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German Pages 593 Year 2002
Schriften zum Europäischen Recht Band 88
Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung Von
Nina Meyer
Duncker & Humblot · Berlin
NINA MEYER
Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 88
Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung Zur Zulässigkeit der Verwendung sogenannter "beschaffungsfremder Kriterien" unter besonderer Berücksichtigung der Tariftreueerklärungen
Von
NinaMeyer
Duncker & Humblot . Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2001/2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D5 Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10816-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 200112002 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Die nach Abschluß der Arbeit erschienene Literatur und Rechtsprechung konnten bis Januar 2002 berücksichtigt werden. Großer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Jost Pietzcker für die Anregung des Themas, die Betreuung der Arbeit und die mir bei der Bearbeitung gewährte Freiheit. Auch von der Tätigkeit an seinem Lehrstuhl am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn habe ich für meine Arbeit sehr profitiert. Ferner möchte ich Herrn Prof. Dr. Jost Pietzcker sowie Herrn Prof. Dr. Christian Koenig, der freundlicherweise das Zweitgutachten übernommen hat, für die rasche Begutachtung der Arbeit danken. Dank schulde ich auch dem Graduiertenkolleg "Europäisches und internationales Wirtschaftsrecht" der Universität Bonn, das mir ein einjähriges Promotionsstipendium gewährt hat. Den Herausgebern der Schriftenreihe, Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera und Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die "Schriften zum Europäischen Recht". Des weiteren möchte ich meinen Kollegen am Lehrstuhl meinen Dank aussprechen, die durch ihre Bereitschaft zur Diskussion Wichtiges zu der Arbeit beigetragen haben. Sehr geholfen haben mir außerdem mein Bruder, meine Mutter, Freunde und Freundinnen, die die mühevolle Aufgabe des Korrekturlesens übernommen haben und mit denen ich teilweise auch inhaltliche Fragen besprechen konnte. Ein großer Dank geht ferner an alle diejenigen, die mir während der Promotionszeit den Rücken gestärkt haben. Ganz besonders gilt dies für meine Eltern, denen ich diese Arbeit widme. Schließlich möchte ich auch meiner Großmutter für ihre Unterstützung sehr herzlich danken. Bonn, im Februar 2002
Nina Meyer
Inhaltsübersicht Einleitung ............................................................
37
A. Die Diskussion um die sogenannten beschaffungsfremden Kriterien .......
37
B. Wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge und Entwicklung des Vergaberechts .........................................................
45
C. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Untersuchung..
55
1. Teil
Begriff und Arten der sogenannten beschatTungsfremden Kriterien
60
1. Kapitel: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien" .................
60
A. Die Problematik des Begriffs .........................................
60
Herkunft des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
60
11. Doppelte Unklarheit des Begriffs .................................
62
111. Ergebnis .......................................................
66
B. Das Sachproblem: Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung ...............................................................
67
I.
I.
Unterscheidung "neutrale" versus "politisierte" Beschaffung ......... 67
11. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdefinition ..............
69
III. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdeckung ............... 75 IV. Ergebnis: Notwendige Differenzierungen und Relativierungen ........ 79 2. Kapitel: Die Arten der sogenannten beschatTungsfremden Kriterien ... 82 A. Politikbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
82
Rechtliche Bedeutung der Unterscheidung nach Politikbereichen . . . . ..
82
11. Die einzelnen Politikbereiche .....................................
84
B. Rechtliche Gestalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
95
Anknüpfungspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
95
I.
I.
11. Rechtsgrundlage ................................................ 109 III. Schwellenwertgrenze ............................................ 112
8
Inhaltsübersicht
2. Teil
Die rechtliche Zulässigkeit der Verwendung sogenannter beschaffungsfremder Kriterien 1. Kapitel: Generelle Unzulässigkeit "beschatTungsfremder" Kriterien?
115 115
A. Befürworter einer generellen Unzulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten ............... 117 I. EG-Primärrecht ................................................. 117 11. Verfassungsrecht ............................................... . 120
2. Kapitel: Europarechtliche Bindungen und völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaften ............................................... . 123 A. Bindungen des EG-Primärrechts ...................................... I. Überblick über die in Betracht kommenden Vorschriften .... . . . . . . . . . 11. Wettbewerbsregeln für Unternehmen .............................. III. Beihilfevorschriften ............................................. IV. Grundfreiheiten ................................................ .
124 124 126 146 175
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien ................................. 225 I. Anwendungsbereich und Gehalt der EG-Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . 225 11. Bedeutung der EG-Vergaberichtlinien für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung .................... . 231 C. Völkerrechtliche Verträge ............................................ I. EWR-Abkommen, Europa-Abkommen und bilaterale Beschaffungsabkommen ....................................................... 11. Agreement on Government Procurement (GPA) ................ . ... III. Exkurs: UNCITRAL-Modellgesetz ................................ IV. Bedeutung der Internationalisierung für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284 284 286 291 291
3. Kapitel: Bindungen des nationalen Rechts ........................... 293 A. Der Standort des öffentlichen Auftragswesens zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht ..................................................... I. Konzeptionen grundrechtlich nicht oder nur mittelbar gebundenen privatrechtlichen HandeIns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Konzeptionen grundrechtlich gebundenen privatrechtlichen HandeIns .. III. Öffentlich-rechtliche Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme ..................................................
B. Bindungen des Verfassungsrechts ..................................... I. Freiheitsgrundrechte ............................... . ............. 11. Gleichheitsgrundrechte . ........................................ III. Koppelungsverbot . ............................................. IV. Vorbehalt des Gesetzes . ........................................
293 294 295 296 298 300 301 338 368 376
Inhaltsübersicht
9
V. Vorrang des Gesetzes ........................................... . 402 VI. Gesetzgebungskompetenz ........................................ 409 VII. Verwaltungskompetenz .......................................... 441 C. Bindungen des einfachen Rechts ..................................... . I. Haushaltsrecht ................................................. . 11. Vergaberecht ................................................... III. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ........................ . IV. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb .......................... V. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ...................... VI. Bürgerliches Gesetzbuch ........................................ .
446 446 450 498 532 538 546
Zusammenfassung der Ergebnisse und rechtspolitische Bewertung . ....... 547 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................... 547
B. Rechtspolitische Bewertung .......................................... 555 Literaturverzeichnis ................................................... 558 Sachwortverzeichnis ................................................... 582
Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................
37
A. Die Diskussion um die sogenannten beschaffungsfremden Kriterien ....... 37 I. Beispielsfälle ................................................... 37 11. Die Diskussion im Zuge der Beratung des Vergaberechtsänderungsgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 B. Wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge und Entwicklung des Vergaberechts ......................................................... 45 I. Wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge .................... 46 11. Europäische und internationale Harmonisierung des Vergaberechts .... 47 III. Umsetzung der EG-Richtlinien in Deutschland ..................... 49 IV. Folgen für die sogenannten beschaffungsfremden Kriterien.. . . .. . . . .. 55 C. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Untersuchung.. I. Begriffsklärungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung ........................
55 55 58
1. Teil
Begriff und Arten der sogenannten beschaffungsfremden Kriterien
60
1. Kapitel Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien" A. Die Problematik des Begriffs ......................................... I. Herkunft des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Doppelte Unklarheit des Begriffs ................................. 1. Beschriebener Tatbestand ..................................... 2. Rechtsfolge der Klassifizierung ................................ 111. Ergebnis .......................................................
60 60 60 62 62 65 66
B. Das Sachproblem: Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung ............................................................... 67 I. Unterscheidung "neutrale" versus "politisierte" Beschaffung ......... 67 11. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdefinition .............. 69 1. Relativität jedes "Bedarfs" .................................... 69 2. Politische Implikation jeder öffentlichen Beschaffung ............ 69
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Inhaltsverzeichnis 3. Verfolgung zusätzlicher Zielsetzungen durch die Beschaffung als solche ...................................................... 4. Einbeziehung von Gesichtspunkten des Umweltschutzes und des fairen Handels ............................................... 5. Zusammenfassung und rechtliche Folgerungen.. . . .. . . ... . . .. . . .. III. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdeckung ............... 1. Ansatzpunkte der Einbeziehung politischer Zielsetzungen ......... 2. Zusammenfassung und rechtliche Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Ergebnis: Notwendige Differenzierungen und Relativierungen ........ 1. Differenzierungen ............................................ a) Bedarfsdefinitions- und Bedarfsdeckungsphase ............... b) Bloße Einbeziehung und Instrumentalisierung im eigentlichen Sinne.................................................... 2. Relativierungen ..............................................
71 72 74 75 75 77 79 79 79 80 81
2. Kapitel
Die Arten der sogenannten beschaffungsfremden Kriterien
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A. Politikbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Rechtliche Bedeutung der Unterscheidung nach Politikbereichen . . . . .. 11. Die einzelnen Politikbereiche .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Wirtschaftspolitik ............................................ 2. Sozialpolitik und Fiskalpolitik ................................. 3. Bekämpfung illegalen Verhaltens .............................. 4. Umweltpolitik, fairer Handel und Außenpolitik .................. 5. Ausschluß von Unternehmen mit "mißliebigen" Anschauungen ....
82 82 84 84 88 90 92 94
B. Rechtliche Gestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Anknüpfungspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Ansatzpunkt im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die einzelnen Ansatzpunkte ................................ aa) Bedarfsdefinition ...................................... bb) Leistungsbeschreibung ................................. cc) Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Teilung von Aufträgen in Lose ......................... ee) Wahl der Verfahrensart ................................ ff) Eignungsprüfung und Zuschlagserteilung ............. . . .. b) Abgrenzung zwischen Bedarfsdefinition, Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen .................................. aa) Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung ............. bb) Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen ......... . c) Folgerungen .............................................. 2. Spezifischer Anknüpfungspunkt: Leistung oder Eigenschaften resp. Verhaltensweisen des Unternehmens ............................
95 95 95 96 96 96 96 97 98 99 101 101 10 I 104 106
Inhaltsverzeichnis 3. Gesetzesaufgreifende und gesetzeserweiternde Anforderungen
13 107
11. Rechtsgrundlage ................................................ 109 1. Rechtsfonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Nonngeber und Geltungsbereich .............................. . 3. Einbeziehung politischer Zielsetzungen ohne besondere Rechtsgrundlage ................................................... III. Schwellenwertgrenze
110 111 112 112
2. Teil
Die rechtliche Zulässigkeit der Verwendung sogenannter beschatTungsfremder Kriterien
115
1. Kapitel Generelle Unzulässigkeit "beschafTungsfremder" Kriterien?
115
A. Befürworter einer generellen Unzulässigkeit ............................ 115 B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten ............... 117 I. EG-Primärrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117 11. Verfassungsrecht 120 2. Kapitel Europarechtliche Bindungen und völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaften A. Bindungen des EG-Primärrechts ...................................... I. Überblick über die in Betracht kommenden Vorschriften ............. 11. Wettbewerbsregein für Unternehmen .............................. 1. Unternehmen ............................................... . a) Der Begriff "Unternehmen" i.S.d. Wettbewerbsregeln ......... b) Öffentliche Auftraggeber als "Unternehmen" i.S.d. Wettbewerbsregeln? ............................................. aa) Gebietskörperschaften ................................. (1) Erfordernis einer zumindest organisatorischen Verselbständigung? ....................................... (2) Erfassung der Nachfrage für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten? ........................................... bb) Sonstige öffentliche Auftraggeber ......... . ............. c) Ergebnis ................................................. 2. Beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanter Markt ......................................... b) Beherrschende Stellung ....................................
123 124 124 126 127 127 130 130 130 132 135 137 137 138 138
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Inhaltsverzeichnis aa) Keine pauschal anzunehmende Marktbeherrschung öffentlicher Auftraggeber .................................... . bb) Marktbeherrschende Stellung mehrerer öffentlicher Auftraggeber gemeinsam ..................................... c) Auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben ................................................ d) Mögliche Fälle einer Marktbeherrschung öffentlicher Auftraggeber ...................................................... 3. Mißbrauch .................................................. a) Grundsätze zur Auslegung, insbs. zur Berücksichtigung öffentlicher Interessen .......................................... b) Einzelbewertung .......................................... 4. Eignung zur Hande1sbeeinträchtigung .......................... 5. Bedeutung des Art. 86 I (90 I a. F.) EGV im vorliegenden Zusammenhang .................................................... 6. Ergebnis .................................................... III. Beihilfevorschriften ............................................. 1. Das Problem ................................................ 2. Verhältnis der Beihilfevorschriften zu den Grundfreiheiten, insbs. zur Warenverkehrsfreiheit ..................................... a) Rechtsprechung des EuGH ................................. aa) Das Urteil im Fall Du Pont ............................ bb) Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH .............. (1) Das Urteil im Fall Iannelli .......................... (2) Abkehr vom Urteillannelli ......................... b) Bewertung ............................................... aa) Beihilfen als Spezialfall handelsbeeinträchtigender Maßnahmen ................................................. bb) Unterschiede zwischen den Art. 87 ff. und Art. 28 ff. EGV cc) Ausnahmsweise Prüfung einzelner Bestandteile am Maßstab der Grundfreiheiten? ................................... 3. Bevorzugungen im öffentlichen Auftragswesen als Beihilfe ....... a) Vorteilsgewährung ........................................ aa) Beihilfe als Gewährung eines Vorteils ohne adäquate Gegenleistung ........................................... bb) Qualifikation von Bevorzugungsrege1ungen als Vorteilsgewährung i.d.S ......................................... cc) Qualifikation von Tariftreueregelungen als Vorteilsgewährung i.d.S.? .......................................... b) Staatliches Finanzopfer .................................... c) Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige ................................................... d) Zurechenbarkeit an den Staat .............................. .
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Inhaltsverzeichnis
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4. Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt .................... . a) Wettbewerbsverflilschung .................................. b) Handelsbeeinträchtigung ................................... c) Ausnahmen nach Art. 87 11, III (92 11, III a.F.) EGV .......... 5. Anmeldepflicht .............................................. 6. Ergebnis .................................................... IV. Grundfreiheiten ................................................ . 1. Anwendungsbereich und Gehalt der Grundfreiheiten ............. a) Einschlägige Vorschriften .................................. aa) Allgemeines Diskriminierungsverbot des Art. 12 I (6 I a. F.) EGV? ............................................... bb) Grundfreiheiten ....................................... b) Anwendungsvoraussetzungen der Grundfreiheiten ............ . aa) Öffentliche Auftraggeber als Adressaten der Grundfreiheiten .................................................. bb) Vergabe öffentlicher Aufträge als den Grundfreiheiten unterliegendes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenzüberschreitender Bezug .......................... . c) Gehalt der Grundfreiheiten ................................. aa) Gewährleistungen (Tatbestandliche Reichweite) ........... (1) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beschränkungsverbot .............................. (3) Einschränkungen der tatbestandlichen Reichweite ..... (4) Einschränkungen der tatbestandlichen Reichweite im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens ......... a) Beschaffungsregelungen als "Verkaufsmodalitäten" im Sinne der Keck-Rechtsprechung? .............. 13) Berücksichtigung der "Beschaffungsautonomie" .... bb) Schranken ........................................... . (1) Geschriebene Schranken ............................ (2) Ungeschriebene Schranken ......................... cc) Wirkungen der Grundfreiheiten ......................... 2. Bedeutung der Grundfreiheiten für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ................. . a) Keine spezifische Bedeutung für gesetzesaufgreifende Kriterien b) Bedeutung des Verbotes offener Diskriminierungen ........... c) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Leistungsbeschreibung ................................. aa) Grundsätzliche Freiheit der Auftraggeber ................. bb) Einschränkungen aus Sekundärrecht ..................... cc) Rechtfertigungsgründe ................................. d) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Auswahl der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Strukturpolitik, insbesondere Regionalförderung ..........
170 170 170 171 172 174 175 176 176 176 177 179 179 179 181 183 183 183 184 185 186 186 188 191 191 191 191 192 192 193 194 194 195 197 198 198
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Inhaltsverzeichnis (1) Rechtsprechung des EuGH ......................... 198
(2) Strukturpolitische Regelungen in der Bundesrepublik .. bb) Sozialpolitik .......................................... e) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Auferlegung von Vertragsbedingungen ................... f) Insbesondere: Die Tariftreueerklärungen ..................... aa) Einschlägige Grundfreiheit ............................. (1) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Arbeitnehmerfreizügigkeit? ......................... (3) Folgen, die sich bei Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben würden .......................... bb) Mindestlohnvorschriften und Dienstleistungsfreiheit ....... cc) Tariftreueerklärungen und Dienstleistungsfreiheit ......... (1) Gesetzesaufgreifende Tariftreueerklärungen ........... a) Vereinbarkeit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie mit dem EG-Vertrag ............................ ß) Verfassungsmäßigkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ....................................... y) Vereinbarkeit der gesetzesaufgreifenden Tariftreueerklärungen mit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie . (2) Gesetzeserweitemde Tariftreueerklärungen ........... a) Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit ....... ß) Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie .......................................... 3. Folge: Dilemma der Mitgliedstaaten ............................ a) Begrenzung auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug ...................................................... b) Anwendung auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte unter Beachtung der Grundfreiheiten .............................
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien ................................. I. Anwendungsbereich und Gehalt der EG-Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . 1. Die vier Koordinierungsrichtlinien der EG und ihr persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich ................................ 2. Überblick über die Regelungen der Richtlinien .................. a) Bau- und Lieferkoordinierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie ..... c) Besonderheiten der Sektorenkoordinierungsrichtlinie .......... 3. Verhältnis zu den Grundfreiheiten .............................. 4. Bedeutung von Richtlinien für das nationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . 11. Bedeutung der EG-Vergaberichtlinien für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung .................... . 1. Regelungsbereich der Richtlinien .............................. a) Erste Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen außerhalb des Regelungsbereichs ................................
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Inhaltsverzeichnis aa) Für diese Deutung angeführte Urteile - Beentjes, Schulgebäude - und Argumente ............................... bb) Nicht mit dieser Deutung vereinbare Urteile .............. b) Zweite Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen teilweise innerhalb des Regelungsbereichs ...................... c) Dritte Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen von den Richtlinien grundsätzlich verboten .......................... d) Ergebnis ................................................. 2. Die Begrenzungen der Richtlinien für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen im einzelnen ................................... a) Leistungsbeschreibung ..................................... aa) Bezugnahme auf Normen bei der Festlegung der technischen Spezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begriff der technischen Spezifikationen .............. (2) Zu verwendende Spezifikationen .................... bb) Verbot der Erwähnung von Erzeugnissen einer bestimmten Produktion etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis ............................................. b) Vergabe nach Losen ....................................... c) Wahl der Verfahrensart und Vorfeld der Auswahl der zur Teilnahme an einem nicht offenen oder Verhandlungsverfahren aufzufordernden Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahl der Verfahrensart ................................ bb) Vorfeld der Auswahl der zur Teilnahme an einem nicht offenen oder Verhandlungsverfahren aufzufordernden Unternehmen .............................................. d) Auswahl der zur Teilnahme an einem nicht offenen oder Verhandlungsverfahren aufzufordernden Unternehmen ............ aa) Bau-, Liefer- und Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie .. bb) Sektorenkoordinierungsrichtlinie ........................ e) Zulassung der Unternehmen zur Wertung der Angebote im offenen Verfahren ............................................ aa) Bau-, Liefer- und Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie .. (1) Abschließender Charakter der Bestimmungen? ........ (2) Berücksichtigung politischer Zielsetzungen i. R. der Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sektorenkoordinierungsrichtlinie ........................ f) Zuschlagserteilung ........................................ aa) Zuschlagskriterien .................................... . (1) Niedrigster Preis oder wirtschaftlich günstigstes Angebot ............................................... (2) Ausnahmen ....................................... a) Stand-still-Ausnahme bei Bevorzugungen .......... 13) Ausgelaufene Ausnahme für strukturpolitisch begründete Bestimmungen ........................ . 2 Meyer
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Inhaltsverzeichnis y) Außenhandelspolitisch begründete Ausnahme ...... 267 Ö) Ausnahmen in früheren Fassungen der Richtlinien . . bb) Berücksichtigung politischer Zielsetzungen i. R. des Kriteriums des wirtschaftlich günstigsten Angebots? ........... cc) Ungewöhnlich niedrige Angebote ....................... g) Vertragsbedingungen ...................................... aa) Bau-, Liefer- und Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie .. (1) Aufstellung von Vertragsbedingungen ................ (2) Ausschluß wegen fehlender Eignung zur Erfüllung .... (3) Ausschluß wegen vergangener Verstöße .............. bb) Sektorenkoordinierungsrichtlinie ........................ h) Insbesondere: Die Tariftreueerklärungen ..................... aa) Ausschlußgrund der fehlenden Angabe zu Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen ................... . bb) Voraussetzungen für den Ausschluß ..................... cc) Abschließender Charakter der Vorschrift? ................ 3. Ergebnis .................................................... a) Bau-, Liefer- und Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie ...... b) Besonderheiten der Sektorenkoordinierungsrichtlinie .......... c) Bewertung ...............................................
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C. Völkerrechtliche Verträge ............................................ 1. EWR-Abkommen, Europa-Abkomrnen und bilaterale Beschaffungsabkommen ....................................................... H. Agreement on Government Procurement (GPA) .................... III. Exkurs: UNCITRAL-Modellgesetz ................................ IV. Bedeutung der Internationalisierung für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel Bindungen des nationalen Rechts
A. Der Standort des öffentlichen Auftragswesens zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht ..................................................... 1. Konzeptionen grundrechtlich nicht oder nur mittelbar gebundenen privatrechtlichen Handeins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Konzeptionen grundrechtlich gebundenen privatrechtlichen Handeins .. III. Öffentlich-rechtliche Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme ..................................................
293 293 294 295 296 298
B. Bindungen des Verfassungsrechts ..................................... 300 1. Freiheitsgrundrechte ............................................ . 301 1. Grundrechte konkurrierender Unternehmen ...................... 301
Inhaltsverzeichnis
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a) Schutz der Möglichkeit zur Teilhabe an öffentlichen Aufträgen durch die Berufsfreiheit? ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 aa) Ansicht Hubers: Anspruch auf Möglichkeit zur Teilhabe an öffentlichen Aufträgen ................................ . 303 bb) Judikatur des BVerfG und des BVerwG .................. cc) Untersuchung der Hubers Ansicht zugrundeliegenden Prämisse ................................................ b) Situation bei Nachfragemonopol oder marktbeherrschender SteIlung als Nachfrager ....................................... c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Auftragssperre ......
305
d) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit durch Subventionselemente? e) Ergebnis ................................................. 2. Grundrechte der Auftragnehmer ............................... a) Verhaltensbezogene Bevorzugungs- und Ausschlußregelungen . .
314 317 317 317
306 308 311
b) Vertragsbedingungen ...................................... 318 aa) Problemstellung ....................................... bb) Die "privatrechtliche Lösung" Osterlohs ................. cc) Grundrechtsverzicht? .................................. (1) Vergleich mit der Situation bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ......................................... (2) Vergleich mit der Situation bei Verhaltenspflichten für Subventionsempfänger ............................. (3) Leitlinien zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ....................................... c) Ergebnis .................................................
318 320 321 321 323 326 329
3. Sonderfall: Tariftreueerklärungen .............................. 329 a) Koalitionsfreiheit ......................................... 329 aa) Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit .................. bb) Gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen ............... cc) Gesetzesaufgreifende Tariftreueerklärungen .............. b) Demokratieprinzip ........................................
330 333 335 336
c) Berufsfreiheit ............................................. d) Ergebnis ................................................. 11. Gleichheitsgrundrechte .......................................... 1. Art. 3 III S. 1 GG ............................................ a) Frauenförderung ..........................................
337 338 338 338 339
b) c) d) e)
Bevorzugung von Spätaussiedlern .......................... . Bevorzugung von Ortsansässigen ........................... Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . Schutzerklärungen gegen Scientology ....................... f) Ergebnis .................................................
2*
341 343 344 344 347
20
Inhaltsverzeichnis 2. Art. 3 I GG ................................................. a) Ungleichbehandlungen innerhalb des Bereichs öffentlicher Auftragsvergabe .............................................. aa) Generelle Zulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien nach Art. 3 I GG ...................................... bb) Eignungs- und Zuschlagskriterien ....................... (1) Prüfungsmaßstab .................................. (2) Bevorzugungsregelungen ........................... (3) Ausschlußregelungen .............................. (4) Maßstab bei Verwaltungsvorschriften ................ cc) Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung ............. (1) Art. 3 I GG als objektives Recht .................... (2) Art. 3 I GG als subjektives Recht ................... dd) Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertragsbedingungen im allgemeinen ................ (2) Insbesondere: Gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen .............................................. ee) Verfahrensart ......................................... ff) Ergebnis ............................................. b) Ungleichbehandlungen im Verhältnis zum Bereich außerhalb öffentlicher Auftragsvergabe ................................. aa) Subventionselemente .................................. bb) Sanktionierung bestehender Rechtspflichten .............. cc) Statuierung zusätzlicher Anforderungen ................. . dd) Ergebnis ............................................. III. Koppelungsverbot .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung und Literatur zum Koppelungsverbot ............ 2. Ausgrenzung der anderen Grundsätzen bzw. Normen zuzurechnenden Aspekte ................................................. 3. Verbleibende Bedeutung des Koppelungsverbotes für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ... a) Prüfungsmaßstab .......................................... b) Gesetzesaufgreifende Anforderungen ........................ c) Gesetzeserweiternde Anforderungen ......................... 4. Ergebnis .................................................... IV. Vorbehalt des Gesetzes .......................................... 1. Allgemeiner Gesetzesvorbehalt ................................ a) Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte .................... aa) Reichweite des allgemeinen Gesetzesvorbehalts .......... . bb) Bedeutung für die öffentliche Beschaffung ............... (1) Gesetzesvorbehalt aus Art. 3 I GG? .................. a) Gesetzesvorbehalt bei Abweichung von "neutralen" Kriterien? .....................................
347 347 347 348 348 351 353 354 354 354 357 359 359 360 362 363 363 363 364 365 367 368 368 370 371 371 373 375 376 376 377 377 378 380 381 382
Inhaltsverzeichnis
ß)
Gesetzesvorbehalt aufgrund der Grundrechte als Verfahrensgarantien? ............................ (2) Gesetzesvorbehalt aus Art. 3 III S. 1 GG ............. (3) Gesetzesvorbehalt aufgrund Wesentlichkeit außerhalb von Grundrechtseingriffen .......................... a) Leistung oder Lenkung durch öffentliche Aufträge? . ß) Faktische Bedeutung öffentlicher Aufträge für interessierte Unternehmen und für die öffentlichen Haushalte .......................................... y) Vergleich mit dem Gesetzesvorbehalt bei Subventionen? .......................................... Ö) Zwischenergebnis .............................. 1':) Praktische Hindernisse? ......................... t) Ersatz durch Verdingungsordnungen und Selbstbindung der Verwaltung? .......................... . lj) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Reichweite des Gesetzesvorbehalts für die öffentliche Beschaffung im einzelnen ................................ (1) Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung ......... (2) Frage der Teilung in Lose ......................... . (3) Wahl der Verfahrensart ............................. (4) Eignungs- und Zuschlagskriterien .................... (5) Vertragsbedingungen ............................... dd) Ergebnis ............................................. b) Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte .................... . 2. Institutionell-organisatorischer Gesetzesvorbehalt bei Verpflichtung der Gemeinden .............................................. a) Verpflichtung der Gemeinden auf das Vergaberecht ........... b) Gesetzesvorbehalt bei Verpflichtung auf die Einbeziehung politischer Zielsetzungen ....................................... V. Vorrang des Gesetzes ............................................ 1. Gesetzesaufgreifende Anforderungen ........................... 2. Gesetzeserweiternde Anforderungen ........................... . a) Gesetzeserweiternde Anforderungen im allgemeinen .......... b) Insbesondere: Gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen ...... 3. Ergebnis .................................................... VI. Gesetzgebungskompetenz ........................................ 1. Das Problem ................................................ 2. Beschaffungsgesetzgebungskompetenz ......................... . a) Art. 74 I Nr. 1 GG: Bürgerliches Recht ...................... b) Art. 74 I Nr. 16 GG: Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung ............................................ c) Art. 74 I Nr. 11 GG: Recht der Wirtschaft ................... aa) Bedeutung des Klammerzusatzes der Nr. 11 ..............
21
383 384 385 385 386 387 388 388 389 390 390 391 392 392 393 394 396 396 398 398 400 402 402 405 405 407 409 409 409 410 411 411 412 412
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Inhaltsverzeichnis bb) Ansatzpunkt für die Zuordnung ......................... cc) Qualifikation der öffentlichen Auftragsvergabe als wirtschaftliche Tätigkeit? .................................. dd) Kein Sonderrecht für die öffentliche Hand ............... ee) Ergebnis ............................................. d) Art. 84 I, 85 I GG: Regelung des Verwaltungsverfahrens ...... e) Kompetenz zur Regelung des Haushaltsrechts ................ aa) Art. 109 III GG: Grundsätze für das Haushaltsrecht ....... bb) Ungeschriebene Kompetenzen .......................... f) Ergebnis ................................................. 3. Kompetenz zur Regelung der Einbeziehung politischer Zielsetzungen ......................................................... a) Primär maßgebliche Kompetenz: Beschaffungsgesetzgebungskompetenz ............................................... aa) Auffassung des BGH: Maßgeblichkeit der Sachgesetzgebungskompetenz ...................................... bb) Zuordnung nach der historischen Zugehörigkeit ........... cc) Zuordnung nach der wesensmäßigen Zugehörigkeit ....... b) Zusätzliches Erfordernis der Sachgesetzgebungskompetenz? .... aa) Argumente gegen zusätzliches Erfordernis der Sachgesetzgebungskompetenz .................................... bb) Argumente für zusätzliches Erfordernis der Sachgesetzgebungskompetenz ...................................... cc) Vorliegen einer "Sachrege1ung im Gewand einer Beschaffungsregelung"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermeidung von Konflikten zwischen Sachregelungen und Beschaffungsregelungen ............................... c) Ergebnis ................................................. 4. Verhältnis von Gesetzen zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung zu den allgemeinen privatrechtlichen Gesetzen .............................................. a) Das Problem ............................................. b) Anwendbarkeit und Kompetenzgemäßheit der jeweiligen Regelungen ................................................... aa) § 1 12 VgG BIn ...................................... bb) §§ 20 und 14 GWB ................................... cc) Ergebnis: Vorliegen einer Doppelkompetenz? ............. c) Lösung etwaiger Konflikte ................................. aa) Das Problem .......................................... bb) Lösung bei § 14 GWB: Kompetenzausübungsschranken ... cc) Lösung bei § 20 I GWB: Einbeziehung in die Auslegung der Norm ............................................ d) Bedeutung des § 97 IV Hs. 2 GWB in diesem Konfliktfeld .... e) Ergebnis .................................................
413 413 415 415 416 417 417 417 418 419 419 419 421 421 423 424 425 426 427 428 429 429 431 431 431 432 434 434 435 436 438 440
Inhaltsverzeichnis
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VII. Verwaltungskompetenz .......................................... 1. Beschaffungskompetenz im allgemeinen ........................ 2. Kompetenz zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen im besonderen ......................................................... 3. Behördenzuständigkeit ........................................
441 442
C. Bindungen des einfachen Rechts ...................................... I. Haushaltsrecht ................................................. . 1. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ................ 2. Grundsätze der Haushaltsklarheit und der Spezialität ............. 11. Vergaberecht ................................................... 1. Oberhalb der Schwellenwerte: GWB-Vergaberecht ............... a) § 97 IV Hs. 2 GWB: "andere oder weitergehende Anforderungen [... ] an Auftragnehmer" ................................ aa) Tatbestand ........................................... (1) Anforderungen an die Leistung? ..................... (2) Teilung von Aufträgen in Lose? ..................... (3) Wahl der Verfahrensart? ............................ (4) Zuschlagserteilung? ................................ (5) Verbleibender Anwendungsbereich ................... a) Vertragsbedingungen ............................ ß) Bevorzugungen bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. zu Verhandlungen ................... y) Zusätzliche Ausschlußgründe .................... (6) Abgrenzung der Anforderungen nach § 97 IV Hs. 2 von § 97 IV Hs. 1 GWB ............................... a) Begriff der "anderen oder weitergehenden" Anforderungen i. S. d. Hs. 2 ............................. ß) Abgrenzung zur Zuverlässigkeit i. S. d. Hs. 1 ....... bb) Rechtsfolge ........................................... (1) Anforderungen des Gesetzesvorbehalts ............... a) Begriff des Gesetzes i. S. d. § 97 IV Hs. 2 GWB ... ß) Reichweite des Parlamentsvorbehalts ............. (2) Bedeutung des Gesetzesvorbehalts ................... a) Erfordernis eines Gesetzes ....................... ß) Zulassung anderer oder weitergehender Anforderungen ........................................... cc) Ergebnis ............................................. b) Weitere Vorschriften der §§ 97 ff. GWB ..................... aa) § 97 III GWB: Berücksichtigung mittelständischer Interessen .................................................. (1) Reichweite des Berücksichtigungsauftrags ............ (2) Verhältnis zu § 97 V GWB ......................... (3) Verhältnis zu § 97 IV Hs. 2 GWB ...................
446 446 447 449 450 451
443 445
452 452 452 453 454 454 456 456 458 458 459 459 460 464 464 464 466 468 468 469 470 471 471 471 472 473
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Inhaltsverzeichnis (4) Verhältnis zu § 97 11 GWB ......................... bb) § 97 V GWB: Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot ............................................. cc) § 9711 GWB: Gleichbehandlungsgebot .................. dd) § 97 I GWB: Wettbewerbsprinzip und Transparenzgebot ... (1) Wettbewerbsprinzip ................................ (2) Transparenzgebot .................................. ee) § 101 GWB: Verfahrensarten ........................... ff) Ergebnis ............................................. c) Vereinbarkeit der einzelnen Ansatzpunkte für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen mit dem GWB-Vergaberecht ......... aa) Überblick über Aufbau und Anwendungsbereich der Verdingungsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Untersuchung der einzelnen Ansatzpunkte für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen ......................... . (1) Leistungsbeschreibung ............................. (2) Teilung von Aufträgen in Lose ...................... (3) Wahl der Verfahrensart ............................. (4) Bevorzugungen bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. zu Verhandlungen ........................ (5) Ausschlußgründe .................................. (6) Zuschlagserteilung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Vertrags bedingungen .............................. . 2. Unterhalb der Schwellenwerte: Verdingungsordnungen als Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über den rechtlichen Rahmen ..................... b) Gesetzlicher Vorrang der öffentlichen Ausschreibung .......... c) Die Bestimmungen der Verdingungsordnungen ............... 3. Ergebnis .................................................... III. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ........................ . 1. Anwendbarkeit des GWB auf die öffentliche Beschaffung ........ a) Vierter Teil des GWB (§§ 97 ff. GWB) als abschließende Sonderregelung? ............................................. b) Herrschende Auffassung: Öffentliche Auftragsvergabe als unternehmerische Tätigkeit ..................................... c) Untersuchung der Einordnung als unternehmerische Tätigkeit .. aa) Erfordernis einer zumindest organisatorischen Verselbständigung? ............................................. . bb) Kartellrechtliche Verfügungen und Bußgeldbescheide gegen andere Behörden? ..................................... cc) Erfassung der Nachfrage für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten? ............................................... dd) Ergebnis ............................................. 2. Diskriminierungs- und Behinderungsverbot, § 20 I GWB .........
474 474 475 478 478 479 480 480 481 482 483 483 485 487 487 488 488 489 491 491 493 494 497 498 499 499 500 503 504 504 505 507 508
Inhaltsverzeichnis
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a) Norrnadressaten ..................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Marktbeherrschende Unternehmen ....................... bb) Marktstarke Unternehmen .............................. b) Gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr ............................................ c) Unbillige Behinderung oder unterschiedliche Behandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund ............................ . aa) Behinderung oder unterschiedliche Behandlung ........... bb) Unbilligkeit bzw. Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätze ....................................... a) Interessenabwägung, insbesondere Berücksichtigung öffentlicher Interessen . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Bedeutung der Verdingungsordnungen im Rahmen der Vorschrift .................................. (2) Einzelne Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen .............................................. a) Bevorzugungsregelungen ........................ ß) Ausschlußregelungen ........................... y) Wahl der Verfahrensart und Bevorzugungen bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . Ö) Vertragsbedingungen ............................ cc) Insbesondere: Die Tariftreueerklärungen ................. (1) Gesetzesaufgreifende Tariftreueerklärungen ........... (2) Gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen ........... a) Behinderung oder unterschiedliche Behandlung .... ß) Unbilligkeit der Behinderung .................... 3. Weitere relevante Vorschriften des GWB ........................ a) Mißbrauchsverbot, § 19 I, IV GWB ........................ . b) Preis- und Konditionenbindungsverbot, § 14 GWB ............ c) Sonstige ................................................. IV. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb .......................... 1. Anwendbarkeit des UWG auf die öffentliche Beschaffung ........ 2. Handeln im geschäftlichen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes ........................ 4. Verstoß gegen die guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis .................................................... V. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ................ , ..... 1. Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf die öffentliche Beschaffung .. 2. Überraschende Klauseln, § 305c I BGB n. F. (bisher § 3 AGBG) .. 3. Generalklausel, § 307 I, 11 BGB n. F. (bisher § 9 AGBG) ......... a) Schranken der Inhaltskontrolle gemäß § 307 III 1 BGB n. F. (bisher § 8 AGBG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltskontrolle nach § 307 1,11 BGB n.F. (bisher § 9 AGBG) .
508 508 511 512 512 513 514 514 515 519 521 521 522 524 524 525 525 525 525 526 529 529 530 531 532 532 533 534 535 537 538 538 539 539 539 541
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Inhaltsverzeichnis aa) Maßstab ............................................. bb) Vertragliche Pflichten ................................. . cc) Sanktionen ........................................... 4. Ergebnis .................................................... VI. Bürgerliches Gesetzbuch ........................................ .
541 542 544 545 546
Zusammenfassung der Ergebnisse und rechtspolitische Bewertung . ....... 547 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................... I. Begriff und Arten der sogenannten beschaffungsfremden Kriterien .... 11. Die rechtliche Zulässigkeit der Verwendung sogenannter beschaffungsfremder Kriterien ............................................... 1. Grundsätze ................................................. . 2. EG-Recht und Völkerrecht .................................... a) EG-Primärrecht .......................................... . b) EG-Vergaberichtlinien ..................................... c) Völkerrecht .............................................. 3. Nationales Recht ............................................. a) Verfassungsrecht ......................................... . b) Einfaches Recht .......................................... 4. Insbesondere: Die Tariftreueerklärungen ........................
547 547 548 548 548 548 549 550 550 550 552 553
B. Rechtspolitische Bewertung .......................................... 555 I. Rechtlicher Rahmen ............................................ . 555 11. Politische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Literaturverzeichnis ................................................... 558 Sachwortverzeichnis .................................................. . 582
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abk. ABI. Abs. Abschn. a.E. AEntG AEntRL a.F. AGB AGBG AliMBI. Alt. Altbd. amtl. Anm. AöR ArbuR Art. AuA Aufl. AVBWasserVO BAG BAGE BAnz BauR BaWü bay. BayBauVG BayJustizMBI. BayObLG BayObLGZ BayVBI.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Abkommen Amtsblatt Absatz Abschnitt am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Ministerialblatt der Bayerischen Staatsregierung Alternative Altband amtlich Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeit und Recht Artikel Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Baurecht Baden-Württemberg bayerisch Bayerisches Bauaufträge-Vergabegesetz Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichtes in Zivilsachen Bayerische Verwaltungsblätter
28 BB Bbg. Bd. BDI bearb. Bearb. BEG Begr. BehSplVgR Bekanntm. ber. bes. Beschl. betreff. BetrVG BEvakG BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BlmSchG BIP BKartA
BKR
BLand BMA BMBau BMin BMVBau BMWi BoeB BPost BRat BReg. BRTV-Bau Bsp. bspw. BT BUrlG BVerfG BVerfGE
Abkürzungsverzeichnis Der Betriebs-Berater Brandenburg Band Bundesverband der Deutschen Industrie bearbeitet Bearbeiter Bundesentschädigungsgesetz Begründer Bonner Behörden Spiegel/VergabeRecht (Fortführung der VgR, s. unten, als Teil des Behörden Spiegels) Bekanntmachung berichtigt besonders Beschluß betreffend Betriebsverfassungsgesetz Bundesevakuiertengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bundes-Imrnissionsschutzgesetz Bruttoinlandsprodukt Bundeskartellamt Baukoordinierungsrichtlinie Bundesland Bundesminister(ium) für Arbeit und Sozialordnung Bundesminister(ium) für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesrninister(ium) Bundesminister(ium) für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Bundesminister(ium) für Wirtschaft Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (Schweiz) Bundespost Bundesrat Bundesregierung Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Beispiel beispielsweise Bundestag Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Abkürzungsverzeichnis BVergG BVerwG BVerwGE BVFG bzgl. bzw. c.i.c. CMLR DB dens. ders. dgl. d.h. dies. DIHT Diss.
DKR
DM DÖV Drs. dt. Dtl. dtv DV DVBl. DVO DZWir EAGV ebd. ECU EEA EFTA EG EGBGB EGKSV EGV ELR endg. Erl. EU EuG EuGH
29
Bundesvergabegesetz (Österreich) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesvertriebenengesetz bezüglich beziehungsweise culpa in contrahendo Cornrnon Market Law Review Der Betrieb denselben derselbe dergleichen das heißt dieselbe, dieselben Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Drucksache deutsch Deutschland Deutscher Taschenbuch Verlag Datenverarbeitung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft ebenda European Currency Unit Einheitliche Europäische Akte European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Law Review endgültig Erlaß Europäische Union Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
30 EuR EUV EuVgR EuZW e.V. EWG EWGV EWiR EWR EWS f. ff. FFV Fn. Fortf. FrauFöV FrFG FS FSC
G
GATS GATT geänd. gern. GemHVO GemO GewO
GG
ggf. GMBI. GO GPA grds. GRUR GVBI. GWB GWB-E hess. HGrG h.M. hrsg. Hrsg.
Abkürzungsverzeichnis Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäisches Vergaberecht (Fortführung ab Heft 411996: VgR, s. u.) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäische Wirtschafts gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende (Seite) folgende (Seiten) Frauenförderverordnung Fußnote Fortführer Frauenförderverordnung Frauenfördergesetz Festschrift Forest Stewardship Council Gesetz (in Zusammensetzungen) General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade geändert gemeinsam Gemeindehaushaltsverordnung Gemeindeordnung Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsames Ministerialblatt Gemeindeordnung Agreement on Government Procurement grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB-Gesetzentwurf hessisch Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Meinung herausgegeben Herausgeber
Abkürzungsverzeichnis Hs. i.d.F. i.d.S. i.e. i.E. IG insbs. insgs. i.S. i.S.d. i.S. v. i.V.m. i.w.S. JA Jb. Jb. BauR Jura JuS JWT JZ Kap. Kfz KG KJ KMU KOM
KR
krit. KrW-/AbfG KVM-V LAbfG LADG LG LGG LHO lit. Lit.
LKR
LQR LReg. LSA I. Sp. LVerf.
Halbsatz in der Fassung in diesem Sinn id est im Ergebnis Industriegewerkschaft insbesondere insgesamt im Sinne im Sinne des, im Sinne der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Jahrbuch Baurecht Juristische Ausbildung Juristische Schulung Journal of World Trade Juristenzeitung Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht (Berlin) Kritische Justiz Kleine und mittlere Unternehmen Kommission der Europäischen Gemeinschaften Koordinierungsrichtlinie kritisch Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern Landesabfallgesetz Landesantidiskriminierungsgesetz Landgericht Landesgleichstellungsgesetz Landeshaushaltsordnung litera Literatur Lieferkoordinierungsrichtlinie The Law Quarterly Review Landesregierung Land Sachsen-Anhalt linke Spalte Landesverfassung
31
32 m.Anm. m.a.W. MBau MBl. MBl.Wi m.E. MI Mio. Mitt. MittVw m.N. mod. Mrd. MUmw MV MVk MWi m.w.N. Nachw. nds. Nds.
n.P.
NGemHVO NGO NJW NJW-RR No. NpV Nr. nrw. NRW NVwZ NVwZ-RR NW NZBau o. OLG o.V. OVG PPLR R RdA RdErl.
Abkürzungsverzeichnis mit Anmerkung mit anderen Worten Minister(ium) für Bauen und Wohnen (Land) Ministerialblatt Ministerialblatt des BMWi meines Erachtens Innenminister(ium) (Land) Million Mitteilung Mitteilungen für die Verwaltung mit Nachweisen modifiziert Milliarde Minister(ium) für Umwelt (Land) Mecklenburg-Vorpommern Verkehrsminister(ium) (Land) Wirtschaftsminister(ium) (Land) mit weiteren Nachweisen Nachweise niedersächsisch Niedersachsen neue Fassung Niedersächsische Gemeindehaushaltsverordnung Niedersächsische Gemeindeordnung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Number Nachprüfungsverordnung Nummer nordrhein-westfälisch Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NV wZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht oder Oberlandesgericht ohne Verfasser Oberverwaltungsgericht Public Procurement Law Review Recht (in Zusammensetzungen) Recht der Arbeit Runderlaß
Abkürzungsverzeichnis recht!. Reg. rh.-pf. RIW RIW/AWD RL RMC RMR Rn. Rs. r. Sp. Rspr. s. S. SaarBauVG saar!. SächsGemHVO SächsGemO SächsVB!. sc. SchwarzArbG SchwbG SchwbschG SGB SKR Sig. s.o. sog. SozSich Sp. SPD SRMR Staatsreg. StAnz Sten.Ber. st. Rspr. StWG s.u. SZR thür. ThürGemHV ThürGleichG 3 Meyer
33
rechtlich Regierung rheinland-pfälzisch Recht der Internationalen Wirtschaft RIW I Außenwirtschaftsdienst Richtlinie Revue du marche communl seit 1991: Revue du marche commun et de l'union europeenne Rechtsmittelrichtlinie Randnummer Rechtssache rechte Spalte Rechtsprechung siehe Seite Saarländisches Bauaufträge-VergabeG saarländisch Gemeindehaushaltsordnung für den Freistaat Sachsen Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen Sächsische Verwaltungsblätter scilicet Schwarzarbeitsgesetz Schwerbehindertengesetz Schwerbeschädigtengesetz Sozial gesetzbuch Sektorenkoordinierungsrichtlinie Sammlung der Entscheidungen des EuGH und des EuG siehe oben sogenannt Soziale Sicherheit Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sektorenrechtsmittelrichtlinie Staatsregierung Staatsanzeiger Stenographische Berichte ständige Rechtsprechung Stabilitäts- und Wachstumsgesetz siehe unten Sonderziehungsrecht thüringisch Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung Thüringer Gleichstellungsgesetz
34 ThürKO TRIPs TVG Tz.
u.
u.a. UAbs. UNCITRAL UPR Urt. US USA UWG v. Var. VerwArch VG VgG Bin VGH vgl. VgR VgRÄG VgV VHB VK VO VOB VOF VOL Vorbem. Vorl. VV-BHO VÜA VVDStRL VwV VwVfG WBI. WiB WiVerw WRP
Abkürzungsverzeichnis Thüringer Kommunalordnung Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights Tarifvertragsgesetz Teilziffer und und andere, unter anderem Unterabsatz (auch für unbezifferte Absätze) United Nations Commission on International Trade Law Umwe1t- und Planungsrecht Urteil United States Uni ted States of America Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom, von; versus Variante Verwaltungsarchi v Verwaltungsgericht Berliner Vergabegesetz Verwaltungsgerichtshof vergleiche VergabeRecht (Fortführung von EuVgR, s.o.; ab 1011998: BehSp/ VgR, s.o.) Vergaberechtsänderungsgesetz Vergabeverordnung Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen Vergabekammer Verordnung Verdingungsordnung für Bauleistungen Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen Verdingungsordnung für Leistungen Vorbemerkung Vorläufige Verwaltungsvorschriften-BHO Vergabeüberwachungsausschuß Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsvorschrift Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftsrechtliche Blätter (Österreich) Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaft und Verwaltung Wettbewerb in Recht und Praxis
Abkürzungsverzeichnis WSI WTO WuW WuW/E z.B. ZB!. ZDH ZfBR ZHR Ziff. ZIP zit. ZRP z.T. zu!. zust. ZVgR
35
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb Wirtschaft und Wettbewerb/Entscheidungssammlung zum Kartellrecht zum Beispiel Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht Zentralverband des Deutschen Handwerks Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zuletzt zustimmend Zeitschrift für deutsches und internationales Vergaberecht
Einleitung A. Die Diskussion um die sogenannten beschaffungsfremden Kriterien
Das Problem der Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung wird in Deutschland zumeist unter dem Stichwort "beschaffungsfremde Kriterien"! diskutiert. Es geht dabei um die Frage, ob öffentliche Auftraggeber ihre Entscheidungen über die Vergabe von Aufträgen allein an "neutralen" Kriterien wie der Leistungsfähigkeit der Anbieter und Qualität und Preis der Leistung auszurichten haben, oder ob - bzw. inwieweit - auch andere, "politisch" detenninierte Kriterien (i. e. "beschaffungsfremde" Kriterien) einbezogen werden dürfen? Die Frage ist mit anderen Worten, ob bzw. inwieweit eine "Politisierung" der öffentlichen Beschaffung zulässig ist. I. Beispielsfälle
In der Bundesrepublik finden sich - ebenso wie in anderen Staaten3 zahlreiche Regelungen, die eine Berücksichtigung "beschaffungsfremder" 1 Synonym wird vielfach auch von "vergabefremden Kriterien" sowie von "beschaffungsfremden" bzw. "vergabefremden Aspekten" gesprochen. 2 Dies ist als vorläufige, an der aktuellen Diskussion orientierte Umschreibung des Problems zu verstehen. Was genau "beschaffungsfremde Kriterien" sind, ist nicht geklärt; auch ist der Begriff selbst problematisch, s. ausführlich unten, I. Teil, 1. Kap. 3 Für Beispiele aus anderen Staaten s. etwa für das Vereinigte Königreich S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 800 ff.; dies., LQR 111 (1995), 235 (236 ff.); für die USA J. Pietzcker, Staats auftrag (1978), S. 119 ff.; speziell zum Bereich Frauenförderung im Vereinigten Königreich und in den USA U. Knapp, WSI Mitteilungen 1990, 738 (741 ff.); für Südafrika (Bevorzugung diskriminierter Gruppen) M. M. Gabbert, RIW 2000, 613 ff.; für Österreich (Umweltschutz und Lehrlingsausbildung) S. Heid, WB!. 1998, 194 ff.; allgemein, insbs. aber für die Schweiz Ch. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 9 ff.; einzelne Beispiele aus verschiedenen EU-Staaten schließlich bei Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 30 u. 37 ff. passim. Vgl. außerdem die - im 2. Teil dieser Arbeit ausführlich besprochenen - Urteile des EuGH in den Rs. 31/87 - Beentjes, Sig. 1988, 4635 (Fall aus den Niederlanden); C-21/88 - Du Pont de Nemours, Slg. 1990 I, 889; C-360/89, Slg. 1992 I, 3401 (Fälle aus Italien); C-225/98 - Schulgebäude (NordPas-de-Calais), Slg. 2000 I, 7445 (Fall aus Frankreich).
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Aspekte bei der Auftragsvergabe vorschreiben. Als Schlaglicht darauf, was unter diesem Begriff diskutiert wird, seien hier einige der prominentesten Beispiele aus den letzten Jahren genannt. Einer der am meisten diskutierten Fälle ist die Frauenförderung mittels öffentlicher Auftragsvergabe: Das Land Brandenburg etwa schreibt vor, daß bei gleichwertigen Angeboten derjenige Bieter bevorzugt werden soll, "der sich der Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben angenommen hat".4 Über eine ganz ähnliche Regelung verfügt Sachsen-Anhalt. 5 Eine Verknüpfung von Frauenförderung und Auftragsvergabe in der Form, daß Auftragnehmer sich verpflichten müssen, Maßnahmen zur Frauenförderung durchzuführen, ist im Berliner Landesgleichstellungsgesetz vorgesehen. 6 Auch das saarländische7 und das thüringische8 Gleichstellungsgesetz nehmen sich in verschiedener Form des Themas an. Auf Bundesebene ist im Frühjahr 1998 ein Antrag von Bündnis 90IDie Grünen im Bundestag gescheitert, nach dem die damalige Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Koppelung der Auftragsvergabe an Frauenfördermaßnahmen aufgefordert werden sollte. 9 Der Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung vom Herbst 1998 sieht zwar unter Punkt VIII im Rahmen des Aktionsprogramms "Frau und Beruf' eine "Bindung der öffentlichen Auftragsvergabe an frauenfördernde Maßnahmen" vor. lO Dieses Vorhaben wird aber offensichtlich nicht mehr verwirklicht werden, nachdem das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft gescheitert ist. 11 Des weiteren wird die Vergabe öffentlicher Aufträge eingesetzt, um wirtschaftlich benachteiligte Regionen zu fördern. So sind in Sachsen-Anhalt Unternehmen aus "Regionen der Europäischen Union mit Entwicklungsrückstand" - das sind in Deutschland die neuen Bundesländer und Ostberlin 4 § 14 LandesgleichstellungsG (LGG) vom 4.7.1994, GVBl. I S. 254; i. V. m. FrauenförderVO (FrauFöV) vom 25.4.1996, GVBl. II S. 354; Zitat aus § 14 I LGG. s § 20a FrauenförderG (FrFG); eingefügt in das FrFG vom 7.12.1993, GVBl. S. 734, mit Gesetz vom 25.3.1997, GVBl. S. 460; Bekanntm. der Neufassung vom 27.5.1997, GVBl. S. 516. Die Regelung des Näheren durch eine Rechtsverordnung (s. § 20a II FrFG) ist bisher indes nicht erfolgt. 6 § 13 LGG; das LGG wurde erlassen als LandesantidiskriminierungsG vom 31.12.1990 (LADG), GVBl. 1991, S. 8; umbenannt in LandesgleichstellungsG mit Gesetz vom 13.4.1993, GVBl. S. 184; § 13 grundlegend neu gefaßt durch Gesetz vom 16.6.1999, GVBl. S. 341; i. V.m. FrauenförderVO (FFV) vom 23.8.1999, GVBl. S. 498. 7 § 27 LGG vom 24.4.1996, ABl. S. 623. 8 § 22 Thüringer GleichstellungsG (ThürGleichG) vom 3.11.1998, GVBl. S. 309. 9 BT-Drs. 13/9813 vom 6.2.1998; abgelehnt in der Sitzung des BT vom 23.4.1998, s. Sten.Ber. 13/230, S. 21027 (21127 (B». 10 s. ZRP 1998,485 (497). 11 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 04.07.2001, S. 5.
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besonders zu berücksichtigen. 12 Auf Bundesebene galten von 1991 an Bevorzugungsregelungen für Unternehmen aus den neuen Bundesländern und Ostberlin. 13 Sie wurden wegen eines von der EG-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens, das die mit dieser Bevorzugung verbundene Benachteiligung EG-ausländischer Unternehmen rügte, jedoch nicht weiter verlängert und liefen Ende 1995 aus. 14 Auch zahlreiche Länder hatten entsprechende Bestimmungen erlassen,15 welche aber ebenfalls nicht mehr in Geltung sind. Eine große Kontroverse haben schließlich die sog. Tariftreueerklärungen hervorgerufen. So verlangte etwa das Land Berlin von Auftragnehmern bei Bauaufträgen die Abgabe einer Erklärung, daß sie bei Auftragserteilung ihre Arbeitnehmer nicht unter den jeweils geltenden Berliner Tariflöhnen entlohnen werden. 16 Entsprechende Regelungen wurden auch in anderen Bundesländern erlassen. 17 Die Regelung sollte der "Wahrung eines geordneten Wettbewerbs" dienen, die Existenz der Berliner Bauunternehmen si12 RdEr!. des MWi vom 11.12.1995, MB!. S. 2461; verlängert bis 31.12.1998 durch RdEr!. des MWi vom 24.10.1996, MB!. S. 2438; bis 31.12.2000 durch RdEr!. des MWi vom 1.9.1998, MB!. S. 1995; bis 31.12.2002 durch RdEr!. des MWi vom 23.11.2000, MB!. S. 1439. Bei den "Regionen mit Entwicklungsrückstand" handelt es sich um die sog. Ziel-I-Gebiete im Sinne der EG-Strukturfonds-Verordnung, s. die Erläuterung unter Punkt 11. des RdEr!. des MWi LSA vom 16.7.1996, MB!. S. 2358 (Erlaß betreffend Leistungen von Architekten und Ingenieuren). 13 Erlaß des BMBau vom 26.6.1991, BAnz Nr. 124 (S. 4467) (zur VOB); Erlaß des BMWi vom 15.5.1992, BAnz Nr. 94 (S. 4153) (zur VOL); jeweils mit nachfolgenden Änderungen und Verlängerungen, s. zul.: Erlaß des BMWi vom 15.11.1993, BAnz Nr. 227 (S. 10455 (10456» (zur VOL); Erlaß des BMBau vom 14.10.1993, BAnz Nr. 201 (S. 9679) (zur VOB). 14 s. Meldung in EuVgR 2/1996, S. 133 und die Antwort der BReg. auf eine Große Anfrage der SPD, BT-Drs. 13/7137 vom 5.3.1997, zu Frage 21 (S. 11). 15 Vg!. die bei T. R. MeyerIH.-G. Uekennann, Sammlung Öffentliches Auftragswesen, Bd. 2, Teil 1 unter IV. C.-Q., u. Bd. 3, Teil 1 unter IV. C., abgedruckten Erlasse. 16 Rundschreiben der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen VI Nr. 71 95 vom 9.2.1995, mod. durch Rundschreiben VI Nr. 10/95 vom 16.5.1995, beide auszugsweise abgedruckt im Besch!. des KG v. 20.5.1998, Kart 24/97 - Tariftreueerklärung, WuW 1998, 1023 = WuW/E Verg 111 = ZIP 1998, 1600, insoweit abgedruckt nur in ZIP 1998, 1600. 17 So etwa in Bayern, s. Bekanntm. der Bay. Staatsreg. vom 2.7.1996, AllMB!. S. 443 = StAnz Nr. 27 S. 1 (beachte aber noch Fn. 22); Nordrhein-Westfalen, s. RdEr!. des MWi vom 27.9.1996, MB!. S. 1660 (befristet bis 27.9.1998); SachsenAnhalt, s. RdEr!. des MWi vom 29.11.1996, MB!. 1997, S. 48 (anders aber wohl für ausländische Unternehmen, vg!. Anlage 2 des Erlasses, Nr. 5 S. 2); Niedersachsen, s. RdEr!. des MWi vom 4.6.1998, MB!. S. 819 (allerdings mit einer unklaren Ausweichklausel, s. Nr. 1 S. 2 u. 3 des Erlasses), geänd. durch Bekanntm. des MWi vom 6.4.2000, MB!. S. 216; etwas abweichend die Brandenburger VwV zur Bekämpfung unlauterer Beschäftigung vom 6.2.1996, AB!. S. 302 unter Punkt 6.2. (Tariflohn oder ortsüblicher Lohn).
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chern und deren Arbeitsplätze erhalten. 18 Das Verlangen nach Tariftreueerklärungen wurde dem Land Berlin jedoch für den Bereich der Straßenbauaufträge vom Bundeskartellamt untersagt. 19 Berlin hat diese Praxis nunmehr auf eine gesetzliche Grundlage gestellt,20 die vom BGH dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden iSt. 21 Auch Bayern, das Saarland und Sachsen-Anhalt haben mittlerweile entsprechende Gesetze erlassen?2 Demnächst wird es möglicherweise eine bundes gesetzliche Regelung zur Tariftreue geben. Nachdem zunächst der Bundesrat auf Initiativen Bayerns23 und Nordrhein-Westfalens 24 zwei Gesetzesvorschläge eingebracht hatte, befindet sich nun auch ein Gesetzentwurf der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren, der parallel außerdem von den Regierungsfraktionen eingebracht wurde?S Ob es zu dem geplanten Bundesgesetz kommt und welchen genauen Inhalt es ggf. haben wird, läßt sich derzeit jedoch noch nicht absehen. Die Indienstnahme der Auftragsvergabe für die Verfolgung politischer Zielsetzungen stellt in der Bundesrepublik jedoch keine neue Entwicklung dar. Sozialpolitisch motivierte Vorschriften über die Bevorzugung bestimmter benachteiligter Personengruppen stammen bereits aus den fünfziger und frühen sechziger Jahren: Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge (§ 74 I BVFG26 ), Verfolgte des Nationalsozialismus (§ 68 I BEG27 ), Evakuierte 18 Das Zitat entstammt dem genannten Rundschreiben VI Nr. 7/95 (Fn. 16); im übrigen vgl. den Beschl. des KG (Fn. 16), WuW 1998, 1023 (1029 unten) = WuW/ E Verg 111 (117 unten) = ZIP 1998, 1600 (1606 r. Sp.). 19 Beschl. v. 3.11.1997, B5-75123-VX-61/95 - Tariftreueerklärung, WuW 1998, 207 = WuW/E Verg 7. 20 § 1 des Berliner VergabeG (VgG Bin) vom 9.7.1999, GVBI. S. 369. 21 Beschl. des BGH v. 18.1.2000, KVR 23/98 - Tariftreueerklärung ll, WuW 2000, 327 = WuW/E Verg 297 = NZBau 2000, 189 = BauR 2000, 1736 = DB 2000,465 m.Anm. Hopp = ZIP 2000, 426 m.Anm. Berrisch/Nehl = JZ 2000, 514 m.Anm. Dreher. Vorgelegt wurde die Bestimmung des § 1 12 VgG Bin. 22 s. Art. 3 f. Bayerisches Bauaufträge-VergabeG (BayBauVG) vom 28.6.2000, GVBI. S. 364; §§ 3 f. Saarländisches Bauaufträge-VergabeG (SaarBauVG) vom 23.8.2000, ABI. S. 1846 (weitgehend gleichlautend mit der bayerischen Regelung); § 3 I-III, § 4 I 1 Nr. 3, II, §§ 5, 6 VergabeG LSA vom 29.6.2001, GVBI. S. 234. 23 BRat-Drs. 438/00 (Beschluß) vom 21.12.2000; BT-Drs. 14/5263 vom 8.2. 2001. 24 BRat-Drs. 322/01 (Beschluß) vom 22.6.2001; BT-Drs. 14/6752 vom 26.7. 2001. 25 BRat-Drs. 1079/01 vom 21.12.2001 (von der BReg. eingebrachter Entwurf); BT-Drs. 14/7796 vom 12.12.2001 (von den Regierungsfraktionen eingebrachter Entwurf). Es handelt sich jeweils um denselben Entwurf und dabei jeweils um Art. 1. 26 BundesvertriebenenG vom 19.5.1953, BGBI. I S. 201; zul. geänd. durch SpätaussiedlerstatusG vom 30.8.2001, BGBI. I S. 2266. Mit Art. 1 Nr. 13, 30 b), 40 KriegsfolgenbereinigungsG vom 21.12.1992, BGBI. I S. 2094, ist § 74 I weggefallen und statt dessen in § 14 II eine Bevorzugung von Spätaussiedlern festgeschrie-
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(§ 12a BEvakG28 ) sowie Schwerbeschädigte (§ 37 11 SchwbschG29 ) sollten
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt berücksichtigt werden. 30 Der Förderung benachteiligter Regionen dienten Verwaltungs vorschriften der fünfziger Jahre über die Bevorzugung von Unternehmen aus "notleidenden Gebieten,,31 und später die Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin (West) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge,32 die mit § 2 Nr. 3 ZonenrandförderungsG eine gesetzliche Grundlage erhielten33 . Schließlich sind ben worden, § 74 I a. F. gilt jedoch gemäß § 100 I fort; s. Bekanntm. der Neufassung des BVFG vom 2.6.1993, BGBl. I S. 829. 27 Erlassen als BundesergänzungsG zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18.9.1953, BGBl. I S. 1387; zul. geänd. durch Art. 14 § 4 des Gesetzes vom 16.12.1997, BGBl. I S. 2942 (2964). Umbenennung in BundesentschädigungsG und Neufassung einschließlich Schaffung des § 68 I mit Gesetz vom 29.6.1956, BGBl. I S. 559 (562). 28 Eingefügt in das BundesevakuiertenG vom 14.7.1953, BGBl. I S. 586, mit Gesetz vom 3.10.1957, BGBl. I S. 1683; Bekanntm. der Neufassung vom 5.10.1957, BGBl. I S. 1687; das BEvakG wurde aufgehoben durch Art. 5 des Dritten RechtsbereinigungsG vom 28.6.1990, BGBI. I S. 1221 (1222). 29 Eingefügt als § 36 11 in das SchwerbeschädigtenG vom 16.6.1953, BGBl. I S. 389, mit Gesetz vom 3.7.1961, BGBl. I S. 857, Bekanntm. der Neufassung mit bereinigter Paragraphenfolge vom 14.8.1961, BGBl. I S. 1233; das SchwerbeschädigtenG wurde umbenannt in SchwerbehindertenG (SchwbG) und wesentlich geänd. mit Gesetz vom 24.4.1974, BGBl. I S. 981, Bekanntm. der Neufassung mit bereinigter Paragraphenfolge vom 29.4.1974, BGBI. I S. 1005, nunmehr in §§ 54, 56 eine Bevorzugung von Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten vorsehend (später §§ 56,58, s. Fassung der Bekanntm. vom 26.8.1986, BGBl. I S. 1421, ber. 1550). Das SchwbG wurde aufgehoben mit Art. 63 des Gesetzes zur Schaffung des SGB IX vom 19.6.2001, BGBl. I S. 1046 (1138), die Bevorzugungsregelung ist jetzt statt dessen in §§ 141, 143 SGB IX (S. 1086) enthalten. 30 Zu den genannten Vorschriften wurden außerdem Verwaltungsvorschriften erlassen, s. für den Bund die RL für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 11.8.1975, BAnz Nr. 152, S. 2, zul. geänd. durch RL vom 26.3.1990, BAnz Nr. 70 (S. 1857), nunmehr ersetzt durch RL vom 10.5.2001 (jetzt nur noch eine Bevorzugung von Behinderten- und Blindenwerkstätten vorsehend), BAnz Nr. 109 (S. 11773), und die Vorgängerrichtlinien. Die Länder haben diese RL mehr oder weniger übernommen, s. z. B. für NRW den RdErl. des MWi vom 14.6.1976, MBl. S. 1458. 31 s. § 24 Nr. 3 S. 3 VOLtA Fassung 1932/36 (in Geltung bis 1984). Als solche Gebiete waren in der Hauptsache das Zonenrandgebiet und Berlin (West) anerkannt, s. § 1 b) der RL für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 31.3.1954, BAnz Nr. 68; Bekanntm. über die Anerkennung notleidender Gebiete vom 3.4.1954, BAnz Nr. 68, geänd. durch Bekanntm. vom 28.11.1957, BAnz Nr. 236. 32 RL vom 11.8.1975, BAnz Nr. 152, S. 1, aufgehoben mit RL vom 1.7.1991, BAnz Nr. 130, S. 4645, und die Vorgängerrichtlinien. Auch diese RL haben die Länder mehr oder weniger übernommen, s. z.B. für NRW den genannten RdErl. des MWi vom 14.6.1976, MBl. S. 1458.
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die Vorschriften über die angemessene Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an öffentlichen Aufträgen zu nennen?4 Einzelne Regelungen zur Mittelstandsförderung im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe stammen ebenfalls schon aus den fünfziger und sechziger Jahren?5 Eine große Zahl von Verwaltungsvorschriften und gesetzlichen Bestimmungen erging dann Mitte der siebziger Jahre?6 Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung wird also schon seit langem praktiziert. Allerdings kann man seit den neunziger Jahren eine zunehmende Tendenz zur Einbringung solcher "beschaffungsfremder" Aspekte in die Auftragsvergabe feststellen. Dies dürfte einer der Gründe dafür sein, daß die Frage nach der Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit solcher Regelungen seit einiger Zeit vermehrt gestellt wird. 11. Die Diskussion im Zuge der Beratung des Vergaberechtsänderungsgesetzes
Eine größere öffentliche Diskussion über rechtliche Zulässigkeit und politische Zweckmäßigkeit der Verwendung sog. beschaffungsfremder Kriterien fand erstmals im Zuge der Beratung des 1998 verabschiedeten Vergaberechtsänderungsgesetzes (VgRÄG)37 statt, welches das Vergaberecht in Deutschland auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt und wesentlich umgestaltet hae s. Einer der Kernstreitpunkte war dabei die Frage nach der Zulassung der sog. beschaffungsfremden Kriterien: 39 33 ZonenrandförderungsG vom 5.8.1971, BGBI. I S. 1237; zul. geänd. durch Art. 8 § 2 des Gesetzes vom 6.6.1994, BGBI. I S. 1184 (1193). § 2 war letztmals für das Haushaltsjahr 1990 im Rahmen der im Bundeshaushaltsplan dafür bereitgestellten Mittel anzuwenden, s. § 13 11 ZonenrandförderungsG in der durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes vom 24.6.1991, BGBI. I S. 1322 (1331), geänderten Fassung. Berliner Betriebe wurden vom ZonenrandförderungsG allerdings nicht erfaßt; insoweit blieben die RL die alleinige Rechtsgrundlage. 34 Die Förderung von KMU durch öffentliche Auftragsvergabe wird allerdings z. T. nicht als "beschaffungsfremd" angesehen, s. dazu unten, 1. Teil, 1. Kap., unter A.II.1. 35 s. J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 316 m.N. 36 Bund: RL der BReg. vom 1.6.1976, Beilage zum BAnz Nr. 111 (= Beilage 16/76) (zur VOL); ein Gesetz erging auf Bundesebene nicht. Länder: Nachw. der MittelstandsförderungsG und älterer Verwaltungs vorschriften bei M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 154 Fn. 106 f.; neuerer Verwaltungsvorschriften bei eh. Riese, VergabeR (1998), S. 212 Fn. 716.; H.-J. PrießIF. L. Hausmann, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), § 8 Rn. 27 Fn. 43. 37 Gesetz vom 26.8.1998, BGBI. I S. 2512. Das VgRÄG hat die vergaberechtlichen Vorschriften in das GWB eingefügt; ein eigenständiges Vergabegesetz existiert in Deutschland nicht. 38 s. im einzelnen unten B. III.
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Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft40 hatte ein gänzliches Verbot der sog. beschaffungsfremden Kriterien vorgesehen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung41 ging so weit nicht, wollte aber für die Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien den Vorbehalt eines Bundesgesetzes einführen, d.h. diese sollte nur zulässig sein, wenn ein Bundesgesetz sie erlaubte (§ 106 III Hs. 2 GWB in der Fassung des GesetzentwurfS).42 Damit wäre nicht nur die verbreitete Praxis ausgeschlossen worden, entsprechende Regeln durch Verwaltungsvorschriften einzuführen, sondern darüber hinaus hätten die Länder solche Regeln überhaupt nicht mehr einführen dürfen. Der Bundesrat plädierte daher dafür, Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder genügen zu lassen. 43 Am Ende blieb auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses44 das Erfordernis eines Gesetzes für die Einführung "beschaffungsfremder" Kriterien, jedoch entfiel die Beschränkung auf Bundesgesetze. Das VgRÄG wurde schließlich am 29.5.1998 verabschiedet und ist am 1.1.1999 in Kraft getreten (s. Art. 4 VgRÄG).45 Zu einem gesetzlichen Verbot der sog. beschaffungsfremden Kriterien ist es also nicht gekommen; gleichwohl ist ein solches - oder jedenfalls eine sehr weitgehende Einschränkung der Verwendung "beschaffungsfremder" 39 Ausführliche Darstellung der Gesetzgebungsgeschichte im Hinblick auf diesen Punkt bei eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 107 f. u. 109 unten ff. 40 Referentenentwurf vom 20.4.1997, abgedruckt in ZVgR 1997, 162 ff., u. VgR 311997, S. 40 ff. 41 BT-Drs. 13/9340 vom 3.12.1997; BRat-Drs. 646/97 vom 5.9.1997. 42 § 106 III Hs. 2 GWB-E (entspricht § 106 IV Hs. 2 GWB i.d.F. des VgRÄG) spricht genauer gesagt nicht von "beschaffungsfremden Kriterien", sondern von "andere[n] oder weitergehende[n] Anforderungen [... ] an Auftragnehmer" als Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit; damit sollte aber die Thematik der "beschaffungsfremden Kriterien" geregelt werden; vgl. dazu eingehend unten im 2. Teil, 3. Kap., unter C. 11. 1. a) aa). 43 Stellungnahme des BRates vom 7.1l.l997 zum GEntwurf der BReg., BT -Drs. 13/9340 vom 3.12.1997, S. 35 (35 f. unter 4.); Beschluß des BRates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, BRat-Drs. 372/98 (Beschluß) vom 8.5.1998, BT-Drs. 13110711 vom 13.5.1998, unter Nr. 1. 44 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 13110876 vom 28.5.1998. 45 Die vergaberechtlichen Vorschriften wurden durch das VgRÄG als §§ 106 ff. in das GWB eingefügt. Durch die ebenfalls zum 1.1.1999 in Kraft getretene 6. GWB-Novelle hat sich die Paragraphenfolge jedoch noch verschoben; die §§ 106 ff. wurden zu §§ 97 ff. als neuer 4. Teil des GWB, § 106 IV Hs. 2 somit zu § 97 IV Hs. 2 GWB n.F. Die Neufassung des GWB mit der geänderten Paragraphenfolge wurde bekanntgemacht am 26.8.1998, BGBI. I S. 2546 (4. Teil: S. 2568 ff.). Zur Kontroverse um die Frage, ob die durch das VgRÄG eingefügten §§ 106 ff. mit der 6. GWB-Novelle (versehentlich) aufgehoben wurden, vgl. zusammenfassend J. Gröning, ZIP 1999, 52 f. m. N.
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Kriterien - nach wie vor in der Diskussion. In groben Zügen lassen sich die gegensätzlichen Standpunkte etwa wie folgt zusammenfassen: Die Befürworter eines Verbots argumentieren, das Vergaberecht habe die Funktion, zum einen eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Gelder zu gewährleisten und zum anderen gleiche Zugangschancen für alle Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu garantieren. Beides werde am besten erreicht, wenn bei der Auftragsvergabe streng nach ökonomisch-wettbewerblichen Gesichtspunkten entschieden werde. Die Verfolgung politischer Ziele sei dabei hinderlich und wirke wettbewerbsverzerrend; sie gehöre nicht in den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, sondern müsse sich anderer Mittel bedienen. 46 De lege lata nehmen die meisten Vertreter dieser Ansicht zwar keine generelle Unzulässigkeit der sog. beschaffungsfremden Kriterien an,47 sie sehen für diese aber wenig Spielraum. Die Gegner eines Verbots der sog. beschaffungsfremden Kriterien hingegen betonen, die öffentliche Beschaffung sei, auch wenn der Staat hier nicht als Hoheitsträger, sondern als Marktteilnehmer in den Formen des Privatrechts auftrete,48 ein Bereich staatlichen Handeins und als solcher dem öffentlichen Interesse verpflichtet, somit auch offen für die Einbeziehung anderer legitimer politischer Ziele neben dem eigentlichen Beschaffungsziel. Der Staat dürfe sich der hierdurch eröffneten Steuerungsmöglichkeiten nicht begeben. 49 De lege lata sehen die Vertreter dieser Ansicht tendenziell einen weiteren Spielraum für die sog. beschaffungsfremden Kriterien als 46 Vg!. - mit unterschiedlichen Akzenten im einzelnen - etwa F. Rittner, ZHR 152 (1988), 318 (329 ff.); ders., EuZW 1999, 677 ff.; M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 15 ff. u. 28 ff.; ders., Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 (160 ff.); R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 50 ff. u. 76 ff.; F. Drey, VgR 1/1998, S. 3; I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 142 ff. (bes. Rn. 144, 148 ff. u. 155). Vg!. auch die Gegenäußerung der BReg. zur Stellungnahme des BRates zum GEntwurf des VgRÄG, BT-Drs. 13/9340 vom 3.12.1997, S. 47 (48 unter "Zu Nummer 4"), und die schriftlichen Stellungnahmen für die öffentliche Anhörung am 4.3.1998 im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zum GEntwurf des VgRÄG des BDI, DIHT und ZDH, Ausschuß-Drs. 13/132, S. 3 (5 f.) u. (nur BDI) S. 20 (22), sowie des BKartA, ebd., S. 122 (127 f.). 47 Zu tendenziell abweichenden Stimmen s. u. im 2. Teil, 1. Kap., A. 48 Dies ist jedenfalls ganz h. M.; vgl. hierzu ausführlich unten im 2. Teil, 3. Kap., unter A. 49 Vgl. etwa - wiederum mit unterschiedlichen Akzenten im einzelnen - P. Weissenberg, DB 1984,2285 (2290); H. Däubler-Gmelin, EuZW 1997, 709 (713); J. M. Femdndez Mart(n, Procurement (1996), S. 38 ff. (bes. S. 38 f. u. 89 ff.) (in bezug auf die europarechtl. Einschränkungen); S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (244 ff., 277 ff. u. 282 ff.) (in bezug auf die europa- und völkerrecht!. Einschränkungen, insbs. bezüglich der Verfolgung sozialpolitischer Ziele). Vg!. auch die schriftliche Stellungnahme der IG Bauen - Agrar - Umwelt für die Anhörung im Bauausschuß (s. Fn. 46), Ausschuß-Drs. 13/132, S. 15 f.
B. Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung des Vergaberechts
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die Verbotsbefürworter; bestehende rechtliche Grenzen werden teilweise ausdrücklich kritisiert50 . Auch in der Rechtsprechung klingen diese bei den unterschiedlichen Ansätze an. So nennt der BGH in einer Entscheidung als ausschließliche Ziele des Vergaberechts die Sicherung der Chancengleichheit unter den Bewerbern und die optimale Deckung des Bedarfs der öffentlichen Hand. Die Einbeziehung weiterer, insbesondere allgemeiner wirtschaftspolitischer Erwägungen (konkret ging es um die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen) sei damit nicht zu vereinbaren. S1 Beim Schleswig-Holsteinisehen Oberlandesgericht hingegen heißt es zur Frage der Umweltverträglichkeit eines Projekts, die Beklagte, d. h. die Stadt Lübeck, handele nicht (nur) aus wirtschaftlichem Interesse, sondern Maßstab ihres Handeins seien in erster Linie die Interessen der Bürger. Die Frage der Umweltverträglichkeit müsse daher bei der Entscheidung über die Zuschlagserteilung berücksichtigt werden können. 52 Fragt man nach den zugrundeliegenden Grundvorstellungen der beiden konträren Ansichten, läßt sich festhalten, daß die eine Ansicht die öffentliche Auftragsvergabe primär in den Bereich des Marktes einordnet, die andere primär in den staatlich-politischen Bereich. Damit spiegelt sich in der Diskussion um die Zulassung der sog. beschaffungsfremden Kriterien die allgemeine Frage wider, wie die öffentliche Auftragsvergabe im gesellschaftlichen und rechtlichen System einzuordnen und nach welchen Regeln sie zu behandeln ist. 53 B. Wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge und Entwicklung des Vergaberechts Im Hintergrund der skizzierten Diskussion steht zum einen die große wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge und zum anderen die durch europarechtliche Einwirkungen hervorgerufene rasante Entwicklung des deutschen Vergaberechts im vergangenen Jahrzehnt. 50 Ausführlich in bezug auf die EG-RL J. M. Femandez Martin, Procurement (1996), S. 38 ff.; krit. zu den RL und ihrer Auslegung durch den EuGH auch L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991192), S. 60 ff. 51 BGH, Urt. v. 17.2.1999, X ZR 101197 - Krankenhauswäsche, NJW 2000, 137 (140 unter b)) = WuW 1999, 655 = WuW/E Verg 213 = WM 1999, 1027. Diese Ausführungen stehen zwar in einem bestimmten, begrenzten Zusammenhang, sind aber sehr allgemein formuliert. 52 Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 6.7.1999, 6 U Kart 22/99 - Herrenbrücke, WuW 2000, 99 (106 unter c) aa)) = WuW/E Verg 269 (276). Letztlich konnte der Senat die Frage allerdings offenlassen. 53 Vgl. zur ambivalenten Natur des öffentlichen Auftragswesens allgemein J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (428).
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Einleitung
I. Wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge
Die Zahlenangaben zum Volumen öffentlicher Aufträge differieren erheblich; zweifelsohne handelt es sich dabei aber um beträchtliche Summen. Dies läßt auch die politische Instrumentalisierung der öffentlichen Beschaffung attraktiverscheinen. Der sog. Cecchini-Bericht aus dem Jahre 1988, der auf einer von der EG-Kommission initiierten Untersuchung zum Binnenmarkt beruht, spricht von einem Auftragsvolumen von 530 Mrd. ECU in der EG des Jahres 1986, entsprechend 15 % des BIP der damaligen EG-Staaten. 54 In ihrem Grünbuch zum öffentlichen Auftragswesen von 1996 nennt die Kommission ein Auftragsvolumen von ca. 720 Mrd. ECU, entsprechend 11,5% des BIP der 15 Mitgliedstaaten (1994).55 Die neuesten Zahlen der Kommission gehen für 1998 von einem Volumen von 1.054 Mrd. Euro56 entsprechend etwa 14% des EG-weiten BIp57 aus. Für die Bundesrepublik wird in der Literatur ein Auftragsvolumen von ca. 400 Mrd. DM genannt;58 dies entspricht bei einem BIP von gut 3.540 Mrd. DM im Jahr 1996 gut 11 % des BIP. Eine neuere Untersuchung des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 1995 kommt allerdings nur auf eine Größenordnung von 310 Mrd. DM,59 während nach den neuesten Zahlen der Kommission das Volumen 1998 282,5 Mrd. Euro betrug,60 d.h. ca. 552,5 Mrd. DM. Zu beachten ist dabei indes, daß der Anteil der öffentlichen Aufträge am Gesamtauftragseingang der Unternehmen in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich ist; die Spannbreite reicht von der quantite negligeable bis zur marktbeherrschenden Stellung öffentlicher Auftraggeber. 61
P. Cecchini, Europa '92 (1988), S. 37. Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM (96) 583 endg. vom 27.11.1996, abgedruckt auch als BRat-Drs. 50/97 vom 21.1.1997, unter 2.3. 56 Bericht über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter- und Kapitalmärkte, KOM (2000) 26 endg. vom 26.1.2000, Tabelle 18. 57 Ebd. unter III. B. 2. 58 P. W. Schäfer, BB Beilage 1211996, S. 1 (3); H. Däubler-Gmelin, EuZW 1997, 709. 59 s. den Bericht in BehSp/VgR 911999, S. B I. Davon entfallen 190 Mrd. DM auf Regierungen und Verwaltungen und 120 Mrd. DM auf öffentliche Unternehmen. Vgl. auch die in der Antwort der BReg. auf eine Große Anfrage der SPD enthaltenen Zahlen zu den Beschaffungen des Bundes im Jahr 1995, BT-Drs. 13/7137 vom 5.3.1997 (zu den Fragen Ne. 1 und folgende (S. 2 ff.». Wenn man die dort für den Bund genannte Zahl von 36,2 Mrd. DM hochrechnet (der Anteil des Bundes an den öffentlichen Beschaffungen insgs. lag nach den dort genannten Zahlen 1994 bei 19%), kommt man auf 190,5 Mrd. DM ohne Sektorenauftraggeber. 60 A. a. O. (Fn. 56). 54
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B. Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung des Vergaberechts
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11. Europäische und internationale Harmonisierung des Vergaberechts
Nur ein kleiner Teil dieses riesigen Wirtschaftsvolumens kommt jeweils Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der EG zugute: Nach dem Grünbuch der Kommission von 1996 betrug der Anteil der direkten grenzüberschreitenden Transaktionen 1,4% im Jahr 1987 und 3% im Jahr 1995. 62 Die Untersuchung des Statistischen Bundesamtes für 1995 kommt für Deutschland sogar nur auf einen Anteil von 1 %.63 Als Grund für diesen geringen Anteil wird in erster Linie protektionistisches Verhalten der Mitgliedstaaten vermutet. 64 Um die Marktfreiheiten, insbesondere die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit, auch auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge zur Geltung zu bringen, hat die E(W)G daher seit 1971 zahlreiche Richtlinien zur Koordinierung (i. e. Harmonisierung) der Vergabeverfahren der Mitgliedstaaten erlassen (sog. Koordinierungsrichtlinien). Zunächst erfaßten diese nur Bauaufträge und Lieferaufträge. Anfang der neunziger Jahre kamen dann Dienstleistungsaufträge sowie die Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge im vorher ausgenommenen sog. Sektorenbereich (Wasser-, Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationssektor) hinzu. Die Koordinierungsrichtlinien 65 wurden schließlich durch die sog. Rechtsmittelrichtlinien66 ergänzt, die die Mitgliedstaaten verpflichten, im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ein System effektiven Rechtsschutzes einzuführen. 67 61 Vgl. hierzu die Zusammenstellung bei M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 47 ff.; Zahlenmaterial speziell zum Bausektor bei M. J. Schäfer, Wettbewerb (1994), S. 18 f. 62 KOM (96) 583 endg. vom 27.11.1996 (s. Fn. 55), unter 2.11. Der Anteil von durch Importunternehmen und Niederlassungen vor Ort realisierten Geschäfte betrug 4 bzw. 7% (s. ebd.). Ob die Zahlen sich nur auf das EG-Ausland beziehen, läßt sich dem Grünbuch nicht eindeutig entnehmen. 63 s. den Bericht in BehSplVgR 9/1999, S. B I. Diese Zahl bezieht sich nur auf das EG-Ausland. 64 s. etwa Kommission: Vademecum über öffentliches Auftragswesen in der Gemeinschaft, ABI. EG 1987 Nr. C 358/1, Vorwort (S. 1). 65 Dies sind die Baukoordinierungs-RL (BKR), die Lieferkoordinierungs-RL (LKR) , die Dienstleistungskoordinierungs-RL (DKR) und die Sektorenkoordinierungs-RL (SKR); nähere Angaben und FundsteIlen im 2. Teil, 2. Kap., unter B. I. 1. in Fn. 457-459 u. 461. 66 Dies sind die Rechtsmittel-RL (RMR) und die Sektorenrechtsmittel-RL (SRMR); nähere Angaben und FundsteIlen im 2. Teil, 3. Kap., unter A. III. in Fn. 15. 67 Überblick über die Koordinierungs- und Rechtsmittel-RL m.N. etwa bei P. W. Schäfer, BB Beilage 12/1996, S. 1 (6 f.); W. Götz, Öffentliche Beschaffungsmärkte (1999), S. 9 ff. (dort auch Nachw. der alten RL); allerdings jeweils noch ohne die Änderungen von 1997/98 aufgrund des GPA (dazu sogleich oben im Text); Über-
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Einleitung
Die Richtlinien erfassen jedoch nur Aufträge ab einer gewissen, für den Binnenmarkt als relevant angesehenen Größenordnung, die durch sog. Schwellenwerte festgelegt wird. Die Regelung der Schwellenwerte ist im einzelnen sehr kompliziert. Stark vereinfacht kann man jedoch sagen, daß der Schwellenwert bei Bauaufträgen grundsätzlich 5 Mio. SZR68 und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen grundsätzlich 200.000 SZR (jeweils ohne Mehrwertsteuer) beträgt. 69 Auch auf internationaler Ebene nehmen die Bestrebungen zur Liberalisierung und Harmonisierung des öffentlichen Auftragswesens zu. 70 Hervorzuheben ist hier das Agreement on Government Procurement (GPA) von 19947 \ ein sog. Plurilaterales Handelsübereinkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO. Es ist zum 1.1.1996 in Kraft getreten und hat den GATT-Kodex Regierungskäufe von 197972 ersetzt, der seit 1981 in Kraft war. Es gilt ebenfalls nur oberhalb bestimmter Schwellenwerte. Im Verhältnis zum alten GATT-Kodex dürfte das GPA wesentlich an Bedeutung gewinnen, da es einen erheblich erweiterten Anwendungsbereich hat: Der Gesamtwert der erfaßten Aufträge beträgt das Zehnfache im Verhältnis zum alten Kodex. 73 Die EG, die Vertragspartnerin des GPA ist, hat die Richtlinien diesem inzwischen angepaßt. 74
blick einschließlich dieser Änderungen etwa bei H.-J. Prieß, in: Motzke/Pietzckerl Prieß, VOBI A (2001), Syst I Rn. 44 ff.; I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 22 ff., 54 ff. Die aktuellen RL einschließlich der ÄnderungsRL aufgrund des GPA sind abgedruckt bei Byok/Jaeger, VergabeR (2000), Anhang II; in konsolidierter Fassung bei H.-J. Prieß, Handbuch (2001), S. 329 ff. 68 Sonderziehungsrechte (Rechnungseinheit des Internationalen Währungsfonds). Der maßgebliche Gegenwert eines SZR beträgt zur Zeit 1,25 Euro. Die (teilweise) Angabe der Schwellenwerte der RL in SZR folgt aus der Anpassung an das GPA, vgl. dazu sogleich. 69 s. dazu näher unten im 2. Teil, 2. Kap., unter B. 1. 1. 70 s. hierzu etwa die Monographie von C. Haase, Internationale Harmonisierung (1997); S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 765 ff.; J. Kokott, in: Byok/Jaeger, VergabeR (2000), Rn. 106 ff.; H.-J. Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst I Rn. 68 ff. 71 Text im ABI. EG 1994 Nr. L 336/273 (englische Fassung); nichtamtliche deutsche Fassung: ABI. EG 1996 Nr. C 256/1; eigene deutsche Übersetzung bei G. Kunnert, WTO-VergabeR (1998), S. 489 ff. 72 Text (nichtamtliche deutsche Fassung) im ABI. EG 1980 Nr. L 71/44, Berichtigung ABI. EG 1981 Nr. L 281/19; Änderung ABI. EG 1987 Nr. L 345/24. 73 s. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (249); P. W. Schäfer, BB Beilage 121 1996, S. 1 (15). 74 RL 97/52/EG vom 13.10.1997, ABI. Nr. L 328/1 (Änderung der BKR, LKR und DKR); RL 98/4/EG vom 16.2.1998, ABI. Nr. L 101/1 (Änderung der SKR).
B. Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung des Vergaberechts
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IH. Umsetzung der EG-Richtlinien in Deutschland
Die europäische Rechtssetzungstätigkeit hat zum Teil tiefgreifende Änderungen des deutschen Vergaberechts notwendig gemacht. Dies gilt allerdings nur für den Bereich oberhalb der Schwellen werte der Richtlinien: Die Bundesrepublik hat sich bei der Umsetzung nicht für eine "Einheitslösung" entschieden, die die Vorgaben der Richtlinien über das europarechtlich Geforderte hinaus auch auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte erstreckt. Vielmehr hat sie die Anpassung des deutschen Rechts an die Richtlinien stets auf deren Anwendungsbereich beschränkt, d.h. auf den Bereich oberhalb der Schwellenwerte. 75 Dies hat zu einer nicht unproblematischen Zweiteilung ("Zweigleisigkeit") des Vergaberechts geführt?6 Oberhalb der Schwellenwerte gilt das an den Vorgaben der Richtlinien ausgerichtete Vergaberecht, deren Grundlage nunmehr die §§ 97 ff. GWB n. F. bilden, während unterhalb der Schwellenwerte nach wie vor das deutsche Vergaberecht in seiner hergebrachten Form anzuwenden ist. 77 Dabei unterscheidet sich das durch die Richtlinien determinierte Vergaberecht ganz erheblich vom traditionellen deutschen Vergaberecht. Die Frage, ob das Auftragsvolumen den Schwellenwert erreicht, ist damit von entscheidender Bedeutung für das gesamte Vergabeverfahren. Die genannten tiefgreifenden Änderungen betreffen zum einen den persönlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts, die Frage also, welche Rechtssubjekte als Auftraggeber zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet sind. Zum anderen geht es um die Frage nach subjektiven Rechten und Rechtsschutzmöglichkeiten der Unternehmen, d.h. der (potentiellen) Auftragnehmer. Die Besonderheiten, die die Verfahrensregeln der Richtlinien gegenüber dem hergebrachten deutschen Recht aufweisen, sind demgegenüber weniger bedeutsam.
75 Allerdings besteht keine vollständige Identität des Anwendungsbereichs der EG-Richtlinien und des neuen deutschen GWB-Vergaberechts; insbesondere sind die im deutschen Recht festgelegten Schwellenwerte nicht vollständig mit denen des EG-Rechts identisch (vgl. unten im 2. Teil, 3. Kap., unter C. 11. 1. vor a) (Fn. 666)). 76 Kritisch hierzu etwa M. Brenner, EuR Beiheft 1/1996, S. 23 (43); M. Dreher, NVwZ 1997, 343 f.; F. Niebuhr/K. Eschenbruch, Jb. BauR 1998, 195 (2260; H.-l. Prieß, EuZW 1999, 196 (198 unter IV. 1. a)); O. Wittig, Probleme (1999), S. 344 ff.; P. M. Huber, JZ 2000, 877 ff.; B. Malmendier, DVBl. 2000, 963 (967 ff. unter III. m.w.N.); auch l. Byok, NJW 1998,2774 (2776 unter III. 2.), der allerdings in Abweichung gegenüber den übrigen Autoren annimmt, unterhalb der Schwellenwerte bestehe u. U. ein besserer Rechtsschutz als oberhalb derselben (s. zur Rechtsschutzproblematik sogleich). 77 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB auf den Bereich oberhalb der Schwellenwerte ergibt sich aus §§ 100 I i. V. m. 127 Nr. 1 GWB i. V.m. § 2 Vergabeverordnung (VgV) vom 9.1.2001, BGBL I S. 110.
4 Meyer
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Der persönliche Anwendungsbereich des hergebrachten deutschen Vergaberechts ist, vom Ausnahmefall der Verpflichtung von Zuwendungsempfängern auf das Vergaberecht78 abgesehen, auf juristische Personen des öffentlichen Rechts begrenzt. Nicht erfaßt sind privatrechtlich organisierte Gesellschaften der öffentlichen Hand (z. B. kommunale Versorgungsbetriebef9 und erst recht nicht materiell Private. Die Richtlinien hingegen knüpfen nicht an die Rechtsform an (institutionelle Betrachtungsweise), sondern verwenden eine funktionale Betrachtungsweise, so daß nicht nur die eben genannten sog. klassischen öffentlichen Auftraggeber (juristische Personen des öffentlichen Rechts), sondern auch bestimmte privatrechtlich organisierte Teile des Staates erfaßt werden. Insbesondere im Sektorenbereich werden außerdem sogar gewisse materiell Private in den Anwendungsbereich der Richtlinien einbezogen. 8o Der zweite Punkt, die Problematik der subjektiven Rechte und des Rechtsschutzes, hat weit gravierendere Umwälzungen verursacht. 8 I Die Konzeption, auf die die Richtlinien hier in Deutschland trafen, läßt sich wie folgt zusammenfassen: Nach hergebrachtem Verständnis des Vergaberechts ist dieses Bestandteil des Haushaltsrechts mit dem Zweck, eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel zu sichern. Die Vorschriften über das Vergabeverfahren finden sich in den sog. Verdingungsordnungen, genauer gesagt jeweils in Teil Ader Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/ A) und der Verdingungsordnung für Leistun78 Per Nebenbestimmung zum Zuwendungsbescheid, s. etwa die Vorl. VV-BHO zu § 44, Nr. 5.1 mit Anlagen, abgedruckt bei E. A. PiduchIH.-H. Dreßler, BHaushaltsR, § 44 BHO. 79 Nach I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 67, gibt es allerdings einzelne Fälle, in denen privatrechtlich organisierte Einrichtungen der öffentlichen Hand zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet worden sind. Dies stellt aber die Ausnahme dar. 80 s. die Überblicke über die erfaßten Auftraggeber nach herkömmlichem Recht einerseits und im Anwendungsbereich der RL andererseits bei J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (442 ff.); U. Jasper/F. Marx, Einführung Textausgabe (2001), S. XVIII ff.; zum Auftraggeberbegriff nach den RL s. etwa I. Seidel, ZffiR 1995, 227 ff.; M. Dreher, DB 1998, 2579 ff.; zu beiden Auftraggeberbegriffen, insbs. zur Entwicklung des funktionellen Begriffs der RL M. J. Wemer, in: Byok/Jaeger, VergabeR (2000), (§ 98) Rn. 199 ff. 81 Einige sehen allerdings auch in der Verpflichtung materiell privater Unternehmer im Sektorenbereich auf das Vergaberecht einen problematischen Systembruch, so F. Rittner, EuR Beiheft 1/1996, S. 7 (10 f.); ebenso M. Brenner, FS Kriele (1997), S. 1431 (1438 f.); während nach anderer Ansicht eher nur ein "atypischer Sonderfall im Grenzbereich" vorliegt, so J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (450). Th. Elbel, DÖV 1999, 235 (236 f.), hält die Sektoren-RL (SKR) sogar für primärrechtswidrig.
B. Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung des Vergaberechts
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gen (VOLlA). 82 Die Verdingungsordnungen werden von den sog. Verdingungsausschüssen83 , bestehend aus Vertretern der Auftraggeber- und der Auftragnehmerseite, erarbeitet. Die Verdingungsordnungen sind zunächst keine Rechtssätze, sondern lediglich rechtlich unverbindliche Vorschläge dieser Gremien. Sie werden per Verwaltungsvorschrift bei den öffentlichen Auftraggebern eingeführt (vgl. § 55 11 BHO und die entsprechenden Vorschriften für andere Haushaltsträger84 ) und erlangen insoweit dann die Qualität von Verwaltungs vorschriften. 85 Sowohl aus der Zielsetzung als auch aus der Rechtsqualität der Vorschriften über das Vergabeverfahren ergibt sich somit, daß diese den Unternehmen keine subjektiven Rechte gewähren. Primärrechtsschutz kommt praktisch nur in Ausnahmekonstellationen aufgrund anderer Vorschriften wie § 20 I (§ 26 11 1 a. F.) GWB in Betracht, und auch Schadensersatzansprüche sind an relativ restriktive Voraussetzungen gebunden. 86 Die Richtlinien gehen von einem ganz anderen Ansatz aus. Ziel der Richtlinien ist es, den Binnenmarkt auch auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge zu verwirklichen. Sie sollen also Diskriminierungen (EG-)ausländischer Unternehmen verhindern. Der Fokus der Richtlinien ist damit, im Gegensatz zum deutschen Vergaberecht, (primär) auf die Auftragnehmerund nicht die Auftraggeberseite gerichtet. Um die Interessen der Auftragnehmerseite - und damit die Marktfreiheiten - effektiv durchsetzen zu können, verlangen die Richtlinien, den Unternehmen subjektive Rechte einzuräumen und - in den Rechtsmittelrichtlinien näher bestimmte - effektive Rechtsschutzmöglichkeiten bereitzustellen. 87 Die - nach wie vor allerdings 82 Die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) kam erst 1997 in Umsetzung der DKR hinzu und gilt nur oberhalb der Schwellenwerte. 83 Der "Deutsche Verdingungsausschuß für Bauleistungen" hat sich mittlerweile allerdings umbenannt in "Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen". 84 s. z. B. § 55 11 LHO NW. 85 Besonderheiten bestehen im Hinblick auf die Gemeinden. I.d.R. enthalten oder ermöglichen die Gemeindehaushaltsverordnungen (GemHVO) der Länder Verweisungen auf die Verdingungsordnungen, die so die Qualität von Rechtsverordnungen erlangen. Die Anwendung der VOL ist den Gemeinden dabei aber nicht in allen Ländern vorgeschrieben. S. zum Ganzen unten im 2. Teil, 3. Kap., unter B. IV. 2. a). 86 Vgl. zum hergebrachten Verständnis des Vergaberechts etwa A. Faber, DÖV 1995,403 (404 ff. unter 11. 1. u. 408 ff. unter 2. a»; J. Pietzcker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst 11 Rn. 1 ff. Die Rspr. des BGH zu Schadensersatzansprüchen aus c. i. c. wird allerdings sowohl im Hinblick auf die Voraussetzungen des Anspruchs als auch im Hinblick auf den Umfang (u. U. positives Interesse) in letzter Zeit bieterfreundlicher, s. etwa BGHZ 139, 273 (279 m. w. N.) - Klärwerkerweiterung = NJW 1998, 3644 = WuW 1998, 1242 = WuW/E Verg 148; BGH, Urt. v. 26.10.1999, X ZR 30/98, BauR 2000, 254 (256). 87 Zum Ansatz der Richtlinien s. etwa J. Pietzcker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst 11 Rn. 8 f.
4'
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nicht ganz unbestrittene 88 - Notwendigkeit der Verleihung subjektiver Rechte ergibt sich dabei schon aus den Koordinierungsrichtlinien selbst. 89 Die Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht hat insoweit zu erheblichen Friktionen geführt. Zunächst war die Umsetzung allein durch Änderung der Verdingungsordnungen und Übernahme dieser durch Verwaltungsvorschriften erfolgt. 9o Dies konnte den europarechtlichen Anforderungen jedoch schon deshalb nicht genügen, weil der EuGH für die Umsetzung von Richtlinien, die Rechte oder Pflichten einzelner begründen sollen, im Ergebnis einen Rechtsnormvorbehalt aufgestellt hat. 91 1993 wurde dann die sog. "haushaltsrechtliche Lösung" eingeführt. Diese Bezeichnung rührt daher, daß die Regelung auf drei neu eingefügten Vorschriften des HGrG (§§ 57a-c)92 basierte und der Gesetzgeber mit dieser Zuordnung - entsprechend dem grundSätzlichen Charakter des Haushaltsrechts als Innenrecht - die Gewährung subjektiver Rechte ausschließen wollte. 93 Es wurde dementsprechend nicht der Rechtsweg zu den Gerichten eröffnet, sondern ein besonderes Nachprüfungsverfahren vor sog. Vergabeprüfstellen und Vergabeüberwachungsausschüssen eingerichtet. Die §§ 57a-c HGrG regelten den persönlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts und das Nachprüfungsverfahren. Außerdem enthielten sie Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen für die Regelung des Vergabeverfahrens und die nähere Regelung des Nachprüfungsverfahrens, aufgrund derer die Vergabeverordnung (VgV) und die Nachprüfungsverordnung (NpV) erlassen wurden. 94 Die VgV wiederum ordnete die Geltung der - den Richtlinien angepaßten - Verdingungsordnungen an, und zwar in 88 A.A. etwa W. Heiermann/Th. Ax, OB 1998,505 (507). K. Hailbronner/C. Weber, EWS 1997,73 (80 unter a) bb) m.w.N.), wollen zwischen subjektiven Rechten im Sinne der deutschen Dogmatik und der europarechtlich geforderten Rechtsstellung unterscheiden. 89 So ausdrücklich auch A. Martin-Ehlers, EuR 1998, 648 (650 vor III.). Vgl. insbs. EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93, Slg. 1995 I, 2303 = EuZW 1995, 635 m.Anm. Dreher, Tz. 19. 90 s. im einzelnen G. Nicolaysen, FS Börner (1992), S. 345 (347 ff.). 91 Vgl. die Urteile des EuGH zur TA Luft v. 30.5.1991, Rs. C-361/88, Slg. 1991 I, 2567, Tz. 15 ff., u. Rs. C-59/89, Slg. 1991 I, 2607, Tz. 18 ff. Zur Bedeutung für das Vergaberecht s. G. Nicolaysen, FS Börner (1992), S. 345 (349 ff.); R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 118 ff. (123) u. 243. A. A. (Umsetzung durch Verwaltungsvorschriften genügend) etwa noch A. Dohmen, Jb. der dt. BPost 1985, 198 (214 ff.); D. J. Elverfeld, Kommunales Auftragswesen (1992), S. 100 ff.; anders aber schon P. Weissenberg, RIW/AWD 1980,825 (827 f.). 92 Eingefügt durch das zweite Gesetz zur Änderung des HaushaltsgrundsätzeG (HGrG) vom 26.11.1993, BGBL I S. 1928. 93 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der BReg., BT-Drs. 12/4636 vom 25.3.1993, S. 12 unter A. a.E.: "Das Konzept hat zum Ziel, individuelle, einklagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen."
B. Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung des Vergaberechts
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Form einer statischen Verweisung. Dadurch erhielten die Verdingungsordnungen insoweit die Qualität von (Bundes-)Rechtsverordnungen. 95 Dieses unhandliche und nicht immer in sich stimmige - drei stufige System (HGrG - VgV - Verdingungsordnungen) wird treffend als "Kaskadensystem" bzw. "Kaskadenprinzip" bezeichnet. Zweck dieser Konstruktion ist es, die Verdingungsordnungen und die Verdingungsausschüsse aufrechterhalten zu können. Über die Europa- und Verfassungsrechtskonformität der haushaltsrechtlichen Lösung in bezug auf die Problempunkte subjektive Rechte und Rechtsschutz entbrannte eine lebhafte Diskussion,96 die eine Flut von Literatur hervorbrachte 97 . Zwei EuGH-Urteile von 1995 98 und 199799 zur deutschen Rechtslage konnten hierbei aufgrund der jeweiligen (begrenzten) Fragestellung nur eingeschränkt zur Klärung beitragen. Nicht zuletzt aufgrund eines von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens gegen die haushaltsrechtliche Lösung lOO und auf Druck der USA 101 beschloß die Bundesregierung dann 1996, das Vergaberecht erneut umzugestalten. 102 Damit begann die Diskussion um das VgRÄG. 94 Beide vom 22.2.1994, BGBI. I S. 321 u. 324. Die VgV wurde geänd. durch die VO vom 29.9.1997, BGBI. I S. 2384. 95 So jedenfalls die ganz h. M.; a. A. (nach wie vor Verwaltungsvorschriften) R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 96 ff., 88 u. 240 (unter 3. b»; ebenso zum VgRÄG ders., ZfBR 1997,221 (225). 96 Es ging namentlich darum, ob die Verleihung subjektiver Rechte notwendig sei, ob das HGrG ggf. (entgegen den Intentionen des Gesetzgebers) entsprechend europarechtskonform ausgelegt werden könnte, ob (dann) den Anforderungen der Art. 19 IV, 92 GG genügt sei und ob das Nachprüfungsverfahren den Vorgaben der Rechtsmittel-RL entspreche. 97 s. nur die Monographien von F. Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz (1996), u. R. Noch, Rechtsschutz (1998), jeweils m.w.N.; zusammenfassend A. Martin-Ehlers, EuR 1998, 648 (652 ff.); s. ferner die umfangreichen Literaturnachw. zur Europarechtskonformität bei Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 77 Fn.237. 98 Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93, Sig. 1995 I, 2303 = EuZW 1995, 635 m. Anm. Dreher. Das Urteil erging noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der haushaltsrechtlichen Lösung. 99 Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 - Dorsch Consult, Sig. 1997 I, 4961 = NJW 1997, 3365 = EuZW 1997, 625 m.Anm. Byok. Das Urteil erging in einem Vorabentscheidungsverfahren und erkannte Vergabeüberwachungsausschüsse als vorlagefähige Gerichte nach Art. 177 EGV a. F. (jetzt Art. 234) an, s. Tz. 22 ff. (38). 100 Das zugehörige Mahnschreiben vom 31.10.1995 ist abgedruckt in ZIP 1995, 1940. 101 Vgl. hierzu die Antwort der BReg. auf die Große Anfrage der SPD, BT-Drs. 13/7137 vom 5.3.1997, zu Fragen 11 f. (S. 8 f.). 102 Vgl. zu den Gründen für die Neuregelung Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 77 ff. mit umfangreichen Nachw.
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Einleitung
Die nun gefundene Lösung implementiert das Vergaberecht in das GWB (daher auch kartellrechtliche Lösung genannt); es gibt also nach wie vor kein eigenständiges Vergabegesetz. Das neue Vergaberecht gilt wiederum nur oberhalb der Schwellenwerte. Das Kaskadenprinzip wurde im Grundsatz beibehalten: Wieder steht an der Spitze das förmliche Gesetz, das zum Erlaß einer Vergabeverordnung lO3 ermächtigt (§§ 97 VI, 127 GWB n.F.), welche wiederum die Geltung der - den Richtlinien angepaßten - Verdingungsordnungen anordnet. Eine separate Nachprüfungsverordnung gibt es nicht mehr, weil nunmehr im Gesetz selbst das Nachprüfungsverfahren ausführlich geregelt ist (§§ 102 ff. GWB n. F.). Die §§ 97 ff. GWB n. F. regeln außerdem, anders als die §§ 57a-c HGrG, neben der Frage des persönlichen Anwendungsbereichs auch die grundlegenden Elemente des Vergabeverfahrens (§§ 97 ff. GWB n. F.). § 97 VII GWB n. F. bestimmt ausdrücklich, daß die Unternehmen einen Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren haben. Diesen werden also nunmehr subjektive Rechte gewährt. Der Rechtsschutz ist so ausgestaltet, daß zunächst sog. Vergabekammern angerufen werden können (§§ 102, 104 ff. GWB n.F.). Diese sind den Vergabeüberwachungsausschüssen nachgebildet. Gegen deren Entscheidungen ist dann die sofortige Beschwerde zu den neu eingerichteten Vergabesenaten der Oberlandesgerichte zulässig (§§ 116 ff. GWB n.F.).
Mit dem durch das VgRÄG geschaffenen neuen Vergaberecht dürfte nun im großen und ganzen eine korrekte Umsetzung der Richtlinien vorliegen, auch wenn einzelne Punkte noch klärungsbedürftig erscheinen. 104 Damit gelten nunmehr oberhalb der Schwellenwerte GWB-Vergaberecht, Vergabeverordnung und die den Richtlinien angepaßten Verdingungsordnungen, unterhalb der Schwellenwerte dagegen nach wie vor die Verdingungsordnungen in ihrer alten Form. 105
VgV vorn 9.1.2001, BGBl. I S. 110. Kritisiert wird namentlich - insbesondere auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - die Beibehaltung der Verdingungsausschüsse und Verdingungsordnungen, s. R. Noch, ZfBR 1997, 221 (2250; M. Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1266 fO; für Verfassungs- und Europarechtskonforrnität dagegen J. Pietzcker, SächsVBl. 1999, 289 (291 f. unter 4.); ders., NZBau 2000, 64 ff. \05 Rechtstechnisch ist dies so gestaltet, daß VOB/ A und VOLl A aus verschiedenen Abschnitten für den Bereich unterhalb und den Bereich oberhalb der Schwellenwerte bestehen (1. Abschnitt einerseits, 2.-4. Abschnitt andererseits). Die VOF gilt ohnehin nur oberhalb der Schwellenwerte. S. hierzu im einzelnen unten im 2. Teil, 3. Kap., unter C. 11. 1. c) aa). \03
104
C. Untersuchungsgegenstand und Gang der Untersuchung
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IV. Folgen für die sogenannten beschaffungsfremden Kriterien
Die durch das Europarecht ausgelösten Entwicklungen haben zum einen dazu geführt, daß das öffentliche Auftragswesen, das früher eher ein Schattendasein führte, mehr und mehr ins Blickfeld der (Fach-)Öffentlichkeit geraten ist. 106 Dieses allgemein stark gestiegene Interesse am Vergaberecht ist ein weiterer Grund dafür, daß auch die Problematik der sog. beschaffungsfremden Kriterien nun vermehrt diskutiert wird. Zum anderen ist mit den europarechtlichen Entwicklungen in der Diskussion der Problematik die Frage hinzugekommen, ob bzw. inwieweit das Europarecht, d.h. das Primärrecht einerseits, das Sekundärrecht (die Richtlinien) andererseits, einer Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien entgegensteht. Diese Fragen stellten sich im Grunde genommen schon seit Jahrzehnten, werden in der E(W)G aber erst seit etwa zehn Jahren diskutiert. \07 Dies ist darauf zurückzuführen, daß der Anwendungsbereich der Koordinierungsrichtlinien zu Ende der achtziger/Beginn der neunziger Jahre erweitert wurde, sie durch die Rechtsmittelrichtlinien ergänzt wurden und von der Kommission insgesamt mehr Gewicht auf die Durchsetzung des europäischen Vergaberechts gelegt wurde. Dem Vergaberecht wurde damit auch auf europarechtlicher Ebene mehr Aufmerksamkeit zuteil. Neben dieser allgemeinen Entwicklung fallen in diese Zeit auch mehrere Urteile des EuGH zu entsprechenden Sachverhalten. \08 All dies hat dazu geführt, daß das Thema nun auch von der europarechtlichen Seite aufgegriffen und diskutiert wurde. C. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Untersuchung I. Begriffsklärungen
Thema der Arbeit ist die Zulässigkeit der Verwendung sog. beschaffungsfremder Kriterien im Rahmen der öffentlichen Beschaffung. Unter öffentlicher Beschaffung wird in dieser Arbeit die Beschaffung von Waren, Bauund Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber mittels der Vergabe 106 Vgl. Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 75 f. mit umfangreichen Nachw. - auch von Literatur aus anderen Staaten - zum neuen Vergaberecht. 107 Ausführlich insbs. S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992), 408 ff.; dies., LQR III (1995), 235 ff.; dies., Procurement (1996), S. 799 ff. (815 ff.); J. M. Femandez Mart{n, Procurement (1996), S. 38 ff.; sowie die Monographien von E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), und Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000). 108 Dies sind die oben in Fn. 3 genannten Urteile (mit Ausnahme des späteren Urteils Schulgebäude).
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Einleitung
öffentlicher Aufträge (zu diesem Begriff sogleich) verstanden. Zur Beschaffung wird dabei neben der eigentlichen Bedarfsdeckung durch Auftragsvergabe auch die notwendigerweise vorausgehende Bedarfsdefinition gezählt, d.h. die Entscheidung, daß eine bestimmte Leistung beschafft werden soll. 109
Beschaffung meint nach dieser Definition nur die vertragsweise Beschaffung am Markt, ausgeklammert bleiben die zwangsweise Beschaffung durch Hoheitsakt und die Bedarfsdeckung durch Eigenleistung des öffentlichen Auftraggebers, 1 10 außerdem die "Beschaffung" von Dienstleistungen durch Einstellung bzw. Ernennung von Beamten und Arbeitnehmern. Der Begriff "Öffentliche Aufträge" ist in § 99 I GWB nunmehr legaldefiniert, und zwar als "entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen." Die folgenden Absätze zwei bis fünf des § 99 GWB definieren die einzelnen Auftragsarten. Diese Legaldefinition gilt allerdings nur für die §§ 97 ff. GWB, d.h. für Aufträge oberhalb der Schwellenwerte. Sie läßt sich aber grundsätzlich auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte anwenden. Entscheidend für die Klassifikation als "öffentlicher Auftrag" ist nach dieser Definition, wer öffentlicher Auftraggeber ist. Im weitesten Sinne könnte man unter öffentlichen Auftraggebern den Staat i. w. S. in all seinen Ausprägungen verstehen, d. h. einschließlich der gesamten mittelbaren Staatsverwaltung und der privatrechtlich organisierten Teile des Staates im Bereich der Daseinsvorsorge und der erwerbswirtschaftlichen Betätigung. Klassischerweise wurde der Begriff jedoch enger gefaßt, insbesondere zumeist nur die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als öffentliche Auftraggeber bezeichnet (d.h. die sog. klassischen Auftraggeber).111 Dieses 109 Vgl. zu diesen beiden Phasen der Beschaffung E. Weiter, Staat als Kunde (1960), S. 26 f.; A. Dohmen, Jb. der dt. BPost 1985, 198 (199 Fn. 5 und S. 203 f.); G. Kunnert, WTO-VergabeR (1998), S. 5 u. 8, der die Beschaffung allerdings nicht in "Bedarfsdefinition" und "Bedarfsdeckung" unterteilt, sondern - neben der hier nicht interessierenden "Kontrollphase" - in die "Beschaffungsvorbereitung" und das "Vergabeverfahren ieS", wobei nach Kunnert erstere alle Aktivitäten von der "Bedarfsfeststellung" bis zur Entscheidung über die Vergabeart umfaßt und letztere mit der Bekanntgabe der Vergabe beginnt und regelmäßig mit dem Zuschlag (ausnahmsweise mit der Aufhebung der Ausschreibung) endet. 110 Dies sind die drei Grundmöglichkeiten der öffentlichen Bedarfsdeckung, vgl. J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61; F. Rittner, Rechtsgrundlage und Rechtsgrundsätze (1988), Rn. 17. 111 Im zuletzt genannten Sinne etwa V. Jank/W. Zdzieblo, Einführung (1987), S. 23 ff.; s. ferner I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 64 ff., die dies als den traditionellen Begriff des öffentlichen Auftraggebers bezeichnet.
c. Untersuchungsgegenstand und Gang der Untersuchung
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Begriffsverständnis läßt sich aufgrund des europarechtlichen Einflusses heute so nicht mehr aufrechterhalten. Für die Frage, wer öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts, d.h. insbesondere der Verdingungsordnungen, ist, muß nunmehr zwischen den Bereichen ober- und unterhalb der Schwellenwerte unterschieden werden: Wer öffentlicher Auftraggeber im Sinne des GWB-Vergaberechts, d. h. im Bereich oberhalb der Schwellenwerte ist, ist in § 98 GWB festgelegt. Dieser Auftraggeberbegriff geht auf die EG-Richtlinien zurück und umfaßt neben den klassischen, "institutionell öffentlichen" Auftraggebern 112 auch "funktional öffentliche" Auftraggeber, d.h. Auftraggeber privater Rechtsform, die vom Staat kontrolliert werden und der Sache nach "staatliche" Tätigkeiten ausüben 1l3. Außerdem werden auch bestimmte materiell private Auftraggeber erfaßt. Dies betrifft Auftraggeber in den Sektoren, die ihre Tätigkeit aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte ausüben, Zuwendungsempfänger bei Baurnaßnahmen von öffentlichem Interesse sowie Baukonzessionäre. 114 Für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte fehlt eine gesetzliche Begriffsbestimmung des öffentlichen Auftraggebers. Verpflichtet zur Anwendung des Vergaberechts (d.h. insbesondere der VOB/A und VOLtA) sind hier, von Ausnahmen abgesehen, neben privaten Zuwendungsempfängern nur juristische Personen des öffentlichen Rechts ("institutionell öffentliche" Auftraggeber). I 15 Eine andere Frage ist, wer "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von anderen Rechtssätzen ist, die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe beinhalten, wie z.B. die Bevorzugungsnormen. Dies muß, soweit die Vorschriften keine näheren Bestimmungen enthalten, jeweils durch Auslegung ermittelt werden. Der Begriff des "öffentlichen Auftraggebers" und damit auch des "öffentlichen Auftrags" läßt sich demnach nicht in allgemeingültiger Weise definieren. Im Rahmen dieser Arbeit, d. h. in bezug auf die Frage nach der Zulässigkeit der Verfolgung politischer Zielsetzungen bei bzw. mit der öffentlichen Auftragsvergabe, soll es einerseits um die spezifischen Aufgaben s. § 98 Nr. 1 u. Nr. 3 Alt. 1 GWB n.F. s. § 98 Nr. 2 u. Nr. 3 Alt. 2 GWB n. F. 114 s. § 98 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 u. 6 GWB n. F. Nr. 4 erfaßt außerdem (Alt. 2) privatrechtsförmige Sektoren auftraggeber, auf die Auftraggeber nach Nr. 1-3 einen beherrschenden Einfluß ausüben können. 115 Jedoch sind auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht durchgängig zur Anwendung verpflichtet. Namentlich ist darauf hinzuweisen, daß den Gemeinden die Anwendung der VOLl A durch die Länder vielfach nur empfohlen wird (wobei es ihnen dann freisteht, selbst die Anwendung vorzuschreiben), vgl. zur Bindung der Gemeinden unten im 2. Teil, 3. Kap., unter B. IV. 2. a). ll2
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Einleitung
und andererseits um die spezifischen Bindungen gehen, denen der Staat (i. w. S.) unterliegt. Nicht behandelt werden hier daher die vom Vergaberecht erfaßten materiell privaten Auftraggeber. Zwar kommt es vor, daß Private bei ihrem Beschaffungsverhalten "beschaffungsfremde" Aspekte einbeziehen. Dies geschieht jedoch auf Grundlage der Privatautonomie und damit in einem anderen rechtlichen Rahmen als entsprechendes staatliches Verhalten. Auch ist denkbar, daß materiell private Auftraggeber staatlicherseits zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen verpflichtet werden. Diese Konstellation wirft jedoch eigene, andere rechtliche Probleme auf als die Verfolgung politischer Zielsetzungen bei der Auftragsvergabe durch den Staat selbst. Insbesondere stellt sich hier die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Grundrechten der betroffenen Auftraggeber. Diese Problematik zu behandeln würde den Rahmen der Arbeit überschreiten. "Öffentlicher Auftraggeber" im Sinne dieser Arbeit ist daher nur der Staat i. w. S. unter Einschluß der nur formell privaten juristischen Personen. Erfaßt sind damit die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie solche juristische Personen des privaten Rechts, die der Sache nach "staatliche" Tätigkeiten wahrnehmen ("formell Private"). Ausgenommen werden sollen dabei erwerbswirtschaftlich tätige juristische Personen des Privatrechts. Für die Auftragnehmerseite wird der Begriff Unternehmen verwandt. Damit sind natürliche wie juristische Personen gemeint. 11. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung
Die Arbeit soll zur Klärung der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung beitragen. Auf die Frage nach der politischen Zweckmäßigkeit werde ich nur sehr begrenzt eingehen. Die Prüfung der Zulässigkeit bezieht sich auf die Rechtslage in Deutschland. Daher ist das EG-Recht und das deutsche Recht zu untersuchen. Dabei sind nicht nur die oben genannten speziellen vergaberechtlichen Regelungen des Europa- und des nationalen Rechts, sondern auch Bestimmungen des EG-Primärrechts, des Grundgesetzes und der allgemeinen privatrechtlichen Gesetze heranzuziehen. Die Untersuchung ist nicht nach den verschiedenen "beschaffungsfremden Kriterien" gegliedert, sondern nach Rechtssätzen. Damit soll in möglichst allgemeingültiger Form der rechtliche Rahmen für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen abgesteckt werden. Angesichts der Vielzahl und Verschiedenartigkeit der verwandten Kriterien einerseits und der zu beach-
C. Untersuchungsgegenstand und Gang der Untersuchung
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tenden Rechtssätze andererseits ist grundsätzlich nur die Angabe von Leitlinien möglich. Es werden aber immer wieder verschiedene konkrete Beispiele herangezogen. Außerdem soll ein in der Praxis besonders wichtiger und umstrittener Fall, die Tariftreueerklärungen, einer ausführlichen Erörterung unterzogen werden. Dies dient zum einen der Illustration des allgemein zu den Rechtssätzen Gesagten. Die Untersuchung der Tariftreueerklärungen findet sich daher nicht in einem gesonderten Teil, sondern jeweils bei den einzelnen Rechtssätzen. Zum anderen berühren die Tariftreueerklärungen neben den typischerweise bei den sog. beschaffungsfremden Kriterien auftretenden Fragen auch noch weitere, besondere Problembereiche und verdienen daher eine eingehendere Betrachtung. Dabei geht es vor allem um den europarechtlich relevanten Problemkreis der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern und das Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 III GG. Zum letztgenannten Punkt wird auf Vorlage des BGH, wie erwähnt, noch das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben. 116 Die Arbeit beginnt im 1. Teil mit einer eingehenderen Erörterung des unklaren und problematischen - Begriffs der "beschaffungsfremden Kriterien" (1. Kap.). Damit wird zugleich auch das Arbeitsthema weiter bestimmt und eingegrenzt. Im 2. Kap. folgt ein Überblick über die Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien. Diese werden dabei nach verschiedenen, für die rechtliche Beurteilung relevanten Gesichtspunkten systematisiert. Im 2. Teil wird die rechtliche Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung untersucht. Zuerst wird die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verwendung sog. be schaffungsfremder Kriterien (i. e. nach der "Wirtschaftsverfassung" des Grundgesetzes und des EG-Primärrechts) geklärt (1. Kap.). Sodann werden die rechtlichen Grenzen im einzelnen aufgezeigt. Zunächst werden dabei die europarechtlichen Normen erörtert, d.h. das EG-Primärrecht (2. Kap. A.) und die EG-Vergaberichtlinien (2. Kap. B.). Nach einem Blick auf das Völkerrecht (2. Kap. C.), insbesondere das GPA, folgt die Untersuchung des deutschen Rechts. Hierbei wird zunächst der Standort des öffentlichen Auftragswesens zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht beleuchtet (3. Kap. A.). Sodann werden die Bindungen des Verfassungsrechts (3. Kap. B.) und des einfachen Rechts, d. h. des Haushalts- und Vergaberechts einerseits und der allgemeinen privatrechtlichen Gesetze andererseits erörtert (3. Kap. C.). Den Schluß der Arbeit bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse und rechtspolitische Bewertung.
116 s.O. A. I. mit Fn. 21.
1. Teil
Begriff und Arten der sogenannten beschaffungsfremden Kriterien 1. Kapitel
Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien" Die Diskussion um die Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung wird in Deutschland vorwiegend unter dem Stichwort "beschaffungsfremde Kriterien" (oder: "vergabefremde Kriterien") geführt. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Begriffe jedoch als unklar und problematisch. Dies wird im folgenden näher dargelegt (A.). Anschließend wird untersucht, welches Sachproblem den Begriffen zugrunde liegt (B.). A. Die Problematik des Begriffs I. Herkunft des Begriffs
Der Begriff "beschaffungsfremd" bzw. "vergabefremd" wird in Rechtsvorschriften nicht verwendet oder gar definiert, auch im GWB n. F. hat er keinen Niederschlag gefunden 1. Die einzige Ausnahme sind die § § 16 Nr. 2 VOB/ A und VOLl A, die "Ausschreibungen für vergabefremde Zwecke" verbieten. Als Beispiele für solche Zwecke nennen sie Ertragsberechnungen sowie (nur VOLl A) Vergleichsanschläge und Markterkundung. Gemeint ist der Fall, daß ein Auftrag allein zu solchen Zwecken ausgeschrieben wird, ohne daß die Absicht besteht, ihn zu vergeben. 2 Im Kontext des Themas dieser Arbeit wird der Begriff "vergabefremd" bzw. "beschaffungsfremd" jedoch in einem anderen Sinne gebraucht: Hier bezieht er sich auf den Fall, daß ein Auftrag tatsächlich vergeben wird, damit bzw. dabei aber noch zusätzliche politische - "vergabefremde" - Ziele verfolgt werden. Vgl. oben in der Einleitung, A. II., Fn. 42. Vgl. W. Heiermann, in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB (2000), A § 16 Rn. 11 f.; H. H. Eberstein, in: Daub/Eberstein, VOLtA (2000), § 16 Rn. 9 ff. I
2
A. Die Problematik des Begriffs
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In dieser Bedeutung handelt es sich um einen allein von der Literatur geprägten Begriff, der als zentraler Terminus zur Bezeichnung der Thematik wohl erstmals 1982 bei Pietzcker3 auftaucht4 . Zuvor wurde die Thematik unter Überschriften wie "Staatsaufträge als Mittel/Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik,,5 oder "Der Einfluß wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Zwecke,,6 (sc. auf die öffentliche Auftragsvergabe) behandelt. Mittlerweile haben sich die Begriffe "beschaffungsfremd" und mehr wohl noch "vergabefremd,,7 ("vergabefremde Kriterien" oder "vergabefremde Aspekte") aber weitgehend durchgesetzt;8 gleichbedeutend wird mitunter auch noch der Begriff "auftragsfremde Kriterien" gebraucht9 . Neuerdings taucht außerdem die Bezeichnung "wettbewerbsfremde Kriterien" auf. 1O Als - eher selten verwendete - Gegenbegriffe finden sich vor allem die Ausdrücke "beschaffungsbezogene Kriterien"!! und "auftragsbezogene Kriterien" 12. J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (87 ff.). s. aber auch schon K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61 ff., der das Thema zwar unter der Überschrift "Öffentliche Aufträge als Instrument nationaler Politik [.. .]" abhandelt, im Text dann aber auch vielfach den Begriff "beschaffungsfremd" verwendet (S. 66, 67, 70 ff.). Vereinzelt findet sich der Begriff auch schon bei J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 121, 338, 379, 382, und bei R. Altenmüller, DVB1. 1982, 241 (244 r. Sp.); außerdem - noch wesentlich früher - bei W. Daub/R. Meierrose/E. Müller, VOL (1. Aufl. 1960), A § 5 Anm. 7 a.E. 5 J. Pietzcker, Staats auftrag (1978), S. 119 ff.l304 ff. 6 V. J. Walthelm, Auftragswesen (1979), S. 31 ff. 7 Die Begriffe werden (wohl) synonym gebraucht, obwohl "Beschaffung" und "Vergabe" nicht gleichbedeutend sind; vg1. auch noch Fn. 15. s Vg1. nur die Überschriften der Aufsätze von M. Strohs, BauR 1988, 144 ff.; O. Otting, Stadt und Gemeinde 1996, 461 ff.; Th. Ax, ZVgR 1997, 46 ff.; W. Götz, EuR 1999, 621 ff.; A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 ff.; H.-J. Prieß/Ch. Pitschas, ZVgR 1999, 144 ff.; F. Marx, in: Vergabe öffentlicher Aufträge (2000), S. 77 ff.; K. Schumacher, DVB1. 2000, 467 ff. Schon P. Weissenberg, DB 1984, 2285, Fn. 5, spricht von dem "in Literatur und Praxis durchgehend verwendete[n]" Begriff "vergabefremde Kriterien". 9 Etwa bei I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 142 ff.; dieser (Le. ihrer Erstkommentierung von 1994) folgend K. Hailbronner, WiVerw 1994, 173 (204 0. 10 So - sich insoweit ausdrücklich gegen "begriffliche Neutralität" wendend T. Hopp, DB 2000, 29 (30 unter IV. 1.); weiter etwa M. BöhmlC. Danker, NVwZ 2000, 767 (768 unter III.); neben dem Begriff "auftragsfremd" I. Seidel, EuZW 2000, 762 (763 1. Sp. Mitte); dies., in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 142 ff. (144). II So J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (466 f.), der noch ein "unmittelbar" hinzufügt ("unmittelbar beschaffungsbezogene Kriterien"). 12 So I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 142 ff. 3
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I. Teil, I. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
11. Doppelte Unklarheit des Begriffs
Diese Terminologie weist jedoch in doppelter Hinsicht Unklarheiten auf: Bei näherer Betrachtung der (heute üblichen) Verwendung des Begriffs zeigt sich, daß weder klar ist, was genau er meint, welche Kriterien also als "beschaffungsfremd" einzustufen sind, noch, welche Folge die Einordnung als "beschaffungsfremd" haben soll. Es besteht also weder Klarheit über den beschriebenen Tatbestand (dazu sogleich unter 1.) noch über die Rechtsfolge der Klassifizierung (anschließend unter 2.). Dabei ist, wie Benedict zu Recht bemerkt, nicht nur die Bezeichnung "beschaffungsfremd" bzw. "vergabefremd" problematisch, sondern auch die Rede von beschaffungsfremden "Kriterien".13 Dieser Begriff ist zu eng, jedenfalls wenn damit die gesamte Problematik der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung angesprochen sein soll. 14 Dieser Punkt wird im folgenden aber als weniger bedeutend außen vor gelassen. 15
1. Beschriebener Tatbestand In der Literatur der letzten Jahre finden sich zwar des öfteren ungefähre Umschreibungen des Begriffsinhalts. Versuche, den Begriff klar zu definieren, sind, soweit ersichtlich, indes nicht unternommen worden. 16 Auch läßt sich nicht feststellen, daß der Verwendung des Begriffs "beschaffungsfremd" (bzw. "vergabefremd") unausgesprochen eine einheitliche Auffassung seiner Bedeutung zugrunde liegt. Dies zeigt sich an Unterschieden in den verwandten Begriffs- bzw. Problemumschreibungen, in der Auswahl der erörterten Beispiele sowie an der Uneinigkeit, die hinsichtlich bestimmter Aspekte darüber besteht, ob sie zu den "beschaffungsfremden" zu zählen sind oder nicht. So werden als "beschaffungsfremde" Kriterien oft solche bezeichnet, die von den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abweichen. 17 Aus europarechtlicher Sicht Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 22 unten f. Wohl deshalb wird z. T. abweichend von "vergabefremden Zwecken" bzw. "vergabefremden Zielen" gesprochen; so z.B. M. Burgi, NZBau 2001, 64 ff.; M. Heintzen, ZHR 165 (2001), 62 ff.; J. Ziekow, NZBau 2001, 72 ff. 15 Desgleichen erscheint der Begriff "beschaffungsfremd" weniger problematisch als der Begriff "vergabefremd", vgl. Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 22 mit Fn. 91. 16 Soweit der Begriff in der älteren Literatur verwandt wird, wird er meist eingeführt als Begriff für die Verfolgung von über die Bedarfsdeckung hinausgehenden Zielen, d.h. er wird verstanden im Sinne der oben bei Fn. 5 f. genannten Überschriften; s. etwa J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (87); M. Strohs, BauR 1988, 144; ähnlich P. Weissenberg, DB 1984,2285. 13
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A. Die Problematik des Begriffs
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wird dagegen der Konflikt mit der Chancengleichheit der Unternehmen und dem freien Wettbewerb als bestimmend angesehen. 18 Einer anderen Umschreibung zufolge sind "beschaffungsfremd" solche Anforderungen an die Auftragnehmer oder die Auftragsdurchführung, die nicht in den Verdingungsordnungen und den EG-Richtlinien Niederschlag gefunden haben. 19 Schließlich werden unter "beschaffungsfremden" Aspekten häufig solche verstanden, die "mit der Bedarfsdeckung nichts zu tun" haben. 2o Unklar ist außerdem, in welchen Phasen der Beschaffungsentscheidung sich die sog. beschaffungsfremden Kriterien finden können?l Die Mehrzahl der Autoren behandelt nur die Phase der Bedarfsdeckung, nicht auch die dieser vorgelagerte Phase der Bedarfsdefinition. Manche Autoren verorten die "beschaffungsfremden Kriterien" sogar ausschließlich in der Phase der Entscheidung über den Zuschlag. 22 Des weiteren besteht Uneinigkeit hinsichtlich der Charakterisierung bestimmter einzelner Aspekte als "beschaffungsfremd". Dies gilt namentlich in bezug auf die Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung der kleinen und mittleren Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe (Mittelstandsförderung) und die Einbeziehung von Zielen des Umweltschutzes. Die Mittelstandsförderung wird teils den "beschaffungsfremden" Aspekten zugeschlagen 23 , teils wird dies abgelehnt24 . Umweltpolitische Erwägungen 17 So etwa F. Rittner, NVwZ 1995, 313 (316); O. Otting, Stadt und Gemeinde 1996, 461; M. Brenner, Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 (143 u. 149); J. Ziekow, NZBau 2001, 72; zu den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und Abweichungen hiervon (jedoch ohne Verwendung des Terminus "beschaffungsfremd") auch F. Rittner, ZHR 152 (1988), 318 (329 ff.). In dieselbe Richtung F. Marx, in: Vergabe öffentlicher Aufträge (2000), S. 77 unten ("vergabefremd" ist, was "nicht unmittelbar der Realisierung wirtschaftlicher Beschaffung" dient). 18 So etwa R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 76 ff. u. 50 ff. (S. 50 ff. allerdings unter dem Begriff "positive Steuerungsmaßnahmen", gemeint ist aber dasselbe wie auf S. 76 ff., d.h. "vergabefremde Kriterien"); vg1. auch K. Hailbronner, WiVerw 1994, 173 (205). 19 So etwa Ch. Riese, VergabeR (1998), S. 201; A. Boesen, VergabeR (2000), § 97 Rn. 100; ähnlich T. Hopp, OB 2000, 29 (30 unter IV. 1.). 20 So V. Neßler, DÖV 2000, 145 (148 vor III.), s. aber auch noch Fn. 28. 21 Vg1. hierzu genauer unten B. 11. und III. 22 So F. Rittner, VgR 3/1998, S. 30 (31 f.); ders., VgR 4/1998, S. 30 f.; vg1. aber auch dens., EuZW 1999, 677 1. Sp.; des weiteren wohl auch K. Hailbronner, WiVerw 1994, 173 (204 f.). 23 So etwa Ch. Riese, VergabeR (1998), S. 201 (203, 211 ff.); R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 76 f. (anders aber wohl ders., WuW 1998, 1059 (1066 f. zu den "vergabefremden Aspekten" einerseits, 1061 u. 1064 zur Mittelstandsförderung mittels Fachlosvergabe andererseits)); F. Rittner, VgR 4/1998, S. 30 (31 unter III. 2.); ders., EuZW 1999, 677 (678 vor 11.); R. Bechtold, GWB (1999), § 97 (bearb. von A. Schwarz) Rn. 14; K. Hailbronner, in: Byok/Jaeger, VergabeR (2000), (§ 97) Rn. 155; M. Burgi, NZBau 2001, 64 (67 1. Sp.).
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
zählen Teile der Literatur generell unter die "beschaffungsfremden" Aspekte,25 während andere Autoren danach differenzieren, auf welche Weise diese in die Auftragsvergabe einbezogen werden 26 . Zusammenfassend läßt sich damit sagen, daß es für den Begriff "beschaffungsfremde Kriterien" keine klare und allgemein geteilte Definition gibt. 27 Dementsprechend besteht auch Uneinigkeit bei der Einordnung bestimmter EinzeWille. Im Ergebnis sind es zwar stets (jedenfalls in einem weiten Sinne) politische Aspekte, die als "beschaffungsfremd" bezeichnet werden;28 jedoch werden umgekehrt in aller Regel nicht alle Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung mit dem Begriff "beschaffungsfremd" gekennzeichnet29 ?O Der Begriff ist somit 24 So etwa F. Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOBI A (2001), § 97 GWB Rn. 27. Dezidiert die schriftliche Stellungnahme des Ausschusses der Ingenieurverbände und Ingenieurkammern für die Honorarordnung e. V. für die öffentliche Anhörung am 4.3.1998 im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zum GEntwurf des VgRÄG, Ausschuß-Drs. 13/132, S. 159; vg1. auch die Stellungnahme des Bay. Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, ebd., S. 71 (73); des weiteren M. Dreher, WuW 1997, 949 (951 ff.), der "Mittelstandsschutz" und "vergabefremde Zwecke" getrennt behandelt. Vg1. des weiteren die Stellungnahme des BRates vom 7.11.1997 zum GEntwurf (VgRÄG) der BReg., BT-Drs. BI 9340 vom 3.12.1997, S. 35 (36 unter 5.), wonach durch die Hinzufügung eines zweiten Satzes zu § 106 III GWB-E klargestellt werden sollte, "daß mittelständische Interessen gerade nicht den vergabefremden Aspekten zuzurechnen" seien. 25 So ausdrücklich M. Brenner, Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 (150 f.); des weiteren etwa Ch. Riese, VergabeR (1998), 201 (244 ff.); M. Burgi, NZBau 2001, 64 (67 1. Sp.). 26 So F. Drey, VgR 3/1998, S. 18 (nicht "vergabefremd" seien umweltschutzmotivierte Anforderungen in der Leistungsbeschreibung); H.-P. Kulanz, BehSp/VgR 10/1998, S. BIlIunter I. 2. und I. 2. a) (vg1. bes. bei Fn. 39); K. Schumacher, DVB1. 2000, 467 (471 1. Sp.); vg1. des weiteren J. Pietzcker, SächsVB1. 1999, 289 (293 unter 5. b)). 27 Auch Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 23, spricht von einer "mangelnden Trennschärfe" des Begriffs "vergabefremd". 28 V. Neßler, DÖV 2000, 145 (146 r. Sp. Mitte, ebenso 148 r. Sp. vor 2., andere Umschreibung aber 148 vor III.), spricht ausdrücklich von "vergabefremden - also politischen - Kriterien". Insgesamt abweichend nur der Sprachgebrauch bei C. Baase, Internationale Harmonisierung (1997), die den Begriff "beschaffungsfremde Vergabekriterien" interessanterweise nicht zur Bezeichnung der hier vorliegenden Problematik verwendet (insoweit spricht Baase S. 23 ff. von "Instrumentalfunktion" oder von der Verfolgung anderer Ziele als des der effizienten Bedarfsdeckung), sondern zur Bezeichnung sachfremder Entscheidungskriterien wie Freundschaft, Verwandtschaft, politische Sympathie und Bestechung (S. 29). 29 Bzw. werden unter diesem Stichworte jedenfalls nicht alle politischen Aspekte behandelt. Wie bereits angedeutet, läßt sich oft nur schwer ausmachen, von welchem Verständnis des Begriffes "beschaffungsfremd" jeweils ausgegangen wird. 30 Alle Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen erfassend wohl aber M. Burgi, NZBau 2001, 64 (66 f. unter III. 1.).
A. Die Problematik des Begriffs
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bei den meisten Autoren im Ergebnis in der einen oder anderen Hinsicht enger als der in dieser Arbeit gebrauchte Begriff der Einbeziehung politischer Zielsetzungen. 2. Rechts/olge der Klassifizierung
Ferner stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge der Einordnung als "beschaffungsfremd" oder "beschaffungsbezogen". Soll mit dem Begriff "beschaffungsfremd" nur eine bestimmte Art von Kriterien bezeichnet werden, oder enthält er zugleich eine rechtliche Bewertung, dahingehend, daß solche Kriterien unzulässig sind? Der Begriff selbst deutet auf letzteres hin: "Beschaffungsfremd" bzw. "vergabefremd" bedeutet der Beschaffung bzw. Vergabe fremd, indiziert also Sachfremdheit31 und damit wiederum Unzulässigkeit. 32 In seinen Ausführungen von 1982 führte Pietzcker den Begriff deshalb mit dem ausdrücklichen Hinweis ein, er solle "kein rechtliches Verdikt ausdrücken, sondern eine sachliche Eigenart kennzeichnen,,?3 Die Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien (die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung) ist in der Tat, wie die Untersuchung zeigen wird, keineswegs generell unzulässig. 34 Vielmehr ergibt sich erst aus einer genauen Prüfung aller relevanten Rechtsvorschriften, ob die Verwendung eines bestimmten ("beschaffungsfremden") Kriteriums rechtlich zulässig ist. "Beschaffungsfremd" kann daher nicht mit "unzulässig" gleichgesetzt werden. 35 Die Frage, ob begrifflich ein "beschaffungsfremder Aspekt" vorliegt, hat folglich keine unmittelbare rechtliche Relevanz. 36 31 Vgl. M. Burgi, JZ 1999, 873 (880 unter c)), wonach die übliche Bezeichnung als "beschaffungsfremd" die aus dem fehlenden Bezug zur Bedarfdeckung folgende Verletzung des Gleichheitssatzes ausdrücke. 32 Diese Konnotation des Begriffs wird auch kritisch bemerkt von P. Weissenberg, DB 1984,2285, Fn. 5; eh. Riese, VergabeR (1998), S. 203 (dieser fügt hinzu, daß er den Begriff, da eingebürgert, dennoch beibehalte); E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 89 unten f.; eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S.22. 33 J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (87). 34 Ein generelles Verbot läßt sich insbesondere auch nicht aus allgemeinen Normen oder Grundsätzen, namentlich aus der "Wirtschaftsverfassung" des GG oder des EGV ableiten, wie unten im 2. Teil, 1. Kap., noch zu erläutern ist. 35 Ebenso (zum Begriff "vergabefremd") ausdrücklich M. Burgi, NZBau 2001, 64 (66 unter III. 1.); J. Ziekow, NZBau 2001, 72 vor H. 36 Vermutlich aus diesem Grunde wurde in der Diskussion des Referats von K. Lange (in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61 ff.) der Nutzen der Trennung zwischen dem reinen Beschaffungszweck und den beschaffungsfremden politischen Zielen auch teilweise bezweifelt, s. den Diskussionsbericht von eh. Müller, ebd., S. 78 unten. 5 Meyer
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
Dennoch ist eine zunehmende Verwendung des Begriffs im Sinne eines rechtlichen Verdikts zu beobachten. Zwar wird nicht ausdrücklich gesagt, die Einordnung als "beschaffungsfremd" führe automatisch zur Rechtsfolge der Unzulässigkeit. Der Begriff wird jedoch in einer Weise verwandt, die eine entsprechende Bewertung unausgesprochen impliziert oder jedenfalls nahelegt. 37 Diese, schon im Begriff selbst angelegte, durch eine entsprechende Verwendung noch verstärkte negative Konnotation des Begriffs erklärt auch, warum um die Einordnung bestimmter Regelungen als "beschaffungsfremd" oder "beschaffungsbezogen" teilweise so heftig gerungen wird. 38 Die eigentlichen rechtlichen Probleme geraten dabei mitunter aus dem Blickfeld, die Etikettierung eines bestimmten Kriteriums als "beschaffungsfremd" wird zum Ersatz für eine genaue Auseinandersetzung mit den rechtlichen Fragen. 39 Treffend schreibt daher Marx, "das Wort ,vergabefremd '" habe sich "zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt. ,,40 III. Ergebnis
Der Begriff "beschaffungsfremde" bzw. "vergabefremde Kriterien" ist zwar knapp und einprägsam und hat sich inzwischen weitgehend eingebürgert. Die Untersuchung der Verwendung des Begriffs in der (neueren) Literatur ergibt jedoch, daß dieser eher geeignet ist, die Diskussion zu verunklaren. Die im Begriff "beschaffungsfremd" angelegte Vermengung der Bezeichnung des Phänomens und seiner rechtlichen Bewertung steht einer genauen und differenzierten Diskussion ebenso im Wege wie die Ungewißheit darüber, welche Kriterien dieser Begriff erfassen soll. Ich werde den Begriff daher im folgenden grundsätzlich vermeiden und von der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung sprechen. Damit sollen alle politischen Einflüsse sowohl in der 37 Vgl. z.B. Th. Ax, ZVgR 1997,46 (z.B. S. 47 a.E. von 11. 1. b), anders allerdings S. 49 unter IV.); U. Jasper, DB 1997,915 (919 a.E. von III. 6.); M. Rusam, in: Heiermann/RiedllRusam, VOB (2000), A § 25 Rn. 32c, 63 u. 64; vgl. des weiteren R. Noch, VgR 3/1998, S. 47, der zum Beschluß des BKartA zur Berliner Tariftreueregelung (s. o. in der Einleitung unter A. 1., Fn. 19) schreibt: "Das BKartA [... ] entla11lt die Tariftreueerklärungen als , vergabefremde Aspekte'." (Hervorhebung von mir); sowie F. Drey, VgR 3/1998, S. 18: "Kein Problem und deshalb nicht ,vergabefremd' sind [.. .]" [umweltschutzmotivierte Anforderungen in der Leistungsbeschreibung). 38 Vgl. oben bei Fn. 23-26. 39 Vgl. ebenso eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 23: "Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit von Sekundärzwecken laufen [... ] Gefahr, in begründungsfreien Tautologien zu erstarren, ein Zweck sei oder sei gerade nicht , vergabefremd ' und deshalb verboten bzw. erlaubt." 40 F. Marx, in: Vergabe öffentlicher Aufträge (2000), S. 77. Von einem "Leerbegriff' spricht B. Schwab, ArbuR 1998,506 (507 unter IV.).
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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Phase der Bedarfsdefinition als auch der der Bedarfsdeckung erfaßt sein. Hierunter zählen also auch alle oben erwähnten Aspekte, deren Einordnung als ..beschaffungsfremd" streitig ist. Soweit im folgenden noch der Begriff ..beschaffungsfremd" verwandt wird, ist er synonym zu verstehen, also ebenfalls in diesem weiten Sinne.
B. Das Sachproblem: Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung Unabhängig von den terminologischen Schwierigkeiten bleibt das Sachproblem zu lösen, nämlich die Frage nach den zulässigen Entscheidungskriterien im Rahmen öffentlicher Beschaffung. I. Unterscheidung "neutrale" versos "politisierte" BeschatTung
Der Begriff ..beschaffungsfremde Kriterien" basiert auf der Prämisse, daß es möglich und sinnvoll ist, bei der Beantwortung dieser Frage zwischen ..beschaffungsbezogenen" und ..beschaffungsfremden" (..politischen") Kriterien zu unterscheiden. Erstere sollen den unproblematischen Normalfall, letztere die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme bilden. Dies soll sich schon aus der Natur der Sache ergeben, unabhängig von der konkreten rechtlichen Ordnung des Beschaffungswesens. Dahinter steht die Vorstellung, daß öffentliche Aufträge grundsätzlich ..Instrumente neutraler Beschaffung" und nicht .. staatlicher Steuerung" seien,41 mit der Folge, daß die Einbeziehung politischer Zielsetzungen als Abweichen vom normalen Muster erscheint. Der Begriff ..beschaffungsfremd" soll damit zwar noch kein rechtliches Verdikt aussprechen, aber doch diejenigen Kriterien herausfiltern, die einer näheren rechtlichen Überprüfung bedürfen. Im folgenden soll untersucht werden, ob bzw. inwieweit diese Unterscheidung tatsächlich durchführbar und für die rechtliche Beurteilung von Nutzen ist, und damit zugleich auch, ob bzw. inwieweit die dahinter liegende Vorstellung von öffentlicher Beschaffung zutreffend ist. Dabei geht es um die öffentliche Beschaffung als allgemeines Phänomen, losgelöst von der konkreten derzeitigen Rechtslage in Deutschland. 42 Es gilt also, ..beschaffungsbezogene" und ..beschaffungsfremde" Kriterien, d.h ...neutrale" und ..politisierte" öffentliche Beschaffung gegenüberzustellen und die Unterschiede zu bewerten. 41 Zitate aus dem Titel des Aufsatzes von P. Weissenberg, DB 1984, 2285 ("Öffentliche Aufträge - Instrumente neutraler Beschaffung oder staatlicher Steuerung? - Parallelität und Konflikte -"). 42 Es geht hier also (nur) um eine Vorstrukturierung für die rechtliche Untersuchung. 5*
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
Unter "neutraler" Beschaffung soll eine Beschaffung verstanden werden, die allein darauf ausgerichtet ist, objektiv bestehenden Bedarf des öffentlichen Auftraggebers zu den bestmöglichen Bedingungen zu decken. Dabei gilt eine rein betriebswirtschaftliche (einzelwirtschaftliche) Betrachtungsweise, d. h. es geht nur um die Vorteilhaftigkeit der Entscheidung für den Auftraggeber selbst. Anders ausgedrückt: In diesem Modell werden allein die Entscheidungskriterien angewandt, die ein idealtypischer privater Marktteilnehmer anwenden würde. "Politisierte" Beschaffung ist demgegenüber durch die Ergänzung bzw. das Abweichen von diesen Kriterien aufgrund der Einbeziehung politischer Zielsetzungen gekennzeichnet. Die Beschaffung wird in Bezug zur Gesamtwirtschaft und zu einzelnen Politikfeldern gebracht, indem die Auswirkungen der Beschaffung auf diese in Bedacht genommen und berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird die Beschaffung auch als eigenständiges Instrument zur Erreichung politischer Zielsetzungen eingesetzt. In diesem Modell wird die öffentliche Beschaffung also (auch) den spezifischen Anforderungen und Erwartungen an staatliches Handeln unterworfen und nicht (nur) den Gesetzen privater Marktteilnahme. 43
Zu betonen ist, daß sich das Modell "neutraler" Beschaffung auf einen idealtypischen privaten Marktteilnehmer bezieht. Damit ist ein Marktteilnehmer gemeint, der politische Gesichtspunkte bei seinen Entscheidungen stets und vollständig außer Betracht läßt. Der Realität privater Marktteilnahme entspricht ein solches Verhalten nicht unbedingt: Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung ist nämlich keine ausschließliche Besonderheit der öffentlichen Beschaffung, sondern findet sich durchaus auch in der Privatwirtschaft. 44 Nicht selten spielen politische Gesichtspunkte, namentlich aus den Bereichen Umwelt und Soziales, auch dort bei Beschaffungsentscheidungen eine Rolle. 45 Man denke etwa an Bekleidungsunternehmen, die von ihren Lieferanten die Einhaltung gewisser Mindeststandards hinsichtlich der Arbeitsbedingungen verlangen oder an Versandhäuser, die sich um die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte bemühen. 46 43 Vgl. zu den verschiedenen Grundansichten zur Frage der Zulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien, die jeweils einem der hier genannten Modelle entsprechen, oben Einleitung, A. 11. 44 Dies betont auch S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 799. Anders dagegen U. Jasper/F. Marx, Einführung Textausgabe (2001), S. X (vor 2.), die von Auflagen sprechen, "an die ein Einkäufer eines Unternehmens niemals denken würde." 45 Die von Teilen der Literatur geäußerte Forderung, die öffentliche Hand solle sich bei der Auftragsvergabe ebenso verhalten wie ein Privater, d.h. politische Zielvorstellungen außen vor halten, beruht daher schon auf einer unzutreffenden Prämisse. 46 Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, daß eine solche Unternehmenspolitik häufig dadurch motiviert sein wird, ein negatives Image zu vermeiden bzw.
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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11. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdefinition
Für die Beantwortung der Frage nach der Unterscheidbarkeit und nach dem Nutzen der Unterscheidung zwischen "neutraler" und "politisierter" Beschaffung ist zwischen den zwei verschiedenen Hauptphasen oder -ebenen der Beschaffung, der Phase der Bedarfsdefinition und der Phase der Bedarfsdeckung, zu unterscheiden. Die erste Phase oder Ebene der Beschaffung ist die der Bedarfsdefinition. Sie führt zu der Entscheidung, daß eine bestimmte Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt beschafft werden soll.
1. Relativität jedes "Bedaifs" Ob sich auf dieser Ebene eine gänzlich neutrale Beschaffung überhaupt vorstellen läßt, erscheint fraglich. Dies würde nämlich voraussetzen, daß es stets einen eindeutig und objektiv bestehenden Bedarf gibt, der dann nur noch festgestellt werden müßte. "Bedarf' ist aber etwas grundsätzlich Relatives. Zwar wird es einerseits Fälle geben, in denen ein bestimmter Bedarf unabweisbar besteht, und andererseits Fälle, in denen sich das Bestehen eines bestimmten Bedarfs unter keinem Gesichtspunkt begründen läßt. Die meisten Fälle aber liegen zwischen diesen bei den Polen. Ein Bedarf läßt sich dann nicht definieren, ohne Wertungen vorzunehmen (was in Zeiten knapper Kassen vor allem heißt: Prioritäten setzen und nach kostengünstigen Lösungen suchen). Sollen z. B. in einem Amtsgebäude die Fenster erneuert werden, oder sind die vorhandenen noch ausreichend? Und wenn neue Fenster beschafft werden sollen, welcher Art sollen diese dann sein: Einfach- oder Mehrfachverglasung; Metall-, Kunststoff- oder Holzrahmen; gegebenenfalls aus welcher Sorte Holz? Eine eindeutig-objektive Bestimmung des Bedarfs ist also in der Regel nicht möglich. Das gilt im übrigen für die öffentliche Beschaffung ebenso wie für die der privaten Marktteilnehmer.
2. Politische Implikation jeder öffentlichen Beschaffung Möglicherweise kann man aber bei den Wertungen, die zur Festlegung eines bestimmten Bedarfs führen, zwischen "beschaffungsfremden" ("politischen") und "beschaffungsbezogenen" ("neutralen" im Sinne von streng sachimmanenten) Wertungen unterscheiden.
ein besonders positives Image zu erlangen und damit auch die Umsätze halten bzw. steigern zu können.
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
Dies wirft zunächst die Frage auf, ob die Bedarfsdefinition im Rahmen öffentlicher Beschaffung nicht (letztlich) immer eine politische Entscheidung ist, da die zu beschaffende Leistung stets eine bestimmte Funktion bei der Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben erfüllen soll, damit der Wahrnehmung dieser Aufgaben und somit der Verwirklichung politischer Ziele dient. 47 Ob für die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe und damit ggf. für die Beschaffung einer bestimmten Leistung überhaupt (oder jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt) ein Bedarf besteht, kann bereits hochstreitig sein. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Beschaffung von Rüstungsgütem. 48 Aber auch in den weniger spektakulären, alltäglichen Fällen wie dem vielzitierten Bleistiftkauf, wo Aufgabenerfüllung und Leistungsbeschaffung nicht in einem so direkten, sichtbaren Zusammenhang stehen, sind "Beschaffungsvorgänge letzten Endes Mittel zur Verwirklichung politischer Ziele,,49. Diese immer vorhandene politische Implikation der öffentlichen Beschaffung, die Einbettung in das System staatlicher Aufgabenwahrnehmung und Zielverfolgung, unterscheidet sie von der privaten Beschaffung. Sie ist aber im Grunde genommen - wenn sie auch häufig übersehen wird - lediglich eine Selbstverständlichkeit. 5o In der Beschaffungsentscheidung wird insoweit lediglich die politische Entscheidung für die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe wiederholt: "Die Beschaffung aktualisiert nochmals das Ziel."Sl Es handelt sich daher insoweit nicht um eigenständige politische Entscheidungskriterien. Wenn von "beschaffungsfremden Kriterien" oder von der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung die Rede ist, ist folglich nicht diese politische Implikation der öffentlichen Beschaffung gemeint.
47 Vgl. K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61; diesem folgend eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 6 (unter 1.). Allerdings ist es nicht immer möglich, die Zuordnungen eindeutig vorzunehmen. Dies betrifft neben dem Fall, daß die zu beschaffende Leistung mehreren bestimmten Aufgaben dienen soll, insbesondere auch die Beschaffung von Leistungen, die die allgemeine behördliche Funktionsfähigkeit sichern sollen; vgl. ausführlich zu den Zweckbeziehungen bei der Beschaffung M. Wallerath, Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht (1988), S. 128 ff. (bes. S. 133 ff. zu den Zuordnungsschwierigkeiten). 48 Vgl. das bei eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 7, wiedergegebene Beispiel aus der Schweiz (Beschaffung von Kampfflugzeugen) und für Deutschland die Diskussion um den "Jäger'90" bzw. "Eurofighter". 49 K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61, Hervorhebung von mir. 50 So auch K. Lange, ebd. 51 eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 6 unter 1.
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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3. Veifolgung zusätzlicher Zielsetzungen durch die Beschaffung als solche
Anders liegt es, wenn die Definition eines bestimmten Bedarfs nicht nur mit dem Nutzen der Leistung als solcher für den öffentlichen Auftraggeber begründet wird, sondern auch mit anderen, äußeren Effekten, die mit der Beschaffung der fraglichen Leistung erzielt werden können. Eine solche zusätzliche Zielsetzung kann etwa sein, Arbeitsplätze zu sichern, für wichtig erachtete Industriezweige zu stützen (wie z. B. die Rüstungsindustrie ) oder die technologische Entwicklung zu fördern (Forschungs- und Entwicklungsaufträge). In diesen Fällen dient die öffentliche Auftragsvergabe nicht nur dazu, Leistungen zu beschaffen, die der öffentliche Auftraggeber als solche zur Erfüllung seiner Aufgaben nutzt. Die Beschaffung der Leistung soll vielmehr zugleich der Verwirklichung weiterer (politischer) Zielsetzungen dienen. Solche Zielsetzungen können bei der Bedarfsdefinition ein sehr starkes Gewicht erlangen. Wenn allerdings die Leistung als solche dem öffentlichen Auftraggeber in keiner Weise mehr zugute kommt, sondern ausschließlich andere Ziele verfolgt werden (wie in bestimmten Fällen von Forschungsaufträgen), handelt es sich der Sache nach nicht mehr um Beschaffung. 52 Ein weiterer wichtiger Fall der Einbeziehung politischer Erwägungen jenseits der Frage nach dem eigentlichen Bedarf des öffentlichen Auftraggebers ist die antizyklische Konjunkturpolitik. Danach sollen in der Rezession bzw. Depression verstärkt, d.h. vermehrt und beschleunigt, in der Hochkonjunktur vermindert öffentliche Aufträge vergeben und so die Konjunktur entsprechend beeinflußt werden. In der Praxis dürfte es dabei wohl so sein, daß nicht nur der Zeitpunkt (das "Wann") der Beschaffung beeinflußt wird, sondern auch das "Ob".53 In allen diesen Fällen werden öffentliche Aufträge in einer Weise eingesetzt, die die Gesamtwirtschaft oder einzelne Wirtschaftsbereiche (eventuell auch nur einzelne Unternehmen) in Verfolgung bestimmter politischer Zielsetzungen zu beeinflussen sucht. Dies ist gewiß eine Besonderheit gegen52 s. M. Wallerath, Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht (1988), S. 29 u. 137; a. A. wohl K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61 unten, der davon spricht, daß politische Ziele den Beschaffungszweck bei öffentlichen Aufträgen "überlagern und gelegentlich sogar verdrängen" (Hervorhebung von
mir).
53 So ausdrücklich K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61 (62 f.: "Aufträge [... ], deren Erteilung andernfalls nicht nur verschoben worden, sondern unterblieben wäre"); diesem folgend K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 93.
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
über privater Marktteilnahme. Allerdings ist fraglich, inwieweit es sich auch um eine wirkliche Besonderheit gegenüber der oben beschriebenen politischen Implikation jeder öffentlichen Beschaffung handelt. Der qualitative Unterschied zwischen der Begründung für eine bestimmte Bedarfsdefinition, daß für die Leistung als solche ein Bedarf besteht, und der Begründung, daß für sie (auch) wegen der mit der Beschaffung verbundenen äußeren Effekte ein Bedarf besteht, ist m. E. nicht sehr groß. In beiden Fällen soll die Beschaffung der Leistung letzten Endes der Verwirklichung bestimmter politischer Zielsetzungen dienen. Man kann hier zwar von "politisierter" Beschaffung sprechen, muß sich aber der Relativität der Unterscheidung bewußt sein.
4. Einbeziehung von Gesichtspunkten des Umweltschutzes und des fairen Handels Als weitere Fallgruppe "politisierter" Beschaffung kommt die Einbeziehung umweltpolitischer Überlegungen bei der Bedarfsdefinition in Betracht. Ökologische Überlegungen können die Festlegung der Detailanforderungen an die Leistung beeinflussen, aber auch schon die Frage, welche Leistung überhaupt beschafft werden soll. Ein Beispiel: Eine Stadt will für den Bürgermeister ein Transportmittel beschaffen. Dafür kommen prinzipiell die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, eines Fahrrades oder eines Automobils in Betracht. Entscheidet sich die Stadt für die Beschaffung eines Automobils, kann dies wiederum ein konventionelles Benzin- oder Dieselfahrzeug sein, ein Elektroauto oder ein Erdgasfahrzeug. Des weiteren wären Wagenklasse, Ausstattung, technische Daten usw. festzulegen. Alle diese Entscheidungen können auch durch umweltpolitische Aspekte beeinflußt werden. So wären unter ökologischen Aspekten öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad vorzugswürdig, unter den Automobilen unter Umständen das Elektro- oder Erdgasfahrzeug. Auch bei der Festlegung der Detailanforderungen kann ökologischen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden, z. B. bezüglich des Kraftstoffverbrauchs und des Abgasausstoßes. Die Frage ist, ob bzw. inwieweit dieses Verhalten von der idealtypischen privaten Marktteilnahme abweicht. Der idealtypische private Marktteilnehmer würde ökologische Erwägungen als solche nicht anstellen. Die ökologisch gebotene Lösung kann aber zugleich diejenige sein, die für den Auftraggeber selbst am vorteilhaftesten ist, weil sie neben den Vorteilen für die Umwelt zugleich unmittelbare Vorteile für den Auftraggeber mit sich bringt. Das kann einmal die Vermeidung gesundheitlicher und damit auch finanzieller Risiken sein, etwa bei der Vermeidung problematischer Baustoffe. 54 Zum anderen können sich durch sparsamen Verbrauch von Ressourcen finanzielle Vorteile ergeben: So führen z. B. langlebige Produkte
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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nicht nur zu Abfallvenneidung, sondern auch zu Ersparnissen für den Verwender; vorausgesetzt allerdings, die Ersparnis wird nicht durch einen entsprechend höheren Anschaffungspreis zunichte gemacht. Dasselbe gilt für Energiespannaßnahmen aller Art, von der verbesserten Gebäudeisolierung bis zum geringeren Kraftstoffverbrauch bei Fahrzeugen. In anderen Fällen bringt die umweltfreundlichere Lösung nicht zugleich einen Vorteil für den Auftraggeber selbst mit sich. Dann kann die Entscheidung für diese Lösung nur mit Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt werden. Das sind neben den Fällen, in denen die umweltfreundlichere Leistung trotz Langlebigkeit oder geringeren Energieverbrauchs aufgrund der Höhe des Anschaffungspreises im Ergebnis teurer ist, zum einen die Fälle, in denen die Leistung im Gebrauch oder in der Entsorgung umweltfreundlicher ist, ohne zugleich für den Auftraggeber vorteilhaft zu sein, und zum anderen die, in denen an die Herkunft oder Herstellungsart eines Produkts angeknüpft und die umweltfreundlichere, aber teurere Variante verlangt wird. Beispiele sind die Beschaffung abgasanner Fahrzeuge einerseits, der Ausschluß von Tropenholz oder die ausschließliche Beschaffung von Umweltschutzpapier andererseits (wenn dieses teurer ist als herkömmliches Papier). Hier entspricht der ökologische Vorteil nicht zugleich einem Vorteil des Auftraggebers. Eine Parallele außerhalb der Umweltpolitik finden die zuletzt genannten Fälle bei Bemühungen, die sich unter dem Stichwort "fairer Handel" zusammenfassen lassen. Hier ist etwa an die Beschaffung von Waren mit dem "TransFair"-Siegel (Kaffee, Tee und andere Genußmittel) oder an den Ausschluß von in Kinderarbeit hergestellten Produkten (dokumentiert z. B. durch das "Rugmark"-Zeichen bei Teppichen) zu denken. Auch hier wird eine bestimmte Herkunft bzw. Herstellung der Leistung verlangt, ohne daß dies dem Auftraggeber selbst unmittelbar vorteilhaft wäre. Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß einerseits die Einbeziehung ökologischer Gesichtspunkte in die Bedarfsdefinition als solche ein Fall "politisierter" Beschaffung ist. Das gleiche gilt für die Einbeziehung von Gesichtspunkten des fairen Handels. Andererseits kann die Einbeziehung ökologischer Gesichtspunkte zu denselben Ergebnissen führen wie eine "neutrale" Beschaffung, die nur nach dem unmittelbaren Nutzen für den Auftraggeber fragt; sie muß also nicht notwendigerweise in Konflikt zu dieser treten.
54 Insofern geht es allerdings begrifflich eher um Gesundheits- als um Umweltschutz. Dennoch werden diese Fälle (z. B. Asbest) häufig unter dem Stichwort "Umweltschutz" erörtert - vgl. auch Art. 174 I EGV n. F.
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
5. Zusammenfassung und rechtliche Folgerungen Insgesamt läßt sich zur Trennung zwischen "neutraler" und "politisierter" Beschaffung in der Phase der Bedarfsdefinition sagen, daß eine Abgrenzung theoretisch zwar möglich ist, sie praktisch aber teilweise diffizile Überlegungen verlangt und die Grenze so mitunter nur schwer auszumachen ist. Dies liegt vor allem daran, daß es den objektiv bestehenden Bedarf eben nicht gibt, so daß die Bedarfsdefinition notwendigerweise Wertungen und Abwägungen verlangt. Dabei kann eine Vielzahl verschiedenster Gesichtspunkte einfließen. Für rechtliche Bindungen ist hier schon aufgrund der Natur der Sache nur begrenzt Raum. Diesen Gegebenheiten wird in der rechtlichen Beurteilung Rechnung getragen. Der öffentliche Auftraggeber hat bei der Bedarfsdefinition einen sehr weiten Spielraum. Insbesondere setzen die Regelungen des Vergaberechts die Bedarfsdefinition voraus: Sie regeln nur die zweite Phase, die eigentliche Bedarfsdeckung. Die Entscheidung, ob, wann und welche Leistung beschafft wird, liegt grundSätzlich im freien Ermessen des Auftraggebers. Hierüber besteht in Literatur und Rechtsprechung Konsens. 55 Die Frage wird für gewöhnlich nicht einmal angesprochen oder jedenfalls wird diese Annahme nicht problematisiert, da sie für selbstverständlich gehalten wird. 56 Diese grundsätzliche Freiheit des Auftraggebers bei der Bedarfsdefinition wird im folgenden mit dem Stichwort "Beschaffungsautonomie" bezeichnet. Die "Beschaffungsautonomie" umfaßt dabei grundsätzlich auch die Einbeziehung politischer Zielsetzungen. 57 Angesichts dessen, daß die öffentliche Beschaffung in jedem Fall in die Verwirklichung politischer Zielsetzungen eingebunden ist, ist die "politisierte" Beschaffung nur in sehr begrenztem Maße als etwas anderes, problematischeres anzusehen als die "neutrale" Beschaffung. Die Bedarfsdefinition - ob "neutral" oder "politisiert" - liegt indes nicht jenseits jeglicher rechtlicher Kontrolle. Gewissen Schranken unterliegt auch die Bedarfsdefinition. Insbesondere kann die Bedarfsdefinition zu einer unzulässigen Verengung des Kreises potentieller Bewerber führen. Wo hier im einzelnen die Grenze verläuft, ist allerdings häufig schwer zu bestimmen, da jede Bedarfsdefinition notwendigerweise den Kreis der für die Erbringung der Leistung in Betracht kommenden Unternehmen bestimmt und da55 Vgl. etwa J. Pietzcker, SächsVBI. 1999, 289 (293 r. Sp. oben): "Da der Auftraggeber aber selbst seinen Bedarf festlegt [... ]"; implizit auch ders., AöR 107 (1982),61 (93 f.), u. ders., ZHR 162 (1998), 427 (465 oben). 56 Vgl. aber A. Dohmen, Jb. der dt. BPost 1985, 198 (203 unten u. 204 Mitte). 57 Vgl. auch M. Kling, Vergabefremde Regelungen, S. 599 (ff.), zum Umweltschutz.
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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mit gleichsam alle anderen Unternehmen ausschließt58 . Schranken ergeben sich außerdem aus den Bestimmungen des Vergaberechts über die Leistungsbeschreibung, die auf die Bedarfsdefinition zurückwirken. Diese Fragen werden im 2. Teil der Arbeit untersucht werden. III. Die Unterscheidung in der Phase der Bedarfsdeckung
Die zweite Phase der Beschaffung ist die der eigentlichen Bedarfsdekkung, d. h. der Beschaffung der zuvor als Bedarf definierten Leistung durch Vergabe eines öffentlichen Auftrags. 1. Ansatzpunkte der Einbeziehung politischer Zielsetzungen
Die Bedarfsdeckung beginnt mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung. Diese fixiert den zuvor definierten Bedarf, so daß auf ihrer Basis Angebote eingeholt werden können. Die Leistungsbeschreibung stellt damit gewissermaßen das Scharnier zwischen Bedarfsdefinitions- und Bedarfsdekkungsphase dar. Außerdem sind die Vertrags bedingungen für den zu vergebenden Auftrag festzulegen. 59 Im Modell "neutraler" Beschaffung wären Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen allein darauf auszurichten, daß der Auftraggeber die gewünschte Leistung erhält. Eine "politisierte" Beschaffung liegt demgegenüber vor, wenn mittels der Auferlegung von Vertragsbedingungen politische Zielsetzungen verfolgt werden, z. B. solche sozialpolitischer Art. Zu denken ist hier etwa an die Tariftreueerklärungen oder vertragliche Verpflichtungen zur betrieblichen Frauenförderung. In der Leistungsbeschreibung spiegelt sich gegebenenfalls die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Bedarfsdefinition wider, insbesondere die Einbeziehung ökologischer Gesichtspunkte. Auch bei der Frage, ob ein Auftrag als Ganzes oder in Teilen (sog. Losen) vergeben wird, können politische Erwägungen eine Rolle spielen: Die Vergabe nach Losen ist aus mittelstandspolitischer Sicht vorzugswürdig. Sie kann aber unwirtschaftlicher sein, etwa aufgrund erhöhten Koordinierungsbedarfs, oder wenn nur eine begrenzte Zahl von Losen an ein Unternehmen vergeben werden darf und daher unter Umständen nicht alle Lose auf das jeweils wirtschaftlichste Angebot vergeben werden können 6o • Häufig ist die 58 Vgl. wiederum A. Dohmen, Jb. der dt. BPost 1985, 198 (203 unten u. 204 Mitte). 59 s. näher zum Verhältnis von Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung sowie von Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen unten im 2. Kap. unter B. I. 1. b) aa) bzw. bb).
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
Vergabe nach Losen aber auch die (betriebs-)wirtschaftlich vorteilhafteste Lösung. Sodann muß die Entscheidung über die Vergabeverfahrensart getroffen werden. Bei "neutraler" Beschaffung wäre die Verfahrensart zu wählen, die das günstigste Angebot erwarten läßt. Welche das ist, läßt sich nicht allgemein sagen. Es kann die öffentliche Ausschreibung sein, weil sie es ermöglicht, aus einer Vielzahl von Angeboten das günstigste herauszusuchen, oder die freihändige Vergabe, die es ermöglicht, mit den Unternehmen zu verhandeln 61 ; mitunter auch die beschränkte Ausschreibung, die weniger aufwendig ist als die öffentliche Ausschreibung. Die Wahl der Verfahrensart kann aber auch durch politische Zielsetzungen beeinflußt sein: Wettbewerbspolitisch wird meist die öffentliche Ausschreibung die gebotene Verfahrensart sein. Im Einzelfall kann es bei bestehenden oder drohenden Monopolen oder Oligopolen zur Erhaltung des Wettbewerbs aber auch angezeigt sein, nicht öffentlich auszuschreiben, um (derzeit) schwächere Marktteilnehmer stützen zu können. Damit wird langfristig allerdings auch die Basis für eine wirtschaftliche Beschaffung gesichert, so daß die Abweichung vom Modell "neutraler" Beschaffung hier letztlich weniger groß ist. Entsprechendes gilt im übrigen auch in bezug auf die Mittelstandsförderung, die ebenfalls zur Erhaltung von Strukturen beiträgt, die eine wirtschaftliche Beschaffung ermöglichen. 62 Schließlich kann die Wahl der beschränkten Ausschreibung oder der freihändigen Vergabe dazu dienen, in Verfolgung politischer Zielsetzungen bestimmte Unternehmen bevorzugen zu können (z. B. Unternehmen aus den neuen Bundesländern). Auch bei der Wahl der Verfahrensart können damit "neutrale" und "politisierte" Beschaffung zu denselben Ergebnissen führen, müssen es aber nicht. Bei der Auswahl des Angebots schließlich, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, würde der Auftraggeber im Modell "neutraler" Beschaffung zum einen auf die Eignung des Unternehmens zur Erbringung der gewünschten Leistung achten und zum anderen auf Qualität (z. B. technischer Wert, Betriebskosten, Kundendienst) und Preis des Angebots. Bei "politisierter" Beschaffung werden demgegenüber weitere, politische Gesichtspunkte miteinbezogen. Hier ist, um nur zwei Beispiele zu nennen, etwa an 60 Vg!. zu einem solchen Fall der sog. Loslirnitierung OLG Düsseldorf, Besch!. v. 15.6.2000, Verg 6/00 - Euro-Münzplättchen 1II, NZBau 2000, 440 = BauR 2000, 1603. 61 Vg!. auch die Angabe im Grünbuch der Kommission (Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft), wonach das Verhandlungsverfahren (die freihändige Vergabe) offenbar effizientere Ergebnisse zeitige als Ausschreibungen, KOM (96) 583 endg. vom 27.11.1996, abgedruckt auch als BRat-Drs. 50/97 vom 21.1.1997, unter 3.16.; vg!. auch J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (432 f. u. 453 0. 62 Vg!. J. Pietzcker, SächsVBl. 1999,289 (293 r. Sp. unter 5. b».
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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die Bevorzugung von Unternehmen aus den neuen Bundesländern oder von Ausbildungsbetrieben zu denken. 2. Zusammenfassung und rechtliche Folgerungen In der Phase der Bedarfsdeckung stellt sich die Lage also anders dar als in der Phase der Bedarfsdefinition: Ist ein Bedarf erst einmal definiert, läßt sich in der Regel relativ klar feststellen, was der Deckung dieses Bedarfs zu möglichst günstigen Bedingungen dient und was anderen Zielen. Die Einflüsse politischer Zielsetzungen lassen sich hier also, anders als bei der Bedarfsdefinition, in der Regel recht klar identifizieren. Das gilt vor allem für die Festlegung der Vertragsbedingungen und die Auswahl der Unternehmen. Bei der Entscheidung über die Verfahrensart und über die Frage der Teilung in Lose ist die Abgrenzung praktisch schwieriger, weil "neutrale" und "politisierte" Beschaffung hier im Ergebnis zu denselben Entscheidungen führen können. Für die Phase der Bedarfsdeckung paßt, anders als für die Phase der Bedarfsdefinition, auch eine relativ weit verbreitete Tenninologie zur Unterscheidung von "neutraler" und "politisierter" Beschaffung: Die Unterscheidung zwischen der "Instrumentalfunktion" öffentlicher Aufträge einerseits und ihrer "Bedarfsdeckungsfunktion" (auch "Beschaffungs-" oder "Versorgungsfunktion") andererseits. 63 "Bedarfsdeckungsfunktion" ist dann zu verstehen im Sinne von Bedarfsdeckung zu den bestmöglichen Bedingungen i. S. betriebs wirtschaftlicher Effizienz. Der Begriff "Instrumentalfunktion" wird in der Regel aber auch für den Einfluß politischer Erwägungen in der Phase der Bedarfsdefinition verwendet. Das ist terminologisch unscharf, wenn der Begriff "Instrumentalfunktion" als Gegenbegriff zu "Bedarfsdekkungsfunktion" fungieren soll. Denn von einer "Bedarfsdeckungsfunktion" als primäre Funktion der Auftragsvergabe neben einer "Instrumentalfunktion" als sekundäre kann erst gesprochen werden, wenn der Bedarf definiert ist. 64 63 Diese Tenninologie wurde erstmals wohl verwendet von C. Jeanrenaud, Annalen der Gemeinwirtschaft 1984, 151 (152 f.); diesem folgend K. StoLz, EG-Auftragswesen (1991), S. 85 unten; Ch. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 7 unten ff.; C. Haase, Internationale Harmonisierung (1997), S. 23 unten f. 64 Vgl. auch die Tenninologie bei S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 799, die von "primary and secondary objectives" spricht, und zwar bezogen nur auf die Bedarfsdeckungsphase (s. ebd. Fn. 2); s. auch dies., LQR 111 (1995), 235 Fn. 1. In Anlehnung an diese Terminologie spricht auch Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), von "Primärzweck" und "Sekundärzwecken" (s. S. 17 ff.), wobei aber nicht ganz klar wird, ob sich diese Unterscheidung ebenfalls nur auf die Phase der Bedarfsdeckung bezieht. Einerseits wird der "Primärzweck" unter Bezugnahme auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung definiert (S. 20), so daß auch die Einbeziehung
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1. Teil, 1. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
In bezug auf die Bedarfsdefinition stieß aber nicht nur die Abgrenzung zwischen "neutraler" und "politisierter" Beschaffung auf Schwierigkeiten; auch die rechtliche Relevanz der Unterscheidung erschien fraglich. Fraglich ist, wie es sich damit in bezug auf die Bedarfsdeckung verhält. Ist der Bedarf definiert und damit entschieden, was beschafft werden soll, ist es gewiß naheliegend, nun das weitere Verfahren darauf, und zwar allein darauf auszurichten, diesen Bedarf zu den bestmöglichen Bedingungen zu decken. Die daraus folgenden Entscheidungskriterien sind sachgerecht und daher grundsätzlich unproblematisch. Man kann sich allerdings durchaus fragen, ob eine alleinige Berücksichtigung solcher Entscheidungskriterien, also eine vollständig "neutrale" Beschaffung, in jedem Fall zulässig ist, oder ob der öffentliche Auftraggeber nicht unter Umständen verpflichtet sein kann, weitere - "politische" - Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu denken ist dabei an Fälle, in denen durch den Auftragnehmer wichtige Rechtsgüter in gravierendem Ausmaß verletzt werden, etwa die Gesundheit seiner Arbeitnehmer oder die Umwelt. 65 Hier erscheint es zweifelhaft, ob der öffentliche Auftraggeber dies ignorieren darf oder ob er sich dadurch nicht mitverantwortlich machen würde und deshalb verpflichtet ist, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Solche Pflichten könnten namentlich aus Art. 1 I, 3 11, 3 III, 20 I (Sozialstaatsprinzip), 20a GG abzuleiten sein. Der Frage soll hier nicht näher nachgegangen werden, da Thema dieser Arbeit nicht die Gebotenheit, sondern die Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ist. Man wird hier aber zurückhaltend sein müssen, zumal wenn die Rechtsordnung, wie es bei Rechtsverstößen in der Regel der Fall ist, für das Fehlverhalten andere Sanktionsmechanismen vorsieht. Eine Rechtspflicht zur Berücksichtigung solcher Aspekte im Rahmen der Beschaffung wird daher nur in extremen Fällen zu bejahen sein. Festzuhalten bleibt, daß eine "neutrale" Beschaffung für die Bedarfsdekkungsphase das Naheliegendste und grundsätzlich sachangemessen ist. Das politischer Zielsetzungen in der Bedarfsdefinitionsphase mit dem Begriff "Sekundärzweck" erfaßt werden könnte, andererseits wird die Bedarfsdefinitionsphase als solche in der Arbeit nicht untersucht. Benedicts Terminologie übernehmend B. Schima, NZBau 2002, 1 f., der die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Bedarfsdefinition jedoch ausdrücklich zum Primärzweck und nicht zu den Sekundärzwecken zählt. 65 Eine in gewisser Hinsicht vergleichbare Problematik in einem· anderen Rechtsgebiet behandelt die Asbestimporte-Entscheidung des BGH zu § 1 UWG (Urt. v. 9.5.1980, I ZR 76/78, NJW 1980, 2018). Gegenstand der Entscheidung waren Asbestimporte aus Südkorea, wo insoweit keine Arbeitnehmerschutzbestimmungen galten (nach südkoreanischem Recht war die Ware also ordnungsgemäß hergestellt). Der BGH verneinte einen Verstoß gegen § 1 UWG. Zu Recht krit. dazu R. Knieper/ H. Fromm, NJW 1980, 2020.
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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heißt andererseits aber noch nicht, daß eine Einbeziehung politischer Zielsetzungen, also eine "politisierte" Beschaffung, nicht in Frage kommt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die öffentliche Beschaffung per se ein "politikfreier Raum" sein sollte, warum die im Rahmen sonstigen staatlichen Handeins zulässigerweise verfolgten politischen Zielsetzungen hier grundsätzlich außen vor bleiben sollten. Während die Entscheidungskriterien im Rahmen der Bedarfsdeckung bei "neutraler" Beschaffung grundsätzlich sachgerecht sind, läßt sich eine derart allgemeine Aussage für die "politisierte" Beschaffung nicht treffen. Hier muß im Einzelfall geprüft werden, ob rechtliche Grenzen bestehen und ob sie ggf. eingehalten werden. Am deutlichsten wird die rechtliche Bedeutung der Unterscheidung bei der Festlegung der Vertragsbedingungen und der Auswahl der Unternehmen. Dort treten Konflikte zwischen "neutraler" und "politisierter" Beschaffung am klarsten hervor. So ist das Kriterium der Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot66 ohne weiteres sachgerecht und zulässig,67 während die Bevorzugung etwa von frauenfördernden Betrieben nicht selbstverständlich ist und rechtlicher Überprüfung bedarf. IV. Ergebnis: Notwendige Differenzierungen und Relativierungen
Die Untersuchung hat ergeben, daß es zur Beantwortung der Ausgangsfrage, der Frage nach den zulässigen Entscheidungskriterien im Rahmen öffentlicher Beschaffung, durchaus möglich und sinnvoll ist, zwischen "neutraler" und "politisierter" Beschaffung - "beschaffungsbezogenen" und "beschaffungsfremden" Kriterien - zu unterscheiden. Dieser Aussage sind allerdings noch gewisse Relativierungen und Differenzierungen hinzuzufügen. 1. Differenzierungen
a) Bedarfsdefinitions- und Bedarfsdeckungsphase Zunächst einmal ist zwischen den zwei Phasen der Beschaffung, der Bedarfsdefinition und der Bedarfsdeckung, zu unterscheiden. In der Phase der 66 So § 25 Nr. 3 III S. 2 VOB/A, § 25 Nr. 3 S. 1 VOLlA, wobei darunter nicht notwendigerweise das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu verstehen ist, wie der jeweils folgende Satz 2 bzw. 3 klarstellt. Für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte ist mit § 97 V GWB die Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot nunmehr gesetzlich festgelegt. 67 Wobei anzumerken ist, daß früher sogar bezweifelt wurde, ob neben dem Preis überhaupt noch weitere Gesichtspunkte (qualitative Merkmale der angebotenen Leistung) berücksichtigt werden dürften; s. F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 172 m.N.
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l. Teil, l. Kap.: Der Begriff "beschaffungsfremde Kriterien"
Bedarfsdeckung ist die Einbeziehung politischer Zielsetzungen zum einen leichter zu identifizieren und zum anderen rechtlich wesentlich problematischer als in der Phase der Bedarfsdefinition. Daher ist es auch schwerpunktmäßig die Einbeziehung politischer Ziele bei der Bedarfsdeckung, die heute unter dem Stichwort "beschaffungsfremde Kriterien" diskutiert wird. Ob die politischen Einflüsse bei der Bedarfsdefinition überhaupt von dem Begriff erfaßt werden sollen, bleibt vielfach unklar. Nicht zufällig sind auch die in der Einleitung angeführten Beispielsfälle für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen68 solche, die die Phase der Bedarfsdeckung betreffen. b) Bloße Einbeziehung und Instrumentalisierung im eigentlichen Sinne Für die rechtliche Beurteilung der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ist des weiteren von Belang, ob es sich um eine bloße Einbeziehung im Sinne einer Berücksichtigung handelt oder um eine Instrumentalisierung der öffentlichen Beschaffung im eigentlichen Sinne. "Bloße Einbeziehung im Sinne einer Berücksichtigung" soll bedeuten, daß der öffentliche Auftraggeber die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und sonstigen Auswirkungen seiner Beschaffung bedenkt und bei seinen Entscheidungen berücksichtigt. So bringt etwa der Grundsatz der Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Gebot die Gefahr mit sich, daß ein niedriger Angebotspreis auf Kosten der Arbeitnehmer kalkuliert wird. Deshalb kann es angebracht sein, die Zahlung von Mindestlöhnen zu verlangen oder zu berücksichtigen, wieviele geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer der Auftraggeber einsetzt. Ein anderes Beispiel ist die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Bedarfsdefinition. Unter "Instrumentalisierung im eigentlichen Sinne" soll demgegenüber der Einsatz des öffentlichen Auftragswesens als eigenständiges politisches Gestaltungsmittel verstanden werden. Hierunter fällt etwa die Frauenförderung mittels öffentlicher Auftragsvergabe; sei es durch Auferlegung entsprechender Vertragsbedingungen, sei es durch Bevorzugung frauenfreundlicher Betriebe bei der Zuschlagserteilung. Hier geht es nicht nur um die Vermeidung negativer Wirkungen, sondern um den aktiven Einsatz als politisches Instrument. Die bloße Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ist rechtlich weniger problematisch als die Instrumentalisierung im eigentlichen Sinne. Die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen ist allerdings fließend. 68
Einleitung, A. I.
B. Die Entscheidungskriterien bei der öffentlichen Beschaffung
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2. Relativierungen Die Vorstellung von der Verwendung "beschaffungsbezogener" Kriterien als dem unproblematischen Normalfall und "beschaffungsfremder" als der rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme ist insofern zutreffend, als die "beschaffungsbezogenen" Kriterien grundsätzlich rechtlich unproblematisch sind. Von den "beschaffungsfremden" Kriterien läßt sich dies nicht sagen. Das heißt jedoch noch nicht, daß eine Politisierung der Beschaffung als systemfremd anzusehen ist und "beschaffungsfremde" Kriterien grundsätzlich rechtlich problematisch sind, daß also gleichsam eine Vermutung für ihre Unzulässigkeit besteht. Eine solche Annahme implizierte, daß man "Beschaffung" im Sinne des oben skizzierten Modells als "neutralen", d.h. unpolitischen Vorgang versteht, der allein den Gesetzen (betriebs-)wirtschaftlicher Effizienz folgt. Ein derartiges Verständnis von Beschaffung ist jedoch keineswegs natürlich vorgegeben, sondern selbst Ausdruck einer bestimmten (politischen) Auffassung oder Wertung,69 nämlich derjenigen, die die öffentliche Auftragsvergabe primär in den Bereich des Marktes und nicht des Staates einordnet und sie damit jenseits der Politik verorten will 70 • Die dahinter stehende (wirtschafts-)politische Vorstellung ist die, daß eine Beschaffungspolitik, die strikt auf betriebs wirtschaftliche Effizienz ausgerichtet ist, sowohl die öffentlichen Haushalte entlastet als auch über die Stärkung des Wettbewerbs das Wirtschaftswachstum fördert. Beides kommt nach dieser Vorstellung letztlich dem Wohlstand aller zugute. Die andere Ansicht bezweifelt dies. Sie geht vielmehr von der Vorstellung aus, daß die öffentliche Hand ihrer Verantwortung für das Wohl aller auch im Rahmen der Beschaffung Rechnung tragen muß, indem sie den rein betriebswirtschaftlichen Ansatz durch Einbeziehung politischer Gesichtspunkte korrigiert und auf diese Weise politische Ziele durchsetzt. 71 Die Essenz der beiden Ansichten läßt sich mit Femlndez Martfn wie folgt zusammenfassen: ,,[ ... ] the applicable policy can follow either a ,free-market' orientation ore a more ,interventionist ' ideology."72 Keine dieser beiden Ansichten kann a priori Vorrang beanspruchen.
69 Von daher sind genau genommen auch diese "neutralen" Kriterien nicht "unpolitisch". Vgl. auch M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 140 f., zur notwendig "politischen" Natur jeder Bedarfsdeckung. 70 Vgl. den Überblick über die verschiedenen Grundansichten oben in der Einleitung, A. 11. 71 s. hierzu die ausführliche Darstellung der beiden Ansätze bei J. M. Femandez Martzn, Procurement (1996), S. 41 oben ff. 72 J. M. Femandez Martzn, Procurement (1996), S. 41. 6 Meyer
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
2. Kapitel
Die Arten der sogenannten beschaffungsfremden Kriterien Hinter dem Begriff der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung verbirgt sich eine Vielzahl verschiedener Fälle. Eine generelle Antwort auf die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit dieser Regelungen und Praktiken ist nicht möglich. Die Rechtmäßigkeit hängt vielmehr von der konkreten Gestalt der Regelung bzw. Praxis ab. Für die rechtliche Beurteilung sind daher neben den oben getroffenen Unterscheidungen' noch weitere Differenzierungen von Nutzen. Diese sollen in diesem Kapitel vorgenommen werden. Zugleich soll damit ein möglichst umfassender Überblick über die verschiedenen Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der. öffentlichen Beschaffung gegeben werden. Hinzuzufügen ist, daß die Verweise auf konkrete Regelungen nur Beispielcharakter haben. Eine vollständige Erfassung würde schon an der Zahl der Regelungen und Praktiken scheitem. 2 Hinzu kommt, daß Verwaltungsvorschriften häufig gar nicht oder nur in schwer zugänglichen Publikationen veröffentlicht werden. Bloße Praktiken ohne rechtliche Grundlage schließlich lassen sich kaum nachweisen und festmachen. 3
A. Politikbereiche I. Rechtliche Bedeutung der Unterscheidung nach Politikbereichen
Die Unterscheidung der "beschaffungsfremden Kriterien" nach Politikbereichen ist die in der Literatur wohl am meisten verbreitete. Überblicke über die verschiedenen Politikbereiche und nach Politikbereichen geordnete Darstellungen der Problematik finden sich bereits in größerer Zah1. 4 Die 1 Zwischen Bedarfsdefinitions- und Bedarfsdeckungsphase einerseits und zwischen bloßer Einbeziehung im Sinne einer Berücksichtigung und Instrumentalisierung im eigentlichen Sinne andererseits; oben 1. Kap., B. IV. 1. 2 Diese Zahl ist aufgrund der Vielzahl "beschaffungsfremder Kriterien", der Vielzahl öffentlicher Auftraggeber (Bund und allein 16 Bundesländer, dazu Gemeinden und weitere öffentliche Auftraggeber) und der oft nur kurzen Geltungsdauer der einzelnen Regelungen immens. 3 Kritisch zur geringen Transparenz bei der Einbeziehung politischer Zielsetzungen zu Recht eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 35. 4 s. etwa F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 183 ff.; M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 144 ff. (sehr ausführlich); K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 86 ff.; D. J. Elverfeld, Kommunales Auftragswesen (1992), S. 156 ff.; eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 11 ff.; M. J. Schäfer, Wettbewerb (1994), S. 19 ff.; C. Haase, Internationale Harmonisierung (1997), S. 24 ff.; eh. Riese, VergabeR (1998), S. 203, 211 ff.; V. Neßler, DÖV
A. Politikbereiche
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Darstellung soll hier in erster Linie dazu dienen, einen Überblick über die Vielfalt des Phänomens zu geben. Rechtlich ist die Unterscheidung nach Politikbereichen eher von begrenzter Bedeutung. Sie liegt darin, daß die verfolgten politischen Zielsetzungen von der Rechtsordnung - genauer: von der Verfassung und, auf europarechtlicher Ebene, vom EG-Vertrag - teilweise unterschiedlich bewertet werden: Es gibt einerseits Zielsetzungen, die generell unzulässig sind, und andererseits solche, deren Verwirklichung vom Recht ausdrücklich gefordert wird. Die Mehrzahl der Zielsetzungen gehört allerdings weder der einen noch der anderen Gruppe an. In die erste Gruppe fällt namentlich der Schutz der inländischen Wirtschaft vor EG-ausländischer Konkurrenz durch die Beschränkung der Auftragsvergabe auf inländische Unternehmen bzw. die Bevorzugung inländischer Unternehmen bei der Auftragsvergabe. Dies ist eine nach dem EGVertrag, dessen Kern die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes ist, unzulässige Zielsetzung. Der zweiten Gruppe gehören solche politischen Zielsetzungen an, die Staatsziele oder Verfassungsaufträge realisieren. Dazu zählt die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Art. 3 11 S. 2 GG, und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Art. 20a GG. Sozialpolitische Zielsetzungen können auf das Sozialstaatsgebot des Art. 20 I GG gestützt werden. Sein Gehalt ist allerdings weniger spezifisch und konkret als der der Art. 3 11 S. 2 und 20a GG. Auch im EG-Vertrag finden Gleichstellungs- und Umweltbelange besondere Beachtung. Art. 6 EGV (ersetzt Art. l30r 11 UAbs. 1 S. 3 EGV a.F.) fordert ausdrücklich eine Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der in Art. 3 EGV genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen. Der mit dem Amsterdamer Vertrag neu eingefügte Art. 3 11 EGV verlangt, daß die Gemeinschaft bei allen [!] Tätigkeiten i. S. d. Art. 3 (I) EGV darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. 5 Diese sog. Quer2000, 145 (147). Eine äußerst ausführliche, nach Politikbereichen geordnete rechtliche Untersuchung findet sich bei M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 263 ff. 5 Hingewiesen sei außerdem auf die Neufassung des Art. 2 EGV, der nunmehr auch die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie "ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität" zu den Aufgaben der Gemeinschaft zählt. Zuvor fand sich in Art. 2 EGV nur der Umweltschutz und dies auch nur insoweit, als das anzustrebende Wachstum ein (auch) "umweltverträgliches" sein sollte. 6*
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
schnittsklauseln beziehen sich allerdings auf die Tätigkeit der Gemeinschaft und nicht auf die der Mitgliedstaaten. Für die Frage, ob bzw. inwieweit die Mitgliedstaaten diese Politikziele im Rahmen der öffentlichen Beschaffung verfolgen dürfen (oder sogar müssen), sind diese Vorschriften daher nur mittelbar von Bedeutung, nämlich insofern, als sie von der EG bei der Richtliniengebung zu beachten sind6 und sich auf die Auslegung der Richtlinien auswirken 7 • Weiter ist die Unterscheidung nach Politikbereichen noch insoweit von einer gewissen rechtlichen Bedeutung, als das Konfliktpotential zwischen den politischen Zielsetzungen und einer "neutralen" Beschaffung bei den einzelnen Politiken verschieden groß ist. Wie oben schon angeklungen ist, 8 gibt es Politiken, deren Verfolgung mit einer "neutralen" Beschaffung nur selten (Wettbewerbspolitik) oder jedenfalls nicht notwendigerweise kollidiert (Mittelstandsförderung, Umweltschutz), während andere sich mit einer allein auf (betriebs-)wirtschaftliche Effizienz ausgerichteten Beschaffung prinzipiell nicht vereinbaren lassen. 11. Die einzelnen Politikbereiche
Vorab ist zu bemerken, daß die Einteilungen und Benennungen der Politikbereiche in der Literatur differieren. Überschneidungen der einzelnen Bereiche sind kaum zu vermeiden. 1. Wirtschaftspolitik
Als einer der klassischen Fälle sei zuerst die konjunkturpolitische Beeinflussung der Vergabe öffentlicher Aufträge genannt. 9 Mit den §§ 6, 11, 14, 16 11 StWG (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) hat sie seit 1967 auch eine 6 Allerdings gelten Art. 3 II u. 6 EGV n. F. nur für den Erlaß von RL nach dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages. Sie galten damit nicht für den Erlaß der derzeitigen Vergaberichtlinien, die allesamt älter sind. Art. 130r 11 UAbs. I S. 3 EGV a. F. indes wurde bereits mit der EEA eingeführt. 7 Hieraus sehr weitgehende - den Wortlaut der Richtlinien überspielende - Folgerungen ziehend V. Neßler, DÖV 2000, 145 (151 f.), der dabei außerdem den Zielen des Art. 2 EGV dieselbe Bedeutung zumißt wie den Querschnittsklauseln. 8 Im 1. Kap. unter B., II. 4. u. III. 1. 9 Vgl. hierzu schon oben im 1. Kap. unter B. II. 3.; näher s. F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 184 ff.; J. Pietzcker, Staats auftrag (1978), S. 327 f.; K. Lange, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 61 (62 f.); c. Jeanrenaud, Annalen der Gemeinwirtschaft 1984, 151 (154); M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 146 ff.; K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 86 u. 92 ff.; eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 15 f.; G. Kunnert, WTO-VergabeR (1998), S. 40 ff.
A. Politikbereiche
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gesetzliche Grundlage. Die antizyklische Konjunkturpolitik dürfte heute aber keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Eine vennehrte Vergabe öffentlicher Aufträge - und damit erhöhte Staatsaufgaben - läßt sich in Zeiten der Rezession und damit auch leerer öffentlicher Kassen nur schwer durchsetzen, ebenso wie umgekehrt auch das Zurückfahren öffentlicher Aufträge im Konjunkturhoch auf verschiedene Hindernisse stößt. 10 Ebenfalls klassisch zu nennen ist der Schutz der inländischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz im Rahmen öffentlicher Beschaffung. 11 Eine generelle, fonnalisierte "Buy-national"-Politik, wie sie aus den USA bekannt ist,12 gab es in der Bundesrepublik zwar nie. Die Verdingungsordnungen enthielten aber durchaus Bestimmungen mit protektionistischer Zielsetzung, durch die ausländische Unternehmen bzw. Waren erheblich benachteiligt oder sogar ausgeschlossen wurden. 13 Diese Bestimmungen sind wegen Unvereinbarkeit mit dem EG-Recht inzwischen gestrichen worden. 14 Öffentliche Auftragsvergabe zeitigt stets Auswirkungen auf die Wettbewerbslage. Wettbewerbspolitische Überlegungen spielen deshalb im Rahmen öffentlicher Beschaffung eine wichtige Rolle. 15 Sie verlangen, die Auftragsvergabe so zu gestalten, daß ein funktionierender wirtschaftlicher Wett10 Vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten antizyklischer Vergabepolitik, jeweils a. a. O. (Fn. 9): J. Pietzcker, S. 327 f; M. Wallerath, S. 146 ff.; K. Stolz, S. 93 f; eh. Bock, S. 15 f; G. Kunnert, S. 41 ff II s. hierzu, jeweils knapp, C. Jeanrenaud, Annalen der Gemeinwirtschaft 1984, 151 (154 f); M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 151 f; sehr ausführlich G. Kunnert, WTO-VergabeR (1998), S. 24 ff. - auch zu weiteren Motiven der Abschottung des nationalen öffentlichen Beschaffungsmarktes (Zahlungsbilanz- und sicherheitspolitische Argumente) - sowie S. 44 ff. zu den Methoden der Abschottung. 12 Grundlage ist der Buy American Act, s. dazu ausführlich G. Kunnert, WTOVergabeR (1998), S. 31 ff. u. 46 ff; ferner C. Haase, Internationale Harrnonisierung (1997), S. 63 ff. u. 153 f 13 § 8 Nr. 1 S. 1 VOB/A Fassung 1952 (in Geltung bis 1973) lautete: "Bei öffentlicher Ausschreibung sind die Unterlagen an alle inländischen Bewerber abzugeben, die [.. .]" (Hervorhebung von mir). § 10 Nr. 4 S. 2 VOLtA Fassung 1932/36 (in Geltung bis 1984) und § 9 Nr. 7 VOB/A Fassung 1952 beschränkten die Beschaffung ausländischer Erzeugnisse bzw. das Fordern der Verwendung ausländischer Stoffe oder Bauteile auf den Fall, daß es keine geeigneten inländischen Erzeugnisse zu angemessenen Preisen gab. 14 s. auch schon gern. Rundschreiben des BMin für wirtschaftlichen Besitz des Bundes, des BMWi u. des Auswärtigen Amtes vorn 29.4.l960, MBl.Wi S. 269. 15 s. hierzu sehr ausführlich J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 308 ff.; des weiteren M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 144 ff.; als Bsp. aus dem Bereich der Rüstungsindustrie vgl. die Sachverhaltsangaben im (Freigabe-)Beschl. des BKartA v. 23.3.2000, B4-29600-U-169199 - RheinmetalllKUKA, WuW 2000, 632 (634 unter Nr. 24 u. 30 f.) = WuW DE-V 246 (248).
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
bewerb auf Dauer erhalten bleibt. Dazu ist vor allem eine entsprechende Auswahl und Ausgestaltung der Vergabeverfahren vonnöten. 16 Ein weiterer großer Bereich ist der strukturpolitische Einsatz öffentlicher Auftragsvergabe. Hierzu zählt zunächst die Industriepolitik. 17 Diese bemüht sich um die Förderung bestimmter zukunftsträchtiger oder aus sonstigen Gründen für besonders bedeutsam erachteter Industriebereiche wie etwa Luft- und Raumfahrt, Rüstung oder Informationstechnologie. Damit sollen zugleich der Gesamtwirtschaft Impulse gegeben werden. Mittel der Industriepolitik sind die verstärkte Vergabe solcher Aufträge 18 sowie verschiedene Steuerungsmaßnahmen, etwa im Bereich der Standardisierung. 19 Die industriepolitische Steuerung dient der nationalen Industrie 20 resp. - unter dem Einfluß des EG-Rechts - der (EG- )europäischen Industrie 21 • Ein weiterer Fall der Strukturpolitik ist die Förderung der Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an öffentlichen Aufträgen. 22 Die zahlreichen praktischen Barrieren, die einer Beteiligung von KMU im Weg stehen, sollen dabei beseitigt oder kompensiert werden. Dazu dient in Deutschland vor allem die Aufteilung größerer Aufträge in Lose (§ 4 Nr. 2 u. 3 VOBI A, § 5 VOLl A; s. jetzt auch § 97 III GWB). Daneben gibt es noch verschiedene andere Vorschriften, die eine angemessene Beteiligung von KMU an öffentlichen Aufträgen sichern sollen. 23 Vgl. zur Wahl der Verfahrensart oben, 1. Kap., B. III. 1. s. hierzu J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 323 ff.; K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 86 ff. u. 94 f.; C. Haase, Internationale Harmonisierung (1997), S. 25. Hierzu außerdem die - sehr wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtete - Monographie von S. Flach, Industriepolitische Instrumentalisierung (1996). 18 Vgl. oben, 1. Kap., B. 11. 3. 19 S. zu den Mitteln der Industriepolitik im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 324 f. 20 Etwa zwecks Erhalt von Kernkapazitäten in der nationalen Rüstungsindustrie, vgl. als Bsp. die Sachverhaltsangaben im (Freigabe-)Beschl. des BKartA Rheinmetall/KUKA (Fn. 15), WuW 2000, 632 (632 f. unter Nr. 16 u. 634 unter Nr. 31) = WuW DE-V 246 (246 f. u. 248). 21 Vgl. die Beispiele bei P. Weissenberg, DB 1984,2285 (2287 unter III. 4.). 22 s. hierzu J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 315 ff.; M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 153 ff.; K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 89 u. 96 f.; F. Rittner, VgR 4/1998, S. 30 f. Auch die EG-Kommission hat sich vielfach mit dem Problem beschäftigt, vgl. Mitt. der Kommission vom 22.9.1989: Öffentliches Auftragswesen: Regionale und soziale Aspekte, KOM (89) 400 endg., ABI. Nr. C 311/7, Ziff. 65 ff.; Grünbuch von 1996 (oben 1. Kap., B. III. 1., Fn. 61) unter Nr. 5.Uf. mit Verweis auf vorherige Publikationen (unter Nr. 5.3. in Fn. 28); aus europarechtIicher Perspektive auch eh. Bovis, JWT 31 (1997) No. 3, S. 63 (81 ff.). 23 s. § 10 Nr. 2 VOLtA zur Beteiligung von KMU an Unteraufträgen und § 7 Nr. 3 VOLtA zur Beteiligung von KMU bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe (ähnlich § 4 V VOF) sowie § 25 Nr. 6 VOB/ A, § 7 Nr. 1 11 16
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Schließlich zählt zur Strukturpolitik auch die Regionaljörderung durch bevorzugte Vergabe öffentlicher Aufträge in strukturschwache Gebiete?4 Diese Politik kam in Deutschland früher vor allem dem Zonenrandgebiet und Berlin (West) zugute;25 nach der Wiedervereinigung dann den neuen Bundesländern und Ostberlin26 . Heute existieren für Vergaben nach der VOLl A noch sog. Zubenennungserlasse, die die Benennung von Unternehmen aus den neuen Ländern durch die Auftragsberatungsstellen bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe vorsehen, damit diese zur Angebotsabgabe aufgefordert werden können. Bei Teilnahmewettbewerben sollen die Auftragsberatungsstellen diese Unternehmen unterrichten, damit sie sich um Teilnahme bewerben können?7 Im übrigen gibt es nur noch solche Bevorzugungsregelungen, die für Regionen mit Entwicklungsrück-
VOLIA zur Gleichbehandlung von gemeinschaftlichen Bewerbern (etwas abweichend § 7 I i. V. m. IV VOF). Am weitesten geht die Gewährung von Eintrittsrechten (s. dazu allgemein unten B. 1. 1. a) ff) a.E.), s. etwa Nr. 6.2 der MittelstandsRL der BReg. vom 1.6.1976, Beilage zum BAnz Nr. 111 (= Beilage 16/76) (zur VOL); des weiteren etwa die Mittelstands-RL der BReg. für die neuen Länder, die zum Eintrittsrecht noch eine Mehrpreisgewährung (s. dazu allgemein ebenfalls unten B. I. 1. a) ff) vorsahen: RL des BMWi, s. Erlaß des BMBau vom 26.6.1991, BAnz Nr. 124 S. 4467 (4468) (VOL und VOB) (dazu B. Schlünder, ZfBR 1991, 240 ff.), mit nachfolgenden Änderungen und Verlängerungen, s. zul.: RL des BMWi vom 15.11.1993 mit Verlängerung für den Bereich der VOL bis zum 31.12.1995, BAnz Nr. 227 (S. 10455 (10456». Für Nachw. der MittelstandsG und -RL der Länder s. Fn. 36 oben in der Einleitung unter A. 1. 24 s. hierzu C. Jeanrenaud, Annalen der Gemeinwirtschaft 1984, 151 (155 f., s. auch S. 158); K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 88 f. u. 95 f.; M. J. Schäfer, Wettbewerb (1994), S. 21 f. Speziell zum Du Pont-Urteil des EuGH (dazu ausführlich unten im 2. Teil, 2. Kap., unter A. III. 2. a) aa», aber auch allgemein zur Regionalförderung durch öffentliche Aufträge im Kontext der EU interessant J. M. Femandez Mart(nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 ff., sowie J. M. Femandez Mart(n, Procurement (1996), S. 69 ff.; für die EU bzw. EG s. außerdem die Mitt. der Kommission von 1989 zu den regionalen und sozialen Aspekten (Fn. 22), bes. Ziff. 28 ff. u. 81 ff. 25 Nachw. oben in der Einleitung unter A. 1., Fn. 31-33. 26 s. o. in der Einleitung unter A. 1. m. N. (Fn. 12 ff.). Zum VOB-Erlaß des Bundes vom 26.6.1991 s. B. Schlünder, ZfBR 1991, 240 ff. 27 Bund: Rundschreiben des BMWi vom 14.11.1991, I B 3 - 28 19 00 -, abgedruckt bei T. R. Meyer/H.-G. Uekermann, Sammlung Öffentliches Auftragswesen, Bd. 2, unter Nr. 2149; verlängert bis 1995, s. Nr. 9 Erlaß des BMWi vom 15.11.1993, BAnz Nr. 227 (S. 10456); verlängert bis 1996, s. Erl. des BMBau vom 5.12.1995, GMBI. 1996, S. 86; 1996 bis auf weiteres verlängert, s. Erlaß des BMBau vom 16.12.1996, GMBI. 1997, S. 76. Länder: bspw. in Sachsen die VwV Zubennung vom 27.12.1996, ABI. 1997, S. 91; in Mecklenburg-Vorpommern (MV) der Erlaß des MWi vom 20.12.1996, ABI. 1997, S. 10, unbefristet verlängert durch Erlaß des MWi vom 22.11.1998, ABI. S. 1575 (Zubennung sogar nur von Unternehmen aus MV); in Thüringen die RL des MWi vom 20.11.1996, StAnz S. 2302.
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stand aus der gesamten EU gelten, und zwar nunmehr nur noch in SachsenAnhalt. 28 Eine besondere und oft beklagte Form der "Regionalförderung" wird vielfach in den Kommunen praktiziert: die Bevorzugung ortsansässiger Unternehmen bei der Auftragsvergabe aus fiskalischen und arbeitsmarktpolitischen Gründen?9 Dies leitet zum Bereich Arbeitsmarktpolitik und öffentliche Beschaffung über. Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann zur Unterstützung von Unternehmen genutzt werden, deren Auftragslage dünn ist und bei denen deshalb Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen?O Inwieweit dies tatsächlich vorkommt, ist allerdings schwer zu sagen. Denkbar sind des weiteren Auflagen zur Beschäftigung Arbeitsloser. 31 In den Kontext der Vermeidung von Arbeitslosigkeit gehört schließlich auch § 2 Nr. 3 VOB/ A, wonach die Aufträge so zu erteilen sind, daß die ganzjährige Bautätigkeit gefördert wird. 2. Sozialpolitik und Fiskalpolitik
Einen sehr großen Bereich bildet weiter die Sozialpolitik. 32 Hierher gehört zunächst die Bevorzugung bestimmter benachteiligter Personengruppen als Unternehmer, wie sie die alten Bevorzugungsregelungen des Bundes für 28 Nachw. oben in der Einleitung unter A. 1., Fn. 12. Der RdErl. des Brandenburger MWi vom 19.4.1996 über Ausnahmeregelungen zugunsten von Unternehmen aus Regionen der Europäischen Union mit EntwicklungsTÜckstand, ABI. S. 476, galt nur bis zum 31.12.1999. 29 s. hierzu M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 150 f.; D. J. Elverfeld, Kommunales Auftragswesen (1992), S. 49 f. (50) u. 157; aufgeschlossener J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 322 f. In § 25 NT. 4 S. 2 VOB/ A Fassung 1952 war eine Bevorzugung für bestimmte Arbeiten ausdrücklich zugelassen. Vgl. dagegen jetzt § 8 Nr. 1 S. 2 VOB/A (ähnlich § 7 NT. 1 S. 2 VOLlA): keine Beschränkung auf Bewerber aus bestimmten Regionen oder Orten. 30 s. F.-J. Semler, Diskriminierungsverbot (1968), S. 69 f.; F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 189 (gestützt auf Semler a.a.O.). 31 Vgl. den Sachverhalt, der der Beenljes-Entscheidung des EuGH zugrunde lag (Urt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87, Slg. 1988,4635 = NVwZ 1990,353, dazu unten im 2. Teil, 2. Kap., unter A. IV. 2. e) und unter B. H. 1. a) aa)). S. ferner den durch Art. 3 Nr. 4 VgRÄG vom 26.8.1998, BGBL I S. 2512 (2520), neu eingefügten § 262 H SGB III und den durch Art. 1 Nr. 98 des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001, BGBL I S. 3443 (3458), neu eingefügten § 279a SGB III. 32 s. hierzu H.-J. Menzel, DB 1981, 303 ff.; M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 156 ff.; D. J. Elverfeld, Kommunales Auftragswesen (1992), S. 161 ff. Speziell zum Beentjes-Urteil des EuGH (eben Fn. 31), aber auch allgemein zur sozialpolitischen Instrumentalisierung im Kontext der EU lesenswert J. M. Femdndez Mart[n, Procurement (1996), S. 58 ff. (bes. S. 64 ff.). Speziell zur rechtlichen Bewertung nach EG-Recht s. die Interpretierende Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglich-
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Vertriebene und andere vorsahen und z. T. heute noch vorsehen?3 Andere Bevorzugungsregelungen knüpfen nicht an die Person des Unternehmers, sondern an die Beschäftigung bestimmter Personengruppen an, wie die Regelungen zur Bevorzugung von Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden 34 oder die sich der Gleichstellung von Frauen im Berufsleben angenommen haben 35 . Nordrhein-Westfalen kombinierte zeitweise beide Aspekte und schrieb die Bevorzugung von Betrieben vor, die junge Frauen ausbilden. 36 Des weiteren zählen hierher Bemühungen, die Rechtsstellung der Arbeitnehmer zu sichern oder zu erweitern. Hier sind zuvörderst die Tariftreueerklärungen zu nennen. In den Tariftreueerklärungen müssen die Unternehmen sich verpflichten, ihren Arbeitnehmern den örtlichen Tariflohn oder in einer weniger weitgehenden Variante - den nach dem Tarifrecht geschuldeten Lohn zu zahlen?7 Weiter wird mitunter von den Unternehmen verkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM (2001) 566 endg., ABI. 2001 Nr. C 333/27. 33 s. o. in der Einleitung unter A. 1. m. N. (Fn. 26 ff.). 34 s. z.B. den Lehrlingserlaß des Bundes vom 9.9.1997, BAnz Nr. 181, S. 12441; den nrw. Lehrlingserlaß vom 27.9.1996, MBI. S. 1659, geänd. u. verlängert bis 27.9.2000 mit RdErI. vom 18.9.1998, MBI. S. 1023; den bayerischen Lehrlingserlaß vom 27.1.1998, AHMBI. S. 79, verlängert bis 31.12.2003 mit Bekanntm. vom 12.12.2000, AHMBI. 2001, S. 3; den saarländischen Erlaß vom 22.4.1998, ABI. S. 491; § 2 des Berliner VergabeG (VgG Bin) vom 9.7.1999, GVBI. S. 369. Der hessische Lehrlingserlaß vom 10.9.1997, StAnz S. 2987, auszugsweise auch abgedruckt in VgR 6/1997, S. 49, aufgehoben mit Kabinettsbeschluß vom 13.2.2001, StAnz S. 1173, schloß nicht ausbildende Unternehmen sogar grundsätzlich von der Vergabe aus. Eine Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben war früher auch in der VOB/A vorgesehen (§ 25 Nr. 4 S. 1 VOB/A Fassung 1952). In Österreich schreibt das BundesvergabeG (BVergG) vor, auf die Beschäftigung von Personen im Ausbildungsverhältnis Bedacht zu nehmen, wobei unklar ist, wie dies genau zu verstehen ist; s. dazu S. Heid, WBI. 1998, 194 ff. (vgI. auch unten Fn. 103). Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Regelungen, vgI. die Nachweise bei H. Lang, ZBI. 2000,225 (245 Fn. 114). 35 s. o. in der Einleitung unter A. 1. m. N. (Fn. 4 ff.). Zur Frauenförderung mittels öffentlicher Auftragsvergabe s. H.-J. Mengel, JZ 1982, 530 (536) (Vorschläge); U. Knapp, WSI Mitteilungen 1990, 738 ff. (zu den US-amerikanischen und britischen Regelungen sowie Vorschläge für Deutschland); A. v. Wahl, KJ 1996, 180 ff. (zu den US-amerikanischen Regelungen); K. Böttger, AuA 1996, 148 ff. (zu bestehenden und geplanten Regelungen in Deutschland); eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 336 ff. (zu schweizerischen Vorschlägen). Ausführliche rechtliche Untersuchung zweier verschiedener ModeHe bei L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991192), S. 1 f., 27 ff. 36 RdErI. des MWi vom 5.4.1990, MBI. S. 475 (nicht mehr in Geltung). Der neue Erlaß (Fn. 34) spricht aber noch von Betrieben, "die in angemessenem Umfang ausbilden, insbesondere weibliche Auszubildende" (Hervorhebung von mir). 37 s. zur ersten Variante oben in der Einleitung, A. 1. m. N. (Fn. 16 f., 20, 22); zu beiden Varianten unten B. 1. 3. m.N. zur zweiten Variante (Fn. 119 f.). Zu den Tariftreueerklärungen (insbs. zur rechtlichen Bewertung) Th. Ax, ZVgR 1997, 46 ff.
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langt, daß sie ohne oder nur mit einer begrenzten Zahl geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer arbeiten. 38 Schließlich kann auch der Ausschluß von Unternehmen, die ihre Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht erfüllt haben,39 zum Feld der Sozialpolitik im weiteren Sinne gezählt werden. Neben dem Ausschluß wegen Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sehen die Verdingungsordnungen auch den Ausschluß wegen der Nichtzahlung von Steuern und Abgaben vor. 40 Die öffentliche Auftragsvergabe wird damit auch als Mittel der Fiskalpolitik verwandt. 41 3. Bekämpfung illegalen Verhaltens
Von zunehmender Bedeutung ist die Bekämpfung illegalen Verhaltens im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe. In der Hauptsache geht es um illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit, Korruption sowie Preisabsprachen. 42 Das klassische Mittel ist hier die Auftragssperre, d. h. der Ausschluß von der Vergabe öffentlicher Aufträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit. Eine besondere Form der Auftragssperre ist die koordinierte Auftragssperre, bei der der Ausschluß von künftigen Vergabeverfahren auf andere Vergabestellen erstreckt wird. 43 Gesetzlich vorgesehen ist die Auftragssperre in § 5 (nicht sehr tauglich); M. Dreher, VgR 6/1997, S. 40 ff.; J. Karenjort/V. v. Koppenjels/S. Siebert, BB 1999, 1825 ff.; M. Knipper, WuW 1999, 677 ff. In der Schweiz gilt generell das sog. Leistungsortsprinzip, wonach vom Auftragnehmer die am Ort der Leistung geltenden Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden müssen (s. etwa Art. 8 I b) des BundesG über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB)), S. dazu M. MetziG. Schmid, ZBl. 1998, 49 (66 f.); H. Lang, ZBl. 2000, 225 (236); ausführlich P. Galli/D. Lehmann/P. Rechsteiner, Beschaffungswesen Schweiz (1996), Rn. 223 ff. 38 S. z.B. § 13 11 LGG Berlin in der Fassung vor dem ÄnderungsG vom 16.6. 1999 (oben Einleitung, A. 1., Fn. 6); § 27 II des saarl. LGG (oben Einleitung, A. 1., Fn. 7); VwV der rh.-pf. LReg. U. der rh.-pf. Landtagsverwaltung vom 2.6.1992, MBl. S. 315 (Punkt 2.2 U. 2.3); Punkt 6.1 der Brandenburger VwV zur Bekämpfung unlauterer Beschäftigung (oben Einleitung, A. 1., Fn. 17). 39 S. § 8 Nr. 5 I d) VOB/ A, § 7 Nr. 5 d) VOLl A. In der VOF fehlt eine entsprechende Bestimmung. 40 S. die eben in Fn. 39 genannten Bestimmungen sowie § 11 d) VOF. 41 S. hierzu M. Wallerath, Bedarfsdeckung und VerfassungsR (1988), S. 162. 42 S. den Überblick bei R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 52 ff. 43 Als Beispiel hierfür sei der Erlaß der hess. LReg. über Vergabesperren zur Korruptionsbekämpfung vom 16.2.1995 genannt, StAnz S. 1308, im wesentlichen auch abgedruckt bei E.-J. Mestmiicker/E. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (4 f.); dazu grds. billigend Urt. des OLG Frankfurt/Main V. 3.12.1996, 11 U (Kart) 64/95 - Ingenieurleistungen, WuW 1997, 335 (338 f. U. 340 f.) = WUW/E OLG 5767
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SchwarzArbG44 und § 6 AEntG45 für Verstöße gegen Vorschriften dieser und einiger weiterer Gesetze. Außerdem existieren zahlreiche Verwaltungsvorschriften zur näheren Ausformung der Vorschriften der Verdingungsordnungen, die den Ausschluß von Unternehmen wegen schwerer Verfehlungen vorsehen, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellen. 46 Fraglich ist allerdings, inwieweit man die Fälle einer Bekämpfung illegalen Verhaltens als Fälle einer Politisierung öffentlicher Beschaffung bezeichnen kann. 47 Diese Frage stellt sich jedenfalls im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption und Preisabsprachen, also von Praktiken, die sich für die öffentlichen Auftraggeber selbst unmittelbar negativauswirken. Dem Ausschluß von der Vergabe öffentlicher Aufträge - insbesondere im Fall koordinierter Auftragssperren - kommt aber auch in diesen Fällen (zugleich) eine Sanktions- und Abschreckungsfunktion 48 zu; er tritt als Mittel zur Bekämpfung illegalen Verhaltens neben die Sanktionen nach Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht oder Kartellrecht. Der Ausschluß dient zugleich der Sicherung eines fairen Wettbewerbs unter den Anbietern. Daher zeigt sich hier durchaus ein Moment der Politisierung öffentlicher Beschaffung, wenn auch besonderer Art. Noch spricht hier von "negativen Steuerungsmaßnahmen" (im Gegensatz zu den sonstigen Politisierungen als "positive Steuerungsmaßnahmen,,).49 Sie sollen nicht im Kern dieser Untersuchung (5770 f. u. 5772 f.) = WiB 1997,886 m.Anm. Brinker. Der Erlaß wurde neugefaßt durch Gern. RdErl. vom 1.7.1997, StAnz S. 2590. 44 Eingefügt in das SchwarzarbeitsG vom 30.3.1957, BGBL I S. 315, mit Gesetz vom 26.7.1994, BGBL I S. 1792; Bekanntm. der Neufassung vom 6.2.1995, BGBL I S. 165; zul. geänd. durch Art. 25 des Gesetzes vom 21.12.2000, BGBL I S. 1983 (2010). 45 Arbeitnehmer-EntsendeG vom 26.2.1996, BGBL I S. 227; zul. geänd. durch Art. 5 des Gesetzes vom 30.8.2001, BGBL I S. 2267 (2269). 46 § 8 NT. 5 I c) VOB/A, § 7 Nr. 5 c) VOLlA; etwas anders gefaßt § 11 b) u. c) VOF. Beispielhaft seien dazu die entsprechenden Verwaltungsvorschriften des Bundes genannt: Gemeinsame Regelung des BMBau u.a. vom 4.3.1994, RdErl. des BMBau vom 5.4.1994, GMBL S. 477 (illegale Beschäftigung); entsprechend anzuwenden bei Korruption u. Preisabsprachen, s. Erlaß des BMBau vom 9.9.1997, GMBL S. 563. Hingewiesen sei auch noch auf das geplante Register über unzuverlässige Unternehmen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, §§ 126a, 12711 GWB i.d.F. des Art. 2 des oben in der Einleitung (A. I. mit Fn. 25) erwähnten Gesetzentwurfes der BReg., dessen Art. 1 den Entwurf eines TariftreueG enthält. 47 Vgl. für Trennung der Problematik der Auftragssperre von der Problematik der Verfolgung "beschaffungsfremder Ziele" J. Pietzcker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst VIII Rn. 2. 48 Vgl. zu dieser Funktion für den Fall der illegalen Beschäftigung R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 53 Mitte. 49 R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 52 ff. bzw. 50 ff.
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
stehen, zumal die Auftragssperre, namentlich die koordinierte Auftragssperre, zahlreiche spezifische Probleme aufwirft. 5o Deutlicher tritt das Moment der Politisierung hervor, wenn es nicht um Verhalten geht, das den öffentlichen Auftraggeber selbst schädigt: Anders als der öffentliche Auftraggeber würde sich der idealtypische private Marktteilnehmer nicht darum bemühen, bspw. illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit bei seinen Auftragnehmern zu bekämpfen, bzw. nur insoweit, als er selbst dafür herangezogen werden könnte. Mit der Bekämpfung illegalen Verhaltens wird zugleich bzw. letztlich die Politik verfolgt, die hinter der jeweiligen Norm steht (i. e. der Schutz des jeweiligen Rechtsguts). Deutlicher als bei Verstößen gegen das allgemeine Strafrecht oder Kartellrecht wird dies, soweit Verstöße gegen steuerrechtliche, arbeits- oder sozialrechtliche Vorschriften in Rede stehen. Die Bekämpfung illegalen Verhaltens überschneidet sich dann mit den entsprechenden Politiken (Fiskalpolitik, Sozialpolitik) bzw. stellt einen besonderen Unterfall dieser Politiken dar. 51
4. Umweltpolitik, fairer Handel und Außenpolitik Ebenfalls von zunehmender Bedeutung für die öffentliche Beschaffung ist die Umweltpolitik. 52 Rechtsgrundlage sind Vorschriften der Abfallge50 s. ausführlich zur koordinierten Auftragssperre E.-J. MestmäckerlE. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. I ff.; des weiteren zur Auftragssperre die Beiträge in: Seminar Ausschluß (1995), insbs. von V. Emmerich (S. 27 ff.) und J. Pietzcker (S. 55 ff.); außerdem M. Brenner, Entwicklungen (1997), S. 51 ff.; G. Quardt, BB 1997, 477 ff.; R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 55 ff.; J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (460 ff.); ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst VIII; F. Sterner, NZBau 2001, 423 ff. (vor allem zum Rechtsschutz); zur Auftragssperre wegen Kartellabsprachen G. ReimannlJ. Schliepkorte, ZfBR 1992, 251 ff. 51 Des weiteren ist eine Überschneidung namentlich im Bereich der Umweltpolitik denkbar (zur Umweltpolitik s. nachfolgend unter 4.). 52 s. hierzu P. Weissenberg, DB 1984, 2285 (2286); M. Wallerath, Bedarfsdekkung und VerfassungsR (1988), S. 161 f.; H.-W. Rengeling, FS Lukes 1989, S. 169 ff. (nicht sehr tauglich); D. J. Elverfeld, Kommunales Auftragswesen (1992), S. 165 f. u. 189 ff.; M. Brenner, Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 ff.; speziell zur Beschaffung umweltfreundlicher Kfz und Kraftstoffe S. Breier, URP 1995, 128 ff.; für den Baubereich, insbs. zur rechtlichen Bewertung, ausführlich N. Griem, NVwZ 1999, 1171 ff.; zu den Vorschriften der Abfallgesetze, insbs. zur Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, K. Schumacher, DVBI. 2000, 467 ff. Vgl. ferner auch Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltfreundliche Beschaffung (1993) (Empfehlungen für die Praxis). Speziell zur rechtlichen Bewertung nach EG-Recht s. die Interpretierende Mitteilung der Kommission über das auf das Öffentliche Auftragswesen anwendbare Gemeinschaftsrecht und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltbe1angen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM (2001) 274 endg., ABI. 2001 Nr. C 333/12.
A. Politikbereiche
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setze, die vorschreiben, bei der Beschaffung auf Gesichtspunkte der Abfallvermeidung Bedacht zu nehmen,53 sowie zahlreiche Verwaltungsvorschriften 54 . Der naheliegendste Ansatzpunkt für die Einbeziehung ökologischer Erwägungen ist die Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung. 55 Möglich ist aber etwa auch, Unternehmen zu bevorzugen, die in ihrer Tätigkeit generell hohen Umweltschutzstandards genügen, oder Umweltaspekte bei der Wertung der verschiedenen Angebote zu berücksichtigen. 56 In Deutschland wohl noch keine nennenswerte Rolle spielt dagegen die Einbeziehung von Gesichtspunkten des fairen Handels, d. h. das Bemühen, bei Importware die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards zu verlangen. Denkbar ist etwa die Beschaffung von Kaffee und Tee mit dem "Transfair"-Siegel, die vereinzelt auch schon praktiziert wird. In anderen Staaten ist es außerdem nicht unüblich, bei der öffentlichen Beschaffung außenpolitische Zielsetzungen einzubeziehen, indem etwa Maßnahmen gegen Staaten ergriffen werden, die sich elementarer Menschenrechtsverletzungen schuldig machen. In der Vergangenheit betraf dies Südafrika,57 heute beispielsweise Burma. So untersagte ein Gesetz des USBundesstaates Massachusetts, das allerdings wegen Konflikts mit Bundesrecht vom US Supreme Court später für ungültig erklärt wurde, Beschaffungen von Unternehmen, die geschäftliche Kontakte zu Burma unterhielten. 58 53 § 37 I 2 KrW-/AbfG; für die LandesabfaHG s. den Überblick m.N. bei K. Schumacher, DVBI. 2000, 467 (468 1. Sp. oben). Die Formulierungen sind hierbei sehr unterschiedlich. 54 Z.B. Bekanntm. der Bay. Staatsreg. vom 4.6.1991, AHMB!. S. 423, ber. S. 447, geänd. mit Bekanntm. vom 17.5.1994, AHMB!. S. 495; RdEr!. des nds. MWi vom 5.5.1992, MB!. S. 1286, zu!. geänd. durch RdEr!. vom 1.5.1998, MB!. S. 819; RdErl. des MWi LSA vom 2.8.1993, MB!. S. 2112; Gern. RdEr!. des hess. MUmw vom 15.9.1994, StAnz S. 3283; RdErl. des nrw. MBau vom 21.12.1998 (nur Baubereich), MB!. 1999, S. 12. 55 Vg!. dazu schon oben, 1. Kap., unter B. II. 4. u. III. 1. 56 Im zuletzt genannten Sinne die im österreichischen BVergG enthaltene Regelung zur Berücksichtigung der Umweltgerechtheit der Leistung, s. S. Heid, WB!. 1998, 194 u. 194 f. Auch im schweizerischen BoeB (Art. 21 I S. 2) wird die Umweltverträglichkeit unter den Zuschlagskriterien genannt. In diese Richtung auch der nds. RdEr!. (Fn. 54) unter Nr. 4, der die Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Kosteneinsparungen bei der Entscheidung über den Zuschlag zuläßt. 57 s. den Hinweis von J. A. Winter, CMLR 28 (1991), 741 (775 Fn. 69), auf eine entsprechende Politik niederländischer lokaler Auftraggeber (gerichtet gegen Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Südafrika). 58 s. Entscheidung des Supreme Court vom 19.6.2000, Crosby v. National Foreign Trade Council. Ferner war auch ein Verfahren von Japan und der EG wegen Nichtvereinbarkeit mit dem GPA eingeleitet worden, WTIDS8811 und WT/DS9511 (nach H.-J. Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst I Rn. 109 Fn. 312). Zu einem Panelverfahren kam es aber letztlich nicht, s. M. Bungenberg, WuW 2000,872 (873 Fn. 21).
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
5. Ausschluß von Unternehmen mit "mißliebigen" Anschauungen Schließlich sind noch solche Maßnahmen zu nennen, die sich auf politische, weltanschauliche oder religiöse Anschauungen der Unternehmen beziehen und Unternehmen mit "mißliebigen" Anschauungen ausschließen. So sollten nach einem Erlaß der Bundesregierung von 1951 solche Unternehmen keine Aufträge mehr bekommen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen. 59 Von aktueller Bedeutung sind gegen Scientology gerichtete Maßnahmen. So verlangt Bayern bei bestimmten Dienstleistungsaufträgen von den Auftragnehmern die Abgabe einer Schutzerklärung, in der diese versichern müssen, daß sie und die zur Vertragserfüllung eingesetzten Personen weder gegenwärtig noch während der Dauer des Vertrages die Technologie von L. Ron Hubbard anwenden, verbreiten oder Kurse nach dieser Technologie besuchen. 6o Auch auf der Ebene des Bundes ist eine gegen Scientology gerichtete Schutzklausel eingeführt worden. 61 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Sachverhalt, der einer Entscheidung des Vergabeüberwachungsausschusses Nordrhein-Westfalen zugrunde lag: Aufgrund eines Ratsbeschlusses sollten in einer Stadt nur solche Buchhandlungen Aufträge erhalten, die sich verpflichteten, "Scientology-Schriftgut in ihren Buchhandlungen nicht auszulegen ...62 Von einer Politisierung kann man in diesen Fällen allerdings nur sprechen, soweit es nicht allein darum geht, die Eignung der Unternehmen zur Auftragsausführung sicherzustellen. Das war bei dem genannten Erlaß von 1951 aber ersichtlich nicht der Fall und ist auch bei den Scientology-Erlassen teilweise fraglich 63 . Beschl. der BReg. vom 27.2.1951, GMBl. S. 85. Bekanntrn. der Bay. Staatsreg. vom 29.10.1996, AllMBl. S. 701 = StAnz Nr. 44 S. 1 = BayJustizMBl. S. 162, abgedruckt auch in VgR 4/1996 (= VgR 11 1996 bei Zählung nicht als Fortsetzung der EuVgR), S. 62. S. dazu auch den Bericht in VgR 4/1996, S. 11 f. (o.V.). 61 Die Klausel wurde von einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Ständigen Interministeriellen Arbeitsgruppe "Scientology-Organisation" erarbeitet und an alle öffentlichen Auftraggeber auf Bundes- und Landesebene versandt, auf Bundesebene wurde sie eingeführt mit Rundschreiben des BMWi vom 18.9.1998, s. H.-J. Prieß/Ch. Pitschas, ZVgR 1999, 144. Inzwischen ist sie wesentlich geändert worden, s. Rundschreiben des BMWi vom 26.7.2001, Bekanntm. vom 8.8.2001, BAnz Nr. 155 (S. 18174). Der Wortlaut der alten Klausel ist abgedruckt in ZVgR 1/1999, S. IV, sowie bei H.-J. Prieß/Ch. Pitschas, ZVgR 1999, 144. 62 Beschl. des VÜA NRW, Az. 4424-84-43-/97, ZVgR 1998, 592 m.Anm. Ax (ohne Datumsangabe). Der Antrag wurde als unzulässig zurückgewiesen, so daß der VÜA nicht zur Rechtmäßigkeit der Verpflichtung entschieden hat. 63 Vgl. hierzu unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 III S. 1 GG noch unten im 2. Teil, 3. Kap., unter B. 11. 1. e). 59 60
B. Rechtliche Gestalt
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B. Rechtliche Gestalt Für die rechtliche Würdigung wichtiger als die Zuordnung zu Politikbereichen ist die rechtliche Gestalt der Einbeziehung der politischen Zielsetzungen. Dabei kann man zum einen technisch-inhaltlich unterscheiden nach den Anknüpfungspunkten der Regelung oder Praxis (I.) und zum anderen formal nach der Art der Rechtsgrundlage (11.) und der Geltung im Bereich unter- oder oberhalb der Schwellenwertgrenze (III.). I. Anknüpfungspunkte
1. Ansatzpunkt im Verfahren Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen finden sich in allen Stadien der Beschaffung. Diese unterliegen jeweils unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen. Am deutlichsten ist der Schnitt zwischen Bedarfsdefinitions- und Bedarfsdeckungsphase. So setzt das Vergaberecht die Bedarfsdefinition voraus und gilt erst für die Phase der Bedarfsdeckung. Wichtige Unterschiede bestehen aber auch zwischen den einzelnen Punkten der Phase der Bedarfsdeckung. Denn das Vergaberecht, insbesondere oberhalb der Schwellenwerte, läßt für die einzelnen Ansatzpunkte der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Bedarfsdeckung unterschiedlich viel Spielraum. Diese verschiedenen Ansatzpunkte - oder anders ausgedrückt: die verschiedenen Techniken zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen - sollen daher im folgenden genauer geschildert werden. Hingewiesen sei darauf, daß die hier vorgenommene Ordnung zum einen keine zwingende ist64 und sich zum anderen nicht alle Regelungen oder Praktiken zweifelsfrei in diese einordnen lassen65 .
64 Eine z. T. abweichende Systematisierung nach den verschiedenen Ansatzpunkten im Vergabeverfahren wird von Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), vorgenommen. Benedict behandelt die Phase der Bedarfsdefinition und die Leistungsbeschreibung als solche nicht; im übrigen verfolgt er folgende Dreiteilung (s. S. 28 f., 36, 37 ff.): 1. "Beeinflussung des Teilnehmerkreises", 2. "Modifikation der Zuschlagskriterien", 3. "Vertragsbedingungen". 65 Vgl. die Ausführungen zu Abgrenzungs- und Zuordnungsproblemen bei Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 29 ff.
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
a) Die einzelnen Ansatzpunkte aa) Bedarfsdefinition Die Bedarfsdefinition als erste Phase der Beschaffung ist zugleich der erste Ansatzpunkt für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen: Das "Ob"/"Wann" und "Was" der Bedarfsdefinition kann durch politische Überlegungen beeinflußt werden. Dies ist bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt worden. 66 bb) Leistungsbeschreibung Genauerer Erläuterung bedarf demgegenüber noch die Einbeziehung politischer Zielsetzungen in der Phase der Bedarfsdeckung. Diese beginnt mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung und der Festlegung der Vertragsbedingungen. Bei der Leistungsbeschreibung können politische Zielsetzungen in Gestalt entsprechender Anforderungen an die Leistung, namentlich solche ökologischer Art, Eingang finden. Zur Beschreibung der Anforderungen wird dabei teilweise auf Normen, Siegel, Zertifikate u. dgl. zurückgegriffen. Beispiele sind hier etwa das Umweltzeichen "Blauer Engel,,67 oder das Zertifizierungssystem des Forest Stewardship Council (FSC) für Tropenholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft68 . Diese Methode ist klarer und eindeutiger als eine freie, formlose Beschreibung der gewünschten Anforderungen, wirft aber Probleme für solche Unternehmen auf, die nicht dieser Norm folgen bzw. deren Produkte nicht das Siegel oder Zertifikat besitzen, die aber dennoch gleichwertige Leistungen erbringen. cc) Vertragsbedingungen Vertragsbedingungen können eingesetzt werden, um die Auftragnehmer für die Zukunft (d.h. während der Auftragsdurchführung oder auch darüber hinaus) zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten, z. B. in Verfolgung sozial- oder umweltpolitischer Zielsetzungen. Dies ist in Deutschland allerOben, 1. Kap., B. 11., ab 3. s. z.B. die Regelung im RdErl. des MWi LSA vom 2.8.1993, MBI. S. 2112 (2113 1. Sp. oben). Es gibt auch ein EG-Umweltgütesiegel (s. dazu EuZW 1992, S. 98, o.V.), das aber eine geringere Rolle spielt. 68 s. etwa die Regelung in Hamburg, Senatsbeschluß vom 3.12.1996 i. V.m. Mitt. der Umweltbehörde vom 18.3.1997, MittVw S. 87; des weiteren etwa die Regelung in NRW, Punkt 3.1.3.2.5 des RdErl. des nrw. MBau vom 21.12.1998, MBI. 1999, S.12. 66 67
B. Rechtliche Gestalt
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dings eine eher unübliche Technik. Eine prominente Ausnahme stellt die neue Regelung des Berliner Landesgleichstellungsgesetzes dar, nach der Auftragnehmer sich verpflichten müssen, das geltende Gleichbehandlungsrecht zu beachten sowie Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchzuführen. 69 Zu den Vertragsbedingungen zählen aber auch die sog. Bewerbererklärungen, soweit sie (bei Annahme des Angebots) Vertragsinhalt werden. 7o Beispiele sind die Tariftreueerklärungen und die gegen Scientology gerichteten sog. Schutzerklärungen. Die Vereinbarungen sehen in der Regel Sanktionen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen sowie teilweise auch Kontrollrechte für den Auftraggeber vor. Als Sanktionsmittel kommen neben dem Recht zur außerordentlichen Kündigung bzw. zum Rücktritt Vertragsstrafen und Auftragssperren in Betracht. 7 ! Das Mittel der Auftragssperre findet also bei Verstößen gegen vertragliche Verpflichtungen ein weiteres Anwendungsfeld neben dem der Bekämpfung illegalen Verhaltens. 72 Regelmäßig ist außerdem vorgesehen, daß die Auftragnehmer ihren Subunternehmern dieselben vertraglichen Verpflichtungen auferlegen müssen. dd) Teilung von Aufträgen in Lose Zur Vorbereitung des Vergabeverfahrens gehört weiter die Entscheidung, ob ein Auftrag als Ganzes oder in Losen ausgeschrieben wird73 sowie die Wahl der Verfahrensart.
69 Nachw. oben in der Einleitung unter A. 1., Fn. 6; weniger weitgehend § 27 I des saarl. LGG (ebd. Fn. 7). Ein weiteres der raren Beispiele bilden Vertragsbedingungen, die die Beteiligung von KMU an Unteraufträgen sicherstellen sollen, s. etwa § 10 Nr. 2 VOLl A. 70 Anders, wenn es sich um Versicherungen über vergangenes Verhalten handelt; vgl. beispielsweise den RdErl. des MWi LSA vom 29.11.1996, MBl. 1997, S. 48, nach dem die Unternehmen eine Bewerbererklärung (Anlage 1 des Erlasses) abgeben müssen, die zum einen mehrere Versicherungen dieser Art enthält (z. B. über die Zahlung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen), zum anderen (unter c» aber auch eine Tariftreueerklärung, die Vertragsbestandteil wird. 71 s. bspw. Nr. 4, 8 der nds. Tariftreueerklärung (oben Einleitung unter A. 1., Fn. 17) und §§ 5 f. VergabeG LSA (ebd. Fn. 22), die Kontrollrechte sowie alle diese Sanktionsmittel vorsehen. 72 Die Anwendungsfelder überschneiden sich, wenn gesetzliche Verpflichtungen zusätzlich vertraglich verankert sind. 73 Wobei es mitunter schon schwierig sein dürfte, im Ausgangspunkt zu bestimmen, was eigentlich "der Auftrag (als Ganzes)", d.h. die zu vergebende Leistung ist; vgl. hierzu auch § 4 Nr. 1 VOB/ A. 7 Meyer
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
Die erstgenannte Entscheidung ist der Ansatzpunkt für den mittelstandspolitisch begründeten Vorrang der Vergabe nach Losen: § 4 Nr. 3 VOBI A schreibt vor, daß Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige i.d.R. getrennt zu vergeben sind (sog. Fachlose). Unabhängig davon sollen Leistungen größeren Umfangs generell in Lose geteilt werden, § 4 Nr. 2 VOB/A (sog. Teillose), § 5 VOLlA. 74 ee) Wahl der Verfahrensart Bei der Wahl der Verfahrensart können die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe dazu genutzt werden, bevorzugt oder ausschließlich bestimmte Unternehmen anzusprechen: Während bei der öffentlichen Ausschreibung jedes Unternehmen ein Angebot abgeben kann, das sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befaßt,15 können dies bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe nur diejenigen Unternehmen, die vom Auftraggeber dazu aufgefordert werden 76 . Das Abweichen von der als Regelfall vorgesehenen öffentlichen Ausschreibung77 kann verschiedenen Zielsetzungen dienen. Zunächst einmal kann es als Mittel zur Bevorzugung bestimmter Gruppen von Unternehmen eingesetzt werden. So ließen etwa die Richtlinien des Bundes über Ausnahmeregelungen zugunsten von Unternehmen aus den neuen Bundesländern und Ostberlin die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe in verstärktem Maße zu mit dem Zweck, dann vorzugsweise Unternehmen aus diesen Regionen zur Angebotsabgabe aufzufordern. 78 In diesem Kontext sind weiter auch die sog. Zubenennungserlasse79 zu nennen, die vorsehen, daß die Auftraggeber sich im Rahmen der beschränkten Ausschreibung und der freihändigen Vergabe solche Unternehmen (be-)nennen lassen. Außerdem kann es im Einzelfall aus wettbewerbspolitischen Erwägungen geboten sein, von einer öffentlichen Ausschreibung abzusehen, um den Auftrag an (derzeit) schwächere Marktteilnehmer vergeben zu können. Schließlich wird die freihändige Vergabe gewählt, wenn ein Auftrag aus strukturpolitischen, z. B. arbeitsmarktpolitischen Gründen an ein ganz bestimmtes Unternehmen vergeben werden soll. s. für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte jetzt auch § 97 III GWB. s. § 3 Nr. 1 I, § 8 Nr. 2 I VOB/A, § 3 Nr. 1 I, § 7 Nr. 2 I VOLtA. 76 s. § 3 Nr. 1 II, III, § 8 Nr. 2 II, III VOBI A, § 3 Nr. 1 II, III, § 7 Nr. 2 lI-IV VOLtA. 77 s. §§ 30 RGrG, 55 I BRO und die entsprechenden Vorschriften in den LHO und GemHVO der Länder, z.B. § 55 I LHO NW, § 31 I GemHVO NW; §§ 3 Nr. 2 VOB/A und VOLtA; oberhalb der Schwellenwerte § 101 V 1 GWB. 78 Nachw. oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 13. 79 s. o. A. II. 1. m. N. (Fn. 27). 74
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ff) Eignungsprüfung und Zuschlagserteilung Wenn alle diese vorbereitenden Entscheidungen getroffen sind, wird schließlich das eigentliche Vergabeverfahren durchgeführt, d. h. die Einholung und Bewertung der Angebote und die Entscheidung über den Zuschlag. Bei der Bewertung und Auswahl des Angebots - und damit des Unternehmens -, das den Zuschlag erhalten soll, kann man grob zwei Verfahrensstufen unterscheiden: Zunächst ist die Eignung der Unternehmen zur Ausführung des Auftrags einschließlich der Frage des Vorliegens von Ausschlußgründen zu prüfen. 8o Sodann werden die Angebote der Unternehmen, die diese Prüfung erfolgreich durchlaufen haben, bewertet81 und der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt82 . Aspekte der Eignung dürfen hier - nach höchstrichterlicher, allerdings nicht unbestrittener Rechtsprechung - keine Rolle mehr spielen; die beiden Stufen sind strikt zu trennen. 83 In beiden Stufen des Verfahrens können jeweils auch politische Zielsetzungen eine Rolle spielen. Zunächst einmal kann auf der ersten Verfahrensstufe der Ausschluß von Unternehmen durch individuelle Verfehlungen begründet sein, deren Sanktionierung der Verfolgung politischer Zielsetzungen dient. Das können Gesetzesverletzungen sein - beispielsweise in Fällen illegaler Beschäftigung - 84 oder Verletzungen vertraglicher Pflichten, z. B. aufgrund von Tariftreueerklärungen85 • Verbreitet ist dabei die Erstreckung des Ausschlusses über das einzelne Verfahren hinaus (Auftrags sperre) und auch auf andere Vergabestellen (koordinierte Auftragssperre ).86 Außerdem gibt es verschiedene Techniken, um in Verfolgung politischer Zielsetzungen bei der Auswahl des Angebots, das den Zuschlag erhalten soll, bestimmte Gruppen von Unternehmen zu bevorzugen. Die gewisserma80 s. § 25 Nr. 1,2 (ggf. i.V.m. Nr. 7) VOB/A, § 25 Nr. 1,21 VOLtA, § 10 I, § 11 VOF. 81 s. § 25 Nr. 3-5 (ggf. i. V. m. Nr. 7) VOBI A, § 25 Nr. 2 11, III, 3-4 VOLtA, § 16 VOF. 82 § 25 Nr. 3 III S. 2 VOB/A, § 25 Nr. 3 S. 1 VOLtA; oberhalb der Schwellenwerte § 97 V GWB. Nach der VOF (§ 16 I) ist der Vertrag mit dem Bewerber zu
schließen, der die bestmögliche Leistung erwarten läßt, was jedoch schon wegen
§ 97 V GWB im gleichen Sinne zu verstehen ist. 83 s. EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87 - Beentjes, Slg. 1988, 4635 = NVwZ
1990, 353, Tz. 15 ff.; BGHZ 139, 273 (276 ff.) m. w.N. (auch zur Gegenansicht) Klärwerkerweiterung = NJW 1998,3644 = WuW 1998, 1242 = WuW/E Verg 148. 84 Vgl. hierzu, insbesondere zur Frage, inwieweit auch in der Bekämpfung rechtswidriger Verhaltensweisen, die dem Auftraggeber selbst schaden, eine Politisierung der Beschaffung liegt, oben A. 11. 3. 85 Vgl. oben cc). 86 s. o. unter A. 11. 3. 7*
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ßen "radikalste" Methode, die über eine Bevorzugung im eigentlichen Sinne hinausgeht, ist die, öffentliche Aufträge von vornherein für bestimmte Unternehmen zu reservieren. Alle anderen Unternehmen werden also kollektiv von der Vergabe ausgeschlossen. 87 Eine solche Regelung stellt daher keine Bevorzugungsregelung im eigentlichen Sinne, sondern eine besondere Ausschlußregelung dar, deren Charakteristikum es ist, daß sie der Begünstigung bestimmter Unternehmen dienen soll. Diese Methode ist in Deutschland aber eher unüblich. 88 Verbreitet sind dagegen Methoden, die den zu bevorzugenden Unternehmen (nur) gewisse Vorteile auf der zweiten Stufe des Verfahrens, d.h. bei der Bewertung der Angebote und der Zuschlagserteilung einräumen. Dazu zählen einmal Regelungen, die vorschreiben, daß der Zuschlag bei gleichwertigen Angeboten zwingend an diese Unternehmen zu erteilen ist. Als gleichwertig gelten dabei teilweise auch noch etwas teurere Angebote; man spricht dann von einer sog. Mehrpreisgewährung. Die erlaubten Mehrpreise werden in der Regel durch Prozentwerte genau festgelegt. 89 Eine andere verbreitete Technik ist die Einräumung eines Eintrittsrechts für die zu bevorzugenden Unternehmen. Dies bedeutet, daß sie die Möglichkeit bekommen, in das wirtschaftlichste bzw. annehmbarste Angebot einzutreten, also den Zuschlag zu den Bedingungen dieses Angebots zu erhalten. 9o Dabei wird allerdings vorausgesetzt, daß ihr eigenes Angebot dieses um nicht mehr als einen bestimmten Wert überstieg. Im Gegensatz zur Bevorzugung mit Mehrpreisgewährung ergibt sich hier keine Verteuerung gegenüber dem wirtschaftlichsten bzw. annehmbarsten Angebot. 91
87 Als Beispiel s. das italienische Gesetz, das dem Fall Du Pont de Nemours (Urt. des EuGH vom 20.3.1990, Rs. C-21/88, Slg. 1990 I, 889, dazu unten im 2. Teil, 2. Kap., unter A. III. 2. a) aa) und IV. 2. d) vor aa» zugrunde lag: Es reservierte 30% der öffentlichen Lieferaufträge für Unternehmen aus dem Mezzogiorno. 88 Eine Ausnahme bildete der inzwischen aufgehobene hess. Lehrlingserlaß (oben Fn. 34), der öffentliche Aufträge grundsätzlich für Ausbildungsbetriebe reservierte. 89 s. beispielhaft für Bevorzugungsregelungen mit Mehrpreisgewährung § 6 Nr. 3, 4 der Bevorzugten- und § 3 III, IV der Zonenrand-RL des Bundes von 1975 (oben Einleitung, A. 1., Fn. 30 bzw. 32, Fassung der Bevorzugten-RL vor der Neufassung durch die RL vom 10.5.2001). Gestaffelt nach Angebotsbeträgen erlaubten sie Mehrpreise von 0,5 bis maximal 5 bzw. 6%, die stufenweise zu berechnen und zusammenzuzählen waren. Mit der Neufassung der Bevorzugten-RL 2001 beträgt die Mehrpreisgewährung (jetzt nur noch für Behinderten- und Blindenwerkstätten) 15%, s. § 3 Nr. 4 der neuen RL. 90 s. z.B. Nr. 6.2 der Mittelstands-RL des Bundes von 1976 (oben Fn. 23); § 7 FrauFöV Bbg. (oben Einleitung, A. 1., Fn. 4). 91 Anders aber nach den Mittelstands-RL der BReg. für die neuen Länder, die eine Kombination von Eintrittsrecht und Mehrpreisgewährung vorsahen (s. o. Fn. 23).
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b) Abgrenzung zwischen Bedarfsdefinition, Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen Einer genaueren Abgrenzung voneinander bedürfen noch einerseits Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung und andererseits Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen. aa) Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung Die Bestimmung des Verhältnisses von Bedarfsdefinition und Leistungsbeschreibung wirft Schwierigkeiten auf. Man könnte den Begriff der Leistungsbeschreibung so verstehen, daß er nicht nur die schriftliche Fixierung des zuvor festgelegten Bedarfs, sondern auch dessen Konkretisierung umfaßt. Von einem solchen Verständnis geht anscheinend Dohmen aus, der sich, soweit ersichtlich, als einziger zu dieser Frage äußert: Zwischen Leistungsbeschreibung und Bedarfsdefinition bestehe nicht notwendigerweise Identität; durch die Leistungsbeschreibung könne der Kreis der potentiellen Bewerber gegenüber der Bedarfsdefinition erweitert oder verengt werden. 92 Damit würde man der Ebene der Bedarfsdefinition die grobe Festlegung der gewünschten Leistung und der der Leistungsbeschreibung die Festlegung der Detailanforderungen zuweisen. Die Grenze zwischen den beiden Ebenen ließe sich bei einem solchen Verständnis aber nicht eindeutig bestimmen. Sachgerechter erscheint es, die Bestimmung der gewünschten Leistung gänzlich zur Bedarfsdefinition zu zählen. Im Ablauf der Bedarfsdefinition geht man nach diesem Verständnis Stück für Stück ins Detail, bis die gewünschte Leistung feststeht. Die endgültige Bedarfsdefinition ist damit zugleich das, was in der Leistungsbeschreibung niedergelegt wird. bb) Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen Schwierig ist auch die Abgrenzung zwischen Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen. Diese Unterscheidung ist unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung. Im allgemeinen besteht im Hinblick auf die Bedarfsdefinition und dementsprechend auch die Leistungsbeschreibung eine größere Freiheit93 der öffentlichen Auftraggeber als im Hinblick auf Vertrags bedingungen. Gemeinsam ist Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen, daß sie die vertraglichen Pflichten des Auftragnehmers bestimmen. Voneinander unterscheiden lassen sie sich anband der Differenzierung zwischen Hauptpflicht und Nebenpflichten. Die Begriffe der Lei92
93
A. Dohmen, Jb. der dt. BPost 1985, 198 (204 oben). Vgl. oben im 1. Kap. unter B. 11. 5. zur "Beschaffungsautonomie".
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stung und damit auch der Leistungsbeschreibung beziehen sich auf die vertragstypische Hauptleistungspflicht, während Vertragsbedingungen Nebenpflichten statuieren. Leistung ist bei einem Lieferauftrag die Lieferung (Übergabe und Übereignung) der Waren, bei einem Dienstleistungsauftrag die Erbringung der Dienste und bei einem Bauauftrag die Herstellung des Bauwerks. 94 Zur Leistungsbeschreibung zählt demnach, was die Leistung i. d. S. festlegt, während Vertragsbedingungen zusätzliche Pflichten statuieren. Der Begriff der Leistungsbeschreibung wird hier damit etwas anders verwandt als in der Praxis. Teilweise werden nämlich auch vertragliche Nebenpflichten in die Leistungsbeschreibung und nicht in die Vertragsbedingungen aufgenommen. 95 Nebenpflichten können mehr oder weniger stark mit der Leistung verknüpft sein. Diese Unterschiede spielen auch für die rechtliche Bewertung eine Rolle. Mit der Leistung im Zusammenhang stehende Nebenpflichten sind weniger problematisch als solche, die mit der Leistung nicht im Zusammenhang stehen. Bei den mit der Leistung im Zusammenhang stehenden Nebenpflichten kann weiter unterschieden werden zwischen Pflichten, die sich auf die Leistungserbringung als solche beziehen und solchen, die die Arbeitsbedingungen der bei der Leistungserbringung eingesetzten Arbeitnehmer betreffen. Erstere sind aufgrund der größeren Nähe zur Leistung rechtlich weniger problematisch als letztere. Die Grenzen zwischen diesen drei Kategorien von Nebenpflichten sind allerdings fließend. Diese Dreiteilung läßt sich zunächst auf Dienstleistungsaufträge anwenden. Bei diesen besteht die geschuldete Leistung in der Erbringung von Diensten (§ 611 BGB). Bei Bauaufträgen hingegen handelt es sich um Werkverträge (§ 631 BGB), bei denen das Ergebnis der Arbeiten geschuldet ist, d.h. das Bauwerk. Zu den vertraglichen Pflichten gehört aber auch die Herstellung des Werks selbst, d. h. die Herstellungstätigkeit. 96 Dies unterscheidet Bauaufträge ebenso wie Dienstleistungsaufträge von den Lieferaufträgen, bei welchen die Leistungspflicht nur in der Lieferung des fertigen Produkts besteht. 97 Die genannte Dreiteilung der Nebenpflichten gilt daher auch für Bauaufträge. Zur Terminologie sei noch angemerkt, daß die im 94 Die verschiedenen vergaberechtlichen Auftragsarten werden hier der Einfachheit und Anschaulichkeit halber mit der dafür jeweils typischen zivilrechtlichen Vertragsart gleichgesetzt, d.h. der Lieferauftrag mit dem Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB, der Dienstleistungsauftrag mit dem Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB und der Bauauftrag mit dem Bauvertrag als Fall des Werkvertrages i. S. d. § 631 BGB. Tatsächlich ist die Lage weit komplizierter. So zählen bspw. nach der Legaldefinition des § 99 11 GWB zu den Lieferaufträgen auch Mietverträge. 95 Vgl. verschiedene Einzelpunkte der nach § 9 Nr. 3 IV VOB/A bei der Leistungsbeschreibung zu beachtenden "Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung" in Abschnitt 0 der VOB/C. 96 s. F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 631 (2000) Rn. 14.
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Zusammenhang mit der Leistung stehenden Pflichten im folgenden auch als Pflichten bezeichnet werden, die sich auf die Ausführung des Auftrags beziehen. Ein Beispiel für im Zusammenhang mit der Leistung stehende Pflichten bilden Verpflichtungen zur umweltschonenden Ausführung von Bauarbeiten, bspw. Verpflichtungen zum Schutz der Vegetation auf dem Baugelände 98 . Dabei handelt es sich um Pflichten, die auf die Ausführung des Auftrags als solche bezogen sind. Als Beispiel für auf die Arbeitsbedingungen bei der Auftragsausführung bezogene Verpflichtungen können etwa die Tariftreueerklärungen genannt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Verpflichtung, bei der Leistungserbringung keine oder nur eine begrenzte Zahl geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer einzusetzen. Werden diese Verpflichtungen nicht auf die Leistungserbringung begrenzt, sondern dem Auftragnehmer generell auferlegt, handelt es sich bei dem über die Leistungserbringung hinausgehenden Teil um die dritte Kategorie von Nebenpflichten, d.h. um Nebenpflichten, die nicht mit der Leistung im Zusammenhang stehen. Ein weiteres Beispiel für diese dritte Kategorie stellen Verpflichtungen zur betrieblichen Frauenförderung dar, etwa zur Bestellung einer Frauenbeauftragten. Bei Lieferaufträgen ist die geschuldete Leistung die Lieferung der Ware. Der Lieferauftrag hat damit, anders als die beiden anderen Auftragsarten, nicht eine Arbeitsleistung zum Inhalt, sondern ein Produkt. 99 Schwierigkeiten bereitet hier daher die Einordnung von Anforderungen, die die Herstellungs- oder Handelsbedingungen der zu liefernden Waren betreffen, bspw. wenn Tropenholz nur aus nachhaltiger Bewirtschaftung 100 oder nur fair gehandelter Kaffee beschafft werden sol1. IOI Versteht man unter Vertragsbedingungen Pflichten zu einem bestimmten künftigen Verhalten - sei es (nur) während der Leistungserbringung, sei es (auch) darüber hinaus - können solche Anforderungen nicht als Vertrags bedingungen eingestuft werden, da sie sich auf den Zeitraum vor der Leistungserbringung (Lieferung der Ware) beziehen. Sie sind daher zur Leistungsbeschreibung zu zählen. Dabei 97 Vgl. zum Unterschied zwischen Kauf- und Werkvertrag F. Peters, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 631 ff (2000) Rn. 15, s. auch Rn. 4. 98 s. etwa RdErl. des nrw. MBau "Umweltschonendes Bauen des Landes" vorn 21.12.1998, MBl. 1999, S. 12, unter Punkt 6. 99 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Dienstleistungs- und Bauaufträgen einerseits und Lieferaufträgen andererseits auch M. Burgi, NZBau 2001, 64 (70 f. unter 1. b». 100 So etwa die oben Fn. 68 zit. Regelungen Hamburgs und NRWs; ferner etwa RdErl. des nds. MWi vorn 5.5.1992 "Umweltrichtlinien öffentliches Auftragswesen", oben Fn. 54, Anlage 2 Punkt 3.7 u. Anlage 3 Punkt 2.2. 101 Auch bei Dienstleistungs- oder Bauaufträgen kann dieses Problem auftreten, wenn Anforderungen an etwa dabei zu verwendende Waren (z.B. Baumaterial) gestellt werden.
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handelt es sich allerdings um Anforderungen besonderer Art, da nicht eigentlich das Produkt, das Leistungsgegenstand ist, beschrieben wird, sondern dessen Herstellung, die an sich nicht als zur Leistung gehörig angesehen werden kann. Die "Rückschau" auf die Herstellungs- oder Handelsbedingungen ist daher eine Besonderheit. Solche Anforderungen an die Leistung fallen jedenfalls nicht ohne weiteres in den Bereich der "Beschaffungsautonomie" der Auftraggeber. Vertragsbedingungen zur Verfolgung politischer Zielsetzungen gibt es aber auch bei Lieferaufträgen. Sie dürften hier allerdings praktisch nur in der Variante der nicht mit der Leistung (Lieferung der Ware) im Zusammenhang stehenden Pflichten in Betracht kommen, so z. B., wenn die bereits genannten Verpflichtungen zur betrieblichen Frauenförderung auf Lieferaufträge angewandt werden. c) Folgerungen Aus der Zusammenschau der verschiedenen Ansatzpunkte ergibt sich, daß ein- und dieselbe politische Zielsetzung häufig auf verschiedene Weise in die öffentliche Auftragsvergabe eingebracht werden kann. So stellt es z. B. eine Alternative zur Bevorzugung von Betrieben dar, die Frauenförderung betreiben, die Auftragnehmer vertraglich zu entsprechenden Maßnahmen zu verpflichten. 102 Eine andere Möglichkeit der Mittelstandsförderung anstelle oder neben der Vergabe nach Losen ist die Bevorzugung kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Vergabe. Umweltpolitik kann Einfluß nehmen auf die Bedarfsdefinition und dementsprechend die Leistungsbeschreibung; aber auch die Festlegung der Vertragsbedingungen und die Auswahl des Unternehmens bieten Ansatzpunkte für eine Einbeziehung umweltpolitischer Zielsetzungen. Zwischen den verschiedenen Ansatzpunkten und Techniken bestehen gleichwohl Unterschiede, die nicht nur äußerlicher Natur sind. Diese betreffen sowohl die Effektivität im Hinblick auf die verfolgte politische Zielsetzung als auch die Auswirkungen auf die (potentiellen) Auftragnehmer. Es besteht nur eine begrenzte Austauschbarkeit zwischen den verschiedenen Ansatzpunkten und Techniken. Einige Ansatzpunkte kommen von vornherein nur für bestimmte Politikbereiche in Betracht - so die Leistungsbeschreibung und die Frage nach der Vergabe als Ganzes oder in Losen.
102 Dies entspricht der Entwicklung in Berlin: Die Neufassung des § 13 LGG (oben Einleitung, A. 1., Fn. 6) sieht die Auferlegung vertraglicher Verpflichtungen vor, während die alte Fassung (die mangels eines nach § 13 III a. F. notwendigen AusführungsG nie realisiert wurde) eine Bevorzugungsregelung enthielt.
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Sehr vielseitig sind insbesondere Bevorzugungsregelungen. Darunter sollen hier sowohl die Regelungen verstanden werden, die eine Bevorzugung im Rahmen der Angebotsaufforderung bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe gewähren, als auch die, die eine Bevorzugung bei der Zuschlagserteilung (einschließlich der Gewährung von Eintrittsrechten) vorsehen. Bevorzugungsregelungen können an Eigenschaften oder an Verhaltensweisen der Unternehmen anknüpfen (vgl. sogleich unter 2.) und lassen sich für fast jede politische Zielsetzung einsetzen. Auch Vertragsbedingungen sind relativ vielseitig einsetzbar, allerdings naturgemäß nur zur Regelung von Verhaltensweisen. Zwischen Vertragsbedingungen und Bevorzugungsregelungen besteht eine gewisse Austauschbarkeit,103 allerdings unterscheiden sie sich auch in einigen nicht unwesentlichen Punkten: Vertragsbedingungen verlangen ein bestimmtes Verhalten (erst) für die Zukunft, Bevorzugungsregelungen stellen dagegen auf die Situation in der Gegenwart bzw. Vergangenheit ab. Bevorzugungsregelungen beeinflussen unmittelbar die Auswahl des Unternehmens; Vertragsbedingungen haben dagegen nur Auswirkungen auf die Auswahl, wenn die Eignungsprüfung auf die Fähigkeit zur Erfüllung der Vertragsbedingungen erstreckt wird. Allerdings können außerdem solche Unternehmen von einer Bewerbung abgehalten werden, die sich nicht in der Lage sehen, die Vertragsbedingungen zu erfüllen. Von dem Unternehmen nämlich, das den Zuschlag erhält, sind die Vertragsbedingungen in jedem Fall zu befolgen. Bei Bevorzugungsregelungen können demgegenüber auch solche Unternehmen den Zuschlag erhalten, die der entsprechenden Politik nicht folgen. Vertragsbedingungen sind insofern "zwingender" als Bevorzugungsregelungen; auch können den Unternehmen hier unter Umständen erhebliche Lasten auferlegt werden. Andererseits verlangen sie ein entsprechendes Verhalten erst nach Zuschlagserteilung und nur von demjenigen Unternehmen, das den Zuschlag erhält. Die Bewertung der Unterschiede zwischen Bevorzugungsregelungen und Vertragsbedingungen in der Literatur ist uneinheitlich: Heid hält Vertrags bedingungen für weitgehend wirkungslos, weil sie sich nicht auf die Zuschlagserteilung auswirkten und die Unternehmen im Falle der Nichteinhaltung keine durchgreifenden Sanktionen zu befürchten hätten. 104 Osterloh hingegen sieht in Vertragsbedingungen ein gegenüber Bevorzugungsregelun103 Vg!. J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (465 f.); des weiteren das Rechtsgutachten von L. Osterloh (1991/92), S. 27 ff., in dem ein Vertragsbedingungs- und ein Bevorzugungsmodell (s. S. 1 f.) zur Frauenförderung untersucht wird (S. 27 ff.), sowie die Ausführungen von S. Heid, WB!. 1998, 194 ff., zur Frage, ob die im österreichischen BVergG vorgeschriebene Berücksichtigung der Beschäftigung von Personen im Ausbildungsverhältnis als Zuschlagskriterium oder als Vertragsbestandteil zu verstehen ist. 104 s. Heid, WB!. 1998, 194 (195). Ob letzteres zutrifft, hängt aber davon ab, weIche Sanktionen vereinbart werden.
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gen wesentlich rigoroseres Instrument: Es führe zum "absoluten Ausschluß aller jener Bieter [... ], die eine solche zusätzliche Bedingung nicht erfüllen wollen oder können,,105. Wittig hält umgekehrt Vertragsbedingungen für milder als Bevorzugungsregelungen, da sie sich auf zukünftiges Verhalten beziehen, die Unternehmen ihr Verhalten also noch entsprechend ändern können. 106 2. Spezifischer Anknüpfungspunkt: Leistung oder Eigenschaften resp. Verhaltensweisen des Unternehmens
In den meisten Fällen der Einbeziehung politischer Zielsetzungen geht es entweder um besondere Anforderungen an die Leistung oder um bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen der Unternehmen. 107 Als politisch determinierte Anforderungen an die Leistung kommen namentlich ökologisch begründete Anforderungen in Betracht. An Eigenschaften der Unternehmen oder die äußeren Umstände, in denen sie sich befinden, knüpfen beispielsweise Regelungen zur Bevorzugung von Unternehmen aus strukturschwachen Gebieten oder zur Förderung der Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Aufträgen an. Auf das Verhalten der Unternehmen beziehen sich dagegen z. B. Regelungen zur Bevorzugung von Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, oder zum Ausschluß von Unternehmen, die wegen illegaler Beschäftigung aufgefallen sind. Auch die vertraglichen Verpflichtungen zur Zahlung des Tariflohns sind hier zu nennen. Bei den verhaltensbezogenen Regelungen kann man weiter noch danach unterscheiden, ob es nur um das Verhalten bei der Ausführung des Auftrags geht oder um das Verhalten des Unternehmens generell;108 außerdem danach, ob sie sich auf vergangenes (Bevorzugungs- und Ausschlußregelungen) oder auf zukünftiges Verhalten (Vertragsbedingungen) beziehen. Zu den auf vergangenes Verhalten bezogenen Anforderungen sind auch Anforderungen zu zählen, die den Herstellungs- oder Handelsprozeß bei Waren betreffen. 109 105
B.).
L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 60 (oben); s. auch S. 60 f. (unter
106 O. Wittig, Probleme (1999), S. 49 f. Allerdings spricht Wittig nicht ausdrücklich von Bevorzugungsregelungen, sondern von "auf die Auswahl eines Unternehmers gerichtete[n] Kriteri[en]" (S. 49 unten), was Bevorzugungs- wie Ausschlußregelungen meinen könnte. 107 M. Burgi, NZBau 2001, 64 (67 1. Sp. Mitte), spricht von "leistungsbezogenen" und "unternehmensbezogenen" Kriterien. Einige Fälle der Politisierung knüpfen allerdings weder an das eine noch an das andere an, so z. B. die konjunkturpolitisehe Steuerung der öffentlichen Auftragsvergabe. 108 Vgl. P. Weissenberg, DB 1984, 2285 (2289 unter bb»; S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 809 unten f.; s. auch oben unter 1. b) bb). 109 Mit der Besonderheit, daß diese zur Leistungsbeschreibung gehören und nicht Vertragsbedingungen darstellen, vgl. oben I. b) bb), und der weiteren Besonderheit,
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("Beschaffungsfremde") Anforderungen an die Unternehmen sind rechtlich problematischer als Anforderungen an die Leistung. Im Hinblick auf die Anforderungen an Unternehmen treten bei den verhaltensbezogenen Regelungen tendenziell größere rechtliche Probleme auf als bei den an Eigenschaften anknüpfendenYo 3. Gesetzesaufgreifende und gesetzeserweiternde Anforderungen
Bei Anforderungen an die Leistung sowie bei Anforderungen an das Verhalten der Unternehmen kann man schließlich noch unterscheiden zwischen dem bloßen, "gesetzesaufgreifenden" Verlangen nach Einhaltung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen einerseits und darüber hinausgehenden, "gesetzeserweiternden" Anforderungen andererseits. 111 Die gesetzesaufgreifenden Anforderungen integrieren also gesetzliche Verpflichtungen, die für das Unternehmen bereits bestehen, in das Vergabeverfahren;112 gesetzeserweiternde II 3 dagegen verschärfen bestehende oder begründen neue Verpflichtungen. Man kann die gesetzesaufgreifenden Anforderungen daher auch als "deklaratorisch" und die gesetzeserweiternden als "konstitutiv" bezeichnen. I 14
daß hier i. d. R. nicht das Verhalten der Auftragnehmer, sondern das Verhalten Dritter (der Lieferanten der Auftragnehmer) in Rede steht. 110 Vgl. J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (90); P. Weissenberg, DB 1984, 2285 (2288 f. unter V. 3. b) u. c». 111 Für gewöhnlich wird diese Unterscheidung nur bei Regelungen getroffen, die das Verhalten der Unternehmen betreffen; vgl. so J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 393 ff.; ders., AöR 107 (1982), 61 (88); H.-J. Menzel, DB 1981, 303 (305 ff. unter IV. 2.); D. Ehlers, Privatrechtsform (1984), S. 231 f.; P. Weissenberg, DB 1984, 2285 (2288 f. unter V. 3. c»; S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 809. Sie läßt sich aber auch auf Anforderungen an die Leistung beziehen, wenngleich ihr dort eine andere Bedeutung zukommt (s. dazu sogleich). 112 Nach F. Marx, in: Vergabe öffentlicher Aufträge (2000), S. 77 (82), geht es insoweit (Marx nennt als Beispiele "Versicherungen z. B. darüber, daß weder Schwarzarbeiter noch illegal Ausländer beschäftigt werden oder ohnehin allgemein gültige Tarife eingehalten werden") ,,[i]n Wahrheit [... ] um eine Bestätigung der Zuverlässigkeit, nicht um einen ,vergabefremden ' Gesichtspunkt." M. E. kann man aber auch hier durchaus von einer Politisierung der Beschaffung sprechen, vgl. dazu oben unter A. 11. 3. 113 Häufig wird der Begriff "gesetzesverschärfend" verwandt. Dieser Begriff erscheint mir aber zu eng. Es soll nicht nur die Verschärfung konkreter bestehender Gesetze bzw. Gesetzesbestimmungen erfaßt sein, sondern generell jede Anforderung, die gesetzlich nicht (als verpflichtende) vorgesehen ist. 114 s. Z. B. M. Dreher, JZ 2000, 519 unter I., zu den Tariftreueerklärungen; auch P. Kirchhof, Mittelbares Einwirken (1977), S. 346: ,,[d]ie (konstitutive) Vereinbarung einer Polizeipflichtigkeit".
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Eine gesetzeserweiternde Anforderung an die Leistung liegt z. B. im Ausschluß der Verwendung von Tropenholz l15 (die an sich ja nicht verboten ist) oder in der Festlegung eines Grenzwertes für den Schadstoffausstoß bei Fahrzeugen, der strenger ist als der gesetzlich festgelegte. Gesetzesaufgreifende Anforderungen spielen im Hinblick auf die Leistung keine besondere Rolle. Daß die Leistung den bestehenden Gesetzen zu genügen hat, ist selbstverständlich und wird für gewöhnlich nicht noch gesondert verlangt. Eine gesetzeserweiternde Anforderung an das Verhalten der Unternehmen liegt etwa vor, wenn diese sich vertraglich zur Durchführung bestimmter Frauenfördermaßnahmen verpflichten müssen. Gesetzesaufgreifend ist demgegenüber die vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsvorschriften der §§ 611a ff. BGB. 116 Auch bei den Tariftreueerklärungen gibt es beide Formen. 117 Gesetzesaufgreifend sind diejenigen Erklärungen, in denen die Auftragnehmer lediglich die Zahlung des von ihnen nach dem Tarifrecht ohnehin geschuldeten Lohns versichern müssen. Dabei wird die Versicherung teilweise auf den nach Maßgabe des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes l18 für alle Unternehmen verpflichtenden Mindestlohn beschränkt,119 teilweise wird darüber hinausgehend für den Fall beiderseitiger Tarifbindung die Zahlung des Tariflohns nach Maßgabe des jeweiligen Entgelttarifs verlangt l20 . Die gesetzeserweiternden Tariftreueerklärungen hingegen gehen über das Tarifrecht hinaus, indem sie die Zahlung des Tariflohns nach Maßgabe des jeweiligen örtlichen Entgelttarifs auch von den nicht tarifgebundenen Unternehmen verlangen. Sie stellen sich damit (nur) für diejenigen Unternehmen als eine gesetzeserweiternde Anforderung dar, die nicht ohnehin an den Tarif gebunden sind. Das bei den Tariftreueerklärungen gegebene Phänomen, daß Regelungen sich für einen Teil der Unternehmen als gesetzesaufgreifend und für einen 115 S. z. B. den Gern. RdErI. des MVk, des MWi und des MUmw des Landes NRW vom 1.6.1989 für die Staatshochbauverwaltung, MBI. S. 934, der die Verwendung tropischer Hölzer nur bei Vorliegen zwingender Gründe erlaubte; nunmehr gilt auch in NRW jedoch, daß (nur) Tropenholz aus nachhaltiger Bewirtschaftung zugelassen ist, vgI. oben Fn. 100 m. w. N. für Regelungen dieser Art. 116 Die neue Berliner Regelung zur Frauenförderung bspw. (oben Einleitung, A. 1., Fn. 6) enthält beide Arten von Verpflichtungen: S. § 13 I 1 LGG n. F. und dazu § 1 11 2 FVV i. V. m. §§ 2, 3 FVVeinerseits, § 4 Nr. 1 FFV andererseits. 117 VgI. schon oben A. 11. 2. 118 S. o. Fn. 45. 119 So etwa die Regelung in Thüringen, s. RL des MWi vom 4.12.1996, StAnz S. 2302, geänd. durch Erlaß des MWi vom 16.9.1997, StAnz S. 2023. In der Tendenz ähnlich wohl der Erlaß des MWi des Landes MV vom 18.9.1995, ABI. S. 1004, der wohl so zu verstehen ist, daß die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifverträge verlangt wird. 120 So etwa der Erlaß des BMBau vom 7.7.1997, abgedruckt in VgR 5/1997, S.47.
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Teil als gesetzeserweiternd darstellen, findet sich außerdem in bezug auf ausländische Unternehmen. Werden ausländische Unternehmen Anforderungen unterworfen, die im Hinblick auf deutsche Unternehmen als gesetzesaufgreifend zu qualifizieren sind, handelt es sich im Hinblick auf ausländische Unternehmen um gesetzeserweiternde Anforderungen, soweit sie nicht schon ohnehin, insbesondere nach den Regeln des Internationalen Privatrechts, dem jeweiligen Gesetz unterliegen. Gesetzesaufgreifende und gesetzeserweiternde Anforderungen an das Verhalten finden sich nicht nur bei Vertragsbedingungen, sondern auch bei Ausschlußregelungen. Als Beispiele seien hier der Ausschluß von Unternehmen wegen Nichtzahlung von Steuern und Abgaben einerseits und der Ausschluß von nicht ausbildenden Betrieben andererseits genannt. Schließlich knüpfen Bevorzugungsregelungen häufig an gesetzeserweiternde Verhaltensanforderungen an, etwa die Regelungen zur Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben. Gesetzesaufgreifende und gesetzeserweiternde Anforderungen werfen unterschiedliche rechtliche Probleme auf. Bei den Anforderungen an das Verhalten zunächst sind gesetzeserweiternde Anforderungen rechtlich problematischer als gesetzesaufgreifende. 121 Aber auch die letztgenannten können wegen der Einbeziehung der gesetzlichen Verpflichtung gerade in das Vergabeverfahren rechtlichen Bedenken unterliegen. Bei den Anforderungen an die Leistung hingegen können Probleme überhaupt nur bei gesetzeserweiternden Anforderungen auftreten. Auch die gesetzeserweiternden Anforderungen an die Leistung sind aber nur in sehr begrenztem Maße rechtlich problematisch, da es dem Auftraggeber im Grundsatz freisteht, seinen Bedarf so oder so zu definieren. 122 11. Rechtsgrundlage
Eine formale, aber ebenfalls sehr wichtige Unterscheidung ist die nach der Rechtsgrundlage, auf der die jeweilige Einbeziehung politischer Zielsetzungen beruht. Dabei ist zum einen nach der Rechtsform, zum anderen nach dem Normgeber und dem Geltungsbereich der Regelungen zu unterscheiden. Diese Unterscheidungen sind von Bedeutung für Fragen des Gesetzesvorbehalts, der Normenhierarchie und der Kompetenzen.
121 Vgl. H.-J. Menzel, DB 1981, 303 (305 unter IV. 2.); J. Pietzcker, NVwZ 1983, 121 (123); P. Weissenberg, DB 1984,2285 (2289). 122 Zum großen Spielraum bei der Bedarfsdefinition s. o. im 1. Kap. unter B. 11. 5. Vgl. i.E. auch J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (93 f.).
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1. Rechts/orm Teilweise ist die Politisierung öffentlicher Beschaffung auf fönnliche Gesetze gestützt. Zu nennen sind hier vor allem die in der Einleitung erwähnten älteren sozial- und regionalpolitischen Bevorzugungsregelungen des Bundes und Mittelstandsgesetze der Länder. 123 Es gibt aber auch neuere Fälle wie die gesetzlichen Regelungen verschiedener Länder zur Frauenförderung l24 und zur Tariftreue l25 oder § 37 I 2 KrW-/AbfG und die entsprechenden Vorschriften der Landesabfallgesetze, die vorschreiben, bei der Beschaffung auf Gesichtspunkte der Abfallvenneidung Bedacht zu nehmen l26 . Auch § 5 SchwarzArbG und § 6 AEntG sind hier zu nennen. 127 Diese Gesetze enthalten allerdings nur recht allgemein gehaltene Anordnungen. Sie werden daher in der Regel durch Verwaltungsvorschriften ergänzt, die die Einzelheiten - z. B. die Art und Weise einer gesetzlich angeordneten Bevorzugung bestimmter Unternehmen - regeln. 128 Nur vereinzelt ist demgegenüber die Konkretisierung durch Rechtsverordnung vorgesehen. 129 Wohl verbreiteter als die auf einem Gesetz beruhende Einbeziehung politischer Zielsetzungen war bisher die allein auf Verwaltungsvorschriften gestützte. Unter der Ägide des Gesetzesvorbehalts in § 97 IV Hs. 2 GWB ändert sich dies allerdings nunmehr. Als Beispiele für Verwaltungsvorschriften sind etwa die Erlasse zur Bevorzugung von Lehrlingsbetrieben 130 oder von Unternehmen aus den neuen Bundesländern und Ostberlin resp. aus Regionen der Europäischen Union mit Entwicklungsrückstand 131 zu nennen. Wichtig sind des weiteren die Tariftreueerlasse 132 und die Verwaltungsvorschriften über umweltgerechte Beschaffung 133 (soweit es nicht um Einleitung, A. I. m. N. s. o. in der Einleitung, A. I. m. N. (Fn. 4 ff.). 125 s. o. in der Einleitung, A. I. m. N. (Fn. 20 u. 22). 126 Oben Fn. 53. 127 Nachw. oben Fn. 44 f. 128 Verwaltungsvorschriften wurden z. B. zu den genannten Bevorzugungsregelungen des Bundes und den MittelstandsG der Länder erlassen, s. die Nachweise in der Einleitung, A. 1., Fn. 30 u. 36. 129 Eine Rechtsverordnung wurde im Fall der Brandenburger Frauenförderungsregelung gewählt, Nachw. s. o. in der Einleitung, A. 1., Fn. 4. § 13 LGG Berlin a. F. (Nachw. ebd. Fn. 6) wies eine zweifache Besonderheit auf: Er enthielt in Abs. 1 schon selbst vergleichsweise detaillierte Vorgaben und er sah in Abs. 3 vor, daß das Nähere in einem besonderen Gesetz zu regeln ist. 130 s. Nachw. oben Fn. 34. 131 s. Nachw. oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 12 f. u. 15, sowie oben Fn. 28. I32 s. Nachw. oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 16 f., sowie oben Fn. 119 f. 133 s. Nachw. oben Fn. 54. 123
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den Gesichtspunkt der Abfallvermeidung geht, für den die Abfallgesetze eine gesetzliche Grundlage darstellen). Die Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben und vor allem das Verlangen nach Tariftreueerklärungen ist inzwischen in einigen Ländern allerdings auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden. 134 2. Normgeber und Geltungsbereich
Die gesetzlichen Regelungen des Bundes gelten bzw. galten jedenfalls für alle klassischen öffentlichen Auftraggeber, d.h. namentlich auch für die Länder und Gemeinden. 135 Dies ergibt sich daraus, daß die Formulierung "Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand,,136 oder synonyme Formulierungen 137 verwendet werden, ohne daß eine Begrenzung auf öffentliche Aufträge des Bundes und der dem Bund unterstehenden öffentlichen Auftraggeber erfolgt. Eine Ausnahme bildet insoweit § 37 I 2 KrW-/ AbfG, der nur für die Behörden des Bundes und die seiner Aufsicht unterstehenden Stellen gilt. Fraglich ist, ob mit den genannten Formulierungen auch oberhalb der Schwellenwerte nur die klassischen öffentlichen Auftraggeber erfaßt sein sollen oder nunmehr alle öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Mindestens für die materiell privaten Auftraggeber erscheint dies zweifelhaft. Ausdrücklich für alle Auftraggeber nach § 57a I Nr. 1-8 HGrG bzw. nach § 98 GWB gelten allerdings die §§ 5 SchwarzArbG, 6 AEntG. Der Geltungsbereich der Gesetze der Länder umfaßt i. d. R. jedenfalls die Behörden der Länder und die den Ländern unterstehenden klassischen öffentlichen Auftraggeber, d.h. vor allem auch die Gemeinden. 138 Soweit nur allgemein von der "Vergabe öffentlicher Aufträge" o. ä. die Rede ist, stellt sich oberhalb der Schwellenwerte ebenfalls das eben genannte Problem. Eine ausdrückliche Erstreckung einer landesgesetzlichen Regelung auf alle 134 Zur Tariftreue s. die Nachw. oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 20 u. 22, sowie ebd. mit Fn. 23-25 zur geplanten bundesgesetzlichen Tariftreueregelung; zur Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben: § 2 des Berliner VergabeG (V gG BIn) vom 9.7.1999, GVBl. S. 369. 135 Vgl. zu § 68 BEG H. G. v. DamlH. Loos, BEG (1957), § 68 Nr. 4; zu § 56 SchwbG D. Neumann/R. Pahlen, SchwbG (1999), § 56 Rn. 3. 136 So § 74 I 1 BVFG a.F., § 1411 1 BVFG n.F.; § 3611 1 SchwbschG. 137 "Vergabe öffentlicher Aufträge" (§ 2 Nr. 3 ZonenrandförderungsG); "Aufträge der öffentlichen Hand" (§ 56 I SchwbG, jetzt § 141 S. 1 SBG IX); "Vergabe von öffentlichen Aufträgen" (§ 68 I 1 BEG, § 12a S. 1 BEvakG). 138 Vgl. so ausdrücklich etwa § 1 I der Brandenburger FrauFöV (oben Einleitung, A. 1., Fn. 4); § 2 I LAbfG NW. Differenzierend Art. 3 i. V.m. Art. 1 BayBauVG, § 3 i. V.m. § 1 SaarBauVG, § 3 1-II1 i. V.m. § 1 VergabeG LSA (Nachw. oben Einleitung, A. 1., Fn. 22).
112
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öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB findet sich in § 1 I des Berliner Vergabegesetzes (Tariftreue ).139
Landesverwaltungsvorschriften zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen sind zunächst an die Behörden des Landes selbst gerichtet. In den meisten Fällen 140 wird die Anwendung aber darüber hinaus auch den Gemeinden und den anderen dem Land unterstehenden klassischen öffentlichen Auftraggebern vorgeschrieben 141 oder zumindest empfohlen 142 . 3. Einbeziehung politischer Zielsetzungen ohne besondere Rechtsgrundlage Schließlich können politische Aspekte auch eine Rolle bei der Beschaffung spielen, ohne daß dem irgendeine Regelung zugrunde liegt. Dies wird vor allem in der Bedarfsdefinitionsphase der Fall sein, soweit es um die Verfolgung zusätzlicher Zielsetzungen durch die Beschaffung als solche geht. 143 Aber auch in der Bedarfsdeckungsphase sind Fälle denkbar, in denen politische Zielsetzungen einbezogen werden, ohne daß dem irgendeine abstrakt-generelle Regelung zugrunde liegt. l44 IH. Schwellenwertgrenze
Eine praktisch sehr bedeutsame Weichenstellung erfolgt schließlich bei der Frage, ob die Einbeziehung politischer Zielsetzungen Aufträge unter139 VgG Bin vom 9.7.1999, GVB!. S. 369. Ob § 2 (Lehrlingsausbildung) ebenfalls für alle Auftraggeber nach § 98 GWB gelten soll, ist nicht eindeutig. 140 Anders etwa der RdEr!. des nrw. MBau "Umweltschonendes Bauen des Landes" vom 21.12.1998, MB!. 1999, S. 12. 141 So z. B. in Nds. den Gebietskörperschaften die Anwendung des Tariftreueerlasses (oben Einleitung, A. 1., Fn. 17) durch RdEr!. des nds. MI vom 5.6.1998, MB!. S. 814, u. vom 6.3.2001, MB!. S. 311. Zur Rechtsgrundlage solcher Verpflichtungen vg!. im Hinblick auf die Gemeinden unten im 2. Teil, 3. Kap., unter B. IV. 2. a). 142 So empfiehlt z. B. der nrw. Tariftreueerlaß (oben Einleitung, Fn. 17) die Anwendung auch den Gemeinden und Gemeindeverbänden. 143 s.o., 1. Kap., B. II. 3. Der konjunkturpolitische Einsatz öffentlicher Aufträge allerdings beruht mit den §§ 6, 11, 14, 16 II StWG sogar auf einem förmlichen Gesetz. 144 Vg!. als Beispiel etwa den Fall, der einer Entscheidung des VGH BaWü (Urt. v. 29.6.1998, 1 S 1580/96, DÖV 1999, 79) zugrunde lag: Dort hatte die beklagte Stadt Arbeiten im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus in freihändiger Vergabe an zwei gemeinnützige Organisationen vergeben, die soziale Ziele verfolgten (JugendhilfelVerbesserung der Lage von insbs. schwer vermittelbaren Arbeitslosen), und nicht mehr an die Kläger, Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus. Häufig wird dieser Fall auch bei der Bevorzugung von ortsansässigen Unternehmen gegeben sein.
B. Rechtliche Gestalt
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oder oberhalb der Schwellenwerte der EG-Richtlinien betrifft. 145 Zwar gelten die relevanten nicht spezifisch vergaberechtlichen Nonnen - d. h. solche des EG-Primärrechts, des Verfassungsrechts und verschiedener einfacher Gesetze - gleichennaßen unter- wie oberhalb dieser Grenze. Das Vergaberecht selbst aber ist zweigeteilt. Unterhalb der Schwellenwerte ist das hergebrachte deutsche Vergaberecht anzuwenden, d.h. die Verdingungsordnungen als Verwaltungsvorschriften l46 . Diese können - vorbehaltlich entgegenstehender anderer Nonnen von der zuständigen Stelle ohne weiteres durch Verwaltungsvorschriften zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen ergänzt bzw. geändert werden. Unterhalb der Schwellenwerte sind die vergaberechtlichen Regelungen selbst somit kein entscheidendes Hindernis für die Politisierung öffentlicher Beschaffung. 147 Ganz anders sieht die Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte aus. Der vergaberechtliche Rechtsrahmen wird dort nunmehr aus dem GPA, den EGRichtlinien und dem neuen GWB-Vergaberecht gebildet. Es gilt damit insbesondere auch der neue § 97 IV Hs. 2 GWB, der einen Gesetzesvorbehalt für "andere oder weitergehende Anforderungen [... ] an Auftragnehmer" als Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit statuiert. Der Rechtsrahmen oberhalb der Schwellenwerte ist damit wesentlich enger als unterhalb derselben. Nicht nur, daß hier § 97 IV Hs. 2 GWB zu beachten ist und die vergaberechtlichen Regelungen Gesetzes- bzw. Rechtsverordnungsqualität haben, ein Abweichen durch Verwaltungsvorschrift also ausgeschlossen ist l48 . Von entscheidender Bedeutung ist vor allem, daß der deutsche Nonngeber hier durch die Vorgaben der EG-Richtlinien gebunden ist und die EG wiederum das GPA zu beachten hat. Infolge dieser rechtlichen Lage wird der Anwendungsbereich von Regelungen zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen teilweise auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte begrenzt. Dies gilt allerdings, soweit ersichtlich, regelmäßig nur für Regelungen über die Bevorzugung beim Zuschlag (die nämlich nach dem EG-Vergaberecht, wie sich zeigen wird,149 145 S. zu den Schwellenwerten und der daraus resultierenden "Zweigleisigkeit" des Vergaberechts oben in der Einleitung unter B. III. 146 Beachte aber zu den Gemeinden oben Einleitung, B. III., Fn. 85. 147 s. zum Ganzen noch unten im 2. Teil, 3. Kap., C. Ir. 2. 148 Dies galt im übrigen auch schon im Rahmen der haushaltsrechtlichen Lösung; vgl. eh. Riese, VergabeR (1998), S. 208; fehlgehend daher O. Otting, Stadt und Gemeinde 1996,461 (466 I. Sp.), insoweit als er in der Annahme der Abweichungsmöglichkeit durch Verwaltungsvorschrift nicht anhand der Schwellenwertgrenze differenziert. Ebenso ausgeschlossen ist (und war) ein Abweichen durch landesreehtliehe Regelung (nunmehr nur, soweit nicht von § 97 IV Hs. 2 GWB n. F. gedeckt). 149 Unten 2. Teil, 2. Kap., B. 11. 2. f) aa). 8 Meyer
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1. Teil, 2. Kap.: Arten der sog. beschaffungsfremden Kriterien
besonders problematisch sind). ISO Die anderen Regelungen - und z. T. auch noch die Bevorzugungsregelungen - gelten nach wie vor regelmäßig für beide Bereiche. 151 Sie unterliegen damit unterhalb und oberhalb der Schwellenwerte jeweils unterschiedlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings noch, daß die Schwellenwerte der EG-Richtlinien und die im deutschen Recht festgelegten Schwellenwerte nicht völlig identisch sind. 152 Dies verkompliziert die Lage dahingehend, daß ein kleiner dritter Bereich entsteht, der nicht zum Geltungsbereich der Richtlinien gehört, in dem aber das GWB-Vergaberecht Anwendung findet. Im Hinblick auf die Begrenzung des Geltungsbereichs von Regelungen zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen ist daher jeweils darauf zu achten, auf welche Schwellenwerte Bezug genommen wird.
150 Beispielhaft für Begrenzung von Bevorzugungsregelungen seien genannt die Brandenburger FrauFöV (oben Einleitung, A. 1., Fn. 4), s. deren § 2 I; der Lehrlingserlaß des Bundes von 1997, s. dessen Nr. I; der 1998 entsprechend geänd. nrw. Lehrlingserlaß; der bayerische Lehrlingserlaß von 1998, s. dessen Nr. I; der saarländische Lehrlingserlaß von 1998 (mit der etwas unklaren Formulierung "Der Erlaß soll nicht gelten [... ]" (Hervorhebung von mir»; anders dagegen der inzwischen aufgehobene hessische Lehrlingserlaß von 1997 (der allerdings eine Ausschlußregelung darstellte), s. dessen S. 3 der Nr. 1.3 (alle oben Fn. 34); für Begrenzung s. des weiteren die Regelung Sachsen-Anhalts zur Bevorzugung von Unternehmen aus Regionen der Europäischen Union mit Entwicklungsrückstand von 1995 (oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 12), s. deren H.; anders noch die Regelungen Sachsen-Anhalts von 1993 (RdEr!. des MWi vom 1.12. u. 2.12.1993, MB!. S. 2848 und 2850) sowie die 1995 ausgelaufenen Bevorzugungsregelungen des Bundes für Unternehmen aus den neuen Bundesländern und Ostberlin (oben in der Einleitung, A. 1., Fn. 13). Ein Beispiel für eine Begrenzung, die keine Bevorzugungsregelung betrifft, bildet der nds. Tariftreueerlaß, der 2000 entsprechend geändert wurde (s. o. in der Einleitung, A. 1., Fn. 17). 151 Hier sind namentlich die Regelungen zu Mittelstandsförderung, Umweltschutz und Tariftreue mit Ausnahme des nds. Tariftreueerlasses zu nennen; ferner die Frauenförderregelungen (oben Einleitung, A. 1., Fn. 4 ff.) mit Ausnahme der Brandenburger Regelung (s. soeben Fn. 150); schließlich die Bevorzugungsregelungen der § 68 I BEG, § 14 H BVFG, §§ 141, 143 SGB IX. 152 Vgl. unten im 2. Teil, 3. Kap., unter C. H. 1. vor a) (Fn. 666).
2. Teil
Die rechtliche Zulässigkeit der Verwendung sogenannter beschatTungsfremder Kriterien 1. Kapitel
Generelle Unzulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien? Zunächst soll untersucht werden, ob sich aus dem Grundgesetz oder dem EG-Primärrecht, insbesondere der jeweiligen "Wirtschaftsverfassung", ein Gebot "neutraler" Beschaffung ergibt, die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung mithin generell unzulässig ist. I Die Frage ist also, ob der Staat als Nachfrager sich (schon) von Verfassungs oder EG-Primärrechts wegen wie der idealtypische private Nachfrager verhalten muß, der seine Entscheidungen allein am Maßstab betriebswirtschaftlicher Effizienz ausrichtet. A. Befürworter einer generellen Unzulässigkeit Die Frage wird eher selten behandelt und, soweit sie behandelt wird, überwiegend verneint. 2 Es gibt aber auch einige abweichende Stellungnahmen. Man kann dabei zwei Argumentationslinien unterscheiden: Die erste argumentiert von der Wirtschaftsordnung her und verlangt die Einordnung der öffentlichen Beschaffungstätigkeit in die marktwirtschaftlich-wettbewerbliche Ordnung. Eine sehr dezidierte dahingehende Stellungnahme findet sich bei Rieble: "Der Staat hat sich bei seiner Markttätigkeit als Unternehmen zu verhalten und darf seine Entscheidung, mit welchen Vertragspartnern er welche Verträge zu welchen Bedingungen abschließt, nicht an politischen Erwägungen ausrichten. Den I Die EG-Richtlinien, denen teilweise eine generelle Unzulässigkeit der Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien entnommen wird, gelten nur oberhalb der Schwellenwerte; sie werden unten im 2. Kap. unter B. 11., s. insbs. 1. c), untersucht. 2 So F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 190 f. u. 200; J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 383; ders., AöR 107 (1982), 61 (89); diesem zustimmend P. Weissenberg, DB 1984, 2285 (2288 unter V. 1.); des weiteren L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 30 f.; J. Adolphsen, UNCITRAL-ModeliG (1996), S. 91 f.
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2. Teil, 1. Kap.: Unzulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien?
Zuschlag erhält das wirtschaftlich günstigste Angebot und nicht das politisch opportune.,,3
Auch Rittner postuliert die Einordnung des öffentlichen Auftragswesens in die "Ordnung von Vertrag und Wettbewerb".4 Soweit möglich solle der öffentliche Auftrag für den Auftragnehmer ein Auftrag wie jeder andere sein, solle das öffentliche Auftragswesen zu einem Teil der allgemeinen Märkte werden. 5 Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Auftragsvergabe, so Rittner, "stört notgedrungen die marktwirtschaftlichen Vorgänge und gefährdet zudem das Vertrauen in die Funktionsweise der Beschaffung.,,6 Allerdings ist nicht ganz klar, ob Rittner dies lediglich für rechtspolitisch bedenklich oder aber auch für rechtlich unzulässig hält. 7 Die zweite Argumentationslinie beruft sich auf ein rechtssystematischrechtsstaatlich begründetes Gebot der Trennung von privatrechtlicher Marktteilnahme und Verfolgung öffentlicher Interessen über die eigentliche Bedarfsdeckung hinaus. 8 So heißt es in der Tariftreue-Entscheidung des Bundeskartellamts, es führe zu einer "unzulässigen Vermischung von Privatrecht unterliegender Tätigkeit und hoheitlicher Tätigkeit, wenn die öffentliche Hand im Rahmen ihrer dem Privatrecht unterliegenden Beschaffungstätigkeit öffentliche Zwecke verfolgt. 3 V. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb (996), Rn. 407. Nicht unter dieses Verbot zählt Rieble es allerdings (s. Rn. 415 f.), "wenn der Staat über die Auftragsvergabe eine zusätzliche Sanktion von Rechtsbrüchen schafft" (Rn. 415); außerdem sieht er den Staat frei in der Festlegung der gewünschten Produkteigenschaften (Rn. 413). 4 F. Rittner, Rechtsgrundlage und Rechtsgrundsätze (988), Rn. 137 ff.; ders., ZHR 152 (988), 318 (322 ff. u. 329 fO; ders., FS Benisch (989), S. 99 (100 ff.). 5 F. Rittner, Rechtsgrundlage und Rechtsgrundsätze (988), Rn. 141; ders., ZHR 152 (988), 318 (325 0; ders., FS Benisch (989), S. 99 (03). 6 F. Rittner, ZHR 152 (1988), 318 (330 oben). 7 Mehrere Formulierungen Rittners weisen in die zuletzt genannte Richtung: So heißt es in VgR 4/1998, S. 30 (31 unter III. 3.): Den Vorbehalt des § 97 IV Hs. 2 GWB (d.h. die Zulassung der Einführung "beschaffungsfremder" Kriterien durch Gesetz) müsse man als "politisch bedingten legislativen Irrtum ansehen, der unbeachtet zu bleiben hat" [!]; in EuZW 1999, 677 (678 vor 11.), wird diese Aussage allerdings dadurch relativiert, daß ihr die Alternative zur Seite gestellt, die Vorschrift äußerst restriktiv auszulegen. Vg1. weiter dens., NVwZ 1995, 313 (316 unter III. 1. a», zur Verfolgung "vergabefremde[r] Ziele": "Derartige Pläne [... ] werden spätestens vor dem EuGH scheitern" (Hervorhebung im Orignial); auf S. 314 unter I. 3. a) heißt es dort hingegen lediglich, daß der Einsatz zur Wirtschaftsförderung "eigentlich gegen die Vergabegrundsätze verstößt" (Hervorhebung von mir). Allerdings scheint Rittner sich hier jeweils eher auf das Vergaberecht selbst zu stützen als auf Überlegungen der Einordnung des öffentlichen Auftragswesens in die marktwirtschaftliche Ordnung. S Bei V. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb (1996), findet sich diese Argumentationslinie neben der zuerst genannten, s. Rn. 408 f.
B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten
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Die Verfolgung öffentlicher Zwecke ist dem hoheitlichen Handeln der öffentlichen Hand vorbehalten. ,,9
Dieser Aussage widerspricht allerdings, daß das Bundeskartellamt im folgenden ausführt, eine Verfolgung öffentlicher Zwecke bei der Auftragsvergabe sei möglich, wenn sie auf gesetzlicher Regelung beruhe. 1O Anscheinend sieht es die genannte "Vermischung" also doch nicht als generell unzulässig an, sondern will dafür (nur) einen Gesetzesvorbehalt statuieren. II Auch Kirchhof moniert die Durchsetzung "hoheitliche[r] Anliegen mit privatrechtlichem Instrumentarium" und nennt als Beispiel den Ausschluß steuersäumiger Unternehmer von der Auftragsvergabe. 12 Seine Argumentation gründet auf einer generellen Kritik an einer "Funktionenhäufung und -verfremdung unter Sondersachbereichen"13 , die er z. B. auch bei Lenkungssteuern beanstandet l4 . Kirchhof postuliert außerdem ein Gebot der "Strukturgerechtigkeit", wonach dem Staat "das Zivilrecht nur als Mittel zur Dekkung seines Sach- und Arbeitskraftbedarfs zur Verfügung" stehe. Demgegenüber bedürfe es zur Begründung von "Polizeipflichtigkeit[en]" - etwa zum Schutz von Arbeitnehmern - strikt einseitiger Regelung. 15 Nach Kirchhof ist die Verfolgung von über die eigentliche Bedarfsdeckung hinausgehenden Zielen mittels der privatrechtlichen Auftragsvergabe also nicht zulässig. B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten I. EG-Primärrecht
Ausgangspunkt der Argumentation gegen die Annahme einer generellen Unzulässigkeit der Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien ist in der 9
Besch!. v. 3.11.1997, B5-75123-VX-61/95, WuW 1998, 207 (214 unten) =
WuW/E Verg 7 (14 unten). Mit "öffentlichen Zwecken" dürften solche jenseits der
eigentlichen Beschaffung gemeint sein, denn natürlich dient auch die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand als solche der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (s. o. im 1. Teil, 1. Kap., unter B. 11. 2.), also öffentlichen Zwecken (und darf auch nur solchen dienen); nur eben nicht "unmittelbar" wie im Bereich des Verwaltungsprivatrechts. IO Ebd., S. 214 f. = Verg 14 f. Il Auch V. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb (1996), reduziert seine oben zitierte, weitreichende Aussage (aus Rn. 407) in Rn. 414 teilweise auf einen Gesetzesvorbehalt. 12 P. Kirchhof, Mittelbares Einwirken (1977), S. 158. 13 Ebd., S. 157. 14 Ebd., S. 157 f. Vg!. allgemein ablehnend zur "Funktionenkombination" auch H. H. Rupp, NJW 1968,569 ff. (auch speziell zu Lenkungssteuem, S. 569 f.). 15 Ebd., S. 346.
118
2. Teil, 1. Kap.: Unzulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien?
Literatur für gewöhnlich die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes. Das Grundgesetz belasse dem Staat einen weiten wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraum und erlaube damit auch die politische Steuerung über die Auftragsvergabe. 16 Auf der europarechtlichen Ebene ist eine vergleichbare Argumentation jedenfalls seit dem Vertrag von Maastricht nicht mehr möglich: Die im Kontext der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion geschaffenen Art. 3a I, 102a S. 2 EGV - jetzt Art. 4 I, 98 S. 2 EGV - verpflichten die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ausdrücklich auf den "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb".17 Der EG-Vertrag enthält sich also gerade nicht einer wirtschaftspolitischen Festlegung. Diese erstreckt sich außerdem ausdrücklich auch auf die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Möglicherweise könnte die Forderung nach Einordnung der öffentlichen Beschaffungstätigkeit in die marktwirtschaftlich-wettbewerbliche Ordnung auf diese Normen gestützt werden. Allerdings sind sie dafür bisher, soweit ersichtlich, noch nicht angeführt worden. 18 Sie würden die Folgerung, der Staat müsse sein Nachfrageverhalten allein am Maßstab betriebswirtschaftlicher Effizienz ausrichten, aber auch nicht erlauben. Zunächst einmal schließt der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (kurz: "die wettbewerbsverfaßte Marktwirtschaft,,19) staatliche Steuerung des Wirtschaftslebens durch Regelungen oder sonstige Einflußnahme (z. B. Subventionen) selbstverständlich nicht aus. Wieweit diese im einzelnen gehen darf, beurteilt sich nach den jeweils einschlägigen, spezifischen Regelungen des EG-Vertrages, namentlich den Grundfreiheiten und den Beihilfevorschriften. Erst diese liefern die "harten rechtlichen Maßstäbe" zur Beurteilung staatlicher Steuerung des Wirtschaftslebens. 2o Dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb kann insoweit lediglich entnommen werden, auf weIchem Grundprinzip das Wirtschaftsleben basieren SOll?1 Er verschiebt insofern zwar - im Vergleich zum Grund16 J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (89); L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/ 92), S. 30. S. zu diesem Punkt sogleich unter 11. zum deutschen Verfassungsrecht. 17 Dieser Grundsatz findet sich des weiteren in den Art. 4 Hund 105 I S. 3 (Art. 3a 11, 105 I S. 3 a. F.) EGV (zur Währungspolitik); ähnlich ("System offener und wettbewerbsorientierter Märkte") außerdem Art. 154 H S. 1, 157 I S. 2 (Art. 129b H S. 1, 130 I S. 2 a.F.) EGV (zu den Transeuropäischen Netzen und zur Industriepolitik); ebenfalls alle neu eingefügt durch den Maastrichter Vertrag. 18 s. aber F. Rittner, ZHR 152 (1988), 318 (322), schon zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages: Der EWGV setze "eine marktwirtschaftliehe Ordnung, eine Ordnung von Vertrag und Wettbewerb" voraus. 19 Begriff von p.-eh. Müller-Graff, EuR 1997,433 ff. 20 Ebd., S. 441 unter H. 1. 21 Ebd., S. 440 unter I. 1. u. 2. Müller-Graf! spricht treffend von einer "allgemeine[n] Systemgarantie", ebd., S. 441 unter H. 2. a).
B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten
119
gesetz, das eben kein wirtschaftspolitisches Grundprinzip festlegt - die Rechtfertigungslasten,22 aber nicht in dem Sinne, daß jede einzelne staatliche Steuerungsmaßnahme nunmehr zusätzlich zu den spezifischeren Vorschriften an Art. 4 I (3a I a. F.) EGV zu messen ist. Wenn demgegenüber teilweise angenommen wird, jede staatliche Wirtschafts steuerungs maßnahme müsse wegen der Verpflichtung auf die wettbewerbsverfaßte Marktwirtschaft unter Anlegung eines strengen Maßstabes - insbesondere im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung - gerechtfertigt werden,23 überspannt dies den Gehalt der Art. 4 I, 98 S. 2 (3a I, 102a S. 2 a.F.) EGV. Wenn das "Ob" staatlicher Steuerung also nicht grundsätzlich in Frage steht, so hier doch vielleicht das "Wie". Die Frage ist, ob dem Grundsatz der wettbewerbsverfaßten Marktwirtschaft ein "Trennungsgebot" entnommen werden muß dahingehend, daß staatliche Steuerung nur in hoheitlicher Form erfolgen darf und nicht im Rahmen der Marktteilnahme des Staates. Man wird wohl sagen können, daß ein solches Trennungs-Modell einer ("reinen") wettbewerbsverfaßten Marktwirtschaft eher gemäß wäre, weil dann kein sich "atypisch" verhaltender Marktteilnehmer vorhanden ist, die Unternehmen also keine Besonderheiten zu gewärtigen haben, wenn ihr Vertragspartner der Staat ist, und sich nur auf die allgemein geltenden staatlichen Wirtschaftsregelungen einstellen müssen. Den Art. 4 I, 98 S. 2 EGV ein entsprechendes zwingendes Gebot zu entnehmen, würde aber sicherlich zu weit gehen. Dazu verbleiben diese Vorschriften viel zu sehr im Grundsätzlichen. 24 Zweifelsfrei ist zudem nur, daß sie die Ordnung der Privatwirtschaft betreffen; bei der Ableitung von Aussagen über staatliche Marktteilnahme ist hingegen große Zurückhaltung geboten 25 - zumal wenn es, wie hier, gerade um die unmittelbare Verfolgung spezifisch staatlicher (öffentlicher) Zwecke bei bzw. mittels der Marktteilnahme geht. Allgemein gilt, daß genuin für Private gedachte Regelungen oder Ordnungssysteme nicht generell und unbesehen auf staatliche Marktteilnehmer übertragen werden können. 22 Das BVerfG betont, der Gesetzgeber bedürfe für die Entscheidung über die Ordnung des Wirtschaftslebens keiner weiteren als seiner allgemeinen demokratischen Legitimation, BVerfGE 50, 290 (337) - Mitbestimmung; s. auch BVerfGE 4, 7 (17 unten f.) - lnvestitionshiljegesetz. 23 Vgl. so etwa F. v. EstorfflB. Molitor, in: Groeben/Thiesing/Ehlennann, EUV / EGV, Bd. 1 (1997), Art. 3a Rn. 19. 24 Vgl. allgemein auch R. Bandilla, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Bd. I, Art. 4 (2000) Rn. 7, der von einer Fonnulierung spricht, "die als ordungspolitischer Programmsatz verstanden werden kann, deren rechtlicher Gehalt aber schwer zu bestimmen ist." 25 So ist auch der Aussagegehalt des Grundsatzes in bezug auf öffentliche Unternehmen umstritten, vgl. F. v. EstorfflB. Molitor, in: Groeben/Thiesing/Ehlennann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 3a Rn. 19; p.-eh. Müller-Graff, EuR 1997, 433 (440 unter I. 2.).
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2. Teil, 1. Kap.: Unzulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien?
Es kommt hinzu, daß Art. 4 I EGV im Kontext des Art. 2 EGV gelesen werden muß. Art. 2 EGV nennt die Aufgaben ("Fernziele,,26) der Gemeinschaft, die durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion und die Durchführung der in den Art. 3 und 4 EGV genannten Politiken und Maßnahmen erreicht werden sollen. Der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist also nicht Selbstzweck, sondern dient den in Art. 2 EGV genannten Zielen und ist daher in deren Licht auszulegen. 27 Zu diesen Zielen zählen u. a. "eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, [... ] ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität [... ]". Die Berücksichtigung von Gleichstellungs- und Umweltbelangen bei der Politik der Gemeinschaft ist außerdem in Querschnittsklauseln vorgeschrieben. 28 Insgesamt gesehen ist der Grundsatz der wettbewerbsverfaßten Marktwirtschaft also zwar ein wichtiges, aber kein absolutes und selbstzweckhaftes Prinzip des EGV?9 Die wirtschaftspolitische Festlegung des EGV schließt nach alledem eine staatliche Steuerung auch über die öffentliche Beschaffung nicht aus. 11. Verfassungsrecht
Das Grundgesetz enthält, anders als der EG-Vertrag, keine ausdrückliche Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung. Staatliche Steuerung der Wirtschaft muß sich gleichwohl natürlich am Grundgesetz messen lassen, namentlich an den Grundrechten. Auch diesen kann aber keine - über die Einzelnormen hinausgehende - Aussage zur Wirtschaftsverfassung entnommen werden. 3D Eine Verpflichtung der Wirtschaftsordnung auf die wett26 So die treffende Bezeichnung von R. Geiger, EUV IEGV (2000), Art. 2 Rn. 1 f.; ebenso M. Schweitzer/W. Hummer, EuropaR (1996), Rn. 1032 ff. 27 Allgemein zu den Fernzielen des Art. 2 EGV als Auslegungs-Richtschnur für den Vertrag R. Geiger, EUV IEGV (2000), Art. 2 Rn. 4; M. Zuleeg, in: Groebenl Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 2 Rn. 3 m.w.N. 28 s.o., 1. Teil, 2. Kap., unter A. I. 29 Anders wohl M. Dreher, WuW 1998,656 ff., der dem Wettbewerbsprinzip anscheinend eine Art Überrang einräumen möchte (s. bes. die Zusammenfassungen S. 659 unter II. 3. u. S. 662 unter III. 5.). Wie hier dagegen - ebenfalls zum Wettbewerbsprinzip - H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Vorbem. zu den Art. 85-94 Rn. 9 a.E.: "Wettbewerb im Gemeinsamen Markt ist [... ] nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung der allgemeinen Vertragsziele [.. .]" (Hervorhebung im Original in Fettdruck). 30 s. BVerfGE 50, 290 (337 f.) - Mitbestimmung; aus der Lit. K. Schlaich, Neutralität (1972), S. 107 f. u. 109 m.w.N.; in der Tendenz deutlich abweichend aber p.-eh. Müller-Graf!, EuR 1997,433 (446 ff. m. w.N.).
B. Untersuchung der rechtlichen Grundlage dieser Ansichten
121
bewerbsverfaßte Marktwirtschaft (oder ein anderes bestimmtes Wirtschaftssystem, insbesondere die soziale Marktwirtschaft) ist der deutschen Verfassung also unbekannt. Auch unterstellt Art. 109 lI-IV GG die staatliche Haushaltswirtschaft Grundsätzen, die für die Privatwirtschaft nicht gelten insbesondere der Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts - und zeigt damit, daß diese anderen Gesetzen unterliegt als jene?l Aus dem Grundgesetz läßt sich daher ein wirtschaftsverfassungsrechtlich begründetes Gebot der - in den Worten von Pietzcker - "reinlichen Scheidung von privater Wettbewerbswirtschaft, an der der Staat wie jeder Private teilnehmen kann, und spezifisch staatlicher Betätigung" im Vergleich zum EG-Vertrag erst recht nicht ableiten. 32 Allerdings heißt es in der Vorschrift des § 1 S. 2 StWG, die wirtschaftsund finanzpolitischen Maßnahmen des Bundes und der Länder sollten "im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung" zur Erreichung der Ziele des sog. magischen Vierecks beitragen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Vorschrift des einfachen Rechts. Aber auch davon abgesehen läßt sich der Vorschrift nach Fonnulierung und Kontext für die hier interessierende Frage nichts entnehmen. 33 Dies gilt auch für Art. 1 111 des deutschdeutschen Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.5.1990, wo es in S. 1 heißt: "Grundlage der Wirtschaftsunion ist die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung bei der Vertragsparteien. ,,34 Was die zweite oben aufgezeigte mögliche Argumentationslinie betrifft, so wird nicht recht deutlich, auf welche rechtliche Grundlage das "Trennungsgebot" gestützt sein soll. Es scheint mir auf einer sehr fonnalen, unnötig "strikten" Auffassung von der Trennung von Privat- und öffentlichem Recht zu beruhen. Der Staat erfüllt immer - so er rechtmäßig handelt öffentliche Aufgaben, auch wenn er sich des Privatrechts bedient. Warum er dann im Falle der (privatrechtlichen) Auftragsvergabe auf die Aufgabe der Bedarfsdeckung beschränkt sein soll und weitere Ziele nicht soll verfolgen dürfen, erscheint nicht einsichtig. 35 Anders könnte es möglicherweise sein, wenn der Staat bei der privatrechtlichen Beschaffungstätigkeit nicht 31
J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 383.
Ebd. (ohne Vergleich zum EG-Vertrag). Anders anscheinend das BKartA im Tariftreue-Beschluß, das die Vorschrift im Kontext der oben (bei Fn. 9) zitierten Ausführungen mit heranzieht, WuW 1998, 207 (214 unten) = WuW/E Verg 7 (14 unten). 34 BGB!. II 1990, S. 537. Ob diese Vorschrift lediglich einfaches Recht darstellt, ist umstritten; vg!. dazu H. Maurer, StaatsR (1999), § 8 Rn. 91 f. m. w. N. 35 Ebenso L. Osterloh, Rechtsgutachten (199l/92), S. 30: Die Annahme finde keine Grundlage in der Verfassung. 32 33
122
2. Teil, 1. Kap.: Unzulässigkeit "beschaffungsfremder" Kriterien?
an die Grundrechte gebunden wäre. Wie unten noch zu erläutern ist,36 ist dies jedoch nicht der Fall. Grenzen setzen die Grundrechte insbesondere auch gesetzeserweiternden vertraglichen Verpflichtungen der Auftragnehmer, welche in der Tat problematisch sein können. 37 Auch existiert kein generelles Verbot der Verbindung verschiedener Verwaltungszwecke in einer Maßnahme?8 Gerade die von Kirchhof (1977) kritisierten Lenkungssteuern sind ein vom Bundesverfassungsgericht anerkannter Fall der Verbindung verschiedener Verwaltungszwecke (Aufkommenszweck und Lenkungszweck). 39 Ein verfassungsrechtliches Prinzip, wonach zur Steuerung des Wirtschaftslebens nur direkte, unbedingte Gebote und Verbote in Betracht kommen, läßt sich nicht begründen. 4o Richtig ist allerdings, daß solche Verknüpfungen wie die Verfolgung politischer Zielsetzungen im Rahmen der Beschaffung besondere rechtliche Probleme aufwerfen können. Das heißt aber nicht, daß, wie Rupp zu den Lenkungssteuern schreibt, damit automatisch "alle überkommenen grundrechtlichen, verfassungs- oder [? sic] kompetenzrechtlichen Sicherungen mit Einschluß der föderalen Strukturelemente des Grundgesetzes durch[brennen],,41. Vielmehr kommt es darauf an, diese Sicherungen - gegebenenfalls unter Fortentwicklung der Dogmatik42 - darautbin zu untersuchen, welche konkreten Grenzen sie der Verknüpfung jeweils setzen. Die hier vor allem relevanten Grenzen werden für gewöhnlich unter dem Stichwort des Koppelungsverbotes diskutiert. Hierauf werde ich unten ausführlich eingehen. 43 Auch aus dem Grundgesetz folgt mithin keine generelle Unzulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung.
Im 3. Kap. unter A., insbs. IV. Entgegen P. Kirchhof, Mittelbares Einwirken (1977), S. 345 ff., sind sie jedoch nicht generell ausgeschlossen. 38 J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (89); ders., Zweiteilung (2001), S. 38: Staatliche Maßnahmen verfolgten sogar typischerweise mehrere Ziele gleichzeitig. 39 s. BVerfGE 16, 147 (160 ff.) - Werlifemverkehr; 38, 61 (79 ff.) - Leberpfennig; 98, 106 (117 f.) m. w. N. - Verpackungssteuer. S. auch die kritische, aber nun nicht mehr grundsätzlich ablehnende Darstellung von P. Kirchhof, in: HdbStR, Bd. IV (1990), § 88 Rn. 53 ff. 40 J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (89); L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/ 92), S. 30 (oben) u. 32 (Mitte). 41 H. H. Rupp, NJW 1968,569. 42 Also nicht notwendig bei der "klassischen Doktrin" verbleibend (vgl. so aber H. H. Rupp, ebd., S. 569 f. (Zitat S. 570 l. Sp. oben». 43 Im 3. Kap. unter B. III. 36
37
2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
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2. Kapitel
Europarechtliche Bindungen und völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaften Die für die Problematik der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung maßgeblichen europarechtlichen Vorschriften finden sich zum einen im EG-Vertrag (sogleich unter A.) und zum anderen in den EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen (nachfolgend unter B.). Von Bedeutung sind des weiteren verschiedene völkerrechtliche Verträge, die die Europäischen Gemeinschaften abgeschlossen haben (unten C.), insbesondere das Agreement on Govemment Procurement (GPA). Vorab ist auf die wichtige, in der derzeitigen Diskussion aber zuweilen untergehende! Tatsache hinzuweisen, daß der Anwendungsbereich der Richtlinien und der des GWB-Vergaberechts anders als der Anwendungsbereich des EG-Primärrechts erst oberhalb der jeweiligen Schwellenwerte einsetzt. Entsprechendes gilt auch für das GPA. Unterhalb der jeweiligen Schwellenwerte ist neben dem (hergebrachten) nationalen Recht also nur das EG-Primärrecht zu beachten. Sowohl das primäre als auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht genießt, soweit es unmittelbar anwendbar ist,2 Vorrang vor dem nationalen Recht? Dabei handelt es sich nach überwiegender und zutreffender Ansicht aber lediglich um einen Anwendungs- und nicht um einen Geltungsvorrang. 4
1 A. Martin-Ehlers z. B. leitet ,,[d]ie Unzulässigkeit vergabefremder Kriterien" (so der Titel seines Aufsatzes in WuW 1999, 685) vor allem aus den Richtlinien und dem GWB-Vergaberecht her, notiert dann aber als Ergebnis seiner Untersuchung ohne Einschränkung auf den Bereich oberhalb der Schwellenwerte (ebd. S. 694): "Vergabefremde Kriterien [... ] sind gemeinschaftsrechtlich unzulässig. Nach deutschem Recht sind vergabefremde Kriterien ebenfalls unzulässig." 2 s. A. Bleckmann, in: ders., EuropaR (1997), Rn. 1088 a.E.; E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 47 unter c), s. auch S. 36 bei Fn. 40, S. 45 bei Fn. 86 u. S. 50 zweiter Abs.; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 240 f. m.w.N. 3 Grundlegend zum Vorrang des Europarechts EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 - CostaIENEL, Sig. 1964, 1141, Tz. 8 ff. (12); vom BVerfG grundsätzlich anerkannt, s. BVerGE 31, 145 (173 ff.) - Milchpulver (für den Vorrang vor einfachem Recht); BVerfGE 73, 339 (374 ff.) - Solange 11 (für den Vorrang auch vor Verfassungsrecht). 4 Vgl. so jetzt auch EuGH, Urt. v. 22.10.1998, Rs. C-IO-22/97 - [N.CO.GE '90, Sig. 1998 I, 6307, Tz. 18 ff., unter KlarsteIlung gegenüber dem Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 - Simmenthal 11, Sig. 1978, 629, Tz. 17 f.; für die Lit. s. etwa M. Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 1 Rn. 26 m. N. zu beiden Ansichten.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
A. Bindungen des EG-Primärrechts I. Überblick über die in Betracht kommenden Vorschriften
Der EG-VertragS enthält keine selbständigen Vorschriften über das öffentliehe Auftragswesen. Dies liegt wohl vor allem daran, daß das Thema zu heikel für eine ausdrückliche Regelung war. 6 Es fand ursprünglich lediglich in Art. 132 Nr. 4 EWGV (jetzt Art. 183 Nr. 4 EGV) Erwähnung. Dort ist vorgeschrieben, daß die Beteiligung an von der Gemeinschaft finanzierten Aufträgen Personen aus den Mitgliedstaaten und aus den assoziierten überseeischen Gebieten zu gleichen Bedingungen offenstehen muß. 7 Diese Vorschrift betrifft also nur einen Sonderfall. Mit der EEA von 1986 eingefügt wurde Art. 130f EWGV (jetzt Art. 163 EGV), in dessen Abs. 2 die Öffnung des einzelstaatlichen öffentlichen Auftragswesens als Mittel der Forschungs- und Technologiepolitik der Gemeinschaft genannt ist. Die Vorschrift stellt jedoch lediglich eine Zielbestimmung dar, keine eigenständige Rechtsgrundlage. 8 Es besteht aber Einigkeit, daß das öffentliche Auftragswesen trotz des Fehlens selbständiger Vorschriften vom Regelungsbereich des EG-Vertrages erfaßt wird. 9 Nicht hinreichend geklärt ist hingegen, welche Vorschriften des Vertrages einschlägig sind. In Betracht kommen drei Regelungskomplexe: Die an "Unternehmen" gerichteten Wettbewerbsregeln (Art. 81 ff. n. F./85 ff. a. F. EGV), die an die Mitgliedstaaten gerichteten Beihilfevorschriften (Art. 87 ff. n. F./92 ff. a. F. EGV) und die ebenfalls an die Mitgliedstaaten gerichteten Grundfreiheiten, insbesondere die Warenverkehrs5 Der EGKSV und der EAGV, die für einzelne Aufträge von Bedeutung sein können, werden hier nicht behandelt; s. dazu die Hinweise von S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 77 Fn. 1. 6 S. B. Sundberg-Weitmann, Discrimination (1977), S. 221 unter 19.2 m.N. (in bezug auf Bauaufträge); unter Berufung auf diese 1. Schwarze, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 79 (85). Deutlich die bei M.-A. Flamme!Ph. Flamme, RMC 1988, 455 (456 in Fn. 6), abgedruckte Aussage von Baron Snoy, einem der "Väter des Vertrages", wonach eine ausdrückliche Regelung des öffentlichen Auftragswesens von den Parlamenten aufgrund der starken protektionistischen Traditionen nicht akzeptiert worden wäre. 7 Die Vorschrift bezweckte die Öffnung der Märkte dieser Gebiete vor allem für Unternehmen aus denjenigen Mitgliedstaaten, die dort noch nicht Fuß gefaßt hatten, P. GilsdorflA. Zimmermann, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 3 (1999), Art. 132 Rn. 4; nach F. Weiss, Procurement (1993), S. 18, waren Präferenzen für französische Staatsangehörige in vielen dieser Gebiete der Hintergrund. S J. Grunwald, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV /EGV, Bd. 3 (1999), Art. 130f Rn. 1. 9 s. nur K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 5 f.; eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 99 f.; jeweils m. w.N.
A. Bindungen des EG-Primärrechts
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und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 28 ff., 49 ff. EGV n. F./30 ff., 59 ff. a. F. EGV), ergänzt durch das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 12 I n. F./6 I a. F. EGV). In der Praxis und in der wissenschaftlichen Diskussion stehen, entsprechend dem Ziel des europäischen Vergaberechts, die nationalen Vergabemärkte zu öffnen, die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot im Vordergrund. Auch in der Rechtsprechung des EuGH zum öffentlichen Auftragswesen kamen bisher nur diese Vorschriften zum Tragen. Gerade für die Frage der Einbeziehung politischer Zielsetzungen könnten aber durchaus auch die Wettbewerbsregeln - genauer gesagt das Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, Art. 82 (86 a. F.) EGV - und, wegen des möglichen Realförderungscharakters der Erteilung öffentlicher Aufträge, auch die Beihilfevorschriften eine Rolle spielen. Ob bzw. inwieweit diese auf öffentliche Aufträge anwendbar sind, ist indes umstritten: Im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln wurde beim Aufkommen der ersten Pläne für EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen in den sechziger Jahren teilweise die Auffassung vertreten, die Art. 85 ff. EWGV, nicht die Grundfreiheiten, seien die primär einschlägigen Vorschriften. IO Nach anderer Auffassung sind die Wettbewerbsvorschriften auf die staatliche Nachfrage überhaupt nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine unternehmerische Tätigkeit handele. Heute scheint die Tendenz dahin zu gehen, die Vorschriften ergänzend zu den Grundfreiheiten anzuwenden. 11 In dieser Diskussion spiegelt sich die allgemeine Frage wider, ob die öffentliche Beschaffung eher im Bereich des Staates oder eher im Bereich des Marktes zu verorten ist. Was die an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorschriften betrifft, so ist nach wie vor unklar, ob bzw. inwieweit außer den Grundfreiheiten auch die Beihilfevorschriften anzuwenden sind. Die eine Frage ist hierbei, ob in der Erteilung eines öffentlichen Auftrags überhaupt eine Beihilfe liegen kann, da der Auftragnehmer für sein Entgelt ja eine Leistung erbringt. Soweit man das Vorliegen einer Beihilfe bejaht, stellt sich die weitere, schwierige Frage nach dem Verhältnis der Beihilfevorschriften zu den Grundfreiheiten. Oft wird in den Beihilfevorschriften eine zusätzliche Grenze zu den GrundIO Vgl. H. Lehning, WuW 1966, 3, nach dem die "öffentlich-rechtliche" Konzeption der Richtlinien eine "Fehlkonzeption" (S. 17 ff.) und statt dessen die Art. 86 f. EWGV (jetzt Art. 82 f. EGV) anzuwenden seien (S. 19 ff.). Allerdings schließt Lehning eine Anwendung der Grundfreiheiten nicht aus. Auch V. Emmerich, Öffentliche Unternehmen (1969), S. 374, 401 u. bes. 435, hält anscheinend primär die Wettbewerbsvorschriften, insbesondere das Diskriminierungsverbot des Art. 86 11 c) EGV a. F., für einschlägig. 11 Nachweise der verschiedenen Ansichten unten unter 11. 1. b) aa).
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
freiheiten für die Politisierung öffentlicher Aufträge gesehen. 12 Denkbar ist aber auch, daß die Beihilfevorschriften den Grundfreiheiten als speziellere Regelung vorgehen und damit für die entsprechenden Fälle keine zusätzliche, sondern eine andere Grenze aufstellen. 13 Im folgenden wird als erstes erörtert, ob die Wettbewerbsregeln anwendbar sind und welche Grenzen sie ggf. für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung setzen (11.). Anschließend werden die an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorschriften behandelt. Dabei wird zuerst die Bedeutung der Beihilfevorschriften als möglicherweise gegenüber den Grundfreiheiten spezielleren Vorschriften analysiert (III.). Sodann werden die Grundfreiheiten auf ihre Bedeutung für die Problematik untersucht (IV.). 11. Wettbewerbsregeln für Unternehmen
Art. 82 (86 a. F.) EGV verbietet die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Abs. 2 der Vorschrift nennt Beispiele ("insbesondere") für solchen Mißbrauch. Bestimmte Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung könnten möglicherweise unter das Verbot des Art. 82 (86 a. F.) EGV fallen. Zu denken ist namentlich an Regelungen, die öffentliche Aufträge für bestimmte Unternehmen reservieren, die anderen Unternehmen also kollektiv ausschließen, an den Ausschluß von einzelnen Unternehmen und an belastende Vertragsbedingungen. So ist Art. 86 i. V. m. Art. 90 I EGV a. F. (jetzt Art. 82 i. V. m. 86 I) in der Literatur herangezogen worden, um die Annahme der Rechtswidrigkeit von koordinierten Auftragssperren zu begründen. 14 Auch in der Berliner Tariftreueregelung wird z. T. ein Verstoß gegen Art. 82 (86 a. F.) EGV gesehen. 15 12 Vgl. so H.-J. PrießIF. L. Hausmann, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), § 8 Rn. 29; des weiteren etwa M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 19 (,,[n]ur am Rande sei darauf hingedeutet, daß die Regelung [zur Bevorzugung von Unternehmen aus "Regionen der Europäischen Union mit Entwicklungsrückstand", N.M.] auch unter dem Aspekt einer versteckten Beihilfenregelung äußerst problematisch ist"); zu den Tariftreueregelungen M. Knipper, WuW 1999, 677 (684). 13 Hierfür namentlich J. M. Ferndndez Mart(nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (bes. 228 ff.); J. M. Ferndndez Mart(n, Procurement (1996), S. 72 ff. (bes. 74 ff.). 14 E.-J. MestmäckerlE. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (13 ff. u. 17 ff.); restriktiv (für den Ausschluß von Unternehmen allgemein, nicht speziell zur koordinierten Auftraggssperre) auch V. Emmerich, in: Seminar Ausschluß (1995), S. 27 (49 f. mit Verweis auf die Erwägungen zum GWB, ebd. S. 40 ff.).
A. Bindungen des EG-Primärrechts
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Art. 82 (86 a. F.) EGV ist unmittelbar anwendbar. 16 Dabei richten sich die zivilrechtlichen Verbotsfolgen nach dem nationalen Recht. Im deutschen Recht greift nach überwiegender Auffassung § 134 BGB. Für die verwaltungsrechtlichen Folgen sind die Durchführungsverordnungen des Rates zu Art. 85 f. EGV a. F. maßgeblich. 17
1. Unternehmen Eine Prüfung der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung anhand des Art. 82 (86 a. F.) EGV setzt jedoch zunächst voraus, daß diese Vorschrift auf die Nachfrage der öffentlichen Hand überhaupt anwendbar ist. Ihrem Wortlaut zufolge richten sich die Art. 81 ff. (85 ff. a.F.) EGV an "Unternehmen". a) Der Begriff "Unternehmen" i. S. d. Wettbewerbsregeln Als "Unternehmen" im Sinne dieser Vorschriften ist nach der neueren Rechtsprechung des EuGH "jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung,,18 anzusehen. Es gilt demnach ein funktionaler, nicht ein institutioneller Unternehmensbegriff. Ausgehend vom Zweck der Wettbewerbsregeln, ein System unverfälschten Wettbewerbs zu sichern,19 wird allein an die Tätigkeit der fraglichen Einheit angeknüpft. 20 "Wirtschaftliche Tätigkeit" wird meist definiert als eine selbständige, auf den Austausch von Waren oder Dienstleistungen gerichtete erwerbswirtschaftliche Tätigkeit. Nach herrschender Auffassung muß sie nicht notwendig mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden sein?1 Keine wirtschaftJ. Karenjort/v. v. Koppenjels/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1832 ff.). s. nur H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 28. 17 s. zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 45 ff. m.w.N. 18 EuGH, Urt. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90 - Höfner und Elser, Sig. 1991 I, 1979, Tz. 20; Urt. v. 17.2.1993, Rs. C-159 u. 160/91 - Poucet und Pistre, Sig. 1993 I, 637, Tz. 17; Urt. v. 19.1.1994, Rs. C-364/92 - Eurocontrol, Sig. 1994 I, 43, Tz. 18; Urt. v. 18.6.1998, Rs. C-35/96 - Gebührenordnung jür Zollspediteure, Sig. 1998 I, 3851, Tz. 36; Urt. v. 12.9.2000, Rs. C-180-184/98 - Pavlov, Sig. 2000 I, 6451, Tz. 74 m. w. N.; st. Rspr. 19 s. Art. 3 1 g) (3 g) a. F.) EGV. 20 s. A. Gleiss/M. Hirsch/Th. Burkert, EG-KartellR, Bd. 1 (1993), Art. 85 (1) Rn. 9; H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, KartelIR, Bd. 1 (2001), Art. 81 - Generelle Prinzipien, Rn. 5. 15
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
liche Tätigkeit stellen dagegen insbesondere der private Verbrauch und das hoheitliche Handeln des Staates dar. 22 Von den Wettbewerbsregeln werden auch öffentliche Unternehmen erfaßt. Dies sind wirtschaftlich tätige Einheiten, auf welche die öffentliche Hand einen beherrschenden Einfluß ausüben kann - sei es aufgrund finanzieller Beteiligung, sei es aufgrund entsprechender Bestimmungen über die Unternehmensführung. 23 Bei den "öffentlichen Unternehmen" kann es sich um solche in öffentlich-rechtlicher ebenso wie in privatrechtlicher Rechtsform handeln. 24 Die Geltung der Wettbewerbsregeln auch für öffentliche Unternehmen ergibt sich schon aus den Art. 81 ff. (85 ff. a.F.) EGV selbst, die nur von "Unternehmen" sprechen und nicht zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen unterscheiden. Art. 86 I (90 I a. F.) EGV wird als Bestätigung dessen gesehen. 25 Diese Vorschrift bestimmt, daß die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag und insbesondere dessen Art. 12 (6 a. F., allgemeines Diskriminierungsverbot) und Art. 81 bis 89 (85 bis 94 a. F., Wettbewerbsregeln für Unternehmen und Beihilfevorschriften) widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Art. 86 I (90 I a.F.) EGV soll damit - als Spezialvorschrift zu Art. 10 11 (5 11 a.F.) EGV _26 zum einen gewährleisten, daß die Mitgliedstaaten 21 s. zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit etwa R. Geiger, EUV /EGV (2000), Art. 81 Rn. 6; H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. 1 (2001), Art. 81 - Generelle Prinzipien, Rn. 5 (nach Bunte aber "i. d. R. auf Gewinn gerichtet"). Etwas weiter noch (kein unmittelbarer Marktbezug der Tätigkeit erforderlich) H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV /EGV, Bd. 2/1 (1999), Vorbem. zu den Art. 85-89 Rn. 22. Daß eine Gewinnerzielungsabsicht keine notwendige Voraussetzung ist, entspricht auch der Rspr. des EuGH, s. etwa Urt. v. 16.11.1995, Rs. C-244/94 - Caisse nationale d'assurance vieillesse mutuelle agricole, Slg. 1995 I, 4013, Tz. 21; vgl. im übrigen zur Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit durch den EuGH noch unten b) aa) (2) bei Fn. 42. 22 A. Gleiss/M. Hirsch/Th. Burkert, EG-KartellR, Bd. I (1993), Art. 85 (1) Rn. 18 u. 21; V. Emmerich, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. I § 1 (2000), Rn. 59. 23 Vgl. Art. 2 I b), 11 der sog. Transparenz-RL (RL 801723/EWG vom 25.6.1980, ABI. Nr. L 195/35, zul. geänd. durch RL 2000/52/EG vom 26.7.2000, ABI. Nr. L 193175; auch abgedruckt im Sartorius 11 unter Nr. 169; die Definition ist inhaltlich identisch mit der in Art. 1 Nr. 2 Sektoren-RL (SKR). Der EuGH hat entschieden, daß die Kommission mit der Definition in der Transparenz-RL innerhalb ihres Ermessens aus Art. 90 III EWVG (jetzt Art. 86 III EGV) geblieben ist und hat diese damit indirekt anerkannt, Urt. v. 6.7.1982, Rs. 188-190/80 - Transparenz-RL, Slg. 1982, 2545, Tz. 24 ff. (26). 24 s. nur I. F. Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV/EGV, Bd. 2/II (1999), Art. 90 Rn. 10. 25 Vgl. zur Begründung der Geltung für öffentliche Unternehmen V. Emmerich, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. I § 1 (2000), Rn. 62; A. Jungbluth, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. 1 (2001), Art. 86 Rn. 12.
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ihren besonderen Einfluß auf die genannten Unternehmen nicht dazu ausnutzen, diese zu vertragswidrigem Verhalten zu veranlassen, und zum anderen gewährleisten, daß die Mitgliedstaaten sich nicht dieser zur Umgehung des Vertrages bedienen?7 Die Reichweite des Begriffs "öffentliche Unternehmen" hängt maßgeblich VOn der Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit einerseits und hoheitlichem Handeln andererseits ab. Diese ist im einzelnen schwierig und noch nicht hinreichend geklärt. Hierbei wird unter "hoheitlichem Handeln" nicht Handeln in öffentlich-rechtlicher Rechtsform, sondern nichtwirtschaftliches, spezifisch staatliches Handeln verstanden. Den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit faßt der EuGH dabei teilweise sehr weit. So hat er die Vermittlung VOn Arbeitskräften durch die Bundesanstalt für Arbeit als wirtschaftliche Tätigkeit eingeordnet. 28 Öffentliche Sozialversicherungssystemen werden dann den Wettbewerbsregeln unterworfen, wenn sie einem privaten Versicherungssystem vergleichbare Elemente aufweisen. 29 Weitere Beispielsfälle, in denen vom EuGH oder VOn der Kommission eine wirtschaftliche Tätigkeit angenommen wurde, bilden Post- und Telekommunikationsdienste, Rundfunk, Energieversorgung, Luft-, See- und Bahnverkehr?O Erfaßt wird also nicht nur die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates im klassischen Sinne, sondern in weiten Teilen auch die sog. Daseinsvorsorge.
26 I. Pemice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 41; I. F. Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlennann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 90 Rn. 5. 27 V. Emmerich, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. 11 (1996), Rn. 93; s. des weiteren I. Pemice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 4 ff.; I. F. Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlennann, EUV /EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 90 Rn. 4. 28 Urt. Höfner und Elser (oben Fn. 18), Tz. 20 ff. (23); bestätigt im Urt. v. 11.12.1997, Rs. C-55/96 - Job Centre, Sig. 1997 I, 7119, Tz. 20 ff. (25), für die italienischen Arbeitsämter. 29 s. das Urt. Poucet und Pistre (oben Fn. 18), Tz. 16 ff., einerseits (keine wirtschaftliche Tätigkeit) und die Urt. Caisse nationale d'assurance vieillesse mutuelle agricole (oben Fn. 21), Tz. 16 ff., u. (zusammenfassend) Brentjens', Urt. v. 21.9.1999, Rs. C-115-117/97, Slg. 1999 I, 6025, Tz. 77 ff. (80 ff.), andererseits (wirtschaftliche Tätigkeit). Zur Frage der Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen bei der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel vgl. Ch. Koenig/C. Sander, WuW 2000, 975 (980 ff.); der BGH hat in dieser Problematik jüngst dem EuGH vorgelegt, Beschl. v. 3.7.2001, KZR 31199 - Festbeträge, WuW 2001, 1089 = WuW/E DE-R 747. 30 s. die Nachweise von Kommissions- und EuGH-Entscheidungen bei: I. Pernice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 22; A. Jungbluth, in: Langen/Bunte, KartelIR, Bd. 1 (2001), Art. 86 Rn. 18.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
b) Öffentliche Auftraggeber als "Unternehmen" i. S. d. Wettbewerbsregeln? Sind nun die öffentlichen Auftraggeber "Unternehmen" im Sinne dieser Vorschriften? Zur Beantwortung dieser Frage ist zwischen den Gebietskörperschaften, also namentlich Bund, Ländern und Gemeinden einerseits (sogleich unter aa)) und den sonstigen öffentlichen Auftraggebern andererseits (anschließend unter bb)) zu unterscheiden. aa) Gebietskörperschaften Die Frage, ob die Mitgliedstaaten selbst und ihre Untergliederungen bei ihrer Nachfragetätigkeit als "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsregeln angesehen werden können, ist nach wie vor offen und umstritten. Insbesondere fehlt es insoweit auch noch an einer Entscheidung durch den EuGH. Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, daß sich dieselbe Frage auch für das deutsche GWB stellt: Dieses unterwirft in § 130 I 1 (§ 98 I Hs. 1 a.F.) ebenfalls (nur) "Unternehmen" der öffentlichen Hand dem Gesetz. Dort geht die ganz herrschende Auffassung dahin, daß auch die Nachfrage des Staates uneingeschränkt erfaßt wird. 3 ! Die Frage muß - unabhängig davon, ob man dieser Aufassung folgen will - jedoch nicht notwendigerweise parallel beantwortet werden. 32 ( 1) Erfordernis einer zumindest organisatorischen Verselbständigung?
Die Qualifizierung der Gebietskörperschaften als "Unternehmen" könnte zunächst einmal schon daran scheitern, daß keine rechtlich selbständige, vom Mitgliedstaat bzw. seiner Untergliederung getrennte Rechtsperson vorliegt. Es spricht einiges dafür, daß die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen selbst nicht zugleich (öffentliche) Unternehmen sein können, sondern nur solche Einheiten, die diesen gegenüber verselbständigt sind. Art. 86 I (90 I a. F.) EGV regelt die Beziehung zwischen Mitgliedstaaten und öffentlichen Unternehmen und unterscheidet diese damit voneinander. 33 Auch die Art. 83 ff. (87 ff. a. F.) EGV, die das Verfahren bei Wettbewerbsverstößen regeln, beruhen auf der Trennung zwischen Mitgliedstaaten und Unter-
s. hierzu ausführlich unten im 3. Kap. unter C. III. 1. (zur h.M. unter b)). So auch F. Rittner, Rechtsgrundlage und Rechtsgrundsätze (1988), Rn. 131. 33 Der Begriff der Mitgliedstaaten umfaßt dabei auch die Träger öffentlicher Gewalt auf den untergeordneten Ebenen, s. EuGH, Urt. v. 4.5.1988, Rs. 30/87 - Pompes funebres, Slg. 1988, 2479, Tz. 33; in Deutschland also insbesondere die Länder und Gemeinden. 31
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A. Bindungen des EG-Primärrechts
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nehmen. Ihre Anwendung auf die Mitgliedstaaten selbst erscheint als sehr problematisch. 34 Allerdings wird man sagen können, daß eine organisatorische Verselbständigung für die mögliche Qualifizierung als "Unternehmen" genügt. So hat auch der EuGH ausdrücklich entschieden, daß eine eigene, vom Staat getrennte Rechtspersönlichkeit des Unternehmens nicht erforderlich ist. 35 Auf ein etwaiges Erfordernis einer organisatorischen Verselbständigung ging er dabei allerdings nicht ein. 36 Im Falle der Beschaffung durch die Gebietskörperschaften wird aber auch eine organisatorische Verselbständigung häufig nicht vorliegen. Damit wäre ihre Nachfrage, folgt man der eben dargelegten Sichtweise, schon aus diesem Grunde nicht von den Wettbewerbsregeln erfaßt. Die ganz herrschende Meinung geht demgegenüber jedoch davon aus, daß die Wettbewerbsregeln nicht nur für wirtschaftlich tätige und zumindest organisatorisch verselbständigte öffentliche Einheiten gelten, sondern auch für die Mitgliedstaaten selbst, soweit sie sich wirtschaftlich betätigen?7 Überwiegend wird dabei angenommen, daß das Verhalten der Mitgliedstaaten dann ausschließlich unmittelbar an den Wettbewerbsregeln zu messen, Art. 86 I (90 I a.F.) EGV insoweit also nicht einschlägig ist. 38 Diese Auffassung erscheint wegen der vom Vertrag vorgenommenen Trennung zwischen (öffentlichen) Unternehmen und Mitgliedstaaten zunächst fragwürdig. Gerechtfertigt wird sie mit dem funktionalen Unternehmensbegriff, der gerade nicht auf die Rechtsform der fraglichen Einheit, sondern allein auf die Tätigkeit abstellt. Im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschafts34 s. im einzelnen: Einführung von Geldbußen und Zwangsgeldem für Verstöße, Art. 83 II a) (87 II a) a.F.) EGV (s. dazu aber Art. 256 1 Hs. 2 (192 1 Hs. 2 a.F.) EGV); Entscheidung über Verstöße durch die Mitgliedstaaten [I] bzw. Einbeziehung der Mitgliedstaaten in die Entscheidungen, Art. 84 (88 a. F.) bzw. Art. 85 1 S. 2 u. 11 S. 2 (89 1 S. 2 u. II S. 2 a.F.) EGV. 35 Urt. v. 16.6.1987, Rs. 118/85 - Italienisches Tabakmonopol, Slg. 1987, 2599, Tz. 9 ff., zur Transparenz-RL; Urt. v. 27.1O.l993, Rs. C-69/91 - Decoster, Slg. 1993 I, 5335, Tz. 15, zur Te1ekommunikations-Endgeräte-RL. 36 Ob im Fall Decoster eine solche organisatorische Unabhängigkeit der fraglichen Stellen hätte festgestellt werden können, ist, anders als im Fall Italienisches Tabakmonopol, fraglich. 37 So A. Gleiss/M. HirschlTh. Burkert, EG-KartellR, Bd. I (1993), Art. 85 (1) Rn. 32; H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Vorbem. zu den Art. 85-89 Rn. 36; V. Emmerich, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. 1 § I (2000) Rn. 62; H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. I (2001), Art. 81 Generelle Prinzipien, Rn. 8. 38 So I. Pemice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 14; zustimmend A. Jungbluth, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. I (2001), Art. 86 Rn. 14, und, etwas vorsichtiger, V. Emmerich, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. II (1996), Rn. 103.
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rechts in den Mitgliedstaaten und zur Vermeidung von Umgehungen der Wettbewerbsvorschriften wird man dem wohl letztlich zustimmen können. (2) Eifassung der Nachfrage für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten?
Folgt man der Ansicht, wonach der Staat selbst ein Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln sein kann, bleibt jedoch ein weiteres Problem. Die Nachfrage des Staates kann für eine von ihm ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit (wobei dieser Begriff weit zu verstehen ist39 ) oder für seine hoheitliche Tätigkeit erfolgen. Die Nachfrage für die Ausführung wirtschaftlicher Tätigkeiten, also Tätigkeiten "als Unternehmen", unterliegt ohne Zweifel den Wettbewerbsregeln. Problematisch ist jedoch die Nachfrage für die Ausführung nichtwirtschaftlicher (hoheitlicher) Tätigkeiten, also für Tätigkeiten "als Staat". Die Frage ist m. a. W., ob das bloße Auftreten als Nachfrager am Markt schon eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, d. h. unabhängig davon, für welche Zwecke die Nachfrage erfolgt. Dies erscheint fraglich: Der Begriff "Unternehmen" impliziert nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, daß es sich um eine Einheit handelt, die nicht lediglich Nachfrager ist, sondern auch eine Leistung, d.h. Waren oder Dienstleistungen am Markt anbietet. Zwar trifft es zu, daß die staatliche Nachfrage von Volumen und Bedeutung her nicht mit dem privaten Verbrauch gleichgesetzt werden kann,4o für welchen die Wettbewerbsregeln unstreitig nicht gelten. Der Grund dafür, daß private Verbraucher nicht als Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln angesehen werden, liegt jedoch nicht in der mangelnden wirtschaftlichen Bedeutung privater Nachfrage, sondern darin, daß die bloße Nachfrage, die nicht für eine weitere Marktteilnahme als Anbieter erfolgt, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen wird. Nichts anderes dürfte dann für die Nachfrage des Staates gelten, soweit sie nicht für wirtschaftliche Tätigkeiten erfolgt. 41 Der EuGH hatte die Frage zwar noch nicht zu entscheiden. Die von ihm in anderen Fällen verwandte Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit als jede Tätigkeit, "die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem 39 S. o.
unter a). V. Emmerich, Öffentliche Unternehmen (1969), S. 374; A. Gleiss/M. Hirsch/ Th. Burkert, EG-KartellR, Bd. 1 (1993), Art. 85 (1) Rn. 38; ebenso E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 21 unten. 41 Mit diesem Argument gegen eine Anwendung der WeUbewerbsregeln A. Gleiss/M. Hirsch, EWG-KartellR (3. Aufl. 1978), Art. 90 Rn. 3 (anders die 4. Aufl. 1993, a.a.O. (Fn. 40»; I. Pemice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 20; M. Öhler, Rechtsschutz (1997), S. 67 f. Ob die Ausführungen von I. F. Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 90 Rn. 12 f., in demselben Sinn gemeint sind, ist unklar. 40
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bestimmten Markt anzubieten, ,,42 deutet jedoch ebenfalls darauf hin, daß die bloße Nachfragetätigkeit die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen noch nicht zu Unternehmen im Sinne der Art. 81 ff. (85 ff. a.F.) EGV macht. Denkbar wäre es aber auch, zur Prüfung der Unternehmenseigenschaft die Tätigkeiten als Anbieter und Nachfrager von Leistungen getrennt zu beurteilen und es für die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit genügen zu lassen, daß der öffentliche Auftraggeber auf einer Seite - der N achfrageseite - am Markt auftritt. 43 Dies entspricht einer radikalen Durchführung des funktionalen Unternehmensbegriffs,44 auf den Teile der Literatur sich hier berufen, um eine Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln zu begründen 45 . Richtig ist in der Tat, daß der Staat auf einigen Märkten ein sehr bedeutsamer oder gar der einzige Nachfrager ist46 und daß ein Mißbrauch dieser Stellung im Sinne des Art. 82 (86 a. F.) EGV durchaus denkbar ist. Andere Unternehmen können durch den Staat als Nachfrager prinzipiell ebenso behindert oder diskriminiert werden wie durch andere Nachfrager. Dies spricht für eine Anwendung der Wettbewerbsregeln. Mit dieser Auslegung würde Art. 82 (86 a. F.) EGV in einer Weise interpretiert, bei der es auf das Tatbestandsmerkmal "Unternehmen" gar nicht mehr ankommt, sondern nur noch darauf, ob ein von der Vorschrift verbotenes Verhalten vorliegt bzw. vorliegen könnte. 47 Damit würde der Wortlaut der Norm seiner Bedeutung beraubt. Im Ergebnis würde dies bedeuten, die 42 Urt. Gebührenordnung für Zollspediteure (oben Fn. 18), Tz. 36, mit Verweis auf Urt. Italienisches Tabakmonopol (Fn. 35), Tz. 7; Urt. Pavlov (oben Fn. 18), WuW 2000, 1137 = WuW/E EU-R 357, Tz. 75. 43 Vgl. allgemein Ch. Koenig/C. Sander, EuZW 2000, 716 (717 r. Sp. unten f.): Die Unternehmenseigenschaft sei immer nur im Hinblick auf eine ganz bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit als Anbieter oder Nachfrager festzustellen. 44 Indes müßte dann konsequenterweise auch die Nachfrage der Privathaushalte erfaßt sein. 45 Explizit F. Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz (1996), S. 42; J. Karen/ort/v. v. Koppen/els/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1832 f.); M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 28; deutlich des weiteren V. Emmerich, Öffentliche Unternehmen (1969), S. 373 f. (S. 373: ,,[d]ie Frage kann allein aufgrund der Funktion der Wettbewerbsregeln [... ] beantwortet werden"); implizit E.-J. Mestmäcker/E. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (13 unter IV.: die Vergabe öffentlicher Aufträge gehöre zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr); H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Vorbem. zu den Art. 85-89 Rn. 24 a.E. (die Beschaffungstätigkeit sei stets ,,[v]on wirtschaftlicher Natur"). Anders aber I. Pernice, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 90 (1994) Rn. 20, der sich gerade für die gegenteilige Ansicht auf den funktionalen Unternehmensbegriff beruft, was mir nicht nachvollziehbar erscheint. 46 Dies führen S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 99 vor 6. (zu Art. 85 EGV a.F., zur Geltung auch für Art. 86 a.F. s. S. 100 vor 7.), und Ch. Riese, VergabeR (1998), S. 61 f., als entscheidendes Argument an.
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staatliche Nachfrage Regeln zu unterwerfen, die eben auf Unternehmen zugeschnitten sind, d. h. auf Einheiten, die Leistungen am Markt anbieten und daher grundsätzlich48 unternehmerischen Maximen, nicht aber dem öffentlichen Interesse unterworfen sind. 49 Für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten - auch soweit diese wettbewerbsverfälschende Wirkungen hat - sieht der Vertrag andere Regelungen vor: insbesondere Art. 86 I (90 I a. F.) EGV, die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot sowie die Beihilfevorschriften. 50 Anders als diese passen die Wettbewerbsvorschriften, insbesondere auch was etwaige Rechtfertigungsgründe angeht, nicht auf staatliches Handeln. 51 Das Dilemma besteht letztlich in folgendem: Bei einem "gewöhnlichen" wettbewerbswidrigen Verhalten des Staates als Nachfrager, einem Verhalten also, das nicht zugleich einen spezifisch staatlichen Charakter aufweist, beispielsweise bei der Erzwingung unangemessen niedriger Einkaufspreise, erschiene es angesichts des gleichen Schutzbedürfnisses der betroffenen Unternehmen (Lieferanten) wie gegenüber einer entsprechenden Praxis privater Nachfrager angemessen, die Wettbewerbsregeln anzuwenden. Anders verhält es sich im Hinblick auf ein Verhalten des Staates als Nachfrager, das der Verfolgung spezifisch öffentlicher Interessen dient, wie etwa im Falle der "beschaffungsfremden Kriterien". Wenn man die Wettbewerbsvor47 So deutlich V. Emmerich, Öffentliche Unternehmen (1969), S. 373 f.: "Entscheidend ist also, ob die Mitgliedstaaten auch als Anbieter oder Nachfrager wirtschaftlicher Güter die vom Vertrag mißbilligten ,privaten' Handeisschranken zu errichten in der Lage sind:' (Hervorhebung von mir). In dieselbe Richtung OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.8.1998, U (Kart) 19/98 - InkontinenzhilJen, EuZW 1999, 188 (190 unter bb) u. 191 I. Sp. oben) = WuW 1999, 173 = WuW/E DE-R 233, zur Festbetragsfestsetzung für medizinische Hilfsmittel durch die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen. 48 Die öffentlichen Unternehmen unterliegen oftmals beiden Prinzipien. Art. 86 11 (90 11 a.F.) EGV, der insbesondere für öffentliche Unternehmen relevant ist, stellt aber sicher, daß die Geltung der Wettbewerbsregeln nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben verhindert. Auf die öffentliche Nachfrage der Mitgliedstaaten und speziell die Einbeziehung politischer Zielsetzungen würde Art. 86 11 (90 11 a. F.) jedoch nicht passen.; vgl. insoweit ebenso E.-J. Mestmäcker/E. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (15 f. unter 3. b»; J. Karen/ort/u. v. Koppen/eis/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1833); E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 86 f. 49 Vgl. auch R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 55: Es ergäben sich "doch Zweifel, ob die öffentliche Hand in dieser Weise [Anwendung der Wettbewerbsregeln auf die öffentliche Auftragsvergabe, N.M.] jedem beliebigen Privatunternehmen gleichgestellt werden kann." 50 s. A. Gieiss/M. Hirsch/Th. Burkert, EG-KartellR, Bd. 1 (1993), Art. 85 (1) Rn. 21. 51 Vgl. von der sozusagen umgekehrten Fragestellung der Drittwirkung der Grundfreiheiten her auch R. StreinziS. Leible, EuZW 2000, 459 (464 unter V. 1. a»: Die Wettbewerbsvorschriften seien, anders als die Grundfreiheiten, speziell auf Handlungen Privater zugeschnitten.
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schriften anwenden wollte, müßte daher jedenfalls - bei der Frage, ob ein Mißbrauch vorliegt - eine gebührende Berücksichtigung ggf. verfolgter öffentlicher Interessen erfolgen. Wie die Erfahrungen mit der Anwendung des GWB auf die staatliche Nachfragetätigkeit zeigen, bestünde jedoch die Gefahr, daß dies gerade nicht geschieht. 52 Dies ist auch insofern nicht verwunderlich, als im normalen Anwendungsfall des Wettbewerbs- bzw. Kartellrechts eben nur (privat-)unternehmerische Interessen eine Rolle spielen. Dies zeigt wieder, daß die Wettbewerbsregeln nicht richtig "passen". Außerdem ist zumindest fraglich, ob bzw. inwieweit neben der speziellen Regelung des Art. 86 11 (90 11 a.F.) EGV für die Berücksichtigung spezifisch öffentlicher Interessen noch Raum sein könnte. 53 Schließlich besteht im Hinblick auf die Anwendung der EG-Wettbewerbsregelungen deshalb Anlaß zur Zurückhaltung, weil damit ein - dem Ursprung nach - völkerrechtlicher Vertrag die Mitgliedstaaten (Vertragsparteien) als souveräne Staaten Vorschriften unterwerfen würde, die von diesen zuallererst mit Blick auf Unternehmen der Privatwirtschaft geschaffen worden sind. 54 Insgesamt gesehen sprechen daher die besseren Argumente dafür, die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen bei bloßer Nachfragetätigkeit nicht den Wettbewerbsregeln des EGV zu unterwerfen. 55 Hingewiesen sei noch darauf, daß hiermit noch keine Aussage darüber getroffen ist, welche Regeln auf der Ebene der Mitgliedstaaten anzuwenden sind, insbesondere ob das jeweilige nationale Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht Anwendung findet. bb) Sonstige öffentliche Auftraggeber Für die sonstigen öffentlichen Auftraggeber gilt dementsprechend, daß ihre Nachfrage nur dann den Wettbewerbsregeln unterliegt, wenn sie für 52 Vgl. nur die sehr restriktiven Ausführungen in der Entscheidung des BKartA zur Tariftreue, Beschl. v. 3.11.1997, B5-75123-VX-61195, WuW 1998, 207 = WuW/E Verg 7; etwas großzügiger, aber schon in dieselbe Richtung das Schreiben des BKartA an den nrw. MWi betreffend die Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 16.1.1984, B9-123700-1003/83-5, WuW 1984,926 = WuW/E BKartA 2150. 53 Dagegen E.-J. MestmäckeriE. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (S. 15 unter 3. b), vgl. auch S. 18 unter 3.). 54 Die Einbeziehung "öffentlicher Unternehmen" war höchst umstritten, was sich auch in der äußerst unklaren Fassung des Art. 86 I (90 I a. F.) EGV niedergeschlagen hat. 55 Wie hier die in Fn. 41 genannten Autoren; implizit außerdem M. Schmittmann, EuZW 1990, 536 (537 I. Sp. Mitte); anders die in Fn. 40, 45 u. 46 genannten Autoren sowie H. Lehning, WuW 1966, 3 (21 unter 3. m. w. N.); C. Erdl, Vergaberechtsschutz (1999), Rn. 10.
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eine wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt. Aufgrund der weiten Definition der "wirtschaftlichen Tätigkeit" sind es durchaus einige öffentliche Auftraggeber, die als Unternehmen zu qualifizieren sind: Zunächst einmal können Sondervermögen als Auftraggeber (s. § 98 Nr. I Var. 2 GWB), z.B. kommunale Eigenbetriebe, öffentliche Unternehmen sein. Unternehmen sind des weiteren die in den Sektoren (Trinkwasser- und Energieversorgung, Verkehr und Telekommunikation) tätigen Auftraggeber (s. insbesondere § 98 Nr. 4 GWB 56). Diese Tätigkeiten sind als Tätigkeiten wirtschaftlicher Art einzustufen. Außerdem üben auch außerhalb des Sektorenbereichs einige der Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB wirtschaftliche Tätigkeiten aus. Diese Auftraggeber werden in den EG-Vergaberichtlinien als "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" bezeichnet. 57 Gemeint sind damit entsprechend dem funktionalen Auftraggeberbegriff nicht juristische Personen öffentlich-rechtlicher Rechts/arm, sondern solche, die materiell (funktional) "öffentliche" sind. Sie müssen "zu dem besonderen Zweck gegründet" worden sein, "im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen" (§ 98 Nr. 2 GWB). Wie diese Definition auszulegen ist, ist allerdings eines der umstrittensten und schwierigsten Problemfelder des Vergaberechts. 58 Auch drei neuere Urteile des EuGH59 haben diesbezüglich noch keine Klarheit gebracht. Dieser Frage kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Hingewiesen sei aber darauf, daß die Eigenschaft als "Einrichtung des öffentlichen Rechts" und die Unternehmenseigenschaft sich zwar nicht gegenseitig ausschließen,60 sie aber tendenziell gegenläufig sind. Daher gehören gerade diejenigen Auftraggeber, die sich relativ eindeutig als öffentliche 56 Dabei handelt es sich z. T. allerdings um materiell private Auftraggeber, die in dieser Arbeit ausgeklammert bleiben. 57 s. jeweils Art. 1 b) UAbs. 2 BKR, LKR, DKR; Art. 1 Nr. 1 UAbs. 2 SKR. 58 s. hierzu mit Beispielen klarer und umstrittener Fälle J. Pietzcker, ZHR 162 (1998),427 (443 ff., Beispiele/EinzeWHle 446 ff.) m.w.N.; ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOBI A (2001), Syst 11 Rn. 61 ff. (Einzelfälle Rn. 68 ff.) m. w. N.; des weiteren I. Seidel, ZfBR 1995, 227 (231 ff. zu Einzelfällen); M. Dreher, DB 1998, 2579 (2580 ff.); F. Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), § 98 GWB Rn. 5 ff., EinzeWille Rn. 27 ff. 59 Urt. v. 15.1.1998, Rs. C-44/96 - Österreichische Staatsdruckerei, Slg. 1998 I, 73 = EuZW 1998, 120 = NJW 1998,3261; Urt. v. 10.11.1998, Rs. C-360/96 - Gemeinde Amhem, Slg. 1998 I, 6821 = EuZW 1999, 16 m.Anm. Sura = WuW 1999, 101 = WuW/E Verg 161 = DB 1998,2362; Urt. v. 10.5.2001, Rs. C-223 u. 260/99 - Agora (Messe), EuZW 2001, 382 = WuW 2001, 635 = WuW/E Verg 443 = NZBau 2001, 403. 60 Art. 1 SKR allerdings unterscheidet "staatliche Behörden" einschließlich Einrichtungen des öffentlichen Rechts einerseits (Nr. 1) und "öffentliche Unternehmen" andererseits (Nr. 2), scheint also sogar von einem Verhältnis der Alternativität auszugehen; in diese Richtung wohl auch P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 6 f.
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Unternehmen einordnen lassen, vielfach zu denen, deren Einordnung als Einrichtung des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber umstritten iSt. 61 Dies betrifft etwa die öffentlich-rechtlichen Sparkassen oder die Deutsche Post AG. 62 c) Ergebnis Öffentliche Auftraggeber unterliegen den Art. 81 ff. (85 ff. a. F.) EGV nur insoweit, als die Nachfrage für eine wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt, wenn sie also nicht bloße Nachfrager, sondern auch Anbieter von Waren oder Dienstleistungen am Markt sind. Das ist insbesondere bei den in den Sektoren und in vergleichbaren Bereichen (z. B. Postdienste) tätigen Auftraggebern der Fall. Bund, Länder und Gemeinden sind dagegen, außer im Falle der Nachfrage für wirtschaftliche Tätigkeiten, nicht als Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften zu qualifizieren. Damit sind aber diejenigen öffentlichen Auftraggeber nicht erfaßt, bei denen die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung die größte Rolle spielt. Allerdings schreiben gesetzliche Regelungen die Einbeziehung politischer Zielsetzungen teilweise für alle öffentlichen Auftraggeber vor; so etwa das Land Berlin für die Tariftreueerklärung. 63 Da sich darüber hinaus mit guten Argumenten auch die Ansicht vertreten ließe, nach der die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen selbst ebenfalls den Art. 81 ff. (85 ff. a.F.) EGV unterliegen, sollen im folgenden noch kurz die weiteren Tatbestandselemente des Art. 82 (86 a. F.) EGV untersucht werden.
2. Beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben Art. 82 (86 a.F.) EGV ist an Unternehmen gerichtet, die eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben innehaben. Dabei kann es sich um die beherrschende 61 Ebenso wird umgekehrt bei eindeutigem Vorliegen der Eigenschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts die Eigenschaft als öffentliches Unternehmen oft nicht gegeben oder fraglich sein. 62 s. jeweils m. w.N. J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427 (446 f. u. 447 f.); ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A (2001), Syst 11 Rn. 69 u. 73 f.; F. Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOBI A (2001), § 98 GWB Rn. 33 u. 37; zur Post auch ausführlich R. Thode, ZIP 2000, 2 (6 ff.). 63 S. zu diesem Punkt oben im 1. Teil, 2. Kap., unter B. 11. 2. Die gesetzliche Regelung ist dann (auch) an Art. 86 I i. V. m. 82 (90 I i. V. m. 86 a. F.) EGV zu messen; vgl. dazu unten 5.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Stellung eines einzelnen Unternehmens oder mehrerer Unternehmen gemeinsam handeln. 64 Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung muß in bezug auf den sachlich und räumlich relevanten Markt geprüft werden. 65 Da dies jeweils sorgfältige Einzelanalysen erfordert, können hier nur einige Anhaltspunkte für die Prüfung gegeben und einige mögliche Fälle einer marktbeherrschenden Stellung genannt werden. a) Relevanter Markt Der sachlich relevante Markt bestimmt sich aus Sicht der Handelspartner, d.h. bei Nachfragemärkten aus Sicht der Lieferanten bzw. Dienstleistungserbringer. 66 Entscheidend sind ihre Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager als Handelspartner. Den sachlich relevanten Markt bildet ein spezifisches, dauerhaftes Angebot, das geeignet ist, bestimmte, nicht notwendigerweise gleichartige Bedürfnisse zu befriedigen. 67 Bei der Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes ist zu beachten, daß die EG-Vergaberichtlinien mit der Pflicht zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung zu einer Marktöffnung führen, mit der Folge, daß der räumlich relevante Markt größer und die Wahrscheinlichkeit einer beherrschenden Stellung damit kleiner wird. 68 b) Beherrschende Stellung aa) Keine pauschal anzunehmende Marktbeherrschung öffentlicher Auftraggeber Eine "beherrschende Stellung" auf dem relevanten Markt kann für die Nachfrageseite in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Angebotsseite69 angenommen werden, wenn das Unternehmen in der Lage ist, 64 Die Vorschrift nennt nicht die gemeinsame beherrschende Stellung, sondern den gemeinsamen Mißbrauch einer solchen Stellung; dieser setzt aber nach allgemeiner Meinung jene voraus; s. H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 64 m.w.N. 65 s. G. Grill, in: Lenz, EGV (1999), Art. 82 Rn. 2. 66 s. H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV IEGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 120 m. w.N. 67 So die Formulierung bei H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV 1 EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 120. 68 S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 99; vgl. des weiteren P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 76 f., zur Auswirkung auf die Angebotsseite. M. Öhler, Rechtsschutz (1997), S. 68, nimmt sogar an, der räumlich relevante Markt sei daher regelmäßig der Gemeinschaftsmarkt.
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sich den übrigen Nachfragern und den Lieferanten gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten. 7o In der Literatur wird vereinzelt angenommen, die öffentliche Hand als Marktteilnehmerin sei aufgrund ihrer besonderen Stellung, insbesondere des prinzipiell unbeschränkten finanziellen Rückhalts in den öffentlichen Haushalten, stets als marktbeherrschend anzusehen. 71 Hierzu ist zunächst einmal anzumerken, daß das öffentliche Haushaltsrecht einen beliebigen Rückgriff auf die staatlichen Finanzmittel verhindert. Weiter ist es zwar richtig, daß bei der Bestimmung der Marktrnacht, namentlich auf der Nachfrageseite, auch andere Aspekte als der Marktanteil des betreffenden Unternehmens heranzuziehen sind. 72 Daher sind auch etwaige strukturelle Vorteile der öffentlichen Auftraggeber im Vergleich zu sonstigen Marktteilnehmern zu berücksichtigen. Es kommt aber immer auf den konkreten öffentlichen Auftraggeber und seine Stellung auf dem betreffenden Markt an, die genau zu analysieren ist. Insoweit besteht hier kein Unterschied zu den anderen Fällen des Art. 82 (86 a. F.) EGV. Aus diesen Gründen verfehlt die pauschale Annahme der Marktbeherrschung öffentlicher Auftraggeber diese Tatbestandsvoraussetzung der Norm. bb) Marktbeherrschende Stellung mehrerer öffentlicher Auftraggeber gemeinsam Eine beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen gemeinsam setzt ein gewisses Näheverhältnis zwischen diesen Unternehmen voraus. Welcher Qualität dieses sein muß, ist jedoch umstritten, insbesondere, ob resp. wann es genügt, wenn Unternehmen sich parallel verhalten, ohne daß sie demselben Konzern angehören oder ein Kartell bilden. 73 69 s. EuGH, Urt. v. 14.2.1978, Rs. 27/76 - United Brands (Chiquita), Slg. 1978, 207, Tz. 63/66; st. Rspr. - für weitere Nachw. s. H. Schröter, in: Groeben/ThiesinglEhiermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 58. 70 So H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 61 m. w. N. zur Frage der beherrschenden Stellung auf der Nachfrageseite. 71 So E.-J. MestmäckerlE. Bremer, BB Beilage 1911995, S. 1 (S. 18 l. Sp. oben, s. auch S. 14 r. Sp. unten f.); vgl. des weiteren V. Emmerich, Öffentliche Unternehmen (1969), S. 395 ff., der allgemein für öffentliche Unternehmen als Regelfall Marktbeherrschung annehmen will; anders aber ders., in: Seminar Ausschluß (1995), S. 27 (49 f.), speziell zur öffentlichen Nachfrage. Dagegen für die öffentliche Nachfrage etwa H. Lehning, WuW 1966,3 (21 ff. unter 5.-7.). 72 Vgl. dazu näher H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 83. 73 s. hierzu V. Emmerich, KartelIR (1999), § 38, 4. (S. 454 f.); H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 66 ff.; jeweils m. w. N.
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In bezug auf die Politisierung der öffentlichen Auftragsvergabe ist daher fraglich, ob es ausreicht, daß eine bestimmte Maßnahme von mehreren oder allen öffentlichen Auftraggebern angewandt wird, namentlich weil sie durch Gesetz oder einheitliche Verwaltungs vorschriften vorgeschrieben wird. 74 So sehen etwa § 6 AEntG und § 5 SchwarzArbG vor, daß bestimmte Gesetzesverstöße von allen öffentlichen Auftraggebern in der Bundesrepublik durch Auftragssperren sanktioniert werden sollen. Die Frage gewinnt insbesondere dann Relevanz, wenn man auch die Nachfrage der Mitgliedstaaten und ihrer Untergliederungen selbst für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten den Wettbewerbsregeln unterwirft. Hier ist eine Marktbeherrschung vielfach nur denkbar, wenn mehrere öffentliche Auftraggeber zusammen betrachtet werden. In der Literatur haben Mestmäcker/Bremer die Ansicht vertreten, daß die gemeinsame Auslegung und Praktizierung von Ausschlußgründen für die Annahme gemeinsam beherrschender Unternehmen genüge?5 Dieses parallele Verhalten begründet aber m. E. kein ausreichendes Näheverhältnis zwischen den betreffenden Auftraggebern, denn das gemeinsame (möglicherweise) mißbräuchliche Verhalten selbst kann nicht zur Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung genügen. Fraglich ist, ob sich bei Berücksichtigung der Tatsache, daß die öffentlichen Auftraggeber außerdem überwiegend einheitlich die Verdingungsordnungen anwenden, ein anderes Ergebnis ergibt. M. E. ist dies nicht der Fall, da die verschiedenen öffentlichen Auftraggeber dennoch miteinander konkurrierende Nachfrager bleiben. Je nachdem, welche Anforderungen man an das für die Annahme einer beherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen erforderliche Näheverhältnis stellt, ist hier aber auch ein anderes Ergebnis möglich. c) Auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben Die beherrschenden Stellung muß auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben bestehen. Als wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes sind jedenfalls die größeren Mitgliedstaaten anzusehen, unter Umständen aber auch größere Regionen dieser Mitgliedstaaten oder größere grenzüberschreitende Regionen. 76 So hat der EuGH etwa, um nur zwei Beispiele zu nennen, das Gebiet Süddeutschlands77 und sogar, wegen
74 Es handelte sich dann um einen (auch) nach Art. 86 I i. V. m. 82 (90 I i. V. m. 86 a. F.) EGV zu behandelnden Fall, s. dazu noch unten 5. 75 E.-J. Mestmäcker/E. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. I (S. 18 l. Sp. vor 3.); i. E. ebenso zu den Tariftreueerklärungen anscheinend J. Karenfort/V. v. Koppenfels/So Siebert, BB 1999, 1825 (1834 vor d».
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dessen besonderer Bedeutung für den Verkehr, den Hafen von Genua78 als wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eingestuft. d) Mögliche Fälle einer Marktbeherrschung öffentlicher Auftraggeber Praktisch vorstellbar ist eine beherrschende Stellung von öffentlichen Auftraggebern zunächst in den Sektoren und vergleichbaren Bereichen. Zu denken ist etwa an die Deutsche Post AG für bestimmte postspezifische Produkte oder die Deutsche Bahn AG für den Schienenwegebau (DB Netz AG) und wohl auch (noch) für die Nachfrage nach Zügen (DB Cargo/Reise & Touristik/Regio AG).79 Wollte man auch den Staat selbst den Art. 81 ff. (85 ff. a. F.) EGV unterwerfen, wäre des weiteren die Beschaffung von Rüstungsgütern zu nennen. In bezug auf den sonstigen Sicherheitssektor (Polizei, Grenzschutz und Feuerwehren) sowie den Straßenbau dürfte es hingegen an dem Erfordernis einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben fehlen. Das Vorliegen dieses Erfordernisses ist angesichts der Marktöffnung durch die Richtlinien aber auch hinsichtlich der zuvor genannten Bereiche nicht ganz unzweifelhaft. Welche praktische Bedeutung Art. 82 (86 a. F.) EGV angesichts des Erfordernisses einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben zukommt, und welche ihm von daher zukommen würde, wenn man ihn auch auf den Staat selbst anwenden würde, läßt sich insgesamt gesehen ohne eine vertiefte Untersuchung nur schwer abschätzen. Folgt man der hier vorgenommenen Auslegung, dürfte der Anwendungsbereich eher schmal sein. 8o
76 s. hierzu A. Schollmeier/D. Krimphove, in: Bleckmann, EuropaR (1997), Rn. 1941 f.; H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 129. 77 EuGH, Urt. v. 16.12.1975, Rs. 40-48, 50, 54-56, 111, 113 u. 114/73 - Suiker Unie, Slg. 1975, 1663, Tz. 441 ff. (448) (für den Zuckersektor). 78 EuGH, Urt. v. 10.12.1991, Rs. C-179/90 - Porto di Genova, Slg. 1991 I, 5889, Tz. 15. 79 Die Qualifizierung als öffentlicher Auftraggeber ist hier allerdings z. T. str., vgl. oben l. b) bb). 80 Auch bei C. Erdl, Vergaberechtsschutz (1999), Rn. 10, heißt es, ein Nachfragemonopol werde selten gegeben sein; ebenso E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 22; letztlich wohl auch F. Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz (1996), S. 42.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
3. Mißbrauch Art. 82 (86 a. F.) EGV verbietet die "mißbräuchliche Ausnutzung" einer beherrschenden Stellung.
a) Grundsätze zur Auslegung, insbs. zur Berücksichtigung öffentlicher Interessen Kennzeichnend für die mißbräuchliche Ausnutzung ist nach dem EuGH eine Behinderung des Wettbewerbs durch Mittel, die "von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen".81 Diese Formel könnte für die hier interessierende Fragestellung so verstanden werden, daß eine Politisierung der Beschaffung, weil vom "normalen" Wettbewerb abweichend, generell ausscheidet. 82 Sie ist jedoch vom EuGH nicht für solche Fälle entwikkelt worden. Ob er sie in dem beschriebenen Sinne auf die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung anwenden würde, ist offen. Davon abgesehen gehört es zum "normalen" Wettbewerb öffentlicher Auftraggeber, bei der Auftragsvergabe zugleich spezifisch öffentliche Zwecke zu verfolgen. Soweit man auch öffentliche Auftraggeber in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln einbezieht, müssen öffentliche Interessen m. E. grundsätzlich Berücksichtigung finden können (wobei damit noch nicht gesagt ist, ob sie sich im konkreten Fall durchsetzen). Auch Art. 86 11 (901la. F.) EGV steht einer Berücksichtigung öffentlicher Interessen im Rahmen des Art. 82 (86 a. F.) EGV nicht entgegen. Die Vorschrift sieht für bestimmte Unternehmen Ausnahmen von der Geltung von Vertragsvorschriften vor. Vorliegend geht es aber lediglich darum, bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln die vom jeweiligen öffentlichen Auftraggeber verfolgten Interessen, d. h. ggf. auch die von ihm verfolgten öffentlichen Interessen, bei der Bewertung seines Verhaltens einzubeziehen. Dies wird von Art. 8611 (90 11 a.F.) EGV nicht ausgeschlossen. 83 81 EuGH, Urt. v. 13.2.1979, Rs. 85/76 - Hoffmann-La Rache, Slg. 1979, 461, Tz. 91; ferner etwa Urt. v. 3.7.1991, Rs. C-62/86 - Akzo, Slg. 1991 1,3359, Tz. 69; st. Rspr. 82 Vgl. in diese Richtung zu den Tariftreueerklärungen J. KarenfartlU. v. KappenfelslS. Siebert, BB 1999, 1825 (1835), die aber gleichwohl noch eine Interessenabwägung vornehmen. 83 Anders E.-J. MestmäckerlE. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. 1 (S. 15 unter 3. b) u. S. 18 unter 3.), nach denen die Verfolgung spezifisch öffentlicher Interessen außerhalb des Art. 90 II (a. F.) EGV nicht rechtfertigend berücksichtigt werden kann.
A. Bindungen des EG-Primärrechts
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Festzuhalten ist des weiteren, daß, ebensowenig wie ein Verstoß gegen die Verdingungsordnungen automatisch einen Verstoß gegen § 20 I (§ 26 11 1 a. F.) GWB impliziert,84 auch ein Verstoß gegen die EG-Vergaberichtlinien nicht automatisch einen Mißbrauch i. S. d. Art. 82 (86 a. F.) EGV darstellt. 85 Art. 82 EGV stellt eigenständige Maßstäbe auf; erforderlich ist immer eine Bewertung des konkreten Verhaltens nach diesen Maßstäben. b) Einzelbewertung Der Begriff des Mißbrauchs erfährt eine Konkretisierung in Art. 82 11 (8611 a.F.) EGV, der eine (nicht abschließende) Aufzählung von Beispiels-
fällen eines mißbräuchlichen Verhaltens enthält.
Im vorliegenden Zusammenhang könnte zunächst Art. 82 11 a) EGV Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen - von Bedeutung sein. Zur Feststellung der Unangemessenheit der Bedingungen bedarf es einer Interessenabwägung. Das beherrschende Unternehmen muß bei der Verfolgung seiner Interessen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. 86 Als unangemessen würden sich danach Vertragsbedingungen zur Verfolgung politischer Zielsetzungen darstellen, die die Unternehmen unbillig belasten. Eine unbillige Belastung wäre beispielsweise im Falle der Frauenförderung mittels Vertragsbedingungen anzunehmen, wenn diese ohne Rücksicht auf die Größe und Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen und auf Volumen und Laufzeit des betreffenden Auftrags den Unternehmen umfassende und weitreichende Verpflichtungen, insbesondere solche, die einen erheblichen Finanzaufwand erfordern, auferlegen würden (etwa Verpflichtungen zur Bestellung von Frauenbeauftragten, zur Einrichtung von Betriebskindergärten u. a.). Als unangemessene Geschäftsbedingungen wären des weiteren Vertragsklauseln einzustufen, die Sanktionen (insbesondere Vertragsstrafen und Auftragssperren) bei Verstoß gegen Vertragsbedingungen vorsehen, welche außer Verhältnis zu dem jeweiligen Verstoß stehen. Bei der Interessenabwägung ist aber auch das Interesse des Auftraggebers an der Befolgung der jeweiligen Vertragsbedingungen gebührend zu berücksichtigen. Weiter kommt im vorliegenden Kontext Art. 82 11 c) EGV in Betracht. Danach kann ein Mißbrauch bestehen in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, 84 Insbs. die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts tendiert jedoch in diese Richtung. Vgl. zu der Frage unten im 3. Kap. unter C. III. 2. c) bb) (1) ß). 85 A. A. E. Kayser, Nationale Regelungsspie1räume (1999), S. 85 f. 86 s. nur H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV /EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 155.
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wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Ob diese Vorschrift auch den Fall erfaßt, daß einzelne Unternehmen aufgrund von Bedingungen von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, die für alle Bewerber gelten, wie etwa aufgrund des Erfordernisses der Abgabe einer Tariftreueerklärung, ist m. E. sehr zweifelhaft. Allerdings könnte im Hinblick auf gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen ein sonstiger, unbenannter Fall eines Mißbrauchs nach Art. 82 I EGV vorliegen. Ein Mißbrauch könnte sich daraus ergeben, daß den Unternehmen die Möglichkeit genommen wird, legal erlangte Lohnkostenvorteile im Wettbewerb einzusetzen. Mit den Tariftreueerklärungen werden allerdings wichtige öffentliche Interessen verfolgt. Auch ist, wie unten zu den Grundfreiheiten noch näher erläutert wird,87 ein unbegrenzter Lohnkostenwettbewerb vom EG-Vertrag nicht geschützt. Es erscheint daher zweifelhaft, ob man hier von einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung sprechen könnte. 88 Des weiteren könnten Bevorzugungsregelungen mit der darin liegenden Benachteiligung der nicht zu der bevorzugten Gruppe gehörenden Unternehmen unter Art. 82 11 c) oder jedenfalls unter Art. 82 I EGV fallen. 89 Wird mit der Bevorzugungsregelung ein legitimes Ziel verfolgt, wie bspw. im Falle der sozialpolitisch motivierten Bevorzugungsregelungen, so ist sie, zumindest im Grundsatz, zulässig. Wenn ein Mehrpreis gewährt wird, der so hoch ist, daß de facto nur Unternehmen den Zuschlag bekommen können, die zur bevorzugten Gruppe gehören, oder werden die Aufträge sogar ganz oder zum Großteil für diese Gruppe reserviert (dann handelt es sich nicht mehr um eine Bevorzugungsregelung im eigentlichen Sinne, sondern um eine Ausschlußregelung), könnte allerdings ein Mißbrauch anzunehmen sein. Im Ergebnis würde dies bedeuten, die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten bzw. Dienstleistungserbringern als Mißbrauch i. S. d. Art. 82 EGV zu bewerten. Soweit ersichtlich, ist ein solcher Fall noch nie entschieden worden, weder für öffentliche noch für private Nachfrager. M. E. würde es zu weit gehen, hierin einen Mißbrauch zu sehen. Die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen stellt vielmehr nur im Falle eines Kontrahierungszwanges einen Verstoß gegen Art. 82 EGV dar. 9o
Unter IV. 2. f) bb). So aber J. KarenjortlU. v. KoppenjelslS. Siebert, BB 1999, 1825 (1835); M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 351 ff. 89 Nach H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 181, fällt eine Diskriminierung potentieller Handelspartner als Geschäftsverweigerung stets in den Anwendungsbereich des Abs. 1 (und nicht des Abs. 2 c»; str. 90 So H. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV /EGV, Bd. 2/1 (1999), Art. 86 Rn. 204 (in Abgrenzung zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen, wo ein Mißbrauch eher zu bejahen ist). 87 88
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4. Eignung zur Handelsbeeinträchtigung Art. 82 I (86 I a. F.) EGV fordert schließlich, daß die mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Ob diese sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel hier ebenso wie bei Art. 81 (85 a. F.) EGV so auszulegen ist, daß eine - zumindest potentielle - spürbare Beeinträchtigung erforderlich ist, ist streitig. 91 Auch wenn diese Frage bejaht wird, kommt der Zwischenstaatlichkeitsklausel wenig praktische Bedeutung zu, da sie im übrigen sehr weit ausgelegt wird. 92 Es genügt zum einen die Eignung zur Handelsbeeinträchtigung, zum anderen werden auch mittelbare Beeinträchtigungen erfaßt. 93
5. Bedeutung des Art. 86 I (90 I a. F.) EGV im vorliegenden Zusammenhang
Es bleibt die Frage zu klären, inwieweit Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung an Art. 82 (86 a. F.) EGV und inwieweit an Art. 86 I (90 I a. F.) EGV (i. V. m. Art. 82 EGV) zu messen sind. Maßstab für das Verhalten von "Unternehmen" ist Art. 81/82 (85/86 a.F.) EGV. An die Mitgliedstaaten einschließlich ihrer Untergliederungen ist hingegen der oben schon angesprochene Art. 86 I (90 I a. F.) EGV 94 gerichtet. Diese Vorschrift betrifft jedoch nicht Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten als Unternehmen treffen. 95 Insoweit sind unmittelbar und ausschließlich die Art. 81 ff. (85 ff. a.F.) EGV anzuwenden. Dies müßte dann konsequenterweise auch für Gesetze und Verwaltungsvorschriften gelten, mit denen das eigene unternehmerische Handeln geregelt wird. Teilweise wird insoweit jedoch für eine Anwendung des Art. 86 I (90 I a. F.) EGV plädiert. 96 91 s. etwa eh. Jung, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Bd. I, Art. 82 (2001) Rn. 268 ff. m.w.N. 92 s. V. Emmerich, KartelIR (1999), § 36, 5. (S. 400 f.); G. Grill, in: Lenz, EGV (1999), Vorbem. Art. 81-86 Rn. 14 ff. (19). 93 s. V. Emmerich, KartelIR (1999), § 36,5. (S. 400 0. 94 Oben 1. a) u. 1. b) aa) (1). 95 Nach der hier vertretenen Auffassung zählt hierher in bezug auf die Nachfrage des Staates allerdings nur der Fall, daß die Nachfrage für eine wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt. 96 So wohl E.-J. MestmäckerlE. Bremer, BB Beilage 19/1995, S. I (13 unter III. 2., danach allerdings nur für Parlamentsgesetze; anders aber S. 14 unter 1., wo auch Vergaberichtlinien der Verwaltung zu den Maßnahmen nach Art. 90 I (a. F.) EGV gezählt werden). 10 Meyer
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Jedenfalls aber ist diese Vorschrift anzuwenden für Gesetze der Mitgliedstaaten, die das Vergabeverhalten öffentlicher Unternehmen oder solcher Unternehmen regeln, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren (so im Sektorenbereich). Solche Gesetze dürfen die betreffenden Unternehmen nicht zu einem Verhalten verpflichten, das gegen die Wettbewerbsregeln verstößt. Ist dies der Fall, begeht der Mitgliedstaat eine Vertragsverletzung (Verstoß gegen Art. 86 lEGV).
6. Ergebnis Die öffentliche Nachfrage unterliegt den Wettbewerbsregeln nach dem hier gefundenen Ergebnis nur insoweit, als sie für eine wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt. Damit fällt ein Großteil der Beschaffungen der öffentlichen Hand nicht in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln. Darüber hinaus setzt Art. 82 (86 a.F.) EGV das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben voraus. Diese Voraussetzung dürfte hier nur relativ selten erfüllt sein. Dabei spielt zum einen eine Rolle, daß der räumlich relevante Markt aufgrund der Marktöffnung durch die EG-Vergaberichtlinien größer wird. Zum anderen kann nicht schon dann eine Zusammenfassung mehrerer öffentlicher Auftraggeber zu gemeinsam beherrschenden Unternehmen angenommen werden, wenn sie dieselbe Politik verfolgen. Schließlich enthält die Vorschrift eine sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel. Diese schränkt den Anwendungsbereich aber praktisch kaum ein. In den verbleibenden Anwendungsfällen der Vorschrift sind bei der Prüfung, ob eine mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung vorliegt, die jeweils verfolgten öffentlichen Interessen angemessen in die Bewertung einzustellen. IH. Beihilfevorschriften
1. Das Problem Ein klassisches Instrument im Bereich der Politisierung öffentlicher Auftragsvergabe stellen die verschiedenen Spielarten von Bevorzugungsregelungen 97 dar. Seit langem ist umstritten, welche Bedeutung den Beihilfevorschriften des EG-Vertrages (Art. 87 ff. n. F./92 ff. a. F. EGV) im Hinblick auf diese Regelungen zukommt. Zum einen stellt sich hier die Frage, ob 97 In diesem Kontext können dazu auch die Regelungen gezählt werden, welche öffentliche Aufträge für bestimmte Unternehmen reservieren, die anderen Unternehmen also kollektiv ausschließen (vgl. oben im 1. Teil, 2. Kap., unter B. I. 1. a) ff).
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resp. wann in der Erteilung eines öffentlichen Auftrags eine Beihilfe liegt. Zum anderen ist, soweit man das Vorliegen einer Beihilfe bejaht, die Frage nach dem Verhältnis der Beihilfevorschriften zur Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 28 ff. n. F.l30 ff. a. F. EGV und Art. 49 ff. n. F.l59 ff. a. F. EGV) zu beantworten. Der EuGH hat sich bisher, in der Rechtssache Du Pont de Nemours, 98 nur mit der zweiten Frage befaßt. In der Literatur werden beide Fragen kontrovers behandelt. In ihrer Beantwortung hängen sie zusammen. Der gemeinsame Hintergrund, der die besondere Problematik der Bevorzugungsregelungen im Hinblick auf die Anwendung der Beihilfevorschriften ausmacht, liegt in folgendem, wichtigen Unterschied zwischen der Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und dem "Normalfall" der Beihilfe: Bei der Gewährung einer Beihilfe werden einem Unternehmen Vorteile zugewandt, die sich als Vermehrung der Aktiv- oder als Verringerung der Passivposten darstellen, wie bspw. bei der Zahlung eines verlorenen Zuschusses oder der Gewährung einer Steuerbefreiung. 99 Dadurch wird die finanzielle Leistungsfähigkeit und somit die Position des Unternehmens im Wettbewerb verbessert, also seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Die Bevorzugungsregelungen im öffentlichen Auftragswesen nun realisieren sich in der Erteilung eines bestimmten Auftrags. Problematisch ist hier zunächst einmal, ob überhaupt eine Beihilfe vorliegen kann, da das Unternehmen ja seinerseits eine Leistung erbringt. Ohne damit schon diese Frage beantworten zu wollen, läßt sich aber sagen, daß die Erteilung eines Auftrags wegen der damit verbundenen Möglichkeit zur Erzielung eines Gewinns in der Regel die Aktivposten des Unternehmens vermehren und hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigern wird. Die Besonderheit gegenüber dem Normalfall der Beihilfe besteht darin, daß diese Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dadurch zustande kommt, daß das Unternehmen in einem konkreten Wettbewerb - dem Wettbewerb um den betreffenden Auftrag - bevorzugt wird. Plastisch gesprochen: Im Normalfall der Beihilfe wird dem Unternehmen der Vorteil außerhalb des Wettbewerbs gewährt. Infolge der Beihilfegewährung geht das Unternehmen gestärkt in den Wettbewerb. Die Beihilfe setzt also auf einer dem Wettbewerb vorgelagerten Stufe an. Bei der Bevorzugung im öffentlichen Auftragswesen wird dagegen direkt in den Wettbewerb eingegriffen. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wird dadurch bewirkt, daß es in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis bevorzugt wird. 98
EuGH, Urt. v. 20.3.1990, Rs. C-21188, Slg. 1990 I, 889 = NVwZ 1991, 1071
= EuZW 1990,228 = JZ 1992, 198 m.Anm. Ehlers.
99 Vgl. näher zum Begriff der Beihilfe (Leistungsgewährungen und Belastungsverminderungen) unten 3. a) aa). 10*
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Deshalb liegt auch die Anwendung der Grundfreiheiten hier näher als im Falle sonstiger Beihilfen: Bevorzugungsregelungen, die bestimmten Gruppen von inländischen Unternehmen zugute kommen, können unmittelbar zur Folge haben, daß ausländische Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge nicht zum Zuge kommen, während gewöhnliche Beihilfen nur mittelbar zu solchen Ergebnissen führen können. Besonders deutlich wird dies in Fällen wie dem des 1990 ergangenen, bereits erwähnten Du Pant-Urteils des EuGH,100 in dem es um eine Regelung zur Reservierung von Aufträgen für einen Teil der inländischen Unternehmen ging. Bei diesen Aufträgen waren alle ausländischen Bewerber also von vornherein ausgeschlossen. Diese bisher einzige lOl Entscheidung des EuGH zum vorliegenden Problemkreis soll im folgenden der Ausgangspunkt der Untersuchung sein. In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof nur mit der Frage nach dem Verhältnis der Beihilfevorschriften zu den Grundfreiheiten, genauer gesagt zur Warenverkehrsfreiheit, befaßt. Er hat die Frage dahingehend beantwortet, daß eine Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe sie nicht vom Verbot des Art. 30 EWGV ausnehme. Angesichts des bereits zuvor festgestellten Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit hat er sich dann nicht mehr damit beschäftigt, ob im konkreten Fall eine Beihilfe vorlag. Ob dieses Verständnis des Verhältnisses von Art. 92 E(W)GV a. F./87 EGV n. F. zu Art. 30 E(W)GV a. F./28 EGV n. F. richtig ist, soll im folgenden, ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH, als erstes problematisiert werden (2.). Anschließend wird auf die Frage eingegangen, ob bzw. wann im Falle öffentlicher Auftragsvergabe eine Beihilfe vorliegt (3.). Sodann wird die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (4.) und die Anmeldepflicht als verfahrensrechtliche Konsequenz (5.) behandelt. 2. Verhältnis der Beihilfevorschriften zu den Grundfreiheiten, insbs. zur Warenverkehrsfreiheit a) Rechtsprechung des EuGH aa) Das Urteil im Fall Du Pant Dem Fall Du Pant lag ein italienisches Gesetz zugrunde, wonach 30% der öffentlichen Lieferaufträge an Unternehmen im Mezzogiorno zu vergeben waren. In Höhe dieser Reservierungsquote konnten also ausländische Fn.98. Abgesehen vom Urt. v. 11.7.1991, Rs. C-351188 - Laboratori Bruneau, Slg. 1991 I, 3641, das jedoch einen sachlich und rechtlich gleich gelagerten Fall betraf wie das Urteil Du Pont (Fn. 98) und dieses lediglich bestätigt hat (s. Tz. 7 f.). 100 101
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Unternehmen von vornherein nicht zum Zuge kommen, aber auch nicht Unternehmen aus anderen Teilen Italiens. Die Du Pont de Nemours Italiana SpA focht zwei auf diese Regelung gestützten Entscheidungen an, nach denen ein sie interessierender Auftrag in zwei Lose zu 70 und 30 % des Gesamtlieferungsumfangs aufgeteilt und sie von der Bewerbung um das für Unternehmen aus dem Mezzogiorno reservierte 30%-Los ausgeschlossen wurde. Das angerufene Gericht legte daraufhin dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH bejahte zunächst die Frage nach einem Verstoß der nationalen Regelung gegen Art. 30 EWGV. 102 Zur Begründung führte er an, daß alle Erzeugnisse, denen die Bevorzugung zugute komme, inländische Erzeugnisse seien. Der Annahme einer Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung stehe nicht entgegen, daß es sich dabei nur um einen Teil der inländischen Erzeugnisse handele. 103 Auf die zweite Frage des vorlegenden Gerichts, ob die Regelung die Merkmale einer Beihilfe im Sinne des Art. 92 EWGV aufweise, antwortete der EuGH wie folgt: "Nach ständiger Rechtsprechung [... ] kann Artikel 92 keinesfalls dazu dienen, den Vorschriften des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr ihre Wirkung zu nehmen. [... ] Deshalb stellt nach dieser Rechtsprechung der Umstand, daß eine einzelstaatliche Maßnahme möglicherweise als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 betrachtet werden kann, keinen hinreichenden Grund dafür dar, sie vom Verbot des Artikels 30 auszunehmen. Somit kann dahingestellt bleiben, ob die fragliche Regelung eine Beihilfe ist. Dem vorlegenden Gericht ist unabhängig davon zu antworten, daß die Qualifikation einer nationalen Regelung als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EWG-Vertrag nicht bewirken würde, daß diese Regelung vom Verbot des Artikels 30 ausgenommen wäre."I04
Der EuGH schließt also aus, daß im Falle des Vorliegens einer Beihilfe diese nicht mehr an den Grundfreiheiten, sondern allein an den Art. 92 ff. EWGV (jetzt Art. 87 ff. EGV) zu messen wäre. Er betrachtet die Beihilfevorschriften mithin nicht als gegenüber der Warenverkehrsfreiheit vorrangige leges speciales, sondern geht davon aus, daß die Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit und die Beihilfevorschriften gleichgeordnet nebeneinander stehen und somit ggf. kumulativ anzuwenden sind. Der EuGH beruft sich dabei auf eine "ständige Rechtsprechung", nach der als Beihilfe zu qualifizierende Maßnahmen nicht vom Verbot des Art. 30 EWGV ausgenommen seien. Ob dies vor dem Du Pont-Urteil tatsächlich der Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs war, ist jedoch fraglich. \02 \03 104
Du Pont de Nemours (Fn. 98), Tz. 7 ff. Du Pont de Nemours (Fn. 98), Tz. 13; vgl. auch noch unten IV. 2. d) vor aa). Du Pont de Nemours (Fn. 98), Tz. 20 f.
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bb) Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH (1) Das Urteil im Fall Iannelli
Das erste Urteil zu diesem Problemkreis erging 1977 im Fall lannelli. 105 Es ging dabei um Subventionen für den verbilligten Bezug von Zeitungspapier. Diese Subventionen wurden jedoch nicht für solches Papier gewährt, das direkt aus einem anderen Mitgliedstaat importiert wurde, sondern nur für solches, das in Italien hergestellt oder von der die Beihilfe gewährenden staatlichen Körperschaft importiert wurde. Die Frage war nun, ob diese Beihilferegelung (auch) an Art. 30 EWGV zu messen war. Hierzu führte der EuGH aus: ,,so weit der Anwendungsbereich von Artikel 30 auch sein mag, so erfaßt er doch solche Beeinträchtigungen nicht, für die sonstige spezifische Vertragsvorschriften gelten. [... ] Wenn ein System staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gespeister Beihilfen lediglich infolge der Begünstigung bestimmter einheimischer Unternehmen oder Produkte geeignet ist, die Einfuhr ähnlicher oder konkurrierender Erzeugnisse aus den übrigen Mitgliedstaaten zumindest mittelbar zu beeinträchtigen, so genügt dieser Umstand für sich allein genommen gleichfalls nicht, um eine Beihilfe als solche einer Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 gleichzustellen."J06
Hier nimmt der EuGH im Ergebnis also den gegenteiligen Standpunkt ein, wonach die Beihilfevorschriften der Warenverkehrsfreiheit vorgehen. Allerdings scheint er diese Annahme nicht mit der Lex-specialis-Regel begründen, sondern bereits das tatbestandliehe Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung ablehnen zu wollen. Jedenfalls gelangt er zunächst zu dem Ergebnis, daß die nationale Maßnahme nur an den Art. 92 ff. EWGV zu messen ist. Diese Aussage wird im folgenden jedoch dahingehend eingeschränkt, daß eine Beihilferegelung "Modalitäten" aufweisen könne, die für die Verwirklichung ihres Zwecks oder für ihr Funktionieren nicht unerläßlich und daher einer getrennten Beurteilung zugänglich seien. Diese könnten separat an anderen, im Gegensatz zu Art. 92 EWGV unmittelbar anwendbaren Vertragsbestimmungen (i. e. insbesondere Art. 30 EWGV) gemessen werden. Im vorliegenden Fall sei diese Konstellation gegeben, wenn die Differenzierung zwischen Direkteinfuhren und Einfuhren über die staatliche Körperschaft zur Verwirklichung des Zwecks der Beihilfe oder zu ihrem Funktionieren nicht offensichtlich erforderlich sei. 107 Ob dies der Fall war, hat der EuGH nicht entschieden. 105
106 107
EuGH, Urt. v. 22.3.1977, Rs. 74/76 - Iannelli & Volpi, Slg. 1977,557.
Iannelli & Vo/pi (Fn. 105), Tz. 9110. Iannelli & Volpi (Fn. 105), Tz. 14 f.
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Staatliche Maßnahmen, die als Beihilfe zu qualifizieren sind, sollten nach dieser Rechtsprechung also grundsätzlich nur den Beihilferegeln unterliegen; "überschießende", abtrennbare Modalitäten aber einer getrennten Beurteilung nach der Warenverkehrsfreiheit zugänglich sein. (2) Abkehr vom Urteil Iannelli
Wie die hier vom EuGH gefundene Lösung genau zu verstehen und anzuwenden ist 108 ist ebenso umstritten wie die Frage, ob der EuGH in nachfolgenden Urteilen 109 von ihr abgewichen ist. Die Entwicklung soll hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Jedenfalls hat der EuGH, soweit ersichtlich, in keinem späteren Urteil die Prüfung einer Maßnahme am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit aufgrund des Vorrangs der Beihilfevorschriften abgelehnt. Er hat in keinem Fall überhaupt auf die Iannelli-Grundsätze vom grundsätzlichen Vorrang der Beihilfevorschriften und der ausnahmsweisen getrennten Beurteilung einzelner Modalitäten zurückgegriffen, jedenfalls nicht explizit. I1O Statt dessen taucht in einem 1985 ergangenen Urteil zu Steuervergünstigungen für die französische Presse erstmals die auch im Du Pont-Urteil verwandte und oben schon zitierte Formel auf, daß der Umstand, daß eine einzelstaatliche Maßnahme möglicherweise als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 betrachtet werden kann, keinen hinreichenden Grund dafür darstellt, sie vom Verbot des Artikels 30 auszunehmen. 1 11 Gleichwohl wurden die nach dem Iannelli-Urteil ergangenen Urteile vielfach noch nicht als Abkehr von der dort eingeschlagenen Linie gedeutet. 112 Teils wurde angenommen, der EuGH habe die Iannelli-Formel angewandt, 108 Nicht ganz zweifelsfrei ist insbesondere, ob in bezug auf die fragliche Modalität die Abtrennbarkeit als solche maßgeblich sein soll oder die Nichterforderlichkeit für die Beihilferegelung; vgl. die Gegenüberstellung der Deutungen als "severability test" und "proportionality test" bei J. M. Femandez Mart{nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (227) m. w. N. 109 Die Frage kam in folgenden drei Urteilen zur Sprache: Urt. v. 24.11.1982, Rs. 249/81 - Buy frish, Slg. 1982, 4005, Tz. 16 ff.; Urt. v. 7.5.1985, Rs. 18/84 Steuervergünstigungen für die Presse, Slg. 1985, 1339, Tz. 13; Urt. v. 5.6.1986, Rs. 103/84 - Energiesparjahrzeuge, Slg. 1986, 1759, Tz. 19. 110 In den Urteilen Steuervergünstigungen für die Presse und Energiesparjahrzeuge (beide Fn. 109, jeweils a. a. 0.) wird das Urteil zwar zitiert, die fannelliGrundsätze werden aber weder angewandt noch auch nur genannt. 111 Steuervergünstigungen für die Presse, Tz. 13; ebenso dann Energiesparjahrzeuge, Tz. 19 (beide Fn. 109). Im Urteil Buy frish (ebd.) findet sich diese Formel noch nicht. Dieser Fall ist allerdings mit den anderen Entscheidungen insofern auch nicht vergleichbar, als der EuGH hier nicht eine, als Beihilfe und/oder Maßnahme gleicher Wirkung zu qualifizierende, sondern zwei verschiedene staatliche Maßnahmen angenommen hat (s. Tz. 18; anders der Ansatz von GA Capotorti, S. 4024, 4031 f. unter NT. 7).
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ohne dies ausdrücklich zu sagen, es habe sich also jeweils um abtrennbare Modalitäten gehandelt. 113 Teils wurden die Entscheidungen damit erklärt, daß die fragliche Maßnahme jeweils nicht als Beihilfe gemeldet war 1l4 , so daß eine ausschließliche Anwendung der Beihilfevorschriften einem säumigen Mitgliedstaat zugute gekommen wäre. Die Frage nach einer Abkehr von der Iannelli-Rechtsprechung in diesen Urteilen mag hier offenbleiben, denn jedenfalls das Urteil im Fall Du Pont läßt sich mit ihr nicht mehr vereinbaren. In der Literatur wird dies allerdings zum Teil anders gesehen und ein Bruch mit der Iannelli-Rechtsprechung auch in bezug auf das Urteil Du Pont verneint. Der Fall Du Pont unterscheidet sich jedoch von den vorhergehenden, die möglicherweise noch keine Abkehr von Iannelli beinhalteten, durch zwei Aspekte: Zum einen machte die Bestimmung, daß die Bevorzugung (nur) Unternehmen aus dem Mezzogiorno zukommen sollte, gerade das Wesen der Beihilfe aus, deren Ziel es war, die wirtschaftliche Entwicklung im Mezzogiorno zu fördern. Man kann also nicht mit der Abtrennbarkeit der diskrimierenden "Modalität" argumentieren. 115 Zum anderen war die Beihilfe gemeldet worden. Allerdings hatte Italien die Regelung angewandt, bevor die Kommission eine Entscheidung erlassen hatte, so daß auch hier ein - wenn auch geringerer - Verstoß des Mitgliedstaats gegen das Beihilferecht vorlag. 116 In der Entscheidung fehlt aber ein Hinweis auf diesen Punkt. Dem EuGH kam es darauf also anscheinend nicht an. Dogmatisch kann die Argumenta112 Vgl. die Wiedergabe verschiedener Argumentationslinien m.N. bei J. M. Ferntindez Mart/n/O. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (224 unten ff.), u. bei eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 258 ff. 113 Dies mag für die Urteile Steuervergünstigungen für die Presse und Energiesparj'ahrzeuge (beide Fn. 109) zutreffen, denn hier wurde die Subventionierung der Presse resp. der Verkehrsunternehmen für energiesparende Fahrzeuge mit dem Erfordernis der innerstaatlichen Herstellung des Produkts (Druckerzeugnis/Fahrzeug) verknüpft. Zur Problematik einer solchen Sicht s. aber unten unter b) cc). 114 Dies führt der EuGH auch jeweils an, s. Urt. Buy Irish, Tz. 19; Urt. Steuervergünstigungen für die Presse, Tz. 13; Urt. Energiesparj'ahrzeuge, Tz. 19 (alle oben Fn. 109). 115 In diese Richtung aber D. Ehlers, JZ 1992, 199 (200 a.E.), der dem EuGH im Ergebnis zustimmt und dies damit begründet, daß zwischen "Ob" und "Wie" der Förderung unterschieden werden müsse und das "Wie" auch am Maßstab der Art. 30 ff. EWGV zu überprüfen sei. Für eine Anwendung beider Normkomplexe unter Trennung von "Ob" und "Wie" auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 84. 116 Dies ist allerdings nicht ganz zweifelsfrei. GA Lenz, Slg. 1990 I, 902, 914 unter NT. 62, nimmt an, daß die Regelung rechtzeitig notifiziert worden sei und kein Verstoß gegen das Durchführungsverbot vorgelegen habe, da die Kommission das beihilfeaufsichtliche Verfahren nie eröffnet habe; anders das im Sitzungsbericht wiedergegebene Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, Slg. 1990 I, 895 (beginnend I. Sp. unten).
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tion, die eine Anwendung der Warenverkehrsfreiheit bejaht, wenn der Mitgliedstaat seinen Pflichten nach dem Beihilferecht nicht nachkommt, ohnehin nicht überzeugen: Ist das Beihilferecht spezieller, sind die Sanktionen für Verstöße gegen die Notifizierungspflicht oder das Durchführungsverbot diesem zu entnehmen. Eine fehlende Meldung oder Genehmigung der Beihilfe kann also ebenfalls nicht als Erklärung dafür dienen, daß der EuGH Art. 30 und nicht Art. 92 EWGV angewandt hat. 117 Auch weitere in der Literatur vorhandene Versuche, den Widerspruch zwischen den Urteilen Iannelli und Du Pant aufzulösen, sind m. E. nicht überzeugendYs Im Fall Du Pant lag eine Maßnahme vor, die möglicherweise eine Beihilfe darstellte. Dies hat der EuGH aber nicht untersucht, mit der Begründung, daß die Qualifizierung als Beihilfe nichts am Verstoß gegen Art. 30 EWGV (und damit an der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Maßnahme) ändern würde. Das kann nur heißen, daß die Art. 92 ff. EWGV vom EuGH nicht als Spezialvorschriften zu Art. 30 EWGV gesehen wurden, denn in diesem Fall wäre es darauf angekommen, ob eine Beihilfe vorlag. 119 Im Du Pant-Urteil liegt mithin die Abkehr des EuGH von seiner ursprünglichen Annahme, wonach die Beihilfevorschriften der Warenverkehrsfreiheit grundsätzlich vorgehen. 120 Die Art. 87 ff. n. F.l92 ff. a. F. EGV stellen sich dann nicht als speziellere, sondern als zusätzliche Schranke für solche nationale Maßnahmen vor, die (auch) als Beihilfe zu qualifizieren sind. In seiner neuesten Rechtsprechung bewegt sich der EuGH allerdings möglicherweise wieder eher in Richtung der Iannelli-Grundsätze. In einer Entscheidung zum deutschen Einkommensteuergesetz, das eine Steuervergünstigung für Beteiligungen an ostdeutschen und Berliner Unternehmen gewährte, bestätigte der Gerichtshof zunächst die Entscheidung der Kommission, daß es sich um eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe handele. Die Kommission hatte außerdem einen Verstoß gegen 117 Auf die Nichtgenehmigung abstellend aber P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 174 f; eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 259 f. u. 261 vor 2. (bes. S. 259 Fn. 899), der außerdem anführt, die Notifizierung sei verspätet und fehlerhaft gewesen. 118 p.-eh. Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 30 Rn. 171 u. 344, stellt darauf ab, daß der Beihilfecharakter hier unklar war - dann hätte dieser aber geklärt werden müssen. eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 203 ff, nimmt eine mir nicht einsichtige Differenzierung zwischen "Beihilfe" und "Träger" der Beihilfe vor, die den Unterschied zwischen den beiden Urteilen erklären soll. 119 Ebenso D. Ehlers, JZ 1992, 199 (200 1. Sp. oben). 120 Ebenso J. A. Winter, CMLR 28 (1991), 741 (780 unten); J. M. Ferndndez Mart{n, Procurement (1996), S. 73 unten f; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 35; in etwas vorsichtigerer Formulierung auch D. Ehlers, JZ 1992, 199 f; J. M. Ferndndez Mart{nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (224 unten ff, bes. 226 unten).
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Art. 52 EGV a. F. (jetzt Art. 43) angenommen. Dazu heißt es einerseits, auf der Linie Du Pont. "dass das Verfahren des Artikels 93 EG-Vertrag niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen vorschriften des Vertrages [i.e. hier Art. 52 EGV a.F., N.M.] im Widerspruch steht.,,121 Andererseits fährt der EuGH dann, auf der Linie Iannelli, fort mit den Worten: "Daher kann eine staatliche Beihilfe, die wegen einer ihrer Modalitäten gegen andere Bestimmungen des Vertrages verstößt, nicht von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden.,,122 Ob in diesem Urteil wirklich eine Rückkehr zu den Iannelli-Grundsätzen liegt, erscheint aber eher fraglich. b) Bewertung Die geänderte Linie des EuGH, wie sie im Du Pont-Urteil zum Ausdruck kommt, erscheint mir nicht überzeugend. Wie der EuGH im Iannelli-Urteil im Ansatz selbst angenommen hat, gehen die Beihilfevorschriften den Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit vor. 123 Dasselbe dürfte im Verhältnis zur Dienstleistungsfreiheit gelten. aa) Beihilfen als Spezialfall handelsbeeinträchtigender Maßnahmen Es liegt regelmäßig in der Natur mitgliedstaatlicher Beihilfen, daß diese nur den im jeweiligen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen gewährt werden. 124 Damit begünstigen sie bestimmte inländische Unternehmen und stärken deren Wettbewerbsposition auch gegenüber etwaigen konkurrierenden ausländischen Unternehmen. Dies kann zum einen zur Folge haben, daß die begünstigten Unternehmen mehr exportieren können, und zum anderen, daß ausländische Konkurrenten weniger Erfolg auf dem inländischen Markt haben, daß also weniger importiert wird. Beihilfen sind daher grund121 Diese Aussage klingt sogar so, als seien die Grundfreiheiten gegenüber den Beihilfevorschriften als leges speciales anzusehen. 122 EuGH, Urt. v. 19.9.2000, Rs. C-156/98 - Steuervergünstigungen für Unternehmensbeteiligungen. Slg. 2000 I, 6857 = EuZW 2000, 723 m. Anm. Heidenhain. Tz. 78 (beide Zitate), Hervorhebung von mir. 123 Ebenso schon D. H. Scheuing. Aides (1974), S. 288 ff.; des weiteren J. M. Fernandez Mart{nIO. Stehmann. ELR 16 (1991), 216 (228 ff.), in ihrer ausführlichen Analyse des Du Pont-Urteils; J. M. Fernandez Mart{n. Procurement (1996), S. 74 f.; implizit J. Pietzcker. ZHR 162 (1998), 427 (467). Auch D. Ehlers. JZ 1992, 199 f., geht im Ansatz von Spezialität aus. billigt die Entscheidung aber im Ergebnis (S. 200 a.E.). 124 Vgl. W. Mederer. in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV/EGV. Bd. 2/11 (1999), Vorbem. zu den Art. 92-94 Rn. 10 unter Nr. 1. So ausdrücklich auch EuGH, Urt. v. 7.12.2000, Rs. C-94/99 - ARGE Gewässerschutz. Slg. 2000 I, 11037 = EuZW 2001, 94 = WuW 2001, 108 = WuW/E Verg 390, Tz. 36.
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sätzlich geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen. Sie lassen sich damit regelmäßig unter die weite Dassonville-Forrnel zur Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen i.S.d. Art. 28 (30 a.F.) EGV subsumieren, welche jede Regelung erfaßt, die "geignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern,,125.126 Die (mögliche) Handelsbeeinträchtigung beruht, wie bei anderen unter Art. 28 (30 a. F.) fallenden Maßnahmen auch, auf einer Bevorzugung nationaler Unternehmen. Diese ist der Beihilfe immanent; 127 es geht daher fehl, das Vorliegen einer Beihilfe gerade umgekehrt nur dann zu bejahen, wenn "keine [... ] Diskriminierung [... ] nach der Herkunft stattfindet" 128. Man kann Beihilfen also als einen Spezialfall der handelsbeeinträchtigenden Maßnahmen nach Art. 28 (30 a.F.) EGV verstehen, für den die Art. 87 ff. (92 ff. a.F.) EGV spezielle, den allgemeinen vorgehende Regelungen vorsehen. Dafür spricht auch die Vorschrift des Art. 87 11 a) (92 11 a) a. F.) EGV: Danach sind Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, vorausgesetzt, daß sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden. Diese Einschränkung wäre überflüssig, wenn neben den Beihilfevorschriften ohnehin noch die Grundfreiheiten anzuwenden wären. Diesem Ansatz ist der Sache nach auch der EuGH selbst im Iannelli-Urteil gefolgt, wenn er das Problem wohl auch, über eine entsprechend engere Auslegung des Art. 30 EWGV, schon auf der Tatbestands- und nicht erst auf der Konkurrenzebene lösen wollte. 129 Dem Verständnis der Beihilfevorschriften als leges speciales zur Warenverkehrsfreiheit steht nicht entgegen, daß die Art. 87 ff. (92 ff. a. F.) EGV im Wettbewerbs-Kapitel des Vertrages (Art. 81 ff. n.F.l85 ff. a.F. EGV) stehen. Die Reglementierung der mitgliedstaatlichen Beihilfegewährung hat 125
Rspr.
EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 - Dassonville, Slg. 1974, 837, Tz. 5; st.
126 Ebenso (Beihilfen auch Maßnahmen gleicher Wirkung) D. H. Scheuing, Aides (1974), S. 289 (vor der Dassonville-Rechtsprechung); A. Schramme, Revue trimestrielle de droit europeen 1985, 487 (487, 490 f. u. 50l); J. M. Ferndndez Martini O. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (228 unten f.); J. M. Ferndndez Martin, Procurement (1996), S. 74 unten; in etwas vorsichtigerer Formulierung auch J. A. Winter, CMLR 28 (1991), 741 (779). 127 So ausdrücklich auch EuGH, Urt. ARGE Gewässerschutz (Fn. 124), Tz. 36. 128 So A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (689 Mitte), für die öffentliche Auftragsvergabe. 129 Vgl. das oben bei Fn. 106 wiedergegebene Zitat aus dem Urteil. Andere ebenfalls von Altemativität der Vorschriften ausgehende Lösungen auf der Tatbestandsebene verfolgen L. Ose, Beihilfen und Maßnahmen (1976), vgl. S. 10 unten f. u. S. 196 ff., und wohl auch A. Martin-Ehlers, WuW 1999,685 (688 f.).
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mit den Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit das Ziel der Gewährleistung eines möglichst unbeeinträchtigten innergemeinschaftlichen Handels gemein, wobei die Beihilfevorschriften dieses Ziel unter dem besonderen Aspekt der Verhinderung von WettbewerbsverHUschungen verfolgen. 130 Die wettbewerbs verfälschende Wirkung von Beihilfen ist EG-rechtlich nur relevant, soweit der innergemeinschaftliche Handel beeinträchtigt wird (Art. 87 I a. E. EGV).13I Es handelt sich allerdings nicht um ein vollständiges Spezialitätsverhältnis, denn Beihilfen, die nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, können nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung qualifiziert werden. Diese sind dann von vornherein nur nach Art. 87 (92 a. F.) EGV zu beurteilen und danach nicht verboten (Art. 87 I a. E. EGV). Dies sind aber Ausnahmefälle,132 die nichts daran ändern, daß das Verhältnis von Art. 87 (92 a.F.) zu Art. 28 (30 a.F.) EGV sich als Spezialitätsverhältnis darstellt. bb) Unterschiede zwischen den Art. 87 ff. und Art. 28 ff. EGV Würden abweichend hiervon Beihilfen stets oder in bestimmten Fällen auch an der Warenverkehrsfreiheit gemessen, könnten die Besonderheiten, die die Art. 87 ff. (92 ff. a. F.) gegenüber den Art. 28 ff. (30 ff. a. F.) EGV aufweisen, keine Wirkung mehr entfalten. 133 Die Unterschiede zwischen den Vorschriften sind aber bedeutend: Das Verbot des Art. 28 (30 a.F.) dient der Freiheit des innergemeinschaftlichen Waren verkehrs. Es ist hinreichend klar und unbedingt und daher unmittelbar anwendbar. 134 Die nationalen Gerichte können und müssen es mithin als Maßstab zur Beurteilung staatlicher Maßnahmen heranziehen. 130 Das gemeinsame Ziel der Vorschriften betont auch der EuGH in seinen neueren Urteilen, s. Steuervergünstigungen für die Presse, Tz. l3; Energiesparjahrzeuge, Tz. 19 (beide oben Fn. 109); Du Pont (oben Fn. 98), Tz. 20. Der EuGH zieht dies jedoch als Argument für eine kumulative Anwendung heran. 131 Vgl. zur Eignung zur Handelsbeeinträchtigung als gemeinsames und zur (drohenden) Wettbewerbsverfälschung als zusätzliches Element auch D. Ehlers, JZ 1992, 199 (200 I. Sp. Mitte). 132 Vgl. V. Götz, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 44. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind allerdings die de-minimis-Regeln, die die Anmeldepflicht betreffen; s. dazu unten 5. 133 Vgl. hierzu die Ausführungen des EuGH in der lannelli-Entscheidung (oben Fn. 105), Tz. 9 ff. (bes. 11 f.); des weiteren wird die Bedeutung der Besonderheiten der Beihilfevorschriften betont von J. A. Winter, CMLR 28 (1991), 741 (779); D. Ehlers, JZ 1992, 199 (200 I. Sp. Mitte); J. M. Ferndndez MartfnlO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (228 f.); J. M. Ferndndez Martfn, Procurement (1996), S. 74 f. 134 EuGH, Urt. lannelli & Volpi (oben Fn. 105), Tz. l3.
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Ausnahmen vom Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung sind nur in eng umgrenzten Fällen nach Maßgabe der Cassis-Rechtsprechung des EuGH (d.h. aufgrund zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses)135 oder nach Maßgabe des Art. 30 (36 a. F.) EGV zulässig. Wirtschaftspolitische Zielsetzungen können dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich nicht als Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen dienen. 136 Die Beihilfevorschriften hingegen dienen sowohl dem Schutz des Wettbewerbs und des innergemeinschaftlichen Handels als auch der begrenzten Ermöglichung mitglied staatlicher Struktur- und Sozialpolitik durch Gewährung von Beihilfen 137 . Zur Verfolgung von Zielen, die der Wettbewerb (allein) nicht erreichen kann, lassen sie ausnahmsweise - in einem bestimmten Rahmen - wirtschaftspolitisch begründete Maßnahmen in Form von Beihilfen zu (s. Art. 87 11, III n. F./92 11, III a. F. EGV).138 Der Kommission kommt die Aufgabe zu, die Beihilfepolitik der Mitgliedstaaten zu überwachen (s. Art. 88 n. F./93 a. F. EGV, nunmehr konkretisiert durch die Verfahrensverordnung von 1999 139 ). Sie hat insbesondere darüber zu entscheiden, ob eine Beihilfe gemäß Art. 87 III EGV genehmigt werden kann; dabei verfügt sie über Beurteilungs- und Ermessensspielräume. Für die Entscheidung ist ausschlaggebend, ob die mitgliedstaatliche Maßnahme ein nach Art. 87 III EGV legitimes Ziel verfolgt, sie erfolgversprechend ist und auch in Anbetracht drohender Wettbewerbsverfalschungen und Handelsbeeinträchtigungen gerechtfertigt werden kann. 140 Aufgrund dieser EntscheiEuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 - Cassis de Dijon, Sig. 1979,649, Tz. 8. EuGH, Urt. v. 7.2.1984, Rs. 238/82 - Duphar, Sig. 1984, 523, Tz. 23 (zu Art. 36 EWGV Getzt Art. 30 EGV»; Urt. v. 26.4.1988, Rs. 352/85 - Bond van Adverteerders, Sig. 1988, 2085, Tz. 34 (zum Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. 56 EWGV Getzt Art. 46 EGV»; Urt. v. 5.6.1997, Rs. C-398/95 - SEITG, Slg. 1997 I, 3091, Tz. 23 (zum zwingenden Grund des Allgemeininteresses bei der Dienstleistungsfreiheit); Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 - Decker, Slg. 1998 I, 1831, Tz. 39 (zu Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit). 137 VgI. im Hinblick auf diese zweite Funktion EuGH, Urt. v. 27.3.1980, Rs. 61/ 79 - Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Tz. 31. 138 s. W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Vorbem. zu den Art. 92-94 Rn. 3; vgI. auch dens., a. a. 0., Art. 92 Rn. 68 ff., zur Ermessensausübung im Rahmen des Art. 92 III EGV a. F. 139 VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999, ABI. Nr. L 83/1 (VerfahrensVO); erlassen aufgrund der Ermächtigung des Art. 94 EGV a.F. zum Erlaß von Durchführungsverordnungen. Abgedruckt auch in EuZW 1999, 277 ff. und NVwZ 1999, 1090 ff. sowie bei W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), hinter Art. 93 EGV (S. 1984 ff.). S. dazu etwa A. Sinnaeve, EuZW 1998, 268 ff. (zum Verordnungsvorschlag); dies., EuZW 1999, 270 ff.; W. Mederer, a. a. 0., Art. 93 Rn. 5 ff. 140 s. zur Entscheidung der Kommission nach Art. 92 III EGV a. F. Getzt Art. 87 III) G. v. Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 92 (1996) 135
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dungskompetenz der Kommission kommt Art. 87 (92 a. F.) EGV keine unmittelbare Anwendbarkeit ZU. 141 Unmittelbar anwendbar ist lediglich das Durchführungsverbot des Art. 88 III S. 3 (93 III S. 3 a. F.) EGV. 142 Art. 87 f. (92 f. a. F.) EGV erlaubt also eine flexible Einzelfallprüfung durch die Kommission unter Berücksichtigung insbesondere strukturpolitischer (z. B. regionalpolitischer) Zielsetzungen; Art. 28 (30 a. F.) EGV hingegen ist strikt und schließt die Berücksichtigung solcher Zielsetzungen aus. Die Beihilfevorschriften erlauben in einem gewissen Rahmen die Verfolgung politischer Zielsetzungen auch dann, wenn dies zu Handelsbeeinträchtigungen führt oder führen kann. Würde man nun Beihilfen auch an Art. 28 (30 a.F.) EGV messen, bliebe dafür kein Raum mehr. Mit dem flexiblen Regime der Beihilfevorschriften läßt sich auch die bei Bevorzugungen im öffentlichen Auftragswesen gegebene Besonderheit gegenüber anderen Beihilfen, die in dem unmittelbaren Eingriff in den Wettbewerb liegt, in den Griff bekommen. Diesen Umstand kann die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme gemäß Art. 87 III EGV gebührend berücksichtigen. cc) Ausnahmsweise Prüfung einzelner Bestandteile am Maßstab der Grundfreiheiten? Gehen die Art. 87 ff. (92 ff. a.F.) den Art. 28 ff. (30 ff. a.F.) EGV also grundsätzlich vor, so ist es doch denkbar, daß Beihilfen im Einzelfall so gestaltet sind, daß eine Beeinträchtigung des Warenverkehrs über das hinaus vorliegt, was jeder Beihilfe immanent ist. In diesem Fall könnte man an eine ausnahmsweise separate Prüfung der fraglichen Bestandteile am Maßstab der Grundfreiheiten denken, wie es der EuGH im Iannelli-Fall angenommen hat. Im Fall der französischen Pressesubventionen 143 zum Beispiel wäre dieser Bestandteil die Beschränkung der Subventionen auf im Inland gedruckte Presseerzeugnisse. Fraglich ist allerdings, ob mit dieser Beschränkung nicht gerade ein weiteres Subventionsziel verfolgt werden sollte, nämlich die Subvention (französischer) Druckereien zusätzlich zur Subvention der (französischen) Presse, so daß die Regelung auch insoweit an den Beihilfevorschriften zu messen wäre. Außerdem läßt sich auch im Rn. 41 ff.; W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 65 ff. 141 s. EuGH, Urt. v. 22.3.1977, Rs. 78176 - Steinike und Weinlig, Slg. 1977,595, Tz. 5 ff. 142 s. EuGH, Urt. v. 11.12.1973, Rs. 120173 - Lorenz, Slg. 1973, 1471, Tz. 8; Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 - Saumon, Slg. 1991 1,5505, Tz. 11. Das Durchführungsverbot ist jetzt auch in Art. 3 VerfahrensVO (s. Fn. 139) normiert. 143 s. o. Fn. 109.
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Rahmen der Beihilfeaufsicht nach Art. 88 (93 a. F.) EGV prüfen, ob eine nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen HandeIsverkehrs vorliegt. Angesichts der Ungewißheiten und Schwierigkeiten, die eine Anwendung der Iannelli-Rechtsprechung mit sich bringen würde,l44 ist es daher vorzugswürdig, Beihilfen einheitlich nur dem Regime der Art. 87 ff. (92 ff. a. F.) EGV zu unterwerfen. 145 3. Bevorzugungen im öffentlichen Auftragswesen als Beihilfe
Die Frage ist nun, ob resp. wann sich die Vergabe öffentlicher Aufträge als Beihilfe darstellt. Zu beachten ist dabei, daß der Begriff der Beihilfe sowohl Beihilfeprogramme als auch einzelne Beihilfemaßnahmen umfaßt. 146 Hier kommen also sowohl die Bevorzugungsregelungen als auch die Vergabe einzelner Aufträge in Anwendung einer Bevorzugungsregelung in Betracht. Es sind darüber hinaus auch noch weitere Fälle der Vergabe öffentlicher Aufträge denkbar, die eine Beihilfe darstellen könnten. So hatte das Gericht erster Instanz (EuG) z. B. einen Fall zu entscheiden, in dem es nicht um die Vergabe eines Auftrags in Anwendung einer Bevorzugungsregelung ging, sondern um einen einzelnen überdotierten Vertrag. 147 Schließlich wird auch im Hinblick auf die Tariftreueregelungen diskutiert, ob diese eine Beihilfe beeinhalten. Die folgende Untersuchung beschränkt sich grundsätzlich auf Bevorzugungsregelungen. Außerdem werden noch kurz die Tariftreueregelungen untersucht (unter a) cc». a) Vorteilsgewährung aa) Beihilfe als Gewährung eines Vorteils ohne adäquate Gegenleistung Der Begriff der Beihilfe ist im Vertrag nicht definiert. Auch die Verfahrensverordnung 148 enthält für ihren Anwendungsbereich keine Bestimmung des Beihilfebegriffs; sie verweist in lit. a) des Art. I (Definitionen) vielmehr zurück auf Art. 92 I EGV (a. F.). Vgl. oben Fn. 108. Gegen eine gesonderte Beurteilung einzelner Beihilfebestandteile auch GA Wamer in der Rs. lannelli, Slg. 1977, 581, 590 r. Sp.; kritisch auch J. M. Femandez Mart[nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (226 f.). 146 Vgl. auch Art. 1 c)--e) VerfahrensVO (s. Fn. 139). 147 EuG, Urt. v. 28.1.1999, Rs. T-14/96 - BAI, Slg. 1999 II, 139 = EuZW 1999, 665 m.Anm. Lübbig. S. hierzu noch unten a) bb). 148 s.o. Fn. 139. 144 145
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Einigkeit besteht darin, daß der Begriff weit zu verstehen ist, wie auch der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, der von "Beihilfen gleich welcher Art" spricht. 149 Insbesondere wird nicht lediglich die klassische Subvention in der Form der Zahlung eines verlorenen Zuschusses erfaßt. In der Rechtsprechung des EuGH heißt es dementsprechend, daß der Begriff nicht nur "positive Leistungen wie Subventionen selbst" erfasse, sondern auch "Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen".15o Es kommt dabei allein auf die Wirkung der Maßnahme an. 151 Diese muß sich als Begünstigung des oder der Unternehmen auswirken, d.h. als Gewährung eines Vorteils, für den keine (adäquate) Gegenleistung erbracht wird. 152 Als Maßstab zur Beurteilung der Frage, ob eine solche Begünstigung vorliegt, setzt sich mehr und mehr der Vergleich mit dem Verhalten eines (idealtypischen) privaten Marktteilnehmers durch. 153 Abgegrenzt wird nach der "marktrelative[n] Günstigkeit,,154 einer Maßnahme oder danach, ob es sich um einen "normalen wirtschaftlichen Vorgang,,155 handelt. Unentgeltlichkeit der Leistung ist nach zutreffender und inzwischen wohl überwiegender Ansicht nicht erforderlich. 156 Dies ergibt sich daraus, daß die dem Begünstigten gewährten Vorteile die von ihm zu erbringende Leistung übersteigen können, so daß keine adäquate Gegenleistung gegeben ist. Eine Beihilfe kann daher auch dann vorliegen, wenn der Begünstigte ebenfalls eine Leistung zu erbringen hat. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Beantwortung der Frage, wo genau in diesen Fällen die Grenze verläuft.
s. p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (415 unten f.) m.w.N. EuGH, Urt. v. 15.3.1994, Rs. C-387/92 - Banco Exterior de Espafia, Slg. 1994 I, 877, Tz. 13; Urt. v. 1.12.1998, Rs. C-200/97 - Ecotrade, Slg. 1998 I, 7907, Tz. 34. S. zu dieser "Doppelform" des Beihilfebegriffs W. Mederer, in: Groeben/ Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 5. 151 s. näher p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (416 f.) m.N. 152 eh. Koenig/A. Haratsch, EuropaR (2000), Rn. 683. 153 s. A. Bartosch, EuZW 2001, 229 (231 1. Sp.) m.N. der Rspr. des EuG. 154 p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988),403 (418). 155 F.-H. Wenig, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, Bd. 2 (4. Aufl. 1991), Art. 92 Rn. 5. 156 So etwa p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (418 oben); W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 6; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 31 f. 149 150
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bb) Qualifikation von Bevorzugungsregelungen als Vorteilsgewährung i. d. S. Für die Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bedeutet dies zunächst, daß eine Qualifizierung als Beihilfe nicht schon deshalb ausscheidet, weil auch die Auftragnehmer eine Leistung, nämlich die Ausführung des jeweiligen Auftrags, zu erbringen haben. 157 So hat es nun auch das Gericht erster Instanz (EuG) in dem oben bereits erwähnten Urteil ausdrücklich entschieden. Es hatte einen Fall zu beurteilen, indern eine Gebietskörperschaft mit einer Schiffahrtsgesellschaft einen Vertrag über den Erwerb von Reisegutscheinen schloß, die im Rahmen sozialer und kultureller Programme an bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgegeben wurden. Das Gericht führte aus, das Vorliegen einer Beihilfe könne nicht allein deshalb verneint werden, weil sich die Vertragsparteien zu gegenseitigen Leistungen verpflichteten. ls8 Die Prüfung der Maßnahme, d.h. des Vertrages, führte im konkreten Fall dann auch zu einer Bejahung der Beihilfeeigenschaft. 159 Ist also einerseits Unentgeltlichkeit der Leistung keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Beihilfe, so liegt andererseits in der Erteilung eines öffentlichen Auftrags gewiß noch nicht ohne weiteres eine Beihilfe. 16o Unter welchen Umständen insoweit eine Beihilfe zu bejahen ist, ist eine ebenso schwierige wie umstrittene Frage. 161 Das Urteil des EuG hilft hier aufgrund der zugrundeliegenden speziellen Fallkonstellation nicht viel weiter. Dort ging es nicht um eine Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, sondern um einen einzelnen Vertrag, der nach Ansicht des Gerichts kein "normales Handelsgeschäft" war, da die gegenseitigen Verpflichtungen bei
157 F.-H. Wenig, in: Groeben/Thiesing/Ehlennann, EWGV, Bd. 2 (4. Aufl. 1991), Art. 92 Rn. 5; i. E. auch G. v. Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 92 (1996) Rn. 7. Anders aber V. Götz, Wirtschaftssubventionen (1966), S. 22 (so nicht aufrechterhalten in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 41); grundsätzlich auch J. Thiesing, in: Groeben/Boeckh/Thiesing/Ehlennann, EWGV, Bd. 1 (3. Aufl. 1983), Art. 92 Rn. 16 ff.: das Vorliegen einer Beihilfe komme bei entgeltlichen Leistungen "höchstens in krassen Ausnahmefällen" in Betracht (Rn. 19), Bevorzugungregelungen seien "grundsätzlich nicht als Beihilferegelungen anzusehen" (Rn. 20). 158 Urt. BAI (oben Fn. 147), Tz. 71. 159 Urt. BAI (oben Fn. 147), Tz. 71 ff. (82). 160 Anders aber anscheinend F.-J. Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte (1977), S. 190, der betont "daß in jedem Falle dem Auftragnehmer die Gelegenheit gegeben wird, sich mit Gewinn zu betätigen". 161 Auch im deutschen Recht hat die Diskussion über den Subventionscharakter der Erteilung öffentlicher Aufträge Tradition, s. etwa F.-J. Kunert, Bedarfsdekkungsgeschäfte (1977), S. 189 f. m. w. N.; vgl. auch J. Pietzcker, Staatsauftrag (1978), S. 319 m.N.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles nicht in angemessener (marktgerechter) Relation standen. 162
In der Literatur werden zu der Frage, wann Bevorzugungsregelungen im öffentlichen Auftragswesen eine Beihilfe darstellen, im wesentlichen drei Ansichten vertreten. Nach einer verbreiteten Auffassung liegt eine Beihilfe dann vor, wenn für den Auftrag ein nicht mehr im Rahmen des Marktüblichen liegendes Entgelt gezahlt wird. 163 Dies wird eher selten der Fall sein. Bevorzugungsregelungen dürften meist nicht zur Folge haben, daß ein die Obergrenze der marktüblichen Preise übersteigendes Entgelt gezahlt wird. Dementsprechend halten die Vertreter dieser Auffassung diesen Fall meist auch für praktisch irrelevant. Nach anderer Ansicht ist eine Beihilfe dann gegeben, wenn der Auftrag aufgrund einer Bevorzugungsregelung mit Mehrpreisgewährung an einen Bieter erteilt wird, der nicht das günstigste Angebot abgegeben hat;l64 d.h. unabhängig davon, ob das Entgelt noch im Rahmen des Marktüblichen liegt. Dieser Ansicht zufolge ist also nicht der Gesamtmarkt, d.h. die allgemein am Markt vorhandene Preisspanne zu betrachten, sondern das konkrete Vergabeverfahren und die dabei erzielten oder erzielbaren Angebote. Fraglich ist, wie Reservierungsquoten wie im Fall Du Pont auf der Grundlage dieser Ansicht zu beurteilen wären. Durch die Reservierung der Aufträge für bestimmte Unternehmen werden alle anderen Unternehmen von vornherein von der Abgabe von Angeboten ausgeschlossen. Bei offenem Wettbewerb könnten im konkreten Vergabeverfahren wahrscheinlich günstiVrt. BAI (oben Fn. 147), Tz. 73 ff. So L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991192), S. 63; V. Götz, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 41; Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 246; A. Bartosch, EuZW 2001, 229 (231 unter 2., s. auch 232 vor IV.); J. Ziekow, NZBau 2001, 72 (78 r. Sp. oben); nicht eindeutig P.-Chr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403, der auf S. 419 f. dieser Meinung zu folgen scheint, in der Zusammenfassung auf S. 436 unter 7. b) jedoch nicht nur "überhöhtes Entgelt", sondern auch "Bieterbevorzugung" (vg1. zu diesem Aspekt sogleich zur dritten Ansicht) als mögliches Begünstigungselement nennt; nicht eindeutig auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 82, die von dieser Ansicht ausgeht, ein nicht mehr im Rahmen des Marktüblichen liegendes Entgelt aber stets bei Mehrpreissystemen annimmt (vg1. sogleich zur zweiten Ansicht). 164 Vg1. so I. Seidel, EuR 1990, 158 (164); J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (467); U. Rust, EuZW 1999, 453 (455 1. Sp.); A. Boesen, VergabeR (2000), § 97 Rn. 130; i.E. auch M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 33 f. u. 758 unten f. Vg1. des weiteren M. Knipper, WuW 1999, 677 (684); A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (689), und O. Wittig, Probleme (1999), S. 56 unten f., die nicht ausdrücklich die Bevorzugungsregelungen mit Mehrpreisgewährung nennen, aber darauf abstellen, ob der Zuschlag nicht auf das annehmbarste bzw. wirtschaftlichste Angebot erteilt wurde. 162
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gere Angebote erzielt werden. Bei Zugrundelegung einer solchen hypothetischen Betrachtung wäre das Vorliegen einer Beihilfe auf der Basis dieser Ansicht zu bejahen. 165 Im Falle der Bevorzugungsregelungen ohne Mehrpreisgewährung sowie der Einräumung eines Eintrittsrechts in das günstigste Angebot liegt aber auch nach dieser Ansicht keine Beihilfe vor. 166 Beide dargelegten Ansichten führen zu dem Ergebnis, daß die Bevorzugung bei gleichwertigen Angeboten sowie die Gewährung eines Eintrittsrechts keine Beihilfe darstellen und damit an der Warenverkehrs- bzw. Dienstleistungsfreiheit zu messen sind, während den Wettbewerb stärker beschränkende Regelungen - nach der erstgenannten Ansicht auch diese nur in extremen Fällen - dem Beihilferegime unterfallen. Die schwächeren Regelungen wären damit dem schärferen Regime unterworfen. Dieses Ergebnis erscheint widersinnig. Scheuing plädierte namentlich aus diesem Grund schon 1974 dafür, auch die erstgenannten Regelungen als Beihilfen anzusehen und sie damit den Art. 92 ff., nicht aber Art. 30 EWGV zu unterwerfen. 167 Für diese Lösung sprechen auch noch folgende Erwägungen: Die Vorteils gewährung bei der Auftragsvergabe kann einmal, und dieser Ansatz ist den beiden oben dargelegten Ansichten gemein, in der Zahlung eines überhöhten Preises gesehen werden. Der Sinn von Bevorzugungsregelungen ist jedoch weniger die Subventionierung über die Zahlung eines Mehrpreises als vielmehr die Subventionierung über die Erteilung des Auftrags selbst 168 und die damit verbundene Möglichkeit zur Realisierung eines Gewinns, u. U. auch zur Erweiterung der Marktchancen. Die Erteilung eines öffentlichen Auftrags allein stellt zwar noch keine Beihilfe dar. Anders liegt es jedoch, wenn, wie hier, eine planmäßige Bevorzugung bestimmter Unternehmen aufgrund nicht marktmäßiger Gesichtspunkte erfolgt. 169 Die Zuschlagserteilung stellt dann keinen "normalen wirtschaftlichen Vorgang" dar, sondern beruht, wie Scheuing schreibt, auf Kriterien "tenant a l',economie du don ".170. In der Anwendung von Bevorzugungsregelungen 165 Für Vorliegen einer Beihilfe im Fall Du Pont J. M. Femandez Martini O. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (240 f.); J. M. Femandez Martin, Procurement (1996), S. 85, die auch noch auf weitere Aspekte abstellen (s. noch sogleich Fn. 168); dagegen GA Lenz, Slg. 1990 I, 902, 913 unter Nr. 56 ff. 166 Für den Fall des Eintrittsrechts ausdrücklich, wenn auch mit der Relativierung, daß hier "regelmäßig" der Beihilfecharakter abzulehnen sein dürfte, A. Boesen, VergabeR (2000), § 97 Rn. 131. 167 D. H. Scheuing, Aides (1974), S. 290. 168 Vgl. J. M. FemandezMartinlO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (240 f.); J. M. Femandez Martin, Procurement (1996), S. 85, die u.a. darauf abstellen, daß die Reservierungsquote den Unternehmen mehr Aufträge verschafft. 169 In diese Richtung möglicherweise auch P.-ehr. Müller-Graf!, ZHR 152 (1988),403 (436 unter 7. b); s. aber andererseits S. 419 f. - vgl. Fn. 163). 11*
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ist damit stets die Gewährung eines Vorteils ohne (adäquate) Gegenleistung zu sehen. cc) Qualifikation von Tariftreueregelungen als Vorteilsgewährung i. d. S.? Schließlich ist noch zu untersuchen, ob auch in den gesetzeserweiternden Tariftreueregelungen eine Vorteilsgewährung i. S. d. Beihilfevorschriften liegt. In seiner Entscheidung zur Berliner Tariftreueerklärung hat das Kammergericht die Frage aufgeworfen, ob diese Praxis nicht eine unzulässige Beihilfe darstelle. I71 Es hat sie aber offengelassen, da es aus anderen Gründen einen Verstoß gegen § 26 11 I GWB a. F. Getzt § 20 I) angenommen hat. Eine Vorteilsgewährung könnte hier unter zweierlei Aspekten zu bejahen sein. Einmal ist denkbar, daß die Tariftreueregelung dazu führt, daß Aufträge zu höheren Preisen vergeben werden als den marktüblichen Preisen bzw. den Preisen, die sich beim Wettbewerb um die Aufträge ohne die Regelung ergeben würden. l72 Begünstigt wären damit alle Unternehmen der Bauindustrie. Den höheren Preisen stehen aufgrund der Verpflichtung zur Zahlung des Tariflohns aber höhere Kosten der Unternehmen gegenüber. Im Ergebnis erlangen diese damit keinen Vorteil. Die Regelung könnte aber die Bevorzugung bestimmter Bauunternehmen bewirken, indem diese mehr Aufträge erhalten als es ohne die Regelung der Fall wäre. Insoweit ist zunächst einmal fraglich, welche Unternehmen begünstigt sein könnten. In der Entscheidung des Kammergerichts heißt es, die Regelung diene dem Schutz tarifgebundener Berliner Unternehmen. 173 An anderer Stelle scheint das Gericht dagegen als Begünstigte der Regelung alle Berliner Unternehmen zu sehen,174 und an wieder anderer Stelle alle tarifgebundenen Unternehmen 175. Angesichts dessen, daß nach der für 170 D. H. Scheuing, Aides (1974), S. 290; wörtlich zu übersetzen in etwa mit: "resultierend aus einer Wirtschaft des Geschenks". 171 KG, Beschl. v. 20.5.1998, Kart 24/97 - Tariftreueerklärung, WuW 1998, 1023 (1030 Mitte) = WuW/E Verg 111 (118 Mitte) = ZIP 1998, 1600 (1607 1. Sp. oben). 172 M. Knipper, WuW 1999, 677 (684), bejaht das Vorliegen einer Beihilfe, wenn "ein Bieter aufgrund seiner Tariftreueerklärung den Zuschlag erhält, obwohl er im Wettbewerb nicht das annehmbarste Angebot abgegeben hat." Nach V. Rieble, NZA 2000, 225 (233 r. Sp.), liegt in der Tariftreueregelung eine Beihilfe, da sie zu höheren Baupreisen für die öffentliche Hand führe. 173 KG (Fn. 171), WuW 1998, 1023 (1028 unter 3.) = WuW/E Verg 111 (116) = ZIP 1998, 1600 (1605 r. Sp.). 174 KG (Fn. 171), WuW 1998, 1023 (1029 f.) = WuW/E Verg 111 (117 f.) = ZIP 1998, 1600 (1606 r. Sp.).
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allgemeinverbindlich erklärten Regelung in § 5 Nr. 6 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) alle tarifgebundenen Unternehmen (mindestens) den Lohn der Baustelle zu zahlen haben, erscheint, so überhaupt eine begünstigende Auswirkung vorliegt, die letztgenannte Deutung naheliegend. Auf der anderen Seite spricht die Intention des Berliner Senats, mit der Regelung auch zur Sicherung der Existenz der Berliner Bauunternehmen und damit zum Erhalt Berliner Arbeitsplätze beizutragen,176 dafür, daß die Berliner Unternehmen begünstigt werden sollten. Ob die Regelung sich tatsächlich dahingehend auswirkt, daß eine vermehrte Auftragserteilung an tarifgebundene oder an Berliner Unternehmen erfolgt, ist ebenfalls unklar. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte, erschiene die Qualifizierung als Beihilfe zweifelhaft. Denn im Ausgangspunkt geht es hier um eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und den Erhalt des Tarifsystems l77 und damit um Themen, die nicht dem Beihilferegime unterfallen. Zwar ist es im Ansatz richtig, zur Bestimmung der Beihilfeneigenschaft einer Maßnahme nicht primär auf Benennung, Form und Zielsetzung der Maßnahme, sondern auf deren Wirkungen abzustellen. Eine solche Betrachtungsweise trägt jedoch zugleich die Gefahr einer uferlosen Ausdehnung des Tatbestandes in sich und ist daher nur mit Bedacht anzuwenden. Die Tariftreueregelungen unter den Beihilfebegriff zu subsumieren, würde m. E. zu weit führen. b) Staatliches Finanzopfer Neben der Vorteils gewährung ist nach der Rechtsprechung des EuGH weiter die Belastung staatlicher Mittel, d.h. ein staatliches Finanzopfer Begriffsmerkmal der Beihilfe. Dieser Rechtsprechung zufolge sind nur solche Vorteile Beihilfen, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden,178 wobei "staatlich" im weiten Sinne zu verstehen ist 179 .
175 KG (Fn. 171), WuW 1998, 1023 (1030) = WuW/E Verg 111 (118) = ZIP 1998, 1600 (1607 1. Sp.). 176 Vg1. Stellungnahme der Berliner Senatsverwaltung im Verfahren vor dem BKartA, Besch1. des BKartA v. 3.11.1997, B5-75123-VX-61/95 - Tariftreue, WuW 1998,207 (215 unten f.) = WuW/E Verg 7 (15 unten f.). 177 Vg1. näher unten im 3. Kap. unter C. III. 2. c) ce) (2) ß) m.N. 178 EuGH, Urt. v. 24.1.1978, Rs. 82/77 - Van Tiggele, Slg. 1978,25, Tz. 23/25; Urt. v. 17.3.1993, Rs. C-72 u. 73/91 - Sloman Neptun, Slg. 1993 I, 887, Tz. 19; Urt. v. 30.11.1993, Rs. C-189/91 - Kirsammer-Hack, Slg. 1993 I, 6185, Tz. 16; Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-52-54/97 - ViscidolEnte Poste Italiane, Slg. 1998 I, 2629, Tz. 13; Urt. v. 13.3.2001, Rs. C-379/98 - PreussenElektra (Stromeinspeisungsgesetz), EuZW 2001, 242 m.Anm. Ruge, Tz. 58. 179 Vg1. dazu noch unten unter d) zur Zurechenbarkeit an den Staat.
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Fraglich erscheint das Vorliegen eines solchen Finanzopfers hier jedenfalls im Hinblick auf die Fälle der Gewährung eines Eintrittsrechts und der Bevorzugung bei gleichwertigen Angeboten ohne Mehrpreisgewährung. Zunächst liegt die Schlußfolgerung nahe, daß mangels Finanzopfers insoweit keine Beihilfe gegeben ist. In der Literatur wird das Erfordernis des staatlichen Finanzopfers für die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe allerdings teilweise abgelehnt. 180 Betrachtet man die Fälle, die mittels dieses Kriteriums aus dem Anwendungsbereich des Beihilferegimes ausgeschieden werden sollen,181 zeigt sich aber, daß es sinnvoll ist, an diesem festzuhalten: Einmal geht es um Fälle, in denen Mittel anderer als des Staates belastet werden - so im Fall Van Tiggele die Finanzen der Verbraucher bei der Festsetzung von Mindestpreisen für alkoholische Getränke und im Urteil zum Stromeinspeisungsgesetz die der Stromversorgungsunternehmen. Des weiteren sind hier die Fälle zu nennen, in denen eine Belastung des Staatshaushalts erst eine mögliche mittelbare Folge der Maßnahme ist - so im Fall Sloman Neptun, wo es um das deutsche Internationale Seeschiffahrtsregister ging, das die Vergütung ausländischer Seeleute unter deutschen Tarifen ermöglicht und so ggf. auch zu geringeren Einnahmen an Sozialversicherungabgaben und Steuern führt. Schließlich sollen Fälle ausgeschieden werden, in denen sich gar keine finanzielle Belastung als Gegenstück der Begünstigung ausmachen läßt - so in den Fällen Kirsammer-Hack und Ente Poste Nationale, die jeweils die Befreiung bestimmter Unternehmen von einzelnen arbeitsrechtlichen Vorschriften betrafen. Es handelte sich in allen Fällen schlicht um Regelungen des Wirtschaftslebens, die für die betreffenden Unternehmen vorteilhaft sind, ohne daß jedoch ein Bezug zu den staatlichen Finanzen besteht. Es wäre nicht angemessen, sie dem Beihilferegime zu unterwerfen. Auch das Merkmal der Spezifität der Beihilfe 182 kann diese Fälle nur zum Teil aus dem Anwendungsbereich der Art. 87 ff. (92 ff. a.F.) EGV ausgrenzen. Würde man auf das Erfordernis des staatlichen Finanzopfers verzichten, könnte man beinahe jede staatliche Intervention in das Wirtschaftsleben dem Beihilferegime unterwerfen. 183 Zugleich aber wird bei der Betrachtung der genannten Urteile deutlich, daß die Fälle, die dieses Erfordernis im Blick hat, anderer Art sind als der 180 So etwa M. M. Slotboom, ELR 20 (1995), 289 ff. (301); eh. Koenig/J. Kühfing, EuZW 1999,517 (521 1. Sp.); ebenso GA Darmon in den Rs. Sloman Neptun, Slg. 1993 I, 903, 905 ff. unter Nr. 12 ff. (insbs. S. 912 unter Nr. 40 f.), u. (zusammenfassend) Kirsammer-Hack, Slg. 1993 I, 6197, 6200 f. unter Nr. 18 ff. 181 Nachweise s. Fn. 178. 182 Dazu sogleich unter c). 183 s. die ausführliche Argumentation bei U. Soltesz, EuZW 1998, 747 (750 f. unter III., insbs. unter 2. a)).
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hier interessierende. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden, im Gegensatz zu diesen Fällen, durchaus staatliche Mittel auf die Auftragnehmer übertragen. Die Tatsache, daß in den Fällen der Bevorzugung bei gleichwertigen Angeboten und der Gewährung eines Eintrittsrechts keine Mehrpreiszahlung vorliegt, ist nicht für die Frage der Belastung staatlicher Mittel von Belang, sondern für die Frage, ob dem Unternehmen ein Vorteil ohne (adäquate) Gegenleistung gewährt wird. Dies wurde oben (a) bb» bereits bejaht. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Anwendung von Bevorzugungsregelungen handelt es sich nicht lediglich um für die Betreffenden vorteilhafte Regelungen des Wirtschaftslebens, die keinen Bezug zu den staatlichen Finanzen haben. 184 Das Erfordernis des staatlichen Finanzopfers steht daher, richtig verstanden, einer Qualifizierung auch solcher Bevorzugungsregelungen als Beihilfe nicht entgegen, die keine Mehrpreiszahlung durch den Auftraggeber mit sich bringen. c) Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige Die Qualifizierung einer staatlichen Maßnahme als Beihilfe i. S. d. Art. 87 I (92 I a.F.) EGV setzt schließlich noch voraus, daß bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt werden (Spezifitäts-, Spezialitäts-, Selektivitäts- 185 oder auch Bestimmtheitserfordernis genannt). Dieses Kriterium dient zur Abgrenzung der Beihilfen von den "allgemeinen Maßnahmen", d.h. von der allgemeinen, alle Unternehmen bzw. Produktionszweige erfassenden Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. 186 Für die Abgrenzung kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Wirkung einer Maßnahme nicht darauf an, ob die jeweilige Maßnahme als Beihilfe oder als allgemeine Maßnahme deklariert wird, sondern darauf, ob sie sich tatsächlich selektiv auswirkt. 187 Spezifität in diesem Sinne läßt sich bejahen für solche Bevorzugungsregelungen, die an Eigenschaften der Unternehmen bzw. an die äußeren Umstände, in denen sie sich befinden, anknüpfen. So sind strukturpolitische Regelungen, beispielsweise zur Bevorzugung von kleinen und mittleren UnVgl. auch D. H. Scheuing, Aides (1974), S. 290 oben. Dieser Begriff wird allerdings nicht stets synonym verwandt; Ch. Koenig/A. Haratsch, EuropaR (2000), Rn. 686, etwa verwenden den Begriff der Selektivität im Rahmen der Prüfung der Wettbewerbsverfalschung und hier den Begriff der Bestimmtheit. 186 P.-Chr. Müller-Graf!, ZHR 152 (1988), 403 (428 f. unter 2. a»; V. Götz, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 27; W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 26. 187 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.2.1987, Rs. 310/85 - Deufil, Slg. 1987, 901, Tz. 8; allgemein zur Maßgeblichkeit der Wirkung einer Maßnahme auch Urt. v. 2.7.1974, Rs. 173/73 - Familienzulagen, Slg. 1974,709, Tz. 26/28. 184 185
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ternehmen oder von Unternehmen aus benachteiligten Regionen, Regelungen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen. Dasselbe gilt für die Bevorzugung von Unternehmen aus sozialpolitischen Gründen, z. B. Unternehmen von Aussiedlern oder Behindertenwerkstätten 188 . Die begünstigten Unternehmen werden durch das jeweilige struktur- oder sozialpolitisch begründete Kriterium bestimmt. 189 Bei auf das Verhalten der Unternehmen bezogenen Regelungen hingegen ist fraglich, ob Spezifität i. S. d. Art. 87 I (92 I a. F.) EGV gegeben ist. Werden etwa Unternehmen bevorzugt, die Lehrlinge ausbilden oder besondere Maßnahmen zur Frauenförderung ergreifen, so geht es nicht um die Förderung einer durch spezifische Eigenschaften oder äußere Umstände charakterisierten Gruppe von Unternehmen, sondern darum, alle (bzw. möglichst viele) Unternehmen zu diesem Verhalten zu bewegen. 190 Prinzipiell kann also jedes Unternehmen in den Genuß der Beihilfe kommen. Dies spricht gegen die Annahme von Spezifität. Die Kommission hat allerdings in einem ähnlichen Fall die Spezifität der überprüften Maßnahme bejaht. Die Entscheidung betraf eine italienische Regelung, die vorsah, daß der Staat Anteile der Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung übernahm, und zwar in Höhe von 4 % für männliche und 10% für weibliche Beschäftigte. Die Regelung führte der Entscheidung der Kommission zufolge zur Begünstigung bestimmter italienischer Produktionszweige, nämlich derer mit einem hohen Anteil weiblicher Beschäftigter, wie insbesondere der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie. 191 Aufgrund dieser tatsächlichen Auswirkungen wurde die Regelung von der Kommission als spezifisch i. S. d. Beihilfebegriffs des Art. 87 I (92 I a.F.) EGVeingestuft. Im vorliegenden Fall der Bevorzugungen im öffentlichen Auftragswesen erfolgt die Begünstigung jedoch jeweils im Wettbewerb um einen konkreten Auftrag, d.h. im Wettbewerb mit anderen Unternehmen desselben Produktionszweigs (oder Diensdeistungszweigs). Es werden nicht bestimmte Pro188 Die Einführung der dem jetzigen § 141 SGB IX (zuvor § 56 SchwbG) entsprechenden Regelung wurde von der Bundesrepublik auch tatsächlich der Kommission gemeldet und von dieser anscheinend genehmigt, s. D. Neumann/R. Pahlen, SchwbG (1999), § 56 Rn. 1 (die Kommission habe keine Bedenken erhoben). 189 VgI. allgemein die von J. Thiesing, in: Groeben/Boeckh/Thiesing/Ehlerrnann, EWGV, Bd. 1 (3. Auf!. 1983), Art. 92 Rn. 29, angeführten Beispiele für Bestimmungsmerkmale. 190 s. für den Fall der Frauenförderung L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 63 unten. 191 s. III der Gründe der Entscheidung der Kommission 80/932/EWG vom 15.9.1980, ABI. Nr. L 264128; s. auch EuGH, Urt. v. 14.7.1983, Rs. 203/82, Slg. 1983, 2525 (das Urteil betraf allerdings nicht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, sondern lediglich die Frage, ob Italien ihr fristgerecht nachgekommen war).
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duktionszweige begünstigt, sondern diejenigen Unternehmen des jeweiligen Produktionszweigs, die das erwünschte Verhalten zeigen. Abgesehen davon, daß auch die Entscheidung der Kommission einen schwierigen Grenzfall betraf,192 ist dieser Fall daher nicht mit dem von der Kommission entschiedenen vergleichbar. Hier liegt vielmehr eine allgemeine wirtschaftslenkende Maßnahme und nicht die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige vor. 193 Das hat allerdings zur Konsequenz, daß diese Regelungen an den Grundfreiheiten zu messen sind. Dies ist insofern unbefriedigend, als damit für diese Art der Bevorzugungsregelungen, anders als für die an Eigenschaften anknüpfenden, der grundsätzlich "schärfere" Regelungskomplex 194 zur Anwendung kommt. Dieses Ergebnis ließe sich m. E. nur vermeiden, wenn man das Tatbestandsmerkmal der Spezifität in bedenklicher Weise ausweiten würde. Keine Beihilfe liegt mangels Spezifität der Maßnahme schließlich auch bei einer generellen Bevorzugung im Inland ansässiger Unternehmen, d.h. nicht lediglich bestimmter Gruppen inländischer Unternehmen, vor. 195 Entsprechende Maßnahmen sind an den Grundfreiheiten zu messen und danach grundsätzlich unzulässig. d) Zurechenbarkeit an den Staat Die Beihilfe muß schließlich dem Staat zurechenbar sein. 196 Die Zurechenbarkeit wird in einem weiten Sinne verstanden. Es reicht aus, wenn die staatliche Einflußmöglichkeit auf die die Vergünstigung gewährende Stelle (hier also den jeweiligen Auftraggeber) so stark ist, daß diese keine volle Entscheidungsautonomie mehr hat. 197 Auch Maßnahmen innerstaatlich autonomer Hoheitsträger unterfallen dem Begriff der Zurechenbarkeit an den Staat. 198 192 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung bei diesem Fall p.-ehr. MüllerGraff, ZHR 152 (1988), 403 (429 f. unter b) bb». 193 Ebenso speziell für den Fall der Frauenförderung L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 63 f. 194 Vgl. oben unter 2. b) bb). 195 Insoweit abweichend D. H. Scheuing, Aides (1974), S. 288 ff. 196 s. V. Götz, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 22 f.; W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 13 ff.; p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (412 ff.). 197 So die Formulierung bei W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV / EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 15. 198 s. p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (415 m.N.); eh. Koenig/A. Haratsch, EuropaR (2000), Rn. 684.
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Für die öffentliche Auftragsvergabe bedeutet dies zunächst, daß nicht nur der Bund, sondern auch Länder und Kommunen erfaßt sind. Darüber hinaus dürften auch Maßnahmen aller weiteren öffentlichen Auftraggeber im Sinne der EG-Richtlinien dem Staat zurechenbar sein, mit Ausnahme der hier ohnehin nicht interessierenden materiell privaten Auftraggeber. 4. Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt Beihilfen sind nach Art. 87 I (92 I a.F.) EGV nur dann mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, wenn sie zum einen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und zum anderen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. a) Wettbewerbsverfälschung Ob in bezug auf die Wettbewerbsverfälschung wie bei Art. 81 (85 a.F.) EGV ein Spürbarkeitserfordernis gilt, ist streitig. Überwiegend wird dies im Schrifttum verneint. 199 Folgt man der vorherrschenden Ansicht, wird man im Falle der Bevorzugungsregelungen das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung wohl generell bejahen müssen, da jedenfalls die Wettbewerbssituation bei der Auftragsvergabe, in der die Bevorzugungsregelung gilt, beeinflußt wird. Verlangt man hingegen Spürbarkeit, also eine gewisse Mindestintensität der Wettbewerbsverfälschung, wird man solche Bevorzugungsregelungen auszuscheiden haben, die lediglich eine Bevorzugung bei gleichwertigen Angeboten (ohne Mehrpreisgewährung) vorsehen und damit die Wettbewerbssituation nur geringfügig beeinflussen. Für diese Ansicht läßt sich der Grundsatz de minimis non curat praetor anführen?OO b) Handelsbeeinträchtigung Das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung nach Art. 87 I (92 I a. F.) EGV wird weit ausgelegt; insbesondere genügt auch hier schon die Eignung zur Handelsbeeinträchtigung?OI Streitig ist wiederum, ob ein Spürbarkeitserfordernis gilt, und auch hier wird die Frage überwiegend verneint. 202 199 s. zum Meinungsstand W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/ EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 35 m.N., selbst die Frage bejahend. 200 W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/I1 (1999), Art. 92 Rn. 35. 201 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.9.1980, Rs. 730/79 - Philip Morris, Slg. 1980, 2671, Tz. 12.
A. Bindungen des EG-Primärrechts
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Bei Bevorzugungsregelungen, die nur nationalen Unternehmen zugute kommen, ist eine Handelsbeeinträchtigung grundsätzlich zu bejahen. Geht man davon aus, daß die Handelsbeeinträchtigung spürbar sein muß, wären wiederum solche Bevorzugungsregelungen auszunehmen, deren Auswirkungen auf die Vergabepraxis nur marginal sind. M. E. spricht gegen ein Spürbarkeitserfordernis aber, daß es keinen Grund gibt, hier weniger streng zu sein als bei der Warenverkehrsfreiheit. Dies gilt vor allem dann, wenn man, wie hier, die Beihilfevorschriften als leges speciales zu den Grundfreiheiten ansieht. Keine Handelsbeeinträchtigung liegt hingegen vor, wenn die Mitgliedstaaten ihre Bevorzugungsregelungen so fassen, daß sie auch den entsprechenden Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten benachteiligungsfrei zugute kommen. Man könnte in Erwägung ziehen, ob insoweit nicht schon begrifflich das Vorliegen einer Beihilfe zu verneinen ist, weil mitgliedstaatliche Beihilfen203 ihrer Natur nach an sich auf im jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen begrenzt sind?04 Jedenfalls aber dürfte es hier an der Handelsbeeinträchtigung fehlen. 205 Zum Problem der Spürbarkeit von Wettbewerbs verfälschung und Handeisbeeinträchtigung sei abschließend noch darauf hingewiesen, daß Beihilfen in geringer Höhe (jedenfalls) von der Anmeldepflicht ausgenommen sind?06 c) Ausnahmen nach Art. 87 11, III (92 11, III a. F.) EGV Von den Ausnahmen vom grundSätzlichen Beihilfeverbot des Abs. 1 kommt hier zunächst die Legalausnahme des Art. 87 11 c) EGV in Betracht (Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete). Ob bzw. inwieweit diese Vorschrift auch heute, nach der Wiedervereinigung, noch anwendbar ist und Beihilfen für die neuen Bundesländer zu rechtfertigen vermag, ist allerdings umstritten. Die Vorschrift wurde weder durch den Vertrag von Maastricht noch durch den Vertrag von Amsterdam beseitigt. Das EuG hat dementsprechend in seiner Entscheidung zu den VW -Werken in Sachsen angenommen, daß die Vorschrift 202 So etwa p.-ehr. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (434 vor D.); a.A. etwa W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/II (1999), Art. 92 Rn. 39. 203 Nur diese, nicht hingegen Gemeinschaftsbeihilfen werden von den Art. 87 ff. EGVerfaßt, s. EuGH, Urt. v. 13.10.1982, Rs. 213-215/81 - Norddeutsches Viehund Fleischkontor, Sig. 1982, 3583, Tz. 22. 204 In diese Richtung M. Seidel, Beihilfenrecht (1984), S. 16 f. 205 Ebenso J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (66 u. 96). 206 s. dazu sogleich unter 5., s. dort insbs. Fn. 215.
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nicht gegenstandslos geworden sei. Es hat sie aber sehr eng ausgelegt, indem nur die auf der Teilung als solcher beruhenden, nicht aber die auf den unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Systemen beruhenden Nachteile erfaßt sein sollen?07 Der EuGH hat inzwischen in einem Urteil betreffend eine Regelung des Einkommensteuergesetzes ebenso entschieden. 208 Im übrigen sind namentlich Ausnahmen nach Art. 87 III a) und c) EGV denkbar. Lit. a) betrifft Regionalbeihilfen für benachteiligte Gebiete. Lit. c) ist (abgesehen vom Sonderfall der lit. e» die weiteste der Ausnahmebestimmungen des Art. 87 III EGV. Sie erfaßt Beihilfen zur Förderung der Entwicklung sowohl von Wirtschaftsgebieten, also regionale Beihilfen, als auch von Wirtschaftszweigen. Hierunter zählen neben den sektoralen (branchenspezifischen) auch horizontale Beihilfen, d.h. nicht sektorbezogene, auf bestimmte Ziele ausgerichtete Beihilfen, z. B. Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen oder Beihilfen zur Förderung von Ausbildung und Beschäftigung. 209 Auch Art. 87 III b) EGV, wonach Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse zugelassen werden können, kann im Einzelfall von Bedeutung sein?1O Die meisten der Bevorzugungsregelungen, die eine Beihilfe darstellen, wären danach prinzipiell genehmigungsfahig. 5. Anmeldepflicht Eine wichtige Folge der Qualifizierung von Bevorzugungsregelungen als Beihilfe ist, daß die Anmeldepflicht des Art. 88 III S. I (93 III S. I a.F.) EGVeingreift und damit auch das Durchführungsverbot des Art. 88 III S. 3 (93 III S. 3 a.F.) EGV?II Unklar ist allerdings, ob davon nur solche Maßnahmen betroffen sind, die nicht nur tatbestandlieh als Beihilfe zu qualifizieren sind, sondern außerdem auch die Merkmale der Wettbewerbsverfal207 EuG, Urt. v. 15.l2.1999, Rs. T-132 u. 143/96 - VW-Werke Sachsen, Slg. 1999 11, 3663 = EuZW 2000, 115 = DVBI. 2000, 337 = JZ 2000, 251 m.Anm. Koenig/Kühling, Tz. 129 ff. 208 EuGH, Urt. v. 19.9.2000, Rs. C-156/98 - Steuervergünstigungen für Unternehmensbeteiligungen, Slg. 2000 I, 6857 = EuZW 2000, 723 m. Anm. Heidenhain, Tz. 46 ff. 209 s. zur Reichweite des Art. 92 III c) EGV a. F. Uetzt Art. 87 III c)) W. Mederer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 2/11 (1999), Art. 92 Rn. 104 f. 210 So nach A. Boesen, VergabeR (2000), § 97 Rn. 133, für die gleich stellungspolitische Instrumentalisierung, die nunmehr ein Ziel nach Art. 2 EGV n. F. verfolge (welches, wie hinzuzufügen ist, außerdem in der Querschnittsklausel des Art. 3 11 EGV n. F. verankert ist). 211 s. jetzt auch VerfahrensVO (oben Fn. 139) Art. 2 (Anmeldepflicht) und Art. 3 (Durchführungsverbot).
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schung und Handelsbeeinträchtigung erfüllen. Dagegen spricht, daß es sich hierbei nicht um Bestandteile des Begriffs "Beihilfe" handelt, der gemäß Art. 88 III S. 1 EGV für die Anmeldepflicht entscheidend ist, sondern um Elemente der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. 212 Die Verfahrens verordnung weist allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Sie definiert Beihilfen in Art. 1 a) als "alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages erfüllen" und nimmt damit die Merkmale der Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung anscheinend in den Begriff der Beihilfe und damit die Bestimmung der anmeldepflichtigen Maßnahmen 213 auf. Diese Frage wird im hier interessierenden Kontext für diejenigen Bevorzugungsregelungen relevant, die auch den entsprechenden Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten benachteiligungsfrei zugute kommen und bei denen es daher (zumindest) an einer Handelsbeeinträchtigung fehlt. Eine Anmeldepflicht erscheint hier nicht angebracht; ob sie de lege lata besteht, ist nicht eindeutig. Praktisch ist für die Problematik der Anmeldepflicht von Bedeutung, daß die Kommission eine Freistellungsverordnung für "de-minimis"-Beihilfen erlassen hat, in der Beihilfen in Höhe von maximal 100.000 Euro pro Unternehmen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren von der Anmeldepflicht ausgenommen werden. 214 Dazu heißt es, daß diese Beihilfen nach den "Erfahrungen der Kommission [... ] den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und/oder den Wettbewerb nicht verfälschen oder zu verfälschen drohen.,,215 Da somit nicht alle Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I (92 I a.F.) EGV erfüllt seien, bestehe auch keine Anmeldepflicht. 216 In welchen Fällen Bevorzugungsregelungen unter diese Freistellung von der Anmeldepflicht fallen, kann hier allerdings letztlich nicht Vgl. V. Götz, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. III (1996), Rn. 20 u. 29. s. VerfahrensVO (oben Fn. 139) Art. 2 I S. 1 (Anmeldepflicht für neue Beihilfen) i. V. m. Art. 1 c) (Definition "neue Beihilfen") i. V. m. Art. 1 a). 214 VO (EG) Nr. 69/2001 der Kommission vom 12.1.2001, ABI. Nr. L 10/30, Art. 2; s. dazu A. Sinnaeve, EuZW 2001, 69 (insbs. 75 ff.). Die Praxis war vor Erlaß dieser FreistellungsVO dieselbe, Grundlage dafür war jedoch lediglich eine Mitteilung der Kommission (ABI. 1996 Nr. C 68/9). Rechtsgrundlage für den Erlaß der FreistellungsVO der Kommission ist die VO (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7.5.1998, ABI. Nr. L 14211, Art. 2 I. 215 s. den 5. Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 69/2001; vgl. auch Art. 2 I der VO, wonach die ausgenommenen Beihilfen als Beihilfen gelten, die nicht alle Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EGV erfüllen. De facto dürfte damit ein Spürbarkeitserfordernis bejaht sein. 216 Vgl. Art. 2 I der VO. Wie in der VerfahrensVO wird also auch in dieser Verordnung die Anmeldepflicht i. E. auf Maßnahmen begrenzt, bei denen nicht nur tatbestandlieh eine Beihilfe vorliegt, sondern auch die Merkmale der Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung zu bejahen sind. 212 213
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beantwortet werden. Die 100.000-Euro-Grenze bezieht sich zunächst auf Barzuwendungen. Bei sonstigen Beihilfen ist das "Bruttosubventionsäquivalent" zu berechnen?17 Diese Berechnung ist bei Bevorzugungsregelungen besonders schwierig, zumal die Vorteile, die ein Unternehmen im Maximalfall erlangen kann, von Zahl und Volumen der vergebenen Aufträge und von der jeweiligen Konkurrenzsituation bei der Vergabe abhängen. Um das Bruttosubventionsäquivalent zu beziffern, das aus Bevorzugungsregelungen resultiert, bedürfte es daher einer näheren ökonomischen Analyse, die hier nicht vorgenommen werden kann.
6. Ergebnis Bevorzugungsregelungen im öffentlichen Auftragswesen können als Beihilfen, aber auch als Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Art. 28 (30 a. F.) EGV verstanden werden. Bejaht man die Beihilfeeigenschaft, sind die Folgen ambivalent: Einerseits befindet man sich dann im Anwendungsbereich des Beihilferegimes mit dem grundsätzlichen Beihilfeverbot des Art. 87 I (92 I a. F.) EGV und der Anmeldepflicht des Art. 88 III (93 III a. F.) EGV. Andererseits können die Beihilfevorschriften als gegenüber der Warenverkehrsfreiheit speziellere Vorschriften gesehen werden, die über Art. 87 11, m EGV wirtschaftspolitische Maßnahmen ermöglichen, welche nach Art. 28 EGV unzulässig wären. Die ausschließliche Anwendung der Art. 87 ff. EGV stößt jedoch auf das Problem, daß der handelsbeeinträchtigende Charakter bei Bevorzugungsregelungen - wenn sie auf im Inland ansässige Unternehmen beschränkt sind - wesentlich deutlicher ist als bei anderen Beihilfen. Dies legt wieder die Anwendung der Grundfreiheiten nahe, die zugleich solche Bevorzugungsregelungen, die nicht auf inländische Unternehmen beschränkt sind, unmittelbar erlauben würden. In diesem Spannungsfeld eine allseits befriedigende und vollständig konsistente Lösung zu finden, ist kaum möglich. Zusammengefaßt ist die m. E. vorzugswürdige Lösung folgende: Bevorzugungsregelungen sind grundSätzlich als Beihilfen zu qualifizieren. Die Beihilfevorschriften gehen den Grundfreiheiten vor, so daß diese Regelungen nur an den Beihilfevorschriften zu messen sind. Begünstigt die Regelung auch die entsprechenden Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten, fehlt es jedenfalls an der Handelsbeeinträchtigung. Dann sollte auch keine Anmeldepflicht bestehen. Nicht als Beihilfen zu qualifizieren sind verhaltenslenkende Bevorzugungsregelungen, so daß Maßstab für diese die Grundfreiheiten sind.
217 S.
Art. 2 III der VO.
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Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß, wie noch näher erörtert werden wird?18 die EG-Vergaberichtlinien Bevorzugungsregelungen grundsätzlich nicht zulassen. Für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte scheiden Bevorzugungsregelungen als Mittel der Politisierung öffentlicher Auftragsvergabe also kraft Sekundärrechts grundsätzlich aus. Praktisch ist die hier erörterte Problematik daher nur für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte von Relevanz. IV. Grundfreiheiten
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages bilden die Grundlage der Bemühungen der EG um eine Öffnung des mitgliedstaatlichen Auftragswesens?19 In Konflikt mit den Grundfreiheiten gerät dabei nicht nur das ausdrückliche Verfolgen einer "Buy-national"-Politik. Auch andere Regelungen oder Praktiken der Mitgliedstaaten können zur Folge haben, daß EG-ausländische Erzeugnisse und Unternehmen 220 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge benachteiligt werden. Diese Gefahr besteht auch und gerade im Falle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung. Die Politisierung öffentlicher Auftragsvergabe geht naturgemäß zunächst von den Verhältnissen und Gegebenheiten im jeweiligen Mitgliedstaat aus und ist auf diese zugeschnitten. Daraus resultiert die Gefahr der Benachteiligung EG-ausländischer Unternehmen und Erzeugnisse. Im folgenden soll untersucht werden, welche Grenzen die Grundfreiheiten einer Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung im einzelnen ziehen. Zunächst wird dazu der Anwendungsbereich sowie der Gehalt der Grundfreiheiten mit Blick auf die öffentliche Auftragsvergabe dargelegt (1.). Dann wird erörtert, welche Schlüsse sich daraus für die verschiedenen Fälle der Einbeziehung politischer Zielsetzungen ergeben (2.). Schließlich folgt eine Bewertung der gefundenen Ergebnisse (3.).
Unten B. II. 2. f) aa). s. o. in der Einleitung unter B. II. 220 Im folgenden werden unter EG-ausländischen Unternehmen, sofern sich nicht aus dem Kontext etwas anderes ergibt, sowohl Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland als auch Unternehmen mit EG-ausländischer Staatsangehörigkeit bzw. -zugehörigkeit mit Sitz im Inland verstanden. Als Unternehmen werden unternehmerisch tätige natürliche wie juristische Personen bezeichnet. 218
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1. Anwendungsbereich und Gehalt der Grundfreiheiten a) Einschlägige Vorschriften aa) Allgemeines Diskriminierungsverbot des Art. 12 I (6 I a.F.) EGV? Neben der Anwendung der Grundfreiheiten kommt die Anwendung des allgemeinen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, das in Art. 12 I (6 I a. F.) EGV normiert ist, in Betracht. Es erfaßt nach überwiegender Ansicht nicht nur die Diskriminierung natürlicher Personen, sondern unter Heranziehung des Art. 48 (58 a. F.) EGV auch die Diskriminierung juristischer Personen nach ihrer Staatszugehörigkeit. 221 Nach heute vorherrschender Ansicht ist das allgemeine Diskriminierungsverbot im Bereich der öffentlichen Aufträge grundsätzlich anwendbar, und zwar auch, soweit es nicht um die Diskrimierung EG-ausländischer Unternehmen, sondern EG-ausländischer Waren geht 222 . Hierin liegt eine versteckte Diskriminierung EG-ausländischer Unternehmen. Allerdings gilt Art. 12 I (6 I a.F.) EGV nur ,,[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags". Art. 6 I EGV ist damit eine lex generalis im Verhältnis zu den spezielleren Vorschriften der Grundfreiheiten. 223 Diese gehen über ein Verbot der (offenen und versteckten) Diskriminierung allerdings noch hinaus, soweit ihnen auch ein Beschränkungsverbot entnommen wird?24 Art. 12 I (6 I a. F.) EGV ist damit genauer gesagt lex generalis im Verhältnis zu den in den Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungsverboten. 225 Dem entspricht grundsätzlich auch die Rechtsprechung des EuGH. Der Gerichtshof hat zwar mitunter Art. 12 I (6 I a.F.) EGV auch dann (mit-) 221 M. Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 6 Rn. 11; C. O. Lenz, in: ders., EGV (1999), Art. 12 Rn. 1 a.E. 222 J. Schwarze, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 79 (86); K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 9 f.; eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 145; F. Weiss, Procurement (1993), S. 22. 223 R. Streinz, EuropaR (2001), Rn. 668; abweichend R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 30 ff. u. 35 f., der in den Grundfreiheiten nicht dem allgemeinen Diskriminierungsverbot vorgehende leges speciales sieht, sondern "Spezifikationen" oder "Konkretisierungen" dieses Verbots, das zusätzlich zu den Grundfreiheiten heranzuziehen sei. 224 s. hierzu unten c) aa) (2). 225 Auch in Art. 28 (30 a. F.) EGV ist ein Diskriminierungsverbot enthalten, wenngleich dies im Wortlaut der Norm (ebenso wie in der Dassonville-Formel) nicht explizit zum Ausdruck kommt; s. H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (212); vgl. zum Ganzen auch A. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 6 (1994) Rn. 57.
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zitiert, wenn speziellere Vorschriften einschlägig waren; so im unten noch zu erörternden Beentjes-Fall?26 Auch hat er entschieden, in jedem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 48 oder 52 EWGV Getzt Art. 39 und 43 EGV) liege zugleich ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot. 227 In seiner neueren Rechtsprechung hat er aber wiederholt klargestellt, daß Art. 6 I (a. F.) EGV "autonom" nur angewandt werden könne, wenn kein besonderes Diskriminierungsverbot im Vertrag vorhanden sei. 22B Für den Bereich der öffentlichen Aufträge bedeutet dies praktisch, daß für Art. 12 I (6 I a.F.) EGV kein Anwendungsbereich mehr bleiben dürfte, da alle relevanten Fälle der Diskriminierung von den Grundfreiheiten, namentlich der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit (zu diesen sogleich), erfaßt werden dürften. 229 bb) Grundfreiheiten Die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 (30 a. F.) EGV verbietet die Behinderung der Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten23o . Sie ist damit primär für Lieferaufträge von Relevanz. Sie erfaßt dabei auch solche nationalen Maßnahmen, die nicht unmittelbar inländische Waren, sondern die inländische Lieferanten bevorzugen, denn diese werden eher inländische als importierte Waren liefern. Insbesondere werden damit auch ausländische Hersteller, die sich direkt um einen Auftrag bewerben wollen, benachteiligt und damit die Warenverkehrsfreiheit beschränkt. 231
226 EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87 - Beentjes, Slg. 1988, 4635 = NVwZ 1990,353, Tz. 30; s. unten 2. e). Des weiteren etwa Urt. v. 15.3.1994, Rs. C-45/93 - Spanische Museen, Slg. 1994 I, 911, Tz. 10 (zu Art. 59 EWGV = jetzt Art. 49 EGV). 227 EuGH, Urt. v. 28.1.1992, Rs. C-332/90 - Steen, Slg. 1992 I, 341, Tz. 8; Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-334/94, Slg. 1996 I, 1307, Tz. 13. 228 s. etwa EuGH, Urt. v. 17.5.1994, Rs. C-18/93 - Corsica Ferries, Slg. 1994 I, 1783, Tz. 19; Urt. v. 25.6.1997, Rs. C-131/96 - Mora Romero, Slg. 1997 I, 3659, Tz. 10; Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-176/96 - Lehtonen, Slg. 2000 I, 2681, Tz. 37. 229 So S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 94; vorsichtiger E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 20 vor c) (der Anwendungsbereich sei gering); Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 243 f. (ein Anwendungsfall sei nicht schlechthin ausgeschlossen). 230 Einschließlich Waren aus Drittstaaten, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, s. Art. 23 II (9 II a. F.) EGV. 231 s. S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 82 f. I. E. ebenso, aber nur allgemein auf die Benachteiligung ausländischer Bewerber abstellend, K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 12.
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Die Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 f. (59 f. a. F.) EGV gewährleistet die Erbringung von Dienstleistungen, d.h. Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht anderen Grundfreiheiten unterfallen (Art. 50 UAbs. 1 n. F./60 UAbs. 1 a. F. EGV), durch in anderen Mitgliedstaaten als dem des Leistungsempfängers und/oder der Leistungserbringung ansässige Untemehmen 232 . Zu den Dienstleistungen i. S. d. Art. 49 f. EGV zählen auch Bauleistungen. Die Dienstleistungsfreiheit hat damit zuvörderst Bedeutung für Bau- und Dienstleistungsaufträge. Geschützt sind dabei natürliche ebenso wie juristische Personen, Art. 55 i. V. m. 48 (66 i. V. m. 58 a. F.) EGV. Es besteht jedoch keine volle Deckungsgleichheit zwischen Warenverkehrsfreiheit und Lieferaufträgen einerseits und Dienstleistungsfreiheit und Dienstleistungs- und Bauaufträgen andererseits. 233 Im Rahmen eines Bauauftrages kann die Warenverkehrsfreiheit zum Tragen kommen, soweit es um Anforderungen an das Baumaterial geht. 234 Lieferaufträge können Dienstleistungselemente enthalten,235 hinsichtlich derer dann die Art. 49 f. (59 f. a. F.) EGVeinschlägig sind. Außerdem ist noch die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 (52 a. F.) EGV und die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 (48 a. F.) EGV zu beachten. Die Niederlassungsfreiheit verbietet Benachteiligungen im Inland niedergelassener EG-Ausländer bei der Auftrag svergabe ?36 Auch hier sind gemäß Art. 48 (58 a. F.) EGV juristische ebenso wie natürliche Personen geschützt. Zu (mittelbaren) Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit schließlich kann es kommen, wenn der Auftraggeber bestimmte Anforderungen an das einzusetzende Personal stellt. 237 232 s. dazu, daß die Leistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat genügt, EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-55/98 - Vestergaard, Slg. 1999 I, 7641 = EuZW 2000,20, Tz. 18 f. m.w.N. 233 s. ausführlich K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 39 ff.; des weiteren R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 36 oben. 234 So lag es im Fall Dundalk, Urt. des EuGH v. 22.9.1988, Rs. 45/87, Slg. 1988, 4929, Tz. 14 ff., wo der EuGH den Einwand Irlands, Art. 30 EWGV (jetzt Art. 28 EGV) könne auf einen Bauauftrag keine Anwendung finden, abgelehnt hat; des weiteren im Storebalt-Fall, EuGH, Urt. v. 22.6.1993, Rs. C-243/89, Slg. 1993 I, 3353 = EuZW 1993,607, Tz. 23. 235 Vgl. Art. 1 a) a.E. LKR; § 9911 2 GWB. 236 Verstöße hiergegen hat der EuGH in zwei Fällen angenommen, in denen Aufträge Unternehmen vorbehalten waren, die mehrheitlich im Besitz der italienischen öffentlichen Hand waren; Urt. v. 5.12.1989, Rs. C-3/88 - DV-Systeme, Slg. 1989, 4035, Tz. 6 ff.; Urt. v. 26.4.1994, Rs. C-272/91 - Lottomatica, Slg. 1994 I, 1409, Tz. 3 ff. 237 Einen Verstoß gegen Art. 48 EWGV (jetzt Art. 39 EGV) hat der EuGH im Storebalt-Fall (Fn. 234, a. a. 0.) in einer Vertragskiausel gesehen, nach der der Unternehmer "soweit wie möglich [... ] dänische Arbeitskräfte [... ] zu verwenden"
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Ganz im Vordergrund stehen bei der öffentlichen Auftragsvergabe jedoch nicht die Vorschriften über die Freizügigkeit der Personen, sondern mit der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit die sog. Produktverkehrsfreiheiten. b) Anwendungsvoraussetzungen der Grundfreiheiten aa) Öffentliche Auftraggeber als Adressaten der Grundfreiheiten Adressaten der Grundfreiheiten sind zunächst einmal die Mitgliedstaaten und alle mitgliedstaatlichen Stellen. Dies wird vom EuGH in einem weiten, funktionalen Sinne verstanden. 238 Damit dürften jedenfalls alle öffentlichen Auftraggeber, die nicht materiell Private sind, den Verpflichtungen der Grundfreiheiten unterliegen. 239 Da die dem Vergaberecht unterliegenden materiell privaten Auftraggeber hier nicht untersucht werden, soll offenbleiben, ob bzw. inwieweit auch diese Adressaten der Grundfreiheiten sind, sei es aufgrund der Annahme einer generellen Drittwirkung der Grundfreiheiten,240 sei es aufgrund einer etwaigen gewissen Staatsnähe dieser Auftraggeber241 . bb) Vergabe öffentlicher Aufträge als den Grundfreiheiten unterliegendes Handeln Der Anwendung der Grundfreiheiten steht nicht entgegen, daß die Vergabe öffentlicher Aufträge sich in Deutschland - wie auch in einem gut hatte. Das dürfte allerdings nur zutreffen, wenn damit Arbeitskräfte dänischer Staatsangehörigkeit gemeint waren, was zweifelhaft ist. Richtete die Klausel sich nur gegen den Einsatz aus dem Ausland entsandter Arbeitnehmer, wäre die Arbeitnehmerfreizügigkeit hingegen nicht einschlägig, s. u. unter f) aa) (2). 238 Vgl. EuGH, Vrt. Buy Irish (oben Fn. 109), Tz. 6 ff. (15); Vrt. v. 12.12.1990, Rs. C-302/88 - Hennen OUe, Slg. 1990 I, 4625, Tz. 13 ff. (16). 239 Vgl. ebenso S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 87 f. (für Art. 30 EGV a.F. =jetzt Art. 28) u. S. 94 unter 3. (4) (für Art. 52 u. 59 EGV a.F. = jetzt Art. 43 u.49). 240 Hierfür plädieren Teile der Literatur, wobei jedoch Art. 28 (30 a. F.) EGV für gewöhnlich ausgenommen wird. Der EuGH hat nunmehr zu Art. 39 (48 a.F.) EGV eine unmittelbare Drittwirkung auch für nicht-kollektives Handeln bejaht: Vrt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 - Angonese, Slg. 2000 I, 4139 = EuZW 2000, 468, Tz. 29 ff.; krit. dazu R. Streinz/S. Leible, EuZW 2000, 459 ff., dort auch Überblick und Nachweise zur bisherigen Rspr. des EuGH zum Problemkreis der Drittwirkung (S. 459 f.). 241 Vgl. die differenzierenden Überlegungen bei S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 88 (für Art. 30 EGV a. F. = jetzt Art. 28) u. S. 94 unter 3. (4) (für Art. 52, 59 EGV a. F. = jetzt Art. 43, 49). 12*
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Teil der anderen Mitgliedstaaten - in den Rechtsformen des Privatrechts vollzieht. 242 Innerstaatliche Unterscheidungen nach der Rechtsform - privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich - sind für die Anwendung der Grundfreiheiten allgemein nicht von Bedeutung. Es findet sich hier also keine Parallele zum Problem der Grundrechtsgeltung für privatrechtliches Handeln des Staates?43 Die Tatsache, daß der Staat bei der Beschaffung nicht in spezifisch staatlicher Funktion, sondern (primär) als Marktteilnehmer auftritt, ist allerdings für die Frage nach der Reichweite der Grundfreiheiten im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens von Relevanz, wie unten noch zu erörtern ist. 244 Nicht ganz unproblematisch erscheint, jedenfalls im Hinblick auf Art. 28 (30 a. F.) EGV, ob nicht nur Rechtssätze und ständige Verwaltungspraxis, sondern auch Einzelakte an den Grundfreiheiten zu messen sind. Es ist nicht selbstverständlich, daß die Benachteiligung ausländischer Lieferanten bei der Vergabe eines konkreten Auftrags eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellen soll. Vom Wortlaut her ,,[m]engenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung" - zielt Art. 28 (30 a. F.) EGV auf Regelungen bzw. Praktiken abstrakt-genereller Art. Dennoch hat der EuGH in verschiedenen Urteilen zu Einzelakten im Bereich des Beschaffungswesens die Warenverkehrsfreiheit herangezogen, ohne diesen Punkt zu problematisieren?45 Dem entspricht auch die heute ganz herrschende Auffassung in der Literatur. 246 M. E. bleiben hier gewisse Zweifel. Die Frage hat jedoch im vorliegenden 242 Ebenso J. Schwarze, in: Öffentliche Aufträge und Forschungspolitik (1979), S. 79 (86 oben), zu Art. 7 EWGV Getzt Art. 12 EGV); eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 154 oben; E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 16; ausführlich K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 31 f. m.N. der früher von einem Teil der Literatur vertretenen Gegenansicht. 243 s. dazu unten im 3. Kap. unter A. 244 Unten c) aa) (4) ß). 245 EuGH, Urt. Storebtxlt (oben Fn. 234), Tz. 23; Urt. v. 24.1.1995, Rs. C-359/93 - Wetterwarte (UNIX), Sig. 1995 I, 157, Tz. 23 ff. Allerdings wurde Art. 30 EWGV Getzt Art. 28 EGV) im letztgenannten Fall nur nebenbei behandelt, im Vordergund stand eine Richtlinienbestimmung. Im Urt. Dundalk (Fn. 234) ist der EuGH auf die Frage ebenfalls nicht explizit eingegangen, es findet sich indes der Hinweis, daß die fragliche Maßnahme einer bei öffentlichen Bauaufträgen allgemein üblichen Praxis entspreche (Tz. 13). 246 K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 33 ff.; eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 154 f. (unter Berufung auf Stolz); S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 80; eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 209 ff. (211); in nicht ganz so klarer Formulierung auch F. Weiss, Procurement (1993), S. 25, und p.-eh. Müller-Graf!, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 30 Rn. 291; allgemein H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (219); S. Leible, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Bd. I, Art. 28 (2000) Rn. 5. Gegen Einbeziehung von Einzelakten hingegen C. D. Ehlermann, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, EWGV, Bd. 1 (2. Auf!.
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Kontext nicht allzuviel Bedeutung, da die Politisierung öffentlicher Aufträge in den meisten Fällen planmäßig, d.h. gesteuert über abstrakt-generelle Regelungen, erfolgt. Außerdem wäre, lehnte man die Anwendung des Art. 28 (30 a.F.) EGV ab, immerhin noch Art. 12 I (6 I a.F.) EGV einschlägig?47 Dies macht allerdings insofern einen Unterschied, als diese Vorschrift nur ein Diskriminierungsverbot enthält. Auch soweit es um abstrakt-generelle Regelungen geht, besteht vorliegend noch eine Besonderheit. Sie liegt darin, daß die jeweiligen Regelungen sich nicht auf den Markt in dem Mitgliedstaat insgesamt, sondern nur auf einen Teilmarkt beziehen, nämlich den Teilmarkt der Nachfrage der öffentlichen Auftraggeber bzw. eines bestimmten öffentlichen Auftraggebers. Diese Besonderheit hindert aber nicht die Anwendung der Grundfreiheiten. 248 cc) Grenzüberschreitender Bezug Die Grundfreiheiten sind nur auf grenzüberschreitende Vorgänge anwendbar. Verstößt eine nationale Regelung für grenzüberschreitende Vorgänge gegen eine Grundfreiheit, so führt dies nach der herrschenden Lehre vom Anwendungsvorrang 249 nicht zur Ungültigkeit (Nichtigkeit) dieser Regelung, wie es aus der Lehre vom Geltungsvorrang folgen würde. Für interne Sachverhalte bleibt die Regelung vielmehr anwendbar?SO Eine dadurch entstehende Umkehrdiskriminierung (Inländerdiskriminierung) ist nach vorherrschender und zutreffender Auffassung nicht vom EG-Vertrag verboten; sie kann aber unter dem Aspekt des Art. 3 I GG sowie der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes, namentlich des Art. 12 I GG, problematisch sein?Sl 1974), S. 256; H. MatthieslR. v. Borries, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 30 (1996) Rn. 5. 247 Vgl. eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 155; H. MatthieslR. v. Borries, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 30 (1996) Rn. 5. 248 s. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (250); dies., Procurement (1996), S. 79 u. 90. Vgl. aber GA Darmon in der Rs. Dundalk, Slg. 1988,4944,4950 unter Nr. 34 u. S. 4951 unter Nr. 37, der zur Bejahung des Verstoßes gegen Art. 30 EWGV (jetzt Art. 28 EGV) darauf abstellt, daß öffentliche (Bau-)Aufträge das überwiegende, wenn nicht ausschließliche Einsatzfeld für das fragliche Produkt darstellten. Vgl. zu diesem Aspekt noch unten c) aa) (4) a). 249 s.o. vor A. m.N. (Fn. 4). 250 s. für Art. 30 EGV a.F. (jetzt Art. 28) deutlich R. Sack, EWS 1994,37 (44 f. unter IV. 3.). 251 s. zum Problem der Umkehrdiskriminierung etwa R. Streinz, EuropaR (2001), Rn. 682 ff. m. w. N. Dazu, insbs. auch zur Lage nach nationalem Verfassungsrecht, noch unten 3. a).
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Wann im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt, ist indes nicht einfach zu bestimmen. In der Literatur wird teilweise angenommen, der Gemeinschaftsrechtsbezug sei, wie der EuGH in der Rechtssache Wallonische Busse entschieden habe,252 stets zu bejahen. 253 Diese Entscheidung betraf jedoch die Anwendbarkeit der EGVergaberichtlinien, für die es im Gegensatz zu den Grundfreiheiten nicht darauf ankommt, ob im konkreten Fall ein grenzüberschreitender Bezug vorhanden ist. Ein grenzüberschreitender Vorgang liegt sicherlich vor, wenn sich EGausländische Unternehmen um einen Auftrag bewerben; desgleichen, wenn sich inländische Unternehmen bewerben und EG-ausländische Waren liefern oder verwenden wollen. Es ist aber auch denkbar, daß ausländische Unternehmen aufgrund der Bedingungen der Auftragsvergabe von vornherein von einer Bewerbung absehen oder aufgrund der Bedingungen die Lieferung oder Verwendung ausländischer Waren von vornherein nicht in Betracht gezogen wird. Hier müssen benachteiligende, von den Grundfreiheiten erfaßte Maßnahmen abgegrenzt werden von einem bloßen Unterlassen von Maßnahmen, die den Zugang ausländischer Unternehmen bzw. Waren zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. So führt die Ausschreibung von Aufträgen auf lediglich nationaler oder mehr noch auf lediglich regionaler oder lokaler Ebene sicherlich dazu, daß ausländische Unternehmen sich seltener bewerben werden als bei europaweiter Ausschreibung. Nichtsdestotrotz ergibt sich eine Pflicht zur europaweiten Ausschreibung erst aus den Richtlinien und gilt damit auch nur in deren Anwendungsbereich. 254 Erst recht kann den Grundfreiheiten keine Pflicht entnommen werden, Aufträge überhaupt auszuschreiben. Allerdings hat der EuGH jüngst entschieden, daß aus dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit eine Verpflichtung zur Transparenz folge, kraft derer der Auftraggeber "einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen" müsse, "der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. ,,255 Welche Pflich-
252 Urt. v. 25.4.1996, Rs. C-87/94, Slg. 1996 I, 2043 = EuZW 1996, 506, Tz. 31 ff. 253 So anscheinend R. Noch, VgR 4/1998, S. 49; M. Dreher, JZ 2000, 519 (520 f. unter III. 2.). Noch verweist außerdem auf das Urt. StoreblElt (s. o. Fn. 234), das insoweit aber nicht einschlägig ist. 254 Vgl. K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 60 unten ff., zur reinen "Negativwirkung" der Grundfreiheiten, die nicht ausreiche, eine wirkliche Öffnung der nationalen Beschaffungsmärkte herbeizuführen (anders und im Widerspruch zu diesen Ausführungen aber möglicherweise S. 50 zum Unterlassen einer europaweiten Ausschreibung); a.A. anscheinend K. Hailbronner/C. Weber, EWS 1997, 73 (74 bei Fn. 18).
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ten aus dieser Verpflichtung zur Transparenz konkret folgen sollen, ist jedoch unklar. Soweit an das Unternehmen oder die Leistung bestimmte Anforderungen gestellt werden, die ggf. auch EG-ausländische Unternehmen bzw. Waren erfüllen sollen, wird man sagen müssen, daß diese generell den Grundfreiheiten genügen müssen. Denn es läßt sich nie ausschließen, daß durch die fraglichen Bestimmungen ausländische Unternehmen von der Bewerbung bzw. daß Unternehmen von der Lieferung oder Verwendung ausländischer Waren abgehalten werden. 256 c) Gehalt der Grundfreiheiten aa) Gewährleistungen (Tatbestandliche Reichweite) ( 1) Diskriminierungsverbot
Die Grundfreiheiten enthalten zunächst einmal sämtlich ein Diskriminierungsverbot,257 und zwar ein Verbot sowohl der offenen als auch der versteckten Diskriminierung. Eine offene Diskriminierung liegt vor, wenn eine Ungleichbehandlung ausdrücklich an das jeweilige (grundsätzlich) verbotene Unterscheidungsmerkmal, d.h. an die Eigenschaft als Importware oder an die ausländische Staatsangehörigkeit oder Staatszugehörigkeit258 anknüpft. Eine versteckte Diskriminierung259 liegt vor, wenn andere Unterscheidungsmerkmale verwandt werden, die faktischen Auswirkungen dieser Unterscheidung jedoch einer Verwendung des verbotenen Merkmals gleichoder zumindest nahekommen. 260 Vielfach werden auch die Termini "un255 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, Rs. C-324/98 - Telaustria, Sig. 2000 I, 10745 = EuZW 2001, 90 = WuW 2001, 103 = WuW/E Verg 385, Tz. 60 f. (Zitat Tz. 61). 256 Anders wohl der BGH, Beschl. v. 18.1.2000, KVR 23/98 - Tariftreueerklärung l/, WuW 2000,327 (336 f. unter 4. a)) = WuW/E Verg 297 (306 f.) = NZBau 2000, 189 = BauR 2000, 1736 = DB 2000, 465 m.Anm. Hopp = ZIP 2000, 426 m.Anm. Berrisch/Nehl = JZ 2000, 514 m.Anm. Dreher, der darauf abstellen will, ob Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten "an Ausschreibungen für Straßenbauarbeiten in Berlin beteiligt und daher von der Forderung nach Tariftreue betroffen sind" (S. 336 unten). 257 Dies gilt auch für die Warenverkehrsfreiheit, s. oben Fn. 225. 258 Oder auch an die ausländische Ansässigkeit, s. H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (211 ff. unter 2. a)). 259 Auch "verdeckte" oder "verschleierte" Diskriminierung genannt. 260 s. zur offenen und versteckten Diskriminierung H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (211 ff., bes. 213); speziell zur versteckten Diskriminierung (unter der Bezeichnung als mittelbare) mit Rspr.nachw. A. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar EU, Altbd. I, Art. 6 (1994) Rn. 15 f. (zum allgemeinen Diskriminierungsverbot). Beschränkende Maßnahmen, die nicht zumindest im wesentlichen auf eine Unterschei-
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mittelbare/mittelbare" sowie "direkte/indirekte" Diskriminierung verwandt. Die Begriffe "unmittelbar/mittelbar" sollten m. E. jedoch der Unterscheidung danach vorbehalten bleiben, ob eine Maßnahme ohne weitere Zwischenschritte, d.h. "unmittelbar" oder aber erst mittelbar zu einer Beeinträchtigung einer Grundfreiheit führt, m. a. W.: der Unterscheidung danach, "wie weit entfernt" voneinander die etwaige Beeinträchtigung und die fragliche Maßnahme sind?61 (2) Beschränkungsverbot Darüber hinaus ist den Grundfreiheiten, jedenfalls den Produktverkehrsfreiheiten, nach der Rechtsprechung des EuGH ein allgemeines Beschränkungsverbot zu entnehmen. 262 Danach bedürfen alle Maßnahmen der Rechtfertigung vor den Grundfreiheiten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Waren- bzw. Dienstleistungsverkehr zu behindern, d.h. auch entsprechende Maßnahmen nichtdiskriminierender Art. 263 Inzwischen wird überwiegend davon ausgegangen, daß diese Rechtsprechung grundsätzlich auch für die Freizügigkeit der Personen Geltung hat. 264 Für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist dies mit den Urteilen Bosman und Graf nunmehr eindeutig entschieden. 265 Für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens wird in der Literatur oftmals nur das Diskriminierungsverbot erwähnt, wobei dies allerdings z. T. weiter verstanden wird als hier. 266 Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, warum das Beschränkungsverbot im Bereich der öffentlichen Aufträge von dung anhand des verbotenen Merkmals hinauslaufen, sind m. E. entgegen einem verbreiteten Sprachgebrauch nicht unter den Begriff der (versteckten) Diskriminierung zu fassen, sondern unterfallen ggf. dem Beschränkungsverbot, s. Jarass, a. a. 0., S. 213. 261 Vgl. (unter Verwendung des Begriffs "indirekt" statt "mittelbar") die Unterscheidung zwischen mittelbaren und versteckten Diskriminierungen bei P. Troberg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 52 Rn. 37 ff. (zur Niederlassungsfreiheit). 262 s. zur Entwicklung vom Diskriminierungs- zum Beschränkungsverbot in der Rspr. des EuGH P. Behrens, EuR 1992, 145 (148 ff.). 263 s. für die Warenverkehrsfreiheit die Dassonville-Formel (oben III. 2. b) aa) bei Fn. 125); für die Dienstleistungsfreiheit der Sache nach schon die Formel im Urt. Van Binsbergen v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Sig. 1974, 1299, Tz. 10/12; deutlich dann z.B. Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 - Säger, Sig. 1991 1,4221, Tz. 12. 264 s. insbs. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit etwa M. Nettesheim, NVwZ 1996, 342 ff.; zur Niederlassungsfreiheit etwa W. Weiß, EuZW 1999, 493 ff.; differenzierend insbs. im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit aber R. Streinz, EuropaR (2001), Rn. 671, 672a, 675 f., 678 ff. 265 EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 - Bosman, Sig. 1995 1,4921, Tz. 96; Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 - Graf, Slg. 2000 I, 493, Tz. 18 u. 23.
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vornherein nicht anwendbar oder zumindest in der Praxis bedeutungslos sein sollte?67 Ein wichtiges Beispiel bilden insoweit die Tariftreueerklärungen?68
(3) Einschränkungen der tatbestandlichen Reichweite Die Erfassung auch versteckter und mittelbarer Diskriminierungen sowie nichtdiskriminierender Beschränkungen führt dazu, daß der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten potentiell enorm weit ist. Letztlich kann so in jeder mitgliedschaftliehe Maßnahme, die irgendwelche Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben zeitigt, eine Beschränkung der Grundfreiheiten gesehen werden. Der EuGH hat dem teilweise entgegengesteuert, indem er neben der Entwicklung einer besonderen Schranke für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen - dem Rechtfertigungsgrund des zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses (Cassis-Rechtsprechung, dazu sogleich unter bb) (2» auch schon auf der Tatbestandebene gewisse Einschränkungen vorgenommen hat. 269 So hat der Gerichtshof mit der Keck-Rechtsprechung im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit solche nationalen Bestimmungen vom Verbot des Art. 28 (30 a.F.) EGV ausgenommen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sie den Absatz inländischer Erzeugnisse und Erzeugnisse aus den anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren. 27o Diese Rechtsprechung einschließlich der Folgeurteile wird einer gängigen Faustformel zufolge so verstanden, daß mit den "Verkaufsmodalitäten" vertriebsbezogene (vermarktungsbezogene) im Gegensatz zu produktbezogenen (warenbezogenen) nationalen Regelungen erfaßt sein sollen. 271 Eine entsprechende Anwendung der Formel für die Dienstleistungsfreiheit, wie in der Literatur vorgeschlagen, hat der EuGH bisher nicht vorgenommen. 272 266 Explizit nur das Diskriminierungsverbot für maßgeblich hält A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (687 mit Fn. 18); anders hingegen ausdrücklich J. Ziekow, NZBau 2001, 72 (77 I. Sp.). 267 Vgl. auch S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992),408 (409 unten f.). 268 Dazu ausführlich unten unter 2. f), insbs. bb) u. cc) (2) a). 269 Hierzu ist allerdings anzumerken, daß über die jeweilige Zuordnung der Einschränkungen zur Tatbestands- oder Schrankenebene keine Einigkeit besteht. 270 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 u. 268/91 - Keck, Slg. 1993 I, 6097, Tz. 16. 271 s. etwa U. Becker, EuR 1994, 162 (168 ff. unter I1I.). Im einzelnen ist hier aber vieles noch streitig und ungeklärt.
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Außerdem - gleichsam noch eine Stufe früher ansetzend - werden solche Maßnahmen nicht von der Warenverkehrsfreiheit erfaßt, deren mögliche beschränkende Wirkungen für den Warenverkehr "zu ungewiß und zu indirekt" sind, als daß sie als geeignet zur Handelsbeeinträchtigung angesehen werden könnten?73 Damit werden solche Maßnahmen ausgeschlossen, die nur sehr mittelbar zu einer Handelsbeeinträchtigung führen bzw. führen könnten. Mit verschiedenen Stimmen in der Literatur ist m. E. darüber hinaus die Einschränkung zu machen, daß in jedem Fall eine rechtliche oder faktische Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge vorliegen muß. 274 Die Grundfreiheiten gewährleisten keine allgemeine Wirtschaftsfreiheit, sondern schützen spezifischer vor Beeinträchtigungen des Wirtschaftsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Die Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge ist der gemeinschaftsrechtliche Anknüpfungspunkt; der EuGH darf nationale Regelungen nicht darüber hinaus schlicht auf ihre sachliche Berechtigung überprüfen. Der EuGH hat dem mit der Keck-Formel für einen Teilbereich auch Rechnung getragen. Dies muß jedoch allgemein gelten. (4) Einschränkungen der tatbestandlichen Reichweite im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens a) Beschaffungsregelungen als "Verkaufsmodalitäten"
im Sinne der Keck-Rechtsprechung?
Eine auf der Rechtsprechung des EuGH basierende Begründung für das Erfordernis der Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge könnte speziell für den Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens darin bestehen, Beschaffungsregelungen generell als "Verkaufsmodalitäten" im Sinne der Keck-Rechtsprechung anzusehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um produkt- oder um vertriebsbezoge Regelungen handelt und unabhängig davon, welche Grundfreiheit betroffen ist. So hat Breier eine Anwendung der Keck-Rechtsprechung für den Fall gesetzeserweiternder Anforderungen an Kfz und Kraftstoffe vorgeschlagen. 275 Es handele sich um 272 Vgl. hierzu P. Troberg, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 59 Rn. 34. 273 Zitat aus EuGH, Urt. Corsica Ferries (oben Fn. 228), Tz. 31; s. außerdem Urt. v. 7.3.1990, Rs. C-69/88 - Krantz, Slg. 1990 I, 583, Tz. 11; Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-379/92 - Peralta, Slg. 1994 I, 3453, Tz. 24; Urt. v. 21.9.1999, Rs. C-44/98 BASF, Slg. 1999 I, 6269, Tz. 16. 274 H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (216 ff. unter c»; vgl. auch R. Streinz, EuropaR (2001), Rn. 679 u. 681, sowie M. Nettesheim, NVwZ 1996,342 (343 f. unter 111. 1.).
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bloße "Ankaufsmodalitäten", d.h. um vertriebsbezogene Regelungen. Der Marktzugang sei nicht unmittelbar betroffen. Diese Argumentation basiert darauf, daß es sich bei Beschaffungsregelungen um Regelungen handelt, die nicht den Marktzugang allgemein, sondern lediglich einen Teilmarkt und damit eine bestimmte Absatzmöglichkeit betreffen. Eine ähnliche Argumentation findet sich - allerdings vor dem Keck-Urteil - in den Ausführungen Irlands im Fall Dundalk. Dort ging es um bestimmte Anforderungen an Wasserrohre im Rahmen öffentlicher Bauaufträge. Die entsprechenden Ausschreibungsklauseln, so die Argumentation, seien nicht auf Einfuhren bezogen, das Recht eines Herstellers, seine Erzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat zu liefern, werde nicht berührt?76 Einer generellen Anwendung der Keck-Rechtsprechung auf Beschaffungsregelungen steht jedoch entgegen, daß diese Regelungen im Blick hat, die den ganzen Markt und nicht lediglich einen Teilmarkt bestimmter Nachfrager betreffen, und dabei dann nach Produkt- oder Vertriebsbezogenheit der Regelung unterscheidet. Sie paßt für den hier vorliegenden Fall daher nicht. Wenn überhaupt, so läßt sich die Keck-Formel für Beschaffungsregelungen nur nach Maßgabe der eben genannten Unterscheidung anwenden, d.h. für vertriebsbezogene und nicht, wie von Breier vorgeschlagen, (auch) für produktbezogene Regelungen. 277 Der EuGH selbst hat im übrigen in einem Fall, in dem es um eine produktbezogene Anforderung eines öffentlichen Auftraggebers ging, einen Verstoß gegen Art. 30 EWGV bejaht, obwohl ausländische Produkte nicht stärker betroffen waren als inländische, mithin die Keck-Rechtsprechung gerade nicht angewandt. 278 R. Breier, UPR 1995, 128 (129 f.). s. die Wiedergabe der Ausführungen Irlands bei GA Darmon, Slg. 1988, 4944, 4951 unter Nr. 37. Im konkreten Fall lag allerdings eine versteckte Diskriminierung vor, so daß eine Anwendung der Keck-Formel - hätte es sie damals schon gegeben - ohnehin nichts an dem Ergebnis eines Verstoßes gegen Art. 30 EWGV (jetzt Art. 28 EGV) geändert hätte. 277 Ausdrücklich gegen Breier mit dem Argument, es handele sich (regelmäßig) um produktbezogene Regelungen, für die die Warenverkehrsfreiheit uneingeschränkt gelte E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 78 f.; M. Kling, Vergabefremde Regelungen, S. 611 unten f. (612). Vgl. auch K. Hailbronner/C. Weber, EWS 1997, 73 (74 1. Sp.), die davon ausgehen, die Keck-Rechtsprechung werde im öffentlichen Beschaffungswesen regelmäßig keine Rolle spielen, da Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit hier regelmäßig produktbezogen seien; des weiteren S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 83 f., die ebenfalls nach produktbezogenen und sonstigen (nämlich solchen "relate[d] to ,secondary' policy issues") Beschaffungsanforderungen unterscheidet und nur auf letztere die Keck-Formel anwendet. eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 215 f., trifft ebenfalls diese Unterscheidung, lehnt eine Anwendung der Keck-Formel aber auch für die sonstigen Anforderungen ab. 278 EuGH, Urt. Wetterwarte (UNIX) (oben Fn. 245), Tz. 23 ff. (27). 275
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Die Rechtsprechung des EuGH läßt sich damit auch für den Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens nicht dazu heranziehen, das weite Beschränkungsverbot auf die Fälle der Schlechterstellung grenzüberschreitender Sachverhalte zu begrenzen. Aus den obengenannten Gründen ist - entgegen dem eben genannten Urteil - aber daran festzuhalten, daß eine solche Begrenzung notwendig ist.
ß)
Berücksichtigung der "Beschaffungsautonomie"
Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens weisen neben der Besonderheit, daß sie nur einen Teilmarkt betreffen, noch eine zweite, damit zusammenhängende Eigenheit auf, die für die Frage nach der Reichweite der Grundfreiheiten in diesem Bereich von Bedeutung sein . könnte: Der Staat tritt bei der Beschaffung nicht primär in seiner spezifisch staatlichen Funktion, sondern primär als Marktteilnehmer auf, der einen Bedarf an Waren oder Dienstleistungen definiert und diesen mittels der Vergabe öffentlicher Aufträge deckt. Dafür muß man ihm einen gewissen Grad an "Beschaffungsautonomie" zugestehen, d.h. ein relativ großes Maß an Freiheit auf der Ebene der Bedarfsdefinition?79 Wie Arrowsmith zu Recht betont, muß der öffentliche Auftraggeber selbst grundsätzlich das Recht haben, zu bestimmen, welche Produkte, Bau- oder Dienstleistungen er benötigt und welche Anforderungen diese zu erfüllen haben. Es erschiene unangemessen, jede Anforderung an die zu beschaffende Leistung an den Grundfreiheiten zu messen, und zwar über die ohnehin auszuscheidenden Fälle hinaus, in denen eine Schlechterstellung grenzüberschreitender Sachverhalte nicht vorliegt. Schon die Wahl eines bestimmten Produkts (statt eines anderen, ebenfalls denkbaren) oder die Festlegung eines bestimmten Qualitätsstandards kann nämlich im Ergebnis dazu führen, daß ausländische Waren bzw. Unternehmen benachteiligt sind. Arrowsmith führt hierzu als plastisches Beispiel die Entscheidung an, für die Seenotrettung mehr Helikopter und nicht mehr Rettungsboote zu beschaffen, die inländische Unternehmen begünstigt, wenn die inländische Helikopterindustrie wettbewerbsfähiger ist als die inländische Rettungsbootindustrie. Diese Entscheidungen dürfen nicht einem Rechtfertigungszwang nach den Grundfreiheiten unterworfen werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Entscheidung von einer protektionistischen Absicht getragen wurde. 28o Fraglich ist allerdings, ob diese Einschränkung der Anwendung der Grundfreiheiten auch dann noch gelten kann, wenn der Staat der einzige oder fast der einzige Nachfrager für bestimmte Leistungen ist. In diesem Vgl. oben im 1. Teil, 1. Kap., unter B. 11. 5. s. zum Ganzen S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 584 unten f.; das Helikopterbsp. findet sich auf S. 585 in Fn. 43. 279
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Fall läuft es (fast) auf dasselbe hinaus, ob er von seiner Hoheitsgewalt Gebrauch macht und in allgemeingültiger Weise bestimmte Anforderungen an Waren oder Dienstleistungen festlegt, oder ob er diese Anforderungen "nur" bei der Beschaffung aufstellt. Man könnte argumentieren, im erstgenannten Fall seien diese Anforderungen ohne Zweifel uneingeschränkt an den Grundfreiheiten zu messen, so daß im letztgenannten Fall dasselbe gelten müsse. Umgekehrt wäre es aber auch denkbar, allgemeingültige Regelungen, die de facto nur die öffentliche Nachfrage betreffen, zu behandeln wie Regelungen, die der Staat nur für seine Beschaffung aufstellt. Demgegenüber ist m. E. daran festzuhalten, die Festlegung von Anforderungen an die Leistung im Rahmen der Beschaffung im beschriebenen Sinne anders zu behandeln als allgemeingültige Regelungen. Auch wenn der Staat der einzige oder fast der einzige Nachfrager ist, macht es einen nicht nur äußerlichen Unterschied, ob er die eigene Beschaffung regelt, d.h. als Nachfrager handelt, oder ob er allgemeingültige Gesetze erläßt. Die einschränkende Auslegung der Grundfreiheiten für die Ebene der Bedarfsdefinition ist im vorliegenden Kontext namentlich für umweltpolitisch motivierte Anforderungen an die Leistung von Bedeutung. Auch diese werden grundsätzlich von der "Beschaffungsautonomie" erfaßt. Die nur eingeschränkte Anwendbarkeit der Grundfreiheiten findet allerdings dort ihre Grenze, wo die gewünschte Leistung unter Bezugnahme auf inländische Normen, Zertifikate, Siegel etc. definiert wird. Solche Bezugnahmen weisen ein spezifisches handelsbehindemdes Potential auf und sind daher voll an den Grundfreiheiten zu messen. Erhebliche Schwierigkeiten wirft schließlich die Frage auf, inwieweit bei Lieferaufträgen281 die eingeschränkte Kontrolle nach den Grundfreiheiten auch für solche Anforderungen gilt, die sich auf den Herstellungs- oder Handelsprozeß der Ware beziehen. 282 Da die Bestimmung des zu beschaffenden Produkts der "Beschaffungsautonomie" i. S. d. Grundfreiheiten unterliegt, ist die Frage, inwieweit hier jeweils noch von Anforderungen an das Produkt gesprochen werden kann. So ist bei der Anforderung, es müsse sich um "fair gehandelte" Ware handeln, einerseits nur ein geringer Bezug zum Produkt selbst und seinen Eigenschaften vorhanden. Andererseits stellt bspw. fair gehandelter Kaffee im Handelsverkehr eine andere Ware dar als gewöhnlicher Kaffee, so daß man von einem anderen Produkt sprechen könnte. Wird verlangt, eine Ware müsse "unter Mitwirkung von Lehrlingen hergestellt" sein,283 ist vordergründig der Bezug zum Produkt enger als im 281 Oder auch bei Dienstleistungs- oder Bauaufträgen, wenn dabei Waren zu verwenden sind (z. B. Baumaterial). 282 Vgl. oben im 1. Teil, 2. Kap., unter B. I. 1. b) bb).
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Fall des Erfordernisses des fairen Handels. De facto geht es aber nicht um das Produkt; vielmehr entspricht diese Anforderung im Ergebnis dem Erfordernis, der Hersteller müsse Lehrlinge beschäftigen. Ob für die Anforderung, das Produkt dürfe nicht in Kinderarbeit hergestellt worden sein, Entsprechendes gilt, erscheint fraglich. Hier wird nämlich nicht im Ergebnis die Beschäftigung von Kindern durch den Hersteller ausgeschlossen. Soll chlorfrei gebleichtes Papier beschafft werden, könnte man argumentieren, es handele sich nicht um Eigenschaften des Produkts, sondern um eine Anforderung an die Herstellungsmethoden und damit letztlich an das Verhalten der Hersteller. Bei aus Altpapier hergestelltem Papier hingegen könnte man vom Vorliegen einer Produkteigenschaft sprechen, da dieses sich auch äußerlich von gewöhnlichem Papier unterscheidet. Ebenso könnte man von dem Verlangen nach einer bestimmten Produkteigenschaft sprechen, wenn Tropenholz ausgeschlossen wird, nicht aber, wenn verlangt wird, Holz müsse aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen. Ob eine solche Abgrenzung nach der Manifestation im Produkt stichhaltig ist, erscheint aber zweifelhaft. Schließlich werden jeweils in bei den Fällen allein aus ökologischen Gründen bestimmte Anforderungen gestellt. Eine andere Möglichkeit der Abgrenzung wäre, darauf abzustellen, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um unterschiedliche Produkte handelt (vgl. das obige Kaffee-Beispiel) oder um gleiche Produkte, aber unterschiedliche Anforderungen an Handel bzw. Herstellung. Damit käme es letztlich darauf an, ob ein bestimmter Handels- oder Herstellungsprozeß schon am Markt etabliert ist. Öffentliche Auftraggeber könnten hier aber gerade eine Vorreiterrolle einnehmen. Auch diese Lösung ist daher nicht befriedigend. Die Frage ist kaum vollständig überzeugend zu lösen. Jedenfalls für Anforderungen an das Verfahren der Herstellung (die Herstellungsmethode), wie im Beispiel des chlorfrei gebleichten Papiers, greift m. E. die "Beschaffungsautonomie". Eine Grenze ist hingegen jedenfalls bei "Umformulierungen" von Anforderungen an das Verhalten der Auftragnehmer wie im Lehrlingsbeispiel erreicht. Die dazwischen liegenden Fälle sind schwierig zu beurteilen. Im Zweifel sollte den Auftraggebern m. E. ein weiter Spielraum gelassen werden.
283
Bsp. von J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (465).
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bb) Schranken ( 1) Geschriebene Schranken
Schranken der Grundfreiheiten sind zunächst einmal die im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen, d.h. Art. 30 (36 a.F.) EGV für die Warenverkehrsfreiheit, Art. 55 i. V. m. 45, 46 (66 i. V. m. 55, 56 a. F.) EGV für die Dienstleistungsfreiheit, Art. 45, 46 (55, 56 a.F.) EGV für die Niederlassungsfreiheit und Art. 39 III, IV (48 III, IV a. F.) EGV für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese Vorschriften erlauben zum einen Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit und nehmen zum anderen den Bereich der öffentlichen Verwaltung bzw. Ausübung öffentlicher Gewalt vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten aus. Diese Bereichsausnahme greift nicht für die Warenverkehrsfreiheit; dort sind andererseits neben der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit noch einige weitere Schutzgüter normiert. (2) Ungeschriebene Schranken
Darüber hinaus hat der EuGH für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen mit der Cassis-Rechtsprechung den zusätzlichen Rechtfertigungsgrund eines zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses eingeführt. 284 Allerdings ist nicht völlig klar, was unter "unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen" zu verstehen ist, i. e. ob damit nur die offen diskriminierenden oder auch (so wird die Formel für gewöhnlich verstanden) die versteckt diskriminierenden Maßnahmen ausgeschlossen sein sollen. 285 Der Gerichtshof hat die Formel indes sogar schon bei der Frage nach der Rechtfertigung offener Diskriminierungen verwandt. 286 Hinzu kommt, daß die Grenze zwischen Diskriminierungen und sonstigen Beschränkungen oft nur schwer auszumachen ist; bei der Warenverkehrsfreiheit unterscheidet die Dassonville-Formel insoweit ja auch gar nicht. Eine klare Linie zu diesen Fragen läßt die Rechtsprechung hier zur Zeit noch nicht erkennen. ce) Wirkungen der Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbar und verleihen den EUBürgern subjektive Rechte?87 Sie sind von den nationalen Gerichten und 284 s.O. Fn. 135; für die Dienstleistungsfreiheit bereits zuvor Urt. Van Binsbergen (Fn. 263), Tz. 10/12. 285 Vgl. P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (587 Fn. 44); näher eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 219 f. u. speziell zum Umweltschutz S. 222 ff. 286 So in den Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 - Decker, Slg. 1998 I, 1831, Tz. 39, u. Rs. C-158/96 - Kohll, Slg. 1998 I, 1931, Tz. 41.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Behörden288 mit Vorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht anzuwenden?89 Dies gilt unabhängig davon, ob die Begünstigten sich hierauf berufen. 29o 2. Bedeutung der Grundfreiheiten für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung
Die Frage ist nun, welche Grenzen die Grundfreiheiten der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung ziehen. a) Keine spezifische Bedeutung für gesetzesaufgreifende Kriterien Zunächst einmal ist festzuhalten, daß im Hinblick auf die Beurteilung nach den Grundfreiheiten die Unterscheidung zwischen gesetzesaufgreifenden und gesetzeserweiternden Kriterien von wesentlicher Bedeutung ist: Spezifische Probleme stellen sich unter dem Blickwinkel der Grundfreiheiten nämlich bei gesetzesaufgreifenden Kriterien nicht. Soweit eine nationale Regelung zulässigerweise auch für EG-Importware resp. für EG-ausländische Unternehmen gilt, ist auch eine Verknüpfung mit der Auftragsvergabe zulässig. Denn wenn die jeweilige Regelung ohnehin beachtet werden muß, kann dies auch im Rahmen der Auftragsvergabe verlangt und sanktioniert werden. 291 Praktische Bedeutung hat dies vor allem bei Bauleistungen und Dienstleistungen, die im Staat des Auftraggebers erbracht werden und daher (teilweise) dessen Vorschriften unterliegen. 292 Soweit also z.B. der Mindestlohn aufgrund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für im Inland eingesetzte Arbeitnehmer zulässigerweise auch von Unternehmen mit Sitz im Ausland zu zahlen ist, begegnet es unter dem Blickwinkel der Grundfreiheiten keinen Bedenken, diese Pflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zusätzlich 287 s. EuGH, Urt. lannelli & Volpi (oben Fn. 105), Tz. 13 (Warenverkehr); Urt. Van Binsbergen (Fn. 263), Tz. 18 ff. (24/26) (Dienstleistung); Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 - Reyners, Slg. 1974, 631, Tz. 15 ff. (32) (Niederlassung); Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 - Van Duyn, Slg. 1974, 1337, Tz. 5/7 (Arbeitnehmer). 288 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 - Costanzo, Slg. 1989, 1839, Tz. 30 f. (zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien); Urt. v. 29.4.1999, Rs. C-224/97 - Ciola, Slg. 1999 I, 2517, Tz. 30 (zum Primärrecht, konkret zur Dienstleistungsfreiheit). 289 s. zum Anwendungsvorrang des Europarechts oben vor A. 290 R. Streinz, EuropaR (2001), Rn. 403 (zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien). 291 Vgl. ebenso S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (265 f.); dies., Procurement (1996), S. 819 unten (knapper). 292 s. S. Arrowsmith, ebd. (beide FundsteIlen).
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über eine vertragliche Vereinbarung abzusichern. Voraussetzung ist freilich immer, daß keine Ungleichbehandlung grenzüberschreitender und innerstaatlicher Sachverhalte stattfindet. Unzulässig wäre es insbesondere, nur von den ausländischen Unternehmen die Unterzeichnung entsprechender Klauseln zu verlangen. Zu berücksichtigen ist außerdem, daß der EuGH auch die für Verstöße gegen als solche gemeinschaftsrechtskonforme Verpflichtungen vorgesehenen Sanktionen seiner Rechtsprechung unterwirft und sie nicht nur am Diskriminierungsverbot, sondern auch am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mißt. 293 Zudem müssen die fraglichen Bestimmungen hinreichend genau und zugänglich sein, damit der Betroffene weiß, welche Verpflichtungen er zu beachten hat. 294 In bezug auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist m. E. aber Zurückhaltung geboten. Die Beurteilung der Frage, welche Sanktionen angemessen sind, ist zuvörderst Sache der Mitgliedstaaten. Nach den Grundfreiheiten unzulässige Sanktionen sind im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe allenfalls in Extremfällen denkbar. Die Zulässigkeit der Geltung inländischer Regelungen für EG-Importware bzw. für EG-ausländische Unternehmen kann im Einzelfall freilich problematisch sein?95 Dies ist aber kein spezifisches Problem der öffentlichen Auftragsvergabe und kann hier daher grundsätzlich nicht untersucht werden. Es soll allerdings auf die Zulässigkeit der im Arbeitnehmer-Entsendegesetz enthaltenen Erstreckung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns auf Unternehmen mit Sitz im Ausland eingegangen werden. 296 Diese Frage ist sehr umstritten; zudem sind die dort auftauchenden Probleme und Gesichtspunkte auch für die Beurteilung der Zulässigkeit der darüber hinausgehenden Tariftreueerklärungen von Bedeutung. b) Bedeutung des Verbotes offener Diskriminierungen Eine offene Diskriminierung liegt vor, wenn Beschaffungsregelungen ausdrücklich ausländische Waren oder Unternehmen ausschließen oder wenn inländische Waren oder Unternehmen ausdrücklich bevorzugt werden. Dies ist nicht nur im Rahmen einer direkten "Buy-national"-Politik denkbar, sondern auch im Rahmen der Einbeziehung anderer politscher Ziel set293 s. EuGH, Urt. v. 12.12.1989, Rs. C-265/88 - Messner, Slg. 1989,4209, Tz. 9 u. 14 (Aufenthaltsanzeigepflicht); Urt. v. 29.2.1996, Rs. C-193/94 - Skanavi u. Chryssanthakopoulos, Slg. 1996 I, 929, Tz. 36 ff. (Führerscheinumtauschpflicht). 294 s. EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. 369 u. 376/96 - Arblade und Leloup, Slg. 1999 I, 8453 = EuZW 2000, 88, Tz. 43 (für Strafverfolgung). 295 Hier ist insbesondere an die Problematik der Vereinbarkeit der Regelungen des Internationalen Privatrechts mit den Grundfreiheiten zu erinnern. 296 Unten f) bb).
I3 Meyer
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
zungen: Sollen öffentliche Aufträge bspw. zur Belebung der Konjunktur oder als Mittel der Industriepolitik eingesetzt werden, so wäre es aufgrund der nationalen Ausrichtung solcher Politiken an sich konsequent, die Aufträge nur an inländische Unternehmen zu vergeben bzw. nur inländische Erzeugnisse zu beschaffen. Dies lassen die Grundfreiheiten jedoch nicht ZU?97 Im Hinblick auf wirtschaftspolitische Zielsetzungen dieser Art bestehen auch keine Rechtfertigungsmöglichkeiten. 298 Das Verbot offener Diskriminierungen dürfte von den Mitgliedstaaten im Beschaffungswesen inzwischen weitgehend beachtet werden. Es hat daher heute weitaus weniger praktische Relevanz als das Verbot versteckter Diskriminierungen und sonstiger (nichtdiskriminierender) Beschränkungen. So waren in der VOB/ A Fassung 1952 und der VOLl A Fassung 1932/36 noch einige offen diskriminierende Vorschriften enthalten, die nun aber schon seit längerem beseitigt sind?99 Ein aktuelleres Beispiel einer offenen Diskriminierung bildet der Storebrelt-Fall (Bau der Brücke über den Großen Belt)?OO Dort mußten sich die Unternehmen verpflichten, "soweit wie möglich dänische Baustoffe und Verbrauchsgüter sowie dänische Arbeitskräfte und Ausrüstungen zu verwenden". Darin lag eine offene Diskriminierung von Importware (Art. 28 n. F./30 a. F. EGV) und möglicherweise301 auch eine (mittelbare) offene Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer (Art. 39 n. F./48 a. F. EGV). c) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Leistungsbeschreibung aa) Grundsätzliche Freiheit der Auftraggeber Nach dem oben Gesagten ist der öffentliche Auftraggeber bei der Auswahl des zu beschaffenden Produkts oder der zu beschaffenden Dienstleistung unter dem Blickwinkel der Grundfreiheiten grundsätzlich frei. 302 Er kann sich daher etwa entschließen, bei der Beschaffung von Kfz die Einhaltung strengerer Abgaswerte zu verlangen als gesetzlich vorgeschrieben, solange nicht Anzeichen für eine protektionistische Intention bestehen. Das gilt auch dann, wenn im Inland produzierte Kfz diese Anforderungen eher erfüllen?03 Ebenso kann die Verwendung umwelt- bzw. gesundheitsgefähr297 Vgl. zur Technologiepolitik S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (254); dies., Procurement (1996), S. 817. 298 Vgl. wiederum S. Arrowsmith, ebd. (beide Fundstellen). 299 s. o. im 1. Teil, 2. Kap., unter A. 11. 1. 300 Oben Fn. 234. 301 Vgl. oben Fn. 237. 302 Oben 1. c) aa) (4) ß).
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dender Baustoffe auch dann untersagt werden, wenn diese nicht gesetzlich verboten und in anderen Mitgliedstaaten gebräuchlicher sind als in Deutschland. Desgleichen kann der öffentliche Auftraggeber z. B. die Verwendung von Tropenholz ausschließen, ohne daß dies nach den Grundfreiheiten einer Rechtfertigung bedarf. Hierbei würde es sich allerdings vermutlich ohnehin nur um eine von den Grundfreiheiten m. E. nicht erfaßte Beschränkung des Waren verkehrs ohne SchlechtersteIlung EG-ausländischer Erzeugnisse handeln?04 Die Verwendung von Normen, Zertifikaten, Siegeln u. dgl. zur Beschreibung der Leistung allerdings ist in vollem Umfang an den Grundfreiheiten zu messen. Hier darf nicht auf nationale Normen, Zertifikate, Siegel etc. Bezug genommen werden, ohne daß der Zusatz "oder gleichwertiger Art" hinzugefügt wird?05 Dies gilt im hier interessierenden Kontext bspw. für das deutsche Umweltzeichen "Blauer Engel" oder das "TransFair"-Siegel. Es erscheint sogar fraglich, ob der Zusatz "oder gleichwertiger Art" in jedem Fall genügt, um einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten auszuschließen. Andererseits ist das Interesse der Auftraggeber zu berücksichtigen, die gewünschten Anforderungen klar, knapp und prägnant beschreiben zu können. Es kann nicht verlangt werden, daß jegliche praktischen Schwierigkeiten und Hindernisse ausgeräumt werden, die die Bewerbung um einen Auftrag in einem anderen Mitgliedstaat mit sich bringt. Im Regelfall dürfte eine Bezugnahme auf nationale Normen, Zertifikate, Siegel etc. daher mit den Grundfreiheiten vereinbar sein, wenn ihr der genannte Zusatz angefügt ist. bb) Einschränkungen aus Sekundärrecht Einschränkungen der "Beschaffungsautonomie" könnten sich, soweit vorhanden, jeweils noch aus EG-Sekundärrecht ergeben. Beispielhaft sei hier die Bauprodukten-Richtlinie genannt. Diese regelt, welche Anforderungen an Bauprodukte gestellt werden dürfen, und behandelt dabei insbesondere auch Umweltschutzanforderungen?06 Aber auch für zahlreiche andere Produkte sind inzwischen EG-Richtlinien nach der sog. neuen Konzeption er303 Insoweit strenger R. Breier. UPR 1995, 128 (129 f.), der die Keck-Rechtsprechung anwendet. Breier nimmt im konkreten Fall allerdings an, daß inländische und ausländische Erzeugnisse in gleicher Weise betroffen sind. 304 Die SchlechtersteIlung von Erzeugnissen aus Drittstaaten (i. e. Staaten in den Tropen) ist insoweit ohne Belang. 305 VgI. EuGH, Urt. Dundalk (oben Fn. 234), Tz. 19 ff. (22); Urt. WetteIWarte (UNIX) (oben Fn. 245), Tz. 23 ff. (27); s. dazu S. Arrowsmith. Procurement (1996), S. 582 f. 306 RL 891106/EWG vom 21.12.1988, ABI. Nr. L 40112; geänd. durch Art. 4 der RL 93/68/EWG vom 22.7.1993, ABI. Nr. L 22011 (5); s. dazu unter dem Aspekt des Umweltschutzes U. Di Fabio. DVBI. 1994, 1269 ff. (1274 ff.); speziell zur Be13"
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
lassen worden. 307 Regelt das Sekundärrecht nun abschließend und nicht lediglich im Sinne von Mindestanforderungen, welchen Anforderungen Produkte zu genügen haben, ist fraglich, ob die Mitgliedstaaten insoweit308 bei der Beschaffung strengere Anforderungen aufstellen dürfen. Soweit dies nicht der Fall ist, wären Ausnahmen nur nach Maßgabe der Vorbehalte in Art. 95 IV-VI (lOOa IV a.F., geändert) oder Art. 176 (130t a.F.) EGV möglich. Zentrale Bestimmung der EG-Richtlinien nach der neuen Konzeption 309 ist in der Regel eine Freiverkehrsklausel. Diese schreibt vor, daß die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten, die den Anforderungen der Richtlinie genügen, nicht verbieten, beschränken oder behindern dürfen?JO Diesen Produkten muß also der Marktzutritt gewährt werden. Aus den oben angeführten Überlegungen zur "Beschaffungsautonomie" ergibt sich, daß Anforderungen, die öffentliche Auftraggeber im Rahmen ihrer Beschaffung stellen, nicht unter dieses Behinderungsverbot fallen. Der Mitgliedstaat behindert hier nicht den generellen Marktzutritt, sondern macht insoweit von seiner Freiheit als Marktteilnehmer (Nachfrager) Gebrauch. In der Regel wird das EG-Sekundärrecht also so auszulegen sein, daß es dem Aufstellen strengerer Anforderungen an Produkte bei der öffentlichen Beschaffung nicht entgegensteht. 311 Das gilt m. E. auch, wenn dies in Form abstrakt-genereller Regelungen, insbesondere Verwaltungsvorschriften, vorgeschrieben wird?12
deutung für die öffentliche Auftragsvergabe N. Griem, NVwZ 1999, 1171 (1175 f. unter 3.). 307 s. die Nachweise bei D. Langner, in: Hdb. EUWiR, Bd. 1, C. VI (1996), Rn. 55 ff. 308 D.h. in bezug auf die im Sekundärrecht geregelten Aspekte, vgl. N. Griem, NVwZ 1999, 1171 (1175 r. Sp. unten f.). 309 s. zur neuen Konzeption etwa D. Langner, in: Hdb. EUWiR, Bd. 1, C. VI (1996), Rn. 6 ff. u. 34 ff.; P. MarburgerlR. Enders, Jb. des Umwelt- und TechnikR 1994, 333 (342 ff.). 310 S. D. Langner, in: Hdb. EUWiR, Bd. 1, C. VI (1996), Rn. 42. 311 Vgl. ebenso i. E. für die EG-RL über Kraftstoffe unter Anwendung der zur Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Beschaffung entwickelten Gedanken R. Breier, UPR 1995, 128 (130 f. unter 2. c)), sowie für EG-RL über Kfz, die jedoch keine Freiverkehrsklausel im oben bezeichneten Sinne enthalten (S. 130 unter 2. a) u. b»; für die Bauprodukten-Richtlinie N. Griem, NVwZ 1999, 1171 (1175 r. Sp. unter b)) für Anforderungen im Einzelfall. 312 Insoweit abweichend N. Griem, NVwZ 1999,1171 (1175 r. Sp. 0.
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cc) Rechtfertigungsgründe Werden Anforderungen gestellt, die nicht mehr von der "Beschaffungsautonomie" gedeckt sind und liegt insoweit eine Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge vor, stellt sich die Frage nach Rechtfertigungsgründen. Lehnt man es ab, eine "Beschaffungsautonomie" anzuerkennen, kommt dieser Frage noch erheblich mehr Bedeutung zu. Der Umweltschutz stellt ein anerkanntes zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses im Sinne der Cassis-Rechtsprechung dar. 313 Zusätzlich läßt sich insoweit auch noch der Gedanke des Art. 6 EGV anführen?14 Ob Gesichtspunkte des fairen Handels als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt würden, ist hingegen fraglich. Hier stellt sich in besonderer Deutlichkeit auch noch das Problem der sog. altruistischen Interessenwahrnehmung: Entsprechende Maßnahmen dienen dem Schutz der Arbeitnehmer in Drittländern, d. h. nicht dem Schutz inländischer Rechtsgüter (und hier auch nicht dem Schutz EG-ausländischer Rechtsgüter). M. E. läßt sich den Grundfreiheiten aber kein generelles Verbot der sog. altruistischen Interessenwahrnehmung entnehmen. 315 Ist der Umweltschutz grundsätzlich ein anerkannter Rechtfertigungsgrund für Beschränkungen der Grundfreiheiten, so könnte doch problematisch sein, ob sich damit auch gesetzeserweiternde Anforderungen im Rahmen der öffentlichen Beschaffung rechtfertigen lassen. Man könnte argumentieren, daß ein Erfordernis kaum "zwingend" im Sinne dieser Rechtsprechung sein kann, wenn es nur im Rahmen der öffentlichen Beschaffung gelten soll. Auf der anderen Seite darf aber die besondere Verantwortung des Staates für den Umweltschutz auch bei der Beschaffung nicht außer acht gelassen werden. Die öffentliche Beschaffung kann in diesem Bereich eine wichtige Vorbild- und Anstoßfunktion übernehmen. Das Aufstellen strengerer Anforderungen als der gesetzlichen bei der öffentlichen Beschaffung kann auch als im weiteren Sinne "milderes" Mittel angesehen werden als eine entsprechende Verschärfung der allgemeinen gesetzlichen Anforderungen. Ökologisch begründete gesetzeserweiternde Anforderungen an die Leistung sind daher einer Rechtfertigung zugänglich.
s. EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 302/86 - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, 7 ff. (9); Urt. v. 9.7.1992, Rs. C-2/90 - Abfalltourismus, Slg. 1992 I, 4431, 29 ff.; i. E. auch Urt. PreussenElektra (Stromeinspeisungsgesetz) (oben Fn. 178), 72 ff. Daß Umweltschutz ein Rechtfertigungsgrund ist, ergibt sich auch schon Art. 95 IVIV (lOOa IV UAbs. 1 a.F., geändert) EGV. 314 Art. 6 EGV paßt nicht unmittelbar, da er sich auf die Tätigkeit der Gemeinschaft und nicht der Mitgliedstaaten bezieht. 315 s. hierzu auch noch unten 3. b). 313
Tz. Tz. Tz. aus
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
d) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Auswahl der Unternehmen Regelungen über die Auswahl der Unternehmen, insbesondere über die Eignungs- und Zuschlagskriterien, die an typischerweise oder immer nur bei inländischen oder nur bei ausländischen Unternehmen vorkommende Merkmale anknüpfen, sind versteckt diskriminierend. Verbreitet sind hierbei weniger Regelungen, die sich zugunsten aller inländischen Unternehmen auswirken, als vielmehr solche, in denen eine Gruppe von Unternehmen bevorzugt wird, welche durch ein bestimmtes, typischerweise oder immer nur bei inländischen Unternehmen vorliegendes Merkmal charakterisiert wird. Es wird also nur diese Gruppe inländischer Unternehmen bevorzugt. Auch dies stellt eine (versteckte) Diskriminierung ausländischer Unternehmen dar, da sie, anders als inländische Unternehmen, in jedem Fall von der Bevorzugung ausgeschlossen bleiben?16 Es handelt sich hierbei allerdings um gerade die Fälle, die - anders als Bevorzugungen aller inländischen Unternehmen, die keine Beihilfe darstellen - m. E. als Beihilfen ausschließlich nach den Beihilfevorschriften zu beurteilen sind. 317 Da der EuGH dies im Du Pont-Urteil jedoch anders gesehen hat, soll die Zulässigkeit solcher Regelungen nach den Grundfreiheiten nun noch näher betrachtet werden. aa) Strukturpolitik, insbesondere Regionalförderung Das wichtigste Beispiel für Regelungen der beschriebenen Art bilden die Vorschriften zur Regionalförderung im öffentlichen Beschaffungswesen. ( 1) Rechtsprechung des EuGH
Aus der Rechtsprechung des EuGH ist hier neben dem Du Pont-Urteil 318 noch das Urteil in der Rechtssache C-360/89 zu nennen,319 das ebenfalls einen italienischen Fall betraf. Dort ging es um Maßnahmen zugunsten regionaler, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen bei öffentlichen Bauaufträgen. Nach den von der Kommission angegriffenen Bestimmungen des italienischen Rechts wurde zum einen bei der Aufforderung zur Ange316 Vgl. EuGH, Urt. Du Pont de Nemours (oben Fn. 98), Tz. 13, und Urt. v. 3.6.1992, Rs. C-360/89, Slg. 1992 I, 3401, Tz. 9; auf derselben Linie in einem anderen Kontext Urt. v. 24.11.1998, Rs. C-274/96 - Bickel und Franz, Slg. 1998 I, 7637 = EuZW 1999, 82 m.Anm. Novak, Tz. 23 ff., und Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281198 - Angonese, Slg. 2000 1,4139 = EuZW 2000, 468, Tz. 41. 317 s. zur Spezialität der Beihilfevorschriften oben III. 2. b). 318 EuGH, Urt. Du Pont de Nemours (oben Fn. 98), vgl. dazu oben III. 2. a) aa). 319 EuGH, Urt. v. 3.6.1992, Slg. 1992 I, 3401.
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botsabgabe solchen Konsortien und Vereinigungen auf Zeit Vorrang eingeräumt, zu denen Unternehmen gehörten, die hauptsächlich in der Region tätig waren, in der der Auftrag ausgeführt werden sollte. Diese Bevorzugung kam zwar nicht notwendigerweise, aber doch typischerweise italienischen Konsortien und Vereinigungen auf Zeit zugute und enthielt daher eine versteckte Diskriminierung ausländischer Konsortien und Vereinigungen auf Zeit; sie verstieß damit gegen die Dienstleistungsfreiheit?20 Zum anderen mußte ein Teil des Auftrags an Subunternehmen vergeben werden, die in der Region ansässig waren. Darin lag eine versteckte Diskriminierung im Ausland ansässiger Subunternehmen und damit ebenfalls ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. 32I Der Gerichtshof ist in dieser Entscheidung auch auf die Frage einer möglichen Rechtfertigung solcher Regelungen eingegangen. Italien hatte sich darauf berufen, daß mit den streitigen Bestimmungen die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Aufträgen gesichert werden sollte. Damit fand es jedoch beim EuGH kein Gehör: Diese Erwägungen fielen, so der Gerichtshof, weder unter Art. 66 i. V. m. 56 EWGV (jetzt Art. 55 i. V. m. 46 EGV), noch stellten sie ein rechtfertigendes zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses dar?22 (2) Strukturpolitische Regelungen in der Bundesrepublik
In der Bundesrepublik sind Bevorzugungsregelungen auf dem Gebiet der Regionalförderung früher für das Zonenrandgebiet und Berlin (West), seit der Wende dann für die neuen Bundesländer und Ostberlin eingesetzt worden. Die zuletzt genannten Regelungen wurden später teilweise durch Regelungen zur Bevorzugung von Unternehmen aus "Regionen der Europäischen Union mit Entwicklungsrückstand" ersetzt. 323 Gegen diese wurde s. Tz. 11 f. des Urteils (Fn. 319). s. Tz. 8 f. des Urteils (Fn. 319). S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 90 unten f., und eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 231 f., sehen hierin eine offene Diskriminierung. Auch der EuGH spricht einfach von "Diskriminierung" und nicht von "versteckter Diskriminierung". In der Tat ist die Diskriminierung hier nicht "versteckt", sondern offensichtlich, und die Regelung wirkt sich nicht lediglich typischerweise, sondern notwendigerweise immer so aus, daß ausländische Unternehmen ausgeschlossen sind. Das gilt allgemein bei Regelungen, die auf die Ansässigkeit in einer bestimmten inländischen Region abstellen. Gegen eine Bezeichnung als offene Diskriminierung spricht aber, daß nicht an die Ansässigkeit im Inland oder Ausland als das grundsätzlich verbotene Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird (vgl. zur Definition der offenen Diskriminierung oben l. c) aa) (1». 322 Tz. 13 f. des Urteils (Fn. 319). Dort zeigt sich wieder die Uneindeutigkeit der Rspr. des EuGH zu den Rechtfertigungsgründen: Da es sich um diskriminierende Regelungen handelte, wäre an sich nur eine Rechtfertigung nach dem im Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgrund in Frage gekommen. 320 321
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vorgebracht, sie führten unter dem neuen Deckmantel lediglich die alte Politik fort und seien daher ebenfalls als diskriminierend anzusehen. 324 Vermutlich trifft es zu, daß die große Mehrzahl der von diesen Regelungen profitierenden Unternehmen solche aus den neuen Ländern und nicht solche aus anderen Gebieten der Union sein werden, da diese im Gegensatz zu jenen über den Vorteil der räumlichen Nähe zum Auftraggeber bzw. zum Leistungsort verfügen. 325 Das Problem stellt sich in ähnlicher Weise bei Regelungen zur Bevorzugung von kleinen und mittleren Unternehmen?26 Auch bei diesen ist anzunehmen, daß sie auch dann, wenn sie für ausländische Unternehmen ebenso gelten, faktisch überwiegend inländischen Unternehmen zugute kommen, weil der Aktionsradius dieser Unternehmen für gewöhnlich nicht allzu groß ist. 327 Dennoch ist fraglich, ob hier eine versteckte Diskriminierung (oder jedenfalls eine sonstige Beschränkung) anzunehmen ist. Der Mitgliedstaat verfolgt in beiden Fällen bestimmte legitime politische Zielsetzungen und hat dabei alle Vorkehrungen getroffen, um diskriminierende Wirkungen zu vermeiden. 328 Die dennoch vorliegende Eignung zur Inländerbegünstigung beruht allein auf bestimmten vorgebenen äußeren Umständen. Es erscheint sachgerecht, hierauf den Gedanken der für die Arbeitnehmerfreizügigkeit entwickelten Rechtsprechung des EuGH zu übertragen, wonach eine versteckte Diskriminierung nicht vorliegt, wenn die Differenzierung auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem zulässigerweise verfolgten Zweck steht?29 Jedenfalls im Falle der Mittelstandsförderung wären diese Voraussetzungen gegeben. 33o
323 s. zur Regionalförderung im Beschaffungswesen der Bundesrepublik oben im I. Teil, 2. Kap., A. 11. I. 324 Vgl. so M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 17 ff.; ders., Entwicklungen (1997), S. 41 ff. Das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung bejaht auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 111 f. 325 Brenner (a. a. 0., s. Fn. 324) stützt die Annahme der diskriminierenden Wirkung allerdings maßgeblich auf den Vorspruch der von ihm untersuchten Brandenburger Regelung, wonach der Staat nach wie vor bei der Förderung ostdeutscher Unternehmen gefordert sei. 326 Hier bejaht A. Brandi-Dohm, NJW 1998, 857 (859 r. Sp. f.), einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. O. Wittig, Probleme (1999), S. 59, hält sowohl die Regional- als auch die Mittelstandsförderung (dazu auch noch S. 65 unten) nicht ohne Diskriminierungen für denkbar. 327 In grenznahen Gebieten könnte die Lage daher eventuell anders aussehen. 328 Vorausgesetzt, daß es auch bei der Anwendung der Regelungen nicht zu Benachteiligungen ausländischer Unternehmen kommt. 329 s. EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-237/94 - O'Flynn, Slg. 1996 I, 2617, Tz. 18 f.; Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-350/96 - Clean Car Autoservice, Tz. 30 f. Die
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Eine andere Möglichkeit, bei Regelungen zur Bevorzugung bestimmter Gruppen inländischer Unternehmen einen Konflikt mit den Grundfreiheiten zu vermeiden, ist, diese nur gegenüber anderen inländischen, nicht aber gegenüber ausländischen Unternehmen zur Anwendung zu bringen. So sah ein Runderlaß des Landes Sachsen-Anhalt von 1993 ein Eintrittsrecht für Unternehmen mit Sitz in den neuen Ländern für den Fall vor, daß ein Unternehmen mit Sitz in den alten Ländern das annehmbarste Angebot abgegeben hatte. 33 ! Bieter aus anderen Mitgliedstaaten konnten demnach nicht durch einen Eintritt eines ostdeutschen Unternehmens benachteiligt werden, so daß kein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit vorlag. 332 bb) Sozialpolitik Neben den regionalpolitisch begründeten beinhalten häufig auch sozialpolitisch begründete Bevorzugungsregelungen versteckte Diskriminierungen. Die Bevorzugung von Werkstätten für Behinderte gemäß § 141 SGB IX (zuvor § 56 SchwbG) etwa setzt gemäß § 142 SGB IX (zuvor § 57 SchwbG) die Anerkennung durch die Bundesanstalt für Arbeit voraus. Es mag theoretisch denkbar sein, daß auch ausländische Behindertenwerkstätten diese Anerkennung erlangen können. Jedenfalls wird sich die Regelung aber faktisch dahingehend auswirken, daß nur oder so gut wie nur inländische Werkstätten von ihr profitieren. Sie stellt damit grundsätzlich eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. 28 (30 a.F.) EGV dar. 333 Großbritannien hat daher entsprechende Regelungen, das sog. Priority Suppliers Scheme, zunächst abgeschafft. Später wurden sie in abgeschwächter Form unter ausdrücklicher Ausdehnung auf Werkstätten aus allen Mitgliedstaaten wieder eingeführt. 334 Ebenso hat auf Betreiben der Kommission Italien dogmatische Einordnung dieser Rspr. ist indes äußerst unklar. Jedenfalls aber paßt der ihr zugrundeliegende Gedanke m. E. auch hier. 330 I. E. einen Verstoß der Mittelstandsförderung gegen die Grundfreiheiten ablehnend auch M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 682 f. 331 RdErl. des MWi vom 1.12.1993, MBl. S. 2848, Ziff. 4. 332 Ebenso VÜA Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.1.1998, 1 VÜ 5/96 - Krankenhaus (zit. nach der Anmerkung von R. Noch, VgR 4/1998, S. 49); diesem insoweit zust. M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 309 unten; anders Noch a. a. O. sowie H. -J. PrießI F. L. Hausmann, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOBI A (2001), § 8 Rn. 29. 333 Ebenso M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 770 f.; einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit bejahend eh. Riese, VergabeR (1998), S. 258 unten f. (zu § 56 SchwbG). Zu den neuen Richtlinien auf Bundesebene und zu etwaigen Rechtfertigungsgründen s. sogleich. 334 s. S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (243 unten f. u. 269 unten 0; dies., Procurement (1996), S. 808 oben u. 823 oben. Das Priority Suppliers Scheme erfaßte neben Werkstätten für Behinderte auch solche für Strafgefangene.
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seine Bevorzugungsregelungen für Unternehmen, die benachteiligte Arbeitnehmer beschäftigen, für entsprechende Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten geöffnet. 335 In Deutschland ist in den neuen Bevorzugungsrichtlinien des Bundes die Bevorzugung ebenfalls auf vergleichbare Einrichtungen anderer Staaten ausgedehnt worden,336 so daß für den Bund ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten nunmehr wohl zu verneinen ist. Eine weitere im Sinne der Grundfreiheiten diskriminierende Bevorzugungsregelung ist die Bestimmung zur Bevorzugung von Spätaussiedlern, § 14 11 BVFG. Spätaussiedler sind per definitionem Deutsche i.S.d. Art. 116 I GG, s. § 4 III 1 BVFG. 337 Riese geht davon aus, die Regelung könne als durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt angesehen werden, da hier berechtigte soziale Belange einer Bevölkerungsgruppe verfolgt würden, die in den anderen Mitgliedstaaten keine Entsprechung habe. 338 In der Tat wäre eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung durch Erstreckung auf entsprechende Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten hier nicht möglich. Es erscheint aber zweifelhaft, ob der Rechtfertigungsgrund eines zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses eingreift. Zum einen kann dieser - wie oben dargelegt nach üblichem, allerdings nicht gesicherten Verständnis339 - nur bei nichtdiskriminierenden Regelungen zur Anwendung gelangen. Zum anderen ist dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. 34o Diese Probleme würden sich auch im Hinblick auf eine etwaige Rechtfertigung von Bevorzugungsregelungen für Behindertenwerkstätten stellen. In der Literatur ist dazu im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgebracht worden, daß direkte Subventionen weniger handelsbeeinträchtigend wären?41 Selbst wenn dies zuträfe, ist m. E. weiterhin fraglich, ob direkte Subventionen im Vergleich zu Bevorzugungsregelungen im öffentlichen Auftragswesen auch generell als gleich geeignet angesehen werden können?42 Der besondere Vorteil von J. M. Fernandez Mart(n, Procurement (1996), S. 65 Fn. 24. s. § 1 S. 1, § 2 Nr. 2 der RL vom 10.5.2001, BAnz Nr. 109 (S. 11773). 337 Man könnte hier daher, ebenso wie bei den Regelungen, die auf die Ansässigkeit in einer bestimmten inländischen Region abstellen (s. oben Fn. 321), sogar von einer offenen Diskriminierung sprechen. 338 eh. Riese, VergabeR (1998), S. 258 unten. Einen Verstoß gegen das Primärrecht bejahend dagegen E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 105 unten, u. eh. Benedict, NJW 2001, 947 (948 unter 11. 2.), ohne allerdings die Frage nach einer eventuellen Rechtfertigung zu stellen; ferner letztlich auch M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 756 ff. 339 s. o. 1. c) bb) (2). 340 s. nur p.-eh. Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 30 Rn. 231 f. m.N. der Rspr. 341 S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (270 oben); zurückhaltender dies., Procurement (1996), S. 823 vor (c); jeweils zur Förderung von Behindertenwerkstätten. 335 S. 336
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Bevorzugungsregelungen ist, daß die geförderten Unternehmen nicht nur finanzielle Hilfen, sondern Aufträge erhalten können, die sie tatsächlich in das Wirtschaftsleben integrieren. Je nach den Umständen des Einzelfalles können auch noch weitere Gründe für die Wahl dieser Strategie sprechen. 343 Den Mitgliedstaaten sollte insoweit ein gewisser Entscheidungsspielraum bleiben. Hier zeigt sich auch wieder, daß der angemessene Rahmen zur Beurteilung solcher Regelungen die Beihilfevorschriften sind. Zum einen können die ökonomischen Fragen in deren Rahmen sachgerecht beurteilt werden, zum anderen bieten sie die notwendige Flexibilität. Es bleibt vorliegend aber das Problem, daß der Rechtfertigungsgrund eines zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses wohl nur dann eingreift, wenn weder eine offene noch eine versteckte Diskriminierung gegeben ist. Verbreitet sind in Deutschland des weiteren Regelungen zur Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben. Hier vermeidet die Regelung des Bundes einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten, indem eine Anwendung gegenüber ausländischen Bietern ausgeschlossen wird. 344 In verschiedenen Bundesländern wird die Regelung dagegen auch gegenüber ausländischen Unternehmen angewandt. Für diese werden dabei aber dem deutschen dualen Ausbildungssystem andere Formen der Qualifizierung für das Berufsleben ausdrücklich gleichgestellt. 345 Auch damit dürfte den Anforderungen der Grundfreiheiten Genüge getan sein. 346 342 Zweifel allgemein auch bei eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 224 f., s. auch S. 227 Mitte speziell zur Frauenförderung. Allerdings wählt Benedict m. E. nicht den adäquaten Vergleichsmaßstab, wenn er zur Bevorzugung von Behindertenwerkstätten schreibt, direkte finanzielle Zuwendungen an Behinderte könnten nicht denselben Zweck erreichen (S. 224 unten, entsprechend S. 227 Mitte zur Frauenförderung). Das alternative Mittel wären vielmehr direkte finanzielle Zuwendungen an Behindertenwerkstätten (vgI. aber S. 227, wo Benedict im Hinblick auf die Frauenförderung auch die Subvention der Beschäftigung von Frauen nennt). 343 s. Z. B. die Analyse der italienischen Regelung, die dem Du Pont-Urteil zugrunde lag, bei J. M. Femandez Mart{nIO. Stehmann, ELR 16 (1991), 216 (237 unten ff.), und J. M. Femandez Mart{n, Procurement (1996), S. 81 ff. Sie weisen u. a. darauf hin, daß andere Maßnahmen aufgrund Korruption und Mißmanagement in der Verwaltung ihr Ziel dort oftmals nicht erreichen würden. 344 Lehrlingserlaß des Bundes vom 9.9.1997, BAnz Nr. 181, S. 12441, Ziff. 4; ebenso der bayerische Lehrlingserlaß vom 27.1.1998, AIIMBI. S. 79, verlängert bis 31.12.2003 mit Bekanntm. vom 12.12.2000, AIIMBI. 2001, S. 3, Ziff. 4. Die Technik ist also dieselbe wie bei dem oben bei Fn. 331 erwähnten Erlaß des Landes Sachsen-Anhalt (Eintrittsrecht für Unternehmen mit Sitz in den neuen Ländern). 345 So der nrw. Lehrlingserlaß vom 27.9.1996, MBI. S. 1659, geänd. u. verlängert bis 27.9.2000 mit RdErI. vom 18.9.1998, MBI. S. 1023; der saarländische Erlaß vom 22.4.1998, ABI. S. 491; stärker modifizierend noch der hessische Lehrlingserlaß vom 10.9.1997 (Ausschlußregelung), StAnz S. 2987, auszugsweise auch abgedruckt in VgR 6/1997, S. 49, aufgehoben mit Kabinettsbeschluß vom 13.2.2001, StAnz S. 1173, Ziff. 1.3.
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Hinsichtlich der Frauenförderung mittels öffentlicher Auftragsvergabe schließlich ist vorgebracht worden, eine Bevorzugung von Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil verstoße gegen die Grundfreiheiten, da Deutschland hier eine "Vorreiterrolle" innehabe?47 Brenner schreibt, hier würden "ausländische Unternehmen gezwungen, vermehrt Frauen einzustellen, um bei einem deutschen Vergabeverfahren ,vergabefähig' zu sein,,?48 Bei dieser Äußerung wird zunächst einmal außer acht gelassen, daß es sich bei der in bezug genommenen Brandenburger Frauenförderverordnung lediglich um eine Regelung zur Bevorzugung bei gleichwertigen Angeboten und die Gewährung von Eintrittsrechten handelt, so daß durchaus auch Unternehmen mit niedrigem Frauenanteil "vergabefähig" bleiben. Richtig ist im übrigen zwar, daß Vorschriften, die auf den Anteil von Frauen oder auch von anderen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppen, z. B. ethnischen Minderheiten, an der Belegschaft abstellen, ein Problem im Hinblick auf die Grundfreiheiten darstellen, wenn diese Anteile in den Mitgliedstaaten differieren. 349 In bezug auf die Beschäftigung von Frauen kann von einer "Vorreiterrolle" Deutschlands aber keine Rede sein. Die Bundesrepublik dürfte hier bestenfalls eine mittlere Position einnehmen. 35o Eine Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge liegt damit nicht vor. Käme man zu einem anderen Ergebnis, so könnte im Hinblick auf eine mögliche Berufung auf einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wiederum vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Probleme aufwerfen. 351 Speziell im Fall der Frauenförderung spricht der Gedanke des Art. 3 11 EGV aber für eine großzügige Auslegung. 352 346 Einen "Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot" sieht hingegen, jedoch mit m. E. nicht nachvollziehbarer Begründung, M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 22 f.; ders., Entwicklungen (1997), S. 45 (knapper); diesem zustimmend R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 51 Fn. 226. 347 M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 20 f.; ders., Entwicklungen (1997), S. 44 f.; diesem zustimmend R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 51 Fn. 226. 348 M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 21. 349 Vgl. S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (268 Fn. 160); dies., Procurement (1996), S. 821 Fn. 7. Grundsätzlich kein Problem in diesen Fällen sieht hingegen die Kommission, s. Mitt. vom 22.9.1989: Öffentliches Auftragswesen: Regionale und soziale Aspekte, KOM (89) 400 endg., ABI. Nr. C 311/7, Ziff. 57. 350 Vgl. z. B. den Artikel von A. Exler: "Machtlos gegen Männer. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten gibt es in Deutschland wenige Frauen in Spitzenpositionen", Süddeutsche Zeitung vom 25.10.2000, S. 2; ferner den Überblick über die Beschäftigungssituation von Frauen in der EU mit Zahlenangaben bei S. Acker, SozSich 1998, 249 ff. Auch M. Kling, Vergabefremde Regelungen, S. 560 f., verneint eine Benachteiligung EG-ausländischer Unternehmen. 351 Skeptisch zur Rechtfertigungsmöglichkeit nach der Rspr. des EuGH S. Arrowsmith, LQR 111 (1995),235 (268 Mitte); dies., Procurement (1996), S. 821. 352 Für Rechtfertigung aufgrund Art. 3 11 EGV J. Ziekow, NZBau 2001, 72 (78 I. Sp. oben); unter dem Aspekt der Vereinbarkeit mit Sekundärrecht auch V. Neßler,
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e) Versteckte Diskriminierungen und sonstige Beschränkungen bei der Auferlegung von Vertragsbedingungen Die Auferlegung von Vertragsbedingungen wurde vom EuGH in dem bereits erwähnten Beenljes-Urteil behandelt. 353 Es ging dabei um das Erfordernis, daß das beschäftigte Personal sich zu mindestens 70% aus Langzeitarbeitslosen zusammensetzen mußte, die von der örtlichen Arbeitsbeschaffungsstelle vermittelt wurden. 354 Dieses Erfordernis war dem EuGH zufolge am allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 7 I EWGV (jetzt Art. 12 I EGV) zu messen?55 Es sei danach unzulässig, wenn es nur von einheimischen Bietern oder von Bietern aus anderen Mitgliedstaaten nur mit größeren Schwierigkeiten erfüllt werden könne?56 Im Hinblick auf die Verfolgung frauenpolitischer Zielsetzungen könnte es problematisch sein, bei der Auftragsvergabe von inländischen Organisationen erstellte Verhaltenskodizes verbindlich zu machen. Denn bei inländischen Unternehmen ist es wahrscheinlicher, daß sie sich bereits nach diesen Kodizes richten und die Vertragsbedingungen für sie daher keine zusätzliche Belastung bedeuten. 357 Solche Kodizes sind in Deutschland allerdings nicht gängig. Kein Problem würde es hingegen darstellen, die Einhaltung der Vorschriften der EG-Gleichstellungsrichtlinien bzw. der jeweiligen nationalen Umsetzungs vorschriften zu verlangen. Diese Vorschriften haben ohnehin alle Unternehmen in der Union zu beachten, so daß es sich hier in jedem Fall nur um eine gesetzesaufgreifende Bedingung handeln würde. 358 DÖV 2000, 145 (151 f. unter V. 3. a», und U. Rust, EuZW 2000, 205 (207 r. Sp.). Art. 3 II EGV paßt allerdings nicht unmittelbar, da diese Vorschrift die Tätigkeit der Gemeinschaft und nicht der Mitgliedstaaten betrifft. 353 Oben Fn. 226. Die Qualifikation der zugrundeliegenden Bestimmung als Vertragsbedingung ist allerdings nicht unstreitig; der EuGH selbst hat dieses Verständnis nunmehr in der Entscheidung v. 26.9.2000, Rs. C-225/98 - Schulgebäude (Nord-Pas-de-Calais), Slg. 2000 I, 7445 = NJW 2000, 3629 = WuW 2000, 1160 = WuW/E Verg 362 = EuZW 2000, 755 m.Anm. Seidel = NZBau 2000, 584 = JZ 2001, l38 m.Anm. Dreher, Tz. 52, abgelehnt; s. dazu unten B. II. 1. b). 354 Die Klausel ist wiedergegeben in den Schlußanträgen von GA Darmon, Slg. 1988, 4643, 4648 unter Nr. 32. 355 Der EuGH spricht von Art. 7 II EWGV, gemeint ist aber Art. 7 I. Richtigerweise wäre Art. 59 f. EWGV (jetzt Art. 49 f. EGV) heranzuziehen gewesen, vgl. auch oben bei Fn. 226; s. dazu ausführlich J. M. Femandez Martfn, Procurement (1996), S. 62 ff. 356 s. Tz. 30 des Urteils (Fn. 226). Vgl. zur Beurteilung dieser Frage, welche vom EuGH dem vorlegenden Gericht überlassen wurde, die Mitt. der Kommission vom 22.9.1989 (oben Fn. 349), Ziff. 53. 357 Vgl. für das Vereinigte Königreich S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (267); dies., Procurement (1996), S. 820 unten f. 358 Vgl. i.E. ebenso U. Rust, EuZW 1999,453 (457 r. Sp. oben).
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Unter dem Blickwinkel der Grundfreiheiten sind schließlich auch die Scientology-Schutzerklärungen nicht problematisch. 359 Die Annahme von Prieß/Pitschas, hier liege eine Beschränkung der Warenverkehrs- bzw. Dienstleistungsfreiheit vor, da (auch) ausländische Unternehmen von der Bewerbung um öffentliche Aufträge abgehalten werden könnten,360 beruht auf der m. E. unzutreffenden Prämisse, daß das Beschränkungsverbot auch ohne SchlechtersteIlung der grenzüberschreitenden Sachverhalte greift. Angesichts dessen, daß die Scientology-Organisation in den anderen Mitgliedstaaten wohl nicht weiter verbreitet ist als in Deutschland,361 fehlt es hier an diesem Merkmal. f) Insbesondere: Die Tariftreueerklärungen
Die gegenwärtig am meisten diskutierte Vertragsbedingung stellen die Tariftreueerklärungen dar. Wird die Abgabe einer Tariftreueerklärung für die Ausführung öffentlicher Bauaufträge auch von Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland verlangt, könnte darin ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten liegen?62 Zur KlarsteIlung sei angemerkt, daß die folgende Untersuchung dieser Frage sich auf die Entgeltzahlungsverpflichtung beschränkt. Verpflichtungen im Hinblick auf sonstige Arbeitsbedingungen werden nicht untersucht, desgleichen nicht die Nachweis- und Kontrollregelungen. Es geht also nur um die Grundsatzfrage der Zulässigkeit der Verpflichtung zur Zahlung des Tariflohns. Ausgeklammert werden außerdem andere Aufträge als Bauaufträge, d.h. praktisch die teilweise ebenfalls von den Tariftreueerklärungen erfaßten Dienstleistungsaufträge. aa) Einschlägige Grundfreiheit Will ein Unternehmen mit Sitz in einem EG-Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat einen Bauauftrag ausführen und zu diesem Zweck Arbeitnehmer dorthin entsenden, fragt sich zunächst, welche Grundfreiheit insos. zu diesen m. N. oben im 1. Teil, 2. Kap., A. 11. 5. H.-J. PrießICh. Pitschas, ZVgR 1999, 144 (150 unter bb»; diesen folgend J. Ziekow, NZBau 2001, 72 (77 r. Sp. oben); ferner M. Kling, Vergabefremde Regelungen, S. 503. 36\ So auch H.-J. PrießICh. Pitschas u. M. Kling, jeweils a.a.O. 362 Nach OLG Brandenburg, Urt. v. 2.3.2000, 8 U 77/99, NZBau 2001, 44 (45 unter 1. b», hingegen darf ,,[d]er Geltungsbereich des deutschen Tarifvertragsrechts" von vornherein "nicht durch die Vereinbarung einer ,Tariftreue, [i.e. über das AEntG hinaus, N.M.] auf Unternehmen und Beschäftigte ausgedehnt werden, die nicht dem deutschen Tarifvertragsrecht unterliegen" (im zugrunde liegenden Fall polnische Unternehmen). Vertragliche Vereinbarungen sind aber grundsätzlich auch mit ausländischen Unternehmen möglich, so daß diese Auffassung fehlgeht. 359 360
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weit einschlägig ist: die Dienstleistungsfreiheit für das Unternehmen und/ oder die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die entsandten Arbeitnehmer. 363 (1) Dienstleistungsfreiheit
Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist schon seit längerem geklärt, daß der Tatbestand jedenfalls der Dienstleistungsfreiheit unterfallt. Der Gerichtshof hat im Fall Rush entschieden, daß diese auch das Recht des Dienstleistungserbringers umfaßt, mit dem eigenen Personal einzureisen und dieses für die Leistungserbringung einzusetzen. 364 Diese Rechtsprechung wird, soweit ersichtlich, in der Literatur allgemein akzeptiert, obschon diese Aussage nicht ganz selbstverständlich ist?65 (2) Arbeitnehmerfreizügigkeit?
Umstritten ist hingegen, ob zugleich die Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffen ist, vorausgesetzt, die betroffenen Arbeitnehmer sind Staatsangehörige der Mitgliedstaaten366 . Das Urteil Rush ist wohl im Sinne einer Verneinung dieser Frage zu verstehen?67 In der neueren Entscheidung Terhoeve hingegen hat der EuGH die Arbeitnehmerfreizügigkeit angewandt, obgleich es sich wohl um einen Entsendefall handelte. 368 Auch Generalanwalt van Gerven hielt im Rush-Urteil die Arbeitnehmerfreizügigkeit für einschlägig?69 363 Nicht untersucht werden hier ausländische Unternehmen, die im Inland ansässig sind (einschlägig wäre insoweit die Niederlassungsfreiheit) sowie der Einsatz von im Inland eingestellten (i. e. nicht entsandten) Arbeitnehmern. 364 EuGH, Urt. v. 27.3.1990, Rs. C-1l3/89 - Rush Portuguesa, Slg. 1990 I, 1417 = EuZW 1990,256, Tz. 12; s. auch schon Urt. v. 3.2.1982, Rs. 62 u. 63/81 - Seco, Slg. 1982, 223, Tz. 8 f. 365 Vgl. tendenziell kritisch P. Hanau, FS Everling (1995), Bd. I, S. 415 (417 f.). 366 Die Urteile des EuGH zur Entsendeproblematik betrafen z. T. drittstaatsangehörige Arbeitnehmer. Im Fall Rush ging es um portugiesische Arbeitnehmer, die sich nach der Beitrittsakte im fraglichen Zeitpunkt noch nicht in vollem Umfang auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen konnten. 367 Vgl. Tz. 13 ff. (15) des Urteils (Fn. 364). Ebenso gedeutet wird das Rush-Urteil von eh. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 195; W. Däubler, EuZW 1997, 613 (614 unter III. 1. mit Fn. 17); P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (589 Fn. 54); E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 17 f. unter bb) mit Fn. 95; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 341 f.; eher dafür auch U. Büdenbender, RdA 2000, 193 (205 Fn. 79); anders dagegen S. Arrowsmith, LQR 111 (1995),235 (266 Mitte); dies., Procurement (1996), S. 819 unten f. 368 EuGH, Urt. v. 26.1.1999, Rs. C-18/95 - Terhoeve, Slg. 1999 I, 345 = EuZW 1999, 380, Tz. 25 ff. 369 Slg. 1990, 1425, 1432 unter Nr. 14.
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Nunmehr hat der Gerichtshof im Urteil Finalarte, in dem es um Regelungen des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ging, jedoch ausdrücklich entschieden, daß bei Entsendung von Arbeitnehmern Art. 48 EGV a. F. (jetzt Art. 39) nicht anwendbar sei, wobei er sich inbesondere auch auf das Urteil Rush berufen hat. 37o Mir scheint die Sicht des EuGH in den Urteilen Rush und Finalarte letztlich die zutreffende zu sein, obgleich eine deutliche Nähe der Entsendungsfälle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht: Voraussetzung für das Eingreifen des Art. 39 (48 a. F.) EGV ist in der Regel jedenfalls, daß der Arbeitsort in einem Mitgliedstaat liegt, dessen Staatsangehörigkeit der betreffende Arbeitnehmer nicht besitzt. Diese Voraussetzung liegt bei entsandten Arbeitnehmern vor. Dies allein kann jedoch nicht genügen?7! Andernfalls läge schon dann ein Fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor, wenn etwa ein Busfahrer mit einer Reisegruppe in einen anderen Mitgliedstaat fährt 372 oder wenn ein Angestellter im EG-Ausland eine Fachmesse besuche 73 . Andererseits ist nicht zwingend erforderlich, daß der Sitz des Arbeitgebers im Inland liege 74 ; ebensowenig, daß der ausländische Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Inland nimme 75 . Sinn der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist es, Angehörigen der Mitgliedstaaten den Zugang zum Arbeitsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten unter Gleichbehandlung mit den inländischen Arbeitnehmern zu gewähren. Entscheidend ist damit allein, ob Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt gesucht wird. In den Entsendefällen sind die entsandten Arbeitnehmer lediglich vorübergehend und aufgrund ihres am heimischen Arbeitsmarkt geschlossenen Arbeitsvertrages in einem anderen Mitgliedstaat tätig, d.h. sie treten nicht auf dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates auf?76 Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist damit nicht einschlägig. 377 Die Abgrenzung wird hier aller370 EuGH, Urt. v. 25.10.2001, Rs. C-49, 50, 52-54 u. 68-71/98 - Finalarte, EuZW 2001, 759 m.Anm. Bayreuther = DVBI. 2002, 108 = NZBau 2002, 48, Tz. 19 ff. (23). 371 Anders GA v. Gerven in der Rs. Rush, Sig. 1990, 1425, 1432 unter Nr. 14; allgemein auch U. Wölker, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, EUV /EGV, Bd. 1 (1997), Vorbem. zu den Art. 48-50 Rn. 24: Allein die andere Staatsangehörigkeit als die des Mitgliedstaats, in dem der Betreffende wohne oder arbeite, genüge. 372 Vgl. auch EuGH, Urt. Bickel und Franz (oben Fn. 316), Tz. 14 ff.: Hier hat der EuGH auf einen österreichischen LKW-Fahrer, der auf der Fahrt durch Italien in eine Verkehrskontrolle geriet, Art. 6 (jetzt Art. 12) (i. V. m. Art. 59 und 8a) EGV a. F. und nicht Art. 48 EGV a. F. (jetzt Art. 39) angewandt. 373 Beispiel von A. Bleckmann, in: ders., EuropaR (1997), Rn. 1556. Nach Bleckmann soll hier allerdings die Arbeitnehmerfreizügigkeit insoweit einschlägig sein, als Einreise und Aufenthalt nicht verwehrt werden können. 374 Insoweit ebenso GA v. Gerven in der Rs. Rush, Sig. 1990, 1425, 1432 unter Nr. 14. 375 Anders anscheinend M. Franzen, DZWir 1996, 89 (96 unter IV. 2.), der eine Parallele zur Niederlassungsfreiheit zieht.
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dings oft Probleme bereiten; die Grenzen sind eher fließend. 378 So fragt sich, wo noch eine vorübergehende Entsendung vorliegt und wo der Aufenthalt bereits so lang andauernd und verfestigt ist, daß von einer vorübergehenden Entsendung in Wirklichkeit nicht mehr gesprochen werden kann und ein Fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzunehmen ist. Auch ist die Grenze zwischen der Einschaltung ausländischer Subunternehmen, die Arbeitnehmer an den Auftragsort entsenden, und der Arbeitnehmerüberlassung durch ausländische Unternehmen, welche nach dem Rush-Urteil unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit fällt,379 nur in der Theorie eine eindeutige. Es bleibt damit zwar dabei, daß in den Entsendefällen nur die Dienstleistungsfreiheit der entsendenden Unternehmen der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ist. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die Entsendung von Arbeitnehmern durchaus Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt des Gaststaates hat und daher eine deutliche Nähe zu dem Fall aufweist, daß Arbeitnehmer von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen. (3) Folgen, die sich bei Anwendung der Arbeitnehmerjreizügigkeit ergeben würden
Wegen der zu berücksichtigenden Nähe der Entsendungsfälle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit sollen nun noch die Folgen betrachtet werden, die sich bei Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben würden. Diejenigen Stimmen in der Literatur, die eine Anwendung auch der Arbeitnehmerfreizügigkeit befürworten, gehen davon aus, daß diese gegen die Erstreckung inländischer (Mindest-)Lohnvorschriften auf entsandte Arbeitnehmer ins Feld geführt werden kann. Art. 39 (48 a. F.) EGV enthalte nämlich nicht nur ein Diskriminierungs-, sondern auch ein Beschränkungsverbot. Dieses erfasse die fraglichen Regelungen, da sie die ausländischen (Entsende-)Arbeitnehmer daran hinderten, ihre Arbeitskraft zu einem von ihnen gewählten (i. e. niedrigeren) Preis anzubieten, und ihnen damit diesen Wettbewerbsvorteil nähmen. 38o 376 Vgl. EuGH, Urt. Rush (Fn. 364), Tz. 15; Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-43/93 - Vander Eist, Sig. 1994 I, 3803 = EuZW 1994, 600 m. Anm. Khan, Tz. 21; Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 22. 371 Ebenso Ch. Bock, Europäisches VergabeR (1993), S. 195; M. Franzen, DZWir 1996, 89 (96 unter IV. 2.); W. Däubler, EuZW 1997, 613 (614 unter Ur. 1.); E. Kayser, Nationale Regelungsspie1räume (1999), S. 17 f. unter bb) u. S. 127 unter c). 378 Vgl. A. Lyon-Caen, RMC 1991, 108 (110 unter 4.).
Vgl. Tz. 16 des Urteils (Fn. 364). Vgl. so F. Koenigs, DB 1997, 225 (230 unter IV. 3.); der Sache nach auch die Argumentation bei L. Gerken/M. Löwisch/V. Rieble, BB 1995, 2370 (2372 f. unter III. 1.), die dabei allerdings von mittelbarer Diskriminierung sprechen. 379
380
14 Meyer
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Diese Argumentation beruht m. E. jedoch auf einer Fehlinterpretation des Art. 39 (48 a. F.) EGV. Abs. 2 dieser Vorschrift, ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft,381 schreibt ausdrücklich die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen vor. Die Vorschrift geht also vom Arbeitsortsprinzip aus. Der Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit umfaßt demnach gerade nicht, seine Arbeitskraft zu Bedingungen unterhalb der Arbeitsbedingungen für Inländer anzubieten. Zweck der Vorschrift ist insoweit auch der Schutz der Arbeitnehmer des Inlandes vor Unterbietungskonkurrenz, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat. 382 Zwar hat der Gerichtshof der Arbeitnehmerfreizügigkeit in den Urteilen Bosman und Graf auch ein Beschränkungsverbot entnommen?83 Dessen Reichweite ist indes noch ungeklärt. In den genannten Urteilen ging es jeweils um Bestimmungen, die als den Wegzug aus dem Heimatstaat beschränkend angegriffen wurden und damit nicht um eine der hier vorliegenden vergleichbare Fragestellung. Jedenfalls aber kann über den Weg des allgemeinen Beschränkungsverbotes nicht die zentrale Aussage des Art. 39 11 (481la. F.) EGV ausgehebelt werden. 384 Konsequenz der Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre also im Gegensatz zu dem, was die genannten Stimmen in der Literatur annehmen, die Pflicht zur Inländergleichbehandlung. 385 Für die Entlohnung würde dies bedeuten, daß gemäß Art. 3911 (48 11 a.F.) EGV die entsandten Arbeitnehmer weder in gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen noch auf Unternehmensebene im Vergleich mit inländischen Arbeitnehmern schlechter behandelt werden dürften. 386 Dies ist für die weiteren Überlegungen im Auge zu behalten. 381 VO (EWG) Nr. 1612/68 vom 15.10.1968, ABI. Nr. L 25712, ber. Nr. L 295/ 12, geänd. zuL durch VO (EWG) Nr. 2434/92 vom 27.7.1992, ABI. Nr. L 24511; abgedruckt auch im Sartorius II unter Nr. 180; insbs. Art. 7. 382 EuGH, Urt. v. 4.4.1974, Rs. 167/73 - Französische Schijfsbesatzungen, Slg. 1974, 359, Tz. 45/47. 383 s.o. unter 1. c) aa) (2) mit Fn. 265. 384 VgL i. E. auch M. Nettesheim, NVwZ 1996, 342 (343 f. unter III. 1., bes. 343 r. Sp. unten), der sich u. a. im Hinblick auf Mindestlohnvorschriften u. dgL ebenfalls für Eingrenzungen des Beschränkungsverbotes ausspricht. 385 s. instruktiv zum Ganzen P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (587 ff., bes. 588 u. 589 Fn. 54); vgL des weiteren auch M. Franzen, DZWir 1996, 89 (96 unter IV. 2.); P. Hanau, NJW 1996, 1369 (1371 unter II.). 386 Hinzuzufügen ist allerdings, daß sich letzteres für die entsandten Arbeitnehmer nur dann auswirken würde, wenn ihr Arbeitgeber auch inländische Arbeitnehmer beschäftigt, da andernfalls die Vergleichs- und Maßstabsgruppe fehlt, ersteres im Hinblick auf Tarifverträge nur dann, wenn Tarifbindung (hier insbs. aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung) besteht.
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bb) Mindestlohnvorschriften und Dienstleistungsfreiheit Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen fällt also (nur) unter den Schutz der Dienstleistungsfreiheit. Fraglich ist nun, ob bzw. in welchen Fällen Regelungen des Gaststaates, die die Entlohnung dieser Arbeitnehmer betreffen, die Dienstleistungsfreiheit verletzen. Bei solchen Regelungen kann es sich um allgemeingültige Vorschriften über Mindestlöhne oder auch um Tariftreueregelungen im Bereich der öffentlichen Aufträge handeln. Bevor auf die Rechtmäßigkeit von Tariftreueregelungen für öffentliche Aufträge eingegangen wird (nachfolgend unter cc)), soll zunächst untersucht werden, ob eine generelle Erstreckung inländischer Mindestlohnvorschriften auf entsandte Arbeitnehmer mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Eine solche Erstreckung ist für den Baubereich mit der EG-Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie (AEntRL)387 bzw. dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)388 nunmehr auch in Deutschland vorgesehen. Fraglich ist zunächst einmal, ob in solchen Regelungen überhaupt ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit liegt. Teilweise wird dies mit dem Argument abgelehnt, Arbeitgeber mit Sitz im Inland und solche mit Sitz im Ausland würden durch diese Regelungen nicht ungleich behandelt bzw. letztere nicht schlechter gestellt. 389 Diese Ansicht kann den Wortlaut des Art. 50 UAbs. 3 (60 UAbs. 3 a. F.) EGV für sich in Anspruch nehmen, wonach die Dienstleistungsfreiheit die Leistungserbringung unter den Voraussetzungen gewährleistet, die der Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. 390 Die Gegenansicht beruft sich auf das nach der Rechtsprechung des EuGH in Art. 49 f. (59 f. a. F.) EGVenthaltene Beschränkungsverbot. Die entsprechenden Regelungen dienten der Marktabschottung. Die Dienstlei387 Art. 3 I UAbs. 1 c) RL 96171/EG vom 16.12.1996, ABI. 1997 Nr. L 18/1. Die RL ist auch abgedruckt in EuZW 1997, 623; außerdem im Sartorius 11 unter Nr. 181. 388 §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 1 Abs. 3a S. 3 AEntG vom 26.2.1996, BGBL I S. 227, in der Fassung der Änderung durch Art. 10 des Gesetzes vom 19.12.1998, BGBL I S. 3843 (3850); zul. geänd. durch Art. 5 des Gesetzes vom 30.8.2001, BGBL I S. 2267 (2269). 389 So Ueweils zu Beschäftigungsbedingungen allgemein) P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 45 oben; S. Arrowsmith, LQR 111 (1995),235 (266 bei Fn. 153); ebenso die Kommission in der Mitt. vom 22.9.1989 (oben Fn. 349), Ziff. 58. 390 So ausdrücklich P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 45 oben; s. des weiteren P. Hanau, NJW 1996, 1369 (1371 r. Sp. unten f. u. 1373 1. Sp. unter III.), u. W. Däubler, EuZW 1997, 613 (615 1. Sp.): Das Arbeitsortsprinzip sei nach dieser Bestimmung der Dienstleistungsfreiheit immanent. Die Vorschrift als Einschränkung (Schranke) der Dienstleistungsfreiheit sehend wohl K.-J. Bieback, RdA 2000, 207 (212 unter 1. b)). 14*
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stungsfreiheit von Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland werde behindert, wenn ihnen ihr Lohnkostenvorteil genommen werde. 391 Diese Argumentation beruht auf der Prämisse, daß im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ein Lohnkostenwettbewerb bzw. allgemeiner ein "Wettbewerb der schlechteren Arbeitsbedingungen,,392 zwischen den Mitgliedstaaten vom EG-Vertrag vorgesehen und geschützt wird. 393 Dagegen spricht jedoch Art. 136 UAbs. 1 (117 UAbs. 1 a. F., geändert) EGV, wonach Ziel der Gemeinschaft "die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" ist, "um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen", sowie die Nähe der Entsendungsfälle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, welche gerade zur Inländergleichbehandlung bei den Arbeitsbedingungen verpflichtet. 394 Das von der Gegenansicht angeführte 395 Urteil Van Tiggele, nach dem die Festsetzung eines Mindestpreises für alkoholische Getränke gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt, wenn sie verhindert, daß sich der niedrigere Gestehungspreis importierter Ware im Verbraucherpreis niederschlägt,396 steht dem nicht entgegen: Es betraf den Bereich des freien Warenverkehrs, in dem insoweit andere Regeln gelten. 397 Es erscheint demnach fraglich, ob eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit mit der Begründung anzunehmen ist, es werde den Unternehmen der Wettbewerbsvorteil niedrigerer Lohnkosten genommen?98 Unabhängig davon könnte man eine Schlechterstellung von Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland und damit eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aber deshalb zu bejahen haben, weil die betroffenen Unternehmen ge391 L. GerkenlM. LöwischlV. Rieble, BB 1995, 2370 (2373 unter 2.), die zugleich auch eine Diskriminierung bejahen; F. Koenigs, DB 1995, 1710 f.; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 334 f 392 Formulierung von P. Hanau, NJW 1996, 1369 (1372 r. Sp.). 393 Vgl. deutlich in diese Richtung die Ausführungen von F. Koenigs, DB 1995, 1710 (1711 1. Sp.); vgl. des weiteren GA VerLoren van Themaat in der Rs. Seco, Slg. 1982, 239, 244 unter Nr. 4. 394 Vgl. W. Däubler, EuZW 1997, 613 (615 f unter 4.); zum ersten Punkt auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 130 (der Vertrag fordere keinen Sozialkostenwettbewerb); zum zweiten Punkt vgl. auch W. Däubler, ZIP 1999, 2174 (2175 r. Sp. oben). 395 L. GerkenlM. LöwischlV. Rieble, BB 1995,2370 (23731. Sp. Mitte); M. Dreher, VgR 6/1997, S. 40 (42 vor 4.); J. KarenjortlU. v. KoppenjelslS. Siebert, BB 1999, 1825 (1831 unter 2.). 396 Urt. Van Tiggele (oben Fn. 178), Tz. 16120. 397 Vgl. die Gegenüberstellung der Art. 30 (jetzt Art. 28) EGV einerseits und Art. 48 (jetzt Art. 39) EGV andererseits zugrundeliegenden Prinzipien bei P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (587 ff); ferner im Kontext der Arbeitnehmerentsendung zu den Unterschieden der Dienstleistungs- gegenüber der Warenverkehrsfreiheit F. Bayreuther, EuZW 2001, 764 (765 r. Sp. insbs. vor 4.). 398 Bejahend neben den bereits Genannten letztlich auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 128 ff
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zwungen sind, in ihrer Lohngestaltung eine zweite Rechtsordnung zu beachten, was zusätzlichen Aufwand erfordert?99 Mit dieser Argumentation ließe sich allerdings wohl immer eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit begründen, wenn der Dienstleistende Regelungen des Mitgliedstaates zu beachten hat, in dem er seine Leistung erbringt. Die Frage nach dem Vorliegen einer Beschränkung kann hier aber letztlich offenbleiben, da eine etwaige Beschränkung, wie sogleich auszuführen ist, jedenfalls gerechtfertigt werden könnte. Die Rechtsprechung des EuGH zu der Frage, ob in Regelungen der fraglichen Art eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt, war lange nicht eindeutig. Der Gerichtshof hat wiederholt betont, "daß das Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge über Mindestlöhne unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, auf alle Personen zu erstrecken, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben".4oo
Ob damit schon das Vorliegen einer Beschränkung ausscheiden oder eine solche erst - unter dem Gesichtspunkt eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses - gerechtfertigt werden sollte, ließ sich den Ausführungen des EuGH nicht klar entnehmen. Jedenfalls verneinte der Gerichtshof im Ergebnis einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Nunmehr hat er im Urteil Mazzoleni sowie in den Urteilen Finalarte und Portugaia, die beide Regelungen des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes betrafen, deutlich ausgesprochen, daß eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gegeben ist, diese jedoch gerechtfertigt werden kann. 401 Handelte es sich in früheren Entscheidungen402 bei der zitierten Aussage zur Zulässigkeit der Erstreckung inländischer Rechtsvorschriften oder Tarifverträge stets nur um obiter dicta,403 so hat nunmehr die Entscheidung Arblade und Leloup, in der das vorlegende Gericht auch nach der Verein399 Vgl. P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (585); P. GallilD. Lehl1umnlP. Rechsteiner, Beschaffungswesen Schweiz (1996), Rn. 197 Fn. 12 (zum Schweizer Leistungsortsprinzip ). 400 EuGH, Urt. Arblade und Leloup (oben Fn. 294), Tz. 41. 401 EuGH, Urt. v. 15.3.2001, Rs. C-165/98 - Mazzoleni, EuZW 2001, 315 = NZBau 2001, 491, Tz. 19 ff.; Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 28 ff. (s. insbs. 37); Urt. v. 24.1.2002, Rs. C-164/99 - Portugaia, EuZW 2002, 245, Tz. 16 ff. 402 EuGH, Urt. Seco, Tz. 14; Urt. Rush, Tz. 18 (beide Fn. 364); Urt. Vander Eist (Fn. 376), Tz. 23; Urt. v. 28.3.1996, Rs. C-272/94 - Guiot, Sig. 1996 I, 1905 = EuZW 1996,399, Tz. 12. 403 Dies wurde von den Gegnern der Erstreckung inländischer Lohnvorschriften stets hervorgehoben, vgl. z. B. F. Koenigs, DB 1995, 1710 unter 11. 1.; ders., DB 1997, 225 (229 I. Sp. unter 2.); M. Dreher, VgR 6/1997, S. 40 (42 I. Sp. unter III. 3.); M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 337 unten u. S. 400.
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barkeit entsprechender Regelungen mit der Dienstleistungsfreiheit fragte, diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt404 . Dasselbe gilt für das Urteil Mazzoleni, in dem der Gerichtshof allerdings einen Vorbehalt der Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Anwendung im Einzelfall aufgestellt hat,405 und das Urteil Portugaia, in dem betont wird, mit der Regelung müsse tatsächlich und mit angemessenen Mitteln ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werden406 . Die Mitgliedstaaten dürfen damit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedenfalls im Baubereich zumindest im Grundsatz die Anwendung von Mindestlohnvorschriften auf alle in ihrem Hoheitsgebiet beschäftigten Arbeitnehmer vorschreiben, d.h. auch auf entsandte Arbeitnehmer. Dieser Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. 407 Als rechtfertigender zwingender Grund des Allgemeininteresses ist zunächst der soziale Schutz der entsandten Arbeitnehmer zu nennen. 40B Rechtfertigend wirkt entgegen der Auffassung des EuGH409 m. E. aber auch der Schutz der Unternehmen und Arbeitnehmer des Gaststaates vor Niedriglohnkonkurrenz. Für die Zulässigkeit dieses Rechtfertigungsgrundes sprechen der Wortlaut des Art. 50 UAbs. 3 (60 UAbs. 3 a.F.) EGV,410 die in Art. 136 UAbs. 1 (117 UAbs. 1 a. F., geändert) EGV genannte Zielsetzung der Gemeinschaft sowie die Nähe der Entsendungsfälle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Schließlich läßt sich insoweit auch anführen, daß Beschränkungen der DienstleistungsEuGH, Urt. Arblade und Leloup (oben Fn. 294), Tz. 41 f. Urt. Mazzoleni (Fn. 401), Tz. 28 ff. Dort handelte es sich um den Sonderfall einer Entsendung im grenznahen Gebiet, die bei einigen Arbeitnehmern nur einen Teil der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit betraf, während der andere Teil der Arbeitszeit im Heimatstaat abgeleistet wurde. 406 Urt. Portugaia (Fn. 401), Tz. 21 ff. Gefordert wird, daß die Regelung den entsandten Arbeitnehmern "einen tatsächlichen Vorteil verschafft, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt" (Tz. 29). Ebenso die Einschränkungen im Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 42 ff., 49 ff., zu den Regelungen des AEntG zu Urlaubsansprüchen. 407 Im Grundsatz ebenfalls dem EuGH folgend, jedoch zweifelnd für den Fall von im europäischen Vergleich hohen Mindestlöhnen wie in Deutschland M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 405 ff. (s. auch die Zusammenfassung auf S. 415 f. unter d) 3.). 408 So jetzt ausdrücklich Urt. Mazzoleni (Fn. 401), Tz. 27; Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 33; Urt. Portugaia (Fn. 401), Tz. 20; vgl. auch Urt. Guiot (Fn. 402), Tz. 16; Urt. Arblade und Leloup (oben Fn. 294), Tz. 36. 409 Vgl. Urt. Portugaia (Fn. 401) zum AEntG, Tz. 25 f.: Dort wird das Ziel, die nationale Bauwirtschaft zu schützen und die Arbeitslosigkeit abzubauen, um soziale Spannungen zu vermeiden, als Ziel wirtschaftlicher Art eingeordnet, das kein zulässiger Rechtfertigungsgrund sein kann. 410 Nimmt man den Wortlaut dieser Vorschrift ernst, müßte man eigentlich schon die Ausdehnung der Dienstleistungsfreiheit zu einem Beschränkungsverbot ablehnen. 404 405
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freiheit um so eher gerechtfertigt sind, um so mehr die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit der Ausübung der Niederlassungsfreiheit nahekommt. Ein solcher der Niederlassungsfreiheit besonders nahekommender Fall ist hier gegeben, da der Leistende sich hier in das Land des Leistungsempfangers begibt.411 cc) Tariftreueerklärungen und Dienstleistungsfreiheit Zur Beantwortung der Frage, ob die Tariftreueregelungen mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind, bedarf es einer Differenzierung nach der Art der Regelung. Neben den Regelungen der Berliner Art, die die Zahlung (mindestens) des örtlichen Tariflohns verlangen (gesetzeserweiternde Tariftreueregelungen), gibt es auch Regelungen, die lediglich die Zahlung des nach dem Tarifrecht ohnehin geschuldeten Lohns verlangen (gesetzesaufgreifende Tariftreueregelungen). Ein Beispiel für Regelungen der letztgenannten Art stellt die Tariftreueregelung des Bundes dar. 412 Danach müssen die Unternehmen sich verpflichten, den regulären Tariflohn zu zahlen, soweit eine entsprechende Tarifbindung besteht. Soweit keine Bindung an die regulären Entgelttarifverträge besteht,413 müssen sie sich hingegen lediglich verpflichten, den nach Maßgabe des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes verbindlichen Mindestlohn zu zahlen. (1) Gesetzesaufgreifende Tariftreueerklärungen Zunächst sollen die weniger weitgehenden Regelungen untersucht werden, die für Unternehmen mit Sitz im Ausland lediglich den Mindestlohn nach Maßgabe des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vorschreiben. Wie oben bereits ausgeführt,414 hängt deren Rechtmäßigkeit - abgesehen von der Frage nach der Rechtmäßigkeit etwa vorgesehener Sanktionen - grundsätzlich nur von der Rechtmäßigkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und den dazugehörigen Regelungen (Allgemeinverbindlicherkärung bzw. Geltungserstreckung kraft Rechtsverordnung des Mindestlohn-Tarifvertrages) 411
Diese Argumentation findet sich bei M. Franzen, DZWir 1996, 89 (95 unter
b) cc)).
412 Erlaß des BMBau vom 7.7.1997, abgedruckt in VgR 5/1997, S. 47. Der Wortlaut dieses Erlasses ist insgesamt allerdings nicht sehr klar; z. T. wird er in der Literatur abweichend gedeutet, so etwa implizit bei E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 126 unten f. Text mit Fn. 220 (nicht für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge seien danach auch auf entsandte Arbeitnehmer anzuwenden). 413 D.h. nur eine Bindung an den Mindestlohn-Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung i. V. m. dem AEntG bzw. kraft Geltungserstreckung durch Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG. 414 Oben unter a).
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ab. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelungen ist jedoch umstritten und soll hier nun näher untersucht werden. a) Vereinbarkeit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie
mit dem EG-Vertrag
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das im Februar 1996 erlassen wurde und seitdem mehrfach geändert worden ist, dient nunmehr auch der Umsetzung der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie vom Dezember 1996, deren Umsetzungsfrist mit dem 15. Dezember 1999 ablief (s. Art. 7 UAbs. 1 der RL). Soweit es lediglich deren Vorgaben entspricht - was in bezug auf den Mindestlohn im Baubereich grundsätzlich der Fall ist _,415 kann es daher nicht mehr an der Dienstleistungsfreiheit gemessen werden. 416 Allerdings muß auch die Entsenderichtlinie selbst primärrechtskonform sein. Dies wird in der Literatur mit der Begründung bezweifelt, daß Art. 66 i. V. m. 57 11 EGV a. F. (jetzt Art. 55 i. V. m. 47 11), der als Kompetenzgrundlage herangezogen wurde, die Regelung nicht decke. Die genannten Vorschriften ermächtigen zum Zwecke der Erleichterung der Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten zum Erlaß von Richtlinien zur Koordinierung der betreffenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Die Richtlinie, so diese Ansicht, regele mit dem Innenverhältnis zu den Arbeitnehmern lediglich Rahmenbedingungen der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit und nicht diese selbst. Außerdem beinhalte die Regelung jedenfalls keine Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit. 417 Man kann in den Vorschriften der Entsenderichtlinie demgegenüber aber auch nicht lediglich Vorschriften über äußere Rahmenbedingungen der Dienstleistungserbringung, sondern Vorschriften über die Funktionsweise von Dienstleistungsbetrieben, über die Art und Weise der Dienstleistungserbringung sehen, da die Erbringung von Arbeitsleistungen durch Arbeitneh415 S. Art. 3 I UAbs. I zweiter Spiegelstrich und c) AEntRL (Fn. 387). Auf etwaige Bedenken im Hinblick auf Einzelheiten des AEntG kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. Der EuGH hat in den Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 76 ff. (82) (Betriebsbegriff nach § 1 IV AEntG), und Portugaia (Fn. 40 I), Tz. 31 ff. (34) (Unterschreitung des Mindestlohns durch Firmentarifverträge), in einzelnen Punkten Verstöße gegen die Dienstleistungsfreiheit bejaht, vgl. dazu und zu den daraus resultierenden teils nicht unerheblichen Problemen F. Bayreuther, EuZW 2001, 764 (766 unter 5. u. bes. unter 6.). 416 Vgl. allgemein, zur gleichen Problematik bei der Warenverkehrsfreiheit, p.-eh. Müller-Graf!, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 30 Rn. 310 u. 348. 417 B. Steck, EuZW 1994, 140 (141 unter IV. 1.); zum zweiten Punkt (keine Erleichterung) auch M. Dreher, VgR 6/1997, S. 40 (41 unter III. 2.), und F. Koenigs, DB 1997, 225 (227 f. unter IV. 1., bes. 228 r. Sp. unten).
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mer des Dienstleistenden den Kern der fraglichen Dienstleistung darstellt. Solche Vorschriften unterliegen der Koordinierung nach Art. 66 i. V. m. 57 11 EGV a. F. Getzt Art. 55 i. V. m. 47 11), und zwar gerade insoweit, als es um Schranken der Dienstleistungsfreiheit aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses geht. 418 Allerdings besteht hier die Besonderheit, daß keine inhaltliche Harmonisierung erfolgt, sondern lediglich festgelegt wird, welche der jeweiligen nationalen Vorschriften auch auf entsandte Arbeitnehmer anzuwenden sind. Auch werden die entsprechenden Befugnisse der Mitgliedstaaten hierbei nicht in nennenswertem Ausmaß beschränkt (vgl. Art. 3, insbs. Abs. 1 und 10, der Richtlinie).419 Bei der Harmonisierung zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit dürfte dies aber auch keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Koordinierungsbestimmungen des Vertrages darstellen, sondern vielmehr genügen, daß eine Vereinheitlichung erfolgt. 42o Man wird daher ingesamt davon ausgehen können, daß die Kompetenzgrundlage die Regelung trägt, wenn auch gewisse Zweifel bleiben. 421
ß)
Verfassungsmäßigkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
Unter verfassungsrechtlichen Aspekten könnte namentlich die mit Wirkung zum 1.1.1999 neu in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eingefügte Bestimmung des § 1 Abs. 3a problematisch sein. 422 Diese Vorschrift erlaubt eine Erstreckung von Tarifbestimmungen auf nicht Tarifgebundene durch Rechtsverordnung. 423 Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die darauf gestützte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe424 jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. Es liege weder ein Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit noch gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 I S. 2 GG vor. 425
418 Vg!. zur sog. "funktionalen Koordinierung" P. Troberg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 57 Rn. 34 a.E. u. Art. 66 Rn. 8. 419 Vg!. zu beiden Punkten P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (592 f.). 420 Vg!. A. v. Bogdandy, EuZW 1992, 9 (13 r. Sp. unten 0: Entscheidend sei die Vereinheitlichung der Regulierung; dies dürfe auch dazu führen, daß in einzelnen Mitgliedstaaten das bisherige Liberalisierungsniveau unterschritten werde. 421 Für Kompetenzgemäßheit auch W. Däubler, EuZW 1997, 613 (614 unter III. 2.). 422 Vg!. hierzu ausführlich U. Büdenbender, RdA 2000, 193 (199 ff.). 423 Näher dazu etwa U. Büdenbender, RdA 2000, 193 ff. 424 VO des BMA vom 25.8.1999, BGB!. I S. 1894. 425 BVerfG (Kammer), Besch!. v. 18.7.2000, 1 BvR 948/00 - AEntG, NJW 2000, 3704 (3705).
2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
218
y) Vereinbarkeit der gesetzesaufgreifenden Tariftreueerklärungen
mit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie
Ist die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nach Maßgabe des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auch für Unternehmen mit Sitz im Ausland demnach rechtmäßig, so ist auch das Verlangen nach Abgabe einer entsprechenden Tariftreueerklärung im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe grundsätzlich zulässig. Diesem Ergebnis könnte allerdings noch die Entsenderichtlinie entgegenstehen. Diese könnte eine abschließende Regelung der Mechanismen zur Durchsetzung des Mindestlohns enthalten, die eine Verknüpfung mit der öffentlichen Auftragsvergabe nicht zuläßt. Eine solche Aussage läßt sich der Richtlinie m. E. jedoch nicht entnehmen. Sie enthält insoweit neben einigen detaillierteren Vorschriften zur Zusammenarbeit im Infonnationsbereich (Art. 4) und zur gerichtlichen Zuständigkeit (Art. 6) nur die allgemeine Klausel, wonach die Mitgliedstaaten "geeignete Maßnahmen" für den Fall der Nichteinhaltung der Richtlinie vorsehen (Art. 5 UAbs. 1). Dies wird in UAbs. 2 zwar noch durch ein "insbesondere" spezifiziert - insbesondere sind für die Arbeitnehmer bzw. ihre Vertreter geeignete Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie vorzusehen -, damit sind andere Durchsetzungsmechanismen jedoch nicht ausgeschlossen. 426 (2) Gesetzeserweitemde Tariftreueerklärungen
Bei den Tariftreueregelungen der Berliner Art handelt es sich nicht lediglich um die Verknüpfung einer ohnehin zulässigerweise auch für Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland geltenden Mindestlohnvorschrift mit der öffentlichen Auftragsvergabe, sondern um eine darüber hinausgehende ("konstitutive") vertragliche Verpflichtung auf den örtlichen Tariflohn. Diese stellt sich für alle nicht tarifgebundenen Unternehmen, d. h. für solche mit Sitz im Inland ebenso wie für solche mit Sitz im Ausland, als gesetzeserweiternde Verpflichtung dar. a) Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit
Die Rechtsprechung des EuGH zu allgemeingültigen Mindestlohnvorschriften läßt sich nicht ohne weiteres auf diese Regelungen übertragen: 427 Dazu, daß auch das AEntG nicht entgegensteht, s. u. im 3. Kap. unter B. V. l. S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (268 Fn. 161), und dies., Procurement (1996), S. 822 Fn. 8, nimmt hingegen an, es bestehe kein Unterschied zwischen gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen wie im Urteil Rush und der vertraglichen Auferlegung von Beschäftigungsbedingungen; K. Hailbronner/C. Weber, EWS 426 427
A. Bindungen des EG-Primärrechts
219
Sie sind unter dem Blickwinkel der Dienstleistungsfreiheit einerseits problematischer als jene, da sie nicht einen sozialpolitisch motivierten (vergleichsweise niedrigen) allgemeingültigen Mindestlohn, sondern den jeweiligen örtlichen Tariflohn zum Gegenstand haben. Insofern könnte man hier eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Gesichtspunkt eines sehr weitgehenden Ausschlusses des Lohnkostenwettbewerbs zu bejahen haben. 428 Andererseits aber wirkt die Regelung sich nicht nur für Unternehmen mit Sitz im Ausland aus, sondern auch für nicht tarifgebundene Unternehmen mit Sitz im Inland. Allerdings sind im Unterschied zu den Unternehmen mit Sitz im Inland die Unternehmen mit Sitz im Ausland stets betroffen. 429 Insgesamt gesehen sind grenzüberschreitende Vorgänge daher schlechter gestellt. Auf der Ebene der Rechtfertigung ist zu bedenken, daß hier nicht das Argument des sozialen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer angeführt werden kann, weil dafür auch ein niedrigerer Mindestlohn genügen würde. 430 Für die Zulässigkeit der Regelung spricht aber auch hier die Nähe der Entsendungsfälle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, welche Inländergleichbehandlung verlangt, der Wortlaut des Art. 50 UAbs. 3 (60 UAbs. 3 a. F.) EGV sowie schließlich die Nähe dieser Fallgruppe der Dienstleistungsfreiheit zur Niederlassungsfreiheit. M. E. verstoßen daher auch die gesetzeserweiternden Tariftreueregelungen nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit. 431 Außerdem würde die Annahme, daß das Verlangen der Tarif1997, 73 (74 r. Sp. unten), ziehen sogar einen Erst-recht-Schluß. Auch M. Brenner, Ausschluß (1997), S. 24 f., zieht diese Rspr. im Hinblick auf gesetzeserweiternde Tariftreueerklärungen heran. 428 Vg!. VÜA Bund, Besch!. v. 16.12.1998,2 VÜ 32/98 - Überbetriebliche Ausbildungsstätte, WuW 1999, 324 (328 oben) = WuW/E Verg 192 (196 oben); J. Karenjort/u. v. Koppenjels/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1831 f. unter 2.). 429 Vg!. VÜA Bund, Besch!. Überbetriebliche Ausbildungsstätte (Fn. 428), S. 328 oben = Verg 196 oben; J. Karenjort/u. v. Koppenjels/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1831 unten f. unter 2.). 430 Indessen hat es der EuGH im Urt. Finalarte (Fn. 370), Tz. 41 ff., betreffend Urlaubsregelungen unter dem Aspekt des sozialen Schutzes der entsandten Arbeitnehmer für grundSätzlich zulässig angesehen, daß diese großzügigeren Regelungen unterworfen werden als den Mindesturlaubsvorschriften des BUrlG, vg!. krit. dazu F. Bayreuther, EuZW 2001, 764 f. unter 2. u. 3. 431 Wie hier W. DäubIer, ZIP 2000, 681 (687 f. unter VIII.); vorsichtig auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 132; vg!. i. E. auch die in Fn. 427 Genannten. Anders VÜA Bund, Besch!. Überbetriebliche Ausbildungsstätte (Fn. 428), S. 327 unten f. = Verg 195 unten f.; J. Karenjort/u. v. KoppenjeIs/ S. Siebert, BB 1999, 1825 (1831 f. unter 2.); M. Knipper, WuW 1999, 677 (683 unter 2.); G. M. Berrisch/H. P. NehI, ZIP 2000, 434 (435 f. unter 3. a»; M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 336 ff. (340). Offengelassen vom BGH, Besch!. TariftreueerkIärung 1I (oben Fn. 256), WuW 2000, 327 (336 f. unter 4. a» = WuW /E Verg 297 (306 f.).
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
treueerklärung gegenüber Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland gemeinschaftsrechtswidrig sei, dazu führen, daß, wenn die Regelung dann nicht ganz aufgegeben würde, diese Unternehmen im Vergabeverfahren bevorteilt wären. So sieht man in der Schweiz das dort geltende Leistungsortsprinzip als Ausdruck des "Prinzips der gleich langen Spiesse", soll heißen des Prinzips gleichwertiger Wettbewerbsbedingungen aller Bewerber um öffentliche Aufträge. 432 Voraussetzung ist dabei allerdings noch, daß die Verpflichtung zur Zahlung des Tariflohns nicht auch auf solche Arbeitnehmer erstreckt wird, die außerhalb der Bundesrepublik tätig sind. Zwar greift auch hier der Gedanke der gleichen Bedingungen für alle Auftragnehmer. 433 Eine solche Regelung ließe sich dennoch nicht mehr rechtfertigen,434 insbesondere deshalb, weil auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit an die Beschäftigung im Inland anknüpft. Bei der Beschäftigung im Ausland liegt die Parallele zur Warenverkehrsfreiheit näher, die entsprechende Maßnahmen grundsätzlich nicht zuläßt.
ß)
Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie
Allerdings könnte die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie den gesetzeserweiternden Tariftreueerklärungen entgegenstehen. In Art. 3 X der Richtlinie ist bestimmt, welche Vorschriften die Mitgliedstaaten über die nach Art. 3 I zwingend auch auf entsandte Arbeitnehmer anzuwendenden Vorschriften hinaus für anwendbar erklären können. Tarifvertragliche Lohnvorschriften im Baubereich, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, fallen weder unter Art. 3 1435 noch unter Art. 3 X. Damit kommt es darauf an, ob Art. 3 X der Richtlinie auch in dem Sinne abschließend ist, daß er nicht nur die generelle Erstreckung dort nicht genannter Vorschriften auf ent432 S. P. GallilD. LehmannlP. Rechsteiner, Beschaffungswesen Schweiz (1996), Rn. 225. 433 Vgl. S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (267 Mitte); dies., Procurement (1996), S. 820. 434 Ebenso E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 132; sehr skeptisch insoweit allgemein zu Beschäftigungsbedingungen auch die Kommission in der Mitt. vom 22.9.1989 (oben Fn. 349), Ziff. 58; dieser zustimmend S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (268 unten f.); dies., Procurement (1996), S. 822. Auch der EuGH (s. die Nachw. in Fn. 402 u. 404 f.) hat immer nur von der Erstreckung der Mindestlohnvorschriften auf im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates beschäftigte Arbeitnehmer gesprochen (und auch das anders formulierte Urt. Portugaia (Fn. 406) dürfte nicht anders gemeint sein). 435 Mit der Begründung, daß diese nicht unter Art. 3 I fallen, geht E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 126 unten f., davon aus, daß die entsprechenden Tariftreueerklärungen gegen die AEntRL verstoßen. Dies greift aber zu kurz.
A. Bindungen des EG-Primärrechts
221
sandte Arbeitnehmer ausschließt, sondern auch die im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe. Dafür spricht zwar der Zweck der Richtlinie, auch den Interessen der betroffenen Unternehmen zu dienen, indem Klarheit geschaffen wird, hinsichtlich welcher Vorschriften sie sich auf andere Rechtsordnungen einstellen müssen. 436 Andererseits ist nach Entstehungsgeschichte und Wortlaut der Richtlinie davon auszugehen, daß dort nur geregelt ist, was der Staat in seiner Rolle als Normgeber allen Entsendearbeitgebern vorschreiben darf. Nicht erfaßt ist damit die Frage, was staatliche Stellen als öffentliche Auftraggeber, als Vertragspartner, verlangen dürfen. Das Vergaberecht stellt insoweit einen anderen, zusätzlichen Ansatzpunkt gegen "Sozialdumping" dar. 437 Daher verbleibt es gemeinschaftsrechtlich beim Maßstab der Art. 49 f. (59 f. a. F.) EGV und der Vergaberichtlinien. 438 3. Folge: Dilemma der Mitgliedstaaten
Im Ergebnis begrenzt und erschwert die Notwendigkeit, die Grundfreiheiten zu beachten, die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung in nicht unerheblichem Maße. Wollen die Mitgliedstaaten auf diese nicht verzichten, haben sie zwei Möglichkeiten. a) Begrenzung auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug Einmal können sie solchen Schwierigkeiten entgehen, indem sie die jeweiligen Politiken auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug beschränken, d. h. die jeweiligen Anforderungen nicht an EG-ausländische Waren resp. Unternehmen stellen bzw. Bevorzugungsregelungen gegenüber ausländischen Unternehmen nicht zur Anwendung kommen lassen. Diese Vorgehensweise weist allerdings den bedeutenden Nachteil auf, daß damit die Gleichbehandlung aller Unternehmen im Vergabeverfahren aufgegeben wird: Zwar wird vermieden, daß EG-ausländische Waren bzw. Unternehmen benachteiligt werden; dadurch entstehen aber neue Ungleichheiten. 439 Dies ist nicht nur rechtspolitisch unbefriedigend, sondern auch rechtlich Vgl. hierzu P. Davies, CMLR 34 (1997), 571 (592 f.). Vgl. auch G. Hohloch, FS Heiermann (1995), S. 143 (155), der sich ausdrücklich dafür ausspricht, das Vergaberecht zu diesem Zweck einzusetzen, sowie W. Däubler, EuZW 1993, 370 (374 unter IV.), der hier ebenfalls einen alternativen Ansatzpunkt sieht. 438 Letzteres aber nur oberhalb der Schwellen werte; s. dazu unten B. 11. 2. h). Dazu, daß auch das AEntG nicht entgegensteht, s. u. im 3. Kap. unter B. V. 2. a). 439 Kompliziert ist die Lage bei Bevorzugungsregelungen: Werden diese nur zugunsten und nur gegenüber inländischen Unternehmen angewandt, liegt teils eine Besser- und teils eine SchlechtersteIlung inländischer Unternehmen vor. 436 437
222
2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
problematisch. Die sog. Umkehr- oder Inländerdiskriminierung ist zwar nach dem EG-Vertrag nicht verboten, da ein grenzüberschreitender Bezug, der Voraussetzung für die Anwendung seiner Diskriminierungsverbote ist, fehlt, und dem Vertrag kein allgemeines Gebot wirtschaftlicher Chancengleichheit entnommen werden kann. 44o Problematisch ist hingegen die Vereinbarkeit mit dem deutschen Verfassungsrecht, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz.441 Man könnte daran denken, das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 3 I GG mit dem Argument abzulehnen, daß die Ungleichbehandlung auf verschiedene Regelungsgeber zurückgeht und daher Art. 3 I GG überhaupt nicht angewandt werden kann. Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die Differenzierung trotz der europarechtlichen Vorgabe den deutschen Rechtssetzungsorganen zuzurechnen bleibt. 442 Die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 I GG würde jedoch dazu führen, daß über das Gleichbehandlungsgebot der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erheblich verschoben, i. e. ausgedehnt würde. 443 Vorzugswürdig erscheint daher letztlich doch die Annahme, daß ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt. 444 Nicht nur Art. 3 I GG, sondern auch das Vergaberecht selbst - und zwar sowohl die EG-Richtlinien als auch das GWB-Vergaberecht als auch die Verdingungsordnungen - schreibt die Nichtdiskriminierung bzw. die Gleichbehandlung aller Unternehmen im Vergabeverfahren vor. 445 Auch mit diesen Normen könnte eine Begrenzung der Einbeziehung politischer Zielsetzungen auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug kollidieren. Diese Variante einer Vermeidung des Konflikts mit EG-Recht bleibt daher problematisch. b) Anwendung auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte unter Beachtung der Grundfreiheiten Prinzipiell dürfte es daher vorzugswürdig sein, eine solche Begrenzung nicht vorzunehmen. Damit stehen die Mitgliedstaaten allerdings vor nicht 440 s. zur Zulässigkeit der Inländerdiskriminierung nach Europarecht Nachw. oben Fn. 251. 441 Zur Anwendbarkeit der Grundrechte im Bereich der öffentlichen Beschaffung s. u. im 3. Kap. unter A., insbs. IV. 442 M. Herdegen, EuropaR (2001), Rn. 100. 443 Vgl. U. Fastenrath, JZ 1987, 170 (177 r. Sp. oben); hingegen hält Th. Schilling, JZ 1994, 8 (17 unter VII.), dieses Ergebnis für kraft des Gleichheitssatzes geboten. 444 So etwa auch M. Herdegen, EuropaR (2001), Rn. 100. 445 Art. 6 VI BKR, 5 VII LKR, 3 11 DKR, 4 II SKR; § 97 II GWB; § 2 Nr. 2, § 8 Nr. 1 VOB/A, § 2 Nr. 2, § 7 Nr. 1 I VOLtA, § 4 11 VOF.
A. Bindungen des EG-Primärrechts
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unerheblichen Schwierigkeiten. Eine Ausgestaltung zu finden, die EG-ausländische Waren bzw. Unternehmen nicht schlechter stellt, ist oft nicht einfach und mitunter auch gar nicht möglich, da die rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten sich teilweise erheblich voneinander unterscheiden. 446 Das kann insbesondere zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, daß die Mitgliedstaaten dann politische Zielsetzungen im Rahmen der Beschaffung nur unter großen Schwierigkeiten verfolgen können, wenn sie in dem betreffenden Gebiet - z. B. dem Umweltschutz oder der Frauenförderung - bereits einen im Vergleich der Mitgliedstaaten hohen Standard erreicht haben. Auch die Schranken der Grundfreiheiten helfen im vorliegenden Kontext häufig nicht weiter. Insbesondere sind viele der im Rahmen der öffentlichen Beschaffung von den Mitgliedstaaten verfolgten politischen Zielsetzungen als wirtschaftliche zu qualifizieren und damit nach der Rechtsprechung des EuGH als Rechtfertigungsgründe grundsätzlich ausgeschlossen. 447 In bezug auf nichtwirtschaftliche Gründe ist fraglich, ob der EuGH unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht Maßnahmen außerhalb der öffentlichen Beschaffung den Vorzug geben würde. Einer Rechtfertigung von Maßnahmen, die politische Zielsetzungen (auch) in bezug auf andere Mitgliedstaaten verfolgen, könnte man außerdem entgegenhalten, es handele sich um eine unzulässige "altruistische Interessenwahrnehmung", gewissermaßen um eine "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" der anderen Mitgliedstaaten. Dies ist etwa gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz vorgebracht worden, das das Arbeitsvertragsrecht fremder Staaten reglementieren wolle 448 (d.h. die Interessen der Arbeitnehmer anderer Mitgliedstaaten schützen). In der Tat ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Politik eines Mitgliedstaates, anderen Mitgliedstaaten zugeordnete Rechtsgüter, insbesondere die Belange der Bevölkerung eines anderen Mitgliedstaates, zu schützen. 449 Ob oder inwieweit sich ein rechtliches Verbot der sog. altruistischen Interessenwahrnehmung aus den Grundfreiheiten ableiten läßt, ist allerdings ungeklärt;45o m. E. ist die Frage 446 Vgl. hierzu beispielhaft die Ausführungen von S. Arrowsmith, LQR 111 (1995), 235 (267 f.), und ders., Procurement (1996), S. 820 unten f., zu den Schwierigkeiten einer benachteiligungsfreien Ausgestaltung im Hinblick auf equal opportunities objectives. 447 Näher dazu, daß die geschriebenen Rechtfertigungsgründe der Art. 30 (36 a. F.) u. Art. 55 i. V. m. 46 (66 i. V. m. 56 a. F.) EGV typischerweise nicht passen: eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 216 f. unter 2. u. S. 235 unter 2. Aber auch die zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses vermögen nur einen Teil der Fälle zu erfassen. 448 L. Gerken/M. Löwisch/V. Rieble, BB 1995,2370 (2374 f. (2375) unter 4.). 449 Vgl. ebenso EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 - Alpine Investments, Slg. 1995 I, 1141 == NJW 1995,2541, Tz. 43.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
im Grundsatz zu verneinen. Im vorliegenden Kontext jedenfalls ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit einer entsprechenden Politik aus der Notwendigkeit zur Gleichbehandlung im Vergabeverfahren. 451 Mehr noch, die Grundfreiheiten zwingen hier z. T. gerade dazu, inländische Politik auf das EG-Ausland zu erstrecken: Wenn die Mitgliedstaaten nicht die Alternative wählen wollen, die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung auf reine Inlandssachverhalte zu beschränken oder ganz von ihr abzusehen, haben sie diese, wie oben ausgeführt, vorbehaltlich etwaiger Rechtfertigungsgründe auf EG-ausländische Waren bzw. Unternehmen zu erstrecken. Damit werden sie zum Sachwalter z. B. der Frauenförderung, der Lehrlingsausbildung oder der Förderung von Behindertenwerkstätten auch in anderen Mitgliedstaaten;452 nicht zuletzt mit der Folge, etwaige mit einer Politisierung verbundene Mehrkosten auch insoweit tragen zu müssen. Dieser Zwang ist von Fernandez Martfn nachdrücklich kritisiert worden. Jedenfalls solange und soweit die Kompetenzen im fraglichen Politikbereich noch nicht ganz oder weitgehend bei der Gemeinschaft lägen, sei nach wie vor jeder Mitgliedstaat primär für seine Bevölkerung verantwortlich, die wiederum seine Politik demokratisch legitimiere. Daher sollten nach Fernandez Martfn "local labour clauses" wie im Fall Beentjes und vergleichbare Regelungen zur Förderung anderer benachteiligter Bevölkerungsgruppen zugelassen werden, wenn sie auf eine bestimmte Region begrenzt seien und keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer aus der Region erfolge. 453 Dieser Vorschlag erscheint sinnvoll, läßt sich aber mit der Rechtsprechung des EuGH nur schwer in Einklang bringen454 . Das Problem könnte möglicherweise für einen Teilbereich entschärft werden, wenn man, wie hier vorgeschlagen, Bevorzugungsregelungen nur an den Beihilfevorschriften mißt. 455 Diese Vorschriften gehen grundsätzlich davon aus, daß nur inländische Unternehmen begünstigt sind. Allerdings ist 450 s. hierzu näher W.-H. Roth, FS Fikentscher (1998), S. 723 ff., der im Grundsatz von einem solchen Verbot ausgeht (s. S. 736 ff.). 451 Vgl. S. Arrowsmith, Procurement (1996), S. 821 ("ensure fair competition"). 452 Vgl. auch J. Gröning, ZIP 1999, 52 (55 unter 4.2 a. E.), allerdings mit Stoßrichtung gegen die Verwendung "vergabefremder" Kriterien: Die mit diesen geförderten Interessen würden dadurch "gleichsam den anderen Mitgliedstaaten aufgedrängt". 453 J. M. Femdndez Martfn, Procurement (1996), S. 65 ff. (bes. S. 66 unten f. u. S. 67 unten). 454 So auch J. M. Femdndez Martfn, Procurement (1996), S. 67 unten u. S. 69 vor 2., selbst. 455 s. o. unter III. 2. b). Dies gilt allerdings nur für die an Eigenschaften, nicht für die an Verhalten anknüpfenden Regelungen, s. o. unter III. 3. c).
B. Bindungen der EG-VergaberichtIinien
225
fraglich, ob wegen der besonderen Natur der hier in Rede stehenden Beihilfen - der Tatsache, daß diese unmittelbar in einen konkreten Wettbewerb eingreifen - die Kommission nicht zur Auflage machen würde (und sollte), daß sie auch auf die entsprechenden Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten anzuwenden sind. Im Rahmen der Beihilfevorschriften besteht aber jedenfalls eine größere Flexibilität, als wenn man annimmt, daß (zugleich) die strikten Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten gelten. B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien Welche Aussage den EG-Vergaberichtlinien zur Frage der Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung zu entnehmen ist, ist nach wie vor umstritten. Zur Klärung dieser Frage soll nach einem kurzen Überblick über Anwendungsbereich und Gehalt der Richtlinien (I.) zunächst erörtert werden, ob die Problematik überhaupt in den Regelungsbereich der Richtlinien fällt (11. 1.). Diese Frage kann weder pauschal bejaht noch verneint werden. Anschließend werden daher die verschiedenen Ansatzpunkte für eine Einbeziehung politischer Zielsetzungen im einzelnen auf die sich aus den Richtlinien ergebenden Begrenzungen untersucht (11. 2.). I. Anwendungsbereich und Gehalt der EG-Vergaberichtlinien
1. Die vier Koordinierungsrichtlinien der EG und ihr persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Derzeit gibt es vier Richtlinien der EG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge (sog. Koordinierungsrichtlinien).456 Schon aus den siebziger Jahren stammen in ihrer ursprünglichen Fassung die Baukoordinierungsrichtlinie (BKR)457, die älteste der Richtlinien, und die Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR)458. 1992 kam die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie, oft kürzer auch nur als Dienstleistungsrichtlinie bezeichnet (DKR)459, hinzu. Diese drei Richtlinien, die sog. klassischen 456 Zuvor waren nur sog. Liberalisierungsrichtlinien erlassen worden, vgl. dazu etwa K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 70 ff. m.N. Ergänzt werden die Koordinierungs- durch die Rechtsmittelrichtlinien, s. o. in der Einleitung unter B. 11. 457 RL 71/305/EWG vom 26.7.1971, ABI. Nr. L 185/5, mehrfach ergänzt bzw. geänd.; ersetzt durch RL 93/37/EWG vom 14.6.1993, ABI. Nr. L 199/54, geänd. durch Art. 3 der RL 97/52/EG vom 13.10.1997, ABI. Nr. L 328/1 (7). 458 RL 77/62/EWG vom 21.12.1976, ABI. 1977 Nr. L 13/1, mehrfach ergänzt bzw. geänd.; ersetzt durch RL 93/36/EWG vom 14.6.1993, ABI. Nr. L 199/1, geänd. durch Art. 2 der RL 97/52/EG vom 13.10.1997, ABI. Nr. L 328/1 (5).
15 Meyer
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Richtlinien, gelten für öffentliche Auftraggeber im funktional verstandenen Sinne.46o Sie nehmen jedoch den sog. Sektorenbereich aus, d.h. Tätigkeiten in den Bereichen Trinkwasser- und Energieversorgung, Verkehr und Telekommunikation. Für diesen Bereich ist 1990 die Sektorenkoordinierungsrichtlinie oder kürzer Sektorenrichtlinie (SKR)461 erlassen worden, deren Regelungen außer für öffentliche Auftraggeber im funktional verstandenen Sinn auch für öffentliche Unternehmen und für materiell Private gelten, welche ihre Tätigkeit im Sektorenbereich aufgrund vom Staat gewährter besonderer oder ausschließlicher Rechte ausüben462 . Sie erfaßt Bau-, Lieferund Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich. Die Regelungen der drei klassischen Richtlinien entsprechen sich im wesentlichen. Sie sollen daher in einer einheitlichen Richtlinie zusammengefaßt werden, die sich derzeit noch im Rechtssetzungsverfahren befindet. 463 Die Sektorenrichtlinie hingegen weicht in einigen Punkten erheblich von den anderen Richtlinien ab. Sie gewährt den Auftraggebern deutlich mehr Freiraum bei der Wahl der Verfahrensart und der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens. Auch die Sektorenrichtlinie soll neu gefaßt werden. 464 Soweit die Vorschläge der Kommission zur Neufassung der Richtlinien Änderungen im Hinblick auf die hier interessierende Thematik mit sich bringen, wird darauf im folgenden hingewiesen. Alle Richtlinien gelten nur oberhalb der sog. Schwellenwerte. Durch die Anpassung der Schwellenwertregelungen an das GPA sind diese sehr unübersichtlich geworden; sie werden nunmehr teilweise in Sonderziehungsrechten (SZR), der Rechnungseinheit des Internationalen Währungsfonds,465 und teilweise in Euro ausgedrückt. Ein SZR entspricht zur Zeit etwa 1,25 459 RL 92/50/EWG vom 18.6.1992, ABI. Nr. L 20911, geänd. durch Art. I der RL 97/52/EG vom 13.10.1997, ABI. Nr. L 32811 (2). 460 s. jeweils Art. I b) der BKR, LKR, DKR; s. dazu oben in der Einleitung unter B. III. 461 RL 90/531/EWG vom 17.9.1990, ABI. Nr. L 29711; ersetzt durch RL 93/38/ EWG vom 14.6.1993, ABI. Nr. L 199/84, geänd. durch RL 98/4/EG vom 16.2.1998, ABI. Nr. L 10111. 462 s. Art. 2 I a) i. V.m. Art. 1 Nr. 1,2 sowie Art. 2 I b) i. V.m. III SKR. 463 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge (im folgenden: Vorschlag KR (Koordinierungsrichtlinie», KOM (2000) 275 endg. vom 10.5.2000, auch abgedruckt als BRat-Drs. 488/00 vom 2.8.2000. 464 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung (im folgenden: Vorschlag SKR), KOM (2000) 276 endg. vom 10.5.2000, auch abgedruckt als BRat-Drs. 489/00 vom 2.8.2000. 465 Näher zum Begriff des SZR J. Kokott, in: ByoklJaeger, VergabeR (2000), Rn. 110 Fn. 276.
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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Euro. Differierend je nach Auftraggeber und Art des Auftrags betragen die Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungsaufträge zwischen 130.000 SZR und 600.000 Euro, wobei 200.000 SZR die Grundregel bilden, für Bauaufträge betragen sie 5 Mio. SZR oder 5 Mio. Euro; jeweils ohne Mehrwertsteuer. 466 Die Neufassung der Richtlinien soll diese Regelungen wesentlich vereinfachen, indem die Zahl der Schwellenwerte verringert und alle Schwellenwerte in Euro ausgedrückt werden. 467
2. Überblick über die Regelungen der Richtlinien a) Bau- und Lieferkoordinierungsrichtlinie Von den verschiedenen Abschnitten der Bau- und der Lieferkoordinierungsrichtlinie sind vorliegend vor allem der erste, zweite und vierte Abschnitt von Interesse. Der erste Abschnitt ("Allgemeine Bestimmungen") der Richtlinien enthält hauptsächlich Vorschriften über ihren jeweiligen Anwendungsbereich sowie über die Verfahrensarten. Die Richtlinien kennen, ebenso wie das deutsche Recht, drei Verfahrensarten468 : Das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren und das Verhandlungsverfahren. 469 Das offene Verfahren entspricht der öffentlichen Ausschreibung, das nicht offene Verfahren der beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb und das Verhandlungsverfahren mit oder ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung der freihändigen Vergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb. Vorgeschrieben ist grundSätzlich wahlweise das offene oder das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren ist nur ausnahmsweise zulässig. 47o Der zweite Abschnitt enthält "Gemeinsame Vorschriften auf technischem Gebiet" (namentlich zu den technischen Spezifikationen), also Vorschriften 466 s. Art. 6 I BKR, Art. 5 I a) LKR, Art. 7 I a) DKR, Art. 14 I SKR. Eine tabellarische Darstellung der Schwellenwertregelungen findet sich in VgR 4/1998, S. 22 f. Für die derzeit (ab 1.1.2(02) maßgeblichen Gegenwerte der Schwellenwerte in den nationalen Währungen (nun nur noch denjenigen, die nicht am Euro teilnehmen) und die Gegenwerte der SZR-Werte in Euro s. Mitt. der Kommission, ABI. 2001 Nr. C 332/21. 467 s. Vorschlag KR (Fn. 463), Begründung unter 11. 7., u. Vorschlag SKR (Fn. 464), Begründung unter III. 6. 468 VgI. zu den Verfahrensarten nach deutschem Recht oben im 1. Teil, 2. Kap., unter B. I. 1. a) ee). 469 Definiert in Art. 1 e)-g) BKR, Art. 1 d)-f) LKR; ebenso Art. 1 d)-f) DKR u. Art. 1 Nr. 7 SKR. 470 s. Art. 7 BKR, Art. 6 LKR; ebenso Art. 11 DKR; der Grundsatz ist dabei jeweils in Abs. 4 normiert.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
betreffend die Leistungsbeschreibung. Er schreibt insbesondere vor, daß, soweit vorhanden, europäische Spezifikationen zu verwenden sind. 471 Eine zentrale Rolle spielt für die hier interessierende Fragestellung schließlich der vierte Abschnitt über die "Gemeinsame[n] Teilnahmebestimmungen,,472, d.h. über die Auswahl des Unternehmens bzw. des Angebots, das den Zuschlag erhalten soll. Im ersten Kapitel dieses Abschnitts ist namentlich die Auswahl der zur Angebotsabgabe bzw. zu Verhandlungen aufzufordernden Bewerber im nicht offenen und im Verhandlungsverfahren geregelt. Im zweiten Kapitel des Abschnitts sind die Eignungskriterien einschließlich der Ausschlußkriterien i. e. S. und im dritten Kapitel die Zuschlagskriterien normiert. b) Besonderheiten der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie Die Dienstleistungsrichtlinie enthält der Sache nach ebenfalls die genannten Abschnitte und Regelungen. Die Thematik, die in den anderen Richtlinien im ersten Abschnitt geregelt ist, umfaßt hier allerdings drei Abschnitte (erster bis dritter Abschnitt). Eine sehr wichtige Besonderheit der Dienstleistungsrichtlinie ist die in Abschnitt 11 geregelte "Zwei stufige Anwendung". Im Hinblick auf die Relevanz für den Binnenmarkt werden zwei Gruppen von Dienstleistungen unterschieden, die in Anhang I A bzw. I B aufgelistet sind. Nur für Dienstleistungen der ersten Gruppe (Anhang I A) findet die Richtlinie volle Anwendung. Für Dienstleistungen der zweiten Gruppe (Anhang I B) hingegen sind lediglich die "Gemeinsamen technischen Vorschriften" sowie Bekanntmachungs- und Berichtspflichten betreffend die Ergebnisse von Vergabeverfahren zu beachten.473 c) Besonderheiten der Sektorenkoordinierungsrichtlinie Die Sektorenrichtlinie weist in Aufbau und Inhalt einige wesentliche Gemeinsamkeiten mit den anderen Richtlinien auf, aber auch einige deutliche Abweichungen. Zu nennen sind hier die zwei wichtigsten Besonderheiten: Zum einen besteht Freiheit bei der Wahl der Verfahrensart, d. h. es kann auch das Verhandlungsverfahren (grundsätzlich aber nur mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb) gewählt werden. 474 Zum anderen fehlen strikte Art. 10 II BKR, Art. 8 II LKR; ebenso Art. 14 II DKR u. Art. 18 II SKR. In der LKR fehlt diesem Abschnitt eine Überschrift, mit "Gemeinsame Teilnahmebestimmungen" ist dort vielmehr das erste Kapitel des Abschnitts betitelt; ebenso in der DKR. 473 s. Art. 9 DKR mit Verweis auf Art. 14 u. 16 DKR. 474 Art. 20 I SKR. 471
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B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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Regelungen über Eignungskriterien einschließlich Ausschlußkriterien i. e. S.475 Für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen gilt dieselbe Zweistufigkeit wie nach der Dienstleistungsrichtlinie. 476
3. Verhältnis zu den Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten behalten auch im Regelungsbereich der Richtlinien Bedeutung. Zum einen kann mitgliedstaatliches Verhalten zugleich gegen Bestimmungen der Vergaberichtlinien und Bestimmungen des EG-Primärrechts verstoßen. 477 Die Richtlinien verdrängen dieses also nicht, auch wenn sie speziellere und detailliertere Regeln aufstellen. 478 Zum anderen sind die Grundfreiheiten bei der Auslegung der Richtlinien zu berücksichtigen. 479 Fraglich ist, ob im Regelungsbereich der Richtlinien auch die Schrankenregelungen des Primärrechts Anwendung finden - sei es, um Beschränkungen der Grundfreiheiten, sei es, um ein Abweichen von den Bestimmungen der Richtlinien zu rechtfertigen. Dies wäre nach den allgemeinen Regeln ausgeschlossen, wenn das Sekundärrecht eine abschließende Regelung auch im Hinblick auf die Schutzgüter der Rechtfertigungsgründe enthielte. 48o Die Vergaberichtlinien bestimmen resp. bestimmten in ihren Erwägungsgründen z. T. ausdrücklich, daß der Rückgriff auf die Schrankenregelungen des Vertrages nicht ausgeschlossen sein SOll.481 Auch ist der EuGH im ReVgl. Art. 30 ff. SKR. Abschnitt lIder SKR (Art. 16 mit Verweis auf Art. 18 u. 24 SKR). 477 Vgl. z.B. EuGH, UIt. v. 3.6.1992, Rs. C-360/89, Sig. 1992 I, 3401, Tz. 10 ff. (Art. 59 EWGV) u. 16 ff. (RL 711305/EWG); UIt. v. 26.4.1994, Rs. C-272/91 Lottomatica, Sig. 1994 I, 1409, Tz. 3 ff. (Art. 52 u. 59 EWGV) u. 18 ff. (35) (RL 77/62/EWG); UIt. v. 24.1.1995, Rs. C-359/93 - Wetterwarte (UNIX), Sig. 1995 I, 157, Tz. 23 ff. (Art. 30 EWGV u. RL 77/62/EWG). 478 Anders anscheinend K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 13 ff. (17 unten) (für Art. 30 EWGV) u. 43 f. (für Art. 52, 59 EWGV); F. Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz (1996), S. 59 f. unter i); E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 52; wie hier wohl Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 199 oben. 479 Vgl. z.B. EuGH, UIt. v. 10.2.1982, Rs. 76/81 - Transporoute, Sig. 1982,417, Tz. 14; EuGH, UIt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87 - Beentjes, Sig. 1988, 4635 = NVwZ 1990, 353, Tz. 11; EuGH, UIt. v. 20.3.1990, Rs. C-21188 - Du Pont, Sig. 1990 I, 889 = NVwZ 1991, 1071 = EuZW 1990, 228 = JZ 1992, 198 m. Anm. Ehlers, Tz. 17. 480 s. hierzu P.-Ch. Müller-Graf!, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Bd. 1 (1997), Art. 36 Rn. 13 ff. u. Art. 30 Rn. 198 ff. (zur Warenverkehrsfreiheit). 481 s. den 15. Erwägungsgrund der DKR. Die anderen RL enthalten in ihren jetzigen Fassungen keine entsprechenden Aussagen; s. aber den 5. Erwägungsgrund der RL 77/62/EWG (oben Fn. 458) u. den 7. Erwägungsgrund der RL 89/440/EWG 475
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
gelungsbereich der Richtlinien mehrfach auf die Frage nach dem Eingreifen VOn Schrankenregelungen der Grundfreiheiten eingegangen,482 wenn auch immer nur im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Beschränkung der Grundfreiheiten483 . Es ist allerdings zweifelhaft, ob es nicht den detaillierten Bestimmungen der Richtlinien widerspricht, wenn unter Rückgriff auf die Schrankenregelungen des Primärrechts ein Abweichen möglich ist. 484 Andererseits enthalten die Richtlinien kaum Bestimmungen, die deren Schutzgütern dienen. Da die Schranken ohnehin eng auszulegen sind, ist deshalb davon auszugehen, daß der Rückgriff grundsätzlich möglich ist. 485 Nicht einschlägig ist damit zugleich die Vorschrift des Art. 95 IV-VI (lOOa IV a.F., geändert) EGV. 486 Zu beachten ist jedoch, daß ein Abweichen VOn den Richtlinien nur dann zulässig ist, wenn der jeweilige rechtfertigende Zweck anders nicht erreicht werden kann. Dies wird im Hinblick auf die Einbeziehung politischer Zielsetzungen indessen regelmäßig nicht der Fall sein.
4. Bedeutung von Richtlinien für das nationale Recht Richtlinien gelten im Gegensatz zu Verordnungen in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar; sie müssen vielmehr VOn den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden (vgl. Art. 249 UAbs. 3 n.F./189 UAbs. 3 a.F. EGV). Darüber hinaus haben sie zum einen Bedeutung als Auslegungsmaßstab für das nationale Recht (sog. richtlinienkonforme Auslegung).487 Zum anderen kommt nach der Rechtsprechung des EuGH solchen Richtlinienbevom 18.7.1989, ABI. Nr. L 210/1 (RL zur Änderung der RL 711305/EWG, oben Fn.457). 482 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 5.12.1989, Rs. C-3/88 - DV-Systeme, Slg. 1989, 4035, Tz. 10 ff.; Urt. in der Rs. C-360/89 (oben Fn. 477), Tz. 13 f.; Urt. Lottomatica (oben Fn. 477), Tz. 5 ff. 483 Die Frage nach einer Rechtfertigung eines Abweichens von den RL stellte sich allerdings jeweils auch nicht mehr, da das Eingreifen des Rechtfertigungsgrundes jeweils verneint wurde. 484 VgI. auch J. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (95): Die gewollte Vereinheitlichung der Vergabe dürfe durch den Rückgriff auf die Vorbehalte des Vertrages nicht wieder zunichte gemacht werden. 485 l.E. für Rückgriffsmöglichkeit H.-J. Prieß, Handbuch (2001), S. 106 f. unter IV. 1.; A. Boesen, VergabeR (2000), Einleitung Rn. 48; anders eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 199 ff.: Kein Rückgriff im Gegenstandsbereich (Regelungsbereich) der RL. 486 Diese Vorschrift anwenden will aber K. Schumacher, DVBI. 2000, 467 (472 unter VIIl.); im Ansatz auch E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 74, die eine Anwendung dieser Vorschrift dann jedoch gerade mit der Begründung ablehnt, daß diese nur die Erhöhung eines im Sekundärrecht verfolgten Schutzniveaus erlaube, die VergabeRL aber nur das Ziel der effizienten Beschaffung und nicht dieselben Ziele wie "Präferenzregelungen" (i. e. Regelungen zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen) verfolgten.
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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stimmungen, die hinreichend genau und unbedingt sind, bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Umsetzung nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung ZU. 488 Das Vorliegen der Voraussetzungen der hinreichenden Genauigkeit und Unbedingtheit hat der Gerichtshof für die Bestimmungen der Koordinierungsrichtlinien weithin bejaht. 489 Aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sind diese Bestimmungen im Falle der unmittelbaren Richtlinienwirkung anstelle nationalen Rechts anzuwenden. 49o Die Bestimmungen der Koordinierungsrichtlinien verleihen den Unternehmen außerdem subjektive Rechte. 491 11. Bedeutung der EG-Vergaberichtlinien für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung
Die Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Spielraum die EG-Vergaberichtlinien für die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung lassen, stößt auf mehrere Schwierigkeiten: Zuallererst sind die Richtlinienbestimmungen selbst zu nennen, deren Formulierungen oftmals nicht die wünschenswerte Klarheit aufweisen. Mitunter ist es schwierig, überhaupt eine Auslegung zu finden, die ihnen einen sinnvollen Gehalt beimißt. Ähnliches gilt für die Rechtsprechung des EuGH. Insbesondere das für die Fragestellung zentrale Beenljes-Urteil, welches eine Klausel zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen - vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem Primärrecht - billigte,492 ist deshalb zu Recht vielfach kritisiert wor487 s. EuGH, Urt. v. 10.4.1984, Rs. 14/83 - von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Tz. 26 u. 28; Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 - Marleasing, Slg. 1990 I, 4135, Tz. 8; st. Rspr. S. dazu näher etwa M. Öhler, Rechtsschutz (1997), S. 115 ff. m.w.N. 488 EuGH, Urt. 4.12.1974, Rs. 41/74 - Van Duyn, Slg. 1974, 1337, Tz. 12; Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 - Ratti, Slg. 1979, 1629, Tz. 19 ff.; Urt. v. 19.1.1982, Rs. 81 81 - Becker, Slg. 1982,53, Tz. 21 ff.; st. Rspr. 489 s. EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87 - Beentjes, Slg. 1988, 4635 = NVwZ 1990, 353, Tz. 41 ff. (43); Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 - Costanzo, Slg. 1989, 1839, Tz. 32; Urt. v. 24.9.1998, Rs. C-76/97 - Tögel, Slg. 1998 I, 5357 = EuZW 1998, 660 = NVwZ 1999, 169 = WuW 1998, 1233 = WuW/E Verg 139, Tz. 43 ff. (47); gar nur noch den Ablauf der Umsetzungsfrist als Voraussetzung nennend EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-16/98 - Elektrifizierungs- und Straßenbeleuchtungsarbeiten, Slg. 2000 1,8315 = WuW 2000, 1281 = WuW/E Verg 377, Tz. 23 f. Näher zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien im allgemeinen sowie im Hinblick auf die Vergabe-RL im speziellen M. Öhler, Rechtsschutz (1997), S. 118 ff. 490 Vgl. allgemein resp. zu den Grundfreiheiten oben vor A. resp. unter A. IV. 1. c) cc), jeweils m.N. 491 s. Urt. Beentjes (Fn. 489), Tz. 41 ff. (44); Costanzo (ebd.), Tz. 32; Tögel (ebd.), Tz. 41 ff. (47). Vgl. auch oben in der Einleitung unter B. III.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
den. Des weiteren vermißt man in späteren, möglicherweise vom BeentjesUrteil abweichenden Entscheidungen eine Auseinandersetzung mit diesem. Auch das neue Urteil zu den Ausschreibungen für französische Schulgebäude (Nord-Pas-de-Calaisl 93 hat letztlich keine Klarheit gebracht. In der Literatur schließlich wird die Frage häufig sehr pauschal und damit angesichts der komplizierten Materie ebenfalls eher unklar bzw. ungenau beantwortet. Insbesondere wird dabei häufig auch nicht deutlich, was genau gemeint ist, wenn von "vergabefremden" bzw. "beschaffungsfremden" "Kriterien" oder "Aspekten" gesprochen wird. Dies erschwert das Verständnis und die Auseinandersetzung mit diesen Aussagen. J. Regelungsbereich der Richtlinien
Vorab kann festgehalten werden, daß die Richtlinien - nicht anders als das hergebrachte deutsche Vergaberecht - keine Regelungen enthalten, die die Bedarfsdefinition betreffen. Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen in dieser Phase wird daher durch die Richtlinien auch nicht ausgeschlossen. Diese Aussage bedarf allerdings insofern einer Einschränkung, als die Richtlinien auch Vorschriften enthalten, die die Leistungsbeschreibung betreffen ("Gemeinsame Vorschriften auf technischem Gebiet", s. o. I. 2. a». Diese Vorschriften haben Rückwirkung auf die Ebene der Bedarfsdefinition, da die Leistungsbeschreibung die endgültige Bedarfsdefinition wiedergibt. Zum Regelungsgehalt der Richtlinien im Hinblick auf die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung im übrigen, d.h. in der Phase der Bedarfsdeckung, werden drei Grundpositionen vertreten: Erstens die Ansicht, die Richtlinien regelten diese Frage überhaupt nicht und schlössen eine Politisierung der Auftragsvergabe damit auch nicht aus (nachfolgend unter a», zweitens die entgegengesetzte Auffassung, die Richtlinien enthielten eine abschließende Regelung des Vergabeverfahrens, so daß nur die dort geregelten Gesichtspunkte bei der Vergabe eine Rolle spielen dürften, womit "beschaffungsfremde" Gesichtspunkte (weitgehend) ausgeschlossen wären (unten C»,494 und schließlich drittens die vermittelnde Position, die Fragestellung liege zwar einerseits nicht außerhalb der Richtlinien, diese 492 EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 31/87 - Beentjes, Slg. 1988, 4635 = NVwZ 1990, 353; s. schon oben A. IV. 2. e). 493 EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-225/98 - Schulgebäude, Slg. 2000 I, 7445 = NJW 2000,3629 = EuZW 2000, 755 m.Anm. Seidel = WuW 2000, 1160 = WuW/ E Verg 362 = NZBau 2000, 584 = JZ 2001, 138 m.Anm. Dreher. 494 Die Annahme eines grundsätzlichen Verbots der Verwendung "beschaffungsfremder Kriterien" wird z. T. alternativ oder zusätzlich zur Annahme eines abschließenden Charakters der RL auch auf bestimmte einzelne Prinzipien der RL gestützt, s. im einzelnen unten c).
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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seien andererseits aber auch nicht in jeder Hinsicht abschließend, so daß es einer differenzierenden Betrachtung bedürfe (unten b». a) Erste Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen außerhalb des Regelungsbereichs Die erste Ansicht geht davon aus, in den Richtlinien seien "beschaffungsfremde Kriterien überhaupt nicht angesprochen und deshalb auch nicht ausgeschlossen,,495, die Richtlinien seien "only concemed to regulate the use and proof of those matters which are specifically referred to", so daß die Auftraggeber vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem Vertrag politische Zielsetzungen verfolgen dürften496 . aa) Für diese Deutung angeführte Urteile - Beentjes, Schulgebäude - und Argumente In diesem Sinne ließe sich recht zwanglos auch das Beentjes-Urteil verstehen. Es ging dabei um den Ausschluß eines Bieters mit der Begründung, daß er nicht in der Lage sei, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen. Generalanwalt Darmon ging davon aus, daß neben Eignungs- und Zuschlagskriterien weitere Kriterien nicht zulässig seien: Tertium non datur. 497 Er hielt einen auf den genannten Grund gestützten Ausschluß daher für unzulässig. 498 Der EuGH folgte dem nicht. Vielmehr führte er aus, es sei "zunächst festzustellen, daß eine solche Bedingung weder mit der Prüfung der fachlichen Eignung der Unternehmer im Hinblick auf deren wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfahigkeit noch mit den in Artikel 29 [der RL 71/ 305/EWG, der ersten BKR, N.M.] genannten Kriterien für die Erteilung des Zuschlags etwas zu tun hat. Wie sich aus dem genannten Urteil vom 9. Juli 1987 ergibt, muß eine solche Bedingung, um mit der Richtlinie vereinbar zu sein, alle einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts beachten, und zwar insbesondere die Verbote, die aus den für das Gebiet des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs vom Vertrag aufgestellten Grundsätzen folgen. 495 Formulierung von J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (466 unten), der die Frage offenläßt. 496 S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992),408 (410, Hervorhebung im Original). Arrowsmith spricht sich dort an sich für diese Interpretation aus (ebd. S. 411), hält sie jedoch nicht für vereinbar mit dem nach dem Beentjes-Urteil ergangenen Urteil des EuGH in der Rs. C-360/89 (ebd. S. 414). 497 So die treffende Zusammenfassung von J. A. Winter, CMLR 28 (1991), 741 (773 unten). 498 Slg. 1988,4643,4646 ff. unter Nr. 21 ff., bes. S. 4650 unter Nr. 39.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Das Erfordernis der Einstellung von Langzeitarbeitslosen könnte insbesondere gegen das in Artikel 7 Absatz 2 [sic; gemeint ist Absatz 1, N.M.] des Vertrages ausgesprochene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verstoßen [... ]".499
Als Ergebnis hält der EuGH fest, daß die Bedingung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen mit der Richtlinie vereinbar sei, wenn sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung der Bieter aus anderen Mitgliedstaaten führe. 5OO Außerdem müsse die Bedingung in der Bekanntmachung der Ausschreibung angegeben werden. 501 Mit dem "genannten Urteil" von 1987 ist das Urteil in der Rechtssache CEI und Bellini gemeint. Dort hatte der EuGH entschieden, daß die Baukoordinierungsrichtlinie "kein einheitliches und erschöpfendes Gemeinschaftsrecht" schaffe, so daß im Rahmen ihrer gemeinsamen Bestimmungen und unter Beachtung aller einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts noch Raum für materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten bleibe. 502 Dies wird auch im Urteil Beentjes in den einleitenden Ausführungen vor der oben zitierten Passage noch einmal betont. 503 Die Entscheidung ist daher vielfach so interpretiert worden - und dies ist in der Tat die naheliegendste Deutung -, daß der EuGH entschieden habe, die Richtlinie lasse vorbehaltlich der Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts Raum für die Berücksichtigung nicht zu den Eignungs- und Zuschlagskriterien der Richtlinie zählender, "beschaffungsfremder" Vergabekriterien, da diese nicht in ihren Regelungsbereich fielen. 504 Nunmehr hat der Gerichtshof auch in der Schulgebäude-Entscheidung ein mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenhängendes Kriterium für mit der einschlägigen Richtlinie vereinbar erklärt. 505 Es handelte sich EuGH, Urt. Beentjes (Fn. 492), Tz. 28-30. Ebd., Tz. 37 (dritter Spiegelstrich). 501 Ebd., Tz. 31 u. 36 sowie 37 (dritter Spiegelstrich). 502 EuGH, Urt. v. 9.7.1987, Rs. 27-29/86 - CE] und Bellini, Sig. 1987, 3347, Tz. 15. 503 EuGH, Urt. Beentjes (Fn. 492), Tz. 20. Dort fehlt allerdings die Einschränkung ,,[i]m Rahmen der gemeinsamen Bestimmungen" (der RL), die im Urt. CE] und Bellini enthalten ist. 504 Vgl. S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992), 408 (411); K. Hailbronner, WiVerw 1994, 173 (226); O. Otting, Stadt und Gemeinde 1996, 461 (462 unter 11. 1.); H. Franke, ZfBR 1997, 1 (6 unter c) bb»; J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (467); J. Gröning, ZIP 199~, 52 (55 unter 4.1). Bei R. Bechtold, GWB (1999), § 97 (bearb. von A. Schwarz) Rn. 24, heißt es sogar, daß ,,[d]ie EG-Richtlinien [... ] der Berücksichtigung vergabefremder Aspekte im Grundsatz nicht entgegenstehen" werde "allgemein aus dem Urteil Beentjes [... ] gefolgert". Dies trifft indes nicht zu, wie sich im folgenden noch zeigen wird. 499
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B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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dabei um ein Zuschlagskriterium. Der EuGH setzt sich nicht damit auseinander, wie dieses mit Art. 30 I BKR, der die Zuschlagskriterien regelt, zu vereinbaren sei. Der Generalanwalt hatte einen Verstoß gegen diese Vorschrift angenornrnen. 506 Der Gerichtshof hingegen macht unter Verweis auf das Beenljes-Urteil wiederum lediglich die zwei dort aufgestellten Vorbehalte der Vereinbarkeit mit den "wesentlichen Grundsätze[n] des Gemeinschaftsrechts, vor allem [dem] Diskriminierungsverbot, [... ] das aus den Bestimmungen des Vertrages zum Niederlassungsrecht und zum Recht des freien Dienstleistungsverkehrs folgt,,507 sowie der ordnungsgemäßen Publikation des Kriteriums in der Bekanntmachung des Auftrags 508 . Auch diese Entscheidung läßt sich daher so verstehen, daß der EuGH den Regelungsbereich der Richtlinien im Hinblick auf entsprechende Kriterien nicht als eröffnet ansieht, bzw. nur insoweit, als deren Publizitätsvorschriften anzuwenden seien. Für eine solche Auslegung der Richtlinien wird angeführt, daß eine Politisierung der Auftragsvergabe dem mit den Richtlinien verfolgten Ziel, der Öffnung des mitgliedstaatlichen Auftragswesens, nicht entgegenstehe. 509 Dafür spricht auch, daß die in den Richtlinien ausdrücklich geregelten Punkte, insbesondere die Kriterien für die Eignungsprüfung und die Zuschlagserteilung, in jedem Vergabeverfahren eine Rolle spielen, während die Bedeutung, die der Einbeziehung politischer Zielsetzungen zukommt, in der Praxis sehr stark variiert. Man könnte daher davon ausgehen, daß das Ziel der Marktöffnung allein durch die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung und durch Vereinheitlichung jener "unmittelbar beschaffungsbezogenen" Aspekte erreicht werden könne und erreicht werden solle. 510 Wie im vorhergehenden Abschnitt dargelegt, besteht bei der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung im Hinblick auf die Grundfreiheiten allerdings ein beträchtliches Konfliktpotential. Dieses könnte mit einer Regelung in den Richtlinien beigelegt werden. Diese Argumentation trägt daher jedenfalls nicht allzu weit. 505 EuGH, Urt. Schulgebäude (Fn. 493), Tz. 48 ff. Das Urteil erging zur RL 93/ 37/EWG, d.h. der neuen BKR. 506 GA Alber in der Rs. Schulgebäude, Slg. 2000 I, 7449, 7461 f. unter Nr. 43 ff. (49). 507 EuGH, Urt. Schulgebäude (Fn. 493), Tz. 50. 508 Ebd., Tz. 51. 509 S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992), 408 (411); S. Arrowsmith/J. M. Fernandez Mart(n, ELR 18 (1993), 323 (341); vorsichtiger J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (466 unten f.); vgl. ferner auch B. Schima, NZBau 2002, 1 (6 f. unter VI.). Genau entgegengesetzter Ansicht I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 144 u. 155. 510 Vgl. (ohne Nennung der europaweiten Ausschreibung) J. Pietzcker, ZHR 162 (1998),427 (466 unten f. mit Zitat 467 oben).
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
bb) Nicht mit dieser Deutung vereinbare Urteile Mit der zwischen dem Beentjes- und dem Schulgebäude-Urteil ergangenen Rechtsprechung des EuGH läßt sich diese Deutung des Beentjes-Urteils allerdings nicht überein bringen. Hier ist insbesondere das oben zu den Grundfreiheiten schon angesprochene Urteil in der Rechtssache C-360/89 zu nennen. 511 In der italienischen Bestimmung, wonach bei der Angebotsaufforderung solchen Konsortien und Vereinigungen auf Zeit Vorrang einzuräumen war, zu denen Unternehmen gehörten, die hauptsächlich in der Region tätig waren, in der der Auftrag ausgeführt werden sollte, sah der EuGH nicht nur einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, sondern auch gegen die damalige Baukoordinierungsrichtlinie (RL 71/305/EWG). Die Bestimmung der Richtlinie über die Auswahl der Unternehmen, die im nicht offenen Verfahren zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, Art. 22, verweise über Art. 17 d) auf die in den Art. 23 bis 26 genannten Kriterien, d. h. die Eignungskriterien. Die Frage des Tätigkeitsschwerpunkts in der Region, in der der Auftrag ausgeführt werden sollte, fiel nicht unter diese Kriterien. Der EuGH hielt diese für abschließend. Er folgerte hier also nicht, daß das fragliche Auswahlkriterium nur noch am Primärrecht zu messen sei, sondern bejahte einen Verstoß gegen die Richtlinie. 512 Mit dem Beentjes-Urteil in der oben dargelegten Interpretation läßt sich dies nicht vereinbaren. 513 Der EuGH selbst ging in seiner Entscheidung nicht auf das Beentjes-Urteil ein. Auch das Urteil Lottomatica stellte die Geltungskraft der Beentjes-Entscheidung in Frage. Dort findet sich die Aussage, die Vorschriften über die Eignungs- und Zuschlagskriterien regelten "die Kriterien für die qualitative Auswahl und den Zuschlag des Auftrags abschließend und zwingend,,514. Allerdings erging diese Entscheidung nicht zu einem Fall der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Auftragsvergabe, sondern betraf eine Regelung, nach der die Teilnahme an einer Ausschreibung Unternehmen vorbehalten war, die mehrheitlich im Besitz der italienischen öffentlichen Hand waren.
511
EuGH, Urt. v. 3.6.1992, Rs. C-360/89, Slg. 1992 1,3401; dazu oben A. IV. 2.
d) aa) (1).
Tz. 17 ff. des Urteils. S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992), 408 (414 f.); W. Götz, EuR 1999, 621 (626 unten f.); J. Karen/ort/u. v. Koppen/els/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1831 1. Sp.); in diese Richtung auch J. M. Femandez Mart{n, Procurement (1996), S. 61 unten u. 63 unten; A. Martin-Ehlers, WuW 1999,685 (690). 514 EuGH, Urt. v. 26.4.1994, Rs. C-272/91 - Lottomatica, Slg. 1994 I, 1409, Tz. 35. 512 S. 513
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
237
Eine mögliche Erklärung dafür, daß der EuGH im Beenijes-Fall keinen Verstoß gegen die Richtlinie sah, wohl aber in den beiden eben genannten Fällen, ist die Tatsache, daß es im Fall Beenijes um eine sozialpolitische Zielsetzung ging, in den anderen Fällen um eine Bevorzugung regionaler bzw. nationaler Unternehmen. Das Schulgebäude-Urteil bestätigt diese Vermutung: Wie im Fall Beenijes stand auch dort eine Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Rede. b) Zweite Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen teilweise innerhalb des Regelungsbereichs Eine alternative Interpretation des Beenijes-Urteils, die sich auch mit der eben dargestellten Folgerechtsprechung vereinbaren läßt, wird von der Kommission und einem Teil der Literatur vertreten. Die Klausel zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen im Fall Beenijes sei als Vertragsbedingung zu verstehen. Sie werde also Inhalt des Vertrages mit dem Unternehmen, das den Auftrag erhält, bzw. sei vom EuGH so verstanden worden. 515 Der EuGH hat diese Interpretation des Beentjes-Falles in der Schulgebäude-Entscheidung nunmehr allerdings ausdrücklich abgelehnt,516 während der Generalanwalt den Ausführungen der Kommission gefolgt war517 . Diese Deutung erlaubt es, die unterschiedlichen Ergebnisse der Urteile in den Rechtssachen Beenijes einerseits und C-360/89 andererseits zu erklären: Die Richtlinien enthalten grundSätzlich keine Vorschriften über den Inhalt der von den öffentlichen Auftraggebern geschlossenen Verträge; insoweit befindet man sich außerhalb ihres Regelungsbereichs. Die Richtlinien stehen der Verfolgung politischer Zielsetzungen mittels Vertragsbedingun515 Mitt. der Kommission vom 22.9.1989: Öffentliches Auftragswesen: Regionale und soziale Aspekte, KOM (89) 400 endg., ABI. Nr. C 31117, Ziff. 47 a.E.; aus der Lit. besonders deutlich L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991192), S. 59 f.; S. Heid, WBI. 1998, 194 (196 r. Sp. unten); s. des weiteren K. Stolz, EG-Auftragswesen (1991), S. 109 f.; Ph. Lee, Procurement (1992), S. 36 Mitte, s. auch S. 161 letzter Abs.; P.-A. Trepte, Procurement (1993), S. 57 unten f.; in diese Richtung aufgrund des Urteils in der Rs. C-360/89 auch S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992), 408 (414); dies.!J. M. Femdndez Mart/n, ELR 18 (1993), 323 (340 unten 0. Die Kommission hat in ihren Vorschlägen zur Neufassung der RL eine entsprechende Bestimmung aufgenommen: s. Art. 23 III Vorschlag KR (oben Fn. 463) u. die Erläuterung dazu (Begründung unter III.); Art. 33 III Vorschlag SKR (oben Fn. 464) u. die Erläuterung dazu (Begründung unter IV.). 516 EuGH, Urt. Schulgebäude (Fn. 493), Tz. 52; vgl. des weiteren auch die dezidierte u. ausführliche Kritik des Standpunkts der Kommission bei eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 185 ff. (Darstellung des Kommissionsstandpunkts S. 181 ff.). 517 GA Alber in der Rs. Schulgebäude, Slg. 2000 I, 7449, 7462 unter Nr. 48.
238
2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
gen somit grundsätzlich nicht entgegen. Im Urteil in der Rs. C-360/89 hingegen ging es um die Aufforderung zur Angebotsabgabe im nicht offenen Verfahren und damit um eine Frage, die in Art. 22 UAbs. 1 der RL 711305/ EWG ausdrücklich geregelt war. Hier befindet man sich also innerhalb des Regelungsbereich der Richtlinien. Für die Frage der Zulässigkeit der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Auswahl zur Angebotsaufforderung kommt es darauf an, wie diese Bestimmung auszulegen ist. 5 !8 Im Fall Beentjes wurde allerdings nicht nur die Bedingung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen aufgestellt, sondern es wurde auch ein Unternehmen ausgeschlossen mit der Begründung, es sei nicht in der Lage, diese Bedingung zu erfüllen. Ob man sich auch insoweit außerhalb des Rege1ungsbereichs der Richtlinien befindet oder ob es darauf ankommt, wie die Regelungen der Richtlinien über Ausschlußkriterien i. w. S. auszulegen sind, ist streitig; ebenso die Frage, wie die Entscheidung des EuGH in bezug auf diesen Punkt zu deuten ist. Im Schulgebäude-Urteil hat der Gerichtshof die Interpretation der Kommission gerade mit dem Argument abgelehnt, die Bedingung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen habe als Grund für den Ausschluß eines Bieters gedient. 5 !9 Daraus folgert der Gerichtshof allerdings - unverständlicherweise -, daß sie "daher nur ein Zuschlagskriterium sein" konnte. 52o Ich werde auf die Ausschlußproblematik später zurückkommen. 52 ! Der von der Kommission favorisierten Interpretation liegt die Annahme zugrunde, daß die Politisierung öffentlicher Auftragsvergabe nicht von vornherein außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinien liegt. Für diese Annahme spricht, daß die politischen Zielsetzungen in das Vergabeverfahren einbezogen werden, welches den Regelungsgegenstand der Richtlinien darstellt. Sie werden dessen Teil und sind nicht etwas davon grundsätzlich Getrenntes, außerhalb dessen Liegendes. Die Verfolgung politischer Zielsetzungen bei der Auftragsvergabe erfolgt nicht außerhalb, sondern innerhalb des Vergabeverfahrens. Dieses ist überdies ein stark formalisiertes (und in den Richtlinien detailliert geregeltes) Verfahren. Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen muß deshalb, soweit sie im Regelungsbereich der Richtlinien stattfindet, in ihren Bestimmungen vorgesehen oder jedenfalls mit diesen kompatibel sein. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Einbe518 519
(D).
s. dazu unten 2. d) aa). Ebenso die Kritik bei eh. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 185 unter
520 EuGH, Urt. Schulgebäude (Fn. 493), Tz. 52, Hervorhebung von mir. Kritik an dieser Aussage auch bei M. Dreher, JZ 2001, 140 (141 1. Sp. oben: "diskreditiert den EuGH als Rechtsprechungsorgan"); B. Schima, NZBau 2002, 1 (4 beginnend 1. Sp. unten). 521 Unten 2. g) aa) (2).
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
239
ziehung politischer Zielsetzungen kommt es daher auf die genaue Gestalt der jeweiligen Regelung an, insbesondere auf den Ansatzpunkt der Einbeziehung im Verfahren. 522 Diese Interpretation kann sich maßgeblich auch darauf stützen, daß die Richtlinien vereinzelt Bestimmungen über die Einbeziehung politischer Zielsetzungen enthalten. So sehen die Vorschriften über die Ausschlußkriterien auch die Möglichkeit vor, Unternehmen auszuschließen, die ihre Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen, Steuern und Abgaben nicht erfüllt haben. 523 Des weiteren enthalten die Richtlinien Regelungen über die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen. 524 Vor allem aber sind hier verschiedene Bestimmungen in den jeweiligen Kapiteln über die Zuschlagskriterien zu nennen. Grundsätzlich ist der Zuschlag entweder auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis oder auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu erteilen. 525 Art. 30 III BKR und Art. 35 I SKR lassen es jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zu, daß im Rahmen einer Regelung, die bestimmten Bietern eine Bevorzugung gewährt, andere Kriterien zugrunde gelegt werden. Außerdem enthalten die Art. 31 BKR und Art. 35 11 SKR eine - allerdings bis zum 31.12.1992 befristete, also inzwischen ausgelaufene - Öffnungsklausel für regionalpolitisch begründete Sonderregelungen. Diese Vorschriften wären überflüssig, wenn die Mitgliedstaaten ohnehin frei wären, politische Zielsetzungen einzubeziehen. 526 Sie ließen sich nicht plausibel erklären, wenn man davon
522 Vgl. in diesem Sinne auch die differenzierende Darstellung im Grünbuch der Kommission: Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM (96) 583 endg. vom 27.11.1996, abgedruckt auch als BRat-Drs. 50/97 vom 21.1.1997, unter 5. V. u. VI., u. in der Mitteilung der Kommission: Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union, KOM (98) 143 endg. vom 11.3.1998, abgedruckt auch als BRat-Drs. 296/98 vom 27.3.1998 u. in BT-Drs. 13111160 vom 23.6.1998, S. 7 ff., unter 4.3 und 4.4; ferner jüngst ausführlich in den beiden Interpretierenden Mitteilungen der Kommission über das auf das Öffentliche Auftragswesen anwendbare Gemeinschaftsrecht und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM (2001) 274 endg., ABI. 2001 Nr. C 333112, u. über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM (2001) 566 endg., ABI. 2001 Nr. C 333/27. 523 Art. 24 UAbs. 1 e), f) BKR, Art. 20 I e), f) LKR, Art. 29 UAbs. 1 e), f) DKR. Die SKR enthält keine Bestimmung über Ausschlußkriterien, verweist allerdings in Art. 31 11 für das nicht offene und das Verhandlungsverfahren fakultativ auf die entsprechenden Bestimmungen der (alten) BKR und LKR. 524 Art. 23 BKR, Art. 28 DKR, Art. 29 SKR. 525 Art. 30 I BKR, Art. 26 I LKR, Art. 36 I DKR, Art. 34 I SKR. 526 Vgl. S. Arrowsmith, PPLR 1 (1992),408 (410 unten 0, die dieses Argument allerdings nicht für entscheidend hält.
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
ausgeht, daß die Einbeziehung politischer Zielsetzungen außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinien liegt. 527 c) Dritte Position: Einbeziehung politischer Zielsetzungen von den Richtlinien grundsätzlich verboten Schließlich gibt es einige Stimmen in der Literatur, die dazu tendieren, den Richtlinien ein grundsätzliches Verbot der Verwendung "beschaffungsfremder" Kriterien zu entnehmen. Diese Annahme wird teils auf den abschließenden Charakter der "Vergabekriterien" der Richtlinien gestützt,528 teils auf bestimmte einzelne Prinzipien der Richtlinien: 529 Verwiesen wird auf das Prinzip des Zuschlags auf das wirtschaftlich günstigste Angebot,530 auf das Wettbewerbsprinzip als "oberste[ s] Gebot" des EG-Vergaberechts531 sowie auf das allgemeine Diskriminierungsverbot der Richtlinien532 . Mit der Beentjes-Entscheidung ebenso wie mit der Schulgebäude-Entscheidung - die man freilich für falsch halten kann - läßt sich die Annahme eines aus den Richtlinien folgenden Verbotes der Politisierung der Auftragsvergabe indes nicht vereinbaren. 533 Im übrigen ist diese Ansicht, insbesondere die Annahme eines abschließenden Charakters der "Vergabekriterien" der Richtlinien, zu undifferenziert. Sie trägt nicht der Tatsache Rechnung, daß die Einbeziehung politischer Zielsetzungen an ganz ver527 Vgl. - allerdings mit weitergehenden Schlußfolgerungen - auch J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (466); W. Götz, EuR 1999, 621 (629 f. unter b) u. c»; J. Karenjort/U. v. Koppenfels/S. Siebert, BB 1999, 1825 (1830 unter IV. 1. b) u. 1831 unter d»; A. Martin-Ehlers, WuW 1999,685 (692). 528 So M. Brenner, Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 (156 ff.); ders., Ausschluß (1997), S. 13 ff. (knapper); der im einzelnen dann aber doch differenziert (vgl. Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 163 a.E.; Ausschluß (1997), S. 23 ff.); des weiteren F. Rittner, EuZW 1999,677 (679 unter III. 1.). 529 Bei M. Brenner finden sich neben dem eben genannten in etwa auch die drei folgenden Argumente, s. Jb. des Umwelt- und TechnikR 1997, 141 (160 ff.); Ausschluß (1997), S. 15 ff. 530 F. Rittner, VgR 3/1998, S. 30 (31 r. Sp.); A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (692). 531 Vgl. R. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 50 ff. (Zitat S. 50 Mitte), der die von ihm sog. "positiven Steuerungsmaßnahmen" allerdings nur für "überwiegend [... ] unzulässig" (S. 51 oben) hält; vgl. auch allgemein zum "Wettbewerbsprinzip" als "tragende[s] Element" der Vergaberichtlinien dens., WuW 1998, 1059 (1060); des weiteren M. J. Schäfer, Wettbewerb (1994), S. 26 u. 29 oben. 532 A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (692). 533 Anders zum Beentjes-Urteil wohl F. Rittner, EuZW 1999, 677 (679 f. unter III. 2.); vgl. auch dens., NVwZ 1995, 313 (316 mit Fn. 29), wo Rittner dem Beentjes-Urteil anscheinend sogar die Aussage entnehmen will, "vergabefremde Ziele" seien unzulässig [!].
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
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schiedenen Punkten des Verfahrens erfolgen kann, welche nicht sämtlich ausnahmslos und abschließend in den Richtlinien geregelt sind. Das Prinzip des Zuschlags auf das wirtschaftlichste Angebot betrifft nur einen der möglichen Ansatzpunkte für eine Politisierung, eben die Zuschlagserteilung, und kann daher keine Auskunft über die Einbeziehung politischer Zielsetzungen in anderen Stadien des Verfahrens geben. Das gilt unabhängig davon, ob diese zu einer Verteuerung der Beschaffung führt. Das Wettbewerbsprinzip ist in den Richtlinien nicht ausdrücklich normiert. Aus den Erwägungsgründen geht aber hervor, daß "auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens ein echter Wettbewerb" entstehen soll.534 Man mag daher das Wettbewerbsprinzip zum Inhalt der Richtlinien zählen. Öffentliche Aufträge sollen danach in möglichst breitem Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern, insbesondere auch aus den anderen Mitgliedstaaten, vergeben werden. 535 Die Politisierung öffentlicher Beschaffung kann zwar in Konflikt hierzu geraten. Das Wettbewerbsprinzip ist als Prinzip aber viel zu allgemein, um daraus eine generelle Pflicht zur "neutralen" Beschaffung abzuleiten. Es wird erst durch die Bestimmungen der Richtlinien verwirklicht. Diese sind damit auch der Maßstab für die Frage, inwieweit die Einbeziehung politischer Zielsetzungen zulässig ist. Das allgemeine Diskriminierungsverbot, das nunmehr in allen Richtlinien ausdrücklich normiert ist,536 lautet bspw. in der Baukoordinierungsrichtlinie wie folgt: "Die öffentlichen Auftraggeber tragen dafür Sorge, daß nicht zwischen den verschiedenen Unternehmen diskriminiert wird." Unter einer Diskriminierung wird man eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund zu verstehen haben. Soweit die anderen Bestimmungen der Richtlinien dafür Raum lassen, bildet die Verfolgung rechtlich zulässiger politischer Zielsetzungen einen sachlichen Grund für Differenzierungen. Hätten nur "neutrale", (betriebs-)wirtschaftlich begründete Unterscheidungskriterien zugelassen sein sollen, hätte dies ausdrücklich normiert werden müssen 537 . Die 534 10. Erwägungsgrund der BKR, 14. Erwägungsgrund der LKR. In der DKR und der SKR fehlt eine entsprechende Formulierung; es dürfte aber der Sache nach dasselbe gelten, vgl. den 20. Erwägungsgrund der DKR und den 12. Erwägungsgrund der SKR. 535 Vgl. die genannten Erwägungsgründe der BKR und LKR (Fn. 534), die hier die europaweiten Bekanntmachungspflichten nennen. 536 Art. 6 VI BKR, Art. 5 VII LKR, Art. 3 11 DKR, Art. 4 11 SKR. Die Bestimmungen der BKR und LKR wurden erst durch die RL 97/52/EG (oben Fn. 457 bzw. 458) eingefügt; der EuGH hat aber schon vorher für die RL 7l/305/EWG, die erste BKR, einen allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter aufgestellt, s. Urt. v. 22.6.1993 - Storeba:lt, Rs. C-243/89, Slg. 1993 I, 3353 = EuZW 1993,607, Tz. 33; bestätigt im Urt. v. 25.4.1996, Rs. C-87/94 - Wallonische Busse, Slg. 1996 I, 2043 = EuZW 1996, 506, Tz. 51 f. (zur ausdrücklichen Regelung in der RL 90/53l/EWG, der ersten SKR). 16 Meyer
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
Vorschrift dürfte primär Bevorteilungen oder Benachteiligungen einzelner Unternehmen im Vergabeverfahren im Blick gehabt haben wie z. B. die Gewährung von Infonnationsvorsprüngen oder die Erlaubnis zur Angebotsnachbesserung. Ein Ausschluß der Einbeziehung politischer Zielsetzungen in das Vergabeverfahren kann ihr hingegen nicht entnommen werden. Nicht zuletzt ist fraglich, ob die EG überhaupt die Kompetenz hätte, die Politisierung der Auftragsvergabe in den Mitgliedstaaten generell zu verbieten. 538 Die Richtlinien wurden auf die Art. 57 11 und 66 E(W)GV a. F. (Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, jetzt Art. 47 11 und 55) und Art. lOOa E(W)GV a. F. (Binnenmarkt, jetzt Art. 95) gestützt. 539 Andere mögliche Kompetenzgrundlagen sind nicht ersichtlich. Wenn man mit der allgemeinen Meinung davon ausgeht, daß die öffentliche Auftragsvergabe den Grundfreiheiten unterfällt, daß also EG-ausländische Unternehmen und Erzeugnisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht benachteiligt werden dürfen,54o dann erlauben die Kompetenzgrundlagen für die Erleichterung der Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit resp. die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes auch eine Koordinierung der Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe. 541 Zur öffentlichen Auftragsvergabe zählt auch die Einbeziehung politischer Zielsetzungen. Damit können die Richtlinien grundsätzlich auch diese Thematik regeln. 542
537 Vgl. ebenso die Auslegung der Vorschrift in einem anderen Kontext durch den EuGH, Vrt. v. 7.12.2000, Rs. C-94/99 - ARGE Gewässerschutz, Slg. 2000 I, 11037 = EuZW 200 I, 94 = WuW 2001, 108 = Wu W /E Verg 390, Tz. 26: Dort heißt es, eine aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung folgende Pflicht, subventionierte Bieter auszuschließen, könne nicht angenommen werden - hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine solche Pflicht gewollt, "so hätte er dies ausdrücklich angeordnet". 538 In der Lit. wird die Frage der Kompetenz (wie die der Kompetenzgemäßheit der RL allgemein) wenig angesprochen; Ausnahmen bilden L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 61 vorletzter Abs.; E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 73 f.; U. Rust, EuZW 2000, 205 (207 r. Sp. Mitte); B. Schima, NZBau 2002, 1 (6 r. Sp. unten f.). 539 s. jeweils den Vorspruch der RL. Bei der SKR ist außerdem Art. 113 EGV a. F. (Gemeinsame Handelspolitik, jetzt Art. 133) genannt; diese Bestimmung ermächtigt ausweislich ihres Wortlauts aber gar nicht zum Erlaß von Harmonisierungsrichtlinien. 540 Vgl. zur Anwendbarkeit der Grundfreiheiten im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe oben A. IV. 1. b), insbs. bb). 541 Für Kompetenzgemäßheit der Richtlinien allgemein (ohne nähere Problematisierung) E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 32; H.-J. Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/ A (2001), Syst I Rn. 31 ff. (33 f.); I. Seidel, in: Hdb. EUWiR, Bd. 2, H. IV (2001), Rn. 11 ff. (insbs. 14); anders aber H. Lehning, WuW 1966, 3 (8 ff. u. insbs. 13 ff.).
B. Bindungen der EG-Vergaberichtlinien
243
Unter Zugrundelegung der vom EuGH verfolgten weiten Auslegung der Kompetenzvorschriften wäre vermutlich auch ein Verbot der Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Auftragsvergabe als von diesen Vorschriften gedeckt anzusehen. 543 Der in der funktionalen Formulierung der Binnenmarkt-Kompetenzvorschriften angelegten tendenziell uferlosen Weite sollte m. E. jedoch durch eher restriktive Auslegung begegnet werden. Im vorliegenden Fall ist zu bedenken, daß Regelungen zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen, anders als z. B. Bekanntmachungsvorschriften u. dgl., nicht bloß eher "technische" Aspekte der Auftragsvergabe betreffen, sondern ein tradiertes politisches Instrument der Mitgliedstaaten. Wenn den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe genommen wird, ist dies ein erheblicher Eingriff in ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Eine Harmonisierung in Form eines generellen Verbotes der Einbeziehung politischer Zielsetzungen ist für die Erleichterung der Ausübung der Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit resp. die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes auch nicht erforderlich. Es ließe sich daher nicht auf diese Kompetenzgrundlagen stützen. 544 d) Ergebnis Die Frage nach der Regelungsreichweite der Richtlinien im Hinblick auf die Einbeziehung politischer Zielsetzungen kann - entgegen einigen Stimmen in der Literatur - nicht als von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt gelten. 545 In der Beenljes-Entscheidung fehlt eine präzise Begrün542 Vgl. für Kompetenzgemäßheit der RL im Hinblick auf die abschließende Regelung der Zuschlagskriterien E. Kayser, Nationale Regelungsspielräume (1999), S. 73 f.; im Hinblick auf eine abschließende Regelung der Eignungs- und Zuschlagskriterien implizit M. Kling, Vergabefremde Regelungen (2000), S. 159. 543 Vgl. auch L. Osterloh, Rechtsgutachten (1991/92), S. 61 vorletzter Abs. 544 Vgl. auch U. Rust, EuZW 2000, 205 (207 r. Sp. Mitte), die mit der begrenzten Kompetenz der EG argumentiert, um den vor ihr angenommenen nicht abschließenden Charakter der Eignungskriterien zu begründen. In der Tat könnte man zweifeln, ob die Vergaberichtlinien, wenn ihnen auch kein generelles Verbot der Einbeziehung politischer Zielsetzungen zu entnehmen ist, nicht in mancherlei Hinsicht zu weit gehen. S. ferner B. Schima, NZBau 2002, 1 (6 r. Sp. unten f.), der betont, die Verwirklichung des Binnenmarktes erfordere nicht notwendig, daß andere als (betriebs-)wirtschaftliche Kriterien nicht berücksichtigt werden dürften. 545 Anders aber Ch. Benedict, Sekundärzwecke (2000), S. 161 ff., der die Urteile in den Rs. CEI (S. 162 ff.), Bellini (S. 166 ff.) und Beentjes (S. 169 ff., bes. 174 ff. unter 4.) umfassend untersucht und ihnen ein kohärentes Konzept entnehmen will (s. bes. S. 178 f. unter IV. 1. u. die Zusammenfassung S. 194 ff.); ferner zum Schulgebäude-Urteil s. dens., NJW 2001, 947 (948 unter 11. 1.). Auch J. Ziekow, NZBau 2001, 72 (78 unter V.), meint, der EuGH habe für die Zulässigkeit nach (primärem und sekundärem) Gemeinschaftsrecht "ein recht trennscharfes Raster entwickelt" 16*
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2. Teil, 2. Kap.: Bindungen des Europa- und Völkerrechts
dung für das gefundene Ergebnis, so daß sich nicht eindeutig sagen läßt, welches Verständnis der Richtlinien ihr zugrunde liegt. 546 Im Urteil in der Rs. C-360/89 vermißt man ebenfalls eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Fragestellung, insbesondere auch Ausführungen zum Verhältnis zur Entscheidung Beentjes. 547 Man kann sich insoweit letztlich nur in (müßigen) Spekulationen ergehen. Die Schulgebäude-Entscheidung schließlich hat zwar bestätigt, daß der EuGH "beschaffungsfremde" Kriterien im Anwendungsbereich der Richtlinien nicht für unzulässig hält. Für dieses Ergebnis wird aber wiederum keine Begründung geliefert. 548 Die besten Argumente sprechen m. E. für die Annahme, daß den Richtlinien weder ein grundsätzliches Verbot der Einbeziehung politischer Zielsetzungen zu entnehmen ist noch diese Frage grundsätzlich außerhalb ihres Regelungsbereichs liegt. Diese Deutung wird auch durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt. Im Rahmen der Novellierungen und Erweiterungen der Richtlinien wurden immer wieder Vorschläge des Europäischen Parlaments diskutiert, die verschiedene Regelungen zur Problematik in die Richtlinien einfügen wollten. Die meisten Vorschläge scheiterten am Widerstand von Rat und Kommission; einzelne Bestimmungen haben aber Aufnahme in die Richtlinien gefunden549.55o Allerdings ist hinzuzufügen, daß die Annahme, daß der Regelungsbereich der Richtlinien grundsätzlich eröffnet ist, zu relativ weitgehenden Restriktionen für die Mitgliedstaaten führt, wie die weitere Untersuchung zeigen wird. Je nachdem, wie man die Richtlinien hier im einzelnen auslegt, kann diese Ansicht derjenigen von einem grundsätzlichen Verbot recht nahe kommen. (zu der Rspr. zu den RL s. S. 74 unter 1. b) und S. 75 f. unter 2. b)-