zu nennen ist. Bedingt durch die fehlende rechtliche Absicherung bestehen zwei der genannten Institutionen aufgrund politischer Veränderungen – zum jetzigen Zeitpunkt – nicht mehr.799 Die gewählte enge Anbindung des Amtes an die Exekutive hat auf der einen Seite den Vorteil, dass die Beauftragten im Ministerium oder in der Staatskanzlei einen Informationsvorsprung besitzen, der es ihnen erleichtern kann, rechtzeitig auf Entwicklungen in ihrem Aufgabenbereich Einfluss zu nehmen. Auf der anderen Seite birgt diese Form der Verankerung die Gefahr, dass bei Übergehung von Kinderinteressen durch die Administration die bestehende Abhängigkeit des Beauftragten ihn an einer offensiven Wahrnehmung des Amtes hindert.800 Neben der Frage nach der Unabhängigkeit der Institution stellt sich die nach der Person des Kinderrechtsbeauftragten. Diesbezüglich existieren ebenfalls keine bestimmten Regelungen. Weder ist ein bestimmtes Ernennungsverfahren vorgeschrieben noch werden, was wünschenswert wäre, besondere persönliche Voraussetzungen, wie berufliche Qualifikation oder politische Neutralität gefordert.801 Sehr allgemein formulieren die Beschlüsse auch die Aufgaben der Kinderrechtsbeauftragten. Positiv zu bewerten sind insbesondere die oben bereits genannte Mitwirkung im Gesetzgebungsprozess und die Kinderfreundlichkeitsprüfung von Landesvorschriften. Konkrete Durchführungskompetenzen besitzen die Kinderrechtsbeauftragten aber nicht. Letztlich hängt in allen Fällen ein gutes Ergebnis der Arbeit der Beauftragten vom Mitwirkungswillen Dritter ab. Generell erscheint die Einrichtung von Kinderrechtsbeauftragten auf Landes- und Kommunalebene vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Problem798 So obliegt zwar dem Bund gemäß Art. 74 Abs. 7 GG im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit der Bereich der öffentlichen Fürsorge, die Länder sind aber für die Kultur- und Bildungspolitik und damit für die Schulen und Kindergärten zuständig. Überdies erfolgt auch die Ausführung der jugend- und familienpolitischen Bundesgesetze durch die Länder. Vgl. Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 57. 799 Zur rudimentären Absicherung siehe Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 252. 800 Zum ganzen: Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 10 ff. 801 Siehe zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit von Beauftragten: Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 10 ff.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
felder im Kinderrechtsbereich in den Zuständigkeitsbereich der Länder und Kommunen fallen und die bestehenden Institutionen dem – scheinbar – nicht vollends gerecht werden, nachvollziehbar.802 Nicht immer erhielt die Schaffung von Kinderombudsmanninstitutionen in Deutschland jedoch ein positives Echo. Insbesondere die kommunalen Kinderrechtsbeauftragten, welche neben dem Jugendamt entstanden, werden von Stimmen in der Lehre als überflüssig und obendrein schädlich für die Jugendhilfe charakterisiert. Sie folgern aus der Existenz der Beauftragten Einschränkung hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten der Jugendhilfe.803 Im Gegensatz zur rechtlichen Position der Kinderombudsmänner beispielsweise in Norwegen oder Polen stecken die hier geschilderten Landeskinderbeauftragten rechtlich gesehen noch in den „Kinderschuhen“. Betrachtet man zudem die geringe rechtliche und personelle Ausstattung der Ämter, so liegt der Verdacht einer „Alibiveranstaltung“ durchaus nahe.804 Zu berücksichtigen ist andererseits, dass mit dem Landesjugendamt und dessen Landesjugendhilfeausschuss gemäß § 71 Abs. 4 KJHG (SGB VIII) bereits ein gesetzlich vorgesehenes Gremium auf Landesebene besteht. Dieses besitzt u. a. die Aufgabe, sich der Erörterung der aktuellen Problemlagen junger Menschen zu widmen sowie Anregungen und Vorschläge für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe einzubringen.805 Faktisch ähneln sich die Aufgabenbereiche der beiden Institutionen auf Landesebene, was sicherlich ein Grund dafür sein mag, dass zahlreiche Bundesländer auf die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten verzichten. Ein Bedürfnis nach einer zusätzlichen Institution kann sich allerdings dann ergeben, wenn sich zum einen die Arbeit in einem konkreten Landesjugendhilfeausschuss in den genannten Bereichen als ineffektiv erweist und zum anderen eine Mitwirkung im Gesetzgebungsprozess sowie eine umfassende Kinderfreundlichkeitsprüfung von Landesvorschriften angestrebt wird.806 Eine gesetzliche Verankerung eines Kinderrechtsbeauftragten sollte dann aber entsprechend den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ erfolgen.
802
Vgl. zu den kommunalen Kinderrechtsbeauftragten Fn.: 1550. Vgl. ausführlich Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 131. 804 So Eichholz für das Land NRW, in: Politik für Kinder, in: Recht der Jugend und des Bildungswesens (RdJB), 41. Jhg., 1993, S. 465–468, S. 466. 805 Vgl. § 71 Abs. 4 S. 2 KJHG (SGB VIII). 806 Vgl. zur Kritik an der Arbeit im Jugendhilfeausschuss allgemein die Ausführungen und Anmerkungen im Abschnitt D.III.3.c). Siehe auch Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 65. 803
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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3. Erfüllt eine Institution die formellen und materiellen Standards? Ausschlaggebend für das Ergebnis ist, ob eine der genannten deutschen Einrichtungen aufgrund ihrer Rechtsstellung, Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise mindestens den gleichen Standard beim Schutz von Kinderrechten und -interessen garantieren kann wie der polnische Kinderrechtsbeauftragte. Festzustellen bleibt, dass es auf Bundesebene eine eindeutig identifizierbare und leicht zugängliche Koordinierungsstelle für die Belange von Kindern807, die den ENOC-Maximen, den „Pariser Prinzipien“ sowie dem Standard des polnischen Kinderrechtsbeauftragten entspricht, derzeit nicht gibt. Die als landesweite staatliche Kinderschutzinstitution konzipierte Kinderkommission des Deutschen Bundestages erfüllt mit ihrer formellen und materiellen Ausgestaltung nicht die genannten Kriterien. Auf Kommunal- und Landesebene bestehen allerdings mit den Jugendämtern und Landesjugendämtern Kinderschutzinstitutionen, welche den ENOC-Maximen aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung durchaus in einigen Bereichen genügen.808 Beide Institutionen sind durch Bundesgesetz vorgeschrieben und erhalten ihre rechtliche Ausgestaltung hinsichtlich der Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise durch das KJHG (SGB VIII). Durch die Zweigliedrigkeit des Jugendamts809 ist gewährleistet, dass ein Teil des Jugendamts, der Jugendhilfeausschuss810, sich aufgrund seiner fehlenden Einbindung in die Exekutive unabhängig mit kinderpolitischen Fragestellungen auseinandersetzen kann. Dazu gehören u. a. das Vorgehen gegen die Verletzung von Kinderrechten und die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik. Die Vorschläge beschränken sich allerdings in der Regel auf den örtlichen bzw. regionalen Wirkungskreis. Während das Befassungsrecht grundsätzlich alle Fragen der Jugendhilfe umfasst, sind Beschlussfassungen des Jugendhilfeausschusses nur im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzungen sowie der von ihr gefassten Beschlüsse möglich und damit auf den Bereich der lokalen bzw. regionalen Gebietskörperschaft be807 Mit weiteren Anmerkungen dazu Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 51. 808 Anzumerken ist, dass die Kriterien seit 1999 nur noch für nationale und regionale Kinderschutzinstitutionen gelten. Kommunale Büros werden im Gegensatz zu den Aufnahmebedingungen von 1997 nicht mehr erwähnt. Ihnen ist auch seit 1999 keine Mitgliedschaft im ENOC mehr möglich. Die „Pariser Prinzipien“ umfassen nur nationale (und regionale) Menschenrechtsinstitutionen. Vgl. Abschnitt C.VI.2.e). 809 Diese Ausführungen gelten auch für das Landesjugendamt. 810 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt D.III.2.d)aa)(2).
330
D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
grenzt. Entsprechend den Maximen ist in § 8 Abs. 2 KJHG (SGB VIII) auch der Zugang der Minderjährigen zum Jugendamt gesetzlich geregelt. Allerdings können sich die Kinder und Jugendlichen an das Jugendamt nur mit Fragen zur Erziehung und Entwicklung (sog. Initiativrecht) wenden, wovon im Regelfall die Eltern zu informieren sind. Beratungen ohne oder gegen den Willen der Eltern sind grundsätzlich unzulässig.811 Im Übrigen gehen die materiellen Anforderungen der ENOC-Maximen z. B. hinsichtlich der Überwachung der Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention aber über die rechtlichen Möglichkeiten der Jugendämter hinaus.812 4. Erfüllt das Institutionensystem insgesamt die Standards? Zu fragen bleibt, inwieweit die deutschen Institutionen im Zusammenspiel zumindest die oben formulierten materiellen Standards beim Schutz von Kinderrechten und -interessen wahrnehmen. So ist konkret aufzuzeigen, welchen Institutionen ein Vorgehen bei Verletzungen von Kinderrechten oder bei Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen möglich ist sowie wer die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik und eine Kinderfreundlichkeitsprüfung vornehmen kann. Ferner, wer Sorge für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention trägt und die Berichtspflicht der Staaten kritisch begleitet. Außerdem ist darzulegen, welche Institution die Rolle als Ansprechpartner von Kindern und die Beratungen im Bereich Kinderrechte wahrnimmt sowie Behördenmitarbeiter und Interessierte schult. Aufzuzeigen ist überdies, welche Institution vorrangig Kinderinteressen in der Öffentlichkeit vertritt und diesbezüglich Informationsmaterial und Berichte zum Thema erstellt. Abschließend stellt sich die Frage, wem die Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen im Kinderschutzbereich jeweils obliegt. Schematisch gestaltet sich die Wahrnehmung der einzelnen Aufgabenbereiche gemäß den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ durch die dargestellten Institutionen in der Regel wie folgt:
811 Vgl. die Ausnahme in § 8 Abs. 3 KJHG (SGB VIII): dazu Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 15). 812 Die Landesjugendämter auf regionaler Ebene (die Landeskinderbeauftragten können aufgrund ihrer marginalen rechtlichen Absicherung hier außen vor bleiben) ergänzen die Tätigkeit der Jugendämter indem sie diese beraten und unterstützen sowie Aufgaben von überörtlicher aber im Wesentlichen ebenfalls nicht bundesweiter Bedeutung wahrnehmen.
×
Hinsichtlich der Umsetzung des NAP
Kinderfreundlichkeitsprüfung von Gesetzesvorlagen
Überwachung der Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention
Umfassende individuelle Beratungen im Bereich Kinderrechte
Konkretes Vorgehen bei Verletzungen von Kinderrechten oder bei Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen im Einzelfall
Zugang von Kindern
bedingt
×
×
Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik
Kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten*
Kinderkommission
ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“
Bei Vorliegen einer Petition
×
Bei Vorliegen einer Petition
Petitionsausschuss
Bei Vorliegen einer Petition
×
×
×
×
BmFSFJ
Keine Angabe möglich
Keine Angabe möglich
bedingt
×
×
Landeskinderbeauftragte
×
×
Gerichte
Fortsetzung Seite 332
Bedingt gemäß § 8 Keine Angabe KJHG (SGB VIII); möglich Vorrangig im Rahmen der Jugendarbeit durch freie Träger
×
×
× lokal/regional
Jugendamt und Landesjugendamt
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution? 331
×
Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen im Kinderschutzbereich
Im Rahmen der internationalen Jugendarbeit
×
×
×
Jugendamt und Landesjugendamt
Keine Angabe möglich
×
Keine Angabe möglich
Keine Angabe möglich
Landeskinderbeauftragte
Keine Angabe möglich
Gerichte
813
Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt B.I.3.
* Kritisiert werden allerdings von Kinderkommission, Petitionsausschuss, BmFSFJ die abgegebenen Erklärungen der Bundesregierung zur UN-Kinderrechtskonvention.813
×
×
×
×
BmFSFJ
Öffentlichkeitsarbeit Erstellung von Informationsmaterial und Berichten im Kinderschutzbereich
Petitionsausschuss
Keine Angabe möglich
×
Kinderkommission
Schulung von Behördenmitarbeitern und Interessierten im Bereich Kinderrechte
Ansprechpartner hinsichtlich der Erteilung von Informationen und Informationsmaterial im Kinderrechtsbereich
ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“
332 D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
333
Anhand des tabellarischen Überblicks und der Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten lässt sich Folgendes feststellen: Deutlich wird, dass eine Vielzahl der Aufgabenbereiche des polnischen Kinderrechtsbeauftragten sowie der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ durch die staatlichen Institutionen in Deutschland wahrgenommen werden. So ist die Mehrheit der untersuchten Institutionen dazu befugt, Vorschläge zur Verbesserung der Kinderpolitik zu unterbreiten, worunter z. B. auch die Initiierung von konkreten Gesetzesvorhaben durch die Kinderkommission und das BmFSFJ fallen. Die dies bezüglichen Befugnisse der einzelnen Institutionen umfassen alle Ebenen, d.h. Vorschläge können durch die jeweils zuständigen Institutionen sowohl auf bundesweiter, regionaler und kommunaler Ebene erbracht werden. Durch das BmFSFJ ist überdies eine Kinderfreundlichkeitsprüfung der Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung vorgesehen, im parlamentarischen Bereich übernimmt dies, soweit die Kapazität vorhanden ist, die Kinderkommission. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt, der durch die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ als Standard festgeschrieben ist, sind die Umsetzung, Verbreitung und kritische Begleitung der UN-Kinderrechtskonvention. Für die Umsetzung und Verbreitung der UN-Kinderrechtskonvention ist auf Bundesebene maßgeblich das BmFSFJ zuständig. Koordinierungsmechanismen bezüglich der Umsetzung zwischen Bund und Bundesländern sind unter anderem die Obersten Landesjugendbehörden und die Jugendministerkonferenz. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Verteilung der Zuständigkeit zwischen den beiden Ebenen die Koordinierung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und damit auch eine umfassende und stimmige Kinderrechtspolitik auf allen Ebenen erschwert. Das Fehlen eines geeigneten ständigen zentralen Mechanismus zur Koordinierung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Bundesländern macht sich hier bemerkbar.814 Zudem gibt es keine unabhängige staatliche Institution, welche sowohl die Umsetzung des Übereinkommens als auch die Berichte der Bundesregierung an den Ausschuss für die Rechte des Kindes kritisch überwacht. Vielmehr übernimmt, anders als die ENOC-Maximen es vorsehen, die nichtstaatliche National Coalition in Deutschland diese Aufgabe.815 Es erscheint jedoch wirkungsvoller für die Durchsetzung der Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention, wenn eine staatliche Institution mit entsprechenden Kompetenzen (z. B. der 814 Siehe Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add.226, S. 3. 815 Vgl. dazu die Ausführungen oben in Abschnitt B.I.3.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
Befugnis einen kritischen Bericht zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im Bundestag abgeben zu können) diese Aufgabe wahrnimmt. Aufgrund der Übersicht wird deutlich, dass die Mehrzahl der aufgeführten Institutionen grundsätzlich für Kinder und Interessierte rechtlich gesehen zugänglich sind. Unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden Zulässigkeitsregelungen haben so die Minderjährigen die Möglichkeit, sich mit ihrem konkreten Belang (z. B. Petition, Klage, Antrag, Anregung oder Auskunftsersuchen) an die jeweils zuständige Institution zu wenden. Die konkrete Ausgestaltung des Zugangs (schriftlich oder mündlich, formell oder informell) ist unterschiedlich geregelt und, wie u. a. die Ausführungen zum Petitionsausschuss ergaben, nur zum Teil kindgerecht. Das Vorgehen gegen konkrete Verletzungen von Kinderrechten oder bei Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen in Einzelfällen obliegt im Wesentlichen den Jugendämtern und Gerichten. Bei Vorliegen einer Petition befassen sich zudem der Petitionsausschuss oder das BmFSFJ als zuständige Stelle mit den Anliegen. Im Ausnahmefall kann sich auch die Kinderkommission, und sei es durch Weiterleitung an die zuständige Stelle, mit einer konkreten Angelegenheit auseinandersetzen. Individuelle Beratungen von Kindern in Problemlagen bieten von den staatlichen Institutionen allerdings wegen des gewährleisteten Elternrechts nur die Jugendämter unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) an.816 Mit Einschränkungen werden auch die Kinderkommission und das BmFSFJ vor allem bei entsprechenden Aktionen, z. B. chatten mit der Kinderkommission, als direkte Ansprechpartner für Minderjährige tätig. Tatsächlicher Ansprechpartner und Berater bei Problemen auf Bundesebene sind für Minderjährige vor allem private Institutionen und/oder freie Träger, wie der Verein „Nummer gegen Kummer“, welcher allein im Jahr 2004 rund 230.000 telefonische Beratungsgespäche durchführte.817 Grund für die vor allem privat getragenen oder von freien Trägern angebotenen Beratungen ist deren fehlende unmittelbare Bindung an die Grundrechte, die es ihnen ermöglicht, ohne die einschränkenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) und damit ohne Benachrichtigung der Eltern Beratungen von Kindern und Jugendlichen anbieten zu können.818 Allgemeines Informationsmaterial über die Rechte von Kindern kann indessen von Kinderkommission, BmFSFJ und den Jugendämtern abgerufen werden. Obwohl folglich einzelne staatliche Institutionen zugänglich und damit Ansprechpartner (auch) für Minderjährige sind, indem sie konkret gegen Verletzun816
Beratung von Minderjährigen in einer Not- und Konfliktsituation. Vgl. Nummer gegen Kummer e. V. (Hrsg.), Statistik 2004: Kinder- und Jugendtelefone, Wuppertal 2005, S. 4. 818 Vgl. Kunkel (Bearb.), LPK-SGB VIII, § 8 Rn. 18. 817
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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gen von Kinderrechten oder bei Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen vorgehen sowie allgemeine und/oder individuelle Beratungen vornehmen, besteht insgesamt gesehen in der Praxis ein Defizit. Dieses liegt darin begründet, dass es in Deutschland keine zentrale, öffentlich bekannte staatliche Anlaufstelle, wie sie die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ fordern, für Kinder und Jugendliche gibt. Einer solchen Stelle muss nicht zwingend die Befugnis eingeräumt werden, alle sich aus der Funktion des Ansprechpartners ergebenden Aufgaben selbst wahrzunehmen. (Dies wird bereits in einigen Bereichen aus staatsorganisationsrechtlichen Gründen unzulässig sein.) Vielmehr kann sie, sofern keine eigene Zuständigkeit besteht, als Anlaufstelle die unterschiedlichsten Anliegen koordinieren bzw. weiterverweisen. Eine solche Koordinierungsstelle erscheint insbesondere deshalb notwendig, da es Minderjährigen als besonders schutzbedürftigem Personenkreis nicht zugemutet werden kann, aus dem bundesstaatlichen Institutionengefüge die jeweils für ihr Anliegen zuständige Institution selbständig herauszufinden. Die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ fordern außerdem regelmäßige Schulungen im Bereich Kinderschutz und Kinderrechte beispielsweise von Behördenmitarbeitern, interessierten Berufsgruppen und Dritten. Die Kinderkommission bietet eine entsprechende Weiterbildung als einzige auf Bundesebene konzipierte, zentrale staatliche Kinderschutzinstitution nicht an. Das Fehlen einer zentralen Institution, welche für diesen Bereich zuständig ist, hat derzeit zur Folge, dass es für bestimmte Berufsgruppen, die für und mit Kindern arbeiten (z. B. Richter, Anwälte, Vollzugsbeamte, Staatsbedienstete, Kommunalbeamte, Personal in Institutionen, Lehrer und Personal im Gesundheitsdienst) noch keine systematische und kontinuierliche Fortbildung im Bereich der Kinderrechte gibt.819 Allein die öffentlichen Träger der Jugendhilfe sind gemäß § 72 Abs. 3 KJHG (SGB VIII) verpflichtet, die eigenen Mitarbeiter des Jugendamts regelmäßig fortzubilden. Eine Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit, verbunden mit der Erstellung von Informationsmaterial und Berichten zum Thema als weiterer sich aus den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ ergebender Standard, findet, wie die Übersicht und die Ausführungen verdeutlichen, insbesondere durch die Kinderkommission, das BmFSFJ, die Jugendämter sowie die Landeskinderbeauftragten statt. Ebenso erfolgt auch durch die Kinderkommission und das BmFSFJ eine Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen im Kinderschutzbereich. Mit819 Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add.226, S. 4.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
glied des ENOC ist Deutschland mit seiner Kinderkommission allerdings nicht, da diese den Standards nicht entspricht. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass selbst im Zusammenwirken der deutschen Institutionen nicht alle materiellen Standards beim Schutz von Kinderrechten und -interessen erfüllt werden. Deutlich wird dies im Wesentlichen beim Gesichtspunkt der Umsetzung und Überwachung der Umsetzung des UN-Übereinkommens sowie hinsichtlich einer allgemeinen, leicht zugänglichen staatlichen Anlaufstelle für Minderjährige. Darüber hinaus macht sich auch ein faktisches Defizit bei der Wahrnehmung von Kinderrechten und -interessen bemerkbar, welches in der Aufgaben- und Kompetenzverteilung auf die unterschiedlichen Institutionen selbst begründet liegt. So macht der unterschiedliche Wirkungsbereich der Institutionen in Deutschland eine kohärente Vertretung der Kinderrechte und -interessen sowie eine entsprechende Kinderpolitik schwerer, mit der Folge eines weniger effektiven Schutzes sowie einer weniger effektiven Überwachung und Förderung. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass es an einer Kinderschutzinstitution in Form eines ständig wirksamen zentralen Koordinierungsmechanismus für die Rechte des Kindes auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene bislang mangelt. 5. Behebung der Defizite durch Modifizierung bestehender Institutionen Zu Fragen bleibt, ob nicht die Modifizierung einzelner Institutionen die genannten Defizite hinsichtlich der Standards im System der Institutionen ausgleichen könnte. Dies hätte den Vorteil, dass keine neue Institution in Deutschland eingeführt werden müsste. Zu denken ist dabei vor allem an die Kinderkommission. Allein sie kommt von den Institutionen in Deutschland als einzige bereits auf Bundesebene bestehende, zentrale staatliche Kinderschutzinstitution in Betracht, die vorhandene Lücke hinsichtlich einer kritischen staatlichen Begleitung der Berichtspflicht zur UN-Kinderrechtskonvention sowie eines zentralen staatlichen Ansprechpartners für Kinder zu füllen.820 Für eine Anpassung der Kinderkommission an die formellen Standards erscheint vor allem die Aufwertung der Kinderkommission zu einem eigenständigen Ausschuss des Bundestages erwägenswert. Damit wäre gewährleistet, dass das bestehende Abhängigkeitsverhältnis der Kinderkommission 820
Über Veränderungen wird natürlich auch in Bezug auf andere staatliche Institutionen nachgedacht. Siehe zu Veränderungen beim Jugendamt: Merchel, Schadet der kommunale Kinderbeauftragte, 1990, S. 130.
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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zum Mutterausschuss wegfallen würde und die Kinderkommission dem Plenum ihre Arbeitsergebnisse präsentieren könnte. Zudem wäre eine Auflösung der Kinderkommission nicht mehr in der dargestellten Art und Weise durch den Mutterausschuss möglich. Trotz dieses „Mehr“ an gewonnener Eigenständigkeit würde diese Aufwertung am Aspekt der fehlenden Unabhängigkeit im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ nichts ändern. Denn in diesem Fall entscheidet in der Regel das Plenum in jeder Legislatur neu über die Einsetzung.821 Inwieweit die einberufenen Ausschüsse eine Bestandsgarantie insoweit besitzen, dass sie nicht vor Ablauf der Legislaturperiode durch das Plenum aufgelöst werden können, ist streitig. In der Literatur werden sowohl Argumente für als auch gegen eine Bestandsgarantie vorgebracht. Zu Recht wird daher von Vertretern in der Lehre davon ausgegangen, dass eine vorzeitige Auflösung vom Selbstorganisationsrecht des Parlaments umfasst ist.822 Der fehlenden Bestandsgarantie eines Ausschusses „Kinderkommission“ könnte allerdings mit einer gesetzlichen Verankerung, wie sie etwa für den Petitionsausschuss gegeben ist, begegnet werden, was gleichzeitig einen höheren Grad an Unabhängigkeit des Ausschusses gewährleisten würde.823 Die Aufgaben eines Ausschusses sind generell zum einen die Mitwirkung am parlamentarischen Gesetzgebungsvorhaben sowie die Mitwirkung an der Kontrollfunktion des Parlaments. Die sog. Leistungskontrolle des Ausschusses betrifft dabei die laufende Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung einschließlich der sie leitenden politischen Spitze. Dabei kann die Kontrolle als nachträgliche Überprüfung, sog. repressive Kontrolle, oder aber als präventive Kontrolle erfolgen, d.h. insbesondere der Überprüfung von Planungsvorhaben und Gesetzentwürfen sowie der Artikulation von Anregungen und Gestaltungswünschen dienen.824 Als verwaltungsbegleitende Kontrolle ist sie damit ein Instrument des Parlaments, eine von ihm politisch nicht geführte Verwaltung zur Einhaltung seiner Beschlüsse zu zwingen.825 Diese allgemeinen Aufgaben gelten allerdings ebenfalls für einen Unterausschuss. Auch eine Kinderkommission in Form eines Haupt821
Siehe dazu Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main/Bern/New York 1986, S. 40. 822 Vgl. dazu mit weiteren Anmerkungen Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 167 f. 823 In diesem Zusammenhang sei die zum Teil verfassungsrechtliche bzw. gesetzliche Festlegung des Petitionsausschusses, des Untersuchungsausschusses bzw. des Wahlprüfungsausschusses zu erwähnen: siehe dazu Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 21 ff. 824 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 107 f. 825 Vgl. ebenda, S. 107.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
ausschusses könnte nur im Rahmen dieser bereits für sie als Unterausschuss geltenden Regeln handeln. Folglich würde sich am Kontrollumfang der Kinderkommission, der im Wesentlichen den parlamentarischen Bereich, d.h. die Überprüfung der bestehenden und neu zu schaffenden Gesetzesvorlagen auf deren Kinderfreundlichkeit, umfasst, nichts ändern.826 Eine über das Gesetzgebungsverfahren hinausreichende Einflussnahme auf administrative und judikative Entscheidungsabläufe stünde ihr im Wesentlichen nicht zu.827 Die Ausschüsse besitzen eine allein auf den arbeitstechnischen Bereich begrenzte Autonomie gegenüber dem Parlament. Ausdruck dessen ist u. a. das beschriebene Selbstbefassungsrecht. Dennoch sind die Ausschüsse zunächst vorrangig verpflichtet, die vom Plenum überwiesenen Vorlagen und Anträge für die Beschlussfassung im Bundestag vorzuberaten und über das Ergebnis der Beratungen dem Plenum unter Empfehlung entsprechender Beschlüsse zu berichten.828 Einen Anspruch auf Überweisung bestimmter Beratungsgegenstände hat der Ausschuss dagegen nicht.829 Die Arbeit eines Ausschusses „Kinderkommission“ würde folglich unter der Einschränkung stehen, dass nur die Beschlussvorlagen empfohlen werden können, die Gegenstand einer überwiesenen Vorlage oder Problemstellung des Parlaments sind.830 Der Bundestag hätte daher zumindest die Möglichkeit, durch Vorlagen die Tätigkeit der Kinderkommission zu steuern.831 Die Ergebnisse der zulässigen Selbstbefassung der Ausschüsse können dagegen, wie beschrieben, in der Regel nur auf informellem Weg ins Plenum gelangen. Anderes würde nur dann gelten, wenn dem Ausschuss durch die Geschäftsordnung ein Initiativrecht eingeräumt wird, auch ohne Auftrag des Plenums beratene Angelegenheiten seines Geschäftsbereichs zur Empfehlung vorzulegen. Dies gilt beispielsweise für den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.832 Grundsätzlich besitzen Ausschüsse überdies keine Entscheidungskompetenzen, d.h. sie können keine für das Plenum verbindlichen Entscheidungen treffen. Ausnahmen, wie z. B. der Wahlmännerausschuss des deutschen Bundestages, sind verfassungsmäßig, gesetzlich oder in der GOBT geregelt.833 826
Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 255. Vgl. ebenda, S. 256. 828 Vgl. Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 100. 829 Vgl. ebenda, S. 129. 830 Zum Recht der Selbstbefassung, siehe Ismayr, Bundestag, 2000, S. 190. 831 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 257. 832 Vgl. Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 130. 833 Vgl. § 6 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993, in: BGBl. I S. 1473 mit Änderungen; vgl. auch Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 132. 827
III. Besteht die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution?
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Insofern lässt sich feststellen, dass die Kinderkommission als regulärer Ausschuss, d.h. ohne Verankerung im Gesetz oder der GOBT sowie ohne zusätzliche Befugnisse, kein entscheidendes „Mehr“ an Kompetenzen und Unabhängigkeit im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ bekommen würde, als sie jetzt bereits als Unterausschuss besitzt. Hinsichtlich der Erfüllung der bestehenden Defizite bei den materiellen Standards lässt sich feststellen, dass die Kinderkommission schon in der derzeitigen Form, bei ausreichender personeller und finanzieller Ausstattung die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im Sinne der Kriterien überwachen sowie der Berichtspflicht nachkommen könnte. Die Aufwertung zum Ausschuss würde diesbezüglich keine Veränderung bedeuten. Anders sieht es bei einer Konzipierung der Kinderkommission als zentraler Ansprechpartner für Kinder aus. Um diese Aufgabe im Sinne der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ wahrnehmen zu können, bedürfte es spezieller Kompetenzen eines Ausschusses „Kinderkommission“. Diese Aufgabe würde Rechte des Ausschusses voraussetzen, die u. a. dem des Petitionsausschusses ähneln. Genannt seien beispielsweise Untersuchungsrechte gegenüber der Bundesregierung, den Bundesbehörden oder sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben des Bundes wahrnehmen. Zudem wären ein Eigeninitiativrecht und eine Entscheidungskompetenz des Ausschusses in diesem Zusammenhang wünschenswert. Die Ausstattung eines Ausschusses „Kinderkommission“ mit derartigen Befugnissen setzt eine (verfassungs-) rechtliche oder gesetzliche Regelung voraus, da damit eine Delegation wesentlicher Aufgaben und Befugnisse des Plenums verbunden wäre.834 Obwohl folglich mit einer Modifizierung der Kinderkommission die aufgetretenen Defizite beim Zusammenwirken aller Organe835 in Deutschland beseitigt werden könnten, stellt sich die Frage, ob dies sinnvoll ist. Denn trotz der gesetzlich notwendigen und gleichzeitig aufwändigen Veränderungen wären gleichwohl nicht alle Standards, insbesondere nicht die formellen Standards der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ durch die so reformierte Kinderkommission erfüllt. Dem steht insbesondere das Verhält834 So stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine Vorverlagerung von Entscheidungsfunktionen in Ausschüsse unbedenklich ist, soweit der Entscheidungsprozess institutionell in den Bereich des Parlaments, des Bundestages, eingefügt bleibt. In Frage kämen folglich nur solche Angelegenheiten, bei denen für eine Übertragung ein sachliches Bedürfnis besteht sowie ein wesentlicher Kompetenzverlust des Parlaments nicht zu befürchten ist. Da dennoch zumindest die abstrakte Gefahr besteht, dass in den Ausschüssen Entscheidungen getroffen werden, ohne das das Plenum davon Kenntnis erhält und darauf Einfluss nehmen kann, sind die entsprechenden Ermächtigungen ausdrücklich in der genannten Form zu verankern. BVerfGE 44, 308 (319); vgl. mit weiteren Anmerkungen Vetter, Die Parlamentsausschüsse, 1986, S. 134. 835 Vgl. die Ausführungen und die Tabelle in Abschnitt D.IV.2.h).
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
nis Plenum – Ausschuss entgegen, welches trotz gesetzlicher Ausnahmen (richtigerweise) nur eine begrenzte Autonomie der Ausschüsse gegenüber dem Parlament gewährt. Aufgrund fehlender Unabhängigkeit würde folglich auch ein Ausschuss „Kinderkommission“ den formellen Anforderungen der Standards nicht entsprechen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution für Deutschland.
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland in Anlehnung an das polnische Modell Die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution in Deutschland. Die Gründe dafür liegen in den dargelegten Defiziten des Systems, welche sich nicht durch die Modifikation einzelner Institutionen beheben lassen. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig das Erfordernis, eine neue Kinderschutzinstitution in Form eines Kinderrechtsbeauftragten zu schaffen.836 Dies verlangen weder die ENOC-Maximen noch die „Pariser Prinzipien“. Vielmehr kommen auch andere Ausgestaltungen, zum Beispiel in Form einer Kinderrechtskommission837 in Betracht, sofern sie den formellen und materiellen Anforderungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ entsprechen. So empfiehlt der Ausschuss für die Rechte des Kindes der UN-Kinderrechtskonvention838 mit Blick auf Art. 4 UN-Kinderrechtskonvention, der den Vertragsstaaten aufträgt, zur Verwirklichung des Übereinkommens alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, entweder die Einrichtung eines regierungsunabhängigen Kinderombudsmannes oder einer speziellen Kinderrechtskommission.839 Als Beispiel für letztere Variante sei die aus acht Mitgliedern zusammengesetzte Nationale Kinderkommission (National Council for Children) in Dänemark genannt, welche ebenfalls Mitglied des ENOC ist.840 Gleichwohl widmet sich diese Arbeit ausschließlich der Einführung einer Kinderombudsmanninstitution. Dies liegt bereits in der forschungsleitenden Fragestellung begründet, die den polnischen Kinderrechtsbeauftragten als 836
Vgl. dazu auch Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. August 2000 bis 30. April 2001, Kinderkommissionsdrucksache 14/176, S. 15. 837 An dieser Stelle nicht zu verwechseln mit der Kinderkommission des Deutschen Bundestages. 838 Vgl. Art. 43 UN-Kinderrechtskonvention. 839 Vgl. Hodgkin/Newell, Implementation Handbook for the Convention on the Rights of the Child, New York 1998, S. 71. 840 Vgl. http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Denmark/denmark.htm; eingesehen am 16.07.2002; sowie UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 8, 2001, Florenz, S. 18.
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland
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Modell für Deutschland untersucht. Hinzu kommt, wenngleich dieser Punkt nicht ausschlaggebend ist, die umfangreiche Erfahrung, welche inzwischen mit dieser speziellen Kinderschutzinstitution weltweit gesammelt wurde. In den folgenden Abschnitten ist zu untersuchen, wie sich ein Kinderrechtsbeauftragter in das staatsorganisationsrechtliche System Deutschlands einfügen lässt und wie seine konkrete Ausgestaltung aussehen könnte. Vorbild dafür sind die rechtlichen Bestimmungen zum polnischen Kinderrechtsbeauftragten, wobei es jedoch die rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland, vor allem die Regelung der Gewaltenteilung und die Besonderheiten des föderativen Systems, zu beachten gilt. Hilfreich können hierfür die bereits vorliegenden Erfahrungen bezüglich des öffentlich-rechtlichen Beauftragten sein. Neben der Beachtung der rechtlichen Rahmenvorgaben muss durch die Ausgestaltung der neuen Kinderschutzinstitution gleichfalls dem latent bestehenden Verdacht entgegentreten werden, eine derartige Einrichtung würde lediglich eine gewisse Alibifunktion, zur Beruhigung der Öffentlichkeit erfüllen.841 Dies galt bisher auch im Hinblick auf das polnische Modell, welches selbst in einigen Punkten eine nur unzureichende, „alibiverdächtige“ rechtliche Ausstattung aufwies. In Fällen, in denen das polnische Modell als Vorbild nicht geeignet ist, erfolgt ein Rückgriff auf die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. 1. Rechtliche Aspekte einer Einführung Wenn über die Einführung eines Kinderbeauftragten in Deutschland nachgedacht werden soll, stellen sich Fragen nach der Rechtsgrundlage, seiner Stellung im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge, den zu übertragenden Aufgaben und Befugnissen sowie seiner Arbeitsweise. Von Interesse und Relevanz sind für diese Überlegungen die gesetzlichen Regelungen bei den bereits bestehenden Beauftragten, insbesondere dem Wehrbeauftragten.842 Da die zu klärenden Fragen vielfach Gegenstand der in der Vergangenheit kontrovers geführten Diskussion um den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages waren, soll auf diesen Beauftragten zum Zwecke des Erkennt841 Mit weiteren Anmerkungen Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 249. 842 Siehe Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 109; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 262, weiterführend dazu Erbel, Parlament und Wehrbeauftragter in der Verfassungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, in: Der Staat, Band 14, 1975, S. 345–370, S. 345 ff.; Busch, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin/New York 1989, S. 1393–1419; Kipp, Entstehung, Aufgaben und Rechtsstellung von Hilfseinrichtungen von Regierungen und Parlament, in: DÖV 1957, S. 513–521.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
nisgewinns für einen Kinderrechtsbeauftragten besonders ausführlich eingegangen werden. a) Mögliche Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten Betrachtet man den polnischen Kinderrechtsbeauftragten hinsichtlich seiner Rechtsstellung, so handelt es sich um ein selbständiges Verfassungsorgan der Kontrolle und des Rechtsschutzes. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass eine reine Übertragung dieser Rechtsstellung in die deutsche Rechtsordnung kaum in Erwägung kommt. So kann, wie Maurer treffend feststellt, keine Transplantation eines fremden Organs stattfinden, welches in Deutschland keinen Nährboden fände.843 Dass es für ein Verfassungsorgan „Kinderrechtsbeauftragter“ als Organ der Kontrolle und des Rechtsschutzes keinen „Nährboden“ im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge gibt, gilt es in den folgenden beiden Abschnitten zu unterlegen. Im Anschluss daran stellt sich aber die Frage, wie die Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland aussehen könnte. Zu diesem Zweck sind die mögliche Verankerung, Zuordnung und organisationsrechtliche Ausgestaltung der Kinderschutzinstitution unter Bezugnahme auf bestehende Beauftragte näher zu untersuchen. aa) Ein Kinderrechtsbeauftragter als Verfassungsorgan? Um die These – die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten als Verfassungsorgan widerspräche dem deutschen staatsorganisationsrechtlichen Gefüge – belegen zu können, bedarf es vorab einer Klärung des Begriffes „Verfassungsorgan“. Nach der in der Lehre anerkannten Definition des Bundesverfassungsgerichtes werden als Verfassungsorgane in Deutschland diejenigen Organe844 angesehen, welche in der Verfassung konstituiert sind und deren Kompetenzen sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben. Über das formale Kriterium hinaus müssen ihre spezifischen Funktionen und ihre Wesensart integrierend auf den Staat wirken, indem sie mit ihrer Tätigkeit Anteil an der obersten Staatsleitung haben und durch ihre Existenz dem Staat seine spezifische Gestalt verleihen.845 Das Verfassungsorgan846 stellt, so Jellinek, den Staat inner843
Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 9. Zu unterscheiden ist beim Gebrauch des Ausdrucks Organ zwischen den Organen (Amt, Institution) an sich und den jeweiligen Organwaltern (den Amtsinhabern). In der Darstellung geht es nur um die Organe. 845 Siehe Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 344; Maurer, Staatsrecht, 2005, S. 391 f. Rn. 23; vgl. Bundesverfassungsgericht, Denkschrift des Bundesver844
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland
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halb einer gewissen Zuständigkeit dar.847 Der Staat kann folglich nur durch seine Organe bestehen und tätig werden; gibt es sie nicht, „. . . so bleibt nicht etwa noch der Staat als Träger seiner Organe, sondern ein juristisches Nichts übrig.“848 Die Verfassungsorgane sind untereinander gleichrangig, d.h. sie sind keinem anderen Verfassungsorgan untergeordnet oder von diesem organisatorisch abhängig. Folglich gehören sie auch nicht zum Ressort eines Ministers. Sie dürfen daher ohne ausdrückliche Ermächtigung ihre Geschäftsordnung erlassen. Ausdruck für ihre finanzielle Unabhängigkeit ist ihr eigener Haushalt mit Einzelplan im Bundeshaushaltsplan.849 Trotz der einheitlichen Begriffsbestimmung finden sich in der Literatur für die Verfassungsorgane Bezeichnungen wie „Staatsorgane“, „oberste Staatsorgane“, „oberste Verfassungsorgane“ und „oberste Bundesorgane“.850 Stern wiederum unterscheidet zwischen den Begriffen „Verfassungsorgan“ und „oberstes Staatsorgan“.851 Dieser Systematik schließt sich die vorliegende Darstellung an. fassungsgerichtes vom 27.6.1957, Bemerkungen des Bundesverfassungsgericht zu dem Rechtsgutachten von Professor Richard Thoma, in: JöR (Jahrbuch des öffentlichen Rechts) 1957, Band 6, S. 194–207, S. 197. 846 Der heute in Deutschland gebrauchte Terminus Verfassungsorgan entspricht dem bereits von Jellinek geprägten Begriff des unmittelbaren Staatsorgans. Jellinek unterscheidet zwischen der Existenz unmittelbarer und mittelbarer Staatsorgane. Unmittelbare Organe gibt es notwendigerweise in jedem Staat, da deren Vorhandensein die Form des Staates konstituieren und deren Wegfall zur Desorganisation oder Umwälzung desselben führen würde. Die Organstellung wird den unmittelbaren Organen direkt durch die Verfassung des Staates eingeräumt. Sie sind selbständig und folglich nicht der Befehlsgewalt eines anderen Organs unterworfen. Dem Staat gegenüber bilden sie keine Persönlichkeit, sondern mit ihm eine Einheit: Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1922, S. 544 ff. Die mittelbaren Organe wiederum beruhen nicht auf der Verfassung, sondern auf einem individuell an sie gerichteten Auftrag. Sie sind einem unmittelbaren Organ direkt oder indirekt untergeordnet und diesem auch verantwortlich: Ebenda, S. 557 ff. 847 Ebenda, S. 560. 848 Ebenda. 849 Siehe Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 345 f. 850 Siehe Badura, Staatsrecht – systematische Erläuterungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, München 2003 (Staatsorgane), S. 429 ff. Rn. 1 ff., der von Verfassungsorganen als besonderer Gruppe der Staatsorgane spricht, Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht: ein Lehr- und Handbuch, 2. Auflage, Heidelberg 2001 Rn. 995 ff., der den Begriff des Obersten Bundesorgans gleich dem des Verfassungsorgans gebraucht; Schmidt-Bleibtreu (Bearb.), in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage, München 2004, Art. 93 Rn. 2, die von Obersten Verfassungsorganen sprechen; Avenarius, Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1995, S. 44 ff. Insbesondere spricht Art. 93 Abs. 1. Nr. 1 GG hinsichtlich des Organstreitverfahrens von den obersten Bundesorganen. 851 Siehe zur Verwendung der Termini: Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 343 ff.
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
Deutlich wird aufgrund dieser Definition, dass allein die Verankerung eines Organs im Grundgesetz – z. B. eines Kinderrechtsbeauftragten –, anders als in Polen keine Verfassungsorganqualität begründet. Vielmehr sind die Verfassungsorgane von anderen in der Verfassung verankerten Organen zu unterscheiden. Welche Organe konkret Verfassungsorganqualität besitzen, war umstritten und wird auch heute noch im deutschen Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. So stand in den 50er Jahren die Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichtes zur Diskussion, wobei dieses selbst seine Verfassungsorganqualität aus entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkten und aus dem Charakter der ihm grundgesetzlich übertragenen Kompetenzen herleitete.852 Zu den Verfassungsorganen zählen heute vorbehaltlos der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung853, der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht.854 Darüber hinaus werden der aus Mitgliedern des Bundestages und Bundesrates bestehende und im Notstandsfall seine Haupttätigkeit aufnehmende Gemeinsame Ausschuss855 und die zum Zwecke der Wahl des Bundespräsidenten zusammentretende Bundesversammlung856 zu den Ver852 Siehe Bundesverfassungsgericht, Denkschrift des Bundesverfassungsgerichtes vom 27.6.1957, Bemerkungen des Bundesverfassungsgericht zu dem Rechtsgutachten von Professor Richard Thoma, in: JÖR 1957, Nr. 6, S. 194–207, S. 198 f. 853 Im Schrifttum wird vertreten, dass die im Grundgesetz ausdrücklich genannten Bundesminister (der Bundesminister der Finanzen in Art. 112 S. 1 GG, der Bundesminister für Verteidigung in Art. 65a Abs. 1 GG und der Bundesjustizminister in Art. 96 Abs. 2 S. 4 GG) sowie der Bundeskanzler und der Vizekanzler zu den Verfassungsorganen zählen: Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 345. Es handelt sich jedoch beim Bundeskanzler und den Bundesministern um mit eigenen Rechten ausgestattete Teileinheiten des kollegialen Verfassungsorgans „Bundesregierung“, welche auch als „andere Beteiligte“ im Bundesorganstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG parteifähig sind. Vgl. Rinken (Bearb.), in: Denninger/HoffmannRiem/Schneider/Stein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage Nachlieferung Oktober 2001, Art. 93 Rn. 10; Gester, Einfachgesetzliche Kompetenzen von Verfassungsorganen, Frankfurt am Main/Berlin/ Bern 1994, S. 7. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 93 Rn. 5 f. Aus diesem Grund wird vorliegend davon abgesehen, die Organteile als Verfassungsorgane zu kategorisieren. 854 Siehe Gester, Einfachgesetzliche Kompetenzen, 1994, S. 6. 855 Siehe u. a. Badura, Staatsrecht – systematische Erläuterungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, München 2003 (Staatsorgane), S. 455 Rn. 13; Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 163; Maurer, Staatsrecht, 2005, S. 391 f. Rn. 23. 856 Siehe u. a. Schlaich, Die Bundesversammlung und die Wahl des Bundespräsidenten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Heidelberg 1998, Band II – Demokratische Willensbildung – die Staatsorgane des Bundes, § 47, S. 523–528, S. 526 Rn. 6; Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 179.
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fassungsorganen gerechnet. Für die Zuordnung sprechen im Falle des Gemeinsamen Ausschusses sowohl der Wille des Verfassungsgebers857 als auch die umfassende Aufgaben- und Kompetenzzuweisung in einem eigenen Kapitel durch das Grundgesetz.858 Die Bezeichnung als Ausschuss ist dabei durchaus missverständlich, legt sie doch den Schluss nahe, es handle sich um ein Organ des Bundestages oder Bundesrates. Die Bundesversammlung findet sich dagegen weder in einem eigenen Kapitel, noch ist sie ein permanentes Organ. Ihre Verfassungsorganqualität leitet sich aus ihrer unmittelbaren Konstituierung im Grundgesetz und ihrer Aufgabe als Wahlorgan des Bundespräsidenten her. Keine Verfassungsorgane, sondern Oberste Staatsorgane859 sind nach der oben zugrunde gelegten Definition die Bundesgerichte, der Bundesrechnungshof und die Bundesbank860, gelten sie doch trotz ihrer verfassungsmäßigen Verankerung nach überwiegender Ansicht nicht als die Einheit des Staates konstituierend und staatsleitend.861 Oberste Staatsorgane haben überwiegend keinen Anteil an der Staatswillensbildung, weil sie auf oberster Staatsebene nicht politisch mitgestalten.862 Im Gegensatz zu den Verfassungsorganen ergeben sich deren Aufgabenkatalog und die wesentlichen Kompetenzen weitgehend aus den einfachen Gesetzen.863 857 Vgl. 3. Reg.-Entwurf vom 6.04.1967, BT-Drucks. V/1879, S. 15, 20; siehe mit weiteren Anmerkungen Herzog (Bearb.), in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 3, Art. 38–91 GG (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 31), München 1994, Art. 53a Rn. 8. 858 Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 170; Zeh (Bearb.), in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Heidelberg 1998, Band II – Demokratische Willensbildung – die Staatsorgane des Bundes, § 42, S. 391–423, S. 418 Rn. 56. 859 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 345. 860 Trotz der Einbindung in das Europäische Zentralbankensystem ändert sich an der oben angeführten Rechtsstellung der Bundesbank nichts: vgl. ausdrücklich Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 5. November 1993, Bundestags-Drucksache: 12/6000, S. 29. 861 Siehe für die Bundesbank: Blanke (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Band 3 Art. 79–146, 5. Auflage, München 2005, Art. 88 Satz 1 Rn. 7; a. A. Starke, Das Gesetz über die Deutsche Bundesbank und seine wichtigsten öffentlich-rechtlichen Probleme, DÖV 1957, S. 606–612, S. 608 f. Für den Bundesrechnungshof: Schwarz (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Band 3, Art. 79–146, 5. Auflage München 2005, Art. 114 Rn. 77. Teilweise wird dem Bundesrechnungshof auch ein verfassungsorganähnlicher Status zugebilligt: m. w. N. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 459. 862 Ausnahme ist u. a. die Rechtsfortbildung durch die obersten Bundesgerichte, worin ein Hineinwirken in die höchste Willensbildung des Staates gesehen wird; vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 392. 863 Vgl. ebenda, S. 345, 450.
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Betrachtet man zusammenfassend die Voraussetzungen, welche in Deutschland an ein Verfassungsorgan geknüpft werden – so seine Konstituierung im Grundgesetz, sein Anteil an der obersten Staatsleitung und die Eigenschaft aufgrund seiner Existenz dem Staat seine spezifische Gestalt zu verleihen –, kann ausgeschlossen werden, dass ein spezialisierter Beauftragter, wie der Kinderombudsmann, eine derartige Funktion wahrnimmt.864 Offen bleibt, ob der Kinderrechtsbeauftragte als oberstes Staatsorgan entsprechend dem Bundesrechnungshof, den Bundesgerichten oder der Bundesbank eingeführt werden kann oder ob eher die Konzipierung als Beauftragter in Frage kommt. Vergleicht man das umfassende Aufgabenspektrum der bestehenden obersten Staatsorgane mit den vorgesehenen speziellen Zuständigkeiten eines Kinderrechtsbeauftragten u. a. als Petitionsinstanz für Kinder, Wächter über die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention sowie als Prüfinstanz der Gesetze auf Kinderfreundlichkeit, scheint eine Einführung als Beauftragter verfassungssystematisch näher liegend. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Obersten Staatsorgane zwar aufgrund ihrer Aufgaben und Kompetenzen nicht als staatsleitend begriffen werden können, gleichwohl aber wegen ihrer umfassenden Staatsfunktionen eine herausragende Position im Staatswesen einnehmen. Eine solche herausragende Stellung käme einem Kinderrechtsbeauftragten auch nach Ausstattung mit den von der ENOC-Maximen und Pariser Prinzipien geforderten Befugnissen und Absicherungen nicht zu. bb) Der Kinderrechtsbeauftragte als „vierte Gewalt“? Ob ein Kinderrechtsbeauftragter im Rahmen der Gewaltenteilung wie in Polen einer „vierten Gewalt“ zugeordnet werden könnte, gilt es in diesem Abschnitt zu untersuchen. Entscheidend für die Klärung ist dabei das verfassungsrechtliche Verständnis des Gewaltenteilungsgrundsatzes in Deutschland. Die Konstituierung unterschiedlicher Gewalten hat ihre Ursache in den vielfältigen Aufgaben, die ein Staat zu bewältigen hat. Angefangen bei der Herstellung der öffentlichen Sicherheit nach innen und außen sowie der Daseinsvorsorge, ist für die politische Durchsetzung eine rechtliche Ordnung notwendig.865 Das Grundgesetz unterscheidet in Art. 20 Abs. 2 GG ausdrücklich zwischen drei Funktionen des Staates, die durch besondere Organe wahrgenommen werden sollen: Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung. Genannt werden, ohne alle verfassungsmäßigen Funktionen zu 864 865
Siehe ebenda, S. 344; Maurer, Staatsrecht, 2005, S. 391 f. Rn. 23. Vgl. Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 485, (S. 210).
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nennen, lediglich die Grundtypen der Art der Aufgabenerfüllung.866 Eine Definition erfahren sie durch das Grundgesetz selbst nicht, aber durch die Lehre. Diese versteht unter Gesetzgebung eine „Form politischer Willensbildung über grundlegende Fragen, die einer rechtsverbindlichen, stabilen Entscheidung bedürfen“.867 Darüber hinaus besitzt die Legislative das Recht, die Ausführung der von ihr erlassenen Gesetze nachzuprüfen.868 Als vollziehende Gewalt bezeichnet man jedes unmittelbare staatliche Tätigwerden, wozu, was die Spannweite verdeutlicht, u. a. der Gesetzesvollzug, die Gesetzesvorbereitung und die Eigenorganisation gehören.869 Der Rechtsprechung wiederum obliegt es, in einem rechtlich festgelegten Verfahren nach bestimmten Methoden und Maßstäben verbindliche Entscheidungen in Fällen meist gegensätzlicher Rechtsauffassungen zu treffen.870 Über das Gewaltenteilungsprinzip hinaus leitet die herrschende Meinung aus Art. 20 Abs. 2 GG ein Gebot der Gewaltentrennung und Gewaltenbeschränkung ab.871 Die Gewaltentrennung wird dabei nicht absolut begriffen, weil „gewisse Überschneidungen der Funktionen und Einflussnahmen der einen Gewalt auf die andere gebräuchlich“ sind.872 Dennoch gibt es, so Hesse, „ein prinzipielles Verbot der Wahrnehmung oder Zuweisung von Funktionen, die der inneren Struktur des Organs und der von ihm wahrzunehmenden Grundfunktion nicht entsprechen“873, d.h. mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, dass das Hineinwirken eines Organs in den Tätigkeitsbereich von Organen einer anderen Gewalt den Kernbereich der Gewalt nicht verletzen darf.874 Zweck der Trennung ist die Machtmäßigung, welche durch gegenseitige Kontrolle und Hemmung der Gewalten erreicht 866
Ebenda Rn. 487, (S. 211). Statt vieler: Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Grundlagen von Staat und Verfassung, 2. Auflage, Heidelberg 1995, § 24, S. 987–1043, S. 1013 f. 868 Vgl. mit weiteren Nachweisen Seibert, Zivilbeauftragte in Deutschland, Mainz 1970, S. 44. 869 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, 1995, § 24, S. 1014. 870 Vgl. ebenda. 871 Kritisch Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 477, (S. 207). 872 Vgl. BVerfGE 3, 225 (247), auch BVerfGE 9, 268 (279); BVerfGE 34, 52 (59). 873 Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 489, (S. 211 f.). 874 BVerfGE 30, 1 (2, 28); BVerfGE 34, 52 (59); BVerfGE 95, 1 (15 f.). Dazu Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, 1995, § 24, S. 987–1043, S. 1011; Hahn, Über die Gewaltenteilung in der Welt des Grundgesetzes, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, Darmstadt 1969, S. 438–486, S. 462, 464. Gleichfalls Ausdruck dafür sind die bestehenden personenbezogenen Inkompatibilitätsvorschriften. Vgl. u. a. Art. 55 Abs. 1 GG, Art. 94 Abs. 1 Satz 3 GG. Dazu auch Hahn, Über die Gewaltenteilung, 1969, S. 453. 867
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werden soll. Positiv ausgedrückt beschreibt die Gewaltenteilung eine Ordnung menschlichen Zusammenwirkens, bei der die Konstituierung, Zuordnung und Balancierung der Gewalten im Vordergrund steht875 und aus der sich eine Gewaltenverantwortung der Funktionsträger ergibt.876 Gewaltenteilung ist daher, so Hesse, mehr als nur Machtteilung, sondern ein aus der Gesamtheit der Verfassung abzuleitendes organisatorisches Grundprinzip.877 Nach diesen Ausführungen stellt sich die Frage, wie die Zuordnung der Verfassungsorgane und obersten Staatsorgane zu den drei Gewalten konkret erfolgt. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu klären, ob das Dreiteilungsschema Ausnahmen in Form einer vierten Gewalt zulässt. Der Legislative zugewiesen werden können die Organe „Bundestag“ und der als Vertretung der Länder auf Bundesebene konzipierte „Bundesrat“, der Exekutive die Bundesregierung und der Bundespräsident878 und der Judikative das Bundesverfassungsgericht und die obersten Bundesgerichte. Die Zuordnung der Verfassungsorgane Bundesversammlung und Gemeinsamer Ausschuss sowie der obersten Staatsorgane Bundesrechnungshof und Bundesbank ist weniger eindeutig, da diese Organe entweder Anteil an mehreren Funktionen haben oder ihre Tätigkeit sich nur schwer in das Konzept einordnen lässt.879 Dennoch wird von der Mehrheit im Schrifttum eine Abweichung von der Dreiteilung für nicht erforderlich gehalten, begreift man diese doch nicht als starres Schema, sondern als Grundsatz.880 So werden die Begriffe, insbesondere der der vollziehenden Gewalt, als so umfassend angesehen, dass es der Schaffung weiterer „Gewalten“, wie der einer vierten Kontrollgewalt, nicht bedarf.881 Alle Organe, die sich folglich kei875 Vgl. Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 482 f., (S. 209 f.); in Ansätzen BVerfGE 68, 1 (68). 876 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, 1995, § 24, S. 987–1043, S. 1012. 877 Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 484 ff., (S. 210); Rn. 498 f., (S. 214 f.); so auch die ständige Rspr. des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 3, 225 (247), BVerfGE 9, 268 (279); BVerfGE 34, 52 (59); BVerfGE 95,1 (15). 878 Siehe Herzog (Bearb.) in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, Art. 12a–37 GG, (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 29), München 1991, Art. 20 V Rn. 42; a. A. Stern, der den Bundespräsidenten nicht als eindeutig der Exekutive zuordenbares Organ charakterisiert, in: Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 534. 879 Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 534 f. 880 Vgl. ebenda, S. 535; Hesse, Grundzüge, 1995 Rn. 487, (S. 211); a. A. Kägi, der sich für eine Entdogmatisierung des Gewaltenteilungsbegriffs ausspricht und vom Bestehen auch anderer Gewalten, z. B. im Verhältnis Regierung und Oppositionsparteien ausgeht: von der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, Darmstadt 1969, S. 286–312, S. 300 ff. 881 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 537; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, 1995, § 24, S. 987–1043, S. 1013.
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ner Gewalt zuordnen lassen, werden mittels sog. Subtraktionstheorie zur Exekutive gezählt.882 Betrachtet man nun die Organe Bundesversammlung, Gemeinsamer Ausschuss, Bundesrechnungshof und Bundesbank im Einzelnen und legt das weite Begriffsverständnis zugrunde, ist der Gemeinsame Ausschuss als Organ der Legislative zu qualifizieren. Er tritt im Verteidigungsfalle zusammen und besitzt dann883 nicht nur sämtliche Rechte des Bundestages und Bundesrates, sondern hat auch die Stellung beider Organe inne.884 Der Bundesversammlung als reinem Wahlorgan obliegt es, mittels repräsentativen Staatsaktes den Bundespräsidenten zu wählen.885 Eindeutig zuordnen als gesetzgebende oder vollziehende Tätigkeit lässt sich dies nicht. Für eine Subsumtion unter die Legislative könnte sprechen, dass es sich bei der Wahl durch die Bundesversammlung um eine spezielle Form der politischen Willensbildung handelt, an deren Ende ein neuer Bundespräsident steht. Die Zusammensetzung aus Mitgliedern des Bundestages und von den Landtagen zu wählenden Vertretern erinnert ebenfalls an ein Legislativorgan. Hinsichtlich der Kategorisierung des obersten Staatsorgans „Bundesrechnungshof“ gibt es ein sehr vielschichtiges Meinungsbild.886 Vertreten werden neben der Zuordnung zu einer 4.Kontrollgewalt und einer Einordnung sui generis solche zur Judikative, Legislative und zur Exekutive. Begründet wird eine Zugehörigkeit des Rechnungshofes zur vierten Gewalt mit seiner unabhängigen Kontrollfunktion, die es nicht zulasse, ihn zu einer der Gewalten zu rechnen.887 Obwohl diese neue Kategorie auf den ersten Blick plausibel erscheint, wird sie zu Recht von der Mehrheit im Schrifttum mit einem Verweis auf die im Grundgesetz verankerte Dreiteilung abgelehnt.888 Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit seiner Mitglieder ordnet eine Mindermeinung den Rechnungshof der Judikative zu.889 Die Zugehörigkeit des Rechnungshofes zur Legislative wird mit seiner Aufgabe be882 Siehe mit weiteren Nachweisen Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 262. 883 Vgl. zur Rechtsstellung außerhalb des Verteidigungsfalles: Herzog (Bearb.), in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 3, Art. 38–91 GG (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 31), München 1994, Art. 53a Rn. 10. 884 Hinsichtlich der Rechtsstellung ebenda, Art. 53a Rn. 8. 885 Vgl. Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 185. 886 Vgl. mit weiteren Nachweisen ebenda, S. 443. 887 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen ebenda, S. 446, S. 448; auch Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 43 f. 888 Siehe u. a. Maunz (Bearb.), in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band V, Art. 89–146, (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 42), München, Art. 114 Rn. 24. 889 Vgl. Vogel, Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, in: DVBl. 1970, S. 195–200, S. 195.
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gründet, Bundestag und Bundesrat bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktionen zu unterstützen.890 Andere ordnen den Rechnungshof wiederum, der Subtraktionstheorie folgend, der Exekutive zu, da sich seine Tätigkeit weder als gesetzgebend noch als rechtsprechend bezeichnen lässt.891 Die Begründung für die Zuordnung zur Exekutive ist lediglich Ausdruck dafür, dass der Bundesrechnungshof als Einrichtung „sui generis“ zwischen den Gewalten steht. Ob man sich aus systematischen Gründen des Korsetts Subtraktionstheorie bedient, oder aber, wie Stern es vorzieht892, diese Frage offen lässt, benötigt an dieser Stelle keine Entscheidung. Obwohl auch bzgl. der Bundesbank vereinzelt die Zugehörigkeit zu einer vierten Gewalt problematisiert wird, steht sie als oberstes Staatsorgan der Exekutive am nächsten.893 Dafür spricht bereits die Positionierung der Bundesbank mit Art. 88 GG im Abschnitt der Bundesverwaltung. Welcher Schluss lässt sich daraus für die Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten ziehen? Ein Organ Kinderrechtsbeauftragter ist, folgt man der herrschenden Ansicht, einer der drei Gewalten zuzuordnen. Die Konzipierung der Kinderschutzinstitution als vierte Gewalt der Kontrolle und des Rechtsschutzes wäre danach ausgeschlossen. Für eine Zuordnung gemäß dem Dreiteilungsschema kämen entweder die Legislative oder die Exekutive in Betracht. Eine Zuordnung zur Judikative scheidet aus, da es einer neuen Kinderschutzinstitution nicht obliegen wird, verbindliche Entscheidungen in Fällen meist gegensätzlicher Rechtsauffassungen zu treffen bzw. in sonstiger Weise ausschließlich innerhalb der dritten Gewalt zu wirken. cc) Der Kinderrechtsbeauftragte als öffentlich-rechtlicher Beauftragter In Deutschland scheitert die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten als Verfassungsorgan bereits an den diesbezüglich geltenden Voraussetzungen. Außerdem widerspricht ein Kinderrechtsbeauftragter als Organ einer vierten Gewalt dem herrschenden Verständnis von der Dreiteilung der Ge890 Siehe u. a. Manzig, Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes, Diss. Köln 1954, S. 76 ff.; Menzel, Der staatsrechtliche Standort der Finanzkontrolle in der Bundesrepublik und im Ausland, in: DÖV 1968, S. 593–604, S. 598; weitere Nachw. bei Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 444. 891 Siehe u. a. Maunz (Bearb.), in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band V, Art. 89–146, (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 42), München, Art. 114 Rn. 24. 892 Vgl. Stern, der sinngemäß anmerkt: nur Puristen würden eine Zuordnung unter allen Umständen vornehmen, in: Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 448. 893 Siehe Herdegen (Bearb.), in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band V, Art. 89–146, (Loseblattsammlung Lieferung 1 bis 42), München, Art. 88 Rn. 46; ausführlich Stern, in: Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 468 f.
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walten. In Frage kommt folglich nur eine Übertragung des Organs in die deutsche Rechtsordnung, welche den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Zu erwägen ist daher die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten als öffentlich-rechtlicher Beauftragter. Der Begriff des Beauftragten ist in der deutschen Rechtsordnung nicht unbekannt. Vielmehr findet er für eine „verwirrende“ Vielzahl von unterschiedlichen organisatorischen Gebilden Anwendung.894 So gibt es neben den staatlichen Beauftragten im Rahmen der Exekutive, Legislative und Judikative auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene auch Beauftragte im privaten Bereich, welche entweder aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder freiwillig errichtet wurden.895 Da der Blickwinkel sich aufgrund des polnischen Modells insbesondere auf die staatlichen bundesweiten Beauftragten richtet, sind vor allem diese Beauftragten schwerpunktmäßig zu untersuchen und unter diesen wiederum die Bundesbeauftragten der Legislative. Begründet werden kann diese Eingrenzung mit der Ausgestaltung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten. Aus deutscher Sicht zeigt sich beim landesweit zuständigen polnischen Kinderrechtsbeauftragten aufgrund seiner Bestellung, Abberufung und Rechenschaftspflicht eine enge Verbindung zum Sejm und damit zur Legislative. Daher ist für Deutschland vorrangig eine Einführung als Bundesbeauftragter der Legislative zu erörtern. Möglich sind aber auch andere Varianten, weshalb es gleichfalls einen Blick auf die Bundesbeauftragten der Exekutive zu werfen gilt.896 Bevor jedoch weiter auf die rechtlichen Aspekte der Schaffung einer neuen Kinderschutzinstitution eingegangen werden kann, sollen vorab allgemeine Ausführungen zum öffentlich-rechtlichen Beauftragten in Deutschland erfolgen. (1) Der Begriff des öffentlich-rechtlichen Beauftragten Die Literatur zeigt sich bezüglich einer Definition des Begriffes „öffentlich-rechtlicher Beauftragter“ zurückhaltend. Charakteristisches Merkmal eines öffentlich-rechtlichen Beauftragten ist seine Bestellung durch einseitige und auf das öffentliche Recht gestützte (hoheitliche) Verfügung eines Trägers der öffentlichen Gewalt.897 Öffentlich-rechtliche Beauftragte finden sich sowohl im Bereich der Exekutive, Legislative als auch der Judika894
Vgl. Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, Berlin 1985, S. 38. Vgl. ebenda, S. 44. So finden sich private Ombudsmänner z. B. im Versicherungs- und Bankenbereich als Schlichter. 896 Die Einführung als Beauftragter der Judikative scheidet aus den oben genannten Gründen dagegen aus. 897 Weiterführend dazu Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, Augsburg 1992, S. 325. 895
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tive.898 Die Bestellung kann durch Organe des Bundes, der Länder oder der Kommunen erfolgen.899 Rechtsgrundlagen für öffentlich-rechtliche Beauftragte finden sich im Grundgesetz, in Bundesgesetzen, in Landesverfassungen und -gesetzen, in Rechtsverordnungen des Bundes, in Satzungen, in Verwaltungsvorschriften sowie in öffentlich-rechtlichen Verträgen.900 (2) Gründe für die Einführung von öffentlich-rechtlichen Beauftragten In der Praxis existiert eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Beauftragten in Deutschland. Die letzte umfassende Auflistung stammt von Krepold, der 1992 insgesamt 145 öffentlich-rechtliche Beauftragte ausmachte.901 Angesichts dieser großen Zahl stellt sich die Frage, warum so oft auf die Institution des Beauftragten zurückgegriffen wird bzw. welche Erwartungen sich dahinter verbergen. Untersuchungen benennen als Ursache die weit verbreitete Ansicht, dass andere staatliche Institutionen als bürokratisch, schwerfällig und langsam gelten sowie keine nötigen Innovationen erwarten lassen.902 Insgesamt drückt sich darin, wie Fuchs feststellt, das allgemeine Unbehagen am Verwaltungsstaat aus.903 Von (öffentlich-rechtlichen) Beauftragteninstitutionen versprechen sich die Befürworter dagegen eine allgemeine Verbesserung des Gesetzesvollzugs sowie eine unbürokratische, schnelle, flexible und bürgerfreundliche Aufgabenerledigung. Als entscheidender Vorteil gegenüber anderen Institutionen wird zudem die monokratische Struktur des Beauftragten erachtet, die persönlich und direkt wirkt. Ein Argument, welches regelmäßig auch in der Diskussion um einen Kinderrechtsbeauftragten 898 Vgl. zu letzterem die §§ 35, 36 VwGO (Vertreter des öffentlichen Interesses beim BVerwG, OVG, VG), die zu den Beauftragten der Judikative gezählt werden: weiterführend dazu Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 45 f. 899 Der Beauftragte Richter (vgl. § 96 Abs. 2 VwGO) gehört damit nicht zu den typischen öffentlich-rechtlichen Beauftragten, da seine Bestellung nicht durch einseitige und auf das öffentliche Recht gestützte (hoheitliche) Verfügung eines Trägers der öffentlichen Gewalt sondern als eigene Entscheidung des Prozessgericht erfolgt: Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, Augsburg 1992, S. 325. 900 Vgl. mit Beispielen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 312–316; dazu auch Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 56 ff. 901 Siehe Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 19–32; vgl. im Gegensatz dazu die Liste bei Kipp aus dem Jahr 1957, als es 56 Hilfseinrichtungen von Exekutive und Legislative (Beiräte) gab: Kipp, Entstehung, Aufgaben und Rechtsstellung von Hilfseinrichtungen von Regierungen und Parlament, in: DÖV 1957, S. 513–521, S. 521. 902 Diese Unzufriedenheit zeigt sich häufig darin, dass zur bestehenden Behörde (z. B. dem Jugendamt) eine zusätzliche Institution in Form eines Beauftragten (kommunaler Kinderrechtsbeauftragte) gefordert wird. 903 Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, in: DÖV 1986, Heft 9, S. 363–372, S. 369.
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vorgebracht wird904 und in dem sich, so Fuchs, das Verlangen nach Re-personalisierung der Herrschaft äußert.905 Insgesamt verbinden sich mit der Schaffung von Beauftragten die Erwartung unbürokratischer Aufgabenerledigung sowie die Hoffnung nach einer Überwindung der Unpersönlichkeit und Anonymität des Staates.906 Kritiker der Beauftragteneuphorie weisen darauf hin, dass ein erheblicher Teil der erwarteten Vorteile bereits durch herkömmliche Instrumente, wie das Petitionsrecht und die Partizipation abgedeckt sind.907 Dies mag für zahlreiche Fälle zutreffen, aber, wie für den Kinderrechtsbereich im Rahmen des Petitionsrechts nachgewiesen, nicht für alle. (3) Allgemeine Aufgaben und Befugnisse von öffentlich-rechtlichen Beauftragten Angesichts der Beliebtheit der Institution in Deutschland stellt sich die Frage, welche Aufgaben und Befugnisse öffentlich-rechtliche Beauftragte in der Regel wahrnehmen und ob diese grundsätzlich auch auf einen Kinderrechtsbeauftragten übertragbar wären. Möglich sind dazu allenfalls „Trendangaben“, d.h. Angaben darüber, welche Aufgaben und Kompetenzen Beauftragte üblicherweise innehaben.908 Zu den typischen Aufgabenbereichen von Beauftragten gehören die Wahrnehmung von sog. „Multi-Service-Aufgaben“ und Querschnittsaufgaben. Bei den „Multi-Service-Aufgaben“ handelt es sich um Aufgabenkomplexe mit Mehr-Ebenen-Charakter, welche, wie bei den Frauenbeauftragten, die Zuständigkeit mehrerer Verwaltungsbereiche tangieren.909 Querschnittsaufgaben werden als ähnlich komplex definiert, beschränken sich aber, wie es die Haushaltbeauftragten veranschaulichen, auf einen innerbehördlichen Verwaltungsbereich.910 Beauftragte sind zudem als Überwachungs- und Kontrollinstanz tätig. Ein Schwerpunkt der Kontrolltätigkeit liegt in der Überwachung der Einhaltung von bestimmten Gesetzen, wie beispielsweise dem Datenschutzgesetz.911 904
Vgl. Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 59. Vgl. Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 370. 906 Vgl. ebenda. 907 Vgl. Schmitt Glaeser/Mackeprang, Zur Institution des öffentlich-rechtlichen Beauftragten, in: Die Verwaltung, 24. Band, 1991, S. 15–31, S. 24. 908 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 151. Im Übrigen wird auf die bestehende Literatur verwiesen: Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, Berlin 1985; Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, Augsburg 1992. 909 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 165. 910 Vgl. ebenda, S. 167. 911 Vgl. Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 331. 905
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Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt u. a. Informationsbeschaffungsrechte wie das Akteneinsichtsrecht, Zutrittsrechte und Benachrichtigungsrechte des Beauftragten gegenüber Dritten voraus.912 In Zusammenhang mit der Kontrollund Überwachungstätigkeit besitzen in der Praxis bestimmte Beauftragte die Befugnis, Verstöße von Behörden zu beanstanden und/oder Rechtsmittel einzulegen913 sowie selbst belastende Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen.914 Darüber hinaus nehmen Beauftragte häufig die Funktion eines Ansprechpartners und mitunter die einer Beschwerde- und Petitionsinstanz wahr. Als Ansprechpartner sind die Beauftragten namentlich bekannte Stellen, an die sich Bürger bei einem entsprechenden Anliegen mittels Bürgertelefon und Sprechstunden wenden können. Dabei berät der Beauftragte auf seinem Fachgebiet in der Regel nicht nur Bürger, sondern auch andere (staatliche) Institutionen und Behörden.915 In bestimmten „sensiblen“ Bereichen fungieren die Beauftragten, wie der Wehrbeauftragte, als Beschwerdeinstanz. Dabei können sie Entscheidungskompetenz besitzen oder auch nicht.916 Ein weiteres wesentliches Aufgabenfeld von Beauftragten ist die Beratungs- und Unterstützungstätigkeit. Die Beratungs- und Unterstützungsleistungen können sich an Bürger, private Organisationen sowie staatliche Behörden und Organe richten. Im Rahmen dieser Aufgabe sind Teilnahmebefugnisse des Beauftragten an Beratungen und Sitzungen von staatlichen Organen inklusive Rede- und Anhörungsrechte, Beteiligungsbefugnisse z. B. an Gesetzgebungsverfahren sowie die Befugnis zur Erstellung von Gutachten und Stellungnahmen möglich.917 Schließlich wirken die Beauftragten auch als Vermittler und Vertreter politischer Interessen. Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Anliegen von einzelnen Personen oder Personengruppen mit den Interessen der Verwaltung in Einklang zu bringen oder überhaupt erst in den politischen Willensbildungsprozess einzubringen.918 Dafür stehen den Beauftragten mit912 Vgl. mit Beispielen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 334. 913 Vgl. ebenda, S. 335 f. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts möglich. 914 Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 159. 915 Vgl. Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 327. 916 In der Regel besitzen sie keine Entscheidungskompetenz; vgl. ebenda, S. 330. 917 Vgl. mit Praxisbeispielen Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 173 f.; Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 328, 335. 918 Vgl. Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 328 f.
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unter gewisse Initiativbefugnisse zu.919 Darüber hinaus nutzen zahlreiche Beauftragte gezielt die Öffentlichkeitsarbeit für ihre Aufgabenerfüllung und die Publizität ihrer Tätigkeit. Öffentliche Information und Werbung durch Beauftragte setzen allerdings eine Informationsbeschaffungs- und Informationsgütererstellungsbefugnis des Beauftragten voraus.920 (4) Rechtliche Voraussetzungen für die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Beauftragten Sowohl die Einführung eines Beauftragten als auch die konkrete Ausgestaltung seines Amtes müssen unter Berücksichtigung der in Art. 20 GG festgelegten bundesstaatlichen Ordnung, des Rechtsstaatsgebotes sowie des Demokratieprinzips erfolgen. Dies gilt ebenso für einen Kinderrechtsbeauftragten.921 Unter diesen Voraussetzungen kann der Beauftragten nur durch ein Organ bestellt werden, welches selbst die Befugnis besitzt, den Aufgabenbereich auf einen Beauftragten zu übertragen. Nur ein sachlich zuständiges Organ der für die Aufgaben zuständigen Ebene (Bund, Land oder Kommune) darf über eine Zuweisung der Aufgaben und Befugnisse an einen Beauftragten entscheiden. Im Rahmen der Legislative ist folglich die Einführung eines öffentlichrechtlichen Beauftragten grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Bund oder das Bundesland auf diesem Gebiet Gesetzgebungskompetenz besitzen. Bei der Exekutive hängt die Bestellung des Beauftragten davon ab, ob dem Bund, dem Land oder beiden gemeinsam der Vollzug der Verwaltungsaufgaben obliegt. Die Aufgaben selbst unterscheiden sich in gesetzliche und freiwillige Aufgaben, so dass dementsprechend zwischen einem gesetzesabhängigen und gesetzesunabhängigen Aufgabenvollzug922 unterschieden wird.923 Hinsichtlich des gesetzesabhängigen Aufgabenvollzugs sind die Bundesländer im Rahmen des Landesvollzugs von Landesgesetzen gemäß Art. 30 GG für die Errichtung von Beauftragten zuständig. Der Bund besitzt diese Zuständigkeit gemäß Art. 86 S. 2 GG beim Bundesvollzug von Bundesgesetzen.924 Liegt der Regelfall, der Landesvollzug von Bundesgesetzen 919
Vgl. mit Beispielen Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 172 f. Vgl. ebenda, S. 171. 921 Ausführlich dazu Abschnitt D.V.1.a)dd) und folgende. 922 Üblich ist auch die Bezeichnung als gesetzesakzessorischer und nicht-gesetzesakzessorischer Aufgabenvollzug. 923 Vgl. dazu Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 365. 924 Vgl. ebenda, S. 365. Als Beispiel sei dafür der Bundesdatenschutzbeauftragte genannt: siehe Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 352. 920
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vor, ist zwischen der Landeseigenverwaltung (Art. 84 GG) und der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) zu unterscheiden. Nimmt das Land die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit wahr, darf sowohl das Land als auch der Bund Beauftragte einsetzen.925 Der Bund kann in diesem Fall gemäß Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG Aufsichtsbeauftragte entsenden. Sollte er im Bereich des landeseigenen Vollzugs selbst verwaltend tätig werden, weil die Länder keine eigenen Behörden errichten, kann der Bund zudem entsprechende Beauftragte schaffen.926 Für den Bund besteht darüber hinaus die Möglichkeit, bundesgesetzlich die Einrichtung von Landesbeauftragten und im Rahmen seiner materiellen Gesetzgebungszuständigkeit sogar von kommunalen Beauftragten anzuordnen.927 Ein solcher Durchgriff auf die Gemeinden ist nur insoweit zulässig, sofern er als Annex zur materiell-rechtlichen Regelung des Bundes ergeht und für den wirksamen Vollzug der Regelung erforderlich ist.928 Mit einer Ausnahme gilt gleiches im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung – des Vollzugs von Bundesgesetzen durch die Länder im Auftrage des Bundes. Eine verwaltende Tätigkeit des Bundes ist hier grundsätzlich ausgeschlossen, da die Einrichtung von Behörden Angelegenheit der Länder ist, Art. 85 Abs. 1 GG. Die Entsendung von Aufsichtsbeauftragten durch den Bund ist jedoch gemäß Art. 85 Abs. 4 S. 2 GG gestattet.929 Im Rahmen des gesetzesunabhängigen Aufgabenvollzugs gibt es auf Bundes- wie auf Landesebene so genannte „gesetzesfreie“ Beauftragte. Entgegen dem ersten Eindruck, den die Bezeichnung „gesetzesfrei“ vermittelt, hat auch deren Schaffung der Kompetenzverteilung des Art. 83 ff. GG zu folgen.930 So bedarf der Bund im Bereich der gesetzfreien Verwaltung eines ausdrücklichen Kompetenztitels, es sei denn, er kann in Ausnahmefällen eine ungeschriebene Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen. Diese strenge Zuordnung gilt allerdings nur bei der Ausübung und Ausführung von Befugnissen durch den Beauftragten. Nimmt er lediglich vorbereitende, planende und anregende Tätigkeiten wahr, bedarf es, so Fuchs, nicht zwingend einer Gesetzgebungskompetenz. Aus diesem Grund wird die in der Praxis erfolgte Ernennung der in dieser Form tätigen Bundesausländer- und Bundesbehindertenbeauftragten trotz fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes als nicht verfassungswidrig angesehen.931 925
Vgl. dazu ausführlich Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 91 f. Siehe Art. 84 Abs. 1 GG; vgl. ebenda, S. 92. 927 Vgl. ebenda. 928 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 544 Rn. 61. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Vollzugs des KJHG (SGB VIII): BVerfGE 22, 180 (209 ff.). 929 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 93 f. 930 Vgl. Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 365. 931 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 218 f. 926
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Unabhängig von der künftigen Zuordnung des Beauftragten zu einer der beiden Gewalten hängt die Errichtungskompetenz eines neuen Beauftragten maßgeblich davon ab, ob unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten seine Einführung einer gesetzlichen Regelung (Gesetzesvorbehalt) bedarf.932 Ausschlaggebend ist dafür die geplante formelle und materielle Ausgestaltung der Beauftragten. Soll ein neuer Beauftragter außerhalb des Behördenaufbaus weisungsfrei arbeiten, ist aufgrund des institutionellen Gesetzesvorbehalts der Gesetzgeber gefragt. So kann es nicht allein der Exekutive obliegen, willkürlich weisungsfreie Organe mit Entscheidungszuständigkeit aus der Verwaltungshierarchie auszulagern.933 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines ansonsten leichter möglichen Machtmissbrauchs sowie einer Beeinträchtigung des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Kontrolle der Gewalten.934 Ein Gesetzesvorbehalt besteht auch, falls für die Neuschaffung eines Beauftragten ein gesamter Behördenzug eingerichtet wird.935 Erfolgt im Rahmen der Exekutive die Schaffung eines Beauftragten als eigenständiger Organisationsteil innerhalb einer Organisation z. B. als Referat oder Unterabteilung in einem Ministerium oder außerhalb der Organisationslinie, bedarf es hingegen grundsätzlich keiner gesetzlichen Regelung.936 Anderes gilt, sofern die vorgesehenen Befugnisse des Beauftragten eine gesetzliche Regelung erfordern. Dies ist für solche hoheitlichen Kompetenzen des Beauftragten der Fall, welche mit Eingriffen in die Freiheit und das Eigentum der Bürger oder in Selbstverwaltungsbereiche verbunden sind.937 Aus dem Rechtsstaatprinzip ergibt sich ferner das Erfordernis nach Rechtssicherheit hinsichtlich der Aufgabenbereiche (Zuständigkeiten) und Befugnisse des Beauftragten. Vorausgesetzt wird ein messbarer und vorhersehbarer Wirkungsbereich. Außerdem ist der Kompetenzbereich des Beauftragten klar von anderen Organen abzugrenzen, wodurch sich zugleich die Verantwortlichkeit des Beauftragten selbst bestimmt.938 932
Fuchs unterscheidet außerdem Beauftragte die, neu geschaffen, mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben betraut sind von solchen, bei denen bestehenden Organisationseinheiten eine Aufgabe übertragen wurde, die sie als Beauftragte wahrnimmt: ebenda, S. 91 f. 933 Vgl. ebenda, S. 109; dazu allgemein auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 546 Rn. 66; Maurer, Staatsrecht, 2005, S. 646, Rn. 25. 934 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 378. 935 Vgl. ebenda, S. 380. 936 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 110 f. 937 Vgl. ebenda, S. 123; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 366; Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 376 f. 938 Vgl. Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 385.
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Von Bedeutung ist überdies die Kontrolle der Beauftragten. Nach dem Demokratieprinzip ist die einzige Legitimationsquelle für staatliche Gewalt das Volk.939 Das bedeutet, dass jeder Amtswalter sich durch eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte auf das Volk als den eigentlichen Träger der staatlichen Gewalt zurückführen lässt.940 Dementsprechend muss jede Verwaltung und müssen alle Beauftragten ihre Legitimation von einer vom Volk bestimmten Volksvertretung herleiten und der Kontrolle dieser Volksvertretung unterliegen.941 Wie diese parlamentarische Kontrolle sich im Einzelnen gestaltet, hängt von der formellen und materiellen Ausgestaltung des Beauftragten ab. Handelt es sich um einen Beauftragten, der Bestandteil der Behördenhierarchie ist, wird er durch die Verwaltungsspitze kontrolliert, welche wiederum selbst der Verantwortung gegenüber dem Parlament unterliegt. Anders sieht es dagegen bei unabhängigen, weisungsfreien Beauftragte aus.942 Für die Kontrolle dieser Beauftragten steht dem Parlament sein gesamtes Instrumentarium, wie Anträge, Anfragen, die Beantragung von Fragestunden sowie aktuellen Stunden und die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zur Verfügung.943 Darüber hinaus bestehen zum Teil Berichtspflichten der Exekutivbeauftragten gegenüber den Volksvertretern oder es werden Berichte der Exekutive über die Arbeit der Beauftragten aus eigener Initiative abgegeben.944 Der (einzige) Beauftragte der Legislative auf Bundesebene unterliegt gegenüber dem Parlament ebenfalls Berichtspflichten.945 (5) Die öffentlich-rechtlichen Bundesbeauftragten Auf Bundesebene gab es im Sommer 2005 nach Information der Bundesregierung 35 Beauftragte der Bundesregierung und Bundesbeauftragte, die von den Bundesministern oder dem Bundeskanzler ernannt wurden.946 Als Beispiele genannt seien die Beauftragten des Bundeskanzleramtes u. a. der 939
Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 20 Rn. 4. Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 20 Rn. 9a. Mit weiteren Anmerkungen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 364. 941 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 223. 942 Zur Problematik der Beratungs- und Untersuchungsbeauftragten: siehe ebenda, S. 226 ff.; Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 379 ff. 943 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 224. 944 Vgl. umfassend ebenda, S. 224 ff. 945 Der Wehrbeauftragte; siehe auch die folgenden Ausführungen. 946 Vgl. http://www.bundesregierung.de/Bundesregierung/-,894/Bundesbeauftrag te-und-Beauftra.htm; eingesehen am 17. August 2005. Aktuelle Angaben aus der 16. Legislaturperiode fehlen bislang (Stand 15. Januar 2006). 940
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Beauftragte der Bundesregierung für die Nachrichtendienste, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sowie der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und der Medien und die Beauftragten beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BmFSFJ), der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie der Bundesbeauftragte für den Zivildienst. Beauftragter der Legislative auf Bundesebene ist bislang nur der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.947 Die nun folgenden Ausführungen widmen sich den wesentlichen Besonderheiten der Bundesbeauftragten der Exekutive und der Legislative, ohne die auch für die Bundesbeauftragte geltenden und oben dargelegten allgemeinen Anforderungen an öffentlich-rechtliche Beauftragte nochmals zu wiederholen. Da ein polnischer Kinderrechtsbeauftragter nach deutschem Verständnis Ähnlichkeiten mit einem Bundesbeauftragten der Legislative, des Parlaments, aufweist, gilt es schwerpunktmäßig die Erfahrungen mit derartigen Beauftragten in Deutschland zu untersuchen. (a) Die öffentlich-rechtlichen Bundesbeauftragten der Exekutive Die Aufgaben der Verwaltung werden in der Regel durch hierarchisch gegliederte Behörden wahrgenommen. Zunehmend üben jedoch Beauftragte der Exekutive entsprechende Tätigkeiten aus.948 Sie stehen – monokratisch und überschaubar organisiert und mit personalisierter Bezeichnung – den Behörden gegenüber.949 Beauftragte der Verwaltung können dabei nicht nur Keimzellen und Vorläufer für neue Behörden sein, sondern selbst Behörden oder Bestandteil von Behörden darstellen.950 Die rechtliche Ausgestaltung der Bundesbeauftragten der Exekutive ist hinsichtlich ihrer Rechtsstellung sowie Aufgaben und Befugnisse sehr facettenreich. So gibt es Bundesbeauftragte der Exekutive, welche aufgrund ihrer rechtlichen Verankerung, ihrer generellen oder teilweisen Weisungsfreiheit sowie wegen der Regelungen bzgl. ihrer Berufung und Abberufung vergleichsweise unabhängig ihrer Aufgabenerfüllung nachgehen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten als Bundesbeauftragter der Exekutive grundsätzlich denkbar. 947 Auf Landesebene gibt es in Rheinland Pfalz den Bürgerbeauftragten, der dem Petitionsausschuss des Landtages zugeordnet ist; siehe dazu mit weiteren Anmerkungen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 67, 316; Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 45. 948 Vgl. Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 363. 949 Vgl. ebenda, S. 364. 950 Vgl. ebenda.
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Die Art und Weise der Verankerung von Bundesbeauftragten der Exekutive hängt, wie beschrieben, von deren Aufgaben und Befugnissen ab und ist folglich sehr unterschiedlich geregelt. Einige sind, wie die Bundesbeauftragten, als Aufsichtsbehörden (Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 85 Abs. 4 S. 2 GG)951 in der Verfassung statuiert, andere, wie beispielsweise die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration oder der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, in Bundesgesetzen.952 Zudem finden sich zahlreiche Bundesbeauftragte der Exekutive in Verwaltungsvorschriften, wie der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Behinderten, der durch Kabinettsbeschluss der Bundesregierung geschaffen oder, wie der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, der durch Erlass eines Bundesministers eingesetzt wurde. Die Errichtungskompetenz richtet sich nach der erforderlichen Verankerung des Bundesbeauftragten und kann beim Parlament953, der Bundesregierung, dem Bundeskanzler oder bei einem Bundesminister liegen.954 Bei den Bundesbeauftragten der Exekutive kommt zum einen die Zuordnung zu den obersten Bundesbehörden, wie dem Bundeskanzler, einem einzelnen Bundesminister oder dem Bundesrechnungshof955 in Frage. Als Beispiel dafür sei der Bundesbeauftragte für den Datenschutz genannt, der beim Bundesministerium des Innern angesiedelt ist.956 Außerdem kann der Bundesbeauftragte einer Bundesoberbehörde zugeordnet sein. In diesem Fall ist zu unterscheiden, ob der Bundesbeauftragte selbst Bundesoberbehörde ist, wie der Präsident des statistischen Bundesamtes in seiner Eigenschaft als Bundeswahlleiter957, oder nur einer Bundesoberbehörde angeglie951
Siehe Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 263 ff. In §§ 92–94 Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004, in: BGBl. I S. 1950; §§ 22–26 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, in: BGBl. I S. 66. 953 Sollte eine Verankerung eines Bundesbeauftragten der Exekutive in der Verfassung erfolgen, ist auch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, Art. 79 Abs. 2 GG. 954 Im Übrigen können alle Verfassungsorgane des Bundes aufgrund der ihnen zustehenden Organisationsgewalt im Rahmen des Organs tätige Beauftragte ohne Außenwirkung einsetzen (z. B. Geheimschutzbeauftragte). Dabei handelt es sich allerdings nicht um bundesweit wirkende Bundesbeauftragte. 955 In Ausnahmefällen ist der Beauftragte selbst oberste Bundesbehörde, wie der Präsident des Bundesrechnungshofes in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung; vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 126; siehe auch die Richtlinien für die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 26. August 1986, in: Bundesanzeiger Nr. 163, S. 12485. 956 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“, 1985, S. 126. 957 Vgl. ebenda, S. 127. 952
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dert wurde.958 Liegt eine Angliederung vor, kann dies in Form einer nahtlosen oder sonstigen Einfügung in den Behördenaufbau erfolgen.959 Möglich ist aber auch, dass der Beauftragte als Fremdkörper innerhalb der Behörde keine ablauforganisatorische Verbindung zu dieser aufweist und nicht der innerbehördlichen Hierarchie unterworfen ist.960 Für die Unabhängigkeit der Beauftragten ist der Gesichtspunkt der Weisungsabhängigkeit maßgeblich. Nicht alle der Bundesbeauftragten handeln weisungsfrei. Genannt sei als Beispiel der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten, der gemäß § 6 Abs. 4 Asylverfahrensgesetz961 an die Weisungen des Bundesinnenministeriums gebunden ist. Es gibt jedoch Bundesbeauftragte der Exekutive, wie der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, die ihre Aufgaben weisungsfrei962 oder, wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, teilweise weisungsfrei wahrnehmen.963 Die Unabhängigkeit einiger Bundesbeauftragter der Exekutive drückt sich auch in den Regelungen zum Ernennungs- und Abberufungsverfahren aus. Um persönlichen Druck bei der Aufgabenerfüllung dieser Beauftragten zu vermeiden, sind die Voraussetzungen der Ernennung sowie das entsprechende Verfahren, die Amtsdauer, eine mögliche Wiederberufung und die genauen Gründe der Abberufung gesetzlich festgelegt.964 Dies trifft insbesondere für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu.965 958 Z. B. der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten, der dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angegliedert ist: vgl. mit Beispielen Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 317; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 81 ff. 959 Fuchs unterscheidet hier zwischen Ein-Linien-Organisation, Stabs-LinienOrganisation und Matrix-Organisation: „Beauftragte“ 1985, S. 131 ff. 960 Vgl. ausführlich Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, 1986, S. 367; entscheidend für die Einbindung in die innerbehördliche Hierarchie sei, so Krepold, der Gesichtspunkt der Weisungsabhängigkeit des Beauftragten. Liegt eine solche vor, unterliegt der Beauftragte konsequenterweise auch der innerbehördlichen Hierarchie: Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 339 f. 961 Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993, in: BGBl. I S. 1361 mit Änderungen. 962 Die Aufgabe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung wird vom Präsidenten des Bundesrechnungshofes in Personalunion wahrgenommen; im Übrigen vgl. Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 1992, S. 146 f. 963 Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz unterliegt der Dienstaufsicht des Bundesinnenministeriums und der Rechtsaufsicht der Bundesregierung; vgl. § 22 Abs. 4 und 5 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, in: BGBl. I S. 66. 964 Vgl. Centre For Human Rights (Hrsg.), National Human Rights Institutions, New York/Geneva 1995, S. 11. 965 Dieser wird nunmehr vom Deutschen Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung für fünf Jahre gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. Dessen Abbe-
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Die Bundesbeauftragten der Exekutive vollziehen sowohl nicht-gesetzesakzessorische Aufgaben, wie der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen als auch gesetzesakzessorische, wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Generell bewegen sich die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbeauftragten im oben beschriebenen Spektrum. Zu den typischen Aufgabenbereichen gehören danach u. a. die Wahrnehmung von sog. „Multi-Service-Aufgaben“ und Querschnittsaufgaben, das Tätigwerden als Überwachungs-, Kontroll-, Beschwerde-, Beratungs- und Unterstützungsinstanz, seine Funktion als Ansprechpartner, die Vermittlung und Vertretung politischer Interessen sowie die Öffentlichkeitsarbeit.966 (b) Der öffentlich-rechtliche Bundesbeauftragte der Legislative – der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Wie die Ausführungen im letzten Abschnitt verdeutlichen, wäre ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter auch als Bundesbeauftragter der Exekutive vergleichbar dem Bundesdatenschutzbeauftragten denkbar. Aufgrund der beschriebenen Modellvorgabe gilt es jedoch vorrangig eine Einführung als Bundesbeauftragter der Legislative zu prüfen. Aus diesem Grund gebührt nunmehr der Beauftragteninstitution auf legislativer Ebene, dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, eine nähere Untersuchung.967 Die Einführung des Wehrbeauftragten 1956 in Art. 45b des Grundgesetzes erfolgte nach langen Verhandlungen im Rahmen der Novellierung der rufung ist nur unter den gesetzlich festgeschriebenen Voraussetzungen möglich. Vgl. § 22 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (Ernennung). Eine einmalige Wiederwahl des Datenschutzbeauftragten ist zulässig (Abs. 3); vgl. § 23 Abs. 1 S. 3 Bundesdatenschutzgesetz (Abberufung). 966 Betrachtet man beispielsweise konkret den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, so liegen seine Aufgaben im Wesentlichen bei der Beratung des Bundestages, der Bundesregierung und aller öffentlichen Stellen, der Durchführung von Kontrollen, der Bearbeitung von Eingaben von Bürgern sowie der Zusammenarbeit in europäischen und internationalen Datenschutzfragen. Die entsprechenden Befugnisse finden sich im Bundesdatenschutzgesetz: vgl. u. a. § 21, §§ 24–26 Bundesdatenschutzgesetz, sowie Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz (Hrsg.), BfD-Info 1: Bundesdatenschutzgesetz – Text mit Erläuterungen, 11. Auflage Bonn 2004, S. 5 ff. 967 In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland darüber hinaus Bestrebungen einen weiteren Bundesbeauftragten des Parlaments, einen allgemeinen Ombudsmann, einzuführen, was den Befürwortern bislang jedoch nicht gelang. Die Forderungen sind bis heute nicht verstummt. Daher sollen, soweit dies für die Frage der Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten als Beauftragter der Legislative von Belang ist, die aus dieser Diskussion gezogenen wesentlichen rechtlichen Erkenntnisse in die Ausführungen mit einfließen. Vgl. nur die neuere rechtliche Abhandlung von Franke über die Einführung eines Ombudsmanns in Deutschland nach dänischem Vorbild: Franke, Ein Ombudsmann, 1999.
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Wehrverfassung.968 In diesem Zuge verankerte der Verfassungsgesetzgeber auch den Verteidigungsausschuss in Art. 45a Grundgesetz.969 Erst drei Jahre nach seiner Konstitutionalisierung, am 3. April 1959, nahm der erste Wehrbeauftragte sein Amt auf.970 Der Wehrbeauftragte war für Deutschland eine neue und neuartige Einrichtung; Maurer bezeichnet ihn in diesem Zusammenhang treffend als traditionsloses Organ.971 Die Vorbilder der deutschen Institution finden sich im skandinavischen Raum, insbesondere im schwedischen Militärombudsmann.972 Gründe für die Institutionalisierung des Wehrbeauftragten und des Verteidigungsausschusses waren vor allem mangelndes Vertrauen in die tatsächliche Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle im Bereich der militärischen Landesverteidigung. Zudem ließen die zunehmende Arbeitsbelastung des Bundestages auf der einen Seite und die Ausweitung und Technisierung des Exekutivbereichs auf der anderen Seite eine wirksame parlamentarische Kontrolle immer schwieriger erscheinen.973 Der Aufgabenschwerpunkt des Wehrbeauftragten liegt beim Schutz der Grundrechte von Soldaten sowie der Grundsätze der Inneren Führung. Er gilt in besonderer Weise als deren Hüter und Garant.974 So besagt Artikel 45b GG, dass zum „. . . Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle . . . ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen . . .“ wird und weitere Regelungen ein Bundesgesetz trifft. Art. 45b GG ist folglich eine Rahmenbestimmung, die die Existenz eines Wehrbeauftragten vorschreibt und seinen grundsätzlichen Funktionsbereich absteckt.975 Die spezifischen gesetzlichen Regelungen finden sich im Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBeauftrG), welches am 26. Juni 1957 erging.976
968 Zur Einführung ausführlich Busch, Der Wehrbeauftragte: Organ der parlamentarischen Kontrolle, 5. Auflage Heidelberg 1999, S. 17 f.; Müser, Wehrbeauftragter und Gewaltenteilung, Berlin 1976, S. 44 ff. 969 Sowie auch den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. 970 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 9; mit weiteren Anmerkungen Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 5. 971 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 5. 972 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 15. 973 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 11; Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 13 f. 974 Zum Begriff der inneren Führung siehe unten mehr; im Übrigen vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 17. 975 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 5. 976 Gesetz über den Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 1982, in: BGBl. I S. 677 mit Änderungen.
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Schwerpunktmäßig darzulegen gilt es nun 1. die Rechtsstellung, 2. den Rechtsstatus, 3. die Bestimmungen zur Wahl und Abberufung, 4. seine Aufgaben und Befugnisse sowie die Arbeitsweise des Wehrbeauftragten. 1. Trotz seiner Verankerung in Art. 45b Grundgesetz ist der Wehrbeauftragte kein Verfassungsorgan, sondern Hilfsorgan des Bundestages. Der Wehrbeauftragte steht damit im Dienste des Parlaments und diesem durch sachliche Information helfend zur Seite.977 Anfänglich wurde die Auffassung vertreten, der Wehrbeauftragte habe eine Doppelstellung: Beim Schutz der Grundrechte und des Grundsatzes der Inneren Führung sah man ihn als selbständiges Verfassungsorgan und bei seiner parlamentarischen Kontrolltätigkeit als Hilfsorgan des Parlaments an.978 Maurer lehnte diese Konstruktion ab, da aus seiner Sicht der Schutz der Grundrechte und der Grundsätze der Inneren Führung Teil der parlamentarischen Kontrolle seien. Trotz der engen Verbindung des Wehrbeauftragten zum Bundestag verstand Maurer ihn zudem als ein im Ganzen selbständiges und unabhängiges Organ.979 Eine Bestätigung dafür, dass es sich beim Wehrbeauftragten weder ganz noch teilweise um ein Unterorgan des Parlaments handelt, fand er in seiner fehlenden organisatorischen Integration in das Muttergebilde Bundestag. So war die Dienststelle des Wehrbeauftragten selbständig und kein Teil der Bundestagsverwaltung; ihr Stab unterstand dem Wehrbeauftragten sowohl fachlich, organisatorisch als auch administrativ. Er besaß zudem Disziplinargewalt gegenüber seinem Personal. Ausdruck für die Selbständigkeit war darüber hinaus der Haushalt der Dienststelle, der in einem eigenen Kapitel veranschlagt wurde.980 Zwischenzeitlich hat sich aufgrund von Gesetzesnovellen am WBeauftrG an dieser Ausgangslage einiges geändert. Die herrschende Lehre lehnt wie Maurer die Auffassung von der Doppelstellung des Wehrbeauftragten ab.981 Sie verstand den Wehrbeauftragten allerdings im Gegensatz zu Maurer bereits vor der Gesetzesänderung im Jahre 1982 in vollem Umfang als Hilfsorgan, welches in Bezug auf den Bundestag weder eine selbständige Stellung noch einen selbständigen Aufgabenbereich besitzt.982 Unterlegt wird diese Ansicht nunmehr durch § 1 WBeauftrG, der dem Wehrbeauftragten 977
Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 38. Vgl. mit weiteren Anmerkungen Müser, Wehrbeauftragter und Gewaltenteilung, Berlin 1976, S. 55. 979 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 23. 980 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 38 f.; mit Anmerkungen Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 27. 981 Vgl. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 48. 982 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 21. 978
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland
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ausdrücklich die Aufgabe eines Hilfsorgans des Bundestages zuweist, welches in einem besonderen Bereich der Exekutive die Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wahrnimmt.983 Trotz seiner Stellung als Hilfsorgan ist der Wehrbeauftragte, mit Ausnahme von § 1 Abs. 2 WBeauftrG, von Weisungen frei und unabhängig, § 5 Abs. 2 WBeauftrG. So darf der Bundestag bzgl. der Verfahrensgestaltung durch den Wehrbeauftragten weder Einzelweisungen erteilen noch im Einzelfall intervenieren oder gar eine bestimmte Art der Untersuchung vorschreiben.984 Verfahrensauslösende Weisungen mit der Konsequenz, dass der Wehrbeauftragte eine bestimmte Angelegenheit zu prüfen hat, sind dem Parlament und dem Verteidigungsausschuss dagegen möglich.985 Darüber hinaus eröffnet § 5 Abs. 1 WBeauftrG dem Parlament die Befugnis, allgemeine Richtlinien in Form einer Art Verfahrensordnung für den Wehrbeauftragten zu erlassen. Der Wehrbeauftragte hat gemäß § 16 WBeauftrG seinen Sitz beim Bundestag und ist im Gegensatz zur früheren Regelung als Unterabteilung in die Bundestagsverwaltung eingegliedert.986 Aufgrund seiner Eingliederung in die Bundestagsverwaltung unterliegt er hinsichtlich seiner Organisationsbefugnis und Personalhoheit Beschränkungen. Der Wehrbeauftragte kann bezüglich der Einstellung von Beschäftigten dem Bundestagspräsidenten Vorschläge unterbreiten, § 7 Abs. 5 GOBT. Diese Vorschläge sind jedoch keine Verfahrensvoraussetzungen für Personalmaßnahmen des Bundestagspräsidenten mehr.987 Der Parlamentspräsident darf folglich auch ohne die Vorschläge des Wehrbeauftragten Personal einstellen. Bei der Besetzung von Referatsleiterpositionen muss er allerdings das Benehmen mit dem Wehrbeauftragten herstellen, d.h. er hat diesen über sein Vorhaben zu unterrichten ohne dass ein Einigungszwang besteht. Die Besetzung des Leitenden 983 Vgl. mit Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 110; Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 94. 984 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 24. 985 Er kann allerdings auch von sich aus nach pflichtgemäßen Ermessen eine Untersuchung einleiten und durchführen: vgl. unten. Darüber hinaus besitzen der Bundestag und der Verteidigungsausschuss das Recht gegenüber dem Wehrbeauftragten, jederzeit dessen Anwesenheit verlangen zu können. Dabei hat der Wehrbeauftragte die Pflicht, auf die Fragen Rede und Antwort zu stehen: vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 53. 986 Siehe Organisationserlass des Bundestagspräsidenten vom 25. Juni 1982, zitiert nach: Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 44. 987 In den alten Regelungen war der Vorschlag des Wehrbeauftragten Verfahrensvoraussetzung für die Einstellung durch den Bundestagspräsidenten. Außerdem war dieses Recht früher in der WBeauftrG und damit gesetzlich verankert. Heute findet es sich nur noch in der Geschäftsordnung des Bundestages wieder: vgl. dazu Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 42.
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Beamten bedarf dagegen des Einvernehmens des Wehrbeauftragten.988 Das Personal989 des Wehrbeauftragten untersteht weiterhin seiner Dienstaufsicht. Disziplinarische Befugnisse stehen ihm gegenüber seinen Mitarbeitern aber nicht (mehr) zu. Diese obliegen dem Bundestagspräsidenten.990 Der Haushalt des Wehrbeauftragten ist nunmehr im Einzelplan des Bundestags in einem eigenen Kapitel verankert, § 16 Abs. 3 WBeauftrG. 2. Statusrechtlich entspricht die Stellung des Wehrbeauftragten etwa der eines Bundesministers. Der Wehrbeauftragte ist kein Beamter, sondern steht wie ein Minister in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, § 15 Abs. 1 S. 1. Er kann folglich dienstrechtlich oder disziplinarisch nicht belangt werden.991 Bezüglich der Amtsbezüge und Versorgung finden sich Anleihen beim Bundesministergesetz.992 Das Amt des Wehrbeauftragten ist unvereinbar mit der Ausübung eines Gewerbes oder eines Berufes, mit der Leitung und der Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens sowie mit der Zugehörigkeit zu einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder des Landes, § 14 Abs. 3 WBeauftrG. Da traditionell zahlreiche Wehrbeauftragte zuvor dem Bundestag und dabei dem Verteidigungsausschuss angehörten, setzt deren Ernennung einen Verzicht auf das Abgeordnetenmandat voraus. 3. Wählbar für das Amt des Wehrbeauftragten ist nach § 14 Abs. 1 WBeauftrG jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat. Ein einjähriger Wehrdienst ist seit 1990 keine Voraussetzung mehr für die Amtsausübung.993 Insbesondere Frauen eröffnet diese Gesetzesänderung die Möglichkeit, sich um das Amt des Wehrbeauftragten zu bewerben.994 Der Wehrbeauftragte wird vom Bundestag mit der Mehrheit995 seiner Mitglieder für fünf Jahre996 gewählt und vom Bundestagspräsidenten gemäß 988
Vgl. ebenda, S. 43. Aufgrund des Eingabeaufkommens hat sich die Dienststelle des Wehrbeauftragten drastisch vergrößert. Waren anfänglich insgesamt 11 Mitarbeiter zu seiner Unterstützung vorgesehen, arbeiteten im Jahr 1999 bereits 63 Beschäftigte für den Wehrbeauftragten: vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 33. 990 Vgl. mit weiteren Ausführungen ebenda, S. 42. 991 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 26. 992 Vgl. mit weiteren Ausführungen Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 28, 31 f. 993 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 25 ff. 994 Mit Claire Marienfeld-Czesla nahm die erste Frau dieses Amt von 1995–2000 wahr. 995 § 13 WBeauftrG. 996 § 14 Abs. 2 S. 1 WBeauftrG. 989
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§ 15 Abs. 1 S. 2 WBeauftrG ernannt. Damit dauert seine Legislatur länger als die des Bundestages. Eine Wiederwahl des Wehrbeauftragten ist zulässig. Die Amtszeit endet im Normalfall mit Ablauf der fünf Jahre und nicht erst mit Ernennung des Nachfolgers, wie es vor der Gesetzesnovelle 1969/70 zur Verhinderung von Kontinuitätsbrüchen praktiziert wurde.997 Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit ist aufgrund seiner Abberufung, auf Verlangen des Wehrbeauftragten selbst oder aufgrund seines Todes möglich. Eine Abberufung des Wehrbeauftragten setzt einen Antrag des Verteidigungsausschusses mit Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages beim Bundestagspräsidenten voraus, § 15 Abs. 3 und 4 WBeauftrG. Der Bundestagspräsidenten hat jedoch nur ein formelles Prüfungsrecht, das sich auf das Vorliegen der gesetzlich festgelegten formellen Voraussetzungen beschränkt. Liegen diese vor, muss er dem Antrag auf Abberufung stattgeben.998 Die Vertretung des Wehrbeauftragten nimmt bei dessen Verhinderung und nach der Beendigung der Amtszeit der Leitende Beamte wahr, § 17 WBeauftrG. Der Leitende Beamte kann die Rechte des Wehrbeauftragten allerdings nur mit gewissen Einschränkungen ausüben. So ist es ihm erst nach drei Monaten der Verhinderung oder Beendigung des Amtsverhältnisses des Wehrbeauftragten gestattet, von dem Besuchsrecht bei den Truppeneinheiten Gebrauch zu machen, § 17 Abs. 2 WBeauftrG. 4. Die parlamentarische Kontrolle des Wehrbeauftragten umfasst den Bereich der militärischen Landesverteidigung.999 In diesem Rahmen ist er für Wahrung und Schutz der Grundrechte der Soldaten und der Grundsätze der Inneren Führung zuständig. Der Begriff der Inneren Führung gehört zu den unbestimmten Rechtsbegriffen, die der Auslegung bedürfen. Sie wird als Reformkonzept der Bundeswehr angesehen. Im Innenbereich der Bundeswehr will sie die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte und die Rechtsstaatlichkeit ihrer inneren Ordnung zur Deckung bringen. Zentrales Anliegen ist dabei der Schutz der Menschenwürde. Im Außenverhältnis soll sie Militär, Demokratie und Gesellschaft vereinbaren und einen Beitrag zur Übereinstimmung von Staats- und Heeresverfassung leisten.1000 Im Bereich der Wahrung und des Schutzes der Grundrechte der Soldaten und der Grundsätze der Inneren Führung kann der Wehrbeauftragte auf Weisung des Bundestages und des Verteidigungsausschusses handeln oder aus eigenem pflichtgemäßen Ermessen. Außerhalb dieses Kontrollbereichs darf der Wehrbeauftragte im Rahmen der Wehrkontrolle nur dann tätig wer997
Kritisch dazu Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 28. Vgl. ebenda, S. 29. 999 Vgl. ebenda, S. 55. 1000 Vgl. weiterführend ebenda, S. 66 ff.; vgl. auch Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 15 ff. 998
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den, wenn er vom Bundestag oder dem Verteidigungsausschuss dazu ermächtigt wird.1001 Möglich ist ihm, gemäß § 1 Abs. 2 S. 3 WBeauftrG beim Verteidigungsausschuss um eine Weisung zur Prüfung bestimmter Angelegenheiten nachzusuchen. In Frage kommt dieses Verfahren insbesondere dann, falls unklar ist, ob eine Angelegenheit in die Zuständigkeit des Wehrbeauftragten fällt.1002 Ziel des Gesetzgebers war es, den Wehrbeauftragten in den Bereich der parlamentarischen Kontrolle einzuordnen. Als Organ im Funktionsbereich der parlamentarischen Kontrolle kann er folglich nicht mehr Befugnisse besitzen als das Parlament selbst oder verfassungssystematisch haben könnte.1003 Da das Parlament selbst der Regierung oder einer Verwaltungsbehörde keine direkte Weisung erteilen kann, steht dies auch dem Wehrbeauftragten nicht zu. Der Wehrbeauftragte hat daher keine Weisungs- oder Kassationsbefugnisse, darf keine Anklage erheben oder ein Disziplinarverfahren einleiten bzw. die zuständigen Stellen entsprechend anweisen.1004 Er ist keine exekutive Aufsichtsinstanz und kann nur Fehler aufdecken und Untersuchungen durchführen. In diesem Rahmen ist es ihm möglich, Anregungen zur Selbsterledigung abzugeben, zu vermitteln, zu belehren und zu mahnen. Die Befugnisse des Wehrbeauftragten sind in § 3 WBeauftrG geregelt. Danach kommen ihm Informations- und Anregungsbefugnisse zu. Das Informationsrecht umfasst ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht (Abs. 1) gegenüber dem Bundesminister für Verteidigung und allen diesem unterstellten Diensteinheiten und Personen. Zudem darf der Wehrbeauftragte vom Bundesminister für Verteidigung Berichte über die Ausübung der Disziplinarbefugnis in den Streitkräften verlangen.1005 Der Wehrbeauftragte besitzt ein jederzeitiges Besuchsrecht bei den Truppeneinheiten auch ohne vorherige Anmeldung, was Informations- und Inspektionszwecken dient (Abs. 4).1006 Das Recht des Wehrbeauftragten, den zuständigen Stellen seine Erwägungen und Anregungen mitteilen zu können, findet sich in § 3 Abs. 2 WBeauftrG.1007 Dabei kann er den Adressaten Gelegenheit zur Re1001 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 57; Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 32. 1002 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 61. 1003 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 34 f.; Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 129. 1004 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 34. 1005 Außerdem kann er von den zuständigen Landes- und Bundesbehörden statistische Berichte über die Ausübung der Strafrechtspflege anfordern, § 3 Abs. 5 WBeauftrG. 1006 Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 131. 1007 Vgl. ebenda, S. 134.
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gelung einer Angelegenheit geben. Obwohl rechtlich keine Weisungen, können diese Anregungen tatsächlich einer Weisung nahe kommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass hinter diesen Anregungen die Autorität und die Sachkunde des Wehrbeauftragten stehen, denen sich beispielsweise ein unterer militärischer Vorgesetzter nur schwer entziehen kann.1008 Ergänzt wird dieses Recht durch die Befugnis des Wehrbeauftragten, militärische Vorgesetzte über den Vorgang zu benachrichtigen, die dann gegebenenfalls kraft ihrer Dienstaufsicht einschreiten müssen.1009 Der Wehrbeauftragte hat außerdem das Recht, die Strafrechtspflege und das Disziplinarwesen zu beobachten (Abs. 5 und 6) sowie an gerichtlichen Verhandlungen teilzunehmen und Akteneinsicht wie ein Verfahrensbeteiligter zu fordern. Die Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen bleibt ihm allerdings verwehrt. Gemäß § 3 Abs. 3 WBeauftrG kann er überdies einen Vorgang der für die Einleitung eines Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten. Sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden sind nach § 4 WBeauftrG auf allen Ebenen verpflichtet, dem Wehrbeauftragten bei der Durchführung seiner Erhebungen Amtshilfe zu leisten. Ihnen obliegt es zudem, den Wehrbeauftragten über den Sachstand der Verfahren zu informieren, die er ihnen zugeleitet hat, § 12 WBeauftrG. Der Wehrbeauftragte wird von Amts wegen oder auf Antrag tätig. Erhält er auf seinen Truppenbesuchen oder von Mitgliedern des Bundestages Kenntnis von Verletzungen der Grundrechte von Soldaten oder den Grundsätzen der Inneren Führung oder werden ihm auf sonstige Weise entsprechende Umstände z. B. durch die Presse bekannt, kann er Untersuchungen einleiten. Gleiches gilt aufgrund von Eingaben der Soldaten gemäß § 7 WBeauftrG. Das WBeauftrG gewährleistet mit dem Eingaberecht kein über Art. 17 GG hinausgehendes Petitionsrecht, sondern nur eine zusätzliche Petitionsinstanz.1010 Die Bescheidung einer eingegangenen Petition erfolgt in diesem Fall nicht durch den Petitionsausschuss, sondern durch den Wehrbeauftragten.1011 Die Zusammenarbeit der beiden Petitionsinstanzen wird im Einzelnen in den geltenden Verfahrensgrundsätzen geregelt.1012 1008
Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 36. Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 136. 1010 Vgl. ebenda, S. 138. 1011 Vgl. § 108 Abs. 1 S. 2 GOBT; Soldaten ist es möglich, sich an beide Instanzen oder auch nur an den Petitionsausschuss oder den Wehrbeauftragten zu wenden. Unterschiede gibt es hinsichtlich der formalen Anforderungen. Beim Petitionsausschuss hat die Eingabe schriftlich zu erfolgen und kann auch gemeinschaftlich vorgenommen werden. Beim Wehrbeauftragten ist Schriftlichkeit der Eingabe keine Zulässigkeitsvoraussetzung, Sammeleingaben sind gemäß § 7 WBeauftrG allerdings unzulässig. 1012 Verfahrensgrundsätze für die Zusammenarbeit zwischen dem Petitionsausschuss und dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vom 15. Juni 1983, 1009
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Liegt eine Eingabe beim Wehrbeauftragten vor, beginnt in der Regel ein Überprüfungsverfahren. Ob und welche Maßnahmen er ergreift, fällt in sein pflichtgemäßes Ermessen, wobei er aber an Recht und Gesetz gebunden ist.1013 Im Rahmen seiner Untersuchung darf er Zeugen und Sachverständige hören, § 3 Abs. 1 WBeauftrG. Beendet wird das Verfahren durch den Wehrbeauftragten mit einem Schlussbescheid. In diesem würdigt er das Vorbringen sowie die ergangenen Stellungnahmen unter dem Gesichtspunkt, ob eine Verletzung der Grundrechte oder der Grundsätze der Inneren Führung gegeben ist. Der Bescheid kann vom Wehrbeauftragten mit Empfehlungen versehen werden. Da er allen Beteiligten zugeht, entfaltet der Schlussbericht über den Einzelfall Außenwirkung.1014 Neben der bereits erwähnten Pflicht zur Anwesenheit auf Verlangen des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses hat der Wehrbeauftragte jährlich über seine Tätigkeit zu informieren, § 2 Abs. 1 WBeauftrG.1015 Der Wehrbeauftragte besitzt zwar kein Rederecht im Bundestag, muss aber, wenn es von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt wird, zu seinem Bericht oder außerhalb der Aussprache auf Verlangen Rede und Antwort stehen, § 115 GOBT. Neben dem Jahresbericht kann oder muss er dem Parlament auch zu bestimmten Teilkomplexen Einzelberichte aus eigener Initiative oder auf Ersuchen des Bundestags oder des Verteidigungsausschusses abgeben, § 2 Abs. 2 und 3 WBeauftrG. Dabei hat er die Möglichkeit, auf Missstände bei der Bundeswehr aufmerksam zu machen. Die Jahresberichte des Wehrbeauftragten sind öffentlich und finden allgemein starke Beachtung.1016 dd) Konsequenzen für die Rechtsstellung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland Die bisherige Darstellung verdeutlicht, dass ein Beauftragter an sich in Deutschland kein Novum darstellen würde. Vielmehr gibt es bereits umfangreiche Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Beauftragteninstitutionen, auf die bei der Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten zurückgegriffen werden kann. Von Interesse für die Konzeption eines Kinderunter: http://www.bundestag.de/cgibin/druck.pl; eingesehen am 9. September 2005. Siehe dazu auch Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 166 ff. 1013 Vgl. ebenda, S. 63. 1014 Vgl. dazu im Einzelnen (auch zur Überprüfung der Schlussbescheide): ebenda, S. 146 ff.; Busch, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, 1989, S. 1412. 1015 Ausführlich über Aufgabe, Inhalt und Adressat der Jahresberichte: Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 170 ff. 1016 Dazu Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 40; Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 173; vgl. dazu auch die Ausführungen unter: C.VI.4.c).
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rechtsbeauftragten ist ferner die Diskussion um die Einführung einer anderen Ombudsmanninstitution in Deutschland – den Bürgerrechtsbeauftragten –, welche bereits in den 60/70er Jahren begann.1017 Als Hauptargument für die Institutionalisierung eines Bürgerrechtsbeauftragten werden vor allem Mängel der Arbeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages geltend gemacht, die ein Ombudsmann beheben soll.1018 Die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen zu einem Bürgerrechtsbeauftragten sind daher, soweit für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit relevant, in die Ausführungen zur Ausgestaltung der Kinderschutzinstitution mit einzubeziehen. (1) Der Kinderrechtsbeauftragte im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge Da eine Zugehörigkeit des Kinderrechtsbeauftragten zu einer vierten Gewalt ausscheidet, kann nur eine Einführung der Institution in Anlehnung an die Exekutive oder Legislative in Betracht kommen.1019 Wie dargelegt, ist die überwiegende Mehrheit der Beauftragten in Deutschland an die Exekutive gebunden. Dazu zählen oder zählten auch die Landeskinderrechtsbeauftragten.1020 Folglich wäre eine Zuordnung des Kinderrechtsbeauftragten zur vollziehenden Gewalt nichts Außergewöhnliches. Auch die ENOCMaximen und „Pariser Prinzipien“ lassen, solange die Unabhängigkeit der Menschenrechtsinstitution gewährleistet ist, beide Möglichkeiten zu. Ein Kinderrechtsbeauftragter als integraler Bestandteil der Exekutive vermag, wie teilweise vertreten, obendrein zu einer effektiveren Zusammenarbeit des Beauftragten mit den Behörden zu führen.1021 Ein weiterer Vorteil wäre, dass bei der Neuschaffung als Bundesbeauftragter der Exekutive auf eine Vielzahl von rechtlich eingeführten Ausgestaltungsformen zurückgegriffen werden könnte. Dieser eher von pragmatischen Erwägungen gelei1017 Vgl. Die Studie von Seibert, Zivilbeauftragte in Deutschland, Mainz 1970. Bis in die Gegenwart entstanden und entstehen rechtliche Abhandlungen, welche die Notwendigkeit der Einführung eines Bürgerrechtsbeauftragten darzulegen suchen. Vgl. z. B. die Untersuchung aus dem Jahr 1999 von Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland?, Frankfurt am Main 1999. 1018 Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 107. Befürwortet werden darüber hinaus die Wahrnehmung von Untersuchungskompetenzen durch den Ombudsmann gleich einem Untersuchungsausschuss sowie ein umfassendes Interpellationsrecht als Service-Angebot für Abgeordnete: vgl. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 7 ff. 1019 Eine Zuordnung zur rechtsprechenden Gewalt hält Jeand’Heur dagegen zutreffend nicht für sinnvoll, Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 261, 264. 1020 Frädrich/Jerger-Bachmann, Kinder bestimmen mit, 1995, S. 68; vgl. auch die Ausführungen oben in Abschnitt D.III.2.f). 1021 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 265.
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teten Variante lassen sich die Argumente der dann grundsätzlich gegebenen organisationsrechtlichen Abhängigkeit der Institution, welche wirkungsvolle Kontrollen der Exekutivorgane durch den Kinderbeauftragten erschwert, sowie die damit verbundene eingeschränkte Kompetenz- und Rechtsmacht entgegenhalten.1022 Für eine Institution, welche die vollziehende Gewalt einer Überwachung unterziehen soll, kommt daher vorrangig eine Anbindung an die Legislative in Betracht.1023 Gleiches wird auch im Rahmen der Diskussion um einen Zivilbeauftragten1024 überwiegend in der Lehre vertreten.1025 Dies käme obendrein dem polnischen Modell am nächsten, welches trotz seiner gesetzlich festgelegten Unabhängigkeit und Selbständigkeit aufgrund seiner Wahl, Abwahl und Kontrolltätigkeit sowie seiner Berichtspflichten gegenüber dem Sejm eher eine Verbindung zur Legislative denn zur Exekutive aufweist. Zu favorisieren ist daher die Zuordnung des Kinderbeauftragten zum Parlament, vergleichbar dem Wehrbeauftragten und dem Vorschlag bezüglich eines Ombudsmannes1026, als Hilfsorgan des Bundestages.1027 Ein Hilfsorgan zeichnet sich, wie beim Wehrbeauftragten aufgezeigt, neben seiner Unterstützung der verfassungsmäßigen Arbeit der Verfassungsorgane durch die Nichtzugehörigkeit des Amtsinhabers zum Bundestag, der beschriebenen Zuordnung der Institution zum Parlament, der grundsätzlichen Unverbindlichkeit der Sachentscheidung und seiner Unabhängigkeit aus.1028 Insbesondere können aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes einem Kinderrechtsbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages nur die Rechte zustehen, welche das Parlament selbst besitzt. Der Kinderbeauftragte könnte damit als nur dem Bundestag gegenüber verantwortliches, aber ansonsten weitestgehend unabhängiges Kontrollorgan im Rahmen der dem Parlament zustehenden Kompetenzen tätig werden.1029 Grundsätzlich 1022
Vgl. ebenda, S. 265 f. Mit weiteren Anmerkungen siehe Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 112; Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 44. 1024 Gebräuchlich ist auch der Begriff des Bürgerrechtsbeauftragten oder des Ombudsmannes. 1025 Eine Zuordnung des Ombudsmannes zu einer sog. vierten Gewalt oder zur Exekutive wird deshalb überwiegend ausgeschlossen: vgl. dazu Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 43 f. (Fn.: 8). 1026 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung eines Ombudsmannes wird u. a. seine Stellung als Verfassungsorgan, als Beauftragter des Petitionsausschusses, als vom Parlament bestellte Vertrauensperson und als Hilfsorgan des Bundestages vertreten: dazu mit weiteren Anmerkungen zum Schrifttum: Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 110 f. 1027 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 266. 1028 Ausführlich dazu Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 111 ff. 1029 Vgl. dazu auch ebenda, S. 113. 1023
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würde dies Weisungen gegenüber dem Beauftragten, wie das Beispiel des Wehrbeauftragten verdeutlicht, in einem eingeschränkten Maß nicht ausschließen.1030 Denkbar wäre hinsichtlich dieser Statuierung der Einwand, ein Kinderrechtsbeauftragter hätte keine vergleichbar sensiblen Aufgabenfelder wahrzunehmen wie der Wehrbeauftragte, so dass eine gleichrangige Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages nicht geboten sei. Betrachtet man auf der einen Seite den Wehrbeauftragten, dem schwerpunktmäßig der Schutz der Prinzipien der Inneren Führung sowie der Grundrechte von Soldaten und damit der Schutz eines Personenkreises obliegt, der sich aufgrund des bestehenden besonderen Gewaltverhältnisses beim Wehrdienst in einer besonders abhängigen Stellung befindet und sieht auf der anderen Seite den künftigen Kinderrechtsbeauftragten mit seiner Aufgabe, die Einhaltung von Kinderrechten und -interessen eines besonders schutzbedürftigen, weil minderjährigen Personenkreises zu überwachen, erscheint aufgrund der Schutzgüter eine Gleichrangigkeit von Wehrbeauftragtem und Kinderrechtsbeauftragtem dogmatisch gut vertretbar. Dafür spricht auch die künftig durch den Kinderrechtsbeauftragten wahrzunehmende Ausübung des staatlichen Wächteramtes, das im Grundgesetz in Art. 6 Abs. 2 S. 2 verankert ist.1031 Neben den Fragen der Zuordnung sowie der Art der Statuierung bleibt zu klären, wie eine Verankerung des Kinderrechtsbeauftragten erfolgen sollte. Für die Einrichtung eines Kinderbeauftragten kommen grundsätzlich unterschiedliche Ermächtigungsgrundlagen in Betracht. Während die Verankerung in Polen in der höchsten nationalen Rechtsquelle erfolgte, stehen in Deutschland vom Kabinettsbeschluss bis zur verfassungsrechtlichen Verankerung grundsätzlich mehrere Möglichkeiten offen, die Institution einzuführen. So entschieden sich die Bundesländer bei den Landeskinderbeauftragten, wie aufgezeigt, für Kabinettsbeschlüsse.1032 Ein Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion aus dem Jahr 1998, der die Einführung eines Bundeskinderbeauftragten forderte, sah eine einfachgesetzliche Regelung1033 und der Vorschlag zur Einführung eines Bürgerrechtsbeauftragten eine verfassungs1030
Dazu mehr unter D.V.1.d). So Jeand’Heur. Er hält die Einführung des Kinderrechtsbeauftragten für verfassungsdogmatisch geboten, da er den Kinderrechtsbeauftragten als Konkretisierung des staatlichen Wächteramts versteht bzw. dessen Schaffung als organisationsrechtlich (notwendige) Ergänzung der aus dem Wächteramt folgenden Schutz- und Garantenpflichten ansieht: Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 258 f., 266. 1032 Vgl. Ausführungen oben unter D.III.6. 1033 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, in: BT-Drucksache 13/10880; siehe Anhang F.X. 1031
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rechtliche Verankerung vor1034. Der einzige bestehende Parlamentsbeauftragte auf Bundesebene, der Wehrbeauftragte, findet sich im Grundgesetz. Entscheidend für die Wahl der Rechtsgrundlage ist, welcher Grad an Unabhängigkeit sowie welche Aufgaben und Befugnisse dem Organ eingeräumt werden sollen. Je unabhängiger das Amt des Kinderrechtsbeauftragten eingerichtet und mit originären Rechten ausgestattet wird, desto höher, so Jeand’Heur, sollte die Ermächtigungsgrundlage, auf der seine Berufung fußt, in der Normenhierarchie rangieren.1035 Erwägt man die Einführung des Kinderbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages, scheint eine verfassungsrechtliche Verankerung gleich dem Wehrbeauftragten angebracht, da eine einfachgesetzliche Statuierung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einrichtung des Beauftragten in Form eines Hilfsorgans des Verfassungsorgans wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Kinderrechtsbeauftragter als parlamentarisches Kontrollorgan bei seiner Aufgabenerfüllung auch in eine Konkurrenzsituation mit anderen parlamentarischen Gremien, wie der Kinderkommission, gelangen kann.1036 Soll der Kinderrechtsbeauftragte darüber hinaus eine zusätzliche spezielle Petitionsinstanz im Kinderrechtsbereich insbesondere für Minderjährige verkörpern, ergibt sich das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Verankerung in einem neu zwischen dem Wehrbeauftragten (Art. 45 b GG) und dem Petitionsausschuss (alt: Art. 45c GG; neu:Art. 45d GG) zu schaffenden Art. 45c.1037 Die nähere Ausgestaltung müsste durch ein Bundesgesetz erfolgen. (2) Der Kinderrechtsbeauftragte im bundesstaatlichen System Deutschlands Die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten der Legislative setzt voraus, dass der Bundestag die dafür erforderliche Gesetzgebungskompetenz 1034 Da der Petitionsausschuss nach diesen Vorstellungen daneben bestehen bleibt, erfordert die Einführung auch eine Änderung des Art. 45 c GG, wonach nicht mehr ausschließlich der Petitionsausschuss für die Behandlung von Petitionen an den Bundestag zuständig wäre. Vgl. mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 107 f. 1035 Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 268. 1036 Vgl. ausführlich ebenda, S. 269 f. 1037 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 107 f. Bei der Formulierung sollte nicht auf die missverständliche Regelung bezüglich des Wehrbeauftragten zurückgegriffen werden, die einen Streit über seine mögliche Doppelrolle als Hilfsorgan des Bundestages und Verfassungsorgan auslöste. Denkbar wäre folgende Formulierung: Als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle, insbesondere zum Schutz der Grundrechte und des Kindeswohls, wird ein Kinderrechtsbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Anderer Vorschlag bei Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 271.
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besitzt. Während der Bund im Bereich der Verteidigung, zu dem der Wehrbeauftragte zählt, ausschließlich für die Gesetzgebung zuständig ist (Art. 73 Nr. 1 GG), besteht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG für den für die Bestellung eines Kinderrechtsbeauftragten relevanten Bereich der „öffentlichen Fürsorge“ konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern. Zu prüfen ist daher, ob die Berufung eines Kinderrechtsbeauftragten unter den Begriff der „öffentlichen Fürsorge“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG fällt und ob entsprechende Regelungen nach Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich sind. Der verfassungsrechtliche Gattungsbegriff der „öffentlichen Fürsorge“ ist nach herrschender Ansicht extensiv auszulegen.1038 Er umfasst, wie oben bereits beschrieben1039, sämtliche Bereiche, die sich der Sache nach als öffentliche Fürsorge darstellen. Damit werden auch neue Lebenssachverhalte einbezogen, wenn sie in ihren wesentlichen Strukturelementen dem Bild, das durch die klassische Fürsorge geprägt ist, entsprechen.1040 Fürsorge setzt Hilfsbedürftigkeit voraus; bei Kindern und Jugendlichen ist sie schon wegen ihres Alters gegeben.1041 Sie kann durch repressive und präventive Maßnahmen erfolgen, so dass Jugendfürsorge und Jugendpflege von ihr erfasst werden.1042 Insgesamt werden alle gesetzlichen Regelungen, bei denen fürsorgerische Ziele im weitesten Sinne im Vordergrund stehen, aufgrund des überwiegenden Sachzusammenhanges einbezogen; so auch der Kinderrechtsbeauftragte. Darüber hinaus steht die Berufung eines Kinderrechtsbeauftragten in engem Sachzusammenhang mit den Kompetenzen des Bundes hinsichtlich des KJHG (SGB VIII) sowie der UN-Kinderrechtskonvention, so dass sich die Regelungen über die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG stützen lassen.1043 Die 1038 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 74 Rn. 17. 1039 Vgl. die Ausführungen oben unter D.III.3.a). 1040 BVerfGE 75, 108 (Leitsätze, 146), BVerfGE 88, 203 (329). 1041 Vgl. Pestalozza (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz – Kommentar, Band 8: Art. 70 bis 75, 3. Auflage, München 1996, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Rn. 325. 1042 Das Bundesverfassungsgericht rechnet unter dem Gesichtspunkt des überwiegenden Sachzusammenhangs die gesetzlichen Regelungen der Jugendpflege zur Fürsorge gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG: BVerfGE 22, 180 (212 f.); vgl. auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 269; vgl. Pestalozza (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz – Kommentar, Band 8: Art. 70 bis 75, 3. Auflage, München 1996, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Rn. 326. 1043 Vgl. Pestalozza (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz – Kommentar, Band 8: Art. 70 bis 75, 3. Auflage, München 1996, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Rn. 340, Fn.: 644; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 74 Rn. 18; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 269.
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Kompetenz des Bundes wird allerdings durch Art. 72 Abs. 2 GG begrenzt und an bestimmte materielle Voraussetzungen gebunden. So muss die bundesgesetzliche Regelung auf dem Gebiet des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist nur dann zu verneinen, wenn dem Anliegen bereits durch gleichgesinnte Landesgesetze Rechnung getragen werden kann bzw. dies zu erwarten steht. Wenn das Gesetz zudem in unmittelbarem Zusammenhang mit einer diesbezüglichen Grundgesetzänderung steht, wird eine bundesgesetzliche Regelung immer als erforderlich angesehen.1044 Dies wäre aufgrund der für notwendig erachteten verfassungsrechtlichen Verankerung des Kinderrechtsbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages1045 im neu zu schaffenden Art. 45c GG und dem für die Konkretisierung zu erlassenden Ausführungsgesetz der Fall. Erfolgt dagegen keine Verankerung des Kinderrechtsbeauftragten im GG, muss das entsprechende Bundesgesetz eine einheitliche rechtliche Regelung über den geregelten Gegenstand bringen und im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein. Dafür würde sprechen, dass die Einführung eines auf Bundesebene im Kinderschutzbereich wirkenden Kinderrechtsbeauftragten, der u. a. eine Kinderfreundlichkeitsprüfung der Gesetzesvorlagen auf Bundesebene vornimmt sowie die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention durch den Bund überwacht, ohne bundesgesetzliche Regelung nicht realisiert werden könnte. Der Kinderrechtsbeauftragte muss zudem von gesamtstaatlichem Interesse sein, was aufgrund seiner Aufgabe als landesweite Anlauf- und Koordinierungsinstanz im Bereich des Kinderschutzes gegeben sein dürfte.1046 1044 Vgl. Pestalozza (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz – Kommentar, Band 8: Art. 70 bis 75, 3. Auflage, München 1996, Art. 72 Abs. 2 Rn. 374 ff.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2004, Art. 72 Rn. 10. 1045 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.IV.1.a)ee)(1). 1046 Der Bundesgesetzgeber müsste dann durch ein förmliches Bundesgesetz nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG über die Errichtung einer neuen Kinderschutzbehörde entscheiden. Die dafür erforderliche Voraussetzung, die Gesetzgebungskompetenz für die Schaffung eines Kinderrechtsbeauftragten, steht ihm wie ausgeführt zu. (Zu den Voraussetzungen einer Zustimmung durch den Bundesrat: Art. 87 Abs. 3 S. 2). Als selbständige Bundesoberbehörde untersteht die Behörde grds. einem Bundesminister – soweit nicht ein ministerialfreier Raum besteht. Die Zulässigkeit unabhängiger Verwaltungseinrichtungen (eines sog. ministerialfreien Raums) ist, von den grundgesetzlich verankerten Fällen abgesehen, allerdings außerordentlich umstritten. Da die Oberbehörde, auch wenn sie einem Ministerium unterstellt wurde, selbständig sein muss, darf sie dem Ministerium nicht organisatorisch eingegliedert sein. Vielmehr muss sie organisatorische und funktionelle Selbständigkeit besitzen. Insgesamt hätte dies zur Konsequenz, dass der Kinderrechtsbeauftragte der Exekutive zuzuordnen wäre. Dazu Stern, Das Staatsrecht, Band II, 1980, S. 826 f.
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Welche Aufgaben und Kompetenzen der Kinderrechtsbeauftragte dabei unter Berücksichtigung der bundesstaatlichen Ordnung im Einzelnen besitzen darf, gilt es unter D.IV.1.d) darzulegen. b) Möglicher Rechtsstatus eines Kinderrechtsbeauftragten Blickt man auf die Bestimmungen des polnischen Modells zurück, unterstreichen die Regelungen über den Rechtsstatus des Kinderrechtsbeauftragten seine unabhängige Rechtsstellung. So genießt er gerichtliche Immunität. Gleichzeitig werden an den Kinderrechtsbeauftragten besondere Neutralitätsanforderungen gestellt, die es ihm untersagen, eine berufliche Tätigkeit auszuüben bzw. ein öffentliches Amt wahrzunehmen, das mit den Verpflichtungen und der Würde des Amtes unvereinbar ist. Dies umfasst auch die Wahrnehmung eines Abgeordnetenmandats oder Senatorenamts. Hinsichtlich seiner Vergütung genießt der polnische Kinderrechtsbeauftragte den Status einer Person mit leitender Stellung im Land, wie er für die Parlamentspräsidenten, den Ministerpräsidenten und andere gilt.1047 Da es sich in Deutschland beim Kinderrechtsbeauftragten nicht um ein Verfassungsorgan, sondern ein Hilfsorgan des Bundestages handeln würde, empfiehlt sich vor allem eine Ausgestaltung des Rechtsstatus in Anlehnung an den Wehrbeauftragten.1048 Daraus ergibt sich, dass der Kinderrechtsbeauftragte in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen sollte. Damit würde er nicht den beamtenrechtlichen Vorschriften der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht unterliegen und könnte auch nicht disziplinarisch belangt werden. Gleich dem Wehrbeauftragten sind die Inkompatibilitäten des Amtes zu regeln, was ihm weder eine Berufs- und Gewerbeausübung, die Bekleidung eines besoldeten Amtes, die Leitung eines Unternehmens oder die Mitgliedschaft in einem Unternehmen, welches auf Erwerb gerichtet ist, gestattet noch die Angehörigkeit in einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder des Landes erlaubt. Außerdem wäre zu erwägen, dem Kinderrechtsbeauftragten wie seinem polnischen Vorbild während der Amtszeit die Wahrnehmung von Ehrenämtern zu untersagen, welche mit den Verpflichtungen und der Würde des Amtes unvereinbar sind.1049 1047 Vgl. Art. 2 Abs. 2 Gesetz über die Vergütung von Personen mit leitender Stellung im Staat vom 31. Juli 1981, in: Dz. U. Nr. 20, Pos. 101. 1048 So auch hinsichtlich eines Bürgerrechtsbeauftragten: vgl. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 151; vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 133. 1049 Bekannt sind in Deutschland solche Regelungen. So bestimmt Art. 5 Abs. 2 Bundesministergesetz (Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung in der Fassung vom 27. Juli 1971, in: BGBl. I S. 1166 mit Änderun-
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Die Gewährung von Immunität, wie sie der polnische Kinderrechtsbeauftragte genießt, würde der Systematik der staatsorganisationsrechtlichen Regelungen widersprechen. In Deutschland wird Immunität auf Bundesebene nur den Abgeordneten des Bundestages gemäß Art. 46 GG gewährt. Andere Verfassungsorgane, Staatsorgane oder Hilfsorgane besitzen diese im Gegensatz zu Polen nicht. c) Mögliche Bestimmungen zur Wahl und Abwahl des Kinderrechtsbeauftragten Hinsichtlich der Wahl und Abwahl eines Kinderrechtsbeauftragten sind die Regelungen in Polen nur teilweise als Modell für die deutschen Bestimmungen geeignet. Der Kinderrechtsbeauftragte wird in Polen für eine Amtszeit von 5 Jahren vom Sejm gewählt, wobei eine Wiederwahl möglich ist. Hinsichtlich der Dauer der Amtszeit entspricht diese Bestimmung der des deutschen Wehrbeauftragten. Sowohl polnischer Kinderrechtsbeauftragter als auch deutscher Wehrbeauftragter werden folglich für einen Zeitraum ernannt, der die jeweils vierjährige Legislatur von Sejm und Bundestag überschreitet. In der sich daraus ergebenden statusrechtlichen Unabhängigkeit der Beauftragten gegenüber den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen im Parlament liegt ein Element der Kontinuität der Kontrolle durch die Beauftragten.1050 Daher sollte, anders als Franke und Seibert es für einen Ombudsmann in Deutschland befürworten, auch dem deutschen Kinderrechtsbeauftragten eine fünfjährige Amtszeit eingeräumt werden.1051 Hinsichtlich der Wählbarkeitsvoraussetzungen schreiben die polnischen Bestimmungen neben den Inkompatibilitätsregelungen1052 nunmehr u. a. vor, dass der Kinderrechtsbeauftragte polnischer Staatsbürger sein muss. Er muss eine Hochschule abgeschlossen haben und den Titel eines Magisters oder einen gleichwertigen Titel tragen. Zudem muss er mindestens 5 Jahre Erfahrungen mit der Arbeit mit Kindern vorweisen bzw. mit Kinderangelegenheiten. Darüber hinaus wird nun ein untadeliger Charakter erwartet, der gen), dass Mitglieder der Bundesregierung während ihrer Amtszeit kein öffentliches Ehrenamt bekleiden sollen. Die Bundesregierung kann dabei Ausnahmen zulassen. 1050 Zum Wehrbeauftragten: Busch, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, 1989, S. 1403. 1051 So auch § 1 Abs. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880; siehe Anhang F.X.; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 290; a. A. Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 133; Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 169 f. 1052 Siehe die Ausführungen oben unter D.V.1.b).
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sich durch eine hohe Autorität bezüglich der ethischen Werte und der Befindlichkeiten der Gesellschaft auszeichnet. Die Regelungen im WBeauftrG fordern neben der deutschen Staatsangehörigkeit ein Mindestalter, die Vollendung des 35. Lebensjahres, sowie das Wahlrecht zum Bundestag. Eine Übernahme dieser Mindestanforderungen sollte in die gesetzlichen Regelungen zum Bundeskinderrechtsbeauftragten erfolgen. Spezielle Rechtskenntnisse werden weder beim Wehrbeauftragten noch beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten vorausgesetzt und wären beim deutschen Kinderrechtsbeauftragten angesichts seines Aufgabenspektrums ebenfalls nicht zwingend erforderlich. Vielmehr bedarf es, ohne das dies zwingend als Wählbarkeitsvoraussetzung rechtlich festzulegen wäre, einer Persönlichkeit, welche mit interdisziplinärem Hintergrund neben rechtlichen Kenntnissen auch solche im sozialpädagogischen Bereich aufweisen kann.1053 Abweichungen vom polnischen Modell ergeben sich insbesondere hinsichtlich des Wahlverfahrens. Anders als in Polen kann die Ernennung (nicht die Statuierung!) eines Kinderrechtsbeauftragten allein durch den Bundestag erfolgen und bedarf keiner Zustimmung einer zweiten Kammer. Hinsichtlich der erforderlichen Stimmenzahl sollte man sich wiederum am Wehrbeauftragten orientieren, für dessen geheime Wahl eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendig ist.1054 Damit bedarf die Wahl des Wehrbeauftragten eines höheren Quorums als die Wahl des polnischen Kinderrechtsbeauftragten im Sejm. In Polen wählt der Sejm den Beauftragten, wie dargestellt, „nur“ mit einer absoluten Mehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten.1055 Trotz des hohen Quorums in Deutschland, wie es ansonsten für die Wahl des Bundeskanzlers vorgesehen ist, wird in der Lehre eine 2/3-Mehrheit der Mitglieder für eine Abstimmung sowohl über einen Wehrbeauftragten, Ombudsmann als auch Kinderrechtsbeauftragten gefordert.1056 Erreicht werden soll damit eine breitere 1053 So zutreffend Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 290. Hinsichtlich eines Bürgerrechtsbeauftragten werden Rechtskenntnisse allerdings für notwendig erachtet: Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 160 f. 1054 Die Mitgliedermehrheit setzt die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Organs voraus. Anders als bei der Abstimmungsmehrheit wirken abgegebene Enthaltungen hier wie Gegenstimmen. 1055 Art. 31 Abs. 1 i. V. m. Art. 29 Abs. 1 SejmGO und Art. 190 SejmGO. Die qualifizierte Abstimmungsmehrheit und Anwesenheitsmehrheit ist eine absolute Mehrheit der Stimmen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl. Für den Sejm bedeutet dies bei 460 Abgeordneten mindestens 230 anwesende Abgeordnete und mindestens 116 Stimmen; vgl. Pietrzak, Sejm RP Tradycja i Współczesnos´c´, Warszawa 2000, S. 158. 1056 Vgl. u. a. Salgo, Kinder- und Jugendhilfe im internationalen Vergleich, in: van den Boogaart, Hilde (Hrsg.), Rechte von Kindern und Jugendlichen – Wege zu ihrer Verwirklichung: Beiträge zum Frankfurter Rechte Kongress 1995, Münster
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Akzeptanz der Einrichtung insbesondere bei der politischen Opposition.1057 Eine Mehrheit von 2/3 der gesetzlichen Abgeordnetenzahl des Bundestages wäre verfassungsdogmatisch ein Novum. Sie ist zwar bezüglich einer Verfassungsänderung (Art. 79 Abs. 2 GG) und eines Beschlusses über die Erhebung einer Anklage des Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht (Art. 61 Abs. 1 S. 3 GG) erforderlich, aber bislang in keinem Fall für die Wahl eines Organs vorgesehen. Dieser Vorschlag ist daher, auch mit Blick auf die konsensfördernde Amtszeit von fünf Jahren, abzulehnen.1058 Die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten erfolgt nach der Wahl durch den Bundestagspräsidenten. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis würde dann, wie beim Wehrbeauftragten, mit der Aushändigung der Ernennungsurkunde oder, falls der Eid gemäß Art. 56 GG vor dem Bundestag vorher geleistet worden ist, mit der Vereidigung beginnen.1059 Als vorschlagsberechtigter Personenkreis für die Benennung eines Kandidaten für das Amt kämen in Anlehnung an die Regelung des § 13 WBeauftrG die Fraktionen, so viele Abgeordnete, wie nach der GOBT der Stärke einer Fraktion entsprechen, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Kinderkommission des Deutschen Bundestages1060 in Betracht. Neben der Wahl des Kinderrechtsbeauftragten ist die Beendigung des Amtsverhältnisses gesetzlich zu regeln. Dazu kann ebenfalls auf die Bestimmungen betreffend den Wehrbeauftragten verwiesen werden. Das Amtsverhältnis endet danach – ähnlich wie in Polen – mit dem Ablauf der Amtszeit, durch Tod, nach einer Abberufung oder aufgrund eines Amtsverzichts.1061 Eine vorzeitige Abberufung käme auf Antrag des Ausschusses 1996, S. 41–61, S. 47. Siehe Franke, Ein Ombudsmann, 1998, S. 133. Unklar ist, ob eine 2/3 Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefordert wird – was ein Weniger im Vergleich zur jetzigen Regelung zum Wehrbeauftragten bedeuten würde – oder eine 2/3 Mitgliedermehrheit (wahrscheinlicher). Von letzter Annahme wird hier ausgegangen. 1057 Vgl. u. a. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 165 f. 1058 Vgl. oben. 1059 Zur Eidesleistung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten siehe Art. 5 KinderG. So auch der § 1 Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880. 1060 Dafür Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 290. Für ein Vorschlagsrecht der Kinderkommission spricht deren Zusammensetzung sowie die einstimmige Entscheidungsfindung, was grundsätzlich einen breiten Konsens für den Kandidaten im Plenum erwarten lässt. 1061 Die Abberufung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten ist vor Ablauf der Amtszeit dann möglich, wenn der Beauftragte auf sein Amt verzichtet, infolge von Krankheit seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder seinen Eid verletzt: siehe dazu die Ausführungen unter C.V.3.
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für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Kinderkommission des Deutschen Bundestages mit Zustimmung des Bundestagsplenums durch den Bundestagspräsidenten in Betracht. Für diesen Beschluss wäre dann aber wie bei seiner Wahl eine Mitgliedermehrheit des Bundestages erforderlich. d) Mögliche Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise eines Kinderrechtsbeauftragten Entscheidend für das Wirken einer unabhängigen Kinderschutzinstitution ist die gesetzliche Ausgestaltung ihrer Aufgaben und Kompetenzen. Daran lässt sich beurteilen, ob die Kinderschutzinstitution in Übereinstimmung mit den allgemeinen „Pariser Prinzipien“ und dem ENOC ein ausreichendes Mandat bezüglich der Überwachung, Unterstützung und des Schutzes von Kinderrechten besitzt. Von Bedeutung ist dabei neben den eröffneten Tätigkeitsfeldern und Befugnissen vor allem die Relation zwischen beiden. Stehen sie in einem groben Missverhältnis zueinander, liegt der Verdacht einer Alibifunktion der Kinderschutzinstitution nahe. Jedoch sind nicht alle aus Sicht des Schutzes der Kinderinteressen wünschenswerte Befugnisse für einen Kinderrechtsbeauftragten angesichts des Gewaltenteilungsprinzips, der bundesstaatlichen Ordnung und des in Art. 6 Abs. 2 GG garantieren Elternrechts in Deutschland rechtlich umsetzbar. Für die Klärung der Frage, welche Aufgaben und Befugnisse ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter wahrnehmen soll und vor allem darf, sind wiederum die polnischen Vorgaben, aber auch – aus eingangs erwähnten Gründen – die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ heranzuziehen. Die Aufgaben und Befugnisse des Kinderbeauftragten müssen sich an den Kompetenz- und Funktionsvorgaben des Bundestages in einer Weise orientieren, dass seine Rechte gegenüber der Exekutive und Judikative den Gewaltenteilungsgrundsatz nicht verletzen.1062 Im Rahmen der Gewaltenteilung kann ein Kinderrechtbeauftragter der Legislative folglich nicht mehr Zuständigkeiten und Kompetenzen besitzen als das Parlament selbst. Einem Kinderombudsmann als Petitions- und Untersuchungsinstanz darf daher nur die parlamentarische Kontrolle obliegen. Es steht ihm weder zu, durch Weisungen oder Entscheidungen in den Bereich der Exekutive einzugreifen noch Anweisungen an die Justiz zu geben oder deren Aufgaben, wie z. B. eine Anklageerhebung, wahrzunehmen.1063 1062
Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 272. Vgl. so zum Bürgerrechtsbeauftragten Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 128 ff. Diese Überlegungen treffen auch für den Kinderrechtsbeauftragten zu. 1063
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Hinsichtlich seiner Aufgaben sind die sich aus dem Bundesstaatsprinzip ergebenden Anforderungen zu beachten.1064 Grundsätzlich wäre die Einrichtung eines Kinderrechtsbeauftragten auf Bundesebene, der pauschal für die Länder und Kommunen zuständig ist, mit der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverwaltung unvereinbar. Daher ist bei der Schaffung der Zuständigkeitsbereich eines Kinderrechtsbeauftragten1065 auf Bundesebene klar von der Zuständigkeit der Länder abzugrenzen.1066 So wird der Handlungsspielraum eines Bundeskinderbeauftragten durch die bestehenden Länderzuständigkeiten im Bereich der „öffentlichen Fürsorge“ begrenzt.1067 Aufgrund der diesbezüglich bestehenden konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern1068 können auch die Länder Regelungen zur „öffentlichen Fürsorge“ treffen, solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Weiterhin sehen Bundesgesetze, wie das KJHG, Bestimmungen vor, deren Ausführung den Ländern obliegt.1069 In all diesen Bereichen der Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit der Länder wäre grundsätzlich nur eine Kontrolle durch Landeskinderbeauftragte möglich, über deren Einsetzung jedoch allein die Länder zu befinden haben.1070 Weiterhin ist zu beachten, dass ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter als staatliches Organ keine Befugnisse besitzen darf, die das Recht der Eltern, ihre Kinder aufzuziehen, beeinträchtigen. Das als Abwehrrecht gegen den 1064 Vielfach wird vertreten, dass die Einrichtung eines Bürgerrechtsbeauftragten dem Bundesstaatsprinzip widerspricht und allenfalls eine Schaffung auf Länderebene möglich wäre; vgl. mit weiteren Nachweisen Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 151; im Übrigen vgl. die Ausführungen oben unter D.V.1.a)dd)(2). 1065 Der vorgesehene Zuständigkeitsbereich des Bürgerrechtsbeauftragten entspricht demgemäß dem von Organen des Bundestages, wie dem des Petitionsausschusses. Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 118. Weitergehend hinsichtlich der Wahrnehmungen von Untersuchungen durch den Bürgerrechtsbeauftragten gleich einem Untersuchungsausschuss: Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 14 ff. Zudem umfasst er hinsichtlich seiner Kontrolltätigkeit im Wesentlichen auch die gleichen Adressaten. Auch die Bundesminister würden folglich hinsichtlich ihrer Verwaltungsentscheidungen der Kontrolle durch einen Bürgerrechtsbeauftragten unterliegen. Außerdem würden sie nach dem Vorschlag Frankes auch die Annexverwaltung der Verfassungsorgane, Beliehene, juristische Personen des Privatrechts sowie Einrichtungen der bundesmittelbaren Verwaltung umfassen: Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 92 ff., S. 120 f. Ergänzend zur Kontrolle auf Bundesebene wird für die Länderebene die Einrichtung von Landesbürgerbeauftragten vorgeschlagen: Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 63, 86. 1066 Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 155. 1067 Vgl. auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 273 f. Vgl. auch die Ausführungen oben in Abschnitt D.IV.1.a)dd)(2). 1068 Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG i. V. m. Art. 72 GG. 1069 Vgl. u. a. § 82 KJHG. 1070 Vgl. auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 274.
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Staat ausgestaltete Elternrecht garantiert den Eltern den Vorrang, die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Handeln die Eltern innerhalb des Schutzbereiches zum Wohl ihrer Kinder, darf der Staat nicht durch einen Kinderrechtsbeauftragten eingreifen. Erst wenn die Eltern ihre Pflicht vernachlässigen, wäre ein staatliches Eingreifen gegebenenfalls durch einen Kinderrechtsbeauftragten zugunsten der Kinder geboten.1071 aa) Die Aufgaben eines Kinderrechtsbeauftragten Allgemeiner Aufgabenschwerpunkt eines künftigen Kinderbeauftragten sollte der Schutz der Grundrechte und des Kindeswohls sein. Dieser ist in der Verfassung zu verankern.1072 Ob weitere Tätigkeitsbereiche des Beauftragten in das Ausführungsgesetz aufgenommen werden sollten, wird in den vorliegenden Vorschlägen unterschiedlich beantwortet. Während Jeand’Heur dem Kinderbeauftragten ein Ermessen über sein Selbsteintrittsrecht einräumen möchte und einer genaueren Regelung eine Absage erteilt, entscheidet sich der 1998 eingebrachte SPD-Gesetzentwurf in § 4 für eine Nennung der wichtigsten Aufgaben.1073 Der von Jeand’Heur geforderten Anpassungsmöglichkeit an neu hinzukommende Sachbereiche kann jedoch mittels der RegelBeispiel-Methode Rechnung getragen werden.1074 Für die Öffentlichkeit bleibt dann trotzdem weitestgehend transparent, welche Aufgabenbereiche in die Zuständigkeit des Beauftragten fallen. Vor diesem Hintergrund sind folgende Aufgabenbereiche des Kinderrechtsbeauftragten denkbar: Ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter sollte wie sein polnisches Pendant über die Einhaltung und die Auswirkungen der zum Wohl und zum Schutz von Kindern erlassenen und in Kapitel D.II. exemplarisch erwähnten Vorschriften wachen bzw. gesetzgeberische und andere Maßnahmen, die das Wohl des Kindes berühren, beobachten.1075 Dazu gehören sowohl die Überwachung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention als auch die kritische Begleitung der Berichtspflicht Deutschlands vor dem Ausschuss der UN-Kinderrechtskonvention. Weiterhin sollte er, wie ursprünglich durch die Kinderkommission vorgesehen, im Rahmen von Gesetzgebungs1071
Vgl. dazu die Ausführungen oben in Abschnitt D.II.2.c)dd). Vgl. dazu die Ausführungen oben in Abschnitt D.IV.1.a)dd)(1). 1073 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880; vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 273. 1074 So ist wohl auch der Gesetzentwurf zu verstehen. 1075 Vgl. § 4 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880; Art. 1 Abs. 2 KinderG. 1072
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und Verwaltungsverfahren auf Bundesebene eine Kindeswohlprüfung1076 vornehmen und Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik abgeben können. Denkbar ist weiterhin ein Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten bei Verletzungen von Kinderrechten oder Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen im Einzelfall. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der Kinderrechtsbeauftragte die Aufgabe des Ansprechpartners für Kinder und Dritte wahrnimmt. Ein weiterer wichtiger und häufig für erforderlich erachteter Tätigkeitsbereich eines Bundeskinderbeauftragten wäre sein Hinwirken auf eine Koordination von Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Rechte von Kindern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie seine Kooperation mit den mit dem Wohl von Kindern befassten Verbänden (nationale und internationale GOs und NGOs).1077 Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit sollte der Kinderrechtsbeauftragte zudem Informationsmaterial zu relevanten Themen erstellen und verbreiten können, sowie Behördenmitarbeiter und Interessierte im Bereich Kinderrechte schulen. Im Gesetz über einen Bundeskinderrechtsbeauftragten ist festzulegen, wer vom Schutz des Kinderrechtsbeauftragten umfasst wird. Dies scheinen auf den ersten Blick eindeutig Kinder bis zu Vollendung des 18. Lebensjahres zu sein. Nicht beantwortet wird damit die Frage, ob der Schutz durch einen Kinderrechtsbeauftragten, wie beim leistungsorientierten KJHG (SGB VIII), ab dem Zeitpunkt der Geburt oder aber, wie beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten, bereits zu einem vorgeburtlichen Zeitpunkt beginnen soll. Angesichts der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zahlreicher den Nasciturus schützender Vorschriften sowie der bekannten Bestrebungen Deutschlands, im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention den Schutz auf das vorgeburtliche Stadium (ab Befruchtung) auszudehnen, erscheint es konsequent, den Schutz durch den Kinderrechtsbeauftragten auf diesen Zeitraum zu erstrecken. Der Schutz beträfe dann u. a. Grundrechtsnormen, für die nach der herrschenden Lehre die Grundrechtsberechtigung schon vor Vollendung der Geburt beginnt. Dazu zählen die Wahrung der Menschenwürde des Nasciturus gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, das Recht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG und das Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG.1078 Die Reichweite der vorgeburtlichen Schutzpflicht des Kinderrechtsbeauftragten wäre entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einerseits mit Blick auf das 1076
Vgl. dazu ausführlich Abschnitt C.VI.1.a)bb) sowie D.II.2.c)dd). Vgl. mit weiteren Anmerkungen Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 51. Dem entspricht auch § 4 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880; vgl. auch die Ausführungen unter: D.V.1.d)bb)(5)(d). 1078 Dazu Stern, Das Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1045 ff. 1077
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zu schützende Rechtsgut des ungeborenen Lebens und andererseits auf die damit kollidierenden Rechtsgüter der Mutter zu bestimmen.1079 bb) Die Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten Angesichts dieses Aufgabenspektrums bleibt zu klären, welche Befugnisse dem deutschen Kinderrechtsbeauftragten eingeräumt werden sollen und können. In Anlehnung an die Ausführungen in Polen ist zuerst auf die künftig allgemeinen, gegenüber allen Organen, Organisationen und Institutionen geltenden Kompetenzen eines Kinderrechtsbeauftragten einzugehen. Anschließend sind die für eine spezielle Zusammenarbeit mit anderen Organen und Organisationen erforderlichen Befugnisse zu erörtern. (1) Das Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten Das Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten bestimmt, dass der Beauftragte die im Gesetz vorgesehenen Tätigkeiten aus eigener Initiative, unter besonderer Beachtung von Informationen, welche eine Verletzung von Rechten oder dem Wohl des Kindes zeigen, aufnehmen kann. Auch das WBeauftrG eröffnet dem Wehrbeauftragten das Recht, nach pflichtgemäßem Ermessen bei bekannt werden von Umständen, die auf eine Verletzung der Grundrechte der Soldaten oder des Prinzips der Inneren Führung schließen lassen, tätig zu werden. Außerdem hat der Wehrbeauftragte bestimmte Vorgänge zu prüfen, die ihm der Bundestag oder der Verteidigungsausschuss überweisen. Aufgrund der Stellung eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages und nicht als eigenständiges Staats- oder Verfassungsorgan wie in Polen, ist die Regelung beim Wehrbeauftragten sinngemäß auf den Kinderrechtsbeauftragten zu übertragen. Danach kann der Kinderrechtsbeauftragte bei Kenntnis von Grundrechtsverletzungen bei Kindern oder des Kindeswohls nach pflichtgemäßen Ermessen ein Prüfverfahren einleiten. Seine Zuständigkeit beschränkt sich allerdings auf die Prüfung von Vorgängen bei Organen auf Bundesebene. Soll der Handlungsspielraum des Kinderrechtsbeauftragten – was wünschenswert wäre – auf die Länder ausgeweitet werden, bedarf es einer entsprechenden Übereinkunft mit den Ländern. Diese kann im neu zu schaffenden Art. 45c GG selbst erfolgen, der diesbezüglich Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern z. B. in Form eines Staatsvertrages zulässt.1080 1079
BVerfGE 88, 203 (Leitsätze). Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, 1080
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Hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ seines Tätigwerdens ist ihm ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Bei Bestehen eines Interventionsfalls kann sich das Entschließungsermessen allerdings „auf Null“ reduzieren, so dass eine Handlungsverpflichtung des Kinderrechtsbeauftragten besteht.1081 Grundsätzlich ist der Kinderrechtsbeauftragte, wie auch der Wehrbeauftragte, von Weisungen frei und damit unabhängig.1082 So soll der Bundestag bzgl. der Verfahrensgestaltung dem Kinderrechtsbeauftragten keine Einzelweisungen erteilen, im Einzelfall intervenieren oder eine bestimmte Art der Untersuchung vorschreiben dürfen.1083 Verfahrensauslösende Weisungen durch den Bundestag, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie/oder der Kinderkommission an das Hilfsorgan „Kinderrechtsbeauftragter“, bestimmte Vorgänge zu untersuchen, sollen aber in Anlehnung an die Regelungen beim Wehrbeauftragten künftig zulässig sein.1084 In diesem Fall hängt zwar das „ob“ einer Untersuchung nicht mehr von der Entscheidung des Kinderrechtsbeauftragten ab, die Art und Weise der Aufgabenerfüllung bleibt indes dem Kinderrechtsbeauftragten überlassen.1085 München 1980, S. 833 ff. Darüber hinaus können auch die öffentlichen Träger der Jugendhilfe zur Zusammenarbeit mit dem Kinderrechtsbeauftragten verpflichtet werden. Dazu bedarf es einer Ergänzung des § 81 KJHG (SGB VIII). 1081 Vgl. dazu Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 283 f. Auch für den in der Diskussion befindlichen Bürgerbeauftragten in Deutschland wird ein Eigeninitiativrecht für erforderlich erachtet, mit der Folge, dass dieser selbständig eine bestimmte Angelegenheit aufnehmen kann: vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 120 f. 1082 Vgl. so ausdrücklich § 5 Abs. 2 WBeauftrG. Siehe auch § 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880; Salgo, Kinder- und Jugendhilfe, 1996, S. 47; Bärsch, Die Aufgaben eines Kinderbeauftragten, in: Evangelische Akademie Loccum (Hrsg.), Loccumer Protokolle 14/88. Politik für das Kind – Inhalte, Optionen, Instrumente – 1. Auflage Loccum 1989, S. 7–15, S. 14. 1083 In Bezug auf den Bürgerrechtsbeauftragten wird befürwortet, dass das Parlament auch darauf verzichten soll, den Bürgerrechtsbeauftragten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben der vollständigen Weisungsgebundenheit an das Parlament zu unterwerfen. Dies betrifft insbesondere Einzelweisungen bei bestimmten Untersuchungen. Dem Parlament bleibt es aber gemäß den Vorschlägen unbenommen, Berichte zu bestimmten Angelegenheiten oder Tätigkeitszeiträumen einzufordern. Insbesondere wird eine jährliche Berichtspflicht des Bürgerrechtsbeauftragten gegenüber dem Bundestag befürwortet. Vgl. Seibert, Zivilbeauftragte in Deutschland, Mainz 1970, S. 55. 1084 So auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 284; § 5 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 WBeauftrG. Ähnlich wohl § 2 und § 4 Abs. 4 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880; unklar insoweit Salgo, Kinder- und Jugendhilfe, 1996, S. 47; Bärsch, Die Aufgaben eines Kinderbeauftragten, 1989, S. 14. 1085 Vgl. die Ausführungen zum Wehrbeauftragten; so auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 284.
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Der Umfang und die Reichweite dieses eingeschränkten Weisungsrechts bedürfen einer detaillierten gesetzlichen Festlegung.1086 (2) Die Informationsbeschaffungskompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten Entscheidend für das Tätigwerden aus eigener Initiative bzw. auf Weisung ist der Besitz hinreichender Informationen. Folglich bedarf es einer Regelung, woher der Kinderrechtsbeauftragte seine Informationen beziehen kann und darf. Neben den Informationsquellen, die öffentlich zugänglich sind oder die selbständig den Kontakt zum Kinderrechtsbeauftragten suchen, z. B. in Form von Mitteilungen durch Mitglieder des Bundestages und Eingaben von jedermann, muss es dem Kinderrechtsbeauftragten möglich sein, sich hinsichtlich der Erteilung von erforderlichen Informationen an Organe der öffentlichen Gewalt des Bundes1087 zu wenden. Nur wenn die Prüfkompetenz des Kinderrechtsbeauftragten die Länder umfasst, kann das Informationsbeschaffungsrecht nach entsprechender Regelung auch gegenüber Organen der öffentlichen Gewalt der Länder gelten. Die Informationsbeschaffungskompetenz muss, wenn eine Regelung oder Maßnahme der ersuchten Stelle das Wohl oder den Schutz von Kindern berühren kann, ein Akteneinsichts- sowie ein Auskunftsrecht umfassen.1088 Wie nach der Novelle in Polen hat auf Seiten der Adressaten die Pflicht zu bestehen, die geforderten Informationen an den Kinderrechtsbeauftragten weiterzugeben. Zwingende Geheimhaltungsgründe werden dem Informationsverlangen bei Kindeswohlangelegenheiten, anders als beim Wehrbeauftragten, dagegen kaum entgegenzuhalten sein. Darüber hinaus sollte dem Kinderrechtsbeauftragten bei Vorliegen einer Eingabe, der eine Beschwer des Einsenders zugrunde liegt, oder bei Vorliegen einer Weisung die Befugnis zustehen, den Einsender (Petenten) sowie Zeugen und Sachverständige anzuhören, die analog § 3 Nr. 1 WBeauftrG zu entschädigen wären.1089 1086
Ebenda. Der Gesetzentwurf spricht von den öffentlichen Stellen des Bundes: vgl. § 5 Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880. 1088 Ebenda. 1089 Ähnliches wird auch beim diskutierten Bürgerrechtsbeauftragten geforderten: Als Befugnisse des Ombudsmannes werden u. a. ein schriftliches oder mündliches Auskunftsrecht bei den für die Sachaufklärung relevanten Stellen, ein Akteneinsichts- und Anhörungsrecht von Zeugen und Sachverständigen, ein allgemeines Inspektionsrecht sowie ein Zutrittsrecht zu den Diensträumen von Behörden erwogen. Darüber hinaus soll die Möglichkeit bestehen, bei Behörden und Gerichten um Amtshilfe zu ersuchen. Vgl. Franke, Ein Ombudsmann, 1999, S. 118 ff. 1087
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Bei der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion bedarf der Kinderrechtsbeauftragte der Hilfe der mit den Angelegenheiten unmittelbar befassten Behörden. Daher sollte als Konkretisierung zu Art. 35 Abs. 1 GG eine Regelung zur Amtshilfe Aufnahme in ein Bundeskinderrechtsbeauftragtengesetz finden. Infolgedessen wären Gerichte und Verwaltungsbehörden des Bundes, der Länder und der Kommunen ermächtigt und verpflichtet, dem Kinderrechtsbeauftragten zur ordnungsgemäßen Ausführung seiner Kontrollbefugnisse und vor allem bei der Durchführung von erforderlichen Erhebungen Amtshilfe zu leisten.1090 (3) Der Kinderrechtsbeauftragte als Ansprechpartner Entscheidend, wie die Untersuchung des Institutionensystems anhand der Standards ergab, ist in Deutschland eine zentrale staatliche Stelle, die Ansprechpartner für Minderjährige und Dritte im Bereich Kinderrechte und -interessen ist. Der Begriff des Ansprechpartners umfasst sowohl die Rolle eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten als Petitionsinstanz als auch als Beratungs- und Informationsinstanz. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Befugnisse sind die Anforderungen, welche sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten Elternrecht ergeben, zu beachten. So beeinträchtigen grundsätzlich Untersuchungen eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten in privaten Konflikten das Elternrecht. In Ausübung des staatlichen Wächteramtes, welches ein Kinderrechtsbeauftragter ergänzend neben den bereits bestehenden Einrichtungen wahrnehmen würde, wäre die Aufnahme einer solchen Angelegenheit durch den Kinderrechtsbeauftragten und deren Weiterleitung an die zuständigen Behörden vor Ort bzw. an die Strafverfolgungsbehörden nur dann zulässig, wenn eine Gefahr für das Kindeswohl vorliegt.1091 Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Befugnisse ist allerdings, dass Kindern und Dritten Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten eingeräumt wird. Da es für Minderjährige im Einzelnen schwierig sein wird zu entscheiden, ob sie eine Petition einlegen wollen oder aber eine individuelle Beratung bzw. allgemeine Informationen wünschen, ist dies bei der rechtlichen und faktischen Gestaltung des Zugangs zu berücksichtigen. (a) Der Kinderrechtsbeauftragte als Petitionsinstanz Der künftige Kinderrechtsbeauftragte ist als zusätzliche spezialisierte Petitionsinstanz ausgestaltet und wird folglich aufgrund von Eingaben tä1090 Vgl. § 4 WBeauftrG; Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 281. 1091 Vgl. dazu die Ausführungen im Abschnitt D.IV.1.d)bb)(5)(c).
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tig.1092 Ein Petent besitzt danach für sein Vorbringen mit Kinderrechtsbezug die Auswahl zwischen dem bestehenden Petitionsausschuss und der spezialisierten neuen Kinderschutzinstitution. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang, dem Kinderrechtsbeauftragten alle Petitionen mit Kinderrechtsbezug, also auch solche an den Petitionsausschuss des Bundestages, zur Bearbeitung zuzuweisen.1093 Ein Eingaberecht beim Kinderrechtsbeauftragten sollte jedermann zukommen. Insbesondere Kindern aber auch Dritten steht danach, wie in Polen, die Möglichkeit offen, sich mit Bitten, Anregungen und Beschwerden an die Kinderschutzinstitution zu wenden.1094 In Anlehnung an die Regelung betreffend den Wehrbeauftragten sind mündliche Eingaben von Minderjährigen zuzulassen. Auf diese Weise können die beim Petitionsausschuss bestehenden und für Minderjährige hohen Zugangshürden umgangen werden.1095 Eine persönliche Beschwer des Petenten ist wie beim Wehrbeauftragten und dem polnischen Kinderombudsmann nicht als erforderlich anzusehen. Es kann folglich auch auf allgemeine Missstände hingewiesen werden.1096 In Abweichung von den Regelungen im WBeauftrG sollten zudem Massenpetitionen gestattet sein. Dem Kinderrechtsbeauftragten obliegt es nach Eingang der Beschwer, die bei ihm vorgebrachten Anliegen sachlich zu prüfen und abschließend zu bescheiden. Handelt es sich um allgemeine Anregungen mit Kinderrechtsbezug, ist zu unterscheiden, ob sie in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Gegebenenfalls sind sie an die zuständigen Stellen, z. B. an die Petitionsausschüsse der Länder weiterzuleiten. Liegt dagegen eine Beschwer bezüglich einer Verletzungen des Kindeswohls oder von Grundrechten von Kindern vor, soll der Kinderrechtsbeauftragte die Angelegenheit – bei entsprechender gesetzlicher Festlegung – einer näheren Prüfung unterziehen können auch wenn sie nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt.1097 Die Eingaben sind auf Wunsch des Einsenders, liegt ein solcher Wunsch nicht vor, nach Ermessen des Kinderrechtsbeauftragten, in der Regel vertraulich zu behandeln. Der Schlussbescheid kann mit weiteren Empfehlungen zum Schutz der Grundrechte von Kindern und des Kindeswohls versehen 1092 Demnach wird der Kinderrechtsbeauftragte auf Weisung, aus eigener Initiative oder aufgrund einer Petition tätig. 1093 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 285. 1094 Vgl. zu Sammeleingaben (Stichwort: „Meutereiklausel“) § 7 WBeauftrG sowie die Ausführungen unter: D.IV.1.a)cc)(5)(b). 1095 Vgl. dazu die Ausführungen unter: D.IV.2.b). 1096 Vgl. dazu zum Wehrbeauftragten: ausführlich Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 147. 1097 Ein Vorgehen in privaten Konflikten ohne Gefahr für das Kindeswohl liegt, wie dargelegt, nicht in seiner Zuständigkeit.
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werden. Er wird an den Petenten sowie an die betroffenen Stellen übersandt. Der Schlussbescheid des Kinderrechtsbeauftragten würde folglich, wie beim Wehrbeauftragten, über den Einzelfall hinaus Außenwirkung entfalten und könnte für die Arbeit bei den öffentlichen Stellen Maßstäbe setzen.1098 Abhilfe kann allerdings nur durch die zuständigen Stellen selbst erfolgen. (b) Der Kinderrechtsbeauftragte als Beratungs- und Informationsinstanz Die Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten als Petitionsinstanz wird ohne Zweifel zur Folge haben, dass sich zahlreiche Kinder auch mit privaten Sorgen (z. B. in der Schule) sowie bei familiären Konflikten an die Institution wenden. Minderjährigen wird der Unterschied zwischen einer Petition und einem Beratungs- und Informationsgespräch in der Regel nicht klar sein. Vor allem deshalb nicht, weil die Grenzen in der Praxis fließend sein können. Während die Erteilung von allgemeinen Informationen über Kinderrechte zweifelsfrei Teil der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer solchen Kinderschutzinstitution wäre, stößt eine individuelle staatliche Beratungstätigkeit an verfassungsrechtliche Grenzen. Der Kinderrechtsbeauftragte besitzt danach keine Befugnis, das Erziehungsrecht der Eltern zu beeinträchtigen. So fallen grundsätzlich weder Untersuchungen von privaten Problemen und familiären Konflikten noch Beratungen ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten in den Zuständigkeitsbereich des Kinderrechtsbeauftragten. Eltern haben in der Regel das Recht, die Ergebnisse einer vom Staat angebotenen Beratung ihres Kindes zu erfahren.1099 Erst wenn der Minderjährige sich in einer sein Kindeswohl gefährdenden Notlage befindet, die zu einem Konflikt mit seinen Eltern führen würde und durch das geheime Beratungsgespräch abgewendet werden könnte, ist eine Beratung ohne Mitteilung an die Eltern zulässig. Ein Schweigerecht besitzen staatliche Berater nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folglich nur, falls die Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten die unmittelbare oder gegenwärtige Gefahr einer körperlichen oder seelischen Schädigung des Kindes wahrscheinlich macht.1100 Im Bereich der Beratungstätigkeit einer staatlichen Kinderschutzinstitution, wie dem Kinderrechtsbeauftragten, zeigt sich deutlich das bereits erwähnte Spannungsverhältnis zwischen den gewährten Kinderrechten (Recht auf Persönlichkeitsschutz bzw. Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit) und dem Elternrecht. 1098
Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, 1989, S. 1412. Vgl. Wiesner (Bearb.), in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp u. a. (Hrsg.), SGB VIII, 2000, § 8 Rn. 43. 1100 BVerfGE 59, 360 (387). 1099
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(c) Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten Erwägt man eine Einführung des Kinderrechtsbeauftragten als Ansprechpartner, ist dies bei der rechtlichen und faktischen Ausgestaltung des Zugangs zu berücksichtigen. Rechtlich gesehen ist ein allgemeiner Zugang zum Kinderrechtsbeauftragten durch Minderjährige und Dritte, entsprechend der polnischen Rechtslage, in das Bundeskinderrechtsbeauftragtengesetz aufzunehmen. In diesem Zusammenhang käme die Aufnahme eines Passus’ in Betracht, der, vergleichbar mit Art. 1 Abs. 2 KinderG, ein Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten nur unter Wahrung des Elternrechts bestimmt. Erforderlich wäre dieser Hinweis auf die bestehende Rechtslage allerdings nicht. Schwierigkeiten ergeben sich bezüglich der faktischen Ausgestaltung des Zugangs. Technisch ist dieser, angesichts des Adressatenkreises, durch einen schriftlichen – postalischen – (Brief, E-Mail, Fax) sowie mündlichen – telefonischen – Zugang zur Institution zu gewährleisten. Letzterer wäre vergleichbar der „Nummer gegen Kummer“ einzurichten,1101 zumal der Kinderrechtsbeauftragte dann durch eine deutschlandweit einheitliche Telefonnummer kostenfrei zu erreichen wäre. Mit den Anrufenden könnten entsprechend geschulte Mitarbeiter entweder allgemeine Informationsgespräche oder individuelle Beratungsgespräche führen – wobei in letzterem Fall eine Inkenntnissetzung der Eltern zu erfolgen hätte – oder aber Petitionen an den Kinderrechtsbeauftragten entgegennehmen. (4) Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten Erst mittels Öffentlichkeitsarbeit kann eine Kinderschutzinstitution wie der Kinderrechtsbeauftragte die Rechte und Interessen von Kindern sowie deren Situation im Land publik machen. Zur Öffentlichkeitsarbeit eines 1101 Von Vorteil wäre sicherlich eine einheitliche Nummer in Deutschland für Kinder. Daher wäre z. B. zu überlegen, ob und wie die bereits bestehende erfolgreiche und von einem Verein privat getragene „Nummer gegen Kummer“ in die Arbeit eines staatlichen Kinderrechtsbeauftragten integriert werden könnte. Denkbar wäre eine Einbeziehung durch die Rechtsfigur des Beliehenen. Danach würde sich der Staat die Sachkunde sowie die technischen Mittel und Möglichkeiten von Privaten, konkret des Vereins, nutzbar machen und den eigenen Verwaltungsapparat entlasten. Folge davon wäre, dass Beratungsgespräche von Kindern und Jugendlichen als private Dienstleistung des Vereins weiterhin ohne Information der Eltern erfolgen könnten und der Verein hinsichtlich der Entgegennahme von Petitionen und Wünschen nach Informationsmaterial des Kinderrechtsbeauftragten als Beliehener handelt. Die Beleihung bedarf allerdings einer gesetzlichen Regelungen oder kann aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erfolgen: vgl. zum Beliehenen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage, München 2004, S. 615 ff.
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Kinderrechtsbeauftragten können dabei neben den regelmäßigen Berichten über seine Arbeit u. a. die Erstellung von Pressemitteilungen, Informationsmaterial und Themenbroschüren für Außenstehende, die Organisation von Schulungen und Tagungen zu bestimmten Themenfeldern, sowie die Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Kampagnen gehören. Das öffentliche Eintreten für Kinderrechte durch den Beauftragten steigert zugleich in der Bevölkerung die Bekanntheit und Akzeptanz der Kinderschutzinstitution selbst. Zu klären ist daher, nach einem Blick auf das polnische Modell und die rechtlichen Gegebenheiten in Bezug auf den Wehrbeauftragten, welche Befugnisse im Einzelnen dem deutschen Kinderrechtsbeauftragten gesetzlich eingeräumt werden können und sollen. In den gesetzlichen Bestimmungen zum polnischen Kinderrechtsbeauftragten ist lediglich die öffentliche Bekanntmachung seines jährlichen Tätigkeitsberichts gesetzlich geregelt. Weitere Bestimmungen zur Öffentlichkeitsarbeit finden sich im KinderG nicht. In der Rechtspraxis nimmt der polnische Kinderombudsmann jedoch alle Möglichkeiten der Werbung und Aufklärung wahr. Differenziert sieht die Situation beim Wehrbeauftragten aus. Auch das WBeauftrG verpflichtet den Beauftragten zur Abgabe von Tätigkeitsberichten, die, obwohl eine ausdrückliche Regelung fehlt, in der Praxis ebenfalls veröffentlicht werden. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob sich der Wehrbeauftragte, wenn er seine Kritik im Parlament als nicht ausreichend gewürdigt sieht, direkt an die Öffentlichkeit und Massenmedien wenden kann, um dort zu berichten. Betrachtet man seine Rechtsstellung als Hilfsorgan des Bundestages, bleibt festzustellen, dass primärer Adressat seiner Berichte nur der Bundestag sein darf. Dem Wehrbeauftragten ist es zwar gestattet, Interviews zu geben und öffentliche Reden zu halten, die Abgabe von spezifischen Erkenntnissen in Umfang und Art eines Ersatzberichtes an einen Ersatzadressaten wird dagegen als unzulässig erachtet. Der Wehrbeauftragte darf sich folglich nicht beliebig an die Öffentlichkeit wenden, sondern ist auf die ihm im parlamentarischen Rahmen gegebenen Möglichkeiten beschränkt.1102 Freilich wird die Abgrenzung zwischen zulässigen Interviews über seine Tätigkeit und unzulässigen Berichterstattungen in der Praxis nur sehr schwierig zu treffen sein.1103 Eine Ausgestaltung der Öffentlichkeitsarbeit des Kinderrechtsbeauftragten nach Vorbild des Wehrbeauftragten würde dem oben genannten breiten Aufgabenspektrum, insbesondere seiner Überwachungsfunktion hinsichtlich des Kindeswohls, nicht vollständig gerecht werden. Vielmehr sollte einem deut1102
Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 43 f. Vgl. dazu ebenda, S. 39 ff.; Erbel, Parlament und Wehrbeauftragter in der Verfassungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, in: Der Staat, Band 14, 1975, S. 345–370, S. 367 f. 1103
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schen Beauftragten gleich seinem polnischen Vorbild ein breiteres Spektrum im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eröffnet werden. Mit Blick auf seine Rechtsstellung als Hilfsorgan des Bundestages sind die einzelnen Befugnisse allerdings gesetzlich zu fixieren. Was bedeutet dies nun konkret für den Kinderrechtsbeauftragten? Wie der Wehrbeauftragte und das polnische Modell wäre auch ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter verpflichtet, Jahresberichte gegenüber dem Parlament abzugeben, die vorab und direkt an dieses zu richten sind.1104 Die gewünschte Öffentlichkeitswirkung wird durch die Publizierung dieser Berichte erreicht. Eine entsprechende Pflicht zur Veröffentlichung kann im Gesetz verankert werden.1105 Im Gegensatz zum Wehrbeauftragten sollte es einem Kinderrechtsbeauftragten darüber hinaus gestattet werden, öffentlich Empfehlungen zur Verbesserung der Rechte und Interessen von Kindern abzugeben, soweit dies dem Beauftragten geeignet erscheint, auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern hinzuwirken.1106 Davon umfasst wäre auch die Durchführung von Kampagnen zum Beispiel im Bereich des Jugendschutzes. Weiterhin sollte dem Kinderrechtsbeauftragten eine allgemeine Informationsfunktion im Bereich des Kindeswohls und des Schutzes von Kinderrechten zukommen. Damit könnte ein Kinderrechtsbeauftragter neben Beratungen von öffentlichen Stellen auf Bundesebene ebenso für interessierte Personen Informationsmaterial erstellen sowie Tagungen und Schulungen durchführen.1107 (5) Das Zusammenwirken des Kinderrechtsbeauftragten mit den Organen der öffentlichen Gewalt Neben den grundlegenden Befugnissen sind nunmehr die rechtlich zulässigen Kompetenzen eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten im Zusammenwirken mit den Organen der öffentlichen Gewalt näher zu prüfen. (a) Zusammenwirken mit der Legislative In seiner Funktion als Hilfsorgan hat ein künftiger deutscher Kinderrechtsbeauftragter eine enge Verbindung zum Parlament. Dies zeigt sich be1104
So auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 286. Vgl. § 4 Abs. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880; vgl. auch Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 43. 1106 Vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880; siehe auch Bärsch, Die Aufgaben eines Kinderbeauftragten, 1989, S. 13. 1107 Vgl. § 4 Abs. 2 S. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880. 1105
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reits in der geschilderten Befugnis des Bundestages, den Kinderrechtsbeauftragten berufen und abberufen zu können. Ausdruck des Zusammenwirkens wäre zudem die Pflicht des Kinderrechtsbeauftragten, dem Parlament gegenüber einen jährlichen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit abzugeben.1108 Dieser Jahresbericht ist generell im Plenum zu behandeln.1109 Obwohl es aus Sicht eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten sicherlich wünschenswert wäre, die Plattform des Plenums im Rahmen der Aussprache für einen eigenen öffentlichen Auftritt zu nutzen, stehen einem eigenen Rederecht verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. So besitzen neben den Abgeordneten nur Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung eine entsprechende Befugnis.1110 Folglich besteht nur die Möglichkeit, den Kinderrechtsbeauftragten zu verpflichten zu seinem Jahresbericht Stellung zu nehmen. Das erforderliche Quorum könnte sich an den Regelungen in der GOBT zum Wehrbeauftragten orientieren.1111 Neben dem Jahresbericht sollen der Bundestag, der Ausschuss für Familie, Senioren Frauen und Jugend und/oder die Kinderkommission auch Einzelberichte und Gutachten beim Kinderrechtsbeauftragten anfordern können. Hinsichtlich der Einzelberichte erfolgt eine Behandlung im Plenum nur dann, wenn eine Fraktion oder fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages es verlangen.1112 Dem Kinderrechtsbeauftragten ist in diesen Fällen unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Jahresbericht ein Rederecht einzuräumen. Alle Berichte sind als Bundestagsdrucksachen jedenfalls öffentlich, der Jahresbericht des Beauftragten ist zudem der Öffentlichkeit in geeigneter Form bekannt zu machen.1113 Entscheidend im Zusammenwirken mit dem Bundestag ist die Rolle eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten im Gesetzgebungsprozess. Stellt man Erwägungen über seine möglichen Befugnisse im Gesetzgebungsverfahren 1108
Diese Regelung entspricht der zum polnischen Ombudsmann, Art. 212 pV. Vgl. im Gegensatz dazu § 114 GOBT. Gemäß § 114 Abs. 1 gilt: „Die Berichte des Wehrbeauftragten überweist der Präsident dem Verteidigungsausschuss, es sei denn, dass eine Fraktion oder fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangen, ihn auf die Tagesordnung zu setzen.“ Zu § 115 Abs. 1 GOBT siehe Fn. 1111. 1110 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 41 f. 1111 § 115 Abs. 1 GOBT besagt: „Der Präsident erteilt dem Wehrbeauftragten in der Aussprache über die von ihm vorgelegten Berichte das Wort, wenn es von einer Fraktion oder von anwesenden fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt worden ist.“ 1112 Außerdem ist dem Bundestag, gleich der Regelung beim Wehrbeauftragten, ein Recht einzuräumen, jederzeit die Anwesenheit des Kinderrechtsbeauftragten verlangen zu können; vgl. § 6 WBeauftrG angelehnt an Art. 43 GG. 1113 Z. B. in Form einer Broschüre und als leicht zugängliches Dokument auf der Homepage eines Kinderrechtsbeauftragten; vgl. im Übrigen die Ausführungen unter: D.IV.1.d)bb)(4). 1109
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an, erscheint es zweckdienlich, nochmals einen Blick auf die Regelungen bei seinem polnischen Modell zu werfen. Wie die Ausführungen oben ergaben, ist es dem polnischen Kinderrechtsbeauftragten gestattet, Gesetzesinitiativen oder Gesetzesnovellierung dem Sejm und/oder Senat zur Umsetzung vorzuschlagen, wozu diese innerhalb einer festgelegten Frist Stellung beziehen müssen. Ein eigenes Gesetzesinitiativrecht sehen die Vorschriften des polnischen Kinderombudsmanngesetzes folglich nicht vor. Außerdem ist, wie aufgezeigt, auch eine Mitarbeit des Kinderrechtsbeauftragten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben. So kann er zu Gesetzentwürfen, die auf einen wirkungsvolleren Schutz der Rechte und des Wohls des Kindes abzielen, Gutachten und Vorschläge unterbreiten, wobei die Parlamentskammern im Falle von Vorschlägen verpflichtet sind, eine Stellungnahme abzugeben.1114 Daneben ist eine Hinzuziehung des Beauftragten im Anfangsstadium der Gesetzgebung oder im Rahmen einer Expertenanhörung im laufenden Verfahren möglich, steht jedoch dem jeweils zuständigen Organ frei. In der Praxis ist sie jedenfalls nicht selbstverständlich. In seiner Ausgestaltung als Hilfsorgan kann es auch einem deutschen Kinderrechtsbeauftragten künftig obliegen, im Rahmen seiner Kontrollfunktion gegenüber der Gesetzgebungstätigkeit der Legislative bestehende Bestimmungen sowie Gesetzentwürfe auf ihre Kinderfreundlichkeit hin zu überprüfen, die Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention voranzubringen und diesbezüglich Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes von Kindern einzubringen. Um dieses Kontrollrecht wirkungsvoll ausüben zu können, bedarf er von den zur Gesetzgebung zuständigen Organen aller Informationen über geplante Gesetzgebungsvorhaben sowie aller Informationen im laufenden Gesetzgebungsverfahren. Diese Kompetenz des Kinderrechtsbeauftragten ist vom oben ausgeführten Informationsbeschaffungsrecht umfasst. Des Weiteren wäre ein Beteiligungsrecht in Gesetzgebungsverfahren bei Kinderrechtsfragen tangierenden Entwürfen zu erwägen. Eine Verankerung der Beteiligung könnte in § 69 GOBT im Rahmen der Ausschussberatungen1115 sowie bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung in § 47 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)1116 erfolgen. Danach wäre es dem Kinderrechtsbeauftragten gestattet, im Rahmen von Ge1114
Vgl. dazu die Ausführungen unter: C.VI.2.d)bb). Bereits jetzt besteht die Pflicht des Ausschusses, kommunalen Spitzenverbände die Gelegenheit einzuräumen, eine Stellungnahme abzugeben, wenn deren wesentlichen Belange durch das Vorhaben berührt werden, § 69 Abs. 5 GOBT. 1116 Nach § 47 GGO steht die Anhörung/Beteiligung von Dritten am Gesetzgebungsverfahren allerdings im Ermessen des federführenden Bundesministers. Beteiligt er den Kinderrechtsbeauftragten nicht, müsste dies dann durch den Ausschuss aufgrund des ergänzten § 69 GOBT erfolgen. 1115
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setzgebungsverfahren, welche die Belange und das Wohl von Kindern betreffen, Stellungnahmen abzugeben. Es liegt allerdings in der Hand des Gesetzgebers, ob er die Einwände berücksichtigt oder nicht. Eine rechtsbindende Einspruchsbefugnis des Beauftragten gegen die Gesetzentwürfe würde den Kompetenzordnungen im Gesetzgebungsverfahren widersprechen.1117 In diesem Zusammenhang wäre zudem ein korrespondierendes Initiativund Anregungsrecht, wie es für den polnischen Kinderrechtsbeauftragten und auch im genannten Gesetzentwurf in § 4 Abs. 2 vorgesehen ist, sinnvoll.1118 Damit könnten die von ihm angeregten Empfehlungen gegebenenfalls durch das Parlament oder die Regierung aufgegriffen und als Gesetzesvorschlag eingebracht werden. Anders als beim polnischen Verfassungsorgan „Kinderrechtsbeauftragter“ würde eine Pflicht des Parlaments, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen, nicht dem rechtlichen Verhältnis zwischen Parlament und Hilfsorgan gerecht werden. Um die Durchsetzung der Empfehlungen forcieren zu können, sollte allerdings die Möglichkeit ihrer Veröffentlichung rechtlich vorgesehen werden.1119 Im Regelfall wird eine tatsächliche Umsetzung der Vorschläge des Kinderrechtsbeauftragten allerdings nur auf informellen Weg zu erreichen sein. (b) Zusammenwirken mit der Exekutive Bei der Ausgestaltung der speziellen Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten sind gegenüber den Exekutivorganen die Grundsätze der Gewaltenteilung sowie der Umstand seiner Rechtsstellung als Hilfsorgan des Bundestages zu beachten. Ein künftiger Kinderrechtsbeauftragte hat folglich, wie der Wehrbeauftragte, weder Weisungs- oder Kassationsbefugnisse noch darf er Disziplinarverfahren einleiten bzw. die zuständigen Stellen anweisen, dies zu tun. Er ist keine exekutive Aufsichtsinstanz. Der Kinderrechtsbeauftragte soll nur Fehler aufdecken und Untersuchungen durchführen. In diesem Rahmen kann er Anregung zur Selbsterledigung abgeben sowie vermitteln, belehren und mahnen.1120 Angesichts dieser Vorgaben stellt sich die berechtigte Frage, wie ein künftiger Kinderrechtsbeauftragter seiner Untersuchungs- und Aufklärungstätigkeit Effizienz verleihen kann.1121 Zu erwägen ist, in Anlehnung an die ge1117
Vgl. auch Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 276. Vgl. auch ebenda, S. 274. 1119 Vgl. § 4 Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880. 1120 Vgl. die Ausführungen unter: D.IV.1.a)cc)(5)(b). 1121 Hinsichtlich der Informationsbeschaffungsrechte des Kinderrechtsbeauftragten gegenüber den Exekutivorganen, der Beteiligung an der Gesetzgebung auch bei Vor1118
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schilderten Kompetenzen der polnischen Institution und des Wehrbeauftragten, die Befugnis des Kinderrechtsbeauftragten, Anregungen hinsichtlich der Verbesserung der Belange und des Wohls von Kindern an alle öffentlichen Stellen des Bundes richten zu können. In diesem Rahmen kann er auf Missstände oder das Kindeswohl konterkarierende Entwicklungen hinweisen, verbunden mit der Bitte, die Angelegenheit zu prüfen bzw. zu korrigieren.1122 Um eine Weisungsbefugnis handelt es sich dabei nicht, wenngleich die Empfehlungen aufgrund der Autorität des Kinderrechtsbeauftragten eine weisungsgleiche Wirkung entfalten können. Letztlich steht es allein im Ermessen der zuständigen Stelle, ob sie die Anregungen des Kinderrechtsbeauftragten umsetzt oder sie ignoriert.1123 Mit der Anregungsbefugnis sollte eine Verpflichtung der Exekutivorgane des Bundes korrespondieren, den Kinderrechtsbeauftragten über den Sachstand der zugeleiteten Empfehlung zu informieren. Bezüglich der Beseitigung von allgemeinen Missständen kann zudem eine gesetzlich fixierte Beratungsfunktion bei Fragen des Kindeswohls und des Schutzes von Kinderrechten gegenüber der Bundesregierung, einzelnen Ministerien und Bundesbehörden einvernehmliche Lösung ermöglichen bzw. einer Auseinandersetzung vorbeugen helfen.1124 Liegen gravierende Verletzungen des Kindeswohls und der Grundrechte von Kindern vor, die dem Kinderrechtsbeauftragten aufgrund von Eingaben oder auf sonstige Weise zur Kenntnis gelangen und nehmen zudem die Personensorgeberechtigten ihre Pflichten nicht wahr, hat er in Ausübung des staatlichen Wächteramtes künftig die zuständigen Verwaltungsbehörden des Bundes, Landes oder der Kommune zu informieren. Diese sind – sofern entsprechende Regelungen für Länder und Kommunen bestehen1125 – im Gegenzug zu verpflichten, ihn über die Einleitung und den Fortgang des zugeleiteten Vorgangs zu informieren. Werden dem Kinderrechtsbeauftragten in diesem Zusammenhang Dienstvergehen von Mitarbeitern von Verwaltungsbehörden des Bundes, der Länder und der Kommunen bekannt, sollte er befugt sein, den Vorgang der für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuzuleiten.1126 Auch in diesem Fall haben die belagen der Bundesregierung sowie der Möglichkeit, der Bundesregierung Gesetzgebungsvorschläge zu unterbreiten sei auf die Ausführungen in den vorangegangen Abschnitten verwiesen. 1122 Dazu Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 280. 1123 Vgl. Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 35 f. 1124 Vgl. auch § 4 Abs. 2 S. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, BT-Drucksache 13/10880. 1125 Siehe dazu die Ausführungen oben. 1126 Liegt ein Hinweis auf ein Dienstvergehen bei einer Landes- oder Kommunalbehörde vor, hat er keine Untersuchungskompetenzen, um den Sachverhalt selbst aufzuklären.
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troffenen Behörden den Kinderrechtsbeauftragten über die Anordnung eines Disziplinarverfahrens aufgrund seiner Hinweise zu benachrichtigen.1127 Ähnlich den neuen polnischen Regelungen, sollte dem deutschen Kinderbeauftragten zudem eine Mitwirkung in nach Bundesrecht verlaufenden allgemeinen und speziellen Verwaltungsverfahren ermöglicht werden.1128 Da der Kinderrechtsbeauftragte kein Beteiligter im Sinn des § 13 Abs. 1 und 2 Verwaltungsverfahrensgesetz1129 ist, kommt nur ein Verfahrenseintritt nach § 13 Abs. 3 VwVfG in Betracht. Das Recht in das Verfahren einzutreten sowie entsprechende Mitwirkungsrechte, die ihm ein Eingreifen in das Verfahren gestatten, sind im Bundeskinderbeauftragtengesetz zu verankern. Dazu gehören Regelungen zur Akteneinsicht, das Recht auf Anwesenheit und Anhörung sowie ein eigenes Antragsrecht.1130 (c) Zusammenwirken mit der Judikative Ein künftiger Kinderrechtsbeauftragter wird wie sein polnisches Pendant auch mit der Judikative zusammenwirken. Ähnlich wie der polnische Bürgerrechtsbeauftragte darf der polnische Kinderrechtsbeauftragte nach der Novellierung Verfahren einleiten und sich an diesen beteiligen. Dies gilt für Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte besitzt gegenüber dem Gericht in laufenden oder abgeschlossenen Verfahren ein Informationsbeschaffungs- und Akteneinsichtsrecht. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag bisher in der Beratung von Hilfesuchenden, beispielsweise zu bestehenden Klagemöglichkeiten und Gerichtshilfen, wie sie grundsätzlich auch einem deutschen Kinderrechtsbeauftragten obliegen könnten.1131 Bei der Konzeptionierung seiner übrigen Befugnisse sind wiederum sowohl die bestehenden Bund-Länder-Zuständigkeiten als auch der Gewaltenteilungsgrundsatz zu beachten. Bei der Ausübung seiner parlamentarischen Kontrollrechte ist ein Kinderrechtsbeauftragter, gleich dem Wehrbeauftragten, folglich auf die Gerichte des Bundes beschränkt.1132 Nur gegenüber den Bundesgerichten kann dem 1127 Auch in diesem Fall bedarf es entsprechender rechtlicher Regelungen zwischen Bund und Ländern. 1128 Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 278 ff. 1129 Verwaltungsverfahrensgesetz in der der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003, in: BGBl. I S. 102. 1130 Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 278 ff. 1131 Zu beachten ist bei Beratungen durch den Kinderrechtsbeauftragten das Elternrecht: siehe D.IV.1.d)bb)(3)(b). 1132 Vgl. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 72. Strebt man eine Erweiterung des Handlungsbereiches auf die Gerichte der Bundesländer an, bedarf dies einer entsprechenden Regelung beispielsweise im GG oder einem Staatsvertrag.
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Kinderbeauftragten bei in seinen Tätigkeitsbereich fallenden Prozessen ein Akteneinsichts- und ein Verfahrensanwesenheitsrecht eingeräumt werden, dem die Gerichte nachzukommen hätten.1133 Dies muss auch im Fall von nichtöffentlichen Verhandlungen, wie sie gerade bei Minderjährigen oft stattfinden, gelten. Eine Stellung als Verfahrensbeteiligter, ähnlich dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, wird dagegen nicht als notwendig erachtet.1134 Es wäre jedoch zu erwägen, ob er nicht das Recht besitzen sollte, als Sachverständiger gehört zu werden. Aufgrund der Gewaltenteilung und der garantierten Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern kann es einem deutschen Kinderrechtsbeauftragten nicht gestattet sein, gegenüber diesen Anordnungs- und Weisungsrechte auszuüben. Die Einleitung eines Strafverfahrens durch den Kinderrechtsbeauftragten wäre daher unzulässig. Liegen gravierende Verletzungen des Kindeswohls und der Grundrechte von Kindern vor, die dem Kinderrechtsbeauftragten aufgrund von Eingaben oder auf sonstige Weise zur Kenntnis gelangen und nehmen die Personensorgeberechtigten ihre Pflichten nicht wahr, kann er aber in Ausübung des staatlichen Wächteramtes künftig, wie auch sein polnisches Pendant, die Angelegenheit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zuleiten. Diese sind zu verpflichten, den Kinderrechtsbeauftragten über die Einleitung und den Ausgang des Verfahrens zu informieren.1135 Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Rechte im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle der Gerichte ein Parlamentsbeauftragter gegenüber den Gerichten des Bundes besitzen darf. Von Interesse ist vor allem, ob sich der Kinderrechtsbeauftragte kritisch zu Gerichtsurteilen im Zusammenhang mit Kinderbelangen äußern kann. Generell gilt, dass jeglicher Druck von außen auf die Richter, der geeignet erscheint, ihre Entscheidungsfindung zu beeinträchtigen, untersagt ist. Dazu gehört die Kritik an bestimmten Entscheidungen oder der Spruchpraxis eines bestimmten Gerichts.1136 Möglich ist es einem Kinderrechtsbeauftragten, allgemeine Kritik an Gerichtsurteilen zu gewissen Tatbeständen oder Sachverhalten, Kritik an einem einzelnen Urteil, soweit ganz eindeutige, offensichtliche Fehler vorliegen, Kritik an äußeren Anordnungen (z. B. lange Verfahrenszeiten bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens) und am Benehmen von Richtern sowie im Rahmen von Ermittlungen zur Vorbereitung eine Richter1133
Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 281. Mit weiteren Nachweisen vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 281 f. 1135 Dies kann in der Anordnung über Mittelungen in Strafsachen (MiStra) in der Fassung vom 29. April 1998, (in Auszügen abgedruckt: Kleinknecht/Meyer/Goßner, Strafprozessordnung, 44. Auflage, München 1999, Anhang 16) erfolgen. 1136 Vgl. Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 74. 1134
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anklage auszuüben.1137 Aufgrund seines Kontrollbereiches als Hilfsorgan des Bundestages sind grundsätzlich nur die Gerichte des Bundes davon umfasst. Eine allgemeine Kritik soll ihm aber auch bei anderen Gerichten möglich sein. Der Wehrbeauftragte hat, wie es seine Jahresberichte dokumentieren, von dieser Befugnis gegenüber den Gerichten in der Vergangenheit Gebrauch gemacht.1138 Anders als das polnische Modell sollte der Kinderrechtsbeauftragte zum Zwecke der Verteidigung seiner Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht und als Ausdruck der von den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ geforderten Unabhängigkeit aktiv legitimiert sein. Gemäß Art. 93 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. § 63 Bundesverfassungsgerichtsgesetz wäre es wünschenswert, wenn er als „anderer Beteiligter“ vor dem Bundesverfassungsgericht Parteifähigkeit besitzen würde. Im Schrifttum wird die Beteiligtenfähigkeit des Wehrbeauftragten bejaht,1139 so dass eine entsprechende Regelung in das Bundeskinderbeauftragtengesetz Aufnahme finden sollte.1140 (d) Das Zusammenwirken mit Organen der Länder Als Hemmnis für eine effektivere Kinderrechtspolitik und damit einen wirkungsvolleren Kinderrechtsschutz in Deutschland wird häufig der hohe Abstimmungsbedarf zwischen den unterschiedlichen föderalen Ebenen angeführt.1141 Dieser folgt aus dem Ineinandergreifen von Bundes-, Landesund Kommunalzuständigkeiten und dem gleichzeitigen Fehlen einer Interessensvertretung für Kinder, die in die Rahmenbedingungen der vertikalen Gewaltenteilung eingebunden ist. Aus diesem Grund wird eine Instanz gefordert, die zwischen Bund und Ländern koordiniert.1142 Vor diesem Hintergrund gilt es daher zu untersuchen, ob und inwieweit der hier vorgeschlagene Bundeskinderbeauftragter künftig eine solche Koordinierungsinstanz darstellen könnte. Entscheidend dabei ist, welchen Umfang eine solche Vermittlungstätigkeit des Kinderrechtsbeauftragten haben soll. Handelt es sich bei der koordinierenden Tätigkeit des Kinderrechtsbeauftragten lediglich um unverbind1137
Vgl. ebenda. Vgl. mit weiteren Anmerkungen Seibert, Zivilbeauftragte, 1970, S. 75. 1139 Vgl. mit weiteren Anmerkungen Voßkuhle (Bearb.), in: v. Mangoldt/Klein, Das Grundgesetz, Band 3, Art. 79–146, 5. Auflage München 2005, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 103. 1140 Vgl. ausführlich zum Zivilbeauftragten Seibert, Zivilbeauftragte in Deutschland, Mainz 1970, S. 57 f. 1141 Vgl. dazu Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 51. 1142 Vgl. Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder, 1994, S. 55 f., S. 57. 1138
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liche Anregungen an die Länder, in der vorgeschlagenen Art tätig zu werden, bedarf es für eine Regelung nicht zwingend einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes.1143 Sollen allerdings im Rahmen der Koordination im Kinderrechtsbereich verbindliche Standardisierungen, ein Hinwirken auf Rechtsgleichheit (z. B. um die Umsetzung einzelner Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention zu gewährleisten) oder gemeinsam abgestimmte Kampagnen unter Federführung des Kinderrechtsbeauftragten erfolgen, erfordert dies zwingend eine Mitwirkung der Länder. Eine solche Kompetenz des Kinderrechtsbeauftragten ist entweder in der Verfassung zu verankern oder aber bedarf der verfassungsrechtlich verankerten Möglichkeit Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zu schließen. (e) Die Zusammenarbeit mit nationalen Verbänden, internationalen Organisationen und dem ENOC Das polnische Kinderombudsmanngesetz schreibt eine Zusammenarbeit des Kinderrechtsbeauftragten mit internationalen Organisationen und NGOs erst seit der Novellierung 2008 fest. In der Praxis kooperiert der polnische Beauftragte gleichwohl auch bislang mit zahlreichen internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie UNICEF und ENOC, deren Ziel der Schutz von Kindern oder die Schaffung von Kinderrechten ist. In Deutschland sollte in Anlehnung an den Gesetzentwurf aus dem Jahr 1998 allerdings ausdrücklich ein Passus aufgenommen werden, der dem Kinderrechtsbeauftragten die Aufgabe zuweist, auf eine Zusammenarbeit der mit dem Wohl von Kindern befassten nationalen und internationalen GOs und NGOs hinzuwirken.1144 Aufgrund der künftigen Aufgabe eines deutschen Kinderrechtsbeauftragten, über die Einhaltung der Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention zu wachen, sollte die Kooperation insbesondere den Kontakt mit dem Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Fortschritte der Vertragsstaaten bzgl. der Erfüllung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention prüft, umfassen. Bei den Zusammenkünften mit Mitgliedern des Ausschusses sowie zum Staatenbericht der Regierung bezüglich der Realisierung der UN-Kinderrechtskonvention ist es ihm zu gestatten, durch einen eigenen Bericht kritisch Stellung zu beziehen. Über die Kritikpunkte des Ausschusses an der Umsetzung ist er, wie der polnische Kinderrechtsbeauftragte, in Kenntnis zu setzen. 1143
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.IV.1.a)cc)(4). Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten vom 28. Mai 1998, Bundestagsdrucksache 13/10880. 1144
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Darüber hinaus wäre die Mitarbeit eines auf diese Art und Weise geschaffenen deutschen Kinderrechtsbeauftragten im ENOC möglich und wünschenswert. Eine Zusammenarbeit des Kinderrechtsbeauftragten mit nationalen Verbänden1145 stellt zudem eine von beiden Seiten als notwendig erachtete Koordination von staatlichen und privaten Maßnahmen im Kinderschutzbereich (z. B. in Form von gemeinsamen Kampagnen zum Kinderschutz) sicher. Außerdem ermöglicht sie, dass rechtliche und politische Problemlagen im Kinderrechtsbereich im Zusammenwirken erkannt und Lösungen gefunden werden. Schließlich wird mit der Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten auch ein bestehendes Bedürfnis der Verbände nach einem zentralen staatlichen Ansprechpartner im Kinderrechtsbereich auf nationaler Ebene befriedigt. cc) Die Arbeitsweise des Kinderrechtsbeauftragten Im Folgenden soll der Blick auf die Arbeitsweise eines künftigen Kinderrechtsbeauftragten gerichtet werden. Dazu zählen insbesondere der organisatorische und finanzielle Hintergrund der Institution. Fragen des Zugangs sowie der Bearbeitung von Petitionen bleiben an dieser Stelle außen vor, da sie bereits oben Erwähnung fanden.1146 (1) Organisation des Kinderbeauftragtenbüros Für die Organisation des Kinderbeauftragtenbüros sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Varianten denkbar, die hier skizziert werden sollen. Zum einen kommt eine Konzipierung als selbständige Dienststelle in Frage, wie sie für den Wehrbeauftragten bis 1982 galt. Zum anderen besteht die Möglichkeit einer Eingliederung des Büros in die Bundestagsverwaltung als Unterabteilung entsprechend den jetzigen Regelungen beim Wehrbeauftragten.1147 Die Einführung einer selbständigen, im Gesetz verankerten Dienststelle des Kinderrechtsbeauftragten würde der Intention des neuen Art. 45c GG und dem Verfassungsauftrag sicher am nächsten kommen.1148 Als selbstän1145
Z. B. auch der National Coalition. Vgl. die Ausführungen in den Abschnitten D.IV.1.d)bb)(3)(b) und D.IV.1.d)bb)(3)(c). 1147 Siehe Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 38 ff. 1148 Die Dienststelle umfasst dabei die Gesamtheit der dem Kinderrechtsbeauftragten zur Verfügung stehenden sachlichen und persönlichen Verwaltungsmittel. So für den Wehrbeauftragten Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 46. 1146
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dige Dienststelle wäre sie kein Bestandteil der Bundestagsverwaltung. Ihre Leitung unterläge in fachlicher, organisatorischer, administrativer sowie etatmäßiger Hinsicht dem leitenden Beamten (in Polen dem Direktor) des Büros, der nach Vorstellung und Weisung des Kinderrechtsbeauftragten handelt. Ernennung und Entlassung des Personals der Dienststelle hätten auf Vorschlag des Kinderrechtsbeauftragten durch den Bundestagspräsidenten zu erfolgen. Die Ausübung der Disziplinargewalt gegenüber den Beamten der Dienststelle würde ebenfalls beim Kinderrechtsbeauftragten liegen.1149 Entsprechende Regelungen wären, wie die Selbständigkeit der Dienststelle, im Bundeskinderrechtsbeauftragtengesetz zu verankern.1150 Vergleichbare Regelungen fanden sich bis 1982 beim Wehrbeauftragten, stießen allerdings in der Praxis auf Widerstand. Im Vordergrund der Konflikte standen u. a. personelle und administrative Fragen.1151 Aus diesem Grund entschloss sich der Gesetzgeber für eine stärkere Einbindung des Wehrbeauftragten in die Bundestagsverwaltung. Ihm Rahmen einer Novellierung des WBeauftrG erfolgte unter Verlust der Dienststelleneigenschaft eine Eingliederung des Wehrbeauftragten in die Organisationsstruktur der Bundestagsverwaltung. Legt man demgemäß die neuen Regelungen zum Wehrbeauftragten als Modell für ein Kinderombudsmannbüro zugrunde, hätte der Kinderrechtsbeauftragte danach seinen Sitz beim Bundestag und wäre als Unterabteilung in die Bundestagsverwaltung eingefügt. Mit seiner Eingliederung in die Bundestagsverwaltung würde der Kinderrechtsbeauftragte hinsichtlich seiner Organisationsbefugnis und Personalhoheit im Vergleich zur Organisation als Dienststelle jedoch Beschränkungen unterliegen. Personalmaßnahmen würden sich dann an § 7 Abs. 5 GOBT orientieren. Folge wäre, dass der Kinderrechtsbeauftragte bezüglich der Einstellung von Beschäftigten dem Bundestagspräsidenten Vorschläge unterbreiten kann, die jedoch keine Verfahrensvoraussetzungen für Personalmaßnahmen des Bundestagspräsidenten wären. Somit könnte der Bundestagspräsident auch ohne entsprechende Vorschläge des Kinderrechtsbeauftragten Personal einstellen. Ein Benehmen 1149 Ausdruck dieser Selbständigkeit beim Wehrbeauftragten waren auch die Behördeneigenschaft sowie Personalratsfähigkeit seiner Dienststelle bis 1982: dazu Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 38. 1150 Die Bundestagsverwaltung sollte allerdings, wie bei den früheren Regelungen zum Wehrbeauftragten, dafür verantwortlich sein, eine ausreichende Personalausstattung zur Verfügung zu stellen. Siehe Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 39. 1151 Grund war u. a. die fehlende Durchlässigkeit für personelle Maßnahmen zwischen Wehrbeauftragtem, Bundestagsverwaltung und dem Bundesministerium für Verteidigung. Aufgrund der fehlenden Durchlässigkeit konnten mit dieser Form der Organisation beamtenrechtliche Laufbahnerwartungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 39 f.
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mit dem Kinderrechtsbeauftragten wäre nur bei der Besetzung von Referatsleiterpositionen herzustellen. Des Einvernehmens bedürfte allerdings die Besetzung des Leitenden Beamten. Der Kinderrechtsbeauftragte hätte nach dieser Variante die Dienstaufsicht über das Personal. Disziplinarische Befugnisse stehen dem Kinderrechtsbeauftragten gegenüber seinen Mitarbeitern in diesem Fall nicht zu. Sie würden allein dem Bundestagspräsidenten als oberster Dienstbehörde der Bundestagsbeamten obliegen.1152 Der Leitende Beamte des Kinderrechtsbeauftragten (oder Stellvertreter des Beauftragten) genießt, wie der des Wehrbeauftragten, im Vergleich zu anderen Unterabteilungsleitern der Bundestagsverwaltung eine gesetzliche Bestandssicherung, die ihn fachlich allein dem Beauftragten und nur in verwaltungsmäßiger Hinsicht dem Direktor beim Deutschen Bundestag unterstellt. Unabhängig davon, welche Ausgestaltung des Büros sich durchsetzen kann – für beide sprechen gute Gründe –1153 müsste die Gliederung der Dienststelle oder der Unterabteilung des Deutschen Bundestages in einzelne Organisationseinheiten (Referate) erfolgen. Dabei soll an dieser Stelle offen gelassen werden, welche organisatorische Aufteilung für die Aufgabenerfüllung eines Kinderrechtsbeauftragten im Einzelnen praktikabel wäre.1154 Findet eine Eingliederung in die Bundestagsverwaltung vergleichbar dem Wehrbeauftragten statt, wäre allerdings zu beachten, dass der Kinderrechtsbeauftragte bezüglich einer fachlichen Unterteilung des Büros in einzelne Referate organisationsrechtlichen Beschränkungen unterliegt.1155
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Vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 42. Für eine eigenständige Dienststelle spricht die personelle und organisatorische Unabhängigkeit des Kinderrechtsbeauftragten, die es ihm weitestgehend erlaubt Personalentscheidungen und Organisationsentscheidungen selbst zu treffen. Für die zweite Variante sprechen die einheitliche organisationsrechtliche Verankerung beider Hilfsorgane des Bundestages sowie die in der Vergangenheit beim Wehrbeauftragten gesammelten praktischen Erfahrungen, die letzterer Variante aus administrativen und personalrechtlichen Gründen den Vorzug einräumen. 1154 Siehe die Regelung in Polen, wo der Kinderrechtsbeauftragte bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben vom Kinderombudsmannbüro unterstützt wird, welches in drei Organisationseinheiten unterteilt wird: in das Kabinett des Kinderrechtsbeauftragten, die Abteilung Forschung und Analysen sowie in die Abteilung Information und Intervention; vgl. Ausführungen unter: C.VI.d)aa). 1155 So obliegen die Organisationskompetenzen dem Bundestagspräsidenten, dem Präsidium, dem Bundestagsdirektor und der Verwaltung des Bundestages mit der Folge, dass der Wehrbeauftragte nicht mehr allein die notwendigen organisationrechtlichen Maßnahmen, u. a. die Gliederung der Referate unter entsprechende Aufgabenzuweisungen vornehmen darf; vgl. Busch, Der Wehrbeauftragte, 1999, S. 46 f. 1153
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(2) Finanzielle Ausstattung des Kinderrechtsbeauftragten Die Regelungen bzgl. der finanziellen Mittel richten sich nach der Organisation des Büros. Erfolgt die Schaffung einer unabhängigen Dienststelle, ist analog den früheren Bestimmungen im WBeauftrG, die Ausstattung in einem eigenen Kapitel des Bundeshaushaltsplanes zu veranschlagen. Erwägt man hingegen eine Eingliederung in die Bundestagsverwaltung, sind die finanziellen Mittel für das Amt des Kinderrechtsbeauftragten in Anlehnung an Art. 16 Abs. 3 WBeauftrG im Einzelplan des Bundestages in einem eigenen Kapitel auszuweisen. 2. Der deutsche Kinderrechtsbeauftragte in Bezug auf die ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ Betrachtet man zusammenfassend die konzipierte rechtliche Ausgestaltung des Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland, lässt sich feststellen, dass sie zwar in vielen Punkten vom polnischen Modell abweicht und abweichen muss, dennoch aber in der gewählten Rechtsform sowie den zuerkannten Aufgaben und Befugnissen den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ entspricht. So ist der deutsche Kinderrechtsbeauftragte als Hilfsorgan des Bundestages, wie sein Pendant der Wehrbeauftragte, unabhängig. Dies ergibt sich aus seiner verfassungsrechtlichen sowie bundesgesetzlichen Verankerung, seiner weitgehenden Weisungsfreiheit sowie den Regelungen über seine Wahl und Abwahl. Bezüglich seiner Arbeitsweise können sich allerdings, bei einer gewählten Zugehörigkeit zur Bundestagsverwaltung, gewisse Einschränkungen hinsichtlich seiner personellen und organisatorischen Entscheidungsbefugnis ergeben. Der künftige Kinderrechtsbeauftragte wird, wie die folgende Übersicht verdeutlicht, in Anbetracht seiner Aufgaben und Kompetenzen den Anforderungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ gerecht. ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“
Künftiger deutscher Kinderrechtsbeauftragter
Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik
Ja, u. a. im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren, aufgrund seiner Befugnisse als Koordinierungsinstanz und im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit
Kinderfreundlichkeitsprüfung von Gesetzesvorlagen
Auf Bundesebene im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren
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D. Der polnische Kinderombudsmann – ein Modell für Deutschland?
ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“
Künftiger deutscher Kinderrechtsbeauftragter
Überwachung der Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention
Auf Bundesebene im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren; aufgrund seiner Befugnisse als Koordinierungsinstanz eingeschränkt auch gegenüber den Ländern
Kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten
Ja, Abgabe von Berichten und Stellungnahmen gegenüber dem Ausschuss der UN-Kinderrechtskonvention
Zugang von Kindern
Ja
Konkretes Vorgehen bei Verletzungen von Kinderrechten oder Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen im Einzelfall
Vorgehen bei Verletzungen von Grundrechten von Kindern und des Kindeswohls beim Vorliegen von Petitionen sowie beim Tätigwerden des Kinderrechtsbeauftragten auf eigene Initiative
Umfassende individuelle Beratungen im Beratung durch KinderrechtsbeauftragBereich Kinderrechte ten (Büro) selbst nur mit Information der Eltern Ansprechpartner von Kindern hinsichtlich der Erteilung von Informationsmaterial im Kinderrechtsbereich
Ja
Schulung von Behördenmitarbeiter und Interessierte im Bereich Kinderrechte
Ja
Öffentlichkeitsarbeit und Erstellung von Ja, allerdings kein eigenes Rederecht Informationsmaterial und Berichten im Bundestag Zusammenarbeit mit anderen nationalen Ja, darüber hinaus auch Koordinationsund internationalen Organisationen im instanz zwischen Bund und Ländern Kinderschutzbereich
Folgt man der hier vorgeschlagenen Konzeption eines Kinderrechtsbeauftragten, wäre aufgrund der Übereinstimmung mit den Standards auch dessen Mitgliedschaft im ENOC möglich. 3. Die neue Kinderschutzinstitution als Zusatz- oder Ersatzangebot? Nachdem das Erfordernis einer neuen Kinderschutzinstitution nachgewiesen und Vorschläge zu deren Ausgestaltung unterbreitet worden sind, stellt sich die Frage, ob es noch der bestehenden Kinderkommission bedarf. Zugespitzt formuliert lautet sie: Soll ein Kinderrechtsbeauftragter die Kinder-
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland
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kommission ergänzen oder aber ersetzen? Blickt man auf die Aufgabenbereiche der Institutionen, so widmen sich beide dem Wohl und den Rechten von Kindern. Das spricht grundsätzlich für eine Auflösung der Kinderkommission, will man Doppeluntersuchungen und Kompetenzprobleme vermeiden. Obwohl sich die Zielrichtungen beider Kinderschutzinstitution gleichen, besitzen sie innerhalb des staatorganisationsrechtlichen Gefüges unterschiedliche Funktionen. Während die Kinderkommission als Unterausschuss mit seiner Besetzung direkt das Parlament repräsentiert, ist der Kinderrechtsbeauftragte ein Organ, welches das Parlament bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt, aber nicht repräsentiert. Originär werden die Aufgaben folglich von den Ausschüssen und Unterausschüssen wahrgenommen.1156 Bereits aus dieser unterschiedlichen Stellung kann nur gefolgert werden, dass ein Kinderrechtsbeauftragter eine Ergänzung, jedoch kein Ersatz für die Kinderkommission sein kann. Aber auch aufgrund ihrer unterschiedlichen rechtlichen Befugnisse erscheint ein Nebeneinander der beiden Kinderschutzinstitutionen sinnvoll. Obwohl die Kinderkommission kaum Befugnisse besitzt, ist es ihr als Parlamentsorgan vor allem möglich, innerhalb des Bundestages für Kinderrechte- und Kinderinteressen zu werben. So besitzen die Mitglieder der Kinderkommission in ihrer Funktion als Abgeordnete ein Rederecht im Plenum, welches sie z. B. bei Aussprachen und der Debatten zu Gesetzentwürfen wahrnehmen können. Im Rahmen von Aussprachen und Abstimmungen ist es den Mitgliedern der Kinderkommission als einzelnen Abgeordneten zudem erlaubt, Erklärungen abzugeben.1157 Die Kinderkommission selbst besitzt zwar kein Antragsrecht im Plenum, deren Mitglieder sind allerdings befugt, Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen als einzelne Abgeordnete in der zweiten Lesung des Gesetzgebungsverfahrens einzubringen. Aufgrund der Publizitätswirkung von Auftritten im Bundestag kann die Kinderkommission durch ihre Mitglieder darüber hinaus als spezielle Lobbyinstitution für Kinder und Jugendliche innerhalb des Parlaments auftreten. Der mittels der Rahmenvorgaben skizzierte Aufgabenbereich der neuen Kinderschutzinstitution ist dagegen wesentlich komplexer und wird zudem durch zahlreiche ausdrückliche Befugnisse ergänzt. Ein eigenes Rederecht im Bundestag umfasst es aus den oben dargelegten Gründen allerdings nicht. Aus diesem Grund wären beide neben- und miteinander wichtige Bausteine für ein Netzwerk, welches sich dem Kindeswohl und den Kinderrechten in Deutschland verschreibt. Kinderpolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie, wie die 1156
Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 287 f. Vgl. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150, S. 12. 1157
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Kinderkommission richtigerweise in ihrem Bericht feststellt, in allen Aufgabengebieten der Politik mitgedacht wird.1158 Geht man vom Bestehen beider Institutionen aus, stellt sich die Frage nach dem Zusammenwirken von Kinderkommission und Kinderrechtsbeauftragten. Da sich die Lage ähnlich wie beim Dreiecksverhältnis Wehrbeauftragter, Verteidigungsausschuss und Bundestag gestaltet, kann auf die dort getroffenen Regelungen zurückgegriffen werden. Danach erhält auch ein künftiger Kinderrechtsbeauftragter, wie der Wehrbeauftragte, nicht nur vom Plenum, sondern auch von seinem korrespondierenden Ausschuss bzw. Unterausschuss bestimmte Untersuchungsaufträge.1159 Prüft die Kinderkommission einen Sachverhalt selbst, kann der Kinderrechtsbeauftragte aufgrund deren originären Zuständigkeit die Sache nicht an sich ziehen. Der Kinderkommission steht es dagegen zu, laufende Vorgänge des Kinderrechtsbeauftragten selbst zu bearbeiten. 4. Die konkreten Voraussetzungen für die Umsetzung des Vorschlags Abschließend bleibt zu fragen, welche rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland gegeben sein müssen. Die Durchsetzbarkeit des hier ausgeführten Vorschlags setzt eine breite Zustimmung in den Legislativorganen voraus. Bereits die Erweiterung des Grundgesetzes um die Einrichtung eines Kinderbeauftragten bedarf nach Art. 79 Abs. 2 GG einer Zwei-Drittel Mehrheit im Bundestag sowie der Zustimmung des Bundesrates. Darüber hinaus ist für einige der in dieser Untersuchung erwogenen Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten eine staatsvertragliche Übereinkunft der Länder notwendig, wofür eine Zustimmung aller Länderparlamente erforderlich wäre. Dies allein zeigt, dass die Einführung einer effektiven und effizienten Kinderschutzinstitution nur durch einen breiten parlamentarischen und überparteilichen Konsens bewirkt werden kann, der zugleich Ausdruck der dem Kinderschutzorgan beigemessenen Bedeutung wäre. Ein entsprechender Konsens setzt zum einen die Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen Kinderschutzinstitution voraus sowie den politischen 1158 So der Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. August 2000 bis 30. April 2001, Kinderkommissionsdrucksache 14/176, S. 15. 1159 Wobei zugegebenermaßen die Rechtsstellung des Verteidigungsausschusses aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verankerung nicht ganz mit der rechtlichen Absicherung des konkreten Unterausschuss „Kinderkommission“ vergleichbar ist. Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 289.
IV. Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland
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Willen, diese zu realisieren. Betrachtet man die Anmerkungen in den vorangegangenen Ausführungen, wird deutlich, dass die politische Forderung nach einem Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nicht neu ist. Bereits seit den 80er Jahren werden verstärkt solche Vorstellungen geäußert, wie u. a. die Protokolle der Fachtagungen in Loccum bezeugen. Vielversprechend war vor diesem Hintergrund der bereits zitierte Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion vom Mai 1998, der die Einführung eines Bundeskinderbeauftragten vorsah. Nachdem die SPD-Bundestagsfraktion den Gesetzentwurf noch kurz vor dem Regierungswechsel 1998 als damalige Oppositionsfraktion einreichte, lehnte die im Herbst des gleichen Jahres gewählte sozialdemokratische Bundesregierung ein entsprechendes Ansinnen allerdings ab.1160 Die ablehnende Haltung der Regierung findet sich beispielsweise im erwähnten Staatenbericht der Bundesregierung zur UN-Kinderrechtskonvention.1161 Sie wird mit der differenzierten Zuständigkeit bei Bund, Land und Kommune in der Kinderpolitik begründet, die einen Kinderrechtsbeauftragten aus ihrer Sicht ineffektiv erscheinen lässt. Angesichts der oben dargelegten dennoch bestehenden zahlreichen Aufgabenfelder und möglichen Befugnisse eines Bundeskinderbeauftragten sowie des Bedürfnisses nach einer Koordinationsinstanz im kinderpolitischen Bereich auf Bundesebene erscheint dies wenig plausibel. Die politischen Forderungen nach einem Kinderrechtsbeauftragten sind nicht verstummt, wenngleich es einen neuen Gesetzentwurf diesbezüglich seitdem nicht mehr gab.
1160 Vgl. Schreiben der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Juli 2000 an die Vorsitzende der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder, Kinderkommissionsdrucksache 14/118, S. 2; vgl. auch Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 22. 1161 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Berlin 2001, S. 21 f.
E. Schlussbetrachtungen I. Zusammenfassung Die Institution des Kinderrechtsombudsmannes hat sich seit ihrer Einführung in Norwegen im Jahr 1981 in zahlreichen Staaten verbreitet. Etwa 28 Länder besitzen gegenwärtig Kinderombudsmanninstitutionen, wobei der Großteil erst Mitte der 90er Jahre etabliert wurde.1 Ohne zu zögern kann man daher diesen speziellen Ombudsmann für Minderjährige als institutionellen Exportschlager Norwegens charakterisieren. Die Ursache für die Verbreitung liegt nicht allein in einem plötzlichen Bewertungswandel der einzelnen Staaten bezüglich ihres Kinderschutzes, sondern maßgeblich an der veränderten kinderrechtlichen Situation auf internationaler Ebene. Diese wurde begründet durch das Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1990. Die Konvention verankert als Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses2 zum ersten Mal umfassend und verbindlich die Rechte von Kindern. Sie befasst sich mit der Teilhabe (Participation) von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen, dem Schutz (Protection) von Kindern vor Diskriminierungen, Vernachlässigung und Ausbeutung, dem vorbeugenden Schutz (Prevention) der Kinder vor Schäden sowie mit unterstützenden Vorkehrungen (Provision) hinsichtlich ihrer wichtigsten Bedürfnisse.3 Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention für die nationalstaatliche Durchsetzung der Kinderrechte selbst keine öffentlichen Kinderschutzinstitutionen fordert, bereitet sie für diese, auch aufgrund entsprechender Empfehlungen ihres Ausschusses für die Rechte des Kindes, den Boden. Tatsache ist, dass eine große Anzahl der ab diesem Zeitpunkt entstandenen Kinderombudsmanninstitutionen auf den Einfluss dieses Vertragswerkes zurückgehen, so auch die Polnische. Bei den nunmehr in zahlreichen Ländern Europas bestehenden Kinderombudsmännern handelt es sich um spezielle Ombudsmänner.4 Das heißt, sie sind in der Regel unabhängige, gesetzlich eingerichtete und speziali1 Vgl. dazu UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 8, 2001, Florenz, S. 15 ff. (Der polnische Kinderrechtsbeauftragte ist in der Studie noch nicht aufgeführt.). 2 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt B.I. 3 Vgl. van Bueren, The International Law, 1994, S. 15. 4 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt B.IV.
I. Zusammenfassung
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sierte Ombudsmanninstitutionen, welche konkret für die Förderung der Rechte und Interessen von Kindern zuständig sind.5 Aufgrund des damit verbundenen weiten Verständnisses der Institution hat das europäische Kinderombudsmannnetzwerk (ENOC) zur Gewährleistung eines effektiven Tätigwerdens zum Schutz von Kinderrechten, gemäß den „Pariser Prinzipien“, Standards für Kinderschutzinstitutionen erlassen, welche sowohl deren formelle als auch materielle Ausgestaltung betreffen. Entscheidend für eine Kinderschutzinstitution sind danach u. a. die rechtliche und finanzielle Unabhängigkeit der Institution, klar bestimmte und im Vergleich zu den Aufgaben adäquate Befugnisse sowie die Zugangsregelungen. Verbindlichkeit besitzen die „Pariser Prinzipien“ und die Standards des ENOC nicht. Die tatsächliche Ausgestaltung der einzelnen staatlichen Kinderombudsmänner ist, wie die Ausführungen im zweiten Abschnitt zu den ausgewählten Institutionen in Europa ergaben, ausgesprochen facettenreich und entspricht nicht immer in allen Punkten diesen Kriterien. Genannt sei als Beispiel nur die mazedonische Institution, welche keine gesetzliche Verankerung aufweist. Eines ist den landesweiten staatlichen Kinderrechtsbeauftragten aber in der Regel gemeinsam: Sie besitzen die Aufgabe, die staatliche Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zu begleiten.6 Dies gilt auch für den 1997 in die Verfassung eingeführten und hier ausführlich untersuchten polnischen Kinderombudsmann, der sich besonders durch seine Rechtsstellung und seinen Rechtsstatus auszeichnet. Keine andere europäische Institution hat zum derzeitigen Zeitpunkt die Stellung eines Verfassungsorgans. So selbstverständlich diese Form der Statuierung jetzt erscheinen mag, so umstritten war sie in den Jahren 1990–2000.7 Obwohl Polen 1987 als erstes Land in Zentral- und Osteuropa einen Bürgerrechtsbeauftragten einführte, der, ebenfalls in der Verfassung verankert, umfassende Aufgaben und Befugnisse besitzt, so schwer taten sich die Verfassungs- und Gesetzgeber mit einer Entscheidung für den Kinderrechtsbeauftragten. Wesentliche Punkte bei der damaligen Auseinandersetzung waren u. a. das künftige Verhältnis von Eltern, Kind und Beauftragtem sowie die Beziehung und das Zusammenspiel zwischen Bürgerrechtsbeauftragtem und Kinderrechtsbeauftragtem.8 Ergebnis dieses Prozesses war ein Kompromiss, der zwar die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten vorsah, jedoch, wie Cyman´ski und Fra˛czek damals klar hervorhoben, den Kinderrechtsbeauftragten weniger als Amtsperson, sondern eher als eine Autorität zum 5 Vgl. UNICEF – International Child Development Centre (Hrsg.), Ombudswork for children, in: Innocenti digest No. 1, 1997, Florenz, S. 2. 6 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt B.IV. 7 Vgl. die Ausführungen im Abschnitt C.IV. 8 Vgl. die Ausführungen unter C.IV.2.
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E. Schlussbetrachtungen
Schutz von Kindern verstand. Einzubeziehen in die Bewertung waren allerdings auch die grundlegenden Veränderungen bei den Kompetenzen des Kinderrechtsbeauftragten durch den Gesetzgeber im Jahr 2008. Zu klären war daher in dieser Untersuchung, ob es sich beim polnischen Kinderombudsmann, wie so oft bei Ombudsmanninstitutionen, um einen „Wachhund“ handelt, der an der Kette liegt und bellen, aber nicht beißen darf oder ob ihm vom Gesetzgeber ausreichende Aufgaben und Befugnisse eingeräumt wurden.9 Betrachtet man Rechtsstellung, Rechtsstatus sowie die Regelungen zur Ernennung und Abberufung des polnischen Kinderrechtsbeauftragten, entsprechen diese auf den ersten Blick geradezu vorbildlich den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Die Unabhängigkeit der Institution ist mit ihrer Verankerung in der Verfassung und dem Ausführungsgesetz sowie der Stellung als unabhängiges und den anderen Verfassungsorganen gleichrangiges Organ der Kontrolle und des Rechtschutzes garantiert. Zudem gewährleisten die Immunitäts- und Neutralitätsbestimmungen sowie die Regelungen zur Abberufung dem Amtsinhaber eine von Seiten Dritter unbeeinträchtigte Amtsausübung.10 Im Widerspruch zu diesen klaren Festlegungen der Unabhängigkeit des Kinderrechtsbeauftragten steht allerdings die Bestimmung, welche den Erlass der Satzung des Kinderombudsmannbüros dem Sejmmarschall zuweist. Diese Befugnis besitzen die Verfassungsorgane meist selbst. Entgegen der Systematik behandelt diese Vorschrift den Kinderrechtsbeauftragten somit als ein dem Sejm unterstelltes Organ. Hier machen sich Rudimente der Auseinandersetzung um den Rang des Kinderrechtsbeauftragten noch deutlich bemerkbar. In der Rechtspraxis hat sich allerdings ein Verfahren etabliert, wonach der Sejmmarschall das Kinderombudsmannbüro lediglich anweist, eine entsprechende Satzung zu erlassen. Betrachtet man neben der rechtlichen die finanzielle Unabhängigkeit der polnischen Kinderschutzinstitution, lässt sich feststellen, dass diese durch einen eigenen Titel des Kinderrechtsbeauftragten im Haushaltgesetz rechtlich gesichert ist. In der Praxis traten allerdings in der Vergangenheit trotz der klaren Regelung bei der konkreten Einstellung der Mittel Schwierigkeiten auf, die den ersten Kinderrechtsbeauftragten mangels ausreichender finanzieller Mittel sogar zum Rücktritt zwangen.11 Hinsichtlich seiner formellen Ausgestaltung lässt sich ungeachtet dessen daraus ersehen, dass der polnische Kinderrechtsbeauftragte den Anforderun9
Vgl. diese Formulierung bei Maurer: Anmerkung 13 bei Maurer, Wehrbeauftragter, 1965, S. 7. 10 Vgl. Abschnitt C.V. 11 Ausführlich siehe Abschnitt C.VI.4.b)bb).
I. Zusammenfassung
413
gen des ENOC und der Pariser Prinzipien an eine Kinderschutzinstitution in hohem Maße entspricht und in dieser Hinsicht Vorbildwirkung entfaltet. In materieller Hinsicht eröffnet das Gesetz über den Kinderrechtsbeauftragten dem polnischen Kinderombudsmann, entsprechend den Standards ein weites Aufgabenspektrum. Aufgabe des Kinderrechtsbeauftragten ist danach der Schutz von ungeborenen und geborenen Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Er wacht u. a. über die Kinderrechte wie sie sich aus der Verfassung, der UN-Kinderrechtskonvention und aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Dazu gehören die hier ausführlich dargestellten Rechte von Kindern auf Leben, Bildung, angemessene soziale Bedingungen sowie das Recht, in einer Familie aufzuwachsen. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte ist sowohl für allgemeine als auch individuelle Angelegenheiten zuständig, soweit die Rechte der Eltern nicht beeinträchtigt werden. Beschränkt ist seine Verantwortlichkeit bei Familienkonflikten allerdings nur, solange diese das Wohl des Kindes nicht gefährden. Demgemäß gestalten sich die Zugangsregelungen zum Kinderrechtsbeauftragten. Jedem, d.h. Kindern, Erwachsenen, staatlichen oder privaten Organen, Organisationen und Institutionen, wird u. a. mittels Kindertelefon, E-Mail und Brief die Kontaktaufnahme ermöglicht. Wie die Untersuchungen ergaben, besaß der polnische Kinderrechtsbeauftragte vor der Novellierung nur im begrenzten Umfang klar bestimmte und im Verhältnis zu den Aufgaben adäquate Befugnisse gegenüber den staatlichen Organen, Organisationen und Institutionen. Im Wesentlichen beschränkten sich seine Befugnisse auf Warnungen, Anzeigen und Anregungen gegenüber staatlichen Organen und galten dementsprechend als „weich“. Dies hat sich – wenngleich die Rechtspraxis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in die Würdigung einbezogen werden kann – seit 2008 grundlegend verändert. Konkret besitzt der Kinderrechtsbeauftragte ein Informationsbeschaffungs- und Akteneinsichtsrecht, kann Organe zur Vornahme von Handlungen auffordern, Gesetzesinitiativen anregen, Gerichtsverfahren initiieren und daran teilnehmen sowie Vorschläge und Gutachten zum effektiveren Schutz von Kinderrechten unterbreiten. Dafür besitzt er nun korrespondierende rechtliche Durchsetzungsinstrumente und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Adressaten.12 Insgesamt betrachtet, stimmte beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten bislang das eingangs erwähnte Bild vom „bellenden, aber nicht beißenden 12 In der Praxis hat sich aber darüber hinaus auch eine intensive informelle Zusammenarbeit mit anderen Organen entwickelt. Überdies nutzt der polnische Kinderrechtsbeauftragte bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben extensiv die Öffentlichkeitsarbeit.
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E. Schlussbetrachtungen
Wachhund“. Die Novellierung gibt ihm nun mehr Möglichkeiten zum „Beißen“. Der polnische Kinderrechtsbeauftragte entspricht damit insgesamt den internationalen Anforderungen. Bevor im vierten Kapitel über die Einführung und Ausgestaltung eines Kinderrechtsbeauftragten nach polnischem Vorbild konkret nachgedacht werden konnte, galt es die Frage nach einem bestehenden Defizit beim Kinderschutz in Deutschland zu beantworten. Dafür wurden zum einen die bestehenden Rechte von Kindern in Deutschland überblicksartig dargestellt. Zum anderen erfolgte eine Analyse der wichtigsten bestehenden Institutionen, welche sich dem Kinderrechtsschutz widmen. Dabei waren die Institutionen sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel anhand der aufgestellten Standards zu untersuchen. Die in Abschnitt D.II. beschriebenen Rechte von Kindern in Deutschland finden sich in unterschiedlichen nationalen und internationalen Rechtsquellen. Schwerpunkt der überblicksartigen Darstellung waren vor allem ausgesuchte verfassungsrechtliche, bundesgesetzliche sowie völker- und europarechtliche Bestimmungen, welche besondere Relevanz für Kinder besitzen bzw. selbst originäre Kinderrechte sind. Als Kinderrechten gelten in dieser Untersuchung alle geschriebenen nationalen und internationalen Rechte, welche im Schwerpunkt den Interessen von Menschen in ihrer Kindheitsphase zu gute kommen, so dass sie sich körperlich, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich gesund und normal in Freiheit und Würde entwickeln können. Dazu zählen u. a. allgemeine Schutzvorschriften, Abwehrrechte, Freiheitsrechte und Leistungsansprüche für und von Kindern. Unmittelbarer Adressat der Regelungen können dabei u. a. Organe der staatlichen Gewalt aber auch Kinder selbst sein. Als „Kinder“ werden im Sinne des Grundgesetzes dabei Menschen vom Zeitpunkt der Befruchtung an bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verstanden. Aus der schwerpunktmäßigen Untersuchung von ausgewählten Rechtsquellen und Bestimmungen konnte das Resümee gezogen werden, dass sich, trotz weitestgehend fehlender ausdrücklicher Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein umfangreicher grundrechtlicher Schutz von Minderjährigen ergibt, der durch zahlreiche internationale und nationale Bestimmungen ergänzt wird. Nach der Untersuchung der Kinderrechte galt es, die wichtigsten im Kinderrechtsbereich wirkenden Institutionen in Deutschland, wie die Kinderkommission des Deutschen Bundestages, den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Jugendämter, die Gerichte, insbesondere die Jugendgerichte sowie die Familien- und Vormundschaftsgerichte mitsamt der Jugendgerichtshilfe und dem Verfahrenspfleger sowie die Landeskinderrechtsbeauf-
I. Zusammenfassung
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tragten, sowohl einzeln als auch im Zusammenwirken anhand von Standards zu bewerten. Dafür wurden die Maximen des ENOC und die „Pariser Prinzipien“, die für nationale und regionale Kinderschutzinstitutionen ihre Gültigkeit besitzen, sowie die Vorgaben des polnischen Kinderrechtsbeauftragten als Grundlage herangezogen. Ausschlaggebend für die Bewertung war wiederum die rechtliche Ausgestaltung ihres Amtes hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, der Festlegung ihrer Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsweise und des Zugangs von Personen zur Institution. Dabei entspricht keine der aufgeführten Institutionen den Vorgaben an eine bundesweite, unabhängige staatliche Kinderschutzinstitution. Folglich kam es darauf an, ob im Zusammenwirken der Institutionen ein den materiellen Standards äquivalenter Status erreicht wird. Konkret galt es zu prüfen, inwieweit die Institutionen gemeinsam die folgenden Aufgabenbereiche erfüllen: die Unterbreitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kinderpolitik, die Vornahme von Kinderfreundlichkeitsprüfungen bei Gesetzesvorlagen, die Herbeiführung der Umsetzung der Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention sowie die kritische Begleitung der Berichtspflicht der Staaten, die Gewährleistung eines Zugangs von Kindern zur Institution, das Vorgehen gegen Verletzungen von Kinderrechten oder bei Nichtbeachtung von Kinderinteressen durch Behörden und Organisationen im Einzelfall, die Gewährleistung von umfassenden individuellen Beratungen im Kinderrechtsbereich, die Wahrnehmung der Rolle des Ansprechpartners hinsichtlich der Erteilung von Informationen und Informationsmaterial, die Durchführung von Schulungen von Behördenmitarbeitern und Interessierten im Bereich der Kinderrechte, die Öffentlichkeitsarbeit inklusive der Erstellung von Informationsmaterial und Berichten sowie die Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen. Obwohl eine Vielzahl der Aufgabenbereiche des polnischen Kinderrechtsbeauftragten sowie der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ durch die staatlichen Institutionen in Deutschland wahrgenommen werden, bestehen Lücken im Institutionensystem. Lücken, die sowohl rechtlicher als auch faktischer Natur sind, d.h. sich aufgrund fehlender Regelungen oder aber aus einem tatsächlich nicht wirkungsvollen Zusammenspiel der Institutionen ergeben. Die Ausführungen in Abschnitt D.III.4. verdeutlichen, dass die Verteilung der Zuständigkeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen eine Koordinierung – z. B. hinsichtlich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention – und damit eine umfassende und stimmige Kinderrechtspolitik auf allen Ebenen erschwert. Bemerkbar macht sich an dieser Stelle das Fehlen eines geeigneten ständigen und zentralen Mechanismus zur Koordinierung zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Bundesländern. Darüber hinaus mangelt es in Deutschland an einer unabhängigen staatlichen Institution, welche sowohl die Umsetzung des UN-Übereinkommens als auch
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E. Schlussbetrachtungen
die Berichte der Bundesregierung an den Ausschuss für die Rechte des Kindes kritisch überwacht. Trotz der Funktion einzelner staatlicher Institutionen als Ansprechpartner für Minderjährige fehlt es ferner an einer zentralen, öffentlich bekannten staatlichen Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche in Deutschland, welche die vorgebrachten Anliegen prüft bzw. weiterverweist. So wird von Minderjährigen, als besonders schutzbedürftigem Personenkreis, derzeit verlangt, aus dem bundesstaatlichen Institutionengefüge die jeweils für ihr Anliegen zuständige Institution selbständig herauszufinden. Zusammenfassend betrachtet bleibt festzustellen, dass der unterschiedliche Wirkungsbereich der Institutionen in Deutschland eine kohärente Vertretung der Kinderrechte und -interessen sowie eine entsprechende Kinderpolitik erschwert. Dadurch können Kinderrechte und -interessen in Deutschland nicht effektiv geschützt sowie weniger wirksam überwacht und gefördert werden. Eine neue Institution für Kinder und Jugendliche sollte allerdings nur dann erwogen werden, wenn auch eine Anpassung der traditionellen Instanzen der Interessenwahrnehmung an die Standards keinen Erfolg verspricht. Die Untersuchung erfolgte dabei vor dem Hintergrund, dass deren Möglichkeiten in der Regel als längst nicht ausgeschöpft gelten.13 In Frage kam dafür insbesondere die bundesweit bestehende Kinderkommission des Deutschen Bundestages. Die erwogene Modifikation der Kinderkommission vom Unterausschuss zum Ausschuss konnte die Defizite jedoch nicht ausgleichen. Die Ursache dafür liegt in den strukturellen Grenzen einer solchen Ausgestaltung, welche auch bei optimaler Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht überwindbar sind. Aus diesem Grund war die Schaffung einer neuen zentralen Kinderschutzinstitution in Form eines Kinderrechtsbeauftragten zu erörtern, der als neuer Sensibilisierungsmechanismus die Wahrung der Rechte und Interessen Minderjähriger gewährleisten soll.14 Im Abschnitt D.IV. richtete sich die Aufmerksamkeit, nachdem die Notwendigkeit einer neuen Kinderschutzinstitution in Deutschland begründet war, auf ihre rechtliche Ausgestaltung. Zu berücksichtigen galt es dafür die geltenden verfassungsrechtlichen Maßgaben in Deutschland, welche eine reine Transformation des polnischen Organs in die deutsche Rechtsordnung von vornherein ausschlossen. So kam eine Einführung des Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland entsprechend dem Vorbild als unabhängiges Verfassungsorgan einer vierten Gewalt a priori nicht in Frage: Zum einen, weil ein künftiger Kinderrechtsbeauftragte unabhängig von seinen Aufgaben und Kompetenzen nicht unter den Begriff des Verfassungsorgans subsumiert 13
Vgl. Salgo, Die Funktion eines Kinder- und Jugendlichenbeauftragten, 1990,
S. 6. 14
Vgl. ebenda.
I. Zusammenfassung
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werden kann und zum anderen, weil es in Deutschland nach herrschender Ansicht nur drei, und nicht vier Gewalten gibt. In Betracht zu ziehen war hingegen die Variante, den Kinderombudsmann als öffentlich-rechtlichen Beauftragten zu konzipieren. Hierbei handelt es sich um einen Institutionentyp, den es, wie die Ausführungen zeigen, bereits in zahlreichen Facetten in der deutschen Rechtsordnung gibt. Da eine Verbindung zum Parlament in der Regel ein wesentliches Kriterium für Ombudsmänner darstellt und diese Form darüber hinaus dem polnischen Modell am nächsten kommt, war die Untersuchung vorzugsweise auf den (bisher einzigen bestehenden) öffentlich-rechtlichen Bundesbeauftragten der Legislative abzustellen. Als Vorbild für einen Kinderrechtsbeauftragten wurde daher, neben der polnischen Institution, der in Deutschland bereits eingeführte Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in seiner Rolle als Hilfsorgan des Parlaments herangezogen. Dieser zeichnet sich durch die beschriebene Zuordnung der Institution zum Bundestag, die Nichtzugehörigkeit des Amtsinhabers zum Parlament, die grundsätzliche Unverbindlichkeit der Sachentscheidung15 und seine grundsätzliche Unabhängigkeit aus. In entsprechender Form ist auch die verfassungsrechtliche und gesetzliche Verankerung der neuen Institution als weiteres Hilfsorgan des Bundestages zu erwägen. Die für die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten erforderliche Gesetzgebungskompetenz steht dem Bund dabei gemäß Art. 74 Nr. 7 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 und 3 GG zu. Schwerpunkt der Tätigkeit eines künftigen deutschen Kinderrechtsbeauftragten wäre der Schutz der Grundrechte und des Kindeswohls, was in der Verfassung zu verankern wäre. Darüber hinaus gehört zu den Tätigkeitsschwerpunkten eines Kinderrechtsbeauftragten, über die Einhaltung und die Auswirkungen der zum Wohl und zum Schutz von Kindern erlassenen und in Kapitel 4.2 exemplarisch erwähnten Vorschriften zu wachen. Vorzusehen sind ferner die Aufgaben, gesetzgeberische und andere Maßnahmen, die das Wohl des Kindes berühren, zu beobachten und eine Kindeswohlprüfung im Rahmen von Gesetzgebungs- und Verwaltungsverfahren auf Bundesebene vorzunehmen. Schließlich sollte der Kinderrechtsbeauftragte die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention überwachen und die Staatenberichte kritisch würdigen dürfen, Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Rechte von Kindern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene koordinieren sowie mit den mit dem Wohl von Kindern befassten Verbänden (nationale und internationale GOs und NGOs) zusammenarbeiten können. Diese Tätigkeitsschwerpunkte eines Kinderrechtsbeauftragten sind im Ausführungsgesetz in Form der Regel-Beispiel-Methode festzulegen. Nach der hier vertretenen Ansicht erscheint es 15
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.IV.1.a)dd)(1).
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E. Schlussbetrachtungen
konsequent, den Schutz durch den Kinderrechtsbeauftragten wie beim polnischen Nachbarn auf den vorgeburtlichen Zeitraum zu erstrecken.16 Anders als die alten Regelungen beim polnischen Kinderrechtsbeauftragten sollten der deutschen Institution, soweit im Rahmen des geltenden Gewaltenteilungsgrundsatzes, des Bundesstaatsprinzips sowie des verfassungsrechtlich garantierten Elternrechts zulässig, adäquate Befugnisse zur Umsetzung der genannten Aufgaben eingeräumt werden. Dazu gehören u. a.: • Durchsetzbare Informationsbeschaffungskompetenzen gegenüber anderen staatlichen Organen (auch der Länder bei entsprechenden Regelungen). • „Inquisitionsbefugnisse“ bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe als Petitionsinstanz. • Das Recht auf Beteiligung in Gesetzgebungsverfahren bei Kinderrechtsfragen tangierenden Gesetzentwürfen. • Das Recht Verfahren an zuständige Verwaltungsbehörden zuzuleiten, die ihn dann über den Fortgang informieren müssen. • Akteneinsichts- und Verfahrensanwesenheitsrechte bei in seinen Tätigkeitsbereich fallenden Prozessen vor Bundesgerichten. Folgt man grundsätzlich dem hier geäußerten Vorschlag bzgl. der Ausgestaltung der Institution, würde ein künftiger deutscher Kinderrechtsbeauftragte den aufgestellten internationalen Standards an eine Kinderschutzinstitution entsprechen. Damit stünde einer Mitarbeit des deutschen Kinderrechtsbeauftragten im ENOC nichts mehr entgegen. Als grundlegendes Ergebnis dieser Untersuchung kann Folgendes festgehalten werden: 1. Die Ausgestaltung der europaweit bestehenden Kinderombudsmanninstitutionen ist sehr facettenreich. Nicht alle Kinderschutzinstitutionen entsprechen in allen Punkten den in den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ dargelegten Anforderungen an Menschenrechts- bzw. Kinderschutzinstitutionen. Auf europäischer Ebene (EU- und Europaratsebene) gibt es, trotz entsprechender Bestrebungen, bislang keinen Kinderrechtsbeauftragten. 2. Bezüglich der Unabhängigkeit und des Zugangs erfüllt der polnische Kinderrechtsbeauftragte die Voraussetzungen der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Dem polnischen Kinderrechtsbeauftragten wurden zudem ausreichend Aufgabenbereiche zugewiesen. Er verfügt seit der Novellierung 2008 über die erforderlichen Durchsetzungsbefugnisse. Ins16
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.IV.1.d)aa).
II. Fazit
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gesamt entspricht der polnische Kinderombudsmann damit den ENOCMaximen und „Pariser Prinzipien“. 3. In Deutschland besteht ein dichtes Institutionengefüge, welches Kinderrechten und -interessen dient. Dennoch entspricht keine Institution den ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“. Defizite bleiben auch beim Zusammenwirken der Institutionen hinsichtlich der Standards bestehen. Die Modifikation von vorhandenen Institutionen, z. B. der Kinderkommission, schafft ebenfalls keine Abhilfe. 4. Vorgeschlagen wird daher die Einführung einer neuen Kinderschutzinstitution in Form eines Kinderrechtsbeauftragten. Dieser sollte als Hilfsorgan des Bundestages in Anlehnung an den Wehrbeauftragten ausgestaltet werden. 5. Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in der vorgeschlagenen Form würde das vorhandene Defizit hinsichtlich der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ beheben und damit Kinderechten wirksam zur Durchsetzung verhelfen.
II. Fazit Deutschland steht in dem Ruf, Kinderinteressen keine Priorität in der Politik einzuräumen. Ungeachtet dessen besitzen Kinder in Deutschland zahlreiche Rechte, die sich aus dem Grundgesetz, völkerrechtlichen Verträgen, Gesetzen, untergesetzlichen Bestimmungen und aus der Rechtsprechung ergeben. Darüber hinaus wirken mehrere staatliche Institutionen, wie die Kinderkommission des Deutschen Bundestages sowie die Jugendämter, im Kinderrechtsbereich zusammen. Ein pauschales Urteil über Deutschland als „kinderunfreundliches Land“ widerspricht daher zumindest der gegebenen Rechtslage. Ein Argument für diese durchaus populäre Charakterisierung kann in der starken Zurückhaltung des Verfassungsgesetzgebers gesehen werden, Kinderrechte ausdrücklich und damit allgemein erkennbar im Grundgesetz zu verankern. Obwohl durch das Bundesverfassungsgericht neben dem Kindeswohl zahlreiche weitere Rechte von Minderjährigen aus dem Grundgesetz hergeleitet werden, finden sich hier, mit Ausnahme von Art. 6 Abs. 5 GG, keine ausgewiesenen Kinderrechte. So besteht auch kein ausdrückliches Gebot, das Kindeswohl zu schützen. Entsprechende Reformbestrebungen scheiterten in der Vergangenheit. Die Aufnahme eines Verfassungszusatzes in Art. 6 GG, der eine Vorrangigkeitsmaxime des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden nationalen Maßnahmen vorschreibt, wäre vor diesem Hintergrund sicher empfehlenswert. Obendrein würde er die bestehende Regelung in Art. 24 Abs. 2 der EU-Charta sinnvoll auf nationaler Ebene ergänzen.
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E. Schlussbetrachtungen
Sehr umfassende Regelungen zum Schutz von Kindern enthalten indessen die UN-Kinderrechtskonvention und das KJHG (SGB VIII). So sieht – anders als das Grundgesetz – die UN-Kinderrechtskonvention in ihrem Art. 3 Abs. 1 eine Kindeswohlprüfung bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen vor. § 1 Abs. 3 Nr. 4 KJHG (SGB VIII) fordert von der Jugendhilfe, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und deren Familien sowie eine kindgerechte und familienfreundliche Umwelt zu schaffen.17 Allein die Durchsetzung dieser allgemeinen Postulate bedarf einer institutionell abgesicherten staatlichen Institution. Die vorhandenen Institutionen, wie die Kinderkommission des deutschen Bundestages, das BmFSFJ und die Jugendämter, können die Aufgabe als umfassende Kontrollinstanz und Interessensvertretung für Kinder und Jugendliche nur unzureichend wahrnehmen. Deutlich wird dies, zieht man für eine Würdigung der vorhandenen Institutionen zusätzlich die Kriterien der ENOC-Maximen und „Pariser Prinzipien“ heran. Danach entspricht keine der im Kinderrechtsbereich wirkenden Institutionen, noch das Institutionengefüge insgesamt den formellen und materiellen Standards. Zur Schaffung einer nationalen Kinderschutzinstitution mit umfassenden Aufgaben und Befugnissen im Sinne dieser internationalen Kriterien konnte sich der Gesetzgeber bislang nicht entschließen. Hierin liegt ein weiterer Grund für die kinderpolitische Beurteilung Deutschlands. Von Bedeutung wäre die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden europäischen Integration. Die Rechtsetzungstätigkeit der EU betrifft z. B. im Bereich des Verbraucherschutzes gleichfalls die in Deutschland lebenden Kinder. Deren spezifische Interessen bei der europäischen Rechtsetzung könnte ein deutscher Kinderrechtsbeauftragter gegenüber der Bundesregierung geltend machen bzw. deren Beachtung einfordern. Gleichzeitig käme ihm die Rolle als nationaler Ansprechpartner im Kinderrechtsbereich für europäische Organe, andere staatliche Kinderrechtsbeauftragte und einen EU-Kinderrechtsbeauftragten zu. Ob sich die EU künftig zur Einführung eines EU-Kinderrechtsbeauftragten entschließen kann, ist derzeit nicht absehbar. Entsprechende Ansätze gab es bereits. In Hinsicht auf Art. 24 Abs. 2 EU-Charta, wäre ein solcher Beauftragter von Vorteil. Danach könnte dem EU-Kinderrechtsbeauftragten die Kontrolle der Kindeswohlprüfungen von öffentlichen und privaten Einrichtungen im Bereich des EU-Rechts obliegen. Darüber hinaus wäre er neben dem ENOC die wichtigste Koordinations- und Informationsinstanz für die staatlichen Kinderschutzinstitutionen der Mitgliedsländer. Die Entwicklung auf diesem Gebiet verspricht rechtlich interessant zu werden.
17
Vgl. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, 1993, S. 307.
II. Fazit
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Im Ergebnis, so lässt sich derzeit resümieren, finden die Interessen von Kindern und Jugendlichen in der politischen Wirklichkeit Deutschlands mangels einer eigenen institutionellen Lobby noch keine angemessene Berücksichtigung. Betrachtet man die demographische Entwicklung in Deutschland ist eine weitere erhebliche Verschlechterung der politischen Interessenvertretung von Minderjährigen zu befürchten. Auszugleichen ist dieser Mangel im politischen System nur durch eine Ausweitung der politischen Repräsentation.18 Einen Beitrag hierfür kann die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland leisten.
18 Siehe auch die Begründung des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“ vom 11. September 2003, BT-Drucksache 15/1544.
F. Anhang I. Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997 Dz. U. 1997 Nr. 78, Pos. 483 [Auszug] Art. 72 1. Die Republik Polen gewährleistet den Schutz der Rechte der Kinder. Jedermann hat das Recht, von den Organen der öffentlichen Gewalt den Schutz des Kindes gegen Gewalt, Grausamkeit, Ausbeutung und Unsittlichkeit zu fordern. 2. Ein Kind, das der elterlichen Pflege entbehrt, hat das Recht auf Pflege und Hilfe der öffentlichen Gewalt. 3. Organe der öffentlichen Gewalt sowie die für das Kind verantwortlichen Personen sind bei der Feststellung der Kinderrechte verpflichtet, die Meinung des Kindes anzuhören und diese möglichst zu berücksichtigen. 4. Das Gesetz bestimmt die Zuständigkeit und Berufungsweise des Beauftragten für die Rechte des Kindes.
II. Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000 Dz. U. Nr. 6, Pos. 69 [Auszug] (alte Fassung) Art. 1 1. Es wird ein Beauftragter für Kinderrechte eingesetzt. 2. Der Kinderrechtsbeauftragte, im folgenden Beauftragter genannt, wacht über die Kinderrechte, wie sie in der Verfassung der Polnischen Republik, der Kinderrechtskonvention und anderen Rechtsvorschriften festgelegt sind, unter Achtung der Verantwortlichkeit, der Rechte und Pflichten der Eltern. 3. Der Beauftragte lässt sich bei der Ausübung seiner Befugnisse vom Wohl des Kindes leiten unter Beachtung, dass das natürliche Umfeld für seine Entwicklung die Familie ist. Art. 2 1. Das Gesetz versteht unter einem „Kind“ jede natürliche Person von der Empfängnis bis zur Erreichung der Volljährigkeit. 2. Die Festlegung der Volljährigkeit erfolgt in anderen Vorschriften.
II. Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6.1.2000
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Art. 3 1. Der Beauftragte wird, gemäß den Bestimmungen im vorliegenden Gesetz, tätig mit dem Ziel, Kindern eine vollständige und harmonische Entwicklung zu garantieren unter Beachtung der Würde und der Persönlichkeit des Kindes. 2. Der Beauftragte handelt in Angelegenheiten zum Schutz von Kinderrechten, insbesondere: 1.) das Recht auf Leben und den Schutz der Gesundheit 2.) das Recht in der Familie aufzuwachsen 3.) das Recht auf angemessene soziale Bedingungen 4.) das Recht auf Bildung 3. Der Beauftragte wird mit dem Ziel tätig Kinder vor Gewalt, Grausamkeiten, Ausbeutung, Sittenverfall, Vernachlässigung und anderen schlimmen Behandlungen zu schützen. 4. Der Beauftragte umgibt behinderte Kinder mit besonderer Fürsorge und Hilfe. Art. 4 1. Den Beauftragten ernennt der Sejm mit Zustimmung des Senats auf Antrag des Sejmmarschalls, des Senatsmarschalls, einer Gruppe von mindestens 35 Abgeordneten oder von mindestens 15 Senatoren. 2. Das genaue Verfahren hinsichtlich der Aufstellung des Kandidaten regelt ein Beschluss des Sejm. 3. Der Beschluss des Sejm über die Ernennung des Beauftragten leitet der Sejmmarschall unverzüglich an den Senatsmarschall weiter. 4. Der Senat trifft in der Angelegenheit einen Beschluss, in welchem er die Zustimmung zur Ernennung des Beauftragten innerhalb eines Monats ab dem Tag, an dem der Sejmbeschluss, von dem in Absatz 3 die Rede ist, vorgelegt worden ist. Beschließt der Senat nicht innerhalb eines Monats, bedeutet dies die Zustimmung. 5. Wenn der Senat nicht sein Einverständnis zur Ernennung des Beauftragten gibt, ernennt der Sejm eine neue Person für diese Position. Die Vorschriften des Abs. 1–4 werden entsprechend angewandt. 6. Der bisherige Beauftragte übt seine Verpflichtungen bis zum Zeitpunkt der Vereidigung des neuen Beauftragten aus, unter Vorbehalt von Art. 8 Abs. 1. Art. 5 Vor Antritt der Pflichterfüllung legt der Beauftragte vor dem Sejm folgenden Eid ab: Ich schwöre feierlich, die mir übertragenen Pflichten des Kinderrechtsbeauftragten in Treue zu den Bestimmungen der Verfassung der Republik Polen zu erfüllen. Ich werde die Kinderrechte schützen und mich dabei von den Rechtsvorschriften, dem Wohl des Kindes und der Familie leiten lassen. Ich schwöre, dass ich die
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F. Anhang
mir übertragenen Pflichten unparteiisch und mit größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt ausüben werde, dass sich die Würde des mir übertragenen Amtes schützen und staatliche und dienstliche Geheimnisse wahren werde. Der Eid kann unter Hinzufügung des Satzes: „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden. Art. 6 1. Die Amtszeit des Beauftragten beträgt 5 Jahre, gezählt ab dem Tag der Eidesleistung vor dem Sejm. 2. Die Amtszeit des Beauftragten erlischt mit seinem Tod oder seiner Abberufung. 3. Dieselbe Person kann höchstens für zwei Amtszeiten Beauftragter sein. Art. 7 1. Der Beauftragte ist bei seiner Tätigkeit unabhängig von anderen staatlichen Organen und allein dem Sejm nach den im Gesetz bestimmten Grundsätzen verantwortlich. 2. Ohne vorherige Zustimmung des Sejm darf der Beauftragte weder zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden noch die Freiheit entzogen werden. Der Beauftragte darf weder festgenommen noch verhaftet werden, es sei denn, er wird auf frischer Tat betroffen und die Festnahme ist zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs unentbehrlich. Die Festnahme ist unverzüglich dem Sejmmarschall mitzuteilen, der die sofortige Freilassung des Festgenommenen anordnen kann. 3. Der Beauftragte darf weder eine andere Stelle innehaben noch eine andere Berufstätigkeit ausüben, noch eine öffentliche Tätigkeit ausüben, die sich mit den Pflichten und der Würde des Amtes nicht vereinbaren lässt. 4. Nach der Wahrnehmung seiner Pflichten hat der Beauftragte das Recht, in seine vorherige Stellung zurückzukehren oder eine ihr gleichwertige Stellung zu erhalten. Art. 8 1. Der Sejm, im Einverständnis mit dem Senat, beruft den Beauftragten vor Ablauf der Amtszeit ab, wenn er: 1.) auf die Wahrnehmung seines Amtes verzichtet, 2.) infolge von Krankheit oder Kräfteverlust dauerhaft nicht in der Lage ist seine Pflichten wahrzunehmen, festgestellt durch Entscheidung eines Arztes. 3.) dem abgelegten Eid untreu geworden ist. 2. Der Sejm trifft den Beschluss über die Abberufung des Beauftragten auf Antrag des Sejmmarschall, des Senatmarschall, einer Gruppe von 35 Abgeordneten oder einer Gruppe von 15 Senatoren. 3. Den Beschluss des Sejm über die Abberufung des Beauftragten leitet der Sejmmarschall unverzüglich an den Senatsmarschall weiter.
II. Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6.1.2000
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4. Der Senat trifft den Beschluss seiner Zustimmung zur Abberufung des Beauftragten innerhalb eines Monats ab dem Tag, an dem der Sejmbeschluss, von dem in Abs. 3 die Rede ist, vorgelegt worden ist. Beschließt der Senat nicht innerhalb eines Monats, bedeutet dies die Zustimmung. Art. 9 Der Beauftragte nimmt aus eigener Initiative die im Gesetz vorgesehenen Tätigkeiten, unter besonderer Beachtung von Informationen, welche eine Verletzung von Rechten oder dem Wohl des Kindes zeigen, auf. Art. 10 1. Der Beauftragte kann: 1.) sich an die Organe der öffentlichen Gewalt, Organisationen und Institutionen hinsichtlich der Abgabe von Erklärungen und der Erteilung von erforderlichen Informationen wenden, sowie auch zur Einsichtnahme in Akten und Dokumente, in welchen persönliche Daten enthalten sind. 2.) sich an die zuständigen Organe, wie den Bürgerrechtsbeauftragten, Organisationen und Institutionen wenden, dass sie im Rahmen ihrer Kompetenzen Handlungen in Kinderangelegenheiten vornehmen. 2. Der Bürgerrechtsbeauftragte nimmt die vom Beauftragten weitergeleiteten Angelegenheiten auf. Art. 11 1. Der Beauftragte unterbreitet den zuständigen Organen der öffentlichen Gewalt, Organisationen und Institutionen Gutachten und Vorschläge, die auf einen wirkungsvolleren Schutz der Rechte und des Wohl des Kindes und auf eine Verbesserung der Erledigung der Fälle in diesem Bereich abzielen. 2. Der Beauftragte kann außerdem mit Vorschlägen an die zuständigen Organe herantreten, die Gesetzesinitiative zu ergreifen oder andere Rechtsakte zu erlassen oder zu ändern. 3. Organe, Institutionen und Organisationen an die sich der Beauftragte mit einem Vorschlag gemäß Abs. 1 und 2 wendete, sind verpflichtet innerhalb von 30 Tage nach Erhalt zum Vorschlag Stellung zu nehmen. Art. 12 1. Der Beauftragte gibt dem Sejm und dem Senat jährlich Informationen über seine Tätigkeit unter Berücksichtigung des Standes der Einhaltung der Kinderrechte. 2. Der Informationen des Beauftragten werden öffentlich bekannt gemacht. Art. 13 1. Der Beauftragte nimmt seine Aufgaben mit Hilfe des Büros des Beauftragten für Kinderrechte wahr. 2. Die Organisation des Büros regelt eine Satzung erlassen durch den Sejmmarschall.
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F. Anhang
Art. 14 Die mit der Funktion des Beauftragten verbundenen Ausgaben sind im Haushaltsgesetz vorgesehen und werden aus dem Staatshaushalt beglichen. Art. 15–20 [Nicht relevant, da die Artikel nur Änderungen in anderen Gesetzesvorschriften enthalten] Art. 21 Das Gesetz tritt am 1. Januar 2000 in Kraft. [Übersetzung der Verfasserin]
II. (a) Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. Januar 2000 Dz. U. Nr. 6, Pos. 69 geändert am 24. Oktober 2008 Dz. U. Nr. 214, Pos. 1345 [Auszug] Art. 1 1. Es wird ein Beauftragter für Kinderrechte eingesetzt. 2. Der Kinderrechtsbeauftragte, im folgenden Beauftragter genannt, wacht über die Kinderrechte, wie sie in der Verfassung der Polnischen Republik, der Kinderrechtskonvention und anderen Rechtsvorschriften festgelegt sind, unter Achtung der Verantwortlichkeit, der Rechte und Pflichten der Eltern. 3. Der Beauftragte lässt sich bei der Ausübung seiner Befugnisse vom Wohl des Kindes leiten unter Beachtung, dass das natürliche Umfeld für seine Entwicklung die Familie ist. 4. Beauftragter kann sein, wer: 1.) polnischer Staatsbürger ist, 2.) die vollständige Geschäftsfähigkeit besitzt und alle öffentliche Rechte in Anspruch nehmen kann, 3.) nicht rechtskräftig für eine vorsätzlich begangene Straftat verurteilt wurde, 4.) eine Hochschule abgeschlossen hat und den Titel eines Magisters oder einen gleichwertigen Titel erworben hat, 5.) wer mindestens 5 Jahre Erfahrungen mit der Arbeit mit Kindern oder mit ihren Angelegenheiten vorweisen kann, 6.) von untadeligem Charakter ist und sich durch eine hohe Anerkennung bezüglich der ethischen Werte und der gesellschaftlichen Befindlichkeiten auszeichnet.
II. (a) Gesetz über den polnischen Kinderrechtsbeauftragten v. 24.10.2008
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Art. 2 1. Das Gesetz versteht unter einem „Kind“ jede natürliche Person von der Empfängnis bis zur Erreichung der Volljährigkeit. 2. Die Festlegung der Volljährigkeit erfolgt in anderen Vorschriften. Art. 3 1. Der Beauftragte wird, gemäß den Bestimmungen im vorliegenden Gesetz, tätig mit dem Ziel, Kindern eine vollständige und harmonische Entwicklung zu garantieren unter Beachtung der Würde und der Persönlichkeit des Kindes. 2. Der Beauftragte handelt in Angelegenheiten zum Schutz von Kinderrechten, insbesondere: 1.) das Recht auf Leben und den Schutz der Gesundheit, 2.) das Recht in der Familie aufzuwachsen, 3.) das Recht auf angemessene soziale Bedingungen, 4.) das Recht auf Bildung. 3. Der Beauftragte wird mit dem Ziel tätig Kinder vor Gewalt, Grausamkeiten, Ausbeutung, Sittenverfall, Vernachlässigung und anderen schlimmen Behandlungen zu schützen. 4. Der Beauftragte umgibt behinderte Kinder mit besonderer Fürsorge und Hilfe. Art. 4 1. Den Beauftragten ernennt der Sejm mit Zustimmung des Senats auf Antrag des Sejmmarschalls, des Senatsmarschalls, einer Gruppe von mindestens 35 Abgeordneten oder von mindestens 15 Senatoren. 2. Das genaue Verfahren hinsichtlich der Aufstellung des Kandidaten regelt ein Beschluss des Sejm. 3. Der Beschluss des Sejm über die Ernennung des Beauftragten leitet der Sejmmarschall unverzüglich an den Senatsmarschall weiter. 4. Der Senat trifft in der Angelegenheit einen Beschluss, in welchem er die Zustimmung zur Ernennung des Beauftragten innerhalb eines Monats ab dem Tag, an dem der Sejmbeschluss, von dem in Absatz 3 die Rede ist, vorgelegt worden ist. Beschließt der Senat nicht innerhalb eines Monats, bedeutet dies die Zustimmung. 5. Wenn der Senat nicht sein Einverständnis zur Ernennung des Beauftragten gibt, ernennt der Sejm eine neue Person für diese Position. Die Vorschriften des Abs. 1–4 werden entsprechend angewandt. 6. Der bisherige Beauftragte übt seine Verpflichtungen bis zum Zeitpunkt der Vereidigung des neuen Beauftragten aus, unter Vorbehalt von Art. 8 Abs. 1.
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Art. 5 Vor Antritt der Pflichterfüllung legt der Beauftragte vor dem Sejm folgenden Eid ab: Ich schwöre feierlich, die mir übertragenen Pflichten des Kinderrechtsbeauftragten in Treue zu den Bestimmungen der Verfassung der Republik Polen zu erfüllen. Ich werde die Kinderrechte schützen und mich dabei von den Rechtsvorschriften, dem Wohl des Kindes und der Familie leiten lassen. Ich schwöre, dass ich die mir übertragenen Pflichten unparteiisch und mit größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt ausüben werde, dass sich die Würde des mir übertragenen Amtes schützen und staatliche und dienstliche Geheimnisse wahren werde. Der Eid kann unter Hinzufügung des Satzes: „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden. Art. 6 1. Die Amtszeit des Beauftragten beträgt 5 Jahre, gezählt ab dem Tag der Eidesleistung vor dem Sejm. 2. Die Amtszeit des Beauftragten erlischt mit seinem Tod oder seiner Abberufung. 3. Dieselbe Person kann höchstens für zwei Amtszeiten Beauftragter sein. Art. 7 1. Der Beauftragte ist bei seiner Tätigkeit unabhängig von anderen staatlichen Organen und allein dem Sejm nach den im Gesetz bestimmten Grundsätzen verantwortlich. 2. Ohne vorherige Zustimmung des Sejm darf der Beauftragte weder zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden noch die Freiheit entzogen werden. Der Beauftragte darf weder festgenommen noch verhaftet werden, es sei denn, er wird auf frischer Tat betroffen und die Festnahme ist zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs unentbehrlich. Die Festnahme ist unverzüglich dem Sejmmarschall mitzuteilen, der die sofortige Freilassung des Festgenommenen anordnen kann. 3. Der Beauftragte darf nicht: 1.) eine andere Stelle innehaben, mit Ausnahme einer Stelle als Hochschullehrer, noch eine andere Berufstätigkeit ausüben 2.) einer politischen Partei angehören, 3.) eine öffentliche Tätigkeit ausüben, die sich mit den Pflichten und der Würde des Amtes nicht vereinbaren lässt. 4. Nach der Wahrnehmung seiner Pflichten hat der Beauftragte das Recht, in seine vorherige Stellung zurückzukehren oder eine ihr gleichwertige Stellung zu erhalten. 5. Im Falle des Abs. 4, ist eine Kündigung des Arbeitgebers – mit Ausnahme eines Arbeitsvertrages auf Grundlage einer Wahl – sowie eine Änderungen der Arbeitsbedingungen oder des Verdienstes innerhalb von zwei Jahren nach Beendi-
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gung der Pflichtausübung als Beauftragter nur mit der Zustimmung des Präsidiums des Sejm möglich. Art. 8 1. Der Sejm, im Einverständnis mit dem Senat, beruft den Beauftragten vor Ablauf der Amtszeit ab, wenn er: 1.) auf die Wahrnehmung seines Amtes verzichtet, 2.) infolge von Krankheit oder Kräfteverlust dauerhaft nicht in der Lage ist seine Pflichten wahrzunehmen, festgestellt durch Entscheidung eines Arztes. 3.) dem abgelegten Eid untreu geworden ist. 4.) rechtskräftig für eine vorsätzlich begangene Straftat verurteilt wurde. 2. Der Sejm trifft den Beschluss über die Abberufung des Beauftragten auf Antrag des Sejmmarschall, des Senatmarschall, einer Gruppe von 35 Abgeordneten oder einer Gruppe von 15 Senatoren. 3. Den Beschluss des Sejm über die Abberufung des Beauftragten leitet der Sejmmarschall unverzüglich an den Senatsmarschall weiter. 4. Der Senat trifft den Beschluss seiner Zustimmung zur Abberufung des Beauftragten innerhalb eines Monats ab dem Tag, an dem der Sejmbeschluss, von dem in Abs. 3 die Rede ist, vorgelegt worden ist. Beschließt der Senat nicht innerhalb eines Monats, bedeutet dies die Zustimmung. Art. 9 1. Der Beauftragte nimmt aus eigener Initiative die im Gesetz vorgesehenen Tätigkeiten auf, unter besonderer Beachtung der von Bürgern und ihren Organisationen eingehenden Informationen, wenn diese eine Verletzung von Rechten oder des Wohls des Kindes zeigen. 2. Der Beauftragte benachrichtigt die Person oder Organisation, welche ihn über die Verletzung von Kinderrechten oder des Kindeswohls informiert hat, über seinen eingenommenen Standpunkt, und im Fall der Aufnahme von Handlungen – über deren Ergebnisse. Art. 10 1. Der Beauftragte kann: 1.) jede Angelegenheit ohne Vorwarnung vor Ort untersuchen, 2.) von staatlichen Organen, Organisationen und Institutionen Aufklärung und Erteilung von Informationen, ebenfalls wie den Zugang von Akten und Dokumenten, welche persönliche Daten enthalten, fordern, 3.) die Einleitung eines zivilrechtlichen Verfahrens fordern oder an einem bereits laufenden Verfahren, nach den Rechten, welche einem Staatsanwalt zukommen, teilnehmen, 4.) vom ermächtigten Ankläger die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Strafsachen fordern,
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5.) die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens fordern, Klage beim Verwaltungsgericht einreichen sowie an diesen Verfahren nach den Rechten, welche einem Staatsanwalt zukommen, teilnehmen, 6.) einen Antrag über die Bestrafung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren, nach in anderen Vorschriften festgelegt Regeln und Grundsätzen einreichen, 7.) für die Durchführung seiner Aufgaben und Untersuchungen Gutachten und Expertisen beauftragen. 2. Der Beauftragte kann auch gegenüber staatlichen Organen die Herausgabe persönlicher Daten von Personen verweigern, die ihn über die Verletzung von Kinderrechten oder des Kindeswohls informiert haben, und auch der Personen, welche die Verletzungen betreffen, wenn dies anerkanntermaßen für den Schutz der Freiheit, der Rechte und der Interessen des Einzelnen unabdingbar ist. Art. 10a. 1. Der Beauftragte kann sich an die zuständigen Organe, Organisationen oder Institutionen wenden, damit sie im Rahmen ihrer Kompetenzen in Kinderangelegenheiten tätig werden. 2. Organe, Organisationen und Institutionen gemäß Abs. 1 nehmen die vom Beauftragten weitergeleiteten Angelegenheiten auf. 3. Organe, Organisationen oder Institutionen, an die sich der Kinderrechtsbeauftragte in Kinderangelegenheiten gewendet hat, sind verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen den Beauftragten über die vorgenommenen Handlungen oder den eingenommenen Standpunkt zu informieren. 4. Im Falle, dass das Organ, die Organisation oder Institution gemäß Abs. 1 den Beauftragten nicht über die vorgenommenen Handlungen und den eingenommenen Standpunkt informiert oder der Beauftragte ihren Standpunkt nicht teilt, kann der Beauftragte sich zwecks Aufnahme der entsprechenden Handlungen an die zuständigen übergeordneten Einheiten wenden. 5. Im Falle, dass der Beauftragte bei der Tätigkeit von Organen, Organisationen oder Institutionen gemäß Abs. 1 Verletzungen von Kinderrechten oder des Wohls von Kindern feststellt, kann er die Einleitung eines Disziplinarverfahren oder die Anwendung dienstlicher Sanktionen fordern. Art. 10b Organe, Organisationen oder Institutionen an die sich der Beauftragte wendet, sind verpflichtet mit ihm zusammenzuarbeiten und ihm Hilfe zu gewähren, insbesondere: 1.) Zugang zu den die Angelegenheit betreffenden Akten und Dokumenten zu verschaffen, 2.) Alle gewünschten Informationen und Erklärungen an den Beauftragten zu erteilen, 3.) Aufklärung betreffend die faktischen und rechtlichen Grundlagen ihrer Entscheidung zu erteilen.
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Art. 11 1. Der Beauftragte unterbreitet den zuständigen Organen der öffentlichen Gewalt, Organisationen und Institutionen Gutachten und Vorschläge, die auf einen wirkungsvolleren Schutz der Rechte und des Wohl des Kindes und auf eine Verbesserung der Erledigung der Fälle in diesem Bereich abzielen. 2. Der Beauftragte kann außerdem mit Vorschlägen an die zuständigen Organe herantreten, die Gesetzesinitiative zu ergreifen oder andere Rechtsakte zu erlassen oder zu ändern. 3. Organe, Institutionen und Organisationen an die sich der Beauftragte mit einem Vorschlag gemäß Abs. 1 und 2 wendete, sind verpflichtet innerhalb von 30 Tage nach Erhalt zum Vorschlag Stellung zu nehmen. Art. 11a Der Beauftragte arbeitet mit Verbänden, Bürgerbewegungen, andere freiwilligen Gruppierungen und Stiftungen, welche zum Schutz von Kinderrechten tätig sind, zusammen. Art. 12 1. Der Beauftragte gibt dem Sejm und dem Senat jährlich, nicht später als bis zum 31. März, Informationen über seine Tätigkeit sowie über den Stand der Einhaltung der Kinderrechte. 2. Die Informationen des Beauftragten werden öffentlich bekannt gemacht. Art. 13 1. Der Beauftragte nimmt seine Aufgaben mit Hilfe des Büros des Beauftragten für Kinderrechte wahr. 2. Die Organisation des Büros regelt eine Satzung erlassen durch den Sejmmarschall. 3. Auf Antrag des Beauftragten kann der Sejm-Marschall den Stellvertreter des Beauftragten berufen. Die Abberufung des Stellvertreters des Beauftragten erfolgt nach dem gleichen Verfahren. 4. Der Beauftragte bestimmt den Aufgabenbereich des stellvertretenden Beauftragten. Art. 14 Die mit der Funktion des Beauftragten verbundenen Ausgaben sind im Haushaltsgesetz vorgesehen und werden aus dem Staatshaushalt beglichen. Art. 15–20 [Nicht relevant, da die Artikel nur Änderungen in anderen Gesetzesvorschriften enthalten]
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F. Anhang
Art. 21 Das Gesetz tritt am 1. Januar 2000 in Kraft. [Übersetzung der Verfasserin]
III. Pariser Prinzipien United Nations General Assembly A/RES/48/134, 85th plenary meeting, 20 December 1993 ANNEX Principles relating to the status of national institutions Competence and responsibilities 1. A national institution shall be vested with competence to promote and protect human rights. 2. A national institution shall be given as broad a mandate as possible, which shall be clearly set forth in a constitutional or legislative text, specifying its composition and its sphere of competence. 3. A national institution shall, inter alia, have the following responsibilities: (a) To submit to the Government, Parliament and any other competent body, on an advisory basis either at the request of the authorities concerned or through the exercise of its power to hear a matter without higher referral, opinions, recommendations, proposals and reports on any matters concerning the promotion and protection of human rights; the national institution may decide to publicize them; these opinions, recommendations, proposals and reports, as well as any prerogative of the national institution, shall relate to the following areas: (i) Any legislative or administrative provisions, as well as provisions relating to judicial organizations, intended to preserve and extend the protection of human rights; in that connection, the national institution shall examine the legislation and administrative provisions in force, as well as bills and proposals, and shall make such recommendations as it deems appropriate in order to ensure that these provisions conform to the fundamental principles of human rights; it shall, if necessary, recommend the adoption of new legislation, the amendment of legislation in force and the adoption or amendment of administrative measures; (ii) Any situation of violation of human rights which it decides to take up; (iii) The preparation of reports on the national situation with regard to human rights in general, and on more specific matters; (iv) Drawing the attention of the Government to situations in any part of the country where human rights are violated and making proposals to it for initiatives to put an end to such situations and, where necessary, expressing an opinion on the positions and reactions of the Government;
III. Pariser Prinzipien
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(b) To promote and ensure the harmonization of national legislation regulations and practices with the international human rights instruments to which the State is a party, and their effective implementation; (c) To encourage ratification of the above-mentioned instruments or accession to those instruments, and to ensure their implementation; (d) To contribute to the reports which States are required to submit to United Nations bodies and committees, and to regional institutions, pursuant to their treaty obligations and, where necessary, to express an opinion on the subject, with due respect for their independence; (e) To cooperate with the United Nations and any other organization in the United Nations system, the regional institutions and the national institutions of other countries that are competent in the areas of the promotion and protection of human rights; (f) To assist in the formulation of programmes for the teaching of, and research into, human rights and to take part in their execution in schools, universities and professional circles; (g) To publicize human rights and efforts to combat all forms of discrimination, in particular racial discrimination, by increasing public awareness, especially through information and education and by making use of all press organs.
Composition and guarantees of independence and pluralism 1. The composition of the national institution and the appointment of is members, whether by means of an election or otherwise, shall be established in accordance with a procedure which affords all necessary guarantees to ensure the pluralist representation of the social forces (of civilian society) involved in the promotion and protection of human rights, particularly by powers which will enable effective cooperation to be established with, or through the presence of, representatives of: (a) Non-governmental organizations responsible for human rights and efforts to combat racial discrimination, trade unions, concerned social and professional organizations, for example, associations of lawyers, doctors, journalists and eminent scientists; (b) Trends in philosophical or religious thought; (c) Universities and qualified experts; (d) Parliament; (e) Government departments (if these are included, their representatives should participate in the deliberations only in an advisory capacity). 2. The national institution shall have an infrastructure which is suited to the smooth conduct of its activities, in particular adequate funding. The purpose of this funding should be to enable it to have its own staff and premises, in order to be independent of the Government and not be subject to financial control which might affect its independence.
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3. In order to ensure a stable mandate for the members of the national institution, without which there can be no real independence, their appointment shall be effected by an official act which shall establish the specific duration of the mandate. This mandate may be renewable, provided that the pluralism of the institution’s membership is ensured. Methods of operation Within the framework of its operation, the national institution shall: (a) Freely consider any questions falling within its competence, whether they are submitted by the Government or taken up by it without referral to a higher authority, on the proposal of its members or of any petitioner; (b) Hear any person and obtain any information and any documents necessary for assessing situations falling within its competence; (c) Address public opinion directly or through any press organ, particularly in order to publicize its opinions and recommendations; (d) Meet on a regular basis and whenever necessary in the presence of all its members after they have been duly convened; (e) Establish working groups from among its members as necessary, and set up local or regional sections to assist it in discharging its functions; (f) Maintain consultation with the other bodies, whether jurisdictional or otherwise, responsible for the promotion and protection of human rights (in particular ombudsmen, mediators and similar institutions); (g) In view of the fundamental role played by the non-governmental organizations in expanding the work of the national institutions, develop relations with the non-governmental organizations devoted to promoting and protecting human rights, to economic and social development, to combating racism, to protecting particularly vulnerable groups (especially children, migrant workers, refugees, physically and mentally disabled persons) or to specialized areas. Additional principles concerning the status of commissions with quasi-jurisdictional competence A national institution may be authorized to hear and consider complaints and petitions concerning individual situations. Cases may be brought before it by individuals, their representatives, third parties, non-governmental organizations, associations of trade unions or any other representative organizations. In such circumstances, and without prejudice to the principles stated above concerning the other powers of the commissions, the function entrusted to them may be based on the following principles: (a) Seeking an amicable settlement through conciliation or, within the limits prescribed by the law, through binding decisions or, where necessary, on the basis of confidentiality;
IV. ENOC-Standards
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(b) Informing the party who filed the petition of his rights, in particular the remedies available to him, and promoting his access to them; (c) Hearing any complaints or petitions or transmitting them to an other competent authority within the limits prescribed by the law; (d) Making recommendations to the competent authorities, especially by proposing amendments or reforms of the laws, regulations and administrative practices, especially if they have created the difficulties encountered by the persons filing the petitions in order to assert their rights.
IV. ENOC-Standards European Network of Ombudspersons for Children Standards for independent human rights institutions for children These Standards are aspirational; not all ENOC member-institutions meet all of the Standards. But its members agree that parliaments and governments should be encouraged to review the status of existing institutions in the light of the Standards and to ensure that the design of new institutions conforms with the Standards and with the Convention on the Rights of the Child (CRC). ENOC believes that in order to be effective in monitoring, promoting and protecting the human rights of children, a human rights institution must conform with the Paris Principles, the CRC and the European Convention on Human Rights. The full text of the Principles is reproduced in Annex A below. The following is an unofficial summary of the key implications of the Principles, relating them, where appropriate, to children’s human rights in particular: 1. Competence and responsibilities An independent institution set up to monitor, promote and protect the human rights of children must: •
be established by legislation;
•
have as broad a mandate as possible in relation to the monitoring, promotion and protection of children’s human rights, based on the CRC;
•
have the right to provide and to publicise opinions, recommendations, proposals and reports on its own initiative or at the request of other authorities on any matter concerned with the promotion and protection of children’s human rights, including: legislative or administrative provisions and provisions relating to judicial organisation, intended to preserve and extend the protection of human rights. The institution will consider legislation, etc., in force and proposed and when necessary recommend adoption of new legislation, etc., or amendment; any violation of children’s human rights which it decides to take up; reparation of reports on human rights in general, or on more specific matters;
436
F. Anhang
drawing the attention of the Government/Parliament to violations, making proposals for remedies and when necessary commenting on the position and reaction of Government/Parliament. •
promote and ensure harmonisation of national legislation with the Convention on the Rights of the Child and all other international human rights instruments relevant to children’s rights to which the state is a party, and promote their effective implementation;
•
encourage ratification of or accession to any such instruments;
•
contribute independently to the monitoring and reporting process under the CRC and other relevant instruments;
•
co-operate with the United Nations and with UN and other agencies, regional institutions and national institutions of other states competent in the promotion and protection of children’s rights;
•
assist in formulating and executing programmes for the teaching of and research into human rights;
•
publicise human rights and efforts to combat all forms of discrimination, in particular racial discrimination, by increasing public awareness, through information, education and making use of the media.
2. Composition, independence The institution must have adequate funding to enable it to have its own staff and premises in order to be independent of Government. It must not be subject to financial control which might affect its independence. Arrangements for appointment of ombudspersons, commissioners and members of a commission must be established by an official act, setting out the duration of the mandate and any arrangements for renewal. The composition and methods of appointment of the institution must be appropriate to enable effective co-operation with, for example, appropriate NGOs and professional organisations, universities, Parliament and Government departments. 3. Methods of operation The institution must be able to: •
freely consider any questions falling within its competence, whether submitted by Government or taken up on its own initiative;
•
hear any person and obtain any information and any documents necessary for assessing situations falling within its competence;
•
speak freely to the public, directly or through any media;
•
meet regularly and whenever necessary in the presence of all its members duly convened;
•
establish working groups and set up local or regional sections to assist it in discharging its functions;
IV. ENOC-Standards •
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maintain relationships with other bodies responsible for the promotion and protection of human rights including with a broad range of non-governmental organisations.
4. Hearing and considering complaints Some institutions will be authorised to hear and consider complaints from individuals or groups. If this is the case, additional principles are proposed to base such functions on. Without prejudice to the other principles, the institution may: •
seek an amicable settlement through conciliation, or through binding decision within limits prescribed by law; or, where necessary, on the basis of confidentiality;
•
inform the complainant of his rights and of available remedies and promote access to them;
•
hear complaints or transmit them to any other competent authority within the limits prescribed by the law;
•
make recommendations, in particular for changes in law, regulations and administrative practice which might have remedied the situation complained of.
5. Designing human rights institutions for children In addition to conforming, as above, with the Paris Principles, ENOC believes that the design and development of the institution must take full account of the special status of children and the particular difficulties for children in exercising their rights. The legislation establishing the institution must be linked explicitly to promoting implementation of the Convention on the Rights of the Child – thus covering children’s economic, social and cultural rights as well as civil and political rights. Conformity with the Paris Principles requires the institution to consider all other relevant human rights instruments which the state has ratified or acceded to. The legislation must include provisions setting out specific functions, powers and duties relating to children and their rights, linked to the Convention. „Children“ should be defined as in Article 1 of the CRC. For example: •
duties to pay particular regard to the views of children, to take active steps to maintain direct contact with children, organisations of children and organisations established to promote children’s rights; and to promote respect for the views of children throughout society;
•
the institution must be readily accessible to children and able to respond to any individual communications from children.
•
powers to have regard to the situation of children in the family, in schools and in all other institutions;
•
powers to consider the promotion and protection of children’s rights in relation not only to government but also to private bodies;
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F. Anhang
•
the right to have access to children in all forms of alternative care and all institutions which include children;
•
the right to report freely and separately on the state of children’s human rights.
The institution must review whether children have access to advice and advocacy and complaints procedures and services, and make appropriate recommendations. The institution must seek to ensure that children and adults are aware of the principles and provisions of the CRC. The institution must include or consist of an identifiable person or persons concerned exclusively with the promotion of children’s human rights – a Children’s Ombudsman, Children’s Rights Commissioner or Children’s Rights Commission. This should be a person/people who can bring status and public and political respect to the office. They should have a high public profile and so enhance the status and visibility of children. The institution will need to ensure awareness of its existence and mandate amongst children, using appropriate channels including for example schools, other institutions which accommodate children, youth organisations and media used by children. The institution needs to have appropriate, multi-disciplinary staffing dedicated to the promotion and protection of children’s human rights and a ring-fenced minimum budget to enable it to work effectively. A transparent procedure for appointments should be established, for example including advertising the appointment publicly and/or establishing an appointments committee including, eg, children, children’s NGOs, governmental representatives, etc. 6. Responding to complaints from children and their representatives If an institution includes in its mandate considering and responding to complaints from children it will need to take account of the particular difficulties for children in making complaints. Complaints procedures designed with adult complainants in mind are most unlikely to be used significantly by children. The institution will need to ensure, for example: •
that its mandate and powers are well and appropriately publicised to children and their representatives throughout the jurisdiction in a form and language they can understand, with special attention to very young children, disabled children, children in difficult circumstances and in all institutions;
•
that children have free and easy access to the institution, for example through free telephone lines, e-mail access and local offices;
•
that it is able to give advice and refer children to appropriate bodies;
•
that there are clear confidentiality policies, explained to children and others before they use the institution’s services.
Children themselves should be involved in the design and review of complaints procedures and advice and advocacy systems.
VI. Aufgabenbereiche der polnischen Regierungsverwaltung
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V. European Convention on the exercise of children’s rights (Auszug) ETS.NO.160 E. National bodies Article 12 I. Parties shall encourage, through bodies which perform, inter alia, the functions set out in paragraph 2, the promotion and the exercise of children’s rights. II. The functions are as follows: a) to make proposals to strengthen the law relating to the exercise of children’s rights; b) to give opinions concerning draft legislation relating to the exercise of children’s rights; c) to provide general information concerning the exercise of children’s rights to the media, the public and persons and bodies dealing with questions relating to children; d) to seek the views of children an provide them with relevant information.
VI. Aufgabenbereiche der polnischen Regierungsverwaltung 1. Öffentliche Verwaltung
2. Bauwesen, Raum- und Wohnungswirtschaft (früher Architektur)
3. Haushalt
4. Öffentliche Finanzen
5. Wirtschaft
6. Meereswirtschaft
7. Wasserwirtschaft
8. Informatik
9. Finanzinstitutionen
10. Europäische Integration
11. Kultur und Schutz des nationalen Erbes
12. Körperkultur und Sport
13. Kommunikationswesen
14. Wissenschaft
15. Nationale Verteidigung
16. Schul- und Bildungswesen
17. Arbeit
18. Landwirtschaft
19. Entwicklung der ländlichen Gebiete
20. Regionale Entwicklung
21. Agrarmärkte
22. Staatsschatz
23. Justiz
24. Hochschulwesen
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F. Anhang
25. Transportwesen
26. Touristik
27. Umwelt
28. Innere Angelegenheiten
29. Religion und Glaubensgemeinschaften
30. Sozialversicherungen
31. Außenpolitik
32. Gesundheitswesen
Quelle: Entlehnt bei: Rydlewski, Regierung und Regierungsverwaltung in Polen, in: WeltTrends 2000, Nr. 27, S. 41 ff., S. 47; siehe auch Art. 5 Gesetz vom 4. Juni 1997 über die Tätigkeit der Regierungsverwaltung (Dz. U. 1999, Nr. 82, Pos. 928) eingearbeitet wurden die Änderungen durch Art. 2 Abs. 1 Gesetz vom 21. Dezember 2001 in: Dz. U. 2001, Nr. 154, Pos. 1800.
VII. Übersicht über die polnischen Bürgerrechtsbeauftragten seit 1988 Ewa Łe˛towska
von 1988–1992
Tadeusz Zielin´ski
von 1992–1996
Adam Zielin´ski
von 1996–2000
Andrzej Zoll
von 2000–2006
Janusz Kochanowski
ab 2006
VIII. Übersicht über die polnischen Kinderrechtsbeauftragten seit 2000 Marek Piechowiak
30.06.2000–25.10.2000
Paweł Jaros
16.02.2001–07.04.2006
Ewa Barbara Sowin´ska
07.04.2006–30.06.2008
Marek Michalak
ab 24.07.2008
IX. Aufbau des Jugendamts
IX. Aufbau des Jugendamts Politische Vertretungskörperschaft: Gemeinderat (Stadtverordnetenversammlung)/Kreistag Beschlussfassung über grundsätzliche Fragen, Satzung und Mittel des Jugendamtes Jugendamt Jugendhilfeausschuss
Verwaltung des Jugendamtes
Rechte: 1. Beschlussrechte (§ 71 Abs. 3) über alle Angelegenheiten der Jugendhilfe – Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien – Anregungen und Vorschläge für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe – Jugendhilfeplanung – Förderung der freien Jugendhilfe – Geschäftsordnung – Mittelverwendung jeweils im Rahmen von 2. Anhörungs- und Antragsrecht (§ 71 Abs. 3)
Zuständigkeiten: 1. Ausführung der Beschlüsse der Vertretungskörperschaft und des Jugendhilfeausschusses (§ 70 Abs. 2) 2. Geschäfte der laufenden Verwaltung (§ 70 Abs. 2)
Mitglieder (§ 71 Abs. 1): 1. stimmberechtigte: – Mitglieder der Vertretungskörperschaft oder von ihr gewählte, in der Jugendhilfe erfahrene Männer und Frauen (3/5) – von der Vertretungskörperschaft auf Vorschlage der freien Jugendhilfe gewählte Männer und Frauen (2/5) 2. beratende (nach Landesrecht), z. B.: – Vertreter der Kirchen und der jüdischen Kultusgemeinden – Vertreter der Schule – Arzt des Gesundheitsamtes – Vormundschafts-, Familien- oder Jugendrichter – der Leiter der Verwaltung des Jugendamtes und der Leiter der Verwaltung der Gebietskörperschaft (je nach Landesrecht auch mit Stimmrecht)
Personal (§ 70 Abs. 2 und § 72 Abs. 1 und 2): – Leiter der Verwaltung der Gebietskörperschaft (Landrat, Oberbürgermeister/Bürgermeister) oder in seinem Auftrag Leiter der Verwaltung des Jugendamts (Jugendamtsleiter) – Sozialpädagogen/Sozialarbeiter – Verwaltungsfachkräfte (vgl. RN 214 und 215)
Quelle: Kunkel, Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Auflage, Baden-Baden 2001, S. 179
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F. Anhang
X. Gesetzentwurf über die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland Deutscher Bundestag: Drucksache 13/10880 vom 28.05.1998 Gesetzentwurf der Abgeordneten Dorle Marx, Klaus Hagemann, Ingrid Becker-Inglau, Anni Brandt-Elsweier, Hans Büttner (Ingolstadt), Dr. Marliese Dobberthien, Elke Ferner, Arne Fuhrmann, Monika Ganseforth, Angelika Graf (Rosenheim), Christel Hanewinckel, Ingrid Holzhüter, Barbara Imhof, Siegrun Klemmer, Helga Kühn-Mengel, Christine Kurzhals, Christa Lörcher, Ursula Mogg, Dr. Edith Niehuis, Margot von Renesse, Otto Reschke, Marlene Rupprecht, Ulla Schmidt (Aachen), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Lisa Seuster, Wolfgang Spanier, Dr. Peter Struck, Hildegard Wester, Inge Wettig-Danielmeier, Verena Wohlleben, Hanna Wolf (München), Rudolf Scharping und der Fraktion der SPD
Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten A. Problem Kinder spielen in Politik und Gesellschaft eine untergeordnete Rolle. Sie können nicht wählen, ihre Äußerungen werden von den Erwachsenen vielfach nicht ernst genommen. Ihnen wird Unreife und mangelnde Kompetenz in der Beurteilung sozialer und wirtschaftlicher Fragen unterstellt. Kurz: Kinder werden politisch nicht ernst genommen. Zur Mißachtung ihrer Meinung tritt das Mißmanagement ihrer Belange. Kinderpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Doch Regierungen und Verwaltungen sind nach Fachgebieten strukturiert, die oftmals unzureichend miteinander kommunizieren und kooperieren. Kinderpolitik ist in den meisten Staaten der Erde völlig unzureichend. Daraus folgt: Kinderinteressen fallen durch das Raster der Ressorts. Ihre Meinungen werden im Widerstreit der politischen Interessen übersehen. Kinder sind politisch unsichtbar. Ihre Interessen werden nicht vertreten. Die VN-Konvention über die Rechte des Kindes – mittlerweile von 187 Staaten ratifiziert – fordert demgegenüber, daß die Interessen der Kinder bei allen relevanten politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen vorrangig berücksichtigt werden. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Kinder in ihren Ländern gesund und menschenwürdig und mit angemessener Förderung aufwachsen können. Das VN-Komitee über die Rechte des Kindes hat vielfach auf die mangelhafte Koordination der Kinder- und Jugendpolitik hingewiesen. Hier liegt eine zentrale Schwachstelle in den meisten politischen Systemen unserer Welt – entsprechende Defizite gibt es leider auch in der Bundesrepublik Deutschland. B. Lösung Für viele internationale Experten in der Kinderpolitik ist die Einrichtung von Kinderbeauftragten unbestritten eine der wichtigsten Maßnahmen, damit die Rechte und
X. Gesetzentwurf über Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten
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Interessen der Kinder stärkeres politisches Gewicht bekommen. Auch der Europarat hat seinen Mitgliedstaaten eine solche Maßnahme empfohlen (Empfehlung 1286 vom 14. Januar 1996). C. Alternativen Beibehaltung der gegenwärtigen kinderpolitischen Defizite und weitgehende Nichtberücksichtigung kinderpolitischer Belange in der Bundespolitik und in der bundespolitischen Gesetzgebung
Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung einer/eines Kinderbeauftragten Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: §1 Wahl der/des Bundeskinderbeauftragten (1) Der Deutsche Bundestag wählt die/den Bundeskinderbeauftragten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder. Vorschlagsberechtigt sind die Bundesregierung, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie nach der Geschäftsordnung der Stärke einer Fraktion entsprechen. Die/der Gewählte ist von der Bundestagspräsidentin/dem Bundestagspräsidenten zu ernennen. (2) Die/der Bundeskinderbeauftragte leistet bei der Amtsübernahme vor der Bundestagspräsidentin/dem Bundestagspräsidenten den in Artikel 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden. (3) Die Amtszeit der/des Bundeskinderbeauftragten beträgt fünf Jahre. Einmalige Wiederwahl ist zulässig. §2 Unabhängigkeit Die/der Bundeskinderbeauftragte besitzt unbeschadet ihrer/seiner Verpflichtungen aus § 4 in der Ausübung seines Amtes richterliche Unabhängigkeit und ist frei von Weisungen. §3 Zeugnisverweigerung, Verschwiegenheitspflicht (1) Die/der Bundeskinderbeauftragte ist berechtigt, über Personen, die ihr/ihm in seiner Eigenschaft als Bundeskinderbeauftragte/Bundeskinderbeauftragter Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Dies gilt auch für die Mitarbeiter der/des Bundeskinderbeauftragten mit der Maßgabe, daß über die Ausübung dieses Rechts die/der Bundeskinderbeauftragte entscheidet. Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht, darf die Vorlegung der Auslieferung von Akten oder anderen Schriftstücken von ihr/ihm nicht gefordert werden.
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F. Anhang
(2) Die/der Bundeskinderbeauftragte ist auch nach Beendigung ihres/seines Amtsverhältnisses verpflichtet, über die ihr/ihm amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. (3) Unberührt bleibt die gesetzlich begründete Pflicht, Straftaten anzuzeigen und bei Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung für deren Erhalt einzutreten. §4 Aufgaben (1) Die/der Bundeskinderbeauftragte wirkt hin 1. auf die Berücksichtigung der gesundheitlichen, sozialen, finanziellen und psychischen Belange und Interessen von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Gesetzgebungs- und Verwaltungsverfahren, 2. auf die Koordination von Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Rechte von Kindern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene und 3. auf eine Kooperation der mit dem Wohl von Kindern befaßten Verbände. Sie/er beobachtet die Einhaltung und die Auswirkungen der zum Wohl und Schutz von Kindern und Jugendlichen erlassenen Vorschriften und die gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, die das Wohl und den Schutz von Kindern berühren. Zu ihren/seinen Aufgaben zählt auch die Beobachtung der gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, die der Bund und die Länder in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ergreifen. (2) Zu diesem Zweck kann die/der Bundeskinderbeauftragte Empfehlungen zur Verbesserung der Belange und Interessen von Kindern geben und diese veröffentlichen, wenn die Veröffentlichung ihr/ihm geeignet erscheint, auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern hinzuwirken. Die/der Bundeskinderbeauftragte berät den Deutschen Bundestag und kann darüber hinaus auch die Bundesregierung und einzelne Ministerien sowie Bundesbehörden in Fragen des Wohles und Schutzes von Kindern und Jugendlichen beraten. (3) Die/der Bundeskinderbeauftragte erstattet im/dem Deutschen Bundestag bis zum 31. März eines jeden Jahres einen schriftlichen Bericht für das vorangegangene Kalenderjahr und nimmt an der Aussprache über den Bericht teil. Der Bericht ist zu veröffentlichen. (4) Auf Anforderung des Deutschen Bundestages oder auf Ersuchen der Bundesregierung hat die/der Bundeskinderbeauftragte Gutachten zu erstellen oder Einzelberichte zu erstatten. Die/der Bundeskinderbeauftragte kann sich jederzeit an den Deutschen Bundestag wenden.
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§5 Unterstützungspflicht, Auskunfts- und Einsichtsrecht (1) Die öffentlichen Stellen des Bundes sind verpflichtet, die Bundeskinderbeauftragte/den Bundeskinderbeauftragten und die von ihr/ihm beauftragten Personen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. (2) Die/der Bundeskinderbeauftragte hat gegenüber den öffentliche Stellen des Bundes einen Anspruch auf Auskunft zu seinen Fragen und auf Einsicht in alle Unterlagen und Akten, wenn eine Regelung oder Maßnahme der um Auskunft ersuchten öffentlichen Stellen das Wohl oder den Schutz von Kindern berühren kann. (3) Die Auskunft oder Einsicht ist nur der/dem Bundeskinderbeauftragten selbst und den von ihr/ihm schriftlich besonders beauftragten Personen zu gewähren.
§6 Vertraulichkeit von Eingaben Wird die/der Bundeskinderbeauftragte auf Grund einer Eingabe tätig, so steht es in ihrem/seinem Ermessen, die Tatsache der Eingabe und den Namen der Einsenderin/des Einsenders bekanntzugeben. Von der Bekanntgabe ist abzusehen, wenn die Einsenderin/der Einsender dies wünscht und der Erfüllung des Wunsches keine Rechtspflichten entgegenstehen.
§7 Rechtsstellung der/des Bundeskinderbeauftragten, Beginn und Beendigung des Amtsverhältnisses (1) Das Amtsverhältnis der/des Bundeskinderbeauftragten beginnt mit der Aushändigung der Urkunde über die Ernennung. Es endet 1. mit Ablauf der Amtszeit nach § 1 Abs. 3; die/der Bundeskinderbeauftragte übt ihr/sein Amt hauptberuflich aus. Nebentätigkeiten müssen vom Bundestagspräsidium genehmigt werden; 2. mit der Entlassung; 3. durch Tod. (2) Die Bundestagspräsidentin/der Bundespräsident entläßt die Bundeskinderbeauftragte/den Bundeskinderbeauftragten, wenn diese/dieser es verlangt oder auf Vorschlag des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung, wenn Gründe vorliegen, die bei einem Richter au Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen. Bei Beendigung des Amtsverhältnisses erhält die/der Bundeskinderbeauftragte eine von der Bundestagspräsidentin/von dem Bundestagspräsidenten ausgestellte Urkunde. Eine Entlassung wird mit der Aushändigung der Urkunde wirksam. Auf Ersuchen der Bundestagspräsidentin/des Bundestagspräsidenten ist die/der Bundeskinderbeauftragte verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seiner Nachfolgerin/ seines Nachfolgers weiterzuführen.
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F. Anhang
(3) Die/der Bundeskinderbeauftragte übt ihr/sein Amt hauptberuflich aus. Nebentätigkeiten müssen vom Präsidium des Deutschen Bundestages genehmigt werden. §8 Sitz, Beschäftigte, Haushalt, Vertretung (1) Die Stelle der/des Bundeskinderbeauftragten wird beim Deutschen Bundestag eingerichtet. (2) Die Bundeskinderbeauftragte/den Bundeskinderbeauftragten unterstützt eine leitende Beamtin/ein leitender Beamter. Weitere Beschäftigte werden der/dem Bundeskinderbeauftragten für die Erfüllung ihrer/seiner Aufgaben beigegeben. Die Stellen sind im Einvernehmen mit der/dem Bundeskinderbeauftragten zu besetzen. Die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter können, falls sie mit der beabsichtigten Maßnahme nicht einverstanden sind, nur im Einvernehmen mit der/dem Bundeskinderbeauftragten versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden. Sie/er ist Vorgesetzte/Vorgesetzter der ihr/ihm beigegebenen Beschäftigten. (3) Die der/dem Bundeskinderbeauftragten für die Erfüllung ihrer/seiner Aufgaben zur Verfügung zu stellende notwendige Personal- und Sachausstattung ist im Einzelplan des Deutschen Bundestages in einem eigenen Kapitel auszuweisen. (4) Im Falle der Verhinderung der/des Bundeskinderbeauftragten nimmt die leitende Beamtin/der leitende Beamte deren/dessen Rechte wahr. §9 Amtsbezüge Besoldungs- und versorgungsrechtlich ist die/der Bundeskinderbeauftragte dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz gleichgestellt. Begründung Die Interessen und Belange von Kindern werden in unserer Gesellschaft nach wie vor unzureichend berücksichtigt. Unser Land ist noch nicht kinderfreundlich genug. Die unzureichende Umsetzung der VN-Kinderkonvention verdeutlicht dies beispielhaft. Kinder dürfen nicht länger primär als Objekte familiärer und staatlicher Politik betrachtet werden. Sie sind als eigene heranwachsende Person mit selbständigem Recht anzuerkennen. Die vorhandenen Defizite in diesem Zusammenhang haben nicht zuletzt zur Einrichtung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages geführt. Die Kinderkommission hat sich zwar grundsätzlich als Lobby für Kinder verstanden, konnte dabei allerdings wenig Erfolge bei der wirksamen Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kinder aufweisen. Die Kinderkommission kann allenfalls Anregungen geben, Experten befragen, aber nicht selbst systematisch alle Gesetzgebungsprozesse auf ihre möglichen Auswirkungen für Kinder kritisch begleiten. Dies bleibt letztlich den individuellen Schwerpunkten der Mitglieder der Kinderkommission überlassen. Dadurch entsteht eine gewisse Beliebigkeit in der Themenfestsetzung. Eine besondere Schwierigkeit für die Kinderkommission ist die Tatsache, daß sie aufgrund ihrer geringen Arbeitskapazität nicht auf die ihr vor-
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getragenen Einzelfälle konkret eingehen kann. Die Möglichkeiten der Kinderkommission reichen also insbesondere für die erforderliche vielfältige praktische Arbeit nicht aus. Dennoch ist grundsätzlich die parlamentarische Verankerung von Kinderpolitik in der Kinderkommission als Unterausschuß des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages und ihre Zusammenarbeit mit einer/einem Bundeskinderbeauftragten eine Lösung im Interesse der Verwirklichung von Kinderrechten. Die/der Bundeskinderbeauftragte bekleidet ein unabhängiges Amt und widmet sich gezielt und differenziert der Wahrung und Erweiterung von Kinderrechten in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dieses ist durchaus sinnvoll, auch wenn hier letztlich eine neue bürokratische Struktur geschaffen werden muß. Schließlich ist es aber auch personal- und zeitaufwendig, wenn der Gesetzgeber in mühevoller Kleinarbeit aufgrund von Petitionen, Gerichtsurteilen oder Änderungsanträgen schon beschlossene Gesetze revidieren und an die Belange von Kindern anpassen muß. Diese zeitverzögernde kinderfeindliche Politik kann durch eine vorherige Prüfung der Vorhaben verhindert werden. Analog zu anderen Beauftragten hätte die/der Bundeskinderbeauftragte nicht nur die Überwachung der aktuellen anstehenden Gesetzesvorhaben zu gewährleisten, sondern unterläge ebenso einer jährliche Berichtspflicht. Dadurch würde gleichzeitig ein öffentliches Forum für die berechtigten Belange und Interessen der Kinder geschaffen. Außerdem könnte die Institution Bundeskinderbeauftragte/Bundeskinderbeauftragter zu einer kompetenten Stelle werden, um auch in Einzelfällen für Klärung und Hilfe zu sorgen. Die kinderpolitische Arbeit des Deutschen Bundestages bekäme durch die Zusammenarbeit von Bundeskinderbeauftragter/Bundeskinderbeauftragtem und Kinderkommission einen höheren Stellenwert und eine größere zielgerichtete Wirksamkeit. Die Personalkosten sind durch Umschichtungen im Personalhaushalt des Bundes zu erwirtschaften.
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Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 17. März bis 30. November 1999, Kinderkommissionsdrucksache 14/73. Sejm-Biuletyn Nr. 2307/III vom 15. Dezember 1999. Sitzungsprotokoll der 69. Sitzung der III. Kadenz am 6. Januar 2000. Information zum Kinder- und Jugendbeauftragten in Schleswig-Holstein vom 18. Februar 2000 (StK KB 1). Sejm-Biuletyn Nr. 2588/III vom 14. März 2000. Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. April 2000 bzgl. der Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmanns,1460 (2000). Schreiben der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Juli 2000 an die Vorsitzende der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder: Stellungnahme zu den Forderungen des „European Network of Ombudspersons for children“ ENOC, Kinderkommissionsdrucksache 14/118. Schreiben des ENOC an Kinderkommission vom 4. Oktober 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/134. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Dezember 1999 bis 15. August 2000, Kinderkommissionsdrucksache 14/150. „Regelmäßiger Bericht 2000 der Kommission über die Fortschritte Polen auf dem Weg zum Beitritt“ vom 8. November 2000, unter: http://europe.eu.int/comm/ enlargement/poland/index.htm (eingesehen am 12. Dezember 2000). Protokoll vom 14. Dezember 2000 der 71. Sitzung des polnischen Senates zum Abstimmungsergebnis über den Kinderrechtsbeauftragten (Diariusz Senatu RP nr 76), unter: http://www.senat.gov.pl/K4/DOK/DIAR/76/7603.HTM#a11 (eingesehen am 18. Januar 2006). Antrag an den Deutschen Bundestag über ein eigenständiges Antragsrecht für die Kinderkommission des Deutschen Bundestages vom 15. Februar 2001, BTDrucksache 14/5346. Antwort des Ministerkomitees des Europarates auf die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung vom 7. April 2000 bzgl. der Schaffung eines Europäischen Kinderombudsmanns 1460 (2000) vom 18. April 2001 unter: http://stars.coe.fr/ Documents/WorkingDocs/DOC01/EDOC9048.htm (eingesehen am 27. November 2002). Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. August 2000 bis 30. April 2001, Kinderkommissionsdrucksache 14/176. Sitzungsprotokoll der 174. Sitzung der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 23: Eigenständiges Antragsrecht für Kinderkommission im Deutschen Bundestag) vom 1. Juni 2001, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte und Druck-
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sachen. Plenarprotokolle 169–174. Sitzung, Band 207, Berlin 2001 (16. Mai– 29. Juni 2001, S. 17134–17139). Schreiben des polnischen Kinderrechtsbeauftragten an den Sejmmarschall vom 2. August 2001, Sejm-Drucksache Nr. 3307. Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 6. September 2001 (Berichterstatter: Mr. Cox), Doc. 9188, unter: http://assembly.coe.int/Main.asp?link=http%3A% 2F%2Fassembly.coe.int%2FDocuments%2FWorkingDocs%2FDOC01%2FEDOC 9188.htm (eingesehen am 10. Januar 2003). European Network of Ombudspersons for Children: Standards for independent human rights institutions for children, vom Oktober 2001, unter: http://www. ombudsnet.org/cgi-bin/barneombudet/imaker?id=3659 (eingesehen am 16. Februar 2005). Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 1. Mai 2001 bis 15. Januar 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/199. „A world fit for children“ – Document for the UN Special Session on Children: Eine Einschätzung und Zusammenfassung der Nichtregierungsorganisationen vom 18. April 2002, S. 1–3, unter: http://www.weltkindergipfel.de (eingesehen am 18. Januar 2006). Tätigkeitsbericht des polnischen Kinderrechtsbeauftragten für das Jahr 2001: SejmDrucksache Nr. 471 IV. Kadenz vom 30. April 2002. Abschlußbericht der Sondergeneralversammlung „Eine kindgerechte Welt“ vom 10. Mai 2002, Dokument A/S-27/19/Rev. 1, Kapitel III. Bericht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages vom 5. Juni 2002, 14. Wahlperiode, BT-Drucksache 14/9146. Auskunft des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 10. Juli 2002 zum Thema Kinderrechtsbeauftragter mit Anlagen (Az.: 46-6900.10/2). European Convention on the Exercise of Children’s Rights: Explanatory Report, ETS 160, unter: file://C:\WINDOWS\TEMP\’sRights (ETS no_160).htm (eingesehen am 27. November 2002). Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2002 bis 22. September 2002, Kinderkommissionsdrucksache 14/207. Schlussbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) in der 14. Wahlperiode, Kinderkommissionsdrucksache 14/208. Najwyz˙sza Izba Kontroli (Oberste Kontrollkammer), Informacja o wynikach kontroli wykonania budz˙etu pan´stwa w 2002 roku cze˛s´c´ nr. 14, Rzecznik Praw Dziecka, Warszawa, Mai 2003 (Kontrollnummer: P/02/042, Nr. ewid. 66/2003/ P/02/042/KNO). Bericht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages vom 21. Mai 2003, 15. Wahlperiode, BT-Drucksache 15/920.
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Tätigkeitsbericht des polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 31. Mai 2003, SejmDrucksache Nr. 1671 IV. Kadenz. Der Europäische Bürgerbeauftragte – Zusammenfassung und Statistiken aus dem Jahresbericht 2003, S. 12, abrufbar unter: http://www.ombudsmaneuropa.eu/ report/dedefault.htm (eingesehen am 27. September 2006). Antrag „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“ vom 11. September 2003, Bundestag-Drucksache 15/1544. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder: Arbeitsprogramm vom 25. September 2003, Kommissionsdrucksache 15/033. Beschluss der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission des Deutschen Bundestages) vom 14. Januar 2004 über die Rücknahme der Vorbehaltserklärungen gegen die UN-Kinderrechtskonvention in: Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090, S. 21. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 19. Februar 2003 bis 15. Januar 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/090. Ausschuss für die Rechte des Kindes, Behandlung der von den Vertragsstaaten vorgelegten Berichte nach Artikel 44 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Abschließende Bemerkungen: Deutschland, 35. Sitzung am 30. Januar 2004, CRC/C15/Add. 226. Tätigkeitsbericht des polnischen Kinderrechtsbeauftragten: Sejm-Drucksache Nr. 3030 IV. Kadenz vom 15. April 2004. Najwyz˙sza Izba Kontroli, Analiza wykonania budz˙etu pan´stwa i załoz˙en´ polityki pienie˛z˙nej w 2003 roku vom 9. Juni 2004. Zwischenbericht über die Tätigkeit der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) vom 16. Januar 2004 bis 15. Dezember 2004, Kinderkommissionsdrucksache 15/119. Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten; Stand der Ratifikation ETS Nr. 160, unter: http://conventions.coe.int/Treaty/EN/cadreprincipal.htm (eingesehen am 25. Februar 2005). Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Zwölfter Kinder- und Jugendbericht: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Berlin 2005, BTDrucksache 15/6014. Information des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend: UN-Sondergeneralversammlung zu Kindern (Weltkindergipfel), vom 3. August 2005, unter: http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=20102, render=renderPrint.html (eingesehen am 18.01.2006). Informationen zu den Bundesbeauftragten der Exekutive, unter: http://www.bundesregierung.de/Bundesregierung/-,894/Bundesbeauftragte-und-Beauftra.htm (eingesehen am 17. August 2005).
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Presseerklärung des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW vom 22. September 2005: (Titel: Verwaltungsmodernisierung 1: Landesregierung beschließt weitgehende Abschaffung des Beauftragtenwesens – Rüttgers: „Wichtiger Baustein zur Entflechtung überflüssiger bürokratischer Strukturen“) unter: http://www.mgffi.nrw.de/presse/pressemitteilungen/pm2005/ pm050922a.html (eingesehen am 17. Januar 2006). Tätigkeitsbericht 2004 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 29. November 2005, Sejm-Drucksache Nr. 76 V. Kadenz. Stand der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention unter: http://www.ohchr.org/ english/countries/ratification/11.htm#N4 (eingesehen am 8. Dezember 2005). Organisationsplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stand: 5. Januar 2006, Az.: 103-1311-01/000. Tätigkeitsbericht 2005 des polnischen Kinderrechtsbeauftragten vom 3. Juli 2006, Sejm-Drucksache Nr. 788 V. Kadenz. Wortprotokoll 13. Sitzung der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder: am 20. November 2006: Öffentliches Expertengespräch zum Thema „Kinderrechte in die Verfassung“, Protokoll Nr. 16/13
Gesetzesverzeichnis Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, RGBl. S. 189, RGBl. S. 771 mit Änderungen (BGBl III/FNA 315-1). Die Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung vom 11. August 1919, RGBl. 1919 I, Nr. 152, S. 1383–1418 (abgedruckt in: Hildebrandt, Horst (Hrsg.), Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. aktualisierte und erweiterte Auflage, Paderborn/München/Wien/Zürich 1992, S. 69–111). Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922, RGBl. 1922 I, Nr. 54, S. 633. Declaration of the Rigths of the Child 1924, in: van Bueren, Geraldine (Hrsg.), International Documents on Children, 2. Auflage, The Hague/Boston/London, 1998, S. 3. Zivilprozessordnung in der Fassung vom 12. September 1950, BGBl. I, S. 533 mit Änderungen. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1952 II, S. 685, 953 mit Änderungen; Dz. U. 1993, Nr. 61, Pos. 284 mit Änderungen. Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. Mai 1951, GMBl. S. 137, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 21. November 2002, GMBl. S. 848. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952, BGBl. 1956 II, S. 1880 mit Änderungen. Verfassung der Republik Polen vom 22. Juli 1952, Dz. U. 1952, Nr. 33, Pos. 232 mit Änderungen (pV1992b). Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959, BGBl. 1959 I S. 565 mit Änderungen. Erklärung der Rechte des Kindes, Resolution 1386 der Vereinten Nationen vom 20. November 1959. Jugendwohlfahrtsgesetz der Bundesrepublik vom 11. August 1961, BGBl. 1961 I S. 1205. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961, BGBl. 1971 II, S. 219. Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961, BGBl. 1964 II, S. 1262. Polnisches Familien- und Vormunschaftsgesetzbuch vom 25. Februar 1964, Dz. U. 1964, Nr. 9, Pos. 59 mit Änderungen.
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Polnisches Zivilgesetzbuch vom 23. April 1964, Dz. U. 1964, Nr. 16, Pos. 93 mit Änderungen. Zivilverfahrensgesetzbuch vom 17. November 1964, Dz. U. 1964, Nr. 43, Pos. 296 mit Änderungen. Jugendhilfeverordnung der DDR vom 3. März 1966, GBl. 1966 II Nr. 34, S. 215. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember (16. Dezember) 1966, BGBl. 1973 II, 1553, Dz. U. 1977, Nr. 38, Pos. 167. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember (16. Dezember)1966, BGBl. 1973 II, 1569, Dz. U. 1977, Nr. 38, Pos. 169. Europäische Konvention über die Adoption von Kindern vom 24. April 1967, BGBl. 1980 II, S. 1094, Dz. U. 1999, Nr. 99, Pos. 1157. Verordnung Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968, Abl. Nr. L257/2, ber. Nr. L 295/12; zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 2434/92 vom 27. Juli 1992, Abl. Nr. L 245/1. Rechtspflegergesetz vom 5. November 1969, BGBl. I, S. 2065 mit Änderungen. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung vom 27. Juli 1971, BGBl. I S. 1166 mit Änderungen. Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 9. Mai 1975, BGBl. I S. 1077 mit Änderungen. Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (Gesetz nach Artikel 45 c des Grundgesetzes) vom 19. Juli 1975, BGBl. I S. 1921. Europäische Konvention über den Rechtsstatus nichtehelicher Kinder vom 15. Oktober 1975, Dz. U. 1999, Nr. 79, Pos. 888. Sozialgesetzbuch Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015 mit Änderungen. Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976, BGBl. I S. 965 mit Änderungen. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl. I S. 1237 mit Änderungen. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980, Dz. U. 1995, Nr. 108, Pos. 528; BGBl. 1990 II, S. 207. Act. No. 5 vom 6. März 1981 über: Relating to the Ombudsman for Children, abgedruckt mit den letzten Änderungen vom 17. Juli 1998 in Englisch unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/Norway/norway.htm (eingesehen am 16.07.2002). Gesetz über die Vergütung von Personen mit leitender Stellung im Staat vom 31. Juli 1981, Dz. U. 1981 Nr. 20, Pos. 101 mit Änderungen.
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Königliches Dekret vom 11. September 1981 über: Instructions for the Ombudsman for children and the Advisory Board, abgedruckt mit den letzten Änderungen vom 17. Juli1998 in englisch unter: http://www.ombudsnet.org/Ombudsmen/ Norway/norway.htm (eingesehen am 16.07.2002). Verfassungsnovelle in Polen vom 26. März 1982, Dz. U. 1982, Nr. 11, Pos. 83. Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 1982, BGBl. I S. 677 mit Änderungen. Gesetz über Verfahren in Angelegenheiten mit Minderjährigen (Jugendstrafgesetzbuch) vom 26. Oktober 1982, Dz. U. 1982, Nr. 35, Pos. 228 mit Änderungen. Gesetz über die Erziehung zur Nüchternheit und dem Kampf gegen Alkoholismus vom 26. Oktober 1982, Dz. U. 1982, Nr. 35, Pos. 239 mit Änderungen. Gesetz über die staatlichen Sanitätsinspektionen vom 14. März 1985, Dz. U. 1985, Nr. 12, Pos. 49 mit Änderungen. Gesetz über den polnischen Verfassungsgerichtshof vom 29. April 1985, Dz. U. 1985, Nr. 22, Pos. 98. Beschluss des Sejm über die Verfahrensordnung des Verfassungsgerichts vom 31. Juli 1985, Dz. U. 1985, Nr. 39, Pos. 184. Richtlinien für die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 26. August 1986, Bundesanzeiger Nr. 163, S. 12485. Strafprozessordnung (StPO) vom 7. April 1987, BGBl. I, S. 1074, ber. S. 1319 mit Änderungen Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug. Österreichisches Jugendwohlfahrtsgesetz vom 15. März 1989 (JWG), BGBl. Nr. 161. Gesetz über die Wahlordnung zum Sejm der Volksrepublik Polen 10.Kadenz, für die Jahre 1989–1993 vom 7. April 1989, Dz. U. 1989, Nr. 19, Pos. 102. Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit mit Änderungen. Beitritt Polens zur Kinderrechtskonvention am 20.November 1989, Dz. U. 1991, Nr. 120, Pos. 526 und Dz. U. 2000, Nr. 2, Pos. 1. Sozialgesetzbuch Achtes Buch (VIII) Kinder- und Jugendhilfe, Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I, S. 1163 zuletzt geändert durch Gesetzes vom 19. Februar 2007, BGBl. I S. 122. Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18. September 1990, vom 23. September 1990, BGBl. II S. 889. Senatsgeschäftsordnung, Beschluss des Senates vom 23. November 1990, M. P. 2000, Nr. 8, Pos. 170.
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Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (Neubekanntmachung), BGBl. I S. 686 mit Änderungen. Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt vom 2. Mai 1991, (Drucksache 1/15/349). Gesetz über das Bildungssystem vom 7. September 1991, Dz. U. 1991, Nr. 95, Pos. 425 mit Änderungen. Konvention über die Rechte der Kinder vom 23. Dezember 1991 (in Polen), Dz. U. 1991 Nr. 120, Pos. 526 mit Änderungen (Ratifikation am 30. April 1991). Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zur UN-Kinderrechtskonvention durch Gesetz vom 17. Februar 1992, BGBl. II S. 121. Verfassungsgesetz vom 23. April 1992 über die Art der Vorbereitung und Beschließung der Verfassung der Republik Polen, Dz. U. 1992, Pos. 67, Pos. 336 mit Änderungen. Bekanntmachung vom 10. Juni 1992 bzgl. des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention am 5. April 1992 in Deutschland, BGBl. II S. 990. Salzburger Kinder- und Jugendwohlfahrtsordnung (JWO) vom 8. Juli 1992, StF: LGBl. Nr. 83/1992 in der Fassung LGBl. Nr. 15/1996, LGBl. Nr. 9/1998, LGBl. Nr. 51/1999, LGBl. Nr. 6/2000. Geschäftsordnung des polnischen Sejms vom 30. Juli 1992, M. P. 1998, Nr. 44, Pos. 618 mit Änderungen. Verfassungsgesetz über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt der Republik Polen sowie über die territoriale Selbstverwaltung (pV1992a) vom 17. Oktober 1992, Dz. U. 1992, Nr. 84, Pos. 426. Rundfunk- und Fernsehgesetz vom 29. Dezember 1992, Dz. U. 1993, Nr. 7 Pos. 34. Gesetz über Familienplanung, den Schutz des menschlichen Embryos und die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs vom 7. Januar 1993, Dz. U. 1993, Nr. 17, Pos. 78 mit Änderungen. Gesetz über die Einführung des [schwedischen] Ombudsmannbüros vom 13. Mai 1993 (SFS 1993:335), unter: http://www.bo.se/eng/act_ordinance.asp (eingesehen am 17.07.2002). Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993, Dz. U. 2000, Nr. 39, Pos. 448; BGBl. 2001 II S. 1034. Satzung betreffend die Vorschriften für den [schwedischen] Kinderombudsmann vom 3. Juni 1993 (SFS 1993:710), unter: http://www.bo.se/eng/act_ordinance. asp (eingesehen am 17.07.2002). Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993, BGBl. I S. 1361 mit Änderungen. Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993, BGBl. I S. 1473 mit Änderungen.
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Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, in: Amtsblatt L 113, vom 4. Mai 1994, S. 15; auch unter: http://www.euro-ombudsman.eu.int/lbasis/de/statute.htm (eingesehen am 10.09. 2002). Isländische Kinderombudsmanngesetz vom 19. Mai 1994, Nr. 83; unter: http://www.althingi.is/lagas/128a/1994083.html (eingesehen am 14.04.2004). Rechtverordnung über den Umfang, die Organisation und die Form der Gesundheitsvorsorge bei Schülern vom 29. Dezember 1995, Dz. U. 1996, Nr. 4, Pos. 31. Europäische Konvention über die Ausübung der Kinderrechte vom 25. Januar 1996, Dz. U. 2000, Nr. 107, Pos. 1128. Gesetz über den Ministerrat (Früher: Gesetz über die Organisation und Arbeit des Ministerrates und den Wirkungskreis der Minister) vom 8. August 1996, Dz. U. 1999, Nr. 82, Pos. 929 mit Änderungen. Gesetz über den mazedonischen Volksanwalt vom 13. Februar 1997 unter: http://www.omineurope.info/uk/gesetz_macedonia_uk.htm (eingesehen am 26.05.2004). Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997, Dz. U. 1997, Nr. 78, Pos. 483. Gesetz über die Offenlegung der Arbeit oder den Dienst in den Organen des Sicherheitsdienstes des Landes bzw. über die Zusammenarbeit mit ihnen in den Jahren 1944–1990 für Personen mit öffentlichen Funktionen vom 11. April 1997, Dz. U. 1999, Nr. 42, Pos. 428 mit Änderungen. Strafgesetzbuch (Kodeks Karny) vom 6. Juni 1997, Dz. U. 1997, Nr. 88, Pos. 553 mit Änderungen. Gesetz vom 15. Juli 1997 über die Einrichtung eines Kinderkommissars in Flandern mit Änderungen; unter: http://www.Kinderrechtencommissariaat.be/ (eingesehen am 26.05.2004). Gesetz über die Beschränkung wirtschaftlicher Tätigkeit von Personen mit öffentlichen Funktionen vom 21. August 1997, Dz. U. 1997, Nr. 106, Pos. 679 mit Änderungen. Gesetz über den Schutz der persönlichen Daten vom 29. August 1997, Dz. U. 1997, Nr. 133, Pos. 883 mit Änderungen. Abgabenordnung vom 29. August 1997, Dz. U. 1997, Nr. 137, Pos. 926 mit Änderungen. Gesetz über die Tätigkeit der Regierungsverwaltung vom 4. September 1997, Dz. U. 1999, Nr. 82, Pos. 928 mit Änderungen. Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und zur Neuordnung des Rechts der Beistandschaft (Beistandsgesetz) vom 4. Dezember 1997, BGBl. 1997 I, S. 2846. Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz) vom 16. Dezember 1997, BGBl. 1997 I S. 2968.
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Gesetzesverzeichnis
Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsreformgesetz) vom 17. Dezember 1997, BGBl. 1997 I S. 2942. Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltgesetz) vom 6. April 1998, BGBl. 1998 I S. 666. Anordnung über Mittelungen in Strafsachen (MiStra) in der Fassung vom 29. April 1998, Auszug abgedruckt in: Kleinknecht/Meyer/Goßner, Strafprozessordnung, 44. Auflage, München 1999, Anhang 16. Gesetz über die Regierungsverwaltung in den Wojewodschaften vom 5. Juni 1998, Dz. U. 2001 Nr. 80, Pos. 872. Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 27. Oktober 1998, BGBl. I S. 3288. Strafgesetzbuch in der Fassung vom 13. November 1998, BGBl. I, S. 3322 mit Änderungen. Erlass der Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein vom 2. Februar 1999 – StK111 – über die Errichtung der Stabsstelle einer oder eines ehrenamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten der Landesregierung im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, in: Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1999, Nr. 7, S. 64. Vertrag von Amsterdam vom 1. Mai 1999, Nizza, BGBl. 1999 II S. 296. Gesetz über den polnischen Beauftragten für Kinderrechte vom 6. Januar 2000, Dz. U. 2000, Nr. 6, Pos. 69. Beschluss Nr. 293/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Januar 2000 zur Annahme eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft (DAPHNE-Programm) (2000–2003) über vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen. Gesetz über den französischen Kinderrechtsbeauftragten vom 6. März 2000 mit Änderungen, Loi nº2000-196, NOR: MENX9903288L; unter: http://www.legi france.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000398170&dateTexte= &fastPos=2&fastReqId=1338727022&oldAction=rechTexte (eingesehen am: 9.02.2009) Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, in: ABl. 2000 L 189/22–26. Sejmbeschluss über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten Marek Piechowiak vom 8. Juni 2000, M. P. 2000, Nr. 19, Pos. 403. Senatsbeschluss über die Ernennung Marek Piechowiaks vom 28. Juni 2000, M. P. 2000, Nr. 20, Pos. 411. European Convention on the Exercise of Children’s Rights [Europäisches Übereinkommen über die Ausübung der Kinderrechte], ETS 160, vom 1. Juli 2000. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 26. Juli 2000, in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Moderner Staat – moderne Verwaltung, Berlin 2000.
Gesetzesverzeichnis
483
Beschluss über die Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten Piechowiak durch den Sejm vom 12. Oktober 2000, M. P. 2000, Nr. 35, Pos. 710. Beschluss des Senats über die Zustimmung der Abberufung des Kinderrechtsbeauftragten Piechowiak vom 26. Oktober 2000, M. P. 2000 Nr. 35, Pos. 712. Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kinderunterhaltsrechts vom 7. November 2000, BGBl. I S. 1479. Beschluss des Rates 2000/750/EG vom 27. November 2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001–2006), in: Abl. 2000 L 303/23–28. Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000, 2000/C364/01. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (X) – Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz vom 18. Januar 2001, BGBl. I S. 130 mit Änderungen. Beschluss des Sejm über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten P. Jaros am 1. Februar 2001, M. P. 2001 Nr. 7, Pos. 109. Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001, BGBl. I S. 266 mit Änderungen. Beschluss des Senats über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten P. Jaros am 14. Februar 2001, M. P. 2001 Nr. 7, Pos. 111. Children’s Commissioner for Wales Act 2001 vom 11. Mai 2001 unter: http://www.hmso.gov.uk/acts/acts2001/10018–a.htm#1 (eingesehen am 17.07. 2002). Rechtsverordnung über die Aufnahme von Personen ohne polnische Staatsbürgerschaft in Kindergärten, Schulen, Anstalten der Lehrerausbildung und Arbeitsstätten vom 4. Oktober 2001, Dz. U. 2001, Nr. 131, Pos. 1458. Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit. Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 2. Januar 2002, BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738. Sejmgeschäftsordnung vom 29. Mai 2002, M. P. 2002, Nr. 23, Pos. 398. Gesetz vom 20.Juni 2002 über die Einrichtung eines Generalbeauftragten für Kinderrechte für die französische Gemeinschaft; unter: http://www.cfwb.be/dgde/ decret.htm (Eingesehen am 26.05.2004). Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 22. Oktober 2002, BGBl. I S. 4206. Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002, BGBl. I S. 2730. Rechtsverordnung über allgemeine Vorschriften über die Sicherheit und Hygiene an Schulen und öffentlichen Stellen vom 31. Dezember 2002, Dz. U. 2003, Nr. 6, Pos. 69. Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl. I S. 66.
484
Gesetzesverzeichnis
Verwaltungsverfahrensgesetz in der der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003, BGBl. I S. 102. Satzung des Büros des Bürgerrechtsbeauftragten, Verfügung Nr. 2 des Sejmmarschalls vom 26. Februar 2003 in der Sache Erlass einer Satzung für das Büro des Bürgerrechtsbeauftragten. Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkoholund Tabakkonsums vom 23. Juli 2004, BGBl. I S. 1857. Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 1950. Haushaltsgesetz für das Jahr 2005 vom 22. Dezember 2004, Dz. U. 2004, Nr. 278, Pos. 2755. Sejmbeschluss über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska vom 24. März 2006, M. P. 2006, Nr. 25, Pos. 274. Senatsbeschluss über die Ernennung Ewa Barbara Sowin´ska vom 30. März 2006, M. P. 2006, Nr. 25, Pos. 275. Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.12.2007, L 332/27. Beschluss über die Abberufung der Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska durch den Sejm vom 9. Mai 2008, M. P. 2008, Nr. 40, Pos. 349. Beschluss des Senats über die Zustimmung der Abberufung der Kinderrechtsbeauftragten Ewa Barbara Sowin´ska vom 15. Mai 2008, M. P. 2000 Nr. 40, Pos. 350. Sejmbeschluss über die Ernennung des Kinderrechtsbeauftragten Marek Michalak vom 23. Juli 2008, M. P. 2008, Nr. 55, Pos. 490. Senatsbeschluss über die Ernennung von Marek Michalak vom 24. Juli 2008, M. P. 2006, Nr. 55, Pos. 491. Haushaltsgesetz für das Jahr 2009 vom 9. Januar 2009, Dz. U. 2009, Nr. 10, Pos. 58.
Rechtsprechungsverzeichnis I. Polnische Gerichtsentscheidungen PVerfGH – Entscheidung vom 9. Mai 1989 ZU 1989 // 3; OTK 1986–1995/t2/1989/3
Az.: Kw.1/89
PVerfGH – Entscheidung vom 30. Januar 1991 ZU 1992 // 14; OTK 1986–1995/t3/1992/cz1/14
Az.: K.11/91
PVerfGH – Entscheidung vom 25. Februar 1992 abgedruckt in: Orzecznictwo Trybunału Konstytucyjnego w 1992 roku–cz.I, Warszawa 1992: OTK 1992 cz.I Pos. 1, S. 9–39
Az.: K.3/91
PVerfGH – Entscheidung vom 2. März 1994 abgedruckt in: Orzecznictwo Trybunału Konstytucyjnego w 1994 r.–cz.I, Warszawa 1994: OTK 1994 cz.I Pos. 17, S. 154–164
Az.: W. 3/93
PVerfGH – Entscheidung vom 21. November 1994 abgedruckt in: Orzecznictwo Trybunału Konstytucyjnego w 1994 r.–cz.II, Warszawa 1994: OTK 1994 cz.II Pos. 39, S. 91–93
Az.: K.6/94
PVerfGH – Entscheidung vom 5. September 1995 abgedruckt in: ZU 1995, Nr. 1 Pos. 5; OTK 1995, cz. II, S. 230–257
Az.: W. 1/95
PVerfGH – Entscheidung vom 22. November 1995 abgedruckt in: ZU 1995, Nr. 3, Pos. 16; OTK 1995, cz. II, S. 135–165
Az.: K.19/95
PVerfGH – Entscheidung vom 28. Mai 1997 abgedruckt in: OTK ZU 1997, Pos. 19, Nr. 2 (11)
Az.: K.26/96
PVerfGH – Entscheidung vom 22. September 1997 abgedruckt in: OTK ZU 1997, Pos. 35, Nr. 3–4 (12–13)
Az.: K.25/97
PVerfGH – Entscheidung vom 19. Mai 1998, abgedruckt in: OTK ZU 1998, Pos. 46, Nr. 4 (19)
Az.: U.5/97
PVerfGH – Entscheidung vom 1. Dezember 1998 abgedruckt in: OTK ZU 1998, Pos. 116, Nr. 7 (22)
Az.: K.21/98
PVerfGH – Entscheidung vom 14. April 1999 abgedruckt in: OTK ZU 1999, Pos. 41, Nr. 3 (25)
Az.: K.8/99
PVerfGH – Entscheidung vom 28. April 1999 abgedruckt in: OTK ZU 1999, Pos. 73, Nr. 4 (26)
Az.: K.3/99
486
Rechtsprechungsverzeichnis
PVerfGH – Entscheidung vom 8. Dezember 1999 abgedruckt in: OTK ZU 1999, Pos. 161, Nr. 7 (29)
Az.: SK.19/99
PVerfGH – Entscheidung vom 28. Juni 2000 abgedruckt in: OTK ZU 2000, Pos. 141, Nr. 5 (35)
Az.: K.25/99
PVerfGH – Entscheidung vom 8. November 2000 abgedruckt in: OTK ZU 2000, Pos. 258, Nr. 7
Az.: SK. 18/99
PVerfGH – Entscheidung vom 21. Februar 2001 abgedruckt in: OTK ZU 2001, Pos. 47, Nr. 3 (41)
Az.: P.12/2000
PVerfGH – Entscheidung vom 8. Mai 2001 abgedruckt in: OTK ZU 2001, Pos. 83, Nr. 4 (42)
Az.: P.15/2000
PVerfGH – Entscheidung vom 26. Februar 2003 abgedruckt in: OTK ZU 2003, Pos. 15, Nr. 2A
Az.: K.1/01
PVerfGH – Entscheidung vom 28. April 2003 abgedruckt in: OTK ZU 2003, Pos. 32, Nr. 4A
Az.: K.18/02
PVerfGH – Entscheidung vom 11. Mai 2005 abgedruckt in: OTK ZU 2005, Pos. 49, Nr. 5A
Az.: K.18/04
II. Deutsche Gerichtentscheidungen 1. Deutsche Verfassungsgerichtsentscheidungen BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
1, 396 2, 225 3, 225 6, 55 6, 290 8, 104 9, 268 10, 59
Urteil vom 30. Juli 1952 Beschluss vom 22. April 1953 Urteil vom 18. Dezember 1953 Beschluss vom 17. Januar 1957 Beschluss vom 21. März 1957 Urteil vom 30. Juli 1958 Urteil vom 27. April 1959 Urteil vom 29. Juli 1959
– – – – – – – –
BVerfGE 13, 54 BVerfGE 22, 180
Urteil vom 11. Juli 1961 Urteil vom 18. Juli 1967
– –
BVerfGE 24, 119
Beschluss vom 29. Juli 1968
–
BVerfGE 25, 167 BVerfGE 28, 243
Beschluss vom 29. Juli 1969 Beschluss vom 26. Mai 1970
– –
BVerfGE 29, 120 BVerfGE 29, 166
Beschluss vom 22. Juli 1970 Beschluss vom 7. Oktober 1970
– –
1 BvF 1/52 1 BvR 162/51 1 BvL 106/53 1 BvL 4/54 1 BvR 65/54 2 BvF 3, 6/58 2 BvF 2/58 1 BvR 205, 332, 333, 367/58; 1 BvL 27,100/58 2 BvG 2/58 1 BvF 3-8/62; 2 BvR139, 140, 334, 335/62 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67 1 BvR 26/66 1 BvR 83/244, 345/69 1 BvR 230/70 1 BvR 409/67
Rechtsprechungsverzeichnis BVerfGE 30, 1
BVerfGE 34, 52 BVerfGE 34, 165 BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
36, 37, 37, 44,
146 217 271 1
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
44, 45, 46, 46, 47,
308 187 342 160 46
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
53, 54, 54, 56, 56,
185 148 277 54 363
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
58, 59, 60, 61,
257 360 79 358
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
62, 72, 72, 73, 75,
323 122 155 339 108
BVerfGE 75, 201 BVerfGE 76, 1 BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
79, 79, 79, 80, 85,
51 203 256 188 80
Urteil vom 15. Dezember 1970
487
– 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68 und 308/69 Beschluss vom 10. Oktober 1972 – 2 BvL 51/69 Urteil vom 6. Dezember 1972 – 1 BvR 230/70 und 95/71 Beschluss vom 14. November 1973 – 1 BvR 719/69 Beschluss vom 21. Mai 1974 – 1 BvL 22/71, 21/72 Beschluss vom 29. Mai 1974 – 2 BvL 52/71 Beschluss vom 8. Dezember 1976 – 1 BvR 810/79, 57/73, 47/76 Beschluss vom 10. Mai 1977 – 2 BvR 705, 75 Urteil vom 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76 Beschluss vom 13. Dezember 1977 – 1 BvM 1/76 Urteil vom 16. Oktober 1977 – 1 BvQ 5/77 Beschluss vom 21. Dezember 1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 Beschluss vom 26. Februar 1980 – 1 BvR 684/78 Beschluss vom 3. Juni 1980 – 1 BvR 185/77 Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 Beschluss vom 14. Januar 1981 – 1 BvR 612/72 Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78, 964, 1337/80 Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80 Urteil vom 9. Februar 1982 – 1 BvR 845/79 Beschluss vom 17. Februar 1982 – 1 BvR 188/80 Urteil vom 3. November 1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81 Beschluss vom 30. November 1982 – 1 BvR 818/81 Beschluss vom 18. Juni 1986 – 1 BvR 6857/85 Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 1542/84 Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83 Beschluss vom 8. April 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84 Beschluss vom 14. April 1987 – 1 BvR332/86 Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 Beschluss vom 12. Oktober 1988 – 1 BvR 818/88 Beschluss vom 30. November 1988 – 1 BvR 37/85 Urteil vom 31. Januar 1989 – 1 BvL 17/87 Urteil vom 13. Juni 1989 – 1 BvE 1/88 Beschluss vom 5. November 1991 – 1 BvR 1256/89
488
Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfGE 85, 191 BVerfGE 88, 203 BVerfGE 89, 155 BVerfGE 90, 263 BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
93, 95, 96, 98, 99, 99,
37 1 56 218 145 216
BVerfGE 101, 361 BVerfGE 102, 147 BVerfGE
BVerfGE 103, 111 BVerfGE 105, 313 BVerfG
BVerfGE 106, 62 BVerfG
BVerfGE 111, 307
Urteil vom 28. Januar 1992
– 1 BvR 1025/82; 1 BvL 16/83, 10/91 Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90; 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 Urteil vom 12. Oktober 1993 – 2 BvR 2134/92; 2 BvR 2158/92 Beschluss vom 26. April 1994 – 1 BvR 1299/89; 1 BvL 6/90 Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93 Beschluss vom 6. Mai 1997 – 1 BvR 409/90 Urteil vom 14. Juli 1998 – 1 BvR 1640/97 Beschluss vom 29. Oktober 1998 – 2 BvR 1206/98 Beschluss vom 10. November 1998 – 2 BvR 1057, 980, 1226/91 Urteil vom 15. Dezember 1999 – 1 BvR 653/96 Beschluss vom 7. Juni 2000 – 2 BvL 1/97 Beschluss vom 7. Juni 2000 – 1 BvR 23/00 – BvR 111/00 in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1280–1284 Urteil vom 8. Februar 2001 – 2 BvF 1/00 Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1, 2/01 Beschluss vom 9. Oktober 2000 – 2 BvC 2/99 in: NVwZ 2002, Heft 1, S. 69–70 Urteil vom 24. Oktober 2002 – 2 BvF 1/01 Beschluss vom 9. März 2004 – 1 BvR 455/02 u. a. in: FamRZ 2004, 51. Jhg., Heft 16, S. 1267–1270 Urteil vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04
2. Entscheidungen anderer deutscher Gerichte BVerwGE 35, 111 BVerwGE 47, 201 BVerwGE 56, 220 BVerwGE 91, 211 BGHSt 36, 37 BGHSt 36, 294 BGHSt 37,34
Urteil Urteil Urteil Urteil Urteil Urteil Urteil
vom vom vom vom vom vom vom
13. März 1970 15. November 1974 17. August 1978 26. November 1992 6. Dezember 1988 31. Oktober 1989 2. Mai 1990
– – – – – – –
VII C 62.68 VII C 12/74 5 C 33.77 7 C 20.92 1 StR 620/88 1 StR 501/89 2 StR 69/90
Rechtsprechungsverzeichnis BGHZ 71, 264 BGHZ
OLG-Karlsruhe
OLG München
OLG Naumburg OLG Frankfurt
OLG Düsseldorf
OLG Brandenburg
OLG Bremen
OLG Dresden
OLG Koblenz
489
Beschluss vom 3. Mai 1978 Urteil vom 16. November 1978
– IV ARZ 26/78 – III ZR 81/77 in: DVBl. 1979, Heft 13, Jhg. 94, S. 514–516 Beschluss vom 2. Juni 1989 – 5 Wx 1/89 in: NJW 1989, Heft 38, S. 2398–2399 Beschluss vom 29. September 1998 – 12 WF 1122/98 in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 10, S. 667 Beschluss vom 10. März 1999 – 8 WF 69/99 Beschluss vom 24. Juni 1999 – 6 WF 96/99 in: FamRZ 1999, 46. Jhg., Heft 19, S. 1293–1295 Beschluss vom 12. November 1999 – 6 WF 154/99 in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1298 Beschluss vom 9. Dezember 1999 – 10 WF 238/99 in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1295–1296 Beschluss vom 20. Dezember 1999 – 5 WF 126/99 in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1298. Beschluss vom 14. Januar 2001 – 20 WF 608/99 in: FamRZ 2000, 47. Jhg., Heft 20, S. 1296–1297 Beschluss vom 6. Juni 2002 – 9 WF 358/02 in: Kindschaftsrechtliche Praxis 2003, Heft 1, S. 25–26
III. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes EuGH Costa Enel, Internationale Handelsgesellschaft, Casagrande ./. Landeshauptstadt München, Fall Diatta ./. Land Berlin,
EuGH-Urteil vom 15. Juli 1964; Slg. 1964, S. 1251 EuGH-Urteil vom 17. Dezember 1970, Slg. 1970, S. 1125 EuGH-Urteil vom 3. Juli 1974, Slg. 1974, S. 773 EuGH-Urteil vom 13. Februar 1985; Rs. 267/83, Slg. 1985, S. 567
490
Rechtsprechungsverzeichnis
Fall Carmina di Leo ./. Land Berlin, Fall Großbritannien ./. Kommission,
EuGH-Urteil vom 13. November 1990; Slg. 1990, S. I-4185 EuGH-Urteil vom 12. Mai 1998, C-106/96
IV. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Elsholz ./. Deutschland, Entscheidung des EGMR vom 13. Juli 2000: Beschwerde Nr. 25735/94, ECHR 2000-VIII, in: FamRZ 2001, Heft 6, 48. Jahrgang, S. 341–343 Goodwin ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 11. Juli 2002: Beschwerde Nr. 28957/95, ECHR 2002-VI, in: NJW-RR 2004, S. 289 I ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 11. Juli 2002: Beschwerde Nr. 25680/94
Quellen im Internet Der Europäische Bürgerbeauftragte: Auf einen Blick, unter: http://www.euro-ombudsman.eu.int/glance/de/default.htm Eingesehen am 19.01.2006 Information zur National Coalition Deutschland, unter: http://www.national-coalition.de Eingesehen am 19.01.2006 Informationen zum schwedischen Ombudsmann (offizielle Seiten), unter: http://www.bo.se/ Eingesehen am 19.01.2006 Internetseiten des polnischen Kinderrechtsbeauftragten, unter: http://www.brpd.gov.pl/ Eingesehen am 19.01.2006 International Ombudsman Institute, unter: http://www.law.ualberta.ca/centres/ioi/ Eingesehen am 19.01.2006 Kinderombudsmannnetzwerk, unter: http://www.ombudsnet.org/ Eingesehen am 19.01.2006 Offizielle Seiten des norwegischen Kinderombudsmannes, unter: http://www.barneombudet.no/ Eingesehen am 19.01.2006 Informationen des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, unter: http://www.bmfsfj.deKategorien/Ministerium/aufgaben,did=9320.html Eingesehen am 18.08.2005 Mitglieder des Petitionsausschuss, unter: http://www.bundestag.de/ausschuesse/a02/mitglieder.html Eingesehen am 30.05.2006
Stichwortverzeichnis „Anwalt des Kindes“ 311 ff. Bundesbeauftragter 351, 359 ff., 371 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 266 ff., 333 ff., 359, 420 Elternrecht 67, 135 f., 138 ff., 167 f., 185, 195, 197 f., 202, 205 ff., 233, 242, 282, 294, 316, 334: 383, 388, 390 f., 418 ENOC (Europäisches Kinderombudsmannnetzwerk) 21 ff., 26 f., 42 (Fußnote), 62, 92, 108 f., 164 ff., 176, 180, 235 ff., 253 f., 257, 263 f., 273, 290, 293, 317 f., 327 ff., 371, 381, 400 ff., 405 f., 411 ff., 415, 418 ff. Europarat 52, 61 ff., 64 ff., 165, 418 Familien- und Vormundschaftsgerichte 300, 306 ff., 414 Gerichtshilfen des Jugendamtes 295, 299 f., 302 ff., 319 Grundrechtsausübungsfähigkeit 188 ff. Grundrechtsberechtigung 183 f., 188 ff., 296 Jugendamt 220, 226, 235, 244, 275 ff., 295, 299 f., 302, 306, 309 ff., 329 f., 335 f., 441 Jugendgericht 216, 276, 295, 299 ff., 317, 414 Jugendgerichtshilfe 276, 302 ff., 319 Jugendhilfe (siehe auch bei Kinderund Jugendhilfegesetz) 185, 223 f., 226, 234, 269 ff., 275 ff., 302, 309, 328 f., 335, 420, 441 Jugendstrafrecht 271, 300 ff., 318
Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) 19, 185, 216 f., 222 ff., 270 f., 277 ff., 302 f., 306, 309 f., 319 f., 328 f., 334 f., 375, 382, 382, 420 Kinderkommission des Deutschen Bundestages 20, 40, 239, 244 ff., 263 f., 291, 329, 333 ff., 374, 380 f., 383, 386, 394, 406 ff., 416, 419 f. Kinderrechte 19 ff., 26 ff., 28 ff., 52 ff., 58, 63 ff., 82, 85, 90, 103, 109, 117, 125 ff., 144, 152, 164 f., 171, 173 ff., 186, 188, 195, 202, 215, 226 ff., 234 ff., 240 f., 243 f., 252, 254, 258 f., 266, 272, 293, 300, 306, 309, 317 f., 322, 324, 326, 329 f., 334 ff., 373, 381, 384, 388, 390, 392 f., 397, 401, 406 f., 410 f., 413 ff., 419 Kinderschutzinstitution 20, 24 ff., 54, 58, 61, 65, 69, 92, 108 f., 173, 176, 180, 182, 234 ff., 253, 263, 273, 317, 329, 335 f., 340 ff., 350, 371, 381, 389 ff., 406 ff., 410 ff., 415 f., 418, 420 Kindeswohl 27, 39 f., 110, 115 ff., 134, 136, 139 ff., 152, 167 f., 177, 207 f., 210, 214, 216, 219 f., 224, 226, 233, 240, 274, 297, 300, 308 ff., 320 f., 383 ff., 407, 417, 419 f. Landeskinderbeauftragte 52, 322 ff., 335 Landesrat für Rundfunk und Fernsehen 96, 149 f. Menschenrechte 21, 28 ff., 129, 188, 231, 235, 240 Menschenrechtsinstitution 165, 235 f., 239, 243, 371
Stichwortverzeichnis Ministerrat 96, 98 ff., 121 ff., 133, 145, 154, 158 ff. Nationalversammlung 83 ff., 96 f., 100, 102 f. Oberste Kontrollkammer 77, 96 ff., 149, 151 Öffentlich-rechtlicher Beauftragter 350 f. Ombudsmann 20, 28, 47 ff., 103 ff., 108, 141 ff., 145 ff., 163, 172, 176, 245, 265, 325, 371 f., 378 f., 410 f. Organe der Kontrolle und des Rechtsschutzes 98 ff., 109, 146, 149, 177, 342, 350, 412 Pariser Prinzipien 21 ff., 26 f., 69, 109, 176, 180, 235 ff., 244, 253, 257, 263, 290 f., 293, 317, 327 ff., 333, 335, 337, 339 ff., 346, 371, 381, 400, 405, 411 ff., 418 f. Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages 96, 98 ff., 121 ff., 133, 145, 154, 158 ff., 235, 244, 251 f., 257 ff., 317, 334, 337, 369, 371 f., 389, 414 Polnischer Bürgerrechtsbeauftragter 26, 68, 70 ff., 85, 97 f., 100, 102 ff., 108, 146 ff., 169, 179, 371 ff., 411 Rechtsquelle 41, 117 ff., 125, 129, 145, 177, 181 f., 186, 227, 296, 373, 414
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Rechtsquellensystem 117 f., 145 Regierungsverwaltung (Polen) 101, 123, 154, 158 ff., 439 f. Sejm 23, 42 f., 70 ff., 77, 80 ff., 86 ff., 95 ff., 123 ff., 132 ff., 145 ff., 169 ff., 238, 351, 372, 378 f., 395, 412 Senat 43, 74, 80, 83 f., 88, 91 f., 96, 98, 100 f., 104 f., 107 f., 123 f., 145, 147 f., 150, 152 f., 377, 395 Staatspräsident 82, 84, 96, 98, 100, 121 ff., 145, 154, 157 ff. UN-Kinderrechtskonvention 19 f., 22, 26 f., 32, 34 f., 37 ff., 58, 64, 66, 81, 87, 113 ff., 125 f., 129, 133, 135 f., 165 f., 173, 177, 181, 184 f., 226, 234, 240, 251, 254, 262, 272, 274, 293, 330, 333, 339 f., 346, 383, 395, 406 f., 413, 415, 417, 420 Verfahrenspfleger 222, 235, 244, 297, 300, 309, 311 ff. Verfassungsorgan 23, 56, 73, 84, 92 ff., 108, 123, 141, 148, 152 ff., 171, 177, 237 f., 261, 263, 342 ff., 350, 360, 364, 377 f., 411 f., 416 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 362 ff., 378 Weltkindergipfel 46 f.