Die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchain-basierten Kryptowährungen [1 ed.] 9783428585496, 9783428185498

Die Frage, wie sich Blockchain-basierte Kryptowährungen in Zwangsvollstreckung und Insolvenz verhalten, hat aufgrund der

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German Pages 254 Year 2023

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Die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchain-basierten Kryptowährungen [1 ed.]
 9783428585496, 9783428185498

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Internetrecht und Digitale Gesellschaft Band 44

Die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchainbasierten Kryptowährungen

Von

Alexander Bauer

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER BAUER

Die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchain-basierten Kryptowährungen

Internetrecht und Digitale Gesellschaft Herausgegeben von

Dirk Heckmann

Band 44

Die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchainbasierten Kryptowährungen

Von

Alexander Bauer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten © 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2363-5479 ISBN 978-3-428-18549-8 (Print) ISBN 978-3-428-58549-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand während meiner andauernden Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Blockchain Reallabor des Fraunhofer-Insti­ tuts für Angewandte Informationstechnik (FIT) sowie bei mehreren Wirtschaftskanzleien. Sie wurde von der Juristischen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster im Sommersemester 2021 angenommen. Mein tiefster Dank gilt zu Recht Herrn Prof. Dr. Thomas Hoeren. Ihm habe ich zu verdanken, dass er mir den wissenschaftlichen Freiraum für ein solch innovatives Thema eingeräumt hat und mich zugleich stets wohlwollend gefördert hat. Die Doktorandenseminare bleiben für immer unvergessen. Ebenso möchte ich Prof. Dr. Nikolas Guggenberger danken, der trotz seiner Tätigkeit an der Yale Law School das Zweitgutachten zügig erstellt hat und mich vor allem zu Beginn meiner Promotion ebenfalls gefördert hat. Dank gebührt zudem Frau Dr. Sabrina Seak, Herrn Fabian Wasl und Herrn Marius Ebert für die Unterstützung während der Promotionszeit sowie die hilfreiche Übernahme des lästigen Korrekturlesens meiner Dissertation. Nicht weniger danken möchte ich dem Fraunhofer FIT und hier vor allem Prof. Wolfgang Prinz sowie meinen KollegInnen am Institut, welche mir einen tiefgehenden und interdisziplinären Einblick in die Blockchain-Technologie erst ermöglicht haben – auf diesem Wissen fußt diese Arbeit. Widmen möchte ich diese Arbeit meinen Eltern. Meinem Vater, Dr. med. Alexander Bauer, der mich immer bedingungslos unterstützt und an mich geglaubt hat und ohne dessen Vorbild ich diese Arbeit nicht in diesem Maße fertiggestellt hätte und meiner Mutter, die viel zu früh verstorben ist und die Einreichung dieser Arbeit leider nicht miterleben konnte. London im März 2022

Alexander Bauer

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung 17 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Kapitel Einführung in die Blockchain-Technologie und Gegenstand der Untersuchung 21



A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. II.

Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Der Aufbau einer Blockchain als Konzept der DLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Betrachtungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Node . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Peer-to-Peer Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Bildung von Datenblöcken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Header . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Body . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Blockerkettung durch Hashing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Prinzip von kryptografischen Hash-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Verkettung durch den Einsatz von Hash Pointern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Einsatz von Hashing zur Erstellung von Merkle-Trees als Datenstruktur 30 6. Digitale Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Privater Schlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Öffentlicher Schlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Digitale Signatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 7. Konsensfindungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Herausforderungen für Konsensfindungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 34 aa) Das Double-Spending-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 bb) Sybil-Attack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 cc) 51 %-Attack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 dd) Denial-of-Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ee) Voraussetzungen für den Konsensfindungsmechanismus . . . . . . . . . 36

8

Inhaltsverzeichnis b) Proof-of-Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Der Mining-Prozess zur Schaffung neuer Kryptowährungseinheiten 37 bb) Mining-Reward als Anreiz für den Aufwand der Rechenleistung . . 39 c) Proof-of-Stake . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 d) XRP Ledger Consensus Protocol von Ripple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 8. Beteiligungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Funktionsweise einer Kryptowährungs-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Einheiten von Bitcoin als Verzeichnis der Transaktionshistorie . . . . . . . 46 b) Aufbau einer Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Ablauf einer Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Vergleich zu anderen Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Ethereum-Blockchain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Ripple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Das Public-Key-Infrastruktur-Verfahren als wesentliche Gemeinsamkeit von Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Wallets als Aufbewahrungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Web-Wallet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Account bei einer Kryptohandelsplattform (Crypto Exchange) . . . . . . . 53 c) Software-Wallet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) Offline-Wallet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

B. Begriffsdefinition von Blockchain-basierten virtuellen Währungen (Kryptowährungen) als intrinsische Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I.

Investment-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

II.

Utility-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

III. Currency-Token als Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Voraussetzung zur Einordnung als Kryptowährung im Sinne dieser Arbeit . . . 57 V.

Verständnis des Begriffs der Kryptowährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3. Kapitel Methodik 59 A. Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I.

Das Marktgeschehen als wesentlicher Bezugspunkt der Betrachtung . . . . . . . . 59

II.

Rechtsökonomische Ansätze der Insolvenzordnung und Zivilprozessordnung . 60

III. Verhaltensmodell und Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Inhaltsverzeichnis

9

1. Annahmen für ein konkretes ökonomisches Verhaltensmodell . . . . . . . . . . 62 a) Präferenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Rationalverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Effizienz nach Maßgabe dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Methodische Schlussfolgerungen und Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4. Kapitel

Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen 69

A. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I.

Einzelvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

II.

Gesamtvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

B. Notwendigkeit einer effektiven Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.

Körperlicher Gegenstand nach § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Sacheigenschaft nach § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Ablehnung einer Sacheigenschaft von Kryptowährungen durch die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Einordnung von Kryptowährungen als Sachen im Sinne des § 90 BGB durch eine Literaturansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Grundlegende Argumentation und Ergebnis der Literaturansicht . . 75 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (1) Extensive Auffassung des Verkörperungsbegriffs und deren Folgen 76 (2) Objekt der sachenrechtlichen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (3) Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (a) Normzweck des § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (b) Jüngere Rechtsfortbildung in Bezug auf die (sachen-)recht­ liche Einordnung von Blockchain-basierten digitalen Werten 82 (4) Rechtsökonomische Erwägungen des sachenrechtlichen numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (a) Effizienzsenkung durch Erhöhung der Informationskosten 85 (b) Tragedy of the anticommons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Teleologische Extension des § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Analoge Anwendung des § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Vergleichbare Interessenslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

10

Inhaltsverzeichnis c) Sachenrechtlicher numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II.

Sonstiger Gegenstand nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

III. Kryptowährungen als immaterielles Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. § 69a Abs. 1 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. § 2 Abs. 2 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. § 87a UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Immaterialgüterrecht sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Systembedingte Unvereinbarkeit von monistischer Theorie und virtuellen Währungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Schutz vor nichtrivalisierender Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Zulässigkeit dieser Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Kryptowährungen als Geld im ökonomischen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Funktionstrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Tauschmittelfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Wertaufbewahrungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Rechnungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Funktionsdualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Funktionsmonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. Dynamik der Entwicklung der Blockchain-Technologie als möglicher Wende­ punkt für eine ökonomische Einordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 V.

Kryptowährungen als Geld im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Kryptowährungen als E-Geld nach § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Forderung gegenüber einem Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Das Netzwerk als Emittent? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Unterscheidung nach Konsensbildungsmechanismus? . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Geld im privatrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Analoge Anwendung der privatrechtlichen Geldvorschriften? . . . . . . . . . . . 119

VI. Kryptowährungen als Rechnungseinheiten im Sinne des KWG . . . . . . . . . . . . 120 VII. Einordnung als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Systematische Ähnlichkeit des Besitzes nach §§ 854 BGB und der Inhaberschaft über Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Schlussfolgerungen für eine Einordnung als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Eine Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis

11

b) Vergleich mit der Argumentation der herrschenden Meinung zur Registrierung des Domainnamens als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB? 127 c) Andere Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Rechtsökonomische Bewertung des Zwischenergebnisses . . . . . . . . . . . . . . 132 VIII. (Vermögens-)recht sui generis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Kryptowährungen als neue hybride Vermögensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Ausgestaltung als (absolutes) Recht sui generis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Rechtsökonomische Notwendigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IX. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 X.

Ausblick in die zukünftige Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

5. Kapitel

Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen 139

A. Aktualität und Pluralität denkbarer Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I.

Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten von Kryptowährungen 141 1. Generelle Lösung über die §§ 883 ff. ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Sachpfändung nach §§ 808 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Forderungspfändung nach §§ 829, 835 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Forderung innerhalb des Blockchain-Netzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Forderung gegen einen Kryptoverwahrdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte nach § 857 Abs. 1 ZPO . 150 a) Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Verständnis des Begriffs „anderer Vermögenswert“ nach § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Mögliche Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Rechtsökonomische Erwägungen des § 857 Abs. 1 ZPO? . . . . . . . . 152 c) Bisherige Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . 153 bb) Analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 cc) Direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO auf Kryptowährungen . . 155 dd) Konzeptionelle Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . 157 (2) Analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 157

12

Inhaltsverzeichnis (3) Direkte Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 ee) Eigener Argumentationsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Inhaberschaft des privaten Schlüssels als (Vermögens-)Recht . 165 (2) Erfüllung der rechtsökonomischen Erwägungen der Norm . . . . 165 (3) Vermeidung von Folgeproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (4) Effizienzsteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (5) Keine Überschreitung der Normgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II.

Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Ansprüche auf Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

III. Vollstreckung von Ansprüchen auf Übertragung in Einheiten von Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Titel nur dem Betrag nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Titel auf Rückübertragung einer bestimmten Transaktion . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Unmöglichkeit zur Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Titulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Praktische Fragen im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Zuständigkeit bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . 174 b) Zuständigkeit bei der Vollstreckung nach §§ 887 f. ZPO . . . . . . . . . . . . . 177 2. Kenntniserlangung der Vollstreckungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Verwertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Lösung über § 836 Abs. 3 S.1 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Urgenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Lösung über § 857 Abs. 4 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 dd) Lösung über § 844 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 ee) Volatilität als Gefahr für die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Bei der Vollstreckung nach §§ 887 f. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 V.

Schutz nach § 771 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Vollstreckungsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Verwahrung des privaten Schlüssels bei einer Verwahrstelle . . . . . . . . . 185 b) Wegnahme des privaten Schlüssels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Inhaltsverzeichnis

13

6. Kapitel

Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen 192

A. Insolvenzrechtliche Bedeutung und Aktualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. II.

Aktualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Geschäftsmodelle mit Bezug zu Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Kryptohandelsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Verdienstmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Kryptohandelsplattformen mit eigenem sog. „Kryptopool“ . . . . . . . . . . 195 aa) Verwahrung innerhalb einer Sammeladresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Verwahrung innerhalb mehrerer Einzeladressen . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Kryptohandelsplattformen mit eigener Wallet-Applikation . . . . . . . . . . 197 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Online-Wallet-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Mining-Unternehmen und andere Kryptounternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

III. Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Spezifische Herausforderungen im Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 V.

Schutzniveau und Verteilung der Insolvenzgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I.

Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Verfügungsverbot und Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Übertragungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Verfügung oder rein tatsächlicher Vorgang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Effektive Sicherungsmaßnahme nach § 21 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Sicherung der Verwertung knapper Ressourcen als Effizienzziel des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Verwahrung nach § 21 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Verhältnismäßigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

II.

Massezugehörigkeit von Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Dingliche Rechte nach § 47 S. 1 Alt. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Persönliche Rechte nach § 47 S. 1 Alt. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Online-Wallet-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

14

Inhaltsverzeichnis bb) Kryptohandelsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Geschäftsbesorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) §§ 780, 781 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (3) Treuhandverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (5) Notwendigkeit eines Aussonderungsrechts aufgrund rechtsökonomischer Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (6) Internationale Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (b) Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (c) Wesentliche Gemeinsamkeiten dieser Lösungsansätze . . . . 223 (d) Nationaler Lösungsansatz de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . 224 2. Absonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Praktische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Inbesitznahme nach § 148 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Durchsetzung von Aussonderungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

7. Kapitel

Zusammenfassung und Ausblick 231

A. Thesenartige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I.

Zwingende Unterscheidung zwischen intrinsischen und extrinsischen Kryptowerten im Hinblick auf ZPO und InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

II.

Stable-Coins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Abkürzungen Die Abkürzungen entsprechen Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage Berlin u. a. 2018.

1. Kapitel

Einführung A. Einleitung Ein Sprichwort besagt: „Totgesagte leben länger“. Im Hinblick auf Kryptowährungen stimmt dieses Sprichwort. Spätestens zum Ende des Jahres 2017 wurden Kryptowährungen aufgrund der medialen Berichtserstattung zum ersten Mal auch außerhalb der Kryptoszene weitläufig bekannt.1 Verantwortlich dafür war der rasante Kursanstieg der bekanntesten Kryptowährung Bitcoin. So befand sich der Bitcoin-Kurs im Dezember 2017 bei fast 20.000 US-Dollar pro Einheit.2 Zu Beginn desselben Jahres befand sich dieser noch bei etwa 1.000 US-Dollar.3 Seit diesem ersten großen „Hype“ haben private Anleger virtuelle Währungen im großen Stil als Wertanlage für sich entdeckt. Kurz nach diesem Hype fielen die Kure von Kryptowährungen in den folgenden Jahren jedoch rapide, sodass in der Szene von einem Bärenmarkt4 die Rede war und Kryptowährungen wieder aus den Mainstream-Medien verschwanden. Seit dem Jahr 2020 steigen die Kurse wieder rasant und erreichen bisher unbekannte Höhen. Anfang des Jahres 2021 haben Analysten von JP Morgan in einer viel beachteten Einschätzung einen BitcoinKurs von 146.000 US-Dollar für realistisch eingeschätzt.5 Entgegen der bisher etwa 400 Berichte, welche seit 2010 ein Ende von Kryptowährungen vorhersagen,6 sind 1 Etwa DW, Bitcoin im Höhenrausch  – wie lange noch?, abrufbar unter: https://www. dw.com/de/bitcoin-im-h%C3%B6henrausch-wie-lange-noch/a-40982386 (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021); Handelsblatt (Online), Bitcoin durchbricht 20.000-Dollar-Marke, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/krypto-undkein-ende-bitcoin-durchbricht-20-000-dollar-marke/20734964.html (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021); Spiegel (Online), Was hinter dem Bitcoin-Crash steckt, abrufbar unter: https:// www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bitcoin-was-hinter-dem-crash-der-kryptowaehrungsteckt-a-1184661.html (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 2 BTC-Echo, Der große Bitcoin-&-Blockchain Jahresrückblick 2017, https://www.btc-echo. de/der-grosse-bitcoin-blockchain-jahresrueckblick-2017/ (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 3 Manager Magazin, Bitcoin über 13.000 Dollar  – Bitcoin-Fans in Kaufpanik, https:// www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/bitcoin-ueber-13-000-punkten-rallygeht-weiter-kaufrausch-bei-kryptogeld-a-1181951.html (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 4 BTC-Echo, Bärenmarkt adé? Bitcoin nach dem Kurssturz, abrufbar unter: https://www. btc-echo.de/wp-content/uploads/2019/10/Bitcoin-Report-September.pdf (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 5 Handelsblatt, Analysten von JP Morgan erwarten langfristig einen Bitcoin-Kurs von 146.000 Dollar, abrufbar unter: https://tinyurl.com/yrdhsh5r (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 6 t3n, Website zeigt euch, wie oft der Bitcoin schon für tot erklärt wurde, abrufbar unter: https://tinyurl.com/48t343xw (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021).

18

Kap. 1: Einführung

Kryptowährungen im Jahr 2021 lebendiger denn je. Mitte April 2021 befand sich der Bitcoin-Kurs bei etwa 52.000 US-Dollar.7 Der Bitcoin kann als Leitwährung innerhalb des Kryptowährungsmarktes verstanden werden. Laut CoinMarketCap gibt es im April 2021 insgesamt 9.203 Kryptowährungen, die auf 38.077 Märkten gehandelt werden und eine Marktkapitalisierung von 2,134,170,305,771 US-Dollar aufweisen.8 Diese Zahlen belegen, dass sich ein neuer Wirtschaftszweig rund um Kryptowährungen gebildet hat. Hinter jedem Handelsplatz befindet sich ein Wirtschaftsunternehmen, welches eine solche Kryptohandelsplattform mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt. Dasselbe gilt für die verschiedenen Anbieter von Kryptoverwahrdiensten (sog. Wallets) oder Betreiber von Mining-Farmen. Während eine Vielzahl von Akteuren somit ein immenses Vermögen in Form von Kryptowährungen hält, hat sich ein eigener Wirtschaftszweig mit auf Krypto­ währungen spezialisierten Unternehmen gebildet. Es drängen sich daher gerade zwei Fragen auf: Wie kann in das Kryptovermögen eines Vollstreckungsschuldners effektiv vollstreckt werden? Wie ist diese neue Vermögensform im Rahmen der Insolvenz zu behandeln, vor allem wenn Kryptowährungen die wesentliche Vermögensmasse des Insolvenzschuldners bilden? Vor dem Hintergrund der dargelegten Zahlen sollten diese Fragen auf klare und umfassende Antworten treffen. Es erscheint daher paradox, dass dem nicht so ist. Im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechts wird zwar erkannt, dass ein vollstreckungsfreier Raum droht, wenn Kryptowährungen nicht innerhalb der Zwangsvollstreckung greifbar sind.9 Die Rechtsliteratur ist sich jedoch in wesentlichen Fragen uneinig,10 während sich die Gerichte bis dato nicht umfassend damit beschäftigt haben.11 Hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung von Kryptowährungen gibt es kaum Untersuchungen.12 Ob sie etwa Teil der Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO sind, oder ob Aussonderungsrechte an ihnen bestehen können, ist nicht hinreichend geklärt. Hinsichtlich ihrer Behandlung innerhalb des insolvenzrechtlichen Eröffnungsverfahrens gibt es bisher keine Überlegungen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass der bisherige Erkenntnisstand hinsichtlich der zwangsvollstreckungsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Behandlung von Kryptowährungen unzureichend ist. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis dieser

7

Werte des Dienstes CoinMarketCap, abrufbar unter. https://coinmarketcap.com/de/ currencies/bitcoin/ (zuletzt aufgerufen am 13. 4. 2021). 8 Werte des Dienstes CoinMarketCap, abrufbar unter. https://coinmarketcap.com/de/ (zuletzt aufgerufen am 13. 4. 2021). 9 Badstuber, DGVZ 2019, 246 (250); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (516); Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 10 Näheres hierzu unter Kap. 5. 11 Bisher lediglich zur Vollstreckung eines Anspruchs auf Übertragung von Bitcoins OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 01. 2021 – I-7 W 44/20, ZIP 2021, 2120 f.; Zur Frage der Dritteinziehung bei Kryptobörsen LG Dresden, Beschl. v. 18. 5. 2021 – 17 Qs 9/21, RDi 2021, 503 f. 12 Näheres hierzu unter Kap. 6.

B. Ziel und Gang der Untersuchung

19

Mangel an Erkenntnissen zu einem Problem wird. Denn aufgrund der Verbreitung von Kryptowährungen als Vermögenswert bei Privatanlegern und Unternehmen ist vorauszusehen, dass virtuelle Währungen Gegenstand eines Zwangsvollstreckungsbegehrens oder einer Insolvenz sein werden.

B. Ziel und Gang der Untersuchung Das wesentliche Ziel dieser Arbeit ist es, die Diskrepanz zwischen praktischer Notwendigkeit und rechtlichen Erkenntnissen hinsichtlich der zwangsvollstreckungsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Behandlung von Kryptowährungen zu beenden. Daher soll eine umfassende Untersuchung dieser Rechtsgebiete mit dem Ziel erfolgen, dass eine effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung gewährleistet werden kann. Mit effektiv ist gemeint, dass zum einen eine detaillierte Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Fragestellungen durchgeführt wird mit dem Ziel, dass eine Klärung dieser offenen Fragen erreicht wird. Zum anderen bedeutet das, dass Überlegungen de lege ferenda angestellt werden, falls das Recht de lege lata für notwendig erachtete Folgen nicht zulässt. Im Kapitel 2 soll zunächst eine Einführung in die den Kryptowährungen zugrundeliegende Blockchain-Technologie erfolgen. Denn ein Verständnis der technologischen Besonderheiten ist maßgeblich für die rechtliche Einordnung. Die Kenntnis der Blockchain-Technologie ist demzufolge jederzeit zwingend notwendige Grundlage für die daran anknüpfenden rechtlichen Überlegungen. Kapitel 3 soll im Folgenden die angewandte Methodik der ökonomischen Analyse des Rechts darlegen. Damit ist nicht gemeint, dass sie lehrbuchartig in Grundzügen erklärt wird. Vielmehr soll in diesem Kapitel erleuchtet werden, warum sich gerade diese Methodik im Hinblick auf das Ziel dieser Arbeit empfiehlt. Darüber hinaus sollen wesentliche Überlegungen wie das Verhaltensmodell vorweggenommen werden, damit in den folgenden Kapiteln auf Grundlage dieser Überlegungen eine punktuelle rechtsökonomische Betrachtung vorgenommen werden kann. Innerhalb von Kapitel 4 findet eine ausführliche Analyse der rechtlichen Einordnung von Kryptowährungen statt mit dem Zwischenziel, dass eine innerhalb dieser Arbeit vertretende Ansicht herausgebildet wird. Dieser Schritt ist ausschlaggebend für die Frage nach der zwangsvollsteckungs- und insolvenzrechtlichen Einordnung, da sich die ZPO und die InsO wesentlich am Rechtscharakter des betreffenden Vermögenswerts orientieren. Es wird unter wesentlicher Heranziehung des rechtsökonomischen Effizienzziels dargelegt, warum eine teilweise vertretende Einordnung von Kryptowährungen als Sache nach § 90 BGB aufgrund der daraus resultierenden Auswirkungen als ineffizient angesehen werden muss. Richtigerweise ist der wesentliche technische und wirtschaftliche Anknüpfungspunkt die Inhaberschaft des privaten Schlüssels, weshalb sich die rechtliche Betrachtung vielmehr darauf beziehen muss.

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Kap. 1: Einführung

Unter Heranziehung des Zwischenergebnisses aus Kapitel 4 befindet sich der Hauptteil der Arbeit in den darauffolgenden Kapiteln. Kapitel 5 widmet sich der Frage nach der effektiven Einzelvollstreckung von Kryptowährungen. Dabei wird zwischen den in Betracht kommenden Vollstreckungskonstellationen unterschieden und jede einzelne einer Untersuchung beigeführt. Hauptaugenmerk liegt hierbei jedoch auf der Frage nach einer Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO und demzufolge darauf, ob Kryptowährungen ein sonstiges Recht im Sinne dieser Norm darstellen. Systematisch werden die Schwächen der bisherigen Auffassungen zu dieser Frage aufgezeigt, um im Anschluss mithilfe des Zwischenergebnisses aus Kapitel 4 eine technologisch wie rechtlich korrekte Begründung vorzustellen. Dieses Zwischenergebnis soll im Rahmen des Kapitels ebenfalls darauf untersucht werden, ob es eine Vollstreckungsfestigkeit nach § 771 ZPO begründen kann. Praktische Fragen wie die Inbesitznahme und die Art und Weise der Verwertung werden ebenfalls untersucht. Anschließend erfolgt in Kapitel 6 die insolvenzrechtliche Betrachtung. Zunächst werden die einzelnen Geschäftsmodelle und die damit einhergehenden Geschäftspraktiken von Unternehmen aus dem Bereich der Kryptowährungen dargelegt und erläutert, warum die Unterschiede bei den Geschäftspraktiken wesentliche Auswirkungen auf die Insolvenz haben. Im weiteren Verlauf wird vor allem dargelegt, dass es entgegen der bisherigen Literaturstimmen durchaus Aussonderungsrechte geben kann. Nachdem die verschiedenen in Betracht kommenden Aussonderungsrechte vorgestellt werden, wird unter Heranziehung der rechtsökonomischen Grundlagen der Insolvenzordnung dargelegt, warum ein gesetzlich normiertes Aussonderungsrecht notwendig ist. Mithilfe eines Blicks auf die gesetzlichen Fixierungen eines Aussonderungsrechts von Nutzern von Kryptounternehmen in Liechtenstein und der Schweiz wird sodann dargelegt, wie ein solches deutsches Aussonderungsrecht normiert werden soll. Zuletzt werden in Kapitel 7 die wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst. Darauffolgend wird ein Ausblick unternommen und auf die Frage eingegangen, ob die gewonnenen Erkenntnisse auf andere Blockchain-basierte Vermögenswerte übertragen werden können.

2. Kapitel

Einführung in die Blockchain-Technologie und Gegenstand der Untersuchung A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen Das wesentliche Merkmal für die Akzeptanz und Funktionalität aller bisherigen konventionellen elektronischen Zahlungssysteme ist die Generierung von Vertrauen. Mit Vertrauen ist hierbei einerseits gemeint, dass der Empfänger einer Zahlung sichergehen kann, dass der Absender der Zahlung über den zu überweisenden Betrag tatsächlich verfügt und dieser Betrag dem Empfänger auch gutgeschrieben wird, sodass dieser wiederum über den Betrag verfügen kann. Andererseits muss innerhalb eines elektronischen Zahlungssystems sichergestellt werden, dass der Inhaber eines Guthabens dieses nicht mehrfach ausgeben kann (Double-Spending-Problem). Dieses benötigte Vertrauen kann einerseits dadurch entstehen, dass der Empfänger dem Absender selbst vertraut (was vor allem bei sich unbekannten Personen regelmäßig nicht der Fall ist), oder andererseits dadurch, dass die Beteiligten einer Transaktion einem zentralen Intermediär (dem Zahlungsdienstleister) vertrauen, welcher den Zahlungsvorgang steuert.1 Letzteres ist das wesentliche Merkmal von konventionellen Zahlungssystemen, bei denen eine Vielzahl von Teilnehmern der Steuerung des Zahlungsverkehrs durch einen Intermediär, beispielsweise einer Bank, vertrauen. Dieses trianguläre Zahlungssystem2 ist vorherrschend. Sowohl traditionelle Zahlungsdienstleister (Banken) als auch neuartige Online-Bezahlsysteme wie PayPal oder Skrill bieten im Endeffekt ein solches trianguläres Zahlungssystem an. Der disruptive Charakter von Blockchain-basierten virtuellen Währungen besteht nun darin, dass das notwendige Vertrauen zwischen den Beteiligten einer Transaktion hergestellt werden kann, ohne dass ein Intermediär benötigt wird. Das führt dazu, dass kein trianguläres, sondern ein lineares Zahlungssystem entsteht, in welchem der Absender und der Empfänger einer Zahlung direkt miteinander interagieren.3 Anstelle des Vertrauens in einen vermittelnden Intermediär werden bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen kryptografische Nachweise und Konsensfindungsmechanismen zur Vertrauensbildung eingesetzt. Durch die so ermöglichte Konsensbildung innerhalb eines Peer-to-Peer-Netzwerks (beispiels­ 1

Witte, S. 1. Pilkington, S. 6; Diese Bezeichnung zuerst verwendend Rossi, S. 2. 3 Tasca, in: Beer et al., Cash on Trial, SUERF Conference Proceedings 2016/1, 68 (69). 2

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

weise durch den sog. Proof-of-Work-Mechanismus oder durch den Proof-of-StakeMechanismus4) werden die Datenintegrität gefährdende Handlungen wie beispielsweise das mehrfache Ausgeben desselben Betrags (sog. Double-Spending-Problem) verhindert.5 Dabei sind virtuelle Währungen lediglich ein Anwendungsfall der BlockchainTechnologie. Die Kryptowährung Bitcoin ist wiederum die bekannteste und am weitesten verbreitete Blockchain-basierte virtuelle Währung. In diesem Kapitel soll daher zunächst die Funktionsweise der Blockchain-Technologie und anschließend die Bitcoin-Blockchain als Beispiel einer Blockchain-basierten virtuellen Währung dargestellt werden. Hierdurch soll ein Verständnis für die Technologie und die Funktionsweise von Kryptowährungen geschaffen werden. Dieses ist zwingend notwendig, um eine juristische Einordnung zu ermöglichen.

I. Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) Die Wörter Blockchain-Technologie und Distributed-Ledger-Technologie werden häufig als Synonyme verwendet. Dies ist nicht korrekt, denn genau genommen stellt die Blockchain-Technologie einen spezifischen Anwendungsfall der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) dar. Der Begriff DLT selbst wird wiederum in verschiedenen Arten und Weisen gebraucht und weist daher keine einheitliche Definition auf.6 Daher soll der Begriff im Folgenden zunächst grundlegend erläutert werden. Das wesentliche Merkmal der Distributed-Ledger-Technologie ist die Verwendung eines dezentralen Datenbankmodells. Die spezifische Funktionsweise eines solchen Modells lässt sich am besten illustrieren, indem man die Unterschiede zum herkömmlichen zentralen Datenbankmodell verdeutlicht.7 Bei einem zentralen Datenbankmodell werden die Daten – wie der Name schon vermuten lässt – in einer zentralen Datenbank gespeichert, welche wiederum von einem Administrator als vertrauenswürdigen Intermediär verwaltet wird.8 Insoweit ein Nutzer Daten aus einer solchen Datenbank abfragen oder in eine solche Datenbank einpflegen möchte, benötigt er den Zugriff des Intermediärs. Grund­legend für dieses zentrale Modell ist demzufolge die Notwendigkeit einer zentralen, den jeweiligen Nutzern übergeordneten Instanz. Ein dezentrales Datenbankmodell basiert hingegen auf der grundlegenden Idee, dass die Daten simultan auf verschiedenen Knotenpunkten (Nodes) gespeichert 4

Näheres zu diesen Konsensfindungsmechanismen unter Kap. 2 A. II. 7. Nakamoto, S. 1. 6 Mills et al., Finance and Economics Discussion Series 2016-095, S. 3. 7 Zetzsche et al., S. 10. 8 Zetzsche et al., S. 10. 5

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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werden.9 Ein solcher Knotenpunkt besteht aus dem Computer eines Nutzers bzw. einem Server, welcher mittels einer Software an der gemeinsamen Verwaltung des Datensatzes teilnimmt.10 Die einzelnen Nodes sind alle innerhalb eines Netzwerks gleichrangig miteinander verbunden (Peer-to-Peer-Netzwerk), kommunizieren miteinander und bilden somit gemeinsam eine Datenbank.11 Somit entsteht eine dezentrale Datenbank, in der die jeweiligen Daten (beispielsweise Transaktionsdaten) innerhalb der Nodes repliziert sind, wodurch die Nodes die Daten nutzen können, ohne einen übergeordneten Intermediär zu benötigen.12 Innerhalb eines solchen dezentralen Datenbankmodells wird daher keine übergeordnete Instanz für die Datenverwaltung benötigt. Dies stellt die wesentliche Besonderheit dar. Da die einzelnen Nodes innerhalb des Peer-to-Peer-Netzwerks ebenbürtig sind, benötigt ein solches dezentrales System daher einen Konfliktlösungsmechanismus, welcher eine Konsensbildung zwischen den einzelnen Nodes ermöglicht und somit an die Stelle der Entscheidungsgewalt eines übergeordneten Intermediärs tritt. Eine Veränderung der Datenmenge kann demzufolge nur dann erfolgen, wenn eine Einigung darüber erzielt werden kann. Anderenfalls wäre es bei einer dezentralen Datenbank für Transaktionsdaten möglich, dass ein arglistiger Node eine unwahre Transaktion in die Datenbank einpflegt, in dem er einen Dritten glauben lässt, dass diesem Dritten die Transaktion gutgeschrieben wurde, während andere Nodes den Transaktionsinhalt einer anderen Partei zuschreiben (Double-Spending).13 Wenn die Nodes die jeweils verschiedenen Transaktionen, die sich auf denselben Transaktionsinhalt (beispielsweise eine Summe) beziehen, akzeptieren, würde eine inkonsistente Datenbank entstehen.14 Somit ist die Konsensbildung notwendig, um Vertrauen in die Richtigkeit der sich verändernden Datenmenge innerhalb des dezentralen Netzwerks zu schaffen. Da ein Intermediär jedoch fehlt, werden innerhalb der Distributed-Ledger-Technologie für die Konsensbildung verschiedene informationstechnische Konzepte, beispielsweise das Proof-of-WorkVerfahren oder das Proof-of-Stake-Verfahren, verwendet.15 Diese technischen Konzepte zur Konsensfindung sollen einen manipulationssicheren Konsensbildungsprozess schaffen.16 Eine der Besonderheiten der Distributed-Ledger-Technologie ist also die Fähigkeit, die Aufgaben eines zentralen Intermediärs wahrzunehmen, ohne einen Vertrauensverlust in das jeweilige System zu erleiden.17 Die Distributed-Ledger-

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Mills et al., Finance and Economics Discussion Series 2016-095, S. 10. Mills et al., Finance and Economics Discussion Series 2016-095, S. 10. 11 Zetzsche et al., S. 11. 12 Pinna / Ruttenberg, S. 8. 13 Pinna / Ruttenberg, S. 8. Näheres zum Double-Spending-Problem unter Kap. 2 A. II. 7. a) aa). 14 Wattenhofer, S. 82. 15 Zetzsche et al., S. 11. 16 Pinna / Ruttenberg, S. 12; Näheres zur Manipulation unter Kap. 2 A. 7. a). 17 Pinna / Ruttenberg, S. 9. 10

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Technologie stellt daher durch die Verbindung von mehreren Komponenten ein eigenständiges und disruptives System zur Datenspeicherung, Datenaufzeichnung und der Verwaltung von Daten dar.18 Die jeweiligen Daten können dabei verschiedene Werte verkörpern, die entweder erst innerhalb des Netzwerks geschaffen wurden oder schon außerhalb des Netzwerks existent sind.19 Insoweit können die Daten also beispielsweise Transaktionsdaten von virtuellen Wirtschaftsgütern, welche erst innerhalb des Netzwerks erschaffen wurden, aber auch etwa real ermittelte Nutzungsdaten von Maschinen darstellen.

II. Der Aufbau einer Blockchain als Konzept der DLT Die Besonderheit der Blockchain-Technologie als Anwendungsfall der Distributed-Ledger-Technologie ist die Art und Weise, wie die einzelnen Daten zu einer Datenmenge zusammengefasst und die Veränderung der Datenmenge dokumentiert wird, also die Datenstruktur. Die Dokumentation der jeweiligen Veränderungen des Datensatzes wird – vereinfacht gesagt – mittels einer Reihe von Datenblöcken, die miteinander chronologisch mit Hilfe eines kryptografischen Verfahrens verbunden sind, erfasst. Diese Art und Weise unterscheidet die Blockchain von der Distributed-Leder-Technologie, denn bei letzterer werden die jeweiligen Daten nicht in einzelnen Blöcken, sondern kontinuierlich gespeichert.20 Entwickelt wurde sie von Satoshi Nakamoto, bei welchem es sich um ein Pseudo­ nym handelt, im Jahr 2008 mittels eines im Internet veröffentlichten Whitepapers, durch welches zugleich die Bitcoin-Blockchain als der erste prominente Anwendungsfall der Blockchain-Technologie vorgestellt wurde. Letztlich stellt also auch die Blockchain (vereinfacht gesagt) eine chronologische Datenmenge innerhalb eines Computernetzwerks dar.21 Die Blockchain-Technologie hat seitdem viele Einsatz- und Ausgestaltungsmöglichkeiten erfahren. Das verdankt sie ihren weitläufigen Fähigkeiten, vor allem aber der Speicherung dezentralisierter Daten sowie der Nutzeranonymisierung und Datenverschleierung.22 Der wohl bekannteste Anwendungsfall ist, vor allem aufgrund des Bitcoins, die Schaffung eines dezentralen Zahlungssystems mittels Kryptowährungen. Auf diesen soll sich die vorliegende Arbeit im Wesentlichen fokussieren. Dennoch soll nicht unerwähnt sein, dass die Blockchain-Technologie auch weitrechende Lösungen insbesondere im Energie-, Logistik- oder Gesundheitssektor bieten kann. 18

Mills et al., Finance and Economics Discussion Series 2016-095, S. 10. Mills et al., Finance and Economics Discussion Series 2016-095, S. 10. 20 Schlatt et al., S. 7. 21 Wright / De Filippi, S. 6; Bitcoin Foundation Wiki, Block Chain, abrufbar unter: https:// en.bitcoin.it/wiki/Block_chain (zuletzt aufgerufen am 11. 6. 2020). 22 Cong / He, S. 6. 19

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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Insoweit soll zunächst der grundlegende Aufbau einer Blockchain und die darin regelmäßig verwendeten Verfahren dargestellt werden, um ein Verständnis für die spezifische Datenstruktur dieser Distributed-Ledger-Technologie zu schaffen. Im Mittelpunkt steht dabei das jeweilige kryptografische Verfahren, welches neben der bereits erwähnten Manipulationssicherheit auch für die Schaffung neuer Einheiten der jeweiligen Kryptowährung zuständig ist.23 1. Betrachtungsmaßstab Blockchain-Applikationen, welche die Schaffung einer Blockchain-basierten virtuellen Währung bezwecken, unterscheiden sich teilweise maßgeblich in ihrer grundlegenden Architektur. Daher soll, auch aufgrund der Leitposition auf dem Kryptowährungsmarkt, die Bitcoin-Blockchain als standartmäßig betrachtete Blockchain-Architektur gelten. Insoweit maßgebliche Abweichungen bei anderen (bekannten) Blockchain-basierten virtuellen Währungen bestehen, wird aktiv auf diese eingegangen. 2. Node Wie jede Distributed-Ledger-Technologie basiert auch die Blockchain-Technologie auf einem Netzwerk von Computern oder Servern, auf denen ein Client läuft, der über ein Netzwerkprotokoll die Kommunikation mit anderen Teilnehmern im jeweiligen Netzwerk ermöglicht.24 Diese am jeweiligen Netzwerk partizipierenden Computer werden Nodes genannt. 3. Peer-to-Peer Netzwerk Die einzelnen Knoten (Nodes) innerhalb eines Blockchain-Netzwerks werden regelmäßig innerhalb eines Peer-to-Peer-Netzwerks organisiert. Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P) bedeutet, dass die jeweiligen Computer und die dahinterstehenden Nutzer, welche das Blockchain-Netzwerk bilden, gleichrangige Mitglieder des Netzwerks darstellen.25 Gleichrangig meint hierbei, dass im Netzwerk kein übergeordneter Node existiert, sodass alle Nodes in gleicher Weise für die Netzwerkdienste zuständig sind.26 Dies entspricht letztlich auch dem Grundgedanken eines dezentral organisierten Netzwerks, welches keinen übergeordneten Intermediär für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Entscheidungsfindung benötigt. 23

Narayanan et al., S. 1. Fazekas, S. 3. 25 Antonopoulos, S. 187. 26 Antonopoulos, S. 187. 24

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Im Detail bedeutet das aber regelmäßig nicht, dass eine Teilnahme an einem Blockchain-Netzwerk voraussetzt, dass jeder Nutzer auch an den Netzwerkdiensten partizipieren muss. Genauer gesagt werden die soeben beschriebenen Nutzer als sog. „Full-Nodes“ bezeichnet, da sie die jeweiligen Regeln des Blockchain Netzwerks erfüllen.27 Die Full-Nodes speichern auch regelmäßig eine lokale Kopie der gesamten Blockchain auf dem Computer und erneuern diese regelmäßig, sobald neue Blöcke aufgefunden und als Erweiterung an die bisherige Blockchain angefügt werden.28 Dabei ermöglicht das Prinzip eines Peer-to-Peer-Netzwerks die einfache Veränderbarkeit des jeweiligen Netzwerks in der Art, dass Nodes auf unkomplizierte Art und Weise aus dem Netzwerk ausscheiden oder in das Netzwerk beitreten können.29 4. Bildung von Datenblöcken Eine Blockchain besteht aus einer Reihe von einzelnen und miteinander verknüpften Datenblöcken, die einzelne Informationen (beispielsweise Transaktionsdaten) beinhalten. Unter einem Block versteht man eine Datenstruktur, die aus einer Auflistung von Transaktionen und einer Referenz an den vorherigen Block besteht.30 Ein solcher Block besteht innerhalb der Blockchain aus zwei Teilen, nämlich aus einem Body und einem Header. Dabei bestehen je nach BlockchainArchitektur Unterschiede bei der Datenbegrenzung eines Blocks. Während die Größe eines Blocks beispielsweise innerhalb der Bitcoin-Blockchain auf 1 Megabyte begrenzt ist (Blockgrößenlimitation), findet sich bei der Ethereum-Blockchain beispielsweise keine Beschränkung der Datengröße für einzelne Blöcke.31 Innerhalb der Ethereum-Blockchain findet die Begrenzung der Datenmenge zur Verhinderung einer unkontrollierten Datenexpansion vielmehr durch ein System von Werten (Gas Limit), STARTGAS und GASPRICE genannt, statt.32

a) Header Der Header besteht aus drei Gruppen von Metadaten.33 Neben einem Verweis auf den Hashwert des vorherigen Blocks besteht der Header aus der jeweiligen 27

Für die Bitcoin Blockchain beispielsweise Bitcoin Foundation Wiki, Full Node, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Full_node (zuletzt aufgerufen am 12. 6. 2020). 28 So zum Beispiel bei der Bitcoin-Blockchain nach Antonopoulos, S. 216; ebenfalls Wright /  De Filippi, S. 7. 29 Fridgen et al., S. 30. 30 Wattenhofer, S. 84. 31 Ploom, S. 126. 32 Buterin, S. 14. 33 Antonopoulos, S. 213.

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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Difficulty34, einem Zeitstempel zum Nachweis der Erschaffungszeit des Blocks, dem jeweiligen Nonce sowie den Hashwert der Wurzel des Merkle-Trees, welche alle Transaktionen des jeweiligen Blocks zusammenfasst.35 b) Body Den Body des Blocks bilden nun die einzelnen Daten, die in der jeweiligen Blockchain aufgezeichnet werden sollen.36 Die jeweilige Art der Daten, welche auf der jeweiligen Blockchain abgespeichert werden, ist dabei von dem konkreten Anwendungsfall abhängig – so können beispielsweise bei der Verwendung in der Transportwirtschaft die abgelegten Daten die Container samt ihrer Eigenschaften abbilden,37 während bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen die Transaktionen von Einheiten der jeweiligen Kryptowährung die Daten darstellen. Der Stand der jeweiligen Daten innerhalb einer Blockchain wird dabei als State bezeichnet.38 Insoweit der State erweitert oder verändert werden soll, muss dies den Nodes des Netzwerks in Form einer Transaktion mitgeteilt werden.39 5. Blockerkettung durch Hashing Wie schon angedeutet, ist die Besonderheit der Blockchain die Verkettung von einzelnen Datenblöcken zu einer Kette von Datenblöcken. Diese Verkettung wird – vereinfacht gesagt – durch sog. Hashing erreicht. Im Folgenden sollen daher die Grundprinzipien dieser Verknüpfung von Datenblöcken durch die Verwendung von besonderen Hash-Funktionen (Hashing) erläutert werden. a) Prinzip von kryptografischen Hash-Funktionen Eine Hash-Funktion (Streuwertfunktion) ist eine mathematische Funktion, die besondere Eigenschaften aufweist. Hash-Funktionen sind in der Lage, aus einem beliebig großen Eingabewert (Input) von Zeichen stets eine festgelegte Menge an Zeichen als Ausgabewert (Output) zu generieren.40 Dieser Ausgabewert wird auch als hash value bezeichnet.41 Während die Berechnung des Outputs mit vergleich 34

Genauer unter Kap. 2 A. II. 7. b) bb). Antonopoulos, S. 213; Schlatt et al., S. 10. 36 Mika / Goudz, S. 97. 37 Fazekas, S. 4. 38 Fazekas, S. 4. 39 Fazekas, S. 6; Näheres zum Fortschreiben der Blockchain unter Kap. 2 A. III. 40 Witte, S. 2. 41 Franco, S. 95. 35

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

bar wenig Rechenleistung erfolgen kann, ist es in umgekehrter Richtung aufgrund des hierfür benötigten außerordentlich hohen Rechenaufwands (fast) unmöglich, aus dem Output den hierzu gehörigen Input zu errechnen.42 Sogenannte kryptografische Hash-Funktionen zeichnen sich unter anderem etwa dadurch aus, dass sie kollisionsresistent sind.43 Da jedoch der jeweilige Input beliebig lang sein kann, während der Output immer eine feste (limitierte) Länge hat, ist es unausweichlich, dass zwei verschiedene Inputs den gleichen Output aufweisen könnten. Daher bedeutet Kollisionsresistenz genau genommen, dass zwei verschiedene Inputs aus mathematischer Sicht nie einen gleichen Output aufweisen können, da eine solche Kollision praktisch unauffindbar ist.44 Aufgrund dieser Kollisionsresistenz kann man kryptografische Hash-Funktionen dazu benutzen, um eine massive Verkürzung der Zeichenlänge innerhalb eines Systems zu erreichen und um verifizieren zu können, ob die Datensätze (Inputs) einer Datenbank (nachträglich) verändert wurden, nachdem sie in das System eingepflegt worden sind.45 Denn wenn auch nur ein Zeichen innerhalb des jeweiligen Datensatzes geändert wird, ändert sich auch der durch die Hash-Funktion generierte Output des betroffenen Datensatzes. Kryptografische Hash-Funktionen sind daher maßgeblich für die Vertrauensschaffung in die Integrität des Datensatzes verantwortlich. Des Weiteren zeichnen sich kryptografische Hash-Funktionen dadurch aus, dass aus dem Output nicht (beispielsweise durch das Ausprobieren) auf den Inhalt des Input geschlossen werden kann. Diese Wesenseigenschaft von kryptografischen Hash-Funktionen wird Hiding genannt.46 Somit führt sie auch dazu, dass eine Pseudonymisierung der Datenmenge erreicht werden kann. Bedeutsam ist hierfür aber die Entropie der Inputdaten, weil beispielsweise bei einer stark limitierten Input-Menge Hiding nicht effektiv stattfinden kann. Die gängige kryptografische Hash-Funktion, welche beispielsweise auch innerhalb der Bitcoin-Blockchain verwendet wird, ist die SHA-256-Hash-Funktion.47 Erste Blockchain-basierte Kryptowährungen wie Ethereum Classic wechseln aber auf den neueren SHA-3-Alogirthmus.48 Schon jetzt sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass kryptografische HashFunktionen eine weitere Besonderheit aufweisen, die vor allem für den Mining 42

Witte, S. 2. Pilkington, S. 7. 44 Narayanan et al., S. 2. 45 Narayanan et al., S. 4; Franco, S. 15. 46 BitcoinWiki, Hash, abrufbar unter: https://en.bitcoinwiki.org/wiki/Hash (zuletzt aufgerufen am 29. 6. 2020). 47 Narayanan et al., S. 9. 48 ETC Cooperative, Why Change The Ethereum Classic Proof of Work Algorithm to Keccak-­­256 (SHA3), abrufbar unter: https://medium.com/etccooperative/why-change-the-proofof-work-algorithm-to-keccak-256-sha3-e327b8313824 (zuletzt aufgerufen am 10. 4. 2021). 43

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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Prozess49 innerhalb von Blockchains mit Proof-of-Work von elementarer Bedeutung ist. Gemeint ist die sog. Rätselfreundlichkeit (puzzle friendliness) von kryptografischen Hash-Funktionen. Puzzle friendliness bedeutet vereinfacht gesagt, dass sich keine Korrelation zwischen dem Input und dem Output erkennen lässt.50 Wenn eine Korrelation zwischen dem Eingabe- und dem Ausgabewert besteht, dann wird hierdurch der Bereich der möglichen Inputwerte zur Auffindung eines bestimmten Ausgabewertes verringert. In diesem Kontext führt die Rätselfreundlichkeit dazu, dass es keinen effizienteren Lösungsweg für die Auffindung eines bestimmten Outputs (und somit der Lösung des Rätsels) gibt als das Ausprobieren durch ständiges Hashing von verschiedenen Inputwerten. b) Verkettung durch den Einsatz von Hash Pointern Wie Eingangs bereits erwähnt, findet die Verkettung der einzelnen Datenblöcke durch den Einsatz von kryptografischen Hash-Funktionen (Hashing) statt.51 Die Verkettung erfolgt dadurch, dass ein nachfolgender Block den Hashwert des vorherigen Blocks als eindeutige Referenz enthält.52 Dies geschieht durch den Einsatz von sogenannten Hash Pointern. Hash Pointer sind Verweise auf einen vorangegangenen Datensatz, die gleichzeitig den Hashwert des jeweiligen Datensatzes beinhalten und dadurch nicht nur den Pfad zum Auffinden dieses Datensatzes aufzeigen, sondern auch die Verifizierung ermöglichen, dass er nicht nachträglich verändert worden ist.53 Denn dadurch, dass der nachfolgende Block immer den Hashwert des vorherigen Blocks als eindeutige Referenz enthält, würde eine nachträgliche Manipulation am Datensatz des vorherigen Blocks auffallen, da sich dadurch auch der Hashwert des Blocks ändern würde.54 Demzufolge wären ab dem Block, welcher die Manipulation enthält, alle kryptografischen Rätsel neu zu lösen, um die Manipulation unauffindbar machen zu können.55 Die kryptografische Verbindung zwischen den einzelnen Blocks kann somit nicht verfälscht werden, außer der jeweilige Angreifer verfügt über eine enorme Rechenleistung.56 Die Verkettung der jeweiligen Datenblöcke durch den Einsatz von kryptografischen Hash-Funktionen ist demzufolge ein maßgebliches Kriterium für die Datensicherheit.

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Genauer unter Kap 2. A. II. 7. b). Narayanan et al., S. 8 f. 51 Franco, S. 15. 52 Fazekas, S. 20. 53 Narayanan et al., S. 11. 54 Fazekas, S. 20. 55 Fridgen et al., S. 33. 56 Franco, S. 15; Näheres zu den Angriffsmöglichkeiten unter Kap. 2 A. II. 7. a). 50

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

c) Einsatz von Hashing zur Erstellung von Merkle-Trees als Datenstruktur Dabei werden die jeweils innerhalb eines Blocks gelagerten Daten regelmäßig mittels der mathematischen Wurzel des Merkle-Trees (auch Hash-Baum genannt57) zusammengefasst. Merkle-Trees sind verzweigte Datenstrukturen (Binärbäume), die aus kryptografischen Hash Pointern bestehen.58 Dabei stellt die Wurzel („root“ oder auch „merkle root“ genannt59) die Spitze dieser pyramidenartigen Datenstruktur dar, während die darunterliegenden Datensätze (also die Datensätze auf der untersten Stufe) als Blätter („leaves“) bezeichnet werden.60 Es bilden jeweils zwei Datensätze ein Paar, aus denen eine Datenstruktur bestehend aus zwei Hash Pointern gebildet wird, bei denen jeder Hash Pointer auf das jeweilige Ausgangsdatum (also eine Transaktion im Falle von Kryptowährungs-Blockchains) verweist.61 Diese Datenstruktur bildet nun selbst einen Datensatz des Datenpaares auf der darüberliegenden Ebene und dieses Paar wird wiederum zu der besagten Datenstruktur gehashed, bis nur noch eine solche Datenstruktur übrig bleibt, welche die Wurzel des Merkle-Trees darstellt.62 Sinn dieser Methode ist vor allem die Datenkomprimierung bei BlockchainApplikationen, die der Dokumentation von Transaktionsdaten dienen, wie es beispielsweise bei Blockchain-basierten Kryptowährungen der Fall ist. Die Möglichkeit erlaubt es, die getätigten Transaktionen zu löschen, wenn diese durch eine ausreichende Anzahl von folgenden Blöcken abgesichert wurden, ohne dass hierdurch der Hashwert der jeweiligen Blocks gebrochen wird.63 Die Wurzel fasst dabei den gesamten Merkle-Tree stets in 32 Bytes zusammen, egal wie groß der Merkle-Tree ist.64 Des Weiteren ermöglicht der Einsatz von Merkle-Trees, dass verschiedene Nodes auf eine schnelle und unkomplizierte Art und Weise vergleichen können, ob sie denselben Datenbestand (beispielsweise innerhalb eines bestimmten Blocks) besitzen, beispielsweise ob ein Block eine bestimmte Transaktion beinhaltet.65 Insoweit kann die Wurzel des Merkle-Trees verglichen werden und falls diese nicht übereinstimmt, kann innerhalb der einzelnen Blätter effizient nach der fehlenden Übereinstimmung gesucht werden.66 57

Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1259). Narayanan et al., S. 12. 59 Antonopoulos, S. 218. 60 Antonopoulos, S. 217. 61 Narayanan et al., S. 13. 62 Narayanan et al., S. 117. 63 Nakamoto, S. 4. 64 Antonopoulos, S. 219. 65 Antonopoulos, S. 218. 66 Kim, Modified Merkle Patricia Trie  – How Ethereum saves  a state, abrufbar unter: https://medium.com/codechain/modified-merkle-patricia-trie-how-ethereum-saves-a-state-e6 d7555078dd (zuletzt aufgerufen am 20. 7. 2020). 58

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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6. Digitale Signaturen Ein weiteres angewandtes Konzept innerhalb der Blockchain ist der Einsatz von digitalen Signaturen. Digitale Signaturen haben denselben Zweck wie analoge Signaturen, nämlich die Sicherstellung, dass eine bestimmte Botschaft von dem tatsächlichen Unterzeichner erzeugt und nicht nachträglich manipuliert worden ist.67 Während analoge Signaturen handschriftlich vom Unterzeichner erstellt werden, bedienen sich digitale Signaturen des Public-Key-Infrastruktur-Verfahrens.68 Die Blockchain-Technologie macht sich dieses asymmetrische Verschlüsselungsverfahren zunutze, um Transaktionen zu authentifizieren, welche in die dezentrale Datenbank aufgenommen werden sollen.69 Dieses Verfahren ist maßgeblich dafür verantwortlich, wer die Inhaberschaft und Verfügungsgewalt über die einer bestimmten Adresse zugewiesene Menge von virtuellen Währungen aufweisen kann, denn digitale Signaturen sind für eine Transaktion erforderlich und können letztlich nur mit dem passenden privaten Schlüssel generiert werden.70 Nicht umsonst ist der Satz „not your keys, not your coins“, welcher höchstwahrscheinlich auf Andreas Antonopoulos zurückzuführen ist, weit verbreitet in der Kryptowährung-Szene.71 Maßgeblich hierfür ist das sog. Kerckhoffsche Prinzip innerhalb der Kryptografie, welches besagt, dass der Verschlüsselungsalgorithmus als solcher allgemein bekannt ist, während lediglich der Schlüssel geheim gehalten wird, um die Sicherheit des Verfahrens zu begründen.72 Der Zugriff auf diese Verfügungsgewalt ist demzufolge auch ein maßgebliches Kriterium für die Frage nach einer zum einen möglichen und zum anderen effektiven Vollstreckung von Blockchain-basierten Kryptowährungen. Das Verständnis dieses Verfahrens für die in dieser Arbeit thematisierten Fragen ist daher von elementarer Bedeutung. Das grundlegende Prinzip des Public-Key-Infrastruktur-Verfahrens ist es, dass mittels eines Algorithmus ein mathematisch miteinander verbundenes Schlüsselpaar, bestehend aus einem sog. öffentlichen Schlüssel und einem privaten Schlüssel, gebildet wird.73 Dadurch soll ein maßgebliches Problem der symmetrischen Kryptografie gelöst werden, nämlich dass zwei Parteien einer symmetrisch verschlüsselten Nachricht sicherstellen müssen, dass beide auch denselben Schlüssel für die Entschlüsselung der Nachricht kennen, was zu Sicherheitsrisiken führen 67

Franco, S. 56. Fridgen et al., S. 31. 69 Gonzalez-Meneses / Martinez-Echevarria, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, Teil 3 IV, Rn. 52. 70 Antonopoulos, S. 55. 71 So zumindest laut dem Beitrag von KuBisnis, Not Your Keys, Not Your Bitcoin – Lesson About Security, abrufbar unter: https://medium.com/kubisnis/not-your-keys-not-your-bitcoinlesson-about-security-c046210e8fe9 (zuletzt aufgerufen am 31. 7. 2020). 72 Vgl. Franco, S. 51. 73 Franco, S. 53; Schlatt et al., S. 8. 68

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

kann, da dieser Schlüssel übermittelt werden muss.74 Denkbar ist hier nämlich beispielsweise, dass die Schlüssel auf dem Übertragungsweg von einem Dritten abgefangen werden könnten. Neben diesem Sicherheitsaspekt kontrolliert das erstellte Schlüsselpaar jedoch regelmäßig auch den Zugang zu den Einheiten einer Kryptowährung.75 a) Privater Schlüssel Der private Schlüssel ist eine hexadezimale Zahl, die durch Zufall mit Hilfe eines Algorithmus generiert wird76 und aus welchem mittels eines mathematischen Verfahrens (beispielsweise der Elliptic Curve Cryptography) wiederum der öffentliche Schlüssel gebildet werden kann (Schlüsselpaar).77 Um eine Transaktion im Netzwerk autorisieren und somit eine bestimmte Anzahl von Einheiten einer Blockchain-basierten Währung überweisen zu können, muss die Transaktion mittels des privaten Schlüssels signiert werden, wodurch der private Schlüssel des Schlüsselpaares somit letztlich den Zugang zu einer bestimmten Adresse im Netzwerk und daher auch zu den dieser Adresse zugewiesenen Einheiten einer virtuellen Währung gewährt, weshalb er oft mit einer PIN für ein Bankkonto verglichen wird.78 Durch die mittels des privaten Schlüssels entstandene Signatur der Transaktion wird nämlich die Inhaberschaft über die in der Transaktion verwendeten Einheiten einer Kryptowährung bestätigt.79 b) Öffentlicher Schlüssel Aus dem öffentlichen Schlüssel wird mittels einer kryptografischen Hash-Funktion die Adresse eines Nutzers innerhalb des Netzwerks gebildet.80 Insoweit kann man den öffentlichen Schlüssel, beziehungsweise genauer gesagt den Hashwert des öffentlichen Schlüssels (also die Adresse), mit einer Kontonummer vergleichen,81 wodurch dieser innerhalb des jeweiligen dezentralen Netzwerks als Identität eines Nutzers darstellt.82 In Ethereum besteht die Adresse jedoch beispielsweise direkt aus einer verkürzten Form des öffentlichen Schlüssels. Insofern kann man aber allgemein sagen, dass es sich bei der Adresse um eine Form des öffentlichen Schlüssels handelt. 74

Franco, S. 53. So beispielsweise beim Bitcoin nach Antonopoulos, S. 56. 76 Franco, S. 56. 77 Antonopoulos, S. 57. 78 Franco, S. 56. 79 Antonopoulos, S. 58. 80 Antonopoulos, S. 57. 81 Franco, S. 56. 82 Narayanan et al., S. 19. 75

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Weiterhin ist dadurch mit jeder Adresse letztlich auch ein zu dem jeweiligen öffentlichen Schlüssel gehöriger privater Schlüssel verbunden.83 Aus dem öffentlichen Schlüssel kann jedoch nicht der private Schlüssel (zurück-)gebildet werden, obwohl sich dieser auf ihn bezieht und mathematisch mit ihm verbunden ist, sodass mit Hilfe des dazugehörigen öffentlichen Schlüssels sichergestellt werden kann, dass eine bestimmte Signatur echt ist, ohne dass Rückschlüsse auf den privaten Schlüssel gebildet werden können.84 Der öffentliche Schlüssel muss demzufolge nicht geheim gehalten werden, da er mangels Signierfähigkeit nicht die Verfügungsgewalt über eine Adresse herstellen kann. Um zu überprüfen, ob eine Signatur tatsächlich mit dem dazugehörigen privaten Schlüssel signiert wurde, wird demzufolge nur die Transaktion, die jeweilige Signatur und der öffentliche Schlüssel des Absenders benötigt.85 c) Digitale Signatur Das aufgezeigte Verfahren gestattet es nun, dass jeder Teilnehmer innerhalb des Blockchain-Netzwerks mithilfe des öffentlichen Schlüssels eine Transaktion verifizieren, während nur der Eigentümer des jeweiligen privaten Schlüssels gültige digitale Signatur erstellen kann, mit denen eine Transaktion signiert wird.86 Alle Nodes eines Blockchain-Netzwerks können mit diesen Mitteln verifizieren, dass eine bestimmte Nachricht oder Transaktion auch von dem Inhaber des jeweiligen privaten Schlüssels ausgeführt wurde, indem sie die jeweilige Nachricht, die Signatur und den öffentlichen Schlüssel nehmen und mittels des einschlägigen Verifikationsalgorithmus überprüfen.87 Des Weiteren können dadurch sämtliche Nodes im Netzwerk die Identität desjenigen Teilnehmers feststellen, welcher die Transaktion veranlasst hat.88 7. Konsensfindungsmechanismen Wie bereits erwähnt, fehlt es einem Blockchain-Netzwerk als Anwendungsfall der Distributed-Ledger-Technologie an einem zentralen Intermediär. Da es insoweit an einer zentralen Instanz fehlt, um die Entscheidung zu treffen, welche Daten in die Blockchain aufgenommen und als gültig erklärt werden, muss dieser Entscheidungsfindungsprozess durch das Netzwerk erfolgen. Ein solcher kollektiver 83

Franco, S. 56. Bitcoin Foundation Wiki, Elliptic Curve Digital Signature Algorithm, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Elliptic_Curve_Digital_Signature_Algorithm (zuletzt aufgerufen am 6. 8. 2020). 85 Franco, S. 58. 86 Antonopoulos, S. 57. 87 Badev / Chen, S. 9. 88 Fridgen et al., S. 31. 84

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Konsensfindungsprozess wird dadurch erschwert, dass innerhalb eines dezentralen Netzwerks viele (aktuelle) Kopien des Datenbestandes aufbewahrt werden. Insoweit muss die Konsensfindung zwischen allen Nutzern des Netzwerks stattfinden, damit kein Auseinanderfallen des simultan gespeicherten Datenbestandes erfolgt. Bedingt durch diese Besonderheiten müssen daher Konsensfindungsmechanismen gebildet werden, welche die Besonderheiten der Blockchain-Technologie als auch die Herausforderungen von Transaktionssystemen lösen können. a) Herausforderungen für Konsensfindungsmechanismen Für das Verständnis der Funktionsweise eines bestimmten Konsensfindungsprozesses ist es förderlich, wenn man sich die allgemeinen und für (dezentrale) Peerto-Peer-Netzwerke besonderen Herausforderungen vor Augen führt. aa) Das Double-Spending-Problem Das sog. Double-Spending-Problem ist innerhalb von traditionellen sowie Blockchain-basierten Transaktionssystemen das am häufigsten diskutierte Problem, welches durch einen Konsensfindungsmechanismus gelöst werden muss. Als DoubleSpending wird der Vorgang bezeichnet, wenn dieselbe Menge an Geld (Coins) durch zwei verschiedene Transaktionen ausgegeben wird.89 Während zentral gesteuerte Zahlungssysteme dieses Problem dadurch lösen, dass ein Intermediär jede Transaktion anhand spezifischer Regeln autorisiert, muss es bei dezentralen Systemen wie der Blockchain-Technologie mittels eines Konsensbildungssystems zwischen den Nodes gelöst werden.90 Insoweit ein solches Double-Spending auftritt, muss demzufolge durch einen (kollektiven) Mechanismus entschieden werden, welche der mehrfachen Transaktionen in den Datenbestand aufgenommen werden soll und somit Gültigkeit erhält. Ein Double-Spending Vorgang würde von einem vertrauenswürdigen Node als ungültig erklärt werden, was von den anderen Nodes bestätigt werden muss. Innerhalb von dezentralen Datenbankmodellen wie der Blockchain-Technologie führt diese Entscheidung also zu der Wahl, welche Transaktion simultan innerhalb des Netzwerks abgespeichert wird. Dabei müssen gewisse Risiken für die Konsensfindung durch den jeweiligen Prozess effektiv verhindert werden können. bb) Sybil-Attack Die sog. Sybil-Attack stellt einen spezifischen Angriff auf Peer-to-Peer-Netzwerke dar. Bei einer Sybil-Attack erstellt ein Angreifer viele verschiedene Identi 89

Franco, S. 113. Bitcoin Foundation Wiki, Irreversible Transactions, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/ wiki/Irreversible_Transactions (zuletzt aufgerufen am 20. 8. 2020). 90

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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täten (Nodes) innerhalb des Peer-to-Peer-Netzwerks, um dadurch einen möglichst hohen Einfluss innerhalb des Netzwerks ausüben zu können.91 Dieses Netzwerk an Identitäten wird im Anschluss von einer Person (oder einer Gruppe) genutzt, um innerhalb des Systems für sich Vorteile zu generieren.92 Für Blockchain-basierte virtuelle Währungen ist hierbei denkbar, dass die Entscheidungsfindung zu der Frage, welche Transaktionen in den Datenbestand aufgenommen werden sollen, so zum eigenen Vorteil beeinflusst werden kann. cc) 51 %-Attack Auch bei einer 51 %-Attack handelt es sich letztlich um eine spezifische Bedrohung für Peer-to-Peer-Netzwerke. Bei der 51 %-Attack versucht der Angreifer, die Mehrheit der Rechenleistung (die sogenannte Hashrate93) innerhalb des jeweiligen Peer-to-Peer-Netzwerks zu erreichen, wodurch er die Aufnahme oder den Ausschluss von bestimmten Transaktionen in den Datenbestand maßgeblich beeinflussen kann, womit wiederum ein Double-Spending erreicht werden könnte.94 Innerhalb von Blockchain-basierten Netzwerken wird eine solche Attacke von einer Gruppe von Nodes (typischerweise Minern95) begangen und kann des Weiteren zu einem sog. Fork führen,96 wodurch mithilfe einer Änderung des Blockchain-Protokolls zuvor gültige Blöcke oder Transaktionen ungültig gemacht werden (Softfork)97 oder zuvor ungültige Blöcke oder Transaktionen gültig gemacht werden können (Hardfork)98. Genau genommen ist die Kontrolle über die Mehrheit der Rechenleitung nicht zwingend notwendig für einen solchen Angriff auf das Netzwerk, jedoch ist der Erfolg ab einer Kontrolle der Mehrheit mit hoher Wahrscheinlichkeit garantiert.99

dd) Denial-of-Service Eine weitere Variante eines Angriffs stellt die sog. Denial-of-Service-Attacke (DoS-Attacke)  dar. Bei einem Denial-of-Service in Blockchain-basierten Netz 91

Franco, S. 165, Fn. 3. Calcaterra et al., S. 13. 93 Näheres hierzu unter Kap. 2 A. II. 7. a) cc). 94 MIT Digital Currency Initative, 51 %-attacks, abrufbar unter: https://dci.mit.edu/51attacks (zuletzt aufgerufen am 21. 8. 2020). 95 Näheres hierzu unter Kap. Kap. 2 A. II. 7. a) cc). 96 Antonopoulos, S. 271; Näheres zum Begriff Fork unter Kap. Kap. 2 A. II. 7. a) cc). 97 Bitcoin Foundation Wiki, Softfork, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Softfork (zuletzt aufgerufen am 20. 8. 2020). 98 Bitcoin Foundation Wiki, Hardfork, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Hardfork (zuletzt aufgerufen am 20. 8. 2020). 99 Antonopoulos, S. 272. 92

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werken wird einem bestimmten Node oder einer bestimmten Gruppe von Nodes verwehrt, dass die dem Netzwerk von ihnen bereitgestellten Datensätze wie beispielsweise ihre Transaktionen nicht in die Blockchain aufgenommen werden.100 Aufgrund des dezentralen Charakters kann der betroffene Node aber weiterhin mit dem Rest des Blockchain-Netzwerks interagieren.101 In Kombination mit den zuvor aufgeführten Angriffen kann aber auch ein Denial-of-Service die Integrität der Blockchain und somit das Vertrauen verletzen. ee) Voraussetzungen für den Konsensfindungsmechanismus Die eben aufgezeigten Gefahren, die einerseits im Allgemeinen bei Zahlungssystemen und im Besonderen bei Peer-to-Peer-Netzwerken auftreten können, zeigen, dass Konsensfindungsmechanismen in Blockchain-basierten Zahlungssystemen mehrere Aufgaben erfüllen müssen. Neben der Verhinderung verschiedener Manipulationsmöglichkeiten, welche zu einem Double-Spending und einer (nachträg­ lichen) Verfälschung der Blockchain führen können, müssen die Mechanismen auch gewährleisten, dass die Nodes innerhalb des jeweiligen Blockchain-Netzwerks simultan dieselbe Datenbasis aufweisen.102 Dabei ist die Schlüsselidee der gängigen Konsensfindungsmechanismen, dass die Auswahl eines entscheidenden Node mittels einer vorhandenen Ressource erfolgt, von der ausgegangen wird, dass diese Ressource nicht einer Monopolstellung unterliegen kann.103 Erwähnenswert für das Verständnis ist, dass die auf den ersten Blick starr wirkenden Regelungen eines Konsensfindungsmechanismus, welche im Folgenden aufgezeigt werden, tatsächlich veränderbar sind. Für eine Veränderung der den Konsensbildungsprozess betreffenden Aspekte ist eine Änderung des einer Blockchain zugrundeliegenden Protokolls nötig, wofür letztlich eine Einigung innerhalb der Teilnehmer des Netzwerks erforderlich ist.104 b) Proof-of-Work Der bekannteste Konsensfindungsmechanismus, welcher auch innerhalb der Bitcoin-Blockchain verwendet wird, ist der sog. Proof-of-Work (PoW).105 Der PoW 100

Narayanan et al., S. 34. Mirkin et al., S. 2; Narayanan et al., S. 34. 102 Habicht, Wie entsteht Konsens auf einer Blockchain? PoW, PoS, DPoS, abrufbar unter: https://medium.com/@HabichtJonathan/wie-entsteht-konsens-auf-einer-blockchain-pow-posdpos-cd14dc7c0e92 (zuletzt aufgerufen am 27. 8. 2020). 103 Narayanan et al., S. 40. 104 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 53. 105 Nakamoto, S. 3. 101

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Mechanismus war dabei der erste erfolgreiche Konsensfindungsmechanismus, der die genannten Probleme Blockchain-basierter Anwendungen lösen konnte.106 Im Gegensatz zu einem zentral gesteuerten Datenbanksystem mit einem steuernden Intermediär kann innerhalb zugangsunbeschränkter dezentraler Datenbanksysteme – wie es Kryptowährungs-Blockchains regelmäßig sind – nicht durch eine Zugangskontrolle vor feindseligen Nutzern geschützt werden, weshalb sich der Proof-of-Work-Mechanismus eines Arbeitsnachweises in Form der Lösung eines mathematischen Rätsels als zentrales Instrument der Kontrolle bedient.107 Dieses mathematische Problem muss schwer zu lösen, aber einfach nachprüfbar sein, damit das jeweilige Netzwerk das Ergebnis auf seine Richtigkeit prüfen kann.108 Innerhalb einer Blockchain wird Proof-of-Work regelmäßig mittels des SolutionVerification-Protokolls implementiert, wonach die Lösung und die Verifizierung des mathematischen Problems zu verschiedenen Zeitpunkten (asynchron) stattfinden können und das jeweilige mathematische Problem mittels eines Algorithmus nach jeder Lösungsfindung neu gestaltet werden kann.109 Die Ressource, die zur Lösung dieses mathematischen Rätsels aufgewendet werden muss, ist die Rechenleistung.110 Diese Ressource erlaubt es, dass die einzelnen Nodes mittels ihrer jeweiligen Computerleistung miteinander in Wettbewerb um die Bildung eines Blocks der Blockchain treten können.111 Die Nodes, die sich unter Einsatz ihrer computerbasierten Rechenleistung mit der Lösung dieses mathematischen Rätsels befassen, werden als Miner bezeichnet.112 Dabei gelten die Darstellungen, die sich auf die Funktionsweise des Proof-ofWork Mechanismus innerhalb der Bitcoin-Blockchain beziehen, auch generell für andere Umsetzungen des PoW-Mechanismus.113 aa) Der Mining-Prozess zur Schaffung neuer Kryptowährungseinheiten Beispielsweise bei der Bitcoin-Blockchain wird Proof-of-Work dadurch in das System implementiert, dass der Hashwert eines Blocks, welcher die einzelnen Transaktionen enthält, eine bestimmte Voraussetzung erfüllen muss.114 106

Habicht, Wie entsteht Konsens auf einer Blockchain? PoW, PoS, DPoS, abrufbar unter: https://medium.com/@HabichtJonathan/wie-entsteht-konsens-auf-einer-blockchain-pow-posdpos-cd14dc7c0e92 (zuletzt aufgerufen am 27. 8. 2020). 107 Swanson, S. 8. 108 Franco, S. 102. 109 Franco, S. 103. 110 Narayanan et al., S. 40. 111 Narayanan et al., S. 41. 112 Swanson, S. 4 f. 113 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 58. 114 Franco, S. 103.

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Die Voraussetzung ist, dass der Hashwert des Blocks mit einer gewissen Anzahl an Nullen (als Hexadezimalzahl) beginnen muss (sog. Partial Hash Inversion).115 Hierbei entfaltet das bereits erwähnte Merkmal der Rätselfreundlichkeit (puzzle friendliness)116 von kryptografischen Hash-Funktionen seine Bedeutung. Denn die Rätselfreundlichkeit führt dazu, dass es keinen einfacheren Weg gibt, das mathematische Rätsel zu lösen, als das Ausprobieren verschiedener Nonce-Werte, wodurch die Manipulation des Mining-Prozesses verhindert wird. Ist der Input, der beispielsweise im Falle der Bitcoin-Blockchain aus den einzelnen Transaktionen des jeweiligen Blocks (Body) sowie den Daten des Headers besteht, bekannt, kann das mathematische Rätsel nur dadurch gelöst werden, dass eine zusätzliche Variable (der sog. Nonce) durch Ausprobieren gesucht wird, bis der gewünschte Output der jeweiligen Hash-Funktion gefunden wird.117 Wie bereits aufgezeigt, ist der Nonce-Wert Teil des Block-Headers, sodass er ein Bestandteil eines Blocks ist, welcher erst aufgefunden werden muss. Dabei hat der Miner, der die größte Rechenleistung aufbringt und damit die meisten Versuche mit verschiedenen Nonce-Werten ausprobieren kann, die größte Chance, dass gerade er den passenden Nonce für das mathematische Rätsel auffindet. Der Miner, der als Erster den passenden Nonce findet und dadurch das jeweilige mathematische Rätsel löst, darf seinen so erstellten Block mit den befindlichen Transaktionen dem Netzwerk zur Verfügung stellen und damit die Blockchain um einen Block erweitern.118 Jedoch kann es aufgrund der Latenzzeiten bei der Übertragung von Nachrichten innerhalb des Netzwerks vorkommen, dass mehrere unterschiedliche Miner einen passenden Nonce auffinden und ihre Lösung dem Netzwerk zur Verfügung stellen, wodurch die Full-Nodes in ihrer lokal gespeicherten Kopie der Blockchain unterschiedliche Blöcke anfügen und speichern, da sie die Lösung von unterschiedlichen Minern zur Verfügung gestellt bekommen haben.119 Verantwortlich hierfür sind letztlich auch die technisch bedingten Latenzzeiten, die durch den Zeitintervall zwischen der Erstellung von zwei Blöcken entstehen.120 Dadurch können unterschiedliche Pfade der Blockchain entstehen, wodurch es zu Inkonsistenzen kommen kann.121 Problematisch ist das, da die Miner regelmäßig unterschiedliche Daten aus dem Datenpool, welcher bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen aus noch nicht in die Blockchain aufgenommenen (also nicht verifizierten) Transaktionen besteht, in ihren Block aufgenommen haben.122 Diese so entstehenden Forks (Gabelungen) 115

Franco, S. 103. Näheres hierzu in Kap. Kap. 2 A. II. 5. a). 117 Franco, S. 103. 118 Saleh, S. 8. 119 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 22. 120 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 55. 121 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 22 f. 122 Vgl. Antonopoulos, S. 27. 116

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der Blockchain sind bei PoW-basierten Blockchains jedoch normal und lösen sich probabilistisch auf,123 da sich die Miner für einen Pfad der Gabelung entscheiden müssen, damit sie ihre Rechenleistung auf einem Pfad konzentrieren können, wodurch letztlich ein Pfad des Forks nicht mehr fortgeführt wird.124 Daher darf man sich Proof-of-Work-basierte Blockchains nicht als eine einzige lineare Kette vorstellen, sondern als eine Kette, welche unterschiedlich lange Auswüchse von Blöcken aufweist, die letztlich nicht fortgeführt wurden.125 Aus diesem Grund wird beispielsweise bei der Bitcoin-Blockchain davon ausgegangen, dass eine Transaktion erst dann hinreichend sicher validiert, also tatsächlich Bestandteil eines Blocks innerhalb der maßgeblichen Kette der Blockchain ist, wenn eine gewisse Anzahl an weiteren Blöcken dem Block folgt, auf dem die besagte Transaktion enthalten ist.126 Denn erst wenn das der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Transaktion derart sicher Bestandteil des maßgeblichen Pfades der Blockchain ist, sodass das transferierte Guthaben als tatsächlich ausgegeben bzw. erhalten angesehen wird und kein Fall von Double Spending vorliegt.127 Denn je mehr Blöcke an den Block mit einer bestimmten Transaktion angefügt werden, desto schwerer ist es diese Transaktion mittels eines 51 %-­Angriffs für ungültig erklären zu lassen und daher ein weiteres Mal auszugeben.128 Die längste Kette innerhalb der Blockchain wird demzufolge als Beweis für das tatsächliche Geschehen angesehen.129 Des Weiteren beweist die längste Kette, dass sie das Ergebnis der höchsten Rechenleistung ist und zeugt daher von der Integrität der enthaltenen Datensätze, solange die Mehrheit der Rechenleistung innerhalb des Netzwerks nicht von Nodes kontrolliert wird, die das Netzwerk angreifen wollen.130 bb) Mining-Reward als Anreiz für den Aufwand der Rechenleistung Wie eben festgestellt, benötigt eine Blockchain mit Proof-of-Work-Mechanismus die Rechenleistung ihrer Nodes, um den dezentralen Datenbestand durch Hinzufügen von neuen Blöcken aktualisieren zu können. Demzufolge muss es einen Anreiz geben, dass die Nodes ihre Rechenleistung (und somit letztlich ihr Geld, da sie für die benötigte Hardware und den Strom be 123

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 23. Franco, S. 235. 125 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 52. 126 Bitcoin Foundation Wiki, Confirmation, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Con firmation (zuletzt aufgerufen am 14. 9. 2020). 127 Bitcoin Foundation Wiki, Confirmation, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Con firmation (zuletzt aufgerufen am 14. 9. 2020), wobei eine Transaktion als confirmed angesehen wird, wenn ihr mindestens 6 Blöcke folgen. 128 Antonopoulos, S. 272. 129 Nakamoto, S. 1. 130 Nakamoto, S. 1. 124

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zahlen) für das Mining zur Verfügung stellen. Innerhalb der Bitcoin-Blockchain werden die Miner für das Auffinden des jeweiligen Nonce-Wertes mit Einheiten der jeweiligen Kryptowährung (hier Bitcoin) belohnt (Mining-Reward).131 Der Mining-Reward wird durch eine sogenannte Coinbase-Transaktion, welche die Belohnung an den Miner enthält, der den Block erfolgreich angefügt hat, ausgeschüttet und stellt die erste Transaktion eines Blocks dar.132 Diese Transaktion weist die Besonderheit auf, dass sie keine Einheiten der jeweiligen Blockchain-­ basierten virtuellen Währung anderer Adressen an die Adresse des Miners überweist, sondern lediglich einen Input besitzt.133 Hierdurch erhöhen sich demzufolge die Einheiten der jeweiligen virtuellen Währung, wodurch die Geldmenge innerhalb des Netzwerks ständig wächst.134 Um einen rapiden Anstieg der Geldmenge (genauer gesagt der Menge an Einheiten der jeweiligen Kryptowährung) zu verhindern, wird innerhalb Prof-ofWork-basierter Blockchains der Zeitintervall, nach dessen Ablauf ein neuer Block erzeugt werden kann, durch die sog. Difficulty (Schwierigkeit) stabilisiert.135 Die Difficulty regelt die gegenwärtige Schwierigkeit des mathematischen Rätsels und erhöht sich immer dann, wenn sich die Zeitdauer für die Lösung des mathema­ tischen Rätsels durch steigende Rechenleistung innerhalb des Netzwerks verkürzen würde, wodurch ein Anstieg der Rechenleistung ausgeglichen wird.136 Bei der Bitcoin-Blockchain wird die Difficulty alle 2016 Blocks neu ausgerichtet und so ausgestaltet, dass es etwa 10 Minuten dauert, bis ein neuer Block an die Blockchain angefügt werden kann.137 Dieser Vorgang erfolgt automatisch und benötigt daher keinen neuen Konsens.138 Des Weiteren können Transaktionsgebühren erhoben werden. Diese können zum einen dazu führen, dass die mit Gebühren belegten Transaktionen bevorzugt aus dem Pool an Transaktionen in den nächsten Block aufgenommen werden. Weiterhin verhindern die Gebühren, dass das Blockchain-Netzwerk Ziel von DoS-Attacken wird, da man das Netzwerk nicht mit kostenlosen Transaktionen fluten und dadurch überlasten kann.139 Auch diese Transaktionsgebühren werden dem Miner, der als erster erfolgreich einen Block erzeugt, als Transaktion gutgeschrieben.140

131

Prinz / Schulte, S. 18. Antonopoulos, S. 237. 133 Antonopoulos, S. 258. 134 Prinz / Schulte, S. 18. 135 Bei der Bitcoin-Blockchain beträgt dieses Intervall beispielsweise 10 Minuten, Prinz /  Schulte, S. 18. 136 Prinz / Schulte, S. 18. 137 BitcoinWiki, Difficulty, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Difficulty (zuletzt aufgerufen am 29. 8. 2020). 138 Antonopoulos, S. 252. 139 Franco, S. 155. 140 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 51. 132

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c) Proof-of-Stake Eine Alternative zum Proof-of-Work ist Proof-of-Stake (PoS), welcher unter anderem innerhalb der Ethereum-Blockchain eingeführt werden soll.141 Diese Alternative entstand vor allem aufgrund der Bedenken gegen den Proofof-Work-Mechanismus. Die größten Bedenken beim PoW gelten den durch dessen Verwendung verursachten Umweltbelastungen. Denn da beim Proof-of-Work Rechenleistung die maßgebliche Ressource darstellt, führt die Verwendung von vielen Computern (die teilweise in großer Zahl zu sog. Mining-Farms zusammengeschlossen werden, um als Rechenzentrum die Rechenleistung zu erhöhen142) zu einem enormen Verbrauch von Strom, damit auch zu einem erhöhten CO2-Ausstoß und daher zu einer erhöhten Umweltbelastung.143 Es besteht auch beim PoS-Mechanismus das Prinzip, dass Nodes innerhalb des Netzwerks um das Fortschreiben der Blockchain konkurrieren. Statt der Rechenleistung werden beim Proof-of-Stake jedoch Einheiten der auf der jeweiligen Blockchain implementierten virtuellen Währung (Coins) als maßgebliche Ressource innerhalb des Protokolls implementiert und zufällig ausgegeben.144 Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung dieses Prinzips gibt es jedoch unterschiedliche Ansätze.145 Ein Ansatz ist es anzunehmen, dass je größer der Anteil eines Miners an der Anzahl der Coins (sein Stake) ist, desto größer auch der mathematische Spielraum für ihn wird, der als Lösung des jeweiligen mathematischen Rätsels deklariert ist.146 Das mathematische Rätsel wird also einfacher und dadurch schneller lösbar, desto höher der jeweilige Stake eines Miners ist.147 Die Bildung eines Blocks wird den Minern somit letztlich im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Stake ermöglicht,148 was eine drastische Reduzierung der aufzuwendenden Rechenleistung bedeutet und somit zu einer Reduzierung der benötigten Energiemenge führt.149

141 Coinratgeber, Das große Update für Ethereum 2.0 – lohnt sich jetzt noch ein ETH 1.0 Investment?, abrufbar unter: https://coin-ratgeber.de/ethereum-2-0-lohnt-sich-jetzt-noch-eineth-1-0-investment/ (zuletzt aufgerufen am 17. 9. 2020), wonach der PoS-Mechanismus mit der Einführung von „Ethereum 2.0“ den vorher verwendeten PoW-Mechanismus abgelöst hat. 142 BitcoinWiki, Mining farm, abrufbar unter: https://en.bitcoinwiki.org/wiki/Mining_ farm?_ga=2.224183832.284414077.1599047760-919209767.1599047760 (zuletzt aufgerufen am 29. 8. 2020). 143 Saleh, S. 1 f. 144 Härdle et al., S. 25; Hileman / Rauchs, S. 99 f. 145 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 60; BitFury Group, Proof of Stake versus Proof of Work, S. 6. 146 Saleh, S. 9. 147 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 60. 148 Franco, S. 234. 149 Vgl. Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 60.

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Ein anderer Ansatz ist es, statt der Menge der Coins das Alter (Coin-Age) des digitalen Vermögens eines Nodes, womit der vergangene Zeitraum seit der letzten Ausgabe einer Transaktion aus dem jeweiligen digitalen Vermögen gemeint ist, als maßgebliches Kriterium für die Erleichterung des mathematischen Rätsels heranzuziehen.150 Diese Ansätze haben demzufolge die Gemeinsamkeit, dass sie keinen hohen Aufwand von Rechenleistung erfordern, um eine Konsensfindung über die Bildung eines neuen Blocks zu erreichen.151 Eine weitere verbreitete Methode des Proof-of-Stake ist, dass mit Hilfe eines Zufallsprozesses bestimmte Teilnehmer (Delegates) des Netzwerks ausgewählt werden, die am Blockbildungsprozess sowie am Auswahlprozess, welcher gebildete Block letztlich an die Blockchain angefügt werden darf, beteiligt sein dürfen (Delegated Proof-of-Stake).152 Im Vergleich zu Proof-of-Work-basierten Blockchain-Modellen, bei denen neue Einheiten der jeweiligen virtuellen Währung durch den Mining-Prozess geschaffen werden, sind die Einheiten der Kryptowährung bei Proof-of-Stake-basierten Blockchains bereits erschaffen. Netzwerkteilnehmer, welche Blocks gewinnen, können demzufolge nur noch mit den Transaktionsgebühren bezahlt werden. Diese Methode des Konsensfindungsprozesses verspricht eine bessere Latenzzeit und einen wesentlich geringeren Energieverbrauch.153 Aufgrund dieser Energieeffizienz werden Blockchains mit dem Proof-of-Stake-Mechanismus gelegentlich auch als „Blockchain 2.0“ bezeichnet.154 Der wesentliche Nachteil des Proof-of-Stake-Mechanismus ist aber, dass es im Vergleich zum Proof-of-Work-Mechanismus schwieriger ist einen ungewollten Fork (also eine Gabelung der Kette in mehrere Pfade) der Blockchain zu verhindern, denn insoweit sich beim PoW die Miner für eine Gabelung des Forks entscheiden müssen, um ihre gesamte Rechenleistung für diesen Pfad verwenden zu können, besteht die wesentliche Ressource beim PoS (nämlich beispielsweise das Guthaben von Coins oder deren Alter) erstmal auf beiden Pfaden eines Forks weiter, sodass es keinen Anreiz für die Miner gibt, sich für einen Pfad des Forks zu entscheiden (sog. nothing-at-stake-Problem).155 Eine mögliche Lösung für dieses Problems ist es beispielsweise, Strafen für das gleichzeitige Fortschreiben mehrerer Pfade einzufügen.156

150

Narayanan et al., S. 208. Narayanan et al., S. 206. 152 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 61. 153 Härdle et al., S. 8. 154 Lianos, S. 15. 155 Franco, S. 235. 156 Franco, S. 235. 151

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d) XRP Ledger Consensus Protocol von Ripple Gemessen an der Gesamtmarktkapitalisierung stellt Ripple eine der weltweit größten Blockchain-basierten Kryptowährungen dar.157 Der verwendete Konsens­ findungsmechanismus weicht aber weitestgehend von den Prinzipien des PoW und PoS ab, sodass seine Besonderheiten nicht unbeachtet bleiben können. Während die bislang aufgezeigten Konsensfindungsmechanismen eine gewisse Zeit für die vollständige Synchronisierung des dezentralen Datenbestandes benötigen, verfolgt der bei Ripple verwendete Mechanismus einen iterativen Ansatz, bei dem sich die Nodes gemeinsam und zeitgleich auf den nächsten Block einigen.158 Der bei Ripple verwendete Konsensfindungsmechanismus wird XRP Ledger Consensus Protocol (XRP LCP) genannt und basiert auf dem Prinzip der byzantinischen Fehlertoleranz.159 Die innerhalb des Ripple-Systems getätigten Transaktionen werden als Candidates bezeichnet und in Bündeln bei den einzelnen Nodes in einem sogenannten Candidate Set gesammelt, während sich die Nodes mithilfe des verwendeten Konsensfindungsmechanismus iterativ in mehreren Runden auf eine gemeinsame Teilmenge der Candidates einigen, welche dann als Block an die Blockchain hinzugefügt werden.160 Jeder Node definiert für sich eine Liste von Nodes, die sogenannte UNL (unique node list), denen er vertraut und mit denen er Entscheidungen treffen möchte.161 Dass die Nodes einander bekannt sind, ist demzufolge eine wesentliche Besonderheit des Konsensfindungsmechanismus von Ripple.162 Wird nun eine Transaktion von nicht genügend Nodes, die sich jeweils vertrauen, übereinstimmend akzeptiert, wird sie nicht in den Block aufgenommen.163 Bei jeder Abstimmungsrunde erhöht sich der Schwellenwert der Übereinstimmungen, der erreicht werden muss, damit die Transaktion in das Candidate Set aufgenommen wird, welches in der nächsten Runde wieder an die jeweilige UNL versendet wird für einen Abgleich, bis letztlich in der letzten Runde eine Übereinstimmung von mindestens 80 % notwendig ist, um in den zu bildenden Block aufgenommen zu werden.164 Zuletzt werden die digitalen Fingerabdrücke der einzelnen Blocks, die von den Nodes an ihre Kopie der Blockchain angefügt wurden, miteinander verglichen, um sicherzugehen, dass jeder Node auch den gleichen Block angefügt hat.165 157 Laut den Werten des Dienstes CoinMarketCap liegt die Gesamtmarktkapitalisierung von Ripple bei 9,5 Mrd. Euro, siehe https://coinmarketcap.com/de/ (zuletzt aufgerufen am 20. 9. 2020). 158 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 63. 159 Chase / MacBrough, S. 1. 160 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 64. 161 Chase / MacBrough, S. 2. 162 Todd, S. 4. 163 Todd, S. 4. 164 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 65 f. 165 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 66.

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Bei diesem Prozess wird sich die sog. byzantinische Fehlertoleranz zunutze gemacht, die davon ausgeht, dass zwei verschiedene vertrauenswürdige Nodes nicht von einem böswilligen Node getäuscht werden können, weil widersprechende Transaktionen innerhalb des abgebildeten Prozesses auffallen würden, da die Nachrichten der einzelnen Nodes von ihnen signiert sind, weshalb man sie eindeutig zuordnen kann.166 Die Sicherheit des Netzwerks wird demzufolge von der Schnittmenge der sich gegenseitig vertrauenden Nodes bestimmt.167 8. Beteiligungsarten Weiterhin besteht eine Unterscheidung, welche Beteiligungsmöglichkeiten für Blockchain-basierte Applikationen bestehen. Dabei wird zunächst zwischen genehmigungsfreien (permissionless) und genehmigungsbedürftigen (permissioned) Blockchains unterschieden.168 Dabei ist mit Genehmigung die Frage gemeint, ob alle Nodes des Netzwerks an der Validierung, Konsensfindung und Blockbildung teilnehmen dürfen (permissionless), oder bedarf diese Art der Beteiligung einer vorherigen Genehmigung (permissioned).169 Eine weitere Unterscheidung ist, ob eine Blockchain-Applikation öffentlich (public) oder privat (private) betrieben wird.170 Bei einer public Blockchain kann jeder Teilnehmer des Netzwerks werden, wodurch ein freier Zugang und somit ein freier Einblick in den jeweiligen Datenbestand besteht, während bei einer private Blockchain der Zutritt nur für einen ausgewählten Teilnehmerkreis besteht.171 In Verbindung mit der erstgenannten Unterscheidung können sich verschiedene Ausprägungen von Blockchain-Applikationen bilden, nämlich von der permissionless public Blockchain als zugänglichste Variante über die hybriden Formen zu einer permissioned private Blockchain als unzugänglichste Variante für potenzielle Teilnehmer.172 Diese unterschiedlichen Ausprägungen sind für die Betrachtung von Blockchain-basierten Kryptowährungen deshalb bedeutsam, da diese regelmäßig innerhalb permissionless public Blockchains betrieben werden, sodass ein offenes Transaktionssystem besteht, in dem jeder durch die Bildung einer Adresse teilhaben und Einsicht in die Transaktionen erlangen kann. So ist beispielsweise die Bitcoin-Blockchain sowie die Ethereum-Blockchain als permissionless public Blockchain ausgestaltet.173 166

Chase / MacBrough, S. 11. Chase / MacBrough, S. 2. 168 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 11. 169 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 11. 170 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 68. 171 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 68. 172 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 70. 173 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Blockchain sicher gestalten, S. 12 f. 167

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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9. Zusammenfassung Die Blockchain stellt einen Anwendungsfall der Distributed-Ledger-Techno­ logie dar, deren maßgebliche Besonderheit es ist, dass die dezentral und simultan gespeicherten Daten in einzelnen Blöcken zusammengefasst werden, die mit Hilfe von kryptografischen Hash-Funktionen miteinander derart verknüpft sind, dass der Datenbestand der Blöcke nachträglich kaum veränderbar ist. Aufgrund des dezentralen Charakters des zugrundeliegenden Peer-to-PeerNetzwerks einer Blockchain kann jedoch kein Intermediär darüber entscheiden, welche Daten in eine Blockchain aufgenommen werden oder welche als gültig anzusehen sind. Daher wird der Konsensfindungsprozess innerhalb des dezentralen Netzwerks durch einen Konsensfindungsmechanismus übernommen, der dem jeweiligen Blockchain-Protokoll zugrunde gelegt ist. Insoweit der Zweck einer Blockchain die Schaffung von virtuellen Währungen (Kryptowährungen) ist, bestehen die Daten innerhalb der Blockchain aus den Transaktionen von Einheiten der jeweiligen Kryptowährung. Je nach Wahl des Konsensfindungsmechanismus können die Einheiten einer Blockchain-basierten Währung bereits vollständig bestehen (PoS) oder nach und nach erschaffen werden (PoW). Der Zugang und das Verfügen über die einer bestimmten Adresse innerhalb des Netzwerks zugehörigen Einheiten einer virtuellen Währung wird maßgeblich durch den Einsatz von digitalen Signaturen ermöglicht. Hierbei ist die Inhaberschaft des privaten Schlüssels das maßgebliche Kriterium, um über die Einheiten einer Kryptowährung zu verfügen, also eine Transaktion innerhalb des Netzwerks tätigen zu können, während der öffentliche Schlüssel der Kommunikation innerhalb des Netzwerks dient.

III. Funktionsweise einer Kryptowährungs-Transaktion In einem letzten Schritt soll nun auf die spezifischen Voraussetzungen an eine Transaktion von Einheiten einer Kryptowährung innerhalb einer Blockchain unter beispielhafter Betrachtung der Bitcoin-Blockchain eingegangen werden. Dies soll das grundlegende Verständnis für den wesentlichen Anknüpfungspunkt bei der rechtlichen Betrachtung von Kryptowährungen schaffen. Auch ist das Verständnis des Ablaufs einer Transaktion grundlegend, um die rechtlichen und praktischen Herausforderungen für eine (effektive) Vollstreckung der Einheiten einer virtuellen Währung zu umfassen. 1. Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk In einem ersten Schritt soll nun der Ablauf einer Transaktion innerhalb der Bitcoin-Blockchain am Beispiel einer Transaktion eines Bitcoins zwischen zwei Adressen aufgezeigt werden.

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

a) Einheiten von Bitcoin als Verzeichnis der Transaktionshistorie Dabei sind Einheiten von Bitcoin nicht derart vorhanden, dass es einzelne Datensätze (oder Code) gibt, die sich voneinander unterscheiden und daher, ähnlich wie physische Münzen, individualisierbar sind. Im Bitcoin-Netzwerk existieren weiterhin auch keine Konten oder Kontostände, auf denen die Einheiten von Bitcoins hin- und hergeschoben werden können.174 Die Bitcoin-Blockchain nutzt vielmehr ein Modell, bei dem lediglich die Transaktionen aufgezeichnet werden.175 Wenn man also von dem Bitcoin-Guthaben einer Adresse spricht, ist damit der sog. Unspent Transaction Output (UTXO), also alle vorhandenen und zur Ausgabe bereitstehenden (also noch nicht ausgegebenen), von einer Adresse empfangenen Transaktionen (Transaction Outputs) gemeint.176 Über diese kann die Adresse derart verfügen, dass sie mittels einer Transaktion ausgegeben werden können.177 Noch nicht ausgegebene Transaktionen können innerhalb einer neuen Transaktion verwendet werden (Transaction Input). Da jede Transaktion mittels einer digitalen Signatur signiert wird, stellen Bitcoins eine Kette digitaler Signaturen dar.178 Während die einzelnen Transaktionen also als eine Folge von Zeichen (Daten) bestehen, die auf der Blockchain aufgezeichnet sind, ergibt sich der UTXO einer Adresse erst durch eine Interpretation, nämlich aufgrund einer Summierung aller noch nicht ausgegebenen, erhaltenen Transaktionen einer Adresse, wonach der UTXO aus hunderten von Transaktionen bestehen kann, die sich auf vielen verschiedenen Blöcken der Blockchain befinden.179 Demzufolge stellt der UTXO genau genommen eine Information dar, die sich aus der Interpretation der Transaktionsdaten ergibt. b) Aufbau einer Transaktion Eine Transaktion besteht aus einem Eingabewert (Transaction Input) und einem Ausgabewert (Transaction Output).180 Ein Transaction Output besteht aus zwei Daten, nämlich aus dem jeweiligen Betrag, also den Einheiten von Bitcoins, die übersendet werden sollen, und der Adresse des Empfängers.181 Ein Transaction Input enthält eine Referenz zu einem bereits bestehenden Transaction Output sowie eine Signatur des zur Adresse ge 174

Schlatt et al., S. 9. Narayanan et al., S. 52. 176 Antonopoulos, S. 119. 177 Franco, S. 79. 178 Nakamoto, S. 2. 179 Vgl. Antonopoulos, S. 119. 180 Narayanan et al., S. 52. 181 Franco, S. 77. 175

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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hörenden privaten Schlüssels, die beweist, dass dieser Output noch ausgegeben wurde.182 Transaktionen bestehen aus einer Liste von Transaction Inputs auf der einen und einer Liste Transaction Outputs auf der anderen Seite.183 Während die nicht erhaltenen, aber noch nicht ausgegebenen Transaction Outputs (UTXOs) auszugebene Bitcoins generieren, identifizieren die Transaction Inputs die jeweiligen UTXOs, die bei der jeweiligen Transaktion verbraucht werden sollen und erbringen gleichzeitig den Beweis dafür, dass die jeweilige Adresse tatsächlich über die betroffenen UTXOs verfügt.184 Transaction Outputs weisen die Besonderheit auf, dass sie nicht teilbar sind, was bedeutet, dass man eingegangene Transaction Outputs nicht nur zu einem Teil innerhalb einer neuen Transaktion verbrauchen kann.185 Zwar können Transaktionen bis auf die achte Dezimalstelle nach dem Komma genau sein (diese kleinste Einheit eines Bitcoins wird auch Satoshi genannt).186 Insoweit aber eine Transaktion nicht einen ganzen Unspent Transaction Output verbrauchen soll, weil dieser beispielsweise 5 Bitcoins beträgt, jedoch nur 3 Bitcoins mittels der Transaktion überwiesen werden sollen, muss dennoch der gesamte UTXO verbraucht werden und die überschüssige Summe muss innerhalb derselben Transaktion wieder an die eigene Adresse transferiert werden, was durch einen weiteren Output innerhalb dergleichen Transaktion realisiert wird.187 Eine solche Rücküberweisung des überschüssigen UTXO erfolgt dabei dadurch, dass dieser Betrag (also die Differenz) regelmäßig über eine neu generierte Adresse (die sog. Change Address) zurücktransferiert wird.188 Die Change Address kann auch die Absenderadresse sein, aber aus Gründen des Datenschutzes wird meist eine neu generierte Adresse für diese Rückübertragung verwendet.189 Eine Transaktion kann also mehrere neue Outputs generieren, genauso wie sie innerhalb ihres Inputs auch mehrere UTXOs verbrauchen kann. Eine Ausnahme zu diesem Aufbau einer Transaktion bildet die bereits erwähnte Coinbase-Transaktion. Diese dient dem Zweck, den Mining-Reward an den Miner auszuschütten, der hierdurch für seine erfolgreiche Blockbildung belohnt werden soll. Aus diesem Grund beinhaltet eine solche Coinbase-Transaktion zwar einen Input sowie einen Output, jedoch benötigt der Input keinen bereits vorhandenen Output (UTXO), wodurch innerhalb des Bitcoin-Systems neue Einheiten von Bitcoin erschaffen werden.190

182

Franco, S. 77. Franco, S. 77. 184 Antonopoulos, S. 121 ff. 185 Antonopoulos, S. 120. 186 Antonopoulos, S. 119. 187 Antonopoulos, S. 120. 188 Narayanan et al., S. 52 f. 189 Franco, S. 77 f. 190 Narayanan et al., S. 65. 183

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Ein weiterer wichtiger und fester Bestandteil sind die Transaktionsgebühren, die regelmäßig mit einer Transaktion an die Miner entrichtet werden, damit diese die Transaktion bevorzugt (und somit schneller) bei der Bildung eines Blocks berücksichtigen.191 Da die aufgezeigte Transaktionsstruktur keinen eigenständigen Raum für Transaktionsgebühren bietet, werden sie mittels der Differenz zwischen der Summe der Inputs und der Summe der Outputs in die Transaktion implementiert.192 Auch aus diesem Grund ist eine Rückübertragung des überschüssigen UTXOs (mittels einer Change Address) notwendig, da diese überschüssige Differenz sonst automatisch als Transaktionsgebühr definiert wird.193 c) Ablauf einer Transaktion Soll eine Transaktion nun versendet werden, wird diese nach dem soeben vorgestellten Schema erstellt und im Anschluss vom Versender, also die Adresse, die dem jeweiligen öffentlichen Schlüssel entspricht, digital signiert.194 Diese Signatur wird mit Hilfe des zum öffentlichen Schlüssel gehörenden privaten Schlüssel erstellt und im Anschluss wird die signierte Transaktion an das Bitcoin-Netzwerk übersendet, damit das Netzwerk die Transaktion verifizieren kann.195 Wie schon unter Kap. 2 B. II. 6. c) erläutert, ermöglicht diese erstellte digitale Signatur dem Netzwerk zu verifizieren, dass die Transaktion vom Inhaber des dazugehörenden privaten Schlüssels veranlasst und autorisiert worden ist, ohne dass Kenntnis von dem privaten Schlüssel notwendig ist. Neben der Notwendigkeit der richtigen Signatur erfordert eine Transaktion für ihre Gültigkeit, dass die Summe der Inputs mindestens gleich groß wie die Summe des oder der Outputs sein muss.196 Transaktionen, die nach diesen Paramatern ungültig sind, werden vom Netzwerk ignoriert, während gültige Transaktionen Teil des Transaktionspools werden und somit für den Blockbildungsprozess zur Verfügung stehen.197 2. Vergleich zu anderen Kryptowährungen Die vorliegende Arbeit verfolgt vor allem auch den Gedanken, dass Rückschlüsse für Blockchain-basierte Kryptowährungen hinsichtlich ihrer Einzel- und Gesamtvollstreckbarkeit gezogen werden sollten, weshalb in einem weiteren Punkt die wesentlichen Gemeinsamkeiten zu anderen, weit verbreiteten Kryptowährungs-Blockchains wie der Ethereum-Blockchain aufgezeigt werden sollen. Die 191

Antonopoulos, S. 127. Antonopoulos, S. 129. 193 Antonopoulos, S. 129. 194 Badev / Chen, S. 12. 195 Badev / Chen, S. 12. 196 Franco, S. 77. 197 Roßbach, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 4, Rn. 44. 192

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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Ethereum-Blockchain ist in dieser Hinsicht besonders bedeutsam, denn (dies sei schon jetzt erwähnt) neben der eigenen Kryptowährung namens Ether bietet die Ethereum-Blockchain die Möglichkeit, dass auf ihr weitere Token und somit auch andere Kryptowährungen implementiert werden können.198 Daher ist im nächsten Schritt (unter Wahrung der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit) zu prüfen, inwiefern sich der Aufbau und der Verlauf einer Transaktion und somit letztlich auch das Erscheinungsbild Blockchain-basierter virtueller Währungen innerhalb anderer Blockchain-basierter Währungssysteme unterscheidet. In einem weiteren Schritt ist zu fragen, ob diese Unterschiede auch zu einer anderen Bewertung führen könnten. Ziel ist es herauszufinden, ob und wie ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt von Kryptowährungen besteht, der es erlaubt, hinsichtlich der Fragestellungen dieser Arbeit generalistische Antworten über die BitcoinBlockchain hinaus für weitere Arten von virtuellen Währungen treffen zu können. a) Ethereum-Blockchain Die Ethereum-Blockchain hat viele strukturelle Gemeinsamkeiten mit der Bitcoin-Blockchain, wie die Verwendung eines Peer-to-Peer-Netzwerks, einen Konsensfindungsprozess, die Nutzung kryptografischer Verfahren wie digitaler Signaturen und Hashes sowie die Implementierung von virtuellen Währungen.199 Die einzelnen Blöcke der Ethereum-Blockchain enthalten ebenfalls den State.200 Zu dem State, also zum aktuellen Stand der Fakten, zählt das aktuelle Guthaben einer jeden Adresse in der Ethereum-Blockchain, daneben aber auch die Daten und der Code sogenannter Smart Contracts.201 Der Begriff Smart Contract wurde erstmals von Nick Szabo geprägt, der Smart Contracts als „a set of promises, specified in digital form, including protocols within which the parties perform on these promises“ definiert hat.202 Im Zusammenhang mit der Ethereum-Blockchain verstehen Antonopoulos / Wood unter diesem Begriff unveränderliche Computerprogramme, die deterministisch im Kontext der virtuellen Maschine von Ethereum als Teil des Ethereum-Netzwerkprotokolls laufen.203 Smart Contracts stellen jedoch nicht das Objekt dieser Arbeit dar, weshalb sie nur der Vollständigkeit halber für das Verständnis der weitreichenden Funktionalität der Ethereum-Blockchain erwähnt sind. 198

Blockchainwelt, ERC-20 Token Standard einfach erklärt, abrufbar unter: https://block chainwelt.de/erc20-token-ethereum-einfach-erklaert/ (zuletzt aufgerufen am 19. 9. 2020). 199 Antonopoulos / Wood, S. 1. 200 Franco, S. 199. 201 Fazekas, S. 4 f. 202 Szabo, Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets, abrufbar unter: https:// www.fon.hum.uva.nl/rob/Courses/InformationInSpeech/CDROM/Literature/LOTwinterschool 2006/szabo.best.vwh.net/smart_contracts_2.html (zuletzt aufgerufen am 24. 9. 2020). 203 Antonopoulos / Wood, S. 127.

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Das Ethereum-Netzwerk erlaubt es seinen Nutzern also, dass sie durch einen Mechanismus weitere Applikationen auf die Blockchain implementieren können.204 Die Implementierung weiterer Strukturen als Transaktionshistorien stellt also einen elementaren Unterschied zur Bitcoin-Blockchain dar. Dieser wesentliche Unterschied stellt zugleich den interessantesten Aspekt hinsichtlich der Frage nach einer effektiven Einzel- und Gesamtvollstreckung von Blockchain-basierten Kryptowährungen dar. Denn der Mechanismus gibt Nutzern die Möglichkeit, digitale Vermögenswerte, also auch weitere Kryptowährungen, auf der Ethereum-Blockchain zu implementieren.205 Für die Implementierung neuer fungibler Token in Ethereum hat sich ein eigener Standard, der ERC20 genannt wird, etabliert.206 Laut den Daten des Dienstes Etherscan wurden bereits über 300.000 verschiedene Token nach dem ERC20 Standard auf der Ethereum-­Blockchain implementiert.207 Die native Kryptowährung innerhalb der Ethereum-Blockchain ist dabei Ether (ETH) und dient als grundlegende Währung für Transaktionen.208 Der Signaturvorgang von Transaktionen in der Ethereum-Blockchain bedient sich ebenfalls des Prinzips digitaler Signaturen, welches auf dem Public-Key-Infra­ struktur-Verfahren basiert209 und wird ausschließlich durch den Inhaber des privaten Schlüssels vorgenommen.210 Auch die Struktur einer Transaktion innerhalb von Ethereum ähnelt einer Transaktion im Bitcoin-Netzwerk, da sie die Adresse des Senders, die Adresse des Empfängers oder des Smart Contracts sowie den Wert der übertragenen Einheiten enthält.211 Letztlich bestehen die Währungseinheiten innerhalb von Ethereum also auch aus einer Kette digitaler Signaturen.212 Um diese digitalen Signaturen zu erzeugen, muss der zu einer Adresse (diese werden in ­Ethereum Accounts genannt) im Ethereum-Netzwerk gehöriger privater Schlüssel verwendet werden.213 Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels konstatiert demzufolge die Verfügungsgewalt über die Mittel (also die Einheiten der Kryptowährung), die der dazugehörigen Adresse im Ethereum-Netzwerk zuzuordnen sind.214 Sie werden in Wallets aufbewahrt.215

204

Franco, S. 199. Franco, S. 200. 206 Antonopoulos / Wood, S. 227. 207 Etherscan, abrufbar unter: https://etherscan.io/tokens (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 208 Franco, S. 201. 209 Antonopoulos / Wood, S. 61. 210 Fazekas, S. 6, der hierbei von „Usern“ spricht. 211 Fazekas, S. 7. 212 Antonopoulos / Wood, S. 127, die hierbei von „Keychains“ sprechen. 213 Antonopoulos / Wood, S. 60. 214 Antonopoulos / Wood, S. 62. 215 Antonopoulos / Wood, S. 14. 205

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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b) Ripple Die Ripple-Blockchain ist ebenfalls ein Blockchain-basiertes Zahlungssystem, welches eine eigene virtuelle Währung, die XRP genannt wird, beinhaltet.216 Sie verfolgt jedoch einen anderen Ansatz zur Erreichung dieser Konzeption, was an der Architektur der Blockchain sichtbar ist. Ripple ist ein BlockchainNetzwerk, dass auf einer permissioned public Blockchain basiert und von einem Unternehmen namens Ripple Labs, verwaltet wird.217 Dieser Ansatz entfernt sich demzufolge maßgeblich von der dezentralen Idee anderer Blockchain-basierter Währungen wie beispielsweise Bitcoin. Das Blockchain-Netzwerk und die implementierte Kryptowährung XRP sind auf den Währungsaustausch innerhalb des Netzwerks optimiert.218 Jedoch ist XRP die einzige native virtuelle Währung, während andere Währungen Schuldtitel sind, die in Form von Guthaben auf die Ripple-Blockchain aufgenommen werden.219 Aus diesen Gründen wird Ripple auch von Banken genutzt, welche sie als Grundlage für ihre Abwicklungsinfrastruktur nutzen.220 Jedoch besteht auch innerhalb dieses Netzwerks die Gemeinsamkeit, dass Nutzer (User genannt) ein kryptografisches Schlüsselpaar in Form eines öffentlichen und eines privaten Schlüssels benötigen, um eine Transaktion mittels eines krypto­ grafischen Verfahrens signieren zu können, welche dann XRP oder eine andere Währung als Transaktionsgegenstand beinhaltet.221 Eine digitale Signatur autorisiert eine Transaktion und wird mittels des privaten Schlüssels erstellt, während der öffentliche Schlüssel für die Validierung der Transaktion innerhalb des Netzwerks verwendet wird.222 c) Das Public-Key-Infrastruktur-Verfahren als wesentliche Gemeinsamkeit von Kryptowährungen Der systematische Vergleich verschiedener Blockchain-basierter virtueller Währungen zeigt, dass die Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten stark divergieren können. Die wesentliche Gemeinsamkeit ist aber stets die Anwendung von Public-­ Key-Infrastruktur-Verfahren und das daraus folgende Erfordernis der Bildung von digitalen Signaturen für die Authentifizierung von Transaktionen innerhalb 216

Chase / MacBrough, S. 1. Armknecht et al., S. 2. 218 Armknecht et al., S. 1. 219 Jani, S. 4. 220 Jani, S. 1. 221 Armknecht et al., S. 3. 222 XRP Ledger, Cryptographic Keys, abrufbar unter: https://xrpl.org/cryptographic-keys. html#main_content_wrapper (zuletzt aufgerufen am 25. 9. 2020). 217

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

des jeweiligen Blockchain-Netzwerks. Hierfür ist stets die Inhaberschaft des zur Adresse innerhalb des Netzwerks gehörigen privaten Schlüssels nötig. Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels statuiert demzufolge netzwerkübergreifend die Verfügungsgewalt über die Einheiten einer Kryptowährung, die der Adresse zur Verfügung stehen, um Transaktionen zu generieren. 3. Wallets als Aufbewahrungsort Aus praktischer Sicht kommt der Aufbewahrungsumgebung der jeweiligen Zugangsdaten ein bedeutsamer Aspekt bei einer Transaktion zu. Denn je nach Art und Weise der Aufbewahrung des privaten Schlüssels, die meist digital, aber auch physisch oder theoretisch auch rein kognitiv erfolgen kann, unterscheidet sich auch die praktische Veranlassung des beschriebenen Transaktionsvorgangs. Dabei haben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten der Schlüsselaufbewahrung entwickelt,223 welche vor allem auch Auswirkungen auf die Frage der faktischen Greifbarkeit innerhalb der Vollstreckung oder der Verwertung haben können. Für diese Aufbewahrungsformen hat sich der Begriff des Wallets etabliert. Unter dem Begriff ist aus technischer Sicht die Datenstruktur (das Programm) zu verstehen, die für die Verwaltung der Schlüsselpaare benutzt wird.224 Dabei enthalten die Wallets niemals Einheiten einer Kryptowährung, sondern nur Schlüsselpaare.225 a) Web-Wallet Eine Web-Wallet ist ein Verwahrdienst, bei dem die jeweiligen Informationen in einer Online-Cloud des jeweiligen Wallet-Anbieters gespeichert werden und durch ein Web-Interface oder eine App auf einem Smartphone abgerufen werden können.226 Beliebte Beispiele hierfür sind beispielsweise die Dienste von Blockchain.com227 oder Coinbase228. Dabei wird die Form des Web-Wallets auch auf Kryptohandelsplattformen angeboten, sodass die Account-Inhaber direkt innerhalb eines Dienstes Blockchain-basierte virtuelle Währungen erwerben und verwalten können.229

223

Bonneau et al., S. 112. Antonopoulos, S. 93. 225 Antonopoulos, S. 93. 226 Narayanan et al., S. 88. 227 Blockchain.com, abrufbar unter: https://www.blockchain.com/de/wallet (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 228 Coinbase, abrufbar unter: https://wallet.coinbase.com/ (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 229 Ein Beispiel hierfür ist Coinbase.com, https://www.coinbase.com/about (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 224

A. Funktionsweise Blockchain-basierter Kryptowährungen

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Hierbei sind die Keys, also die privaten Schlüssel, bei dem Anbieter des WebWallets hinterlegt, sodass dieser die Zugriffsmöglichkeit zu den Schlüsseln hat.230 Die Schlüssel können zwar durch den Anbieter selbst verschlüsselt werden, sodass sie nur mittels eines Passworts zugänglich sind, wobei dieser Sicherheitsaspekt in den Händen des Anbieters liegt231 und nichts an der Tatsache ändert, dass die Schlüssel als solche dennoch auf dem Server des Anbieters hinterlegt sind. b) Account bei einer Kryptohandelsplattform (Crypto Exchange) Den wohl größten Marktanteil bei der Verschaffung von Blockchain-basierten virtuellen Währungen nehmen wohl Kryptohandelsplattformen ein. Kryptohandelsplattformen sind Handelsmärkte für eine Vielzahl von verschiedenen Krypto­ währungen. Bekannte Anbieter sind beispielsweise Binance232, Kraken233 oder auch die in Deutschland ansässige Plattform Bitcoin.de234. Vor allem in Hinblick auf die Frage der Einzel- und Gesamtvollstreckbarkeit ist das genaue Funktionsmodell von Kryptohandelsplattformen von Bedeutung. Nach Narayanan et al. funktionieren diese Plattformen nach dem Prinzip einer traditionellen Bank.235 Insoweit ein registrierter Nutzer mittels seines Accounts Einheiten einer Blockchain-basierten virtuellen Währung (entweder gegen Fiat-Geld oder im Tausch gegen eine andere Kryptowährung) auf der Kryptohandelsplattform erwirbt, wird keine Transaktion innerhalb des jeweiligen Blockchain-Netzwerks zu seiner dortigen Adresse veranlasst, sondern er erhält vielmehr das Versprechen seitens der Plattform, dass der Nutzer einen Anspruch in Höhe der erworbenen Einheiten gegen die Kryptohandelsplattform erhält.236 Typischerweise geschieht der Kauf von virtuellen Währungen gegen Fiat-Währung dadurch, dass die Plattform den Nutzer als Käufer mit einem weiteren Nutzer als Verkäufer (also beispielsweise jemanden, der Bitcoins für Dollar kaufen und jemanden, der Bitcoins gegen Dollar verkaufen will) zusammenführt und die Positionen in der jeweiligen Höhe tauscht, wodurch sich letztlich nur das Versprechen der Plattform an die beiden Nutzer ändert.237 Dies bedeutet, dass keine Mehrung des verfügbaren UTXOs der Adresse im einschlägigen Blockchain-Netzwerk stattfindet, zu dem der Nutzer den privaten Schlüssel verfügt. Vielmehr handelt es sich um eine rechtliche Anspruchsgewährung, dessen Charakter zu untersuchen ist. 230

Narayanan et al., S. 88. Narayanan et al., S. 88. 232 Binance, abrufbar unter: https://www.binance.com/ (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 233 Kraken, abrufbar unter: https://www.kraken.com/ (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 234 Bitcoin.de, abrufbar unter: https://www.bitcoin.de/ (zuletzt aufgerufen am 22. 9. 2020). 235 Narayanan et al., S. 88. 236 Narayanan et al., S. 88 f. 237 Narayanan et al., S. 89. 231

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c) Software-Wallet Software-Wallets sind eigenständige Programme, die nach ihrer Installation (ähnlich wie ein Online-Wallet) ein Schlüsselpaar innerhalb der jeweiligen Blockchain generieren und diese für den Nutzer verwahren, wobei ihm regelmäßig nur die generierte Adresse, jedoch nicht der dazugehörige private Schlüssel angezeigt wird.238 Der Zugang zu der Software wird oftmals durch ein Passwort oder durch eine Zwei-Faktor-Autorisierung gesichert.239 Dabei wird der private Schlüssel mit Hilfe des verwendeten Passworts verschlüsselt und nur für den Signiervorgang temporär entschlüsselt.240 Des Weiteren ermöglicht die Software-Wallet die Interaktion mit dem Blockchain-Netzwerk, in dem Transaktionen ermöglicht werden und der einer Adresse zustehende UTXO als Guthaben visualisiert wird.241 Sie kann auch als Full-Node betrieben werden (beispielsweise mittels der Bitcoin Core Wallet, sodass ein vollständiger Download der jeweiligen Blockchain erfolgt und eine Validierung der Transaktionen stattfindet).242 d) Offline-Wallet Da die Verwendung von Wallets, die Internetzugang benötigen, immer mit Sicherheitsrisiken verbunden ist, gibt es vermehrt die Möglichkeit, die Schlüssel auf einer sog. Offline-Wallet zu speichern, die nicht über das Internet zugänglich ist (auch Cold Storage genannt).243 Um eine Transaktion (die letztlich mittels einer Software oder einem OnlineDienst getätigt wird) zu signieren, muss der dazugehörige private Schlüssel der hierfür verwendeten Software (beispielsweise durch Eingabe) zugeführt werden.244 Hierfür wird der private Schlüssel entweder auf einen externen Datenträger kopiert, auf einem Blatt Papier notiert oder ein QR-Code generiert, der wiederum auf einem physischen Träger abgebildet wird (sog. Paper-Wallet).245 Eine weitere Möglichkeit ist es, ein extra für die Verwahrung von kryptografischen Schlüsseln konzipiertes Gerät zu verwenden, welches ausschließlich den privaten Schlüssel speichert, während die Adresse auf einer dazugehörigen Software hinterlegt ist, die eine Transaktion für den Signaturvorgang an dieses Gerät sendet, 238

Franco, S. 124. Bonneau et al., S. 113. 240 Franco, S. 123 f. 241 Franco, S. 123 f. 242 Beispielsweise mit der Bitcoin Core Wallet, abrufbar unter: https://bitcoin.org/de/wallets/ desktop/windows/bitcoincore/ (zuletzt aufgerufen am 23. 9. 2020). 243 Franco, S. 127. 244 Franco, S. 127. 245 Bonneau et al., S. 113. 239

B. Begriffsdefinition von Blockchain-basierten virtuellen Währungen 

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sodass der private Schlüssel dieses nie verlässt (Hardware-Wallet).246 Letztlich ist es auch theoretisch denkbar, dass der private Schlüssel auswendig gelernt wird, was aufgrund der Komplexität und Länge aber wenig praktikabel ist.

B. Begriffsdefinition von Blockchain-basierten virtuellen Währungen (Kryptowährungen) als intrinsische Vermögenswerte Bisher war die Funktionsweise der Blockchain-Technologie als technische Basis Blockchain-basierter Kryptowährungen Betrachtungsgegenstand dieser Arbeit. Ein Verständnis für diese Technologie ist evident wichtig für ein Verständnis der rechtlichen Anknüpfungspunkte und für die Ermittlung gegebenenfalls bedeutsamer Rechtsbeziehungen, welche immanent für die Fragestellungen dieser Arbeit sind. In einem nächsten Schritt soll das Verständnis des Begriffes der (Blockchain-­ basierten) Kryptowährungen oder virtuellen Währungen erläutert werden. Denn die Definitionsbildung für Blockchain-basierte virtuelle Währungen wird von gleich mehreren Herausforderungen bestimmt. Zunächst unterliegt die Ausbildung der Blockchain-Technologie aufgrund ihres disruptiven Charakters verschiedenen technologischen und auch wirtschaftlichen Impulsen. Sie hat nach Wright und De Filippi das Potenzial, bestehende zentralistische Systeme als bisher bedeutendste Form ökonomischer und regulatorischer Akteure der Gesellschaft zu ersetzen und reicht daher weit über den Finanzsektor hinaus.247 Gleichzeitig sind diese Entwicklungen nicht zentral gesteuert, sondern unterliegen einer dezentralen Governance, sodass lediglich eine nachträgliche Bewertung und Systematisierung erfolgen kann. Es haben sich daher eine Vielzahl von Blockchain-Applikationen entwickelt, die verschiedenartige Inhalte, die auch von wirtschaftlichem Wert sein können, implementieren. Dabei dient die anarchistische Grundidee der Blockchain-Technologie, die erstmals im großen Stil mit der Einführung der Bitcoin-Blockchain verfolgt wurde und eine dezentrale Alternative zum zentralen, bankengesteuerten Zahlungs- und Finanzsystem schaffen wollte, mehr und mehr dem Einsatz und der Verfolgung kapitalistischer Interessen. Die Vielzahl der Verwendungsfelder macht eine Systematisierung der wirtschaftlich bedeutsamen Anwendungsformen gefolgt von einer Abgrenzung des Anwendungsbereichs Blockchain-basierter Zahlungsmittel notwendig. In Deutschland findet eine solche Systematisierung verschiedener Blockchain-basierter Vermögenswerte zunehmend innerhalb des Diskurses über sogenannte Initial Coin Offerings (ICO) statt. Ein ICO bezweckt, ähnlich wie ein Initial Public Offering (IPO), die Kapitalbeschaffung, wobei der wesentliche Unterschied ist, dass bei 246 247

Franco, S. 130. Wright / De Filippi, S. 2.

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Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

einem ICO nicht die Aktien eines Unternehmens, sondern Token zum Kauf angeboten werden.248 Nach Antonopoulos / Wood kann man unter dem Begriff Token im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie Blockchain-basierte Abstraktionen verstehen, die einer Person gehören und die Vermögenswerte, Währungen oder Zugriffsrechte abbilden können.249 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) definiert Token als eine digitalisierte Form von Vermögenswerten, denen eine bestimmte Funktion oder ein bestimmter Wert zugesprochen wird,250 und folgt diesem Ansatz daher weitestgehend. Dabei ist festzustellen, dass die bei einem Initial Coin Offering angebotenen Token keine standardisierte Form aufweisen, sondern eine Vielzahl von Rechten, Werten oder Zugangsberechtigungen verkörpern können.251 Hierbei hat sich eine Systematisierung nach drei verschiedenen Typen, die Investment-, Utility- und Currency-Token genannt werden, entwickelt.252

I. Investment-Token Dieser Systematisierung zufolge weisen Investment-Token (auch Security-, Asset- oder Equity-Token genannt) eine wertpapierähnliche Funktion in der Weise auf, dass ihren Inhabern vermögenswerte Rechte oder Ansprüche zustehen, die denen eines Aktieninhabers oder Inhabers eines Schuldtitels ähneln.253

II. Utility-Token Diese Art von Token wird auch App-Token oder Nutzungs-Token genannt und gewähren dem Inhaber den Zugriff auf bestimmte Dienstleistungen oder Produkte.254 Oft werden diese Art von Rechten mittels eines Smart Contracts auf der Ethereum-­Blockchain erzeugt.255 248

van Aubel, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 20, Rn. 20.3. 249 Antonopoulos / Wood, S. 221. 250 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin Journal, Ausgabe April 2019, S. 8. 251 Klöhn et al., ZBB 2018, 89, 92; Van Aubel, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 20, Rn. 20.26. 252 Anlehnend an der funktionalen Systematisierung nach Hacker / T homale, S. 12; Dieser Systematisierung folgt auch die BaFin, siehe BaFin, Merkblatt (WA)  – WA 51-Wp 7100– 2019/0011, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, S. 5 f. 253 BaFin, Merkblatt (WA) – WA 51-Wp 7100–2019/0011, Zweites Hinweisschreiben zu Prospektund Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, S. 6. 254 BaFin, Merkblatt (WA) – WA 51-Wp 7100–2019/0011, Zweites Hinweisschreiben zu Prospektund Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, S. 5. 255 Rohr / Wright, Hastings Law Journal, Vol. 70, Iss. 2, 463 (474).

B. Begriffsdefinition von Blockchain-basierten virtuellen Währungen 

57

III. Currency-Token als Kryptowährungen In Abgrenzung zu den genannten Token-Arten bezwecken Currency-Token die Nutzung der Blockchain-basierten Token als (alternatives) Zahlungsmittel.256 Diese Art von Token haben demzufolge die Bestimmung, als Währungsform die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen außerhalb der Blockchain zu ermöglichen.257 Diese Art von Token sind der Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, weshalb sie anhand ihres funktionalen Zwecks von Security- und Utility-Token unterschieden werden müssen. Gemeinsam haben diese Arten jedoch, dass sie sich letztlich nicht in ihrer technischen Implementierung unterscheiden, da sie Einträge (Datensätze) innerhalb einer Blockchain sind.

IV. Voraussetzung zur Einordnung als Kryptowährung im Sinne dieser Arbeit Token können mehrere der aufgezeigten Arten verkörpern und daher Mischformen darstellen,258 weshalb eine klare Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes erfolgen muss. Aus dem soeben Gesagten ist zu schlussfolgern, dass unter die Begriffe Kryptowährung sowie virtuelle Währung Blockchain-basierte Einträge von Transaktionen fallen, denen nach ihrem funktionalen Zweck eine (ideelle) Funktion als Zahlungsmittel außerhalb der Blockchain-Applikation zukommen soll. Sie repräsentieren digitale (Vermögens-)Werte, die auf der Blockchain enthalten sind und spiegeln keinen außerhalb der Blockchain bestehenden Gegenstand oder außerhalb der Blockchain existierendes Recht, sodass sie intrinsische Vermögenswerte bilden, bei denen die Verfügungsgewalt über den dazugehörigen privaten Schlüssel die Inhaberschaft über den Vermögenswert bedeutet.259 Die ihnen zugrundeliegende Blockchain-Applikation weist keinen einzelnen (zentralen) Node oder ein kleines Konsortium an Nodes auf, die gegebenenfalls als Emittent in Betracht kommen. Sie bilden demzufolge intrinsische Vermögenswerte. Teilweise wird dieser Einordnung als intrinsischer Vermögenswert mit der Begründung widersprochen, dass dieser Art von Kryptowährungen lediglich ein bestimmter Tauschwert zugesprochen werden kann.260 Richtigerweise verkörpern solche Kryptowährungen aber selbst eine ökonomisch wertvolle Kryptowährungseinheit ohne gleichzeitig einen Anspruch auf eine 256

BaFin, Merkblatt (WA) – WA 51-Wp 7100–2019/0011, Zweites Hinweisschreiben zu Prospektund Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, S. 6. 257 Hacker / T homale, S. 12. 258 Antonopoulos / Wood, S. 222. 259 Antonopoulos / Wood, S. 224. 260 Etwa Thiele et al., ifo Schnelldienst 2017, Vol. 70, Iss. 22, 3 (4).

58

Kap. 2: Einführung in die Blockchain-Technologie 

Rückzahlung in anderen Vermögensverkörperungen wie staatlichen Währungen oder Gegenständen wie beispielsweise Gold einzuräumen.261 Sie stellen daher einen nur innerhalb der Blockchain existierenden Vermögenswert dar.262 Dieser Art von Blockchain-basierten Kryptowährungen wird demzufolge aufgrund ihrer bloßen Existenz ein wirtschaftlicher Wert zugemessen, weshalb sie für sich genommen werthaltig sind.263 Intrinsische sind demzufolge von extrinsischen (Vermögens-)Werten oder Rechten wie beispielsweise Utility- oder Security-Token abzugrenzen, die (lediglich auch) durch einen Eintrag auf der Blockchain repräsentiert werden.264 Sie sind demzufolge nicht neue und eigenständige Vermögenswerte, sondern stellen vielmehr lediglich ein Blockchain-basiertes digitales Abbild eines realen und außerhalb der Blockchain existierenden Wertgegenstandes dar.265 Solche Werte sind beispielsweise elektronische Wertpapiere, wie sie das eWpG in Deutschland für bestimmte Formen eingeführt hat.266 Durch sie soll kein rein intrinsisches Recht neu erschaffen werden, sondern aufgrund praktischer Bedürfnisse lediglich das bisherige Erfordernis einer Urkunde durch Begebung mittels eines elektronischen oder Blockchain-basierten Eintrags ersetzt werden.267 Der Anwendungsbereich des eWpG ist zudem (vgl. § 1 eWpG) begrenzt, sodass das Urkundenerfordernis weiterhin oftmals bestehen wird.

V. Verständnis des Begriffs der Kryptowährung Vor dem Hintergrund der soeben getätigten Erläuterungen sollen die Begriffe (Blockchain-basierte) Kryptowährung und virtuelle Währung als digitale Vermögenswerte in Form von Token verstanden werden, welche auf einem dezentralen Ansatz der Blockchain-Technologie beruhen. Sie unterliegen daher keiner Verwaltung durch einen übergeordneten Intermediär, weshalb es innerhalb des Netzwerks auch keinen Emittenten gibt. Weiterhin spiegeln sie kein außerhalb der Blockchain existierendes Recht oder einen Vermögensgegenstand wider, sondern sind für sich genommen werthaltig und lediglich auf der Blockchain existent, weshalb sie neue intrinsische Vermögenswerte darstellen.

261

Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 31. Wendehorst, IPRax 2020, 490 (494). 263 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 30. 264 Antonopoulos / Wood, S. 224. 265 Saive, K&R 2018, 615 (617). 266 Zum eWpG genauer unter Kap. 4 C. I. 1. b) bb) (3) (b). 267 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 1. 262

3. Kapitel

Methodik A. Ökonomische Analyse des Rechts Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Bestimmung einer effektiven Einzel- und Gesamtvollstreckung von Kryptowährungen unter der Betrachtung der realökonomischen Gegebenheiten des Marktes für Blockchain-basierte Kryptowährungen. Im Folgenden sollen die Vorteile einer rechtsökonomischen Betrachtung für die Ziele dieser Arbeit vorgestellt werden. Des Weiteren werden die Grundlagen für die im Laufe der Arbeit verwendeten Überlegungen erarbeitet. Es soll jedoch keine lehrbuchhafte Wiedergabe allgemeiner Grundzüge der ökonomischen Analyse des Rechts vorgenommen werden. Hierfür ist vielmehr auf die Standard­ literatur zu verweisen.1

I. Das Marktgeschehen als wesentlicher Bezugspunkt der Betrachtung Allgemein wird innerhalb der vielseitigen Diskussionen über die rechtliche Behandlung der Blockchain-Technologie ein wesentlicher Aspekt vernachlässigt. Seit der Veröffentlichung des Bitcoin-Whitepapers durch Satoshi Nakamoto im Jahr 2008 hat sich ein neuer und eigenständiger Wirtschaftsmarkt gebildet, welcher maßgeblich vom Währungshandel der Blockchain-basierten Kryptowährungen ausgeht (Kryptomarkt). Es haben sich Unternehmen gebildet, welche sich ausschließlich auf diesen Markt spezialisiert haben, während Privatpersonen wie auch professionelle Anleger Einheiten von Kryptowährungen als Wertanlage und Spekulationsobjekt halten. Jede rechtliche Erfassung von Kryptowährungen, welche von der bisherigen Rechtslage abweicht und damit diese Unternehmen und Individuen betrifft, hat demzufolge Auswirkungen auf sie und auf ihr Marktverhalten. Daher können diese Markteffekte nicht ignoriert, sondern müssen vielmehr bei der Ergebnisfindung beachtet werden. Es genügt nicht, nur abstrakt die Rechtskonformität einer Norm zu prüfen, sondern es muss vielmehr darüber hinaus auch eine Folgenabschätzung und Ziel­ bestimmung erfolgen.2 Diese Arbeit hat es sich daher zum Ziel gemacht, dass nicht 1

Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts; Towfigh / Petersen, Ökonomische Methoden im Recht. 2 Möllers, Juristische Methodenlehre, § 5, Rn. 122.

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Kap. 3: Methodik

nur abstrakte Rechtsuntersuchungen durchgeführt werden sollen, sondern immer ein Blick auf die realwirtschaftlichen Auswirkungen auf den Kryptomarkt besteht, insoweit von ihnen auszugehen ist. Die ökonomische Analyse des Rechts kommt diesem Bestreben entgegen. Sie untersucht, welche Handlungsmöglichkeit die Individuen eines Marktes innerhalb eines von verschiedenen Faktoren definierten Handlungsfelds wählen.3 Das Recht ist dabei eines der wesentlichen Faktoren, die das Handlungsfeld bestimmten.4 Insofern rechtliche Regelungen von den betroffenen Individuen beachtet werden müssen, kann die jeweilige Auswirkung einer rechtlichen Regelung auf die Verhaltensweisen untersucht werden.5 Die ökonomische Analyse des Rechts geht – vereinfacht gesagt – davon aus, dass Individuen nach dem Leitbild des homo oeconomicus reagieren, weshalb die Bewertung der in Wirklichkeit ausgelösten Folgen von Normen und Entscheidungen auf der Grundlage der Wohlfahrtsökonomik zu erfolgen hat.6 Daher ist es die Aufgabe aller Institutionen eines Rechtssystems, solche Entscheidungen zu treffen, die den gesellschaftlichen Wohlstand (vorzugsweise) erhöhen, da effiziente Folgen von Rechtsnormen und gerichtlichen Entscheidungen solch eine Wirkung entfalten.7 Hinsichtlich der Frage, wann die Rechtssetzung in bestehende Märkte eingreifen soll, hat die Rechtsökonomik ebenfalls eine Schlussfolgerung, die auf den anzunehmenden Effizienzauswirkungen basiert. Das Recht soll nur dann lösend in die Marktprozesse eingreifen, wenn Märkte derart versagen, dass keine Austauschprozesse mehr möglich sind.8 Die Methodik der ökonomischen Analyse eignet sich also ideal für den gewünschten Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit.

II. Rechtsökonomische Ansätze der Insolvenzordnung und Zivilprozessordnung Die ökonomische Analyse des Rechts eignet sich weiterhin im besonderen Maße für das methodische Fundament dieser Arbeit, weil vor allem das deutsche Insolvenzrecht die Besonderheit aufweist, dass es offen auf dem theoretischen Fundament einer Doktrin basiert, die allein mit Hilfe der Methodik der ökonomischen Analyse des Rechts das Insolvenzrecht zu definieren versucht.9 Rechtsökono­ mische Überlegungen sind hier also zwingend.

3

Kirchgässner, S. 13 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 3. Kirchgässner, S. 134 ff.; Kirchner, S. 7; Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 3. 5 Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 3. 6 Eidenmüller, S. 4. 7 Eidenmüller, S. 4; Kirstein, S. 4. 8 Eidenmüller, S. 66; Schäfer / Ott, S. 421. 9 Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 22. 4

A. Ökonomische Analyse des Rechts 

61

Auch das Zwangsvollstreckungsrecht weist rechtsökonomische Aspekte auf. Zweck der Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung und Sicherung von privatrechtlichen Ansprüchen.10 Diese zugrundeliegenden Rechte sind, etwa durch das Erkenntnisverfahren, bereits festgestellt und erzwingbar gemacht worden.11 Dem Zwangsvollstreckungsrecht geht es daher um die staatliche Durchsetzung von privatrechtlichen Handlungsbefugnissen, da das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Die Durchsetzung mit Hilfe der Zwangsvollstreckung bezweckt daher eine Güterumverteilung ohne Gegenkompensation von Vermögenswerten des Vollstreckungsschuldners zum Vollstreckungsgläubiger. Das wird mit Blick auf das Verfahrensziel deutlich, welches die Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers ist.12 Wenn also ein rechtlicher Zustand besteht, in dem gerichtlich festgestellte Ansprüche bestehen, diese aber bei bestimmten Vermögenswerten nicht durchgesetzt werden können, kann nicht von einer Allokationseffizienz ausgegangen werden.13 Insoweit sind die Normen der ZPO der Bewertung anhand der Allokationseffizienz zugänglich. Einer solchen Lücke kann ebenfalls verhaltenssteuernde Wirkung zukommen, wenn anzunehmen sein sollte, dass die Individuen einen solchen vollstreckungsfreien Raum ausnutzen. Die verhaltenssteuernde Wirkung ist bei den Normen der Rechtsdurchsetzung von Bedeutung, da die Rechtsdurchsetzung auf der Beeinflussung der Erwartungen der Betroffenen über die jeweiligen Vor- und Nachteile ihres Handelns beruht.14

III. Verhaltensmodell und Verhaltenssteuerung Das grundlegende Verhaltensmodell der Rechtsökonomie ist der sog. homo ­oeconomicus, welchem die Prämissen des Eigennutzentheorems und die Annahme rationalen Verhaltens zugrunde gelegt werden.15 Dieses konkrete Modell ist jedoch seither Kritik ausgesetzt, vor allem deshalb, weil es etwa nach Fezer „ideologische Vorgaben an die Inhalte von Rationalität und Individualismus im mikroökonomischen Modell einer vorgestellten Welt“ macht.16 Auch wird dem methodologischen Individualismus vorgehalten, dass dieser von der realitätsfernen Annahme ausgeht, dass ein Individuum überhaupt die in Betracht kommenden Handlungsalternativen vollumfassend abwägen kann, da ihm alle notwendigen Informationen hierzu bekannt sind.17 10

Götz, in: MüKoZPO, § 704 ZPO, Rn. 1; Lackmann, in: Musielak / Voit ZPO, § 704 ZPO, Rn. 1. 11 Götz, in: MüKoZPO, § 704 ZPO, Rn. 1. 12 Seibel, in: Zöller ZPO, Vorb. zu §§ 704–945b ZPO, Rn. 1. 13 Vgl. Schäfer / Ott, S. 26. 14 Adams, S. 19. 15 Janson, S. 24. 16 Fezer, JZ 1986, 817 (819). 17 Kirchgässner, S. 27; Schäfer / Ott, S. 65.

62

Kap. 3: Methodik

Es hat sich aber kein anderes Modell durchgesetzt, welches für die (wirtschaftliche) Betrachtung der Verhaltensweisen von Individuen besser geeignet ist.18 Vielmehr ist der homo oeconomicus kein Menschenbild im Sinne der Philosophie oder Theologie, sondern ein Verhaltensmodell, welches für die (positive) Folgenanalyse bestimmter Situationen angepasst ist.19 Die Kritikpunkte am Verhaltensmodell sind bei den innerhalb dieser Arbeit zu betrachtenden Verhaltensweisen der Individuen nicht durchschlagskräftig, da das Modell die Grundlage für eine Folgenbetrachtung der gesetzlichen Wirkungen darstellen soll, was aufgrund des abstrakt-generellen Charakters nur anhand generalisierter Verhaltensmuster realisierbar ist. Vielmehr ist eine Vereinfachung komplexer menschlicher Verhaltensweisen notwendig, um die zu betrachtenden Verhaltensmuster prognostizierbar zu machen.20 1. Annahmen für ein konkretes ökonomisches Verhaltensmodell Bei der Frage nach den Wirkungen von Rechtsnormen wird den Individuen durch die Rechtsökonomie unterstellt, dass sie ihrem eigenen Nutzen folgen und sich nicht von Moral oder Pflichtbewusstsein lenken lassen.21 Die Annahme der Knappheit der vorhandenen Ressourcen führt demzufolge zu dem Konflikt, dass die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung limitiert sind, wohingegen die individuellen Bedürfnisse keine Begrenzung aufweisen.22 Die Annahme von der Güterknappheit ist bei den innerhalb dieser Arbeit zu betrachtenden Vermögensgüter realitätsnah. Die Vermögensressourcen des Zwangsvollstreckungsschuldners sind ebenso begrenzt wie die Insolvenzmasse. Vor allem im Rahmen der Insolvenz ist aufgrund der Schuldnermehrheit davon auszugehen, dass ein besonders starkes Konkurrenzverhältnis zwischen den Insolvenzgläubigern um diese begrenzte Ressource herrscht. Insoweit geht die ökonomische Analyse des Rechts davon aus, dass die Individuen auf gesetzgeberisch und gerichtlich festgelegte Regeln rational und in dem Sinne eigennützig reagieren, dass sie sich nutzenmaximierend verhalten.23 Für die Fragen dieser Arbeit ist daraus zu schlussfolgern, dass die Individuen die Möglichkeiten zur Häufung und Sicherung von Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung wahrnehmen, wenn Gesetzeslage und gerichtliche Praxis dies zulassen, sofern dies auch ihrer Präferenzlage und ihrem Rationalverhalten entspricht. Nachfolgend soll daher zunächst die Präferenzlage, also die Motivation der betroffenen Individuen nach dem Verhaltensmodell des homo oeconomicus, sowie das daraus abzuleitende Referenzverhalten dargelegt werden. 18

Seip, S. 119. Eidenmüller, S. 39; Kirchgässner, S. 12. 20 Schäfer, S. 6. 21 Schäfer / Ott, S. 3. 22 Schäfer / Ott, S. 57; Towfigh / Petersen, S. 24. 23 Eidenmüller, S. 28 ff. 19

A. Ökonomische Analyse des Rechts 

63

a) Präferenzlage Die Wirtschaftswissenschaft unterstellt innerhalb ihrer Anwendungsbereiche also die Knappheit von Ressourcen zur Bedürfnisbefriedigung, wohingegen die Bedürfnisse der einzelnen Individuen, welche mit Hilfe der jeweiligen Ressourcen befriedigt werden können, keine Begrenzung aufweisen.24 Die Ausgaben zur Bedürfnisbefriedigung, die beispielsweise durch den Kauf von Konsumgütern entstehen, werden etwa durch das individuelle Einkommen, also das eigene Vermögen, begrenzt.25 Dem Individuum könnte daher unterstellt werden, dass es diese Ressource ansammeln oder zumindest bestmöglich absichern möchte, um seine Bedürfnisse optimal befriedigen zu können.26 Diese Unterstellung ist mit Bezug auf die Thematik dieser Arbeit zu überprüfen. Insoweit dem Individuum die Möglichkeit eingeräumt wird, dass es einen drohenden Vermögensverlust durch eine Umdisponierung oder Verschleierung des Vermögens verhindern und dadurch wirtschaftliche Vorteile für sich generieren kann, ist aufgrund der Annahme des Rationalverhaltens und des Eigeninteresses (REM-Hypothese) davon auszugehen,27 dass ein Individuum diesen Vorteil ergreifen wird, insoweit diese Handlungsalternative in der konkreten Handlungssituation als nutzenmaximierend betrachtet werden kann.28 Dies hängt neben der Frage, ob es im konkreten Fall Handlungsrestriktionen gibt, vor allem maßgeblich davon ab, wie die Präferenzen des Individuums im ökonomischen Verhaltensmodell gelagert sind,29 weshalb die konkreten Präferenzen zu erörtern sind. Vorliegend geht es um die Frage, wie die Präferenzen der Individuen innerhalb des Modells ausgestaltet sind, denen sich die Möglichkeit einer Vermögenssicherung vor dem Zugriff der Einzel- und Gesamtvollstreckung bietet. Diese Möglichkeit kann sich bieten, weil das Recht einen Freiraum gewährt oder keine Sanktionen an ein solches Handeln anknüpft. Kann der Vollstreckungsschuldner sein der Vollstreckung offenliegendes Vermögen dadurch entziehen, dass er es derart umwandelt, sodass eine Vollstreckung nicht mehr möglich oder zumindest nicht erfolgsversprechend erscheint, so stellt das für ihn eine Vermögensmaximierung dar. Diesen Vorteil wird der Zwangsvollstreckungsschuldner also nutzen, solange es keine ausreichenden Restriktionen gibt. Dem Insolvenzschuldner wird hingegen unterstellt, dass er sein restliches Vermögen vor dem Zugriff der Insolvenzgläubiger bewahren will.30 Dieser Unterstellung ist aufgrund der REM-Hypothese zu folgen. Jedoch kann nicht nur eine 24

Schäfer / Ott, S. 57. Schäfer / Ott, S. 57. 26 So im Rahmen der Zwangsvollstreckung Badstuber, DGVZ 2019, 246 (250); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (516); Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 27 Schäfer / Ott, S. 58. 28 Eidenmüller, S. 31. 29 Eidenmüller, S. 31; Towfigh / Petersen, S. 33 f. 30 Vgl. Stephan, in: MüKoInsO, § 97 InsO, Rn. 1. 25

64

Kap. 3: Methodik

erfolgreiche Verschleierung von Teilen des Restvermögens zu einer Nutzenmaximierung führen. Eine Nutzenmaximierung stellt auch die Tatsache dar, dass der Vollstreckungsschuldner Vereinbarungen, die Ansprüche gegen ihn begründen und daher sein Restvermögen betreffen, schlicht nicht mehr einhalten kann. Aufgrund des Insolvenzfalls müssen die betreffenden Gläubiger dann auf Befriedigung aus dem Masseerlös hoffen, obwohl sie ggf. zur Aussonderung berechtigende Ansprüche haben. Dieses Verhalten ist demzufolge dann zu erwarten, wenn der Status von Ansprüchen als Aussonderungsrecht unklar ist und dementsprechend keine Handlungsrestriktionen durch die Insolvenzorgane zu erwarten sind. Nur die Durchsetzung von (Verfügungs-)Rechten kann in diesem Fall konkurrierende Interessen an der Ressourcennutzung regeln.31 Innerhalb der ökonomischen Analyse des Rechts wird aber davon ausgegangen, dass die Wirkung von Sympathie auf die Eigennützigkeit des Handelns Auswirkungen haben kann, wie schon bereits Adam Smith angenommen hat.32 Jedoch stehen dem Schuldner in den im Rahmen dieser Arbeit zu betrachtenden Fällen keine Individuen gegenüber, für die er Sympathie empfindet. Die Einzelvollstreckung sowie die Gesamtvollstreckung stellen vielmehr staatliche Handlungen dar, sodass die Person des Gläubigers höchstens indirekt auf die Gefühlslage des Schuldners Auswirkungen haben kann. Somit ist nicht davon auszugehen, dass sich die Individuen altruistisch verhalten oder ihre Präferenzen maßgeblich ändern werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Präferenz zur Vermögensmaximierung stabil ist. Das führt dazu, dass eine Verhaltensänderung nur auf aufgrund einer Änderung oder erstmaligen Ergebung der (gesetzlichen) Restriktionen herbeigeführt werden kann.33 Die Schlussfolgerung, dass Schuldner den Willen haben, einen gesetzlichen Freiraum zur Vermögensmaximierung zu nutzen, ist demzufolge bewiesen und Ausgangslage für die Deutung des Rationalverhaltens. b) Rationalverhalten Das Rationalverhalten beschreibt die Verarbeitung von gewonnenen Informationen zu Handlungen anhand der Präferenzlage. In Bezug auf das Verhaltensmodell ist daher davon auszugehen, dass Individuen Rechtsnormen gegenüber rational und eigennützig reagieren und dementsprechend handeln.34 Gesetze und sonstige rechtliche Regelungen bezwecken eine Verhaltenssteuerung.35 Demzufolge kann anhand des Rationalverhaltens untersucht werden, welche Auswirkungen die betreffenden Regelungen aufgrund ihrer verhaltenssteuernden Wirkung entfalten oder entfalten sollen. Diese verhaltenssteuernde Wirkung kann einerseits durch 31

Vgl. Kirstein, S. 7 f. Schäfer / Ott, S. 62. 33 Eidenmüller, S. 32; Schäfer / Ott, S. 62. 34 Eidenmüller, S. 28; Kirchner, S. 13 ff. 35 Tröger / Scheibenpflug, Ad Legendum 2017, 273 (277). 32

A. Ökonomische Analyse des Rechts 

65

Sanktionen (Handlungsrestriktionen) und andererseits durch Anreize wie die Anspruchsgewährung (Handlungsfreiheiten) erfolgen.36 Vor dem Hintergrund der erläuterten Präferenzlage stellen rechtliche Verbote nur dann Handlungsrestriktionen dar, wenn die Verbote mit Sanktionen belegt sind, sodass sie eine ursprünglich lohnende Handlungsalternative derart verteuert, dass sie sich nicht lohnt.37 Im Rahmen der Einzel- und Gesamtvollstreckung bedeutet das, dass rechtliche Lücken ausgenutzt oder gar Verbote so lange missachtet werden, bis bestehende Handlungsrestriktionen diese Handlungen nicht mehr lohnenswert erscheinen lassen, da sie nicht mehr als nutzenmaximierend angesehen werden. Der homo oeconomicus wird aufgrund seiner rationalen Einstellung gegenüber bestehenden Handlungsrestriktionen diese gar brechen, wenn der Normbruch für ihn nutzenmaximierend ist.38 Das bedeutet, dass ein Individuum nach Maßgabe des homo oeconomicus bestehende vollstreckungsfreie Räume ausnutzen wird, um sich der Zwangsvollstreckung zu entziehen, bis rechtliche Regelungen dieses nutzenmaximierende Rationalverhalten nicht lohnend machen. Innerhalb der Insolvenz führt dies dazu, dass die Insolvenzmasse ebenfalls durch Verschleierung geschützt wird und nicht davon auszugehen ist, dass eine Mithilfe bei der gerechten Verteilung der knappen Ressourcen, also der restlichen Vermögenswerte des Insolvenzschuldners, zu erwarten ist. 2. Schlussfolgerungen Die Zwangsvollstreckung von Kryptowährungen anhand der ZPO muss rechtlich möglich sein, da ansonsten ein vollstreckungsfreier Raum besteht, den der Zwangsvollstreckungsschuldner dem Verhaltensmodell des homo oeconomicus folgend nutzen wird. Für den Insolvenzfall ist zu schlussfolgern, dass die Zugehörigkeit von Kryptowährungen zur Insolvenzmasse eindeutig sein muss. Das bedeutet, dass ein Bestehen von Aussonderungsrechten geregelt sein muss. Denn die endgültige Insolvenzmasse ergibt sich erst nach Abzug der von Aussonderungsrechten umfassten Vermögenswerte. Ist das nicht der Fall, ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Insolvenzschuldner eigennutzenmaximierend handelt, indem er Möglichkeiten zur Verschleierung des Restvermögens nutzt sowie bestehende Vereinbarungen nicht mehr einhält. Das bedeutet ferner, dass auch eine Inbesitznahme von Kryptowährungen durch die zuständigen Organe sowie eine den Besonderheiten entsprechende Verwertungsart erforderlich ist. Anderenfalls ist nicht ausgeschlossen, dass der Vollstreckungs- und Insolvenzschuldner diese praktischen Schwächen ebenfalls ausnutzen wird. Bestehen Hindernisse hinsichtlich der Inbesitznahme, wird der 36

Kirchner, S. 19; Schäfer, S. 7. Eidenmüller, S. 34 f.; Kirstein, S. 14 ff. 38 Eidenmüller, S. 35 f. 37

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Kap. 3: Methodik

Schuldner diese Informationen also nutzenmaximierend verwenden. Das ist auch bei Verwertungshindernissen der Fall, da sie andeuten, dass eine Verwertung von Krypto­währungen vor weiteren praktischen Hindernissen steht, sodass sich etwa eine Verschleierung auszahlen kann.

IV. Effizienz nach Maßgabe dieser Arbeit Die bisherigen Schlussfolgerungen für die Regelungsregime der ZPO und InsO wurden bisher ohne Begründung ihrer Effizienzauswirkungen dargelegt. Ursache hierfür war der Nachweis der Behauptung, dass ein Ausnutzen von vollstreckungsfreien Räumen droht. Das ist zwar der Fall, jedoch bisher nur ein Zwischenergebnis der Folgenermittlung mittels des rechtsökonomischen Verhaltensmodells. Auf die Folgenermittlung muss eine normative Folgenbewertung als zweite selbstständige Aufgabe der Rechtsökonomik folgen.39 Das geschieht anhand des Kriteriums der Effizienz im Sinne der Wohlfahrtsökonomik.40 Als effizient gilt eine Rechtsnorm demzufolge dann, wenn die Ressourcenverteilung durch das Recht so ausgestaltet wird, dass sie einen möglichst hohen Grad an Bedürfnis­ befriedigung erreicht.41 Rechtsnormen werden demzufolge an den Folgen gemessen, die sie verursachen.42 Die Folgenermittlung hinsichtlich der Effizienz von Rechtsnormen geschieht daher dadurch, dass die positiven Effekte des Gesetzes mit den negativen Effekten „saldiert“ werden.43 Insoweit Blockchain-basierte virtuelle Währungen bereits seit Jahren bestehen, hat sich ein funktionierender Markt gebildet. Mangels maßgeblicher rechtlicher Regulierungen44 ist davon auszugehen, dass die wesentlichen Verteilungsverhältnisse zwischen den einzelnen Akteuren dieses Marktes auf Verhandlungslösungen beruhen. Ausgehend von der Effizienzthese des Coase-Theorems45 ist der derzeitige Zustand daher als Grundzustand hinsichtlich der Effizienz zu bezeichnen, da die privaten Verhandlungen der Parteien zu einem effizienten Ergebnis führen können.46 Rechtliche Annahmen, welche Auswirkungen auf diesen Grundzustand der Effizienz haben, sind demzufolge erst dann effizienzsteigernd, wenn sie Markttransaktionen erleichtern.47 39

Eidenmüller, S. 57; Schäfer / Ott, S. 16 f. Eidenmüller, S. 56 f.; Kirchner, S. 25 ff.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 10. 41 Schäfer, S. 14; Schäfer / Ott, S. 1. 42 Schäfer / Ott, S. 2. 43 Schäfer, S. 15; van Aaken, in: FS Schäfer (2008), 651 (659). 44 Zum Zeitpunkt dieser Arbeit sind die bisher einzig eingetretenen gesetzlichen Anpassungen, welche Kryptowährungen betrifft, die Anpassung des KWG in Folge der 4. GeldwäscheRL sowie das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG). Die Markets in crypto-assets regulation (MiCA-E) befindet sich noch in der Endphase des legislativen Prozesses. 45 Beg. durch Coase, The Journal of Law and Economics, Vol. 3 1960, 1 ff. 46 Eidenmüller, S. 61; Schäfer / Ott, S. 102 ff. 47 Eidenmüller, S. 63 f. 40

B. Methodische Schlussfolgerungen und Forderungen

67

Die Frage ist also, wann ein Zustand im Sinne dieser Arbeit als effizienzsteigernd bezeichnet werden kann. In Betracht kommen das Pareto-Kriterium oder das Kaldor-Hicks-Kriterium. Aufgrund der angebrachten Kritik48 am Pareto-Kriterium soll nachfolgend eine Effizienzermittlung mit Hilfe des Kaldor-HicksKriteriums erfolgen. Das Pareto-Kriterium eignet sich für die zu betrachtenden Sachverhalte der vorliegenden Arbeit nicht. Die Annahme eines Pareto-superior Zustandes ist kaum zu begründen, da der Kryptomarkt aus zahlreichen Marktteilnehmern besteht.49 Es sollen aber rechtliche Auswirkungen untersucht werden, welche alle Marktteilnehmer betreffen. Die Ergebnisse sollen zudem als Empfehlungen für das Handeln oder Nicht-Handeln des Gesetzgebers dienen können. Da das Pareto-Kriterium in seiner Ausprägung jedem Teilnehmer sozusagen ein Veto-Recht gibt, wären die staatlichen Handlungsräume aber zu sehr eingeengt.50 Denn ein Zustand gilt schon nicht mehr als Pareto-superior, wenn dadurch bereits ein Akteur schlechter gestellt wird.51 Durch das Kaldor-Hicks-Kriterium wird eine solche „Zementierung des status quo“ verhindert.52 Klarzustellen ist aber, dass auch die gewonnenen Ergebnisse anhand des Kaldor-Hicks-Kriteriums aufgrund der fehlenden Gerechtigkeitserwägungen53 nicht ausschließlich ergebnisbestimmend, sondern argumentationsergänzend zu verstehen sind. Diese Kritik ist aber verhältnismäßig schwach, da es innerhalb des deutschen Rechtsrahmens sowohl weitläufige Mindeststandards als auch Menschen- und Grundrechte gibt, die eine Schranke für ausufernde Ergebnisse darstellen.54

B. Methodische Schlussfolgerungen und Forderungen Die methodischen Schlussfolgerungen sollen zum Schluss thesenartig festgehalten werden, da sie Grundlage für die Überlegungen innerhalb der folgenden Kapitel sind und dort nicht nochmal vollends erläutert werden sollen: – Vor allem die Insolvenzordnung, aber auch die Zivilprozessordnung sind rechtsökonomischen Erwägungen zugänglich. – Wenn die Zivilprozess- und Insolvenzordnung bestimmte Freiräume zulassen, ist davon auszugehen, dass Vollstreckungs- und Insolvenzschuldner sie auch nutzenmaximierend ausnutzen werden. Diese Wirkung wurde bisher zwar ohne nähere Begründung angenommen, konnte jedoch mithilfe des rechtsökono­mischen Verhaltensmodells erstmals methodisch belegt werden.

48

Etwa Eidenmüller, S. 49 f.; Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 12. Vgl. Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 12. 50 Eidenmüller. S. 49; Towfigh / Petersen, S. 40. 51 Kirchner, S. 26 f.; Schäfer / Ott, S. 25; Towfigh / Petersen, S. 41. 52 Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 14. 53 Eidenmüller, S. 207 ff.; Mathis, S. 63 ff. 54 Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 14. 49

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Kap. 3: Methodik

– Eine Steigerung der Allokationseffizienz kann demzufolge nur dann angenommen werden, wenn das betreffende Vollstreckungsrecht diese Freiräume schließt, indem sie nicht mehr nutzenmaximierend genutzt werden können. Demzufolge kommt den betreffenden Normen zugleich eine verhaltenssteuernde Wirkung zu. Innerhalb dieser Rechtsregime müssen sich daher Normen befinden, welche aufgrund ihrer verhaltenssteuernden Wirkung positiven Einfluss auf die Effizienz haben. – Vor dem Hintergrund, dass die Akteure innerhalb des Kryptomarktes weitestgehend frei von rechtlichen Eingriffen seit Jahren miteinander in wirtschaftlichen Beziehungen stehen, ist anzunehmen, dass sich Verhandlungslösungen herausgebildet haben. Diese bilden den Vergleichswert für eine Effizienzbewertung von Rechtsnormen. – Auswirkungen auf die Effizienz sollen anhand des Kaldor-Hicks-Kriterums erfasst werden. – Die Auswirkungen auf die Effizienz sollen de lege lata bei der Entscheidung zwischen mehreren Auslegungsmöglichkeiten beachtet werden.55 – Ebenfalls sollen die Auswirkungen auf die Effizienz de lege ferenda bei der Frage nach notwendigen rechtlichen Anpassungen ausschlaggebend sein.56

55 56

Tröger / Scheibenpflug, Ad Legendum 2017, 273 (277). Tröger / Scheibenpflug, Ad Legendum 2017, 273 (277).

4. Kapitel

Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen A. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung Die rechtliche Einordnung von Kryptowährungen stellt für die Rechtswissenschaft (immer noch) eine gewisse Herausforderung dar, obwohl das Whitepaper zu der bekanntesten Kryptowährung Bitcoin schon im Jahr 2008 veröffentlicht worden ist.1 Schon 2014 wurde in der Rechtsliteratur geschlussfolgert, dass die rechtliche Einordnung von Kryptowährungen unklar ist.2 Vier Jahre später erkannten beispielsweise Shmatenko / Möllenkamp aber, dass die Charakterisierung der Rechtsnatur von virtuellen Währungen immer noch schwer fällt.3 In der jüngeren Literatur wird dabei vor allem über die Frage gestritten, ob Kryptowährungen Sachen im Sinne des § 90 BGB (analog) darstellen können.4 Dabei gehen das BMF und das BMJV im Rahmen seiner Eckpunkte für eine regulatorische Behandlung von (Blockchain-basierten) elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token beispielsweise davon aus, dass durch eine dogmatische Einordnung als Sache die anwendbaren Vorschriften im Rahmen der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz Eigentumsschutz gewährleisten würden.5 Diese stockende Entwicklung soll zum Anlass genommen werden, um in diesem Kapitel die bisherigen Ansätze einer Qualifikation als Recht ausführlich zu untersuchen und auf Konsistenz zu prüfen. Weiterführend soll eine hier vertretene, eindeutige Position gefunden und begründet werden, welche als Grundlage für die folgenden Kapitel dienen soll. Denn die Frage, welche Rechte die Inhaberschaft von Einheiten einer virtuellen Währung begründen und nach welchem Prinzip diese zuordenbar sind, hat wesentliche Auswirkungen auf die Einordnung in die Systeme der Einzel- und Gesamtvollstreckung. 1 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, abrufbar unter: https:// bitcoin.org/bitcoin.pdf (zuletzt aufgerufen am 27. 6. 2019). 2 Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78). 3 Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (495), die lediglich eine weitestgehende Einigkeit innerhalb der Rechtsliteratur hinsichtlich der Frage erkennen, dass Kryptowährungen keine Sache i. S. v. § 90 BGB sind. 4 Hierzu näheres unter Kap. 4 C. I. 1. b). 5 BMF / BMJV, Eckpunkte für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token, S. 2, wobei man sich hier am Bundesschuldenwesengesetz orientiert.

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

I. Einzelvollstreckung Die Art der Zwangsvollstreckung richtet sich maßgeblich danach, weswegen vollstreckt werden soll.6 Dabei differenziert das Zivilprozessrecht im 8. Buch zwischen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 803 ff. ZPO), der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen (§§ 883 ff. ZPO) und der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen (§§ 887 ff. ZPO). Was sich nicht unter diese Begriffe einordnen lässt, unterliegt nicht der Vollstreckung.7 Daher ist strikt danach zu unterscheiden, ob der Gläubiger einen Titel auf Leistung einer Geldforderung oder auf die Überweisung von virtuellen Währungen begehrt oder erhalten hat. Von hoher praktischer Relevanz ist der Fall, dass der Schuldner einer Geldforderung seiner Verpflichtung zur Zahlung nicht nachkommt – entweder, weil er mangels Liquidität außer Stande ist, dies zu tun, oder es nicht will. Der Gläubiger wird in diesem Fall ein großes Interesse daran haben, sich durch eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu befriedigen. Innerhalb der naheliegend in Betracht kommenden Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen muss differenziert werden, in welche Vermögensobjekte des Schuldners die Zwangsvollstreckung erfolgen soll.8 Verfügt der Schuldner nun Vermögenswerte in Form von virtuellen Währungen, muss diese daher in die geregelten Vermögensobjekte eingeordnet werden können, damit eine Vollstreckung in virtuelle Währungen wegen einer Geldforderung überhaupt rechtlich möglich ist. Von der vereinzelten Literatur, die sich mit der Zwangsvollstreckung in Krypto­ währungen wegen Geldforderungen beschäftigt, werden §§ 857 Abs. 1, 828 ff. ZPO als zentrale Normen klassifiziert,9 da es sich bei virtuellen Währungen – wenn überhaupt – um bewegliches Vermögen handeln soll. § 857 Abs. 1 ZPO regelt die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, die selbst nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind und unterstellt sie den vorstehenden Vorschriften. Zentrale Voraussetzung des § 857 Abs. 1 ZPO ist somit das Vorliegen eines Vermögensrechts. Da das gesamte Vermögen dem Zugriff des Gläubigers offen stehen muss, stellt § 857 ZPO einen Auffangtatbestand dar, weshalb eine weite Auslegung der Norm zugunsten des Gläubigers geboten ist.10 Ein Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO bilden daher Rechte aller Art, die einen Vermögenswert dergestalt verkörpern, dass eine Pfandverwertung die Befriedigung eines Geldanspruchs des Gläubigers ermöglichen kann.11 Die Ver 6

Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 205. Baumbach et al., Zivilprozessordnung, Grundz. Vor § 803, Rn. 1. 8 Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 205. 9 So etwa Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517 f.); Kütük /  Sorge, MMR 2014, 643 (644). 10 Baumbach et al., Zivilprozessordnung, § 857, Rn. 2. 11 Stöber, in: Zöller ZPO, § 857, Rn. 2; BGH, Beschl. v. 5. 07. 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353 (3353); BGH, NJW-RR 2007, Beschl. v. 20. 12. 2006 – VII ZB 92/05, 1219 (1220). 7

B. Notwendigkeit einer effektiven Vollstreckung

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fügungsgewalt über eine bestimmte Summe von virtuellen Währungen12 muss also ein solches Recht darstellen, damit § 857 Abs. 1 ZPO Anwendung finden kann. Die Qualifikation von virtuellen Währungen als Recht gilt daher als eine der zentralen (Vor-)Fragen für ihre Einordnung in das System der Zwangsvollstreckung13 und somit für die Frage, ob Kryptowährungen überhaupt Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein können.14

II. Gesamtvollstreckung Im Rahmen der Gesamtvollstreckung spielt die rechtliche Einordnung von Blockchain-basierten Kryptowährungen und die Untersuchung der rechtlichen Ansprüche an virtuellen Währungen ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Das Insolvenzverfahren dient in erster Linie der Sicherung des sozialen Friedens durch die Sicherstellung und gerechte Verteilung von knappen Ressourcen.15 Dabei ist das „Insolvenzrecht so anzulegen, dass die Gesetzmäßigkeiten des Marktes auch die gerichtliche Insolvenzabwicklung steuern“.16 Das Insolvenzverfahren soll daher als „marktkonformes Verfahren an den Vermögensinteressen der Geldgeber des Schuldners“ ausgestaltet sein.17 Diese Marktkonformität gebietet es, dass die Entscheidung über die Verwertung allein den Gläubigern des Schuldners überlassen ist, soweit deren Rechte einen positiven Vermögenswert besitzen.18 Die Bestimmung des gegenwärtigen Schuldnervermögens ist ebenfalls ein weiterer Verfahrensgegenstand des Insolvenzverfahrens19

B. Notwendigkeit einer effektiven Vollstreckung Es ist festzustellen, dass ein Bedürfnis der effektiven Vollstreckung von virtuellen Währungen besteht. Dieses ergibt sich sowohl aus praktischen als auch aus rechtlichen Erwägungen. Aus praktischer Sicht muss die Zwangsvollstreckung von Kryptowährungen schon deshalb möglich sein, da der Schuldner sich sonst durch eine Verschiebung seines Vermögens in Einheiten von virtuellen Währungen der Zwangsvollstreckung entziehen kann.20 Insoweit würde eine „vollstreckungsfreie Zone“ entstehen, 12

Kaulartz, CR 2016, 474 (479). So im Ergebnis auch Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517). 14 Vgl. Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78). 15 Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 5. 16 BT-Drs. 12/2443, S. 77. 17 BT-Drs. 12/2443, S. 77. 18 Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 22. 19 Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 35. 20 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (516). 13

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

die dem Vollstreckungsschuldner mangels etwaiger Schutzerwägungen – beispielsweise wie bei § 811 ZPO – nicht zugesprochen werden kann. Auch aus rechtsstaatlichen Erwägungen lässt sich eine Notwendigkeit konstituieren. Der Staat ist Inhaber des Zwangsmonopols, weshalb dem Bürger die Selbsthilfe verboten ist.21 Daraus folgt, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren, welches der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche dient, ein öffentlich-rechtliches Verfahren ist, auf das der Inhaber eines gerichtlich festgelegten Anspruchs angewiesen ist.22 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch nach Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG für den Zivilprozess die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes.23 Aus dieser Verpflichtung erwächst ein Anspruch des Gläubigers auf die effektive Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche (Vollstreckungsanspruch),24 denn ohne eine effektive Vollstreckung wäre ein gerichtlich zugesprochener Anspruch faktisch wertlos.25 Es darf daher kein vollstreckungsfreier Raum in der Form bestehen, dass der Schuldner sein Vermögen einfach in virtuelle Währungen transferiert und sich somit einer Vollstreckung entzieht – bei der Auslegung und Anwendung des Zivilprozessrechts dürfen die Gerichte die Bedeutung des Anspruches des Gläubigers auf effektive Durchsetzung seiner privatrechtlichen Ansprüche nicht außer Acht lassen.26 Aus diesen Erwägungen besteht die Notwendigkeit, einen praktikablen Weg der Zwangsvollstreckung von virtuellen Währungen zu ermöglichen. Die Frage der rechtlichen Qualifikation ist – wie bereits aufgezeigt – die notwendige Vorfrage und zugleich maßgebliche Weichenstellung für die Frage der Vollstreckung, wodurch diese praktischen und rechtsstaatlichen Erwägungen auch gerade hier ihren Einschlag erfahren.

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen Im Folgenden ist eine Untersuchung der dogmatischen Einordnung von Kryptowährungen anzustellen. Dabei soll vor allem die These, dass Kryptowährungen de lege lata gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte, unkörperliche Gegenstände sind, auf Konsistenz geprüft werden.27 Dabei soll zumindest im Hinblick auf die Frage 21

BVerfG, NJW 1983, 559 (559). Vgl. Kindl, in: Saenger ZPO, Vorbem. zu §§ 704–945, Rn. 1. 23 BVerfG, FamRZ 2010, Beschl. v. 27. 05. 2010 – 1 BvR 2643/07, 1235 (1236); BVerfG, Beschl. v. 28. 03. 2002 – 2 BvR 307/01, NJW 2002, 2227; BVerfG, Beschl. v. 27. 01. 1998 – 1 BvL 15–87, NJW 1998, 1475 (1478); BVerfG, Beschl. v. 12. 02. 1992 – 1 BvL 1/89, NJW 1992, 1673; BVerfG, Beschl. v. 09. 05. 1989 – 1 BvL 35/86, NJW 1989, 1985; BVerfG, Urt. v. 11. 06. 1980 – 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (41). 24 Papier, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 176, Rn. 24; auch BVerfG, Beschl. v. 27. 04. 1988 – 1 BvR 549/87NJW 1988, 3141. 25 So schlussfolgern Knoche / Biersack, NJW 2003, 476 (478). 26 BVerfG, Beschl. v. 27. 04. 1988 – 1 BvR 549/87NJW 1988, 3141. 27 Langenbucher, AcP 218, 385 (428). 22

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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nach der effektiven Einzel- und Gesamtvollstreckung auch untersucht werden, ob aus verschiedenen Gesichtspunkten eine (weitere) rechtliche Erfassung durch Rechtsfortbildung oder de lege ferenda notwendig ist.

I. Körperlicher Gegenstand nach § 90 BGB Im Folgenden soll untersucht werden, ob virtuelle Währungen aufgrund direkter Rechtsanwendung oder Rechtsfortbildung als Sachen nach § 90 BGB klassifiziert werden können. 1. Sacheigenschaft nach § 90 BGB Es stellt sich zunächst die naheliegende Frage, ob virtuelle Währungen als solche dem Sachbegriff nach § 90 BGB unterfallen können. Wäre dies der Fall, könnten sachenrechtliche Beziehungen zu Kryptowährungen, mithin Eigentum nach §§ 903 ff. BGB an ihnen bestehen.28 a) Ablehnung einer Sacheigenschaft von Kryptowährungen durch die herrschende Meinung § 90 BGB bestimmt die Körperlichkeit eines Gegenstandes als zentrale Voraussetzung für die Einordnung als Sache. Hierfür muss eine räumliche Abgrenzung und Beherrschbarkeit des Gegenstandes gegeben sein.29 Dabei ist nicht etwa ein naturwissenschaftlicher Substanzbegriff, sondern die natürliche Anschauung maßgeblich.30 In der Literatur besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass Kryptowährungen mangels einer Verkörperung keine Sachqualität nach § 90 BGB aufweisen können.31 Auch der BGH ist in einer Entscheidung, welche sich mit der Strafbarkeit 28

So einleitend Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359). Stieper, in: Staudinger BGB, § 90 BGB, Rn. 1; Völzmann-Stickelbrock, in: Prütting BGB, § 90 BGB, Rn. 2. 30 Stieper, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 90 ff. BGB, Rn. 9. 31 Fritzsche, in: MüKo BGB, § 90 BGB, Rn. 27; Klinck, in: BeckOGK BGB, § 929 BGB, Rn. 19; Omlor / Spiegel, in: Möslein / Omlor, FinTech-HdB, § 19 Rn. 40; Schäfer / Eckhold, in: Assmann et al., Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 16a, Rn. 35; Zuerst Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (77 f.); dem Ansatz folgend etwa Ammann, CR 2018, 379 (380); Bausch / Heetkamp, Dispute Resolution 2018, Ausgabe 1, 7 (9); Borkert, ITRB 2018, 91 (92); Deuber / Jahromi, MMR 2020, 576 (677 f.); Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014, Anm. 1; Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (359); Güldü, GmbHR 2019, 565 (567); Hanten / Sacarcelik, RdF 2019, 124 (126); Heckelmann, NJW 2018, 504 (508); Hillemann, CR 2019, 830 (833); Kaulartz / Matzke, NJW 2018, 3278 (3283); Ders., CR 2016, 474 (478); Kuhlmann, CR 2014, 691 (695); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Langenbucher, AcP 218, 385 (405); Martiny, IPRax 2018, 553 (556); 29

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

von illegalem Bitcoinschürfen beschäftigt, davon ausgegangen, dass Blockchainbasierte Kryptowährungen (hier Bitcoins) „[…] nicht körperlicher Gegenstand einer Verfallsanordnung“ sein können.32 Dieses Ergebnis entspricht so auch der Rechtsprechung des BGH, wonach elektronische Daten als solche keine Sache nach § 90 BGB darstellen.33 Geht man von dem oben genannten, für den Sachbegriff weitestgehend anerkannten Voraussetzungen aus,34 ist dem zuzustimmen, wenn man die Einheiten von Kryptowährungen selbst an diesen Voraussetzungen misst. Sie selbst ergeben sich erst aus einem positiven Saldo des Verzeichnisses der Transaktionshistorie einer Adresse (UTXO), wobei nur die einzelnen Transaktionen die Datensätze im jeweiligen Blockchain-Netzwerk darstellen. Virtuelle Währungen haben demzufolge keine eigene körperliche Begrenzung, sondern lassen sich allenfalls auf einem Bildschirm mithilfe eines Computerprogramms grafisch abbilden. Hierfür muss jedoch erst ein Programm den UTXO einer Adresse ermitteln und diesen sichtbar machen, da auf der Blockchain nicht der UTXO, sondern nur die einzelnen Transaktionen abgebildet sind.35 Einheiten von Kryptowährungen lassen sich somit zwar visualisieren und daher sinnlich wahrnehmbar machen. Die Beherrschbarkeit setzt jedoch neben der sinnlichen Wahrnehmbarkeit auch eine räumliche Abgrenzung voraus.36 Eine solche räumliche Abgrenzbarkeit ergibt sich bei virtuellen Währungen aber weder aus einer eigenen körperlichen Begrenzung, noch aus einer Fassung in einem Behältnis.37 Mangels einer solchen räumlichen Abgrenzung ist auch eine Beherrschbarkeit zu verneinen.38 Eine bei Laien vorherrschende Verkehrsauffassung, wonach die sinnliche Wahrnehmbarkeit und Abgrenzbarkeit von virtuellen Währungen anzunehmen wäre, besteht indes gerade nicht.39 Eine solche Verkehrsauffassung wird schon allgemein für virtuelle Gegenstände nicht angenommen, deren Bekanntheit und Verbreitung wesentlich weiter fortgeschritten ist als die von Kryptowährungen.40 Omlor, JuS 2019, 289 (290); Ders., ZHR 183, 294 (308); Ders., ZRP 2018, 85 (87); Ders., JZ 2017, 754 (758); Richter / Augel, FR 2017, 937 (940); Schlund / Pongratz, DStR 2018, 598 (600); Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (495); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359); ­Walter, NJW 2019, 3609 (3611); Weiss, JuS 2019, 1050 (1054); Zickgraf, AG 2018, 293 (301). 32 BGH, Beschl. v. 27. 7. 2017 – 1 StR 412/16, NStZ 2018, 401 (405); ebenso im strafrechtlichen Kontext Goger, MMR 2016, 431 (432); Heine, NStZ 2016, 441 (444). 33 BGH, Urt. v. 13. 10. 2015  – VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094 (1095); BGH, Urt. v. 15. 11. 2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394; BGH, Urt. v. 14. 07. 1993 – VIII ZR 147/92, NJW 1993, 2436 (2438). 34 Stieper, in: Staudinger BGB, § 90 BGB, Rn. 7. 35 Antonopoulos, S. 119. 36 Stieper, in: Staudinger BGB, § 90, Rn. 2. 37 Ellenberger, in: Palandt, § 90 BGB, Rn. 1. 38 Fritzsche, in: Bamberger et al., BGB, § 90 BGB, Rn. 7; Walter, NJW 2019, 3609 (3611), der eine Beherrschbarkeit annimmt, jedoch eine Sacheigenschaft nach § 90 BGB vereint. 39 Vgl. Stieper, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 90 ff., Rn. 9; Walter, NJW 2019, 3609 (3611). 40 Lober / Weber, MMR 2005, 653 (655).

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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b) Einordnung von Kryptowährungen als Sachen im Sinne des § 90 BGB durch eine Literaturansicht Die soeben dargestellte Auffassung der herrschenden Literatur war über lange Zeit keiner konzeptionellen Kritik ausgesetzt. Jüngst plädiert eine Literaturansicht jedoch für eine Einordnung von Kryptowährungen als Sache nach direkter Anwendung des § 90 BGB.41 So schlussfolgert diese Ansicht, dass „vieles für die Erfassung von Krypto­token als körperliche Gegenstände“ spricht.42 Diese Entwicklung soll zum Anlass genommen werden, um die Auffassung, dass Kryptowährungen Sachen nach (direkter) Anwendung des § 90 BGB sind, zu prüfen. Eine Einordnung von Kryptowährungen als Sachen im Sinne des § 90 BGB hat weitreichende Folgen für die systematische Einordnung dieser in die Systeme der Einzel- und Gesamtvollstreckung. Die Einzelvollstreckung richtet sich dann nach den Regelungen füg körperlichen Sachen nach §§ 808 ff. ZPO. Innerhalb der Insolvenz kommen dingliche Aussonderungsrechte im Sinne des § 47 S. 1 InsO wie etwa der § 985 BGB in Betracht. Daher bedarf es einer kritischen und ausführlichen Auseinandersetzung mit dieser Ansicht. Sie stützt ihr Ergebnis auf zwei Argumentationsstränge, zum einen auf der sachenrechtlichen Systematik sowie den Sinn und Zweck der Norm und zum anderen auf dem (historischen) Gesetzgeberwillen. aa) Grundlegende Argumentation und Ergebnis der Literaturansicht Die Ansicht bezieht sich aus dogmatischer Sicht vor allem auf Bydlinski43 und schlussfolgert, dass dem Sachenrecht der Zweck eines Zuordnungsregimes zukommt und der Begriff der Sache anpassungsfähig und eventuell anpassungsbedürftig ist.44 Sie schlussfolgert daher, dass eine systematisch-teleologische Betrachtung des Sachenbegriffs entscheidend ist.45 Die Voraussetzung der Körperlichkeit soll daher nicht schon aufgrund der vermeintlich eindeutigen semantischen Bedeutung auf physisch-räumliche Objekte beschränkt werden können, sondern die semantische Grenze ist vielmehr beim Begriff der Verkörperung zu sehen, welcher Darstellung oder Repräsentation bedeutet.46 Die Leitfrage ist daher, ob der Sachenbegriff des BGB zwingend eine physisch-räumliche Ausdehnung fordert oder eine Abgrenzung durch die konkrete Verfügungsmöglichkeit genügen lässt.47 41

John, BKR 2020, 76 ff. John, BKR 2020, 76 (81). 43 Bydlinski, AcP 198 (1998), 287 ff. 44 John, BKR 2020, 76 ff. 45 John, BKR 2020, 76 (76 f.). 46 John, BKR 2020, 76 (77). 47 John, BKR 2020, 76 (78). 42

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Ausgehend davon, dass der Körperlichkeitsbegriff (richtigerweise) keinem physikalisch-naturwissenschaftlichen Verständnis, sondern einer bei Laien vorherrschenden Verkehrsanschauung unterliegt,48 stellt die Ansicht darauf ab, dass allein die Frage, ob ein Gegenstand zum Objekt eindeutiger und absoluter Verfügungen werden kann über die Einordnung als körperliche Sache entscheidet.49 Kryptowährungen sollen eine solche Abgrenzbarkeit erfüllen, da sie auf der jeweiligen Blockchain dokumentiert werden und über sie nur mittels des dazugehörigen privaten Schlüssels verfügt werden kann.50 bb) Kritik Betrachtet man diese Argumente näher, werden Schwachpunkte sichtbar. Diese sollen nachfolgend in Form von Kritik dargestellt werden. (1) Extensive Auffassung des Verkörperungsbegriffs und deren Folgen Die Ansicht stützt ihr Ergebnis auf der Auffassung, dass das Erfordernis einer Abgrenzbarkeit so zu verstehen ist, dass über einen Gegenstand oder eine digitale Einheit eindeutig und mit absoluter Wirkung verfügt werden kann.51 Zunächst ist im Allgemeinen zuzustimmen, dass sich eine allgemein anerkannte Definition des Gegenstandsbegriffs noch nicht durchgesetzt hat, sodass ein gewisser Spielraum innerhalb der Begriffsbestimmung richtigerweise vorhanden ist.52 Das Erfordernis (einer so ausgestalteten) Verkehrsfähigkeit ist aber keine Voraussetzung für die sachenrechtliche Einordnung, sondern für die Definition der Sache nach § 90 BGB ohne jegliche Bedeutung.53 Des Weiteren führt das Fortdenken einer solchen extensiven Auffassung des Körperlichkeitserfordernisses unter Bezugnahme der maßgeblichen Verkehrsauffassung zu fragwürdigen Ergebnissen. Die Konzeption von Kryptowährungen ist nämlich aus Sicht der jeweils technischen Grundkonzeption mit der von Buchgeld vergleichbar. Gemeint ist damit, dass auch im Fall von Buchgeld die einzelnen Transaktionen eines (Bank-)Kontos erfasst und digital dokumentiert werden. Mit Hilfe von Software werden die eingehenden und ausgehenden Transaktionen des jeweiligen Kontos saldiert, wobei der sich ergebende positive Saldo das vorhandene Guthaben darstellt. Der wesent­ 48

RGZ 87, 43 (45); Vieweg / L orz, jurisPK-BGB, § 90 BGB, Rn. 8. John, BKR 2020, 76 (79). 50 John, BKR 2020, 76 (79). 51 John, BKR 2020, 76 (79). 52 Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 12. 53 Stieper, in: Staudinger BGB, Vorb. zu §§ 90–103 BGB, Rn. 12. 49

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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liche ideelle Unterschied ist aber, dass Buchgeld innerhalb eines zentralisierten Systems besteht, während Kryptowährungen in einem dezentralen System existieren. Das hat aber auf die grundlegende Idee der technischen Dokumentation erstmal keinen Einfluss, wobei erwähnenswert ist, dass die Blockchain-Technologie auf der Distributed-Ledger-Technologie basiert, die auf der Idee der verteilten Konto­bücher aufbaut.54 Insoweit werden die Transaktionen von Buchgeld auch auf einem (zwar zentral verwalteten) Serversystem dokumentiert und über das Guthaben kann nur durch die Verwendung der korrekten Zugangsdaten verfügt werden. Gegen diesen Vergleich wird zwar eingewendet, dass Kryptowährungen aufgrund ihrem hohen Individualisierungsgrad vielmehr mit dem Bargeld statt dem Buchgeld vergleichbar sind.55 Dabei wird jedoch verkannt, dass die Einheiten Kryptowährungen nicht aus einzelnen und voneinander abgrenzbaren Datenbündeln bestehen, sondern Ketten von Transaktionen sind, die in einer neu generierten Transaktion wiederum beliebig aufgeteilt werden können, was vielmehr der Konzeption von Buchgeld entspricht, statt physischen Geldmünzen oder -scheinen. Folgt man den stringenten Voraussetzungen dieser Auffassung, so muss es sich bei Buchgeld daher konsequenterweise auch um Sachen nach § 90 BGB handeln. Denn auch die auf ein Bankkonto eingegangenen Transaktionen werden eindeutig dokumentiert und über sie kann nur mit dem dazugehörigen Kontodaten wie dem PIN verfügt werden.56 Insofern man nun darauf abstellen, dass die Gültigkeit einer Banktransaktion letztlich von dem Kreditinstitut als Intermediär abhängig ist. Das ist schließlich aber auch bei Kryptowährungen der Fall, da die Gültigkeit einer Transaktion faktisch nur dann eintreten kann, wenn diese innerhalb des Blockbildungsprozesses in einen Block als Datensatz aufgenommen worden ist. Dieses Ergebnis kann aber keiner allgemeinen Verkehrsauffassung des Körperlichkeitserfordernisses mehr entsprechen. (2) Objekt der sachenrechtlichen Einordnung Des Weiteren muss zwischen Kryptowährungen und der Dokumentation von Transaktionen unterschieden werden. Diese sind nicht wesensgleich. Virtuelle Währungen beruhen auf der Blockchain-Technologie, wodurch zumindest – wie bereits dargestellt – die Transaktionshistorie der einzelnen Adressen dezentral innerhalb des vorhandenen Peer-to-Peer-Netzwerks gespeichert wird. Eine einzelne Transaktion besteht dabei lediglich aus der Empfängeradresse, der Absenderadresse und der Höhe der Transaktion, beispielsweise:

54

Näheres zur Distributed-Ledger-Technologie unter Kap. 2 A. I. Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (192). 56 Vgl. John, BKR 2020, 76 (79). 55

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen 1PKATxNBbxHEv­ cheeTm5Kd5VBpq6FLPX9E

1PKATxNBbxHEv­ cheeTm5Kd5VBpq6FLPX9E 0.0184585 BTC

Links befindet sich die Absender-, rechts die Empfängeradresse und unter dieser der empfangene Betrag (hier im Beispiel Bitcoin (BTC)) als einzelne Datensätze. Die einzelnen Angaben stellen daher Daten, die Verknüpfung zwischen diesen Daten (Adresse A hat an Adresse B Betrag X überwiesen) eine Information dar. Nicht der UTXO einer jeden Adresse wird auf der Blockchain dokumentiert, sondern lediglich die einzelnen Transaktionen innerhalb des zugrundeliegenden Blockchain-Netzwerks. Wie bereits dargelegt, wird erst mit Hilfe von Computer­ programmen eine Art Saldierung der Transaktionshistorie durchgeführt und dadurch der Betrag an Einheiten der jeweiligen Kryptowährung, welcher einer bestimmten Adresse im Blockchain-Netzwerk aktuell zur Verfügung steht, visualisiert. Diese zur Verfügung stehenden Einheiten sind aber erst die Summe der an eine Adresse eingegangenen, aber bisher nicht durch eine generierte Transaktion weitergeleiteten Transaktionen, mithin der UTXO der Adresse. Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Datensätze innerhalb der Blockchain nachträglich nicht veränderbar sind. Auf der Blockchain befinden sich demzufolge alle Transaktionen, die jemals getätigt worden sind. Demzufolge besteht der gesamte Datensatz einer Kryptowährungs-Blockchain zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Transaktionen, welche mittlerweile längst wieder versendet und demzufolge der Adresse aktuell nicht mehr zugewiesen sind. Eine Gesamtsaldierung als Interpretation dieser Daten ist also notwendig, um den aktuellen UTXO einer Adresse zu erfassen. Nicht die Währungseinheiten selbst, sondern lediglich die (gesamte)  Transaktionshistorie wird demzufolge innerhalb des Peer-to-Peer-Netzwerks direkt auf physischen Datenträgern gespeichert.57 Nur die Transaktionsketten sind also Gegenstand einer Dokumentation auf der Blockchain und werden letztlich auf den Speichermedien des zugrundeliegenden Netzwerks elektronisch erfasst. Dieses Vorgehen entspricht in etwa der Konzeption des Buchgelds, bei der lediglich die Zuordnung einer bestimmten Geldmenge an eine Kontonummer stattfindet, ohne dass der Zuordnung selbst ein wirtschaftlicher Wert verliehen wird.58 Soweit der wirtschaftliche Wert des Buchgelds in der Forderung gegenüber dem Kreditinstitut liegt,59 bestimmt sich die Werthaltigkeit von Kryptowährungen mangels eines Intermediärs durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels, welcher die tatsäch-

57

Bechtolf / Vogt, ZD 2018, 66 (67); Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497). Kaulartz, CR 2016, 474 (474); ähnlich auch Kuhlmann, CR 2014, 691 (692 f.), der die Übertragung von Bitcoins mit einer Banküberweisung vergleicht; Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497); Sorge / Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479 (480). 59 Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497). 58

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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liche Verfügungsgewalt über den positiven Saldo einer Adresse innerhalb des dezentralen Währungsnetzwerks und somit Transaktionen ermöglicht.60 Es besteht also gerade keine wirtschaftlich untrennbare Einheit zwischen dem physischen Datenträger und der darauf gespeicherten Kopie der Blockchain.61 Eine solche wirtschaftliche Einheit wäre nur dann anzunehmen, wenn der UTXO, also das „Guthaben“, auf dem physischen Datenträger direkt gespeichert wäre. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass eine Teilnahme am dezentralen Währungssystem nicht voraussetzt, dass ein Teilnehmer zugleich Full-Node ist, also eine aktuelle Kopie der einer Kryptowährung zugrundeliegenden Blockchain auf seinem Computer besitzt und sich bei der Konsensfindung beteiligt. Insoweit können auch solche Personen innerhalb des Währungsnetzwerks miteinander interagieren, die eine solche Kopie nicht besitzen. Hierfür ist nicht mal eine SoftwareWallet auf dem eigenen Computer notwendig. Sollte eine solche Wallet-Software dennoch auf dem Computer installiert sein, so wird nicht die Transaktionshistorie, sondern allenfalls der öffentliche und / oder private Schlüssel (letzterer ist aufgrund seiner Bedeutung meist erst durch die Eingabe eines Passworts innerhalb der Wallet-­Software einsehbar) als Datei in der Wallet gespeichert.62 Sollten all diese Argumente nicht überzeugen, sei darauf hingewiesen, dass die Annahme einer Sacheigenschaft von virtuellen Währungen zu einem Widerspruch führen würde. Innerhalb der Blockchain werden die Einheiten einer virtuellen Währung einer bestimmten Adresse zugewiesen. Nur der Person hinter dieser Adresse kommt – bei Kenntnis des dazugehörigen privaten Schlüssels – auch die Verfügungsgewalt über diese Einheiten zu. Diese faktische Verfügungsgewalt in Form der Kenntnis des dazugehörigen privaten Schlüssels stellt den wertbildenden Faktor dar.63 Im Gegensatz zu einer Cloud, bei der Daten extern auf Servern gespeichert werden, sind die Transaktionsdaten bei einem Peer-to-Peer Netzwerk hingegen gleichzeitig an verschiedenen Knotenpunkten gespeichert,64 wobei jeder dieser Knoten­punkte eine vollständige und aktuelle Kopie der Blockchain speichert. Wenn nun jeder Full-Node die Blockchain auf seinem physischen Datenträger besitzt, erlangt – bei strikter Anwendung der Annahme, dass virtuellen Währungen über die Verbindung mit dem Speichermedium Sachqualität zukommt – jeder von ihnen auch Eigentum an den Einheiten der Kryptowährung. Ergibt sich bei Computerprogrammen ein solcher Widerspruch nicht, da jedem Besitzer einer Programmkopie auch die Verfügungsgewalt über das Computerprogramm zukommen soll (eine erworbene Lizenz vorausgesetzt), so ist das bei virtuellen Währungen 60

Vgl. Kaulartz, CR 2016, 474 (479). Vgl. Hoeren, CR 1988, 908 (911). 62 Vgl. Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359). 63 Kaulartz, CR 2016, 474 (479). 64 Kaulartz, CR 2016, 474 (474). 61

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

gerade nicht der Fall. Hier soll die Verfügungsgewalt über eine Adresse und den dieser Adresse zugehörigen Währungseinheiten nicht derjenige haben, der eine Kopie der Blockchain auf seinem Rechner besitzt, sondern derjenige, der die (technische) Fähigkeit besitzt, über den positiven Saldo (das Guthaben) zu verfügen. Diese Fähigkeit spiegelt sich aber in der Kenntnis des privaten Schlüssels wider65 und nicht in der Verfügungsgewalt über einen Datenträger. (3) Wille des Gesetzgebers Zuletzt ist ein möglicher Gesetzgeberwille in dem Sinne, dass Kryptowährungen als körperliche Gegenstände in das bestehende Rechtssystem einzugliedern sind, äußerst fraglich. Dabei ist der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG folgend auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers abzustellen, wonach Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG eine Bindung an den Willen des Gesetzgebers bedeutet, sodass auf eine historische Sinnermittlung stets die Rechtsfortbildung zu folgen hat.66 (a) Normzweck des § 90 BGB In einem ersten Schritt ist daher zunächst der Normzweck zu ermitteln.67 Das private Eigentum wird nach Art. 14 Abs. 1 GG garantiert, weshalb die Rechts- und Gesellschaftsordnung die Güterzuordnung und die an Gütern bestehenden Befugnisse zuordnend regeln muss.68 Hierbei ist zwischen unkörperlichen und körperlichen Gegenständen zu unterscheiden, wobei die notwendige Zuordnung von körperlichen Gegenständen durch das Sachenrecht vorgenommen wird, innerhalb dessen dem Sachbegriff eine Filterfunktion zukommt.69 Damit ist gemeint, dass durch den Sachbegriff die Rechtsobjekte bestimmt werden, an denen Sachenrechte wie das Eigentum möglich sind.70 Diese Filterfunktion ist immanent, da das Sacheigentum und das Urheberrecht als das spezielle Regelungsregime für die Ausschließlichkeitsrechte am unkörperlichen geistigen Eigentum71 selbstständig nebeneinander bestehen.72 Der historische Ausgangspunkt ist dabei die Differenzierung in körperliche (res corporales) und unkörperliche Gegenstände (res incorporales) nach dem rö 65

Kaulartz, CR 2016, 474 (479). Höpfner, RdA 2018, 321 (328 f.). 67 Höpfner, RdA 2018, 321 (328). 68 Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 6. 69 Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 6. 70 Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 6. 71 BGH, Urt. v. 10. 7. 2015 – V ZR 206/14, CR 2016, 253 (254). 72 Stieper, in: Staudinger BGB, § 90 BGB, Rn. 13. 66

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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mischen Recht.73 Diese Unterscheidung hatte erheblichen Einfluss auf mehrere Jurisdiktionen, sodass sich ein solch enges Verständnis des Sachbegriffs bei dem Entwurf des BGB gegen einen weiten gemeinrechtlichen Sachbegriff durchgesetzt hat.74 Anders hingegen wird in anderen Jurisdiktionen ein übergeordneter Begriff des Vermögensgutes verwendet, dem körperliche sowie unkörperliche Güter gleichermaßen unterfallen, wie es beispielsweise im französischen, belgischen, italienischen oder spanischem Recht der Fall ist.75 Der deutsche Sachbegriff greift demzufolge auf physikalische Gegebenheiten und nicht bloß auf rechtliche Konstruktionen zurück.76 Diese physikalischen Gegebenheiten sind zwar – wie bereits dargelegt – nicht streng naturwissenschaftlich zu verstehen, die Begrifflichkeit knüpft aber am natürlichen Sprachempfinden des Begriffs der Sache an.77 Der streng naturwissenschaftliche Sachbegriff ist daher nur insoweit nicht maßgebend, als er mit Maßstäben arbeitet, welche im Hinblick auf die Funktion von Rechtsvorschriften nicht angemessen sind.78 Ein Verständnis von Körperlichkeit im Sinne des § 90 BGB kann aus diesen Gründen nicht komplett vom Merkmal der Abgrenzbarkeit im Sinne einer Grenzziehung losgelöst werden, da eine solche extensive Deutung das historische Fundament des Körperlichkeitserfordernisses missachtet. Wie bereits dargestellt, bestehen Kryptowährungen aber rein virtuell, weshalb sich kein unmittelbarer Bezug zu einem körperlichen Speichermedium konstruieren lässt. Auch die privaten und öffentlichen Schlüssel, die gegebenenfalls auf verschiedenen Arten von Walltes gespeichert werden, stellen letztlich nicht die Einheiten einer virtuellen Währung dar, sondern im Falle des privaten Schlüssels nur die faktische Verfügungsgewalt über sie.79 Im Umkehrschluss ist die Annahme richtig, dass Kryptowährungen aufgrund ihres rein virtuellen Charakters nicht körperlich abbildbar und daher in keiner Weise wahrzunehmen sind.80 Und zwar nicht etwa, weil „nur Schlüssel und nicht virtuelle Münzen in der ‚Wallet‘-Datei abgespeichert werden“,81 sondern weil auch die Transaktionsdaten als solche keine Einheiten von Kryptowährungen sind, sondern lediglich die Grundlage, auf der sich diese ergeben. Selbst wenn man also für die Wahrung des Körperlichkeitsbegriffes von einer ausreichenden Verkörperung auf einem Speichermedium ausgehen sollte, so ist diese bei virtuellen Währungen nicht einmal gegeben. Die Abgrenzbarkeit von virtuellen Währungen ist aus diesen Gründen nicht gegeben. Insoweit davon ausgegangen wird, dass eine Abgrenzbarkeit durch die 73

Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 8.1. Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 8.2. 75 Mössner, in: BeckOGK, § 90 BGB, Rn. 9.3. m. w. N. 76 Redeker, NJOZ 2008, 2917 (2919). 77 Vgl. Redeker, NJOZ 2008, 2917 (2919). 78 Schmidt, in: Ermann, BGB, § 90 BGB, Rn. 1. 79 Ebenso Schlund / Pongratz, DStR 2018, 598 (600); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359). Näheres zu den verschiedenen Arten von Walltes unter Kap. 2 A. III. 3. 80 Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359). 81 Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359). 74

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

eindeutige Dokumentation auf der Blockchain erfolgt, wird verkannt, dass gerade eben nicht die Einheiten von Kryptowährungen, sondern nur die Transaktionen auf der Blockchain dokumentiert werden.82 Es bedarf eines weiteren kognitiven Schrittes, um anhand dieser Transaktionsdaten die Information zu gewinnen, welche Adresse in welcher Höhe Guthaben aufweisen kann. Im Ergebnis spricht auch der (historische) Normzweck gegen eine Aufnahme von virtuell bestehenden Kryptowährungen in das Regelregime der körperlichen Gegenstände. (b) Jüngere Rechtsfortbildung in Bezug auf die (sachen-)rechtliche Einordnung von Blockchain-basierten digitalen Werten Im zweiten Schritt ist an den ermittelten Normzweck die Rechtsfortbildung zu stellen und zu fragen, ob der Normzweck aktuell noch verbindlich erscheint.83 Eine Betrachtung der jüngsten gesetzgeberischen Entwicklungen innerhalb der Regulierung der Blockchain-Technologie spricht dagegen, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde, Kryptowährungen als Sachen nach § 90 BGB anzusehen. Im Allgemeinen sprechen hierfür zunächst die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Digitaler Neustart der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder (JuMiKo) aus dem Jahr 2017, welche sich im Ergebnis von einem absoluten Recht an Daten in Form von Dateneigentum abwendet.84 Begründet wird dies vor allem mit dem Fehlen von nachweislichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder anderen Vorteilen für die Wohlfahrt gegenüber der geltenden Rechtslage, wodurch gesellschaftlich wünschenswerte Investitionen ausbleiben würden.85 Das freie Zusammenwirken führe dabei zu besseren und vertraglich flexibel geregelten Ergebnissen als eine feste und unflexible gesetzliche Regelung eines absoluten Rechts an Daten.86 Aus rechtsökonomischer Sicht spricht für solche flexible rechtliche Rahmenbedingungen auch, dass es keine einheitlichen Daten gibt, sondern die Erscheinungsform von Daten und deren Inhalt vielseitig unterschiedlich ist und einem dynamischen Entwicklungsprozess unterliegt. Bei Blockchain-basierten Daten ist dabei zusätzlich auf die unterschiedlichen Inhalte und verschiedenen BlockchainArchitekturen zu verweisen.87 82

So aber John, BKR 2020, 76 (79). Höpfner, RdA 2018, 321 (329). 84 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der JuMiKo, Bericht vom 15. Mai 2017, S. 7 ff., abrufbar unter: https://jm.rlp.de/fileadmin/mjv/Jumiko/Fruehjahrskonferenz_neu/Bericht_der_ AG_Digitaler_Neustart_vom_15._Mai_2017.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 10. 2020). 85 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der JuMiKo, Bericht vom 15. Mai 2017, S. 8. 86 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der JuMiKo, Bericht vom 15. Mai 2017, S. 9. 87 Näher unter Kap. 2 A. II. 4. 83

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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Im Speziellen ist dies beim Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) zu sehen, für welches am 11. August 2020 zunächst der Referentenentwurf erschienen ist.88 Dem dort enthaltenen § 1 Abs. 3 eWpG RefE war erstmals zu entnehmen, dass elektronische Wertpapiere, welche auch als Token auf einer Blockchain abgebildet werden können, als Sachen im Sinne des § 90 BGB gelten sollen. Die Motivation zu dieser sachenrechtlichen Fiktion begründete bereits der Referentenentwurf damit, dass diese Fiktion notwendig ist, „weil nur eine neue Begebungsqualität eingeführt, die Rechtsnatur des Wertpapiers aber gerade nicht geändert werden soll“.89 Der Referentenentwurf ging also davon aus, dass einer digitalen Abbildung keine Sacheigenschaft nach § 90 BGB zukommen kann. Im Gegenteil wollte man einer divergierenden rechtlichen Einordnung durch die Verwendung der neuen Begebungsqualität aufgrund einer Implementierung als Blockchain-basierte Datensätze durch eine sachenrechtliche Fiktion entgehen. Diese legislativen Bestrebungen wurden ebenfalls in den Regierungsentwurf vom 14. 12. 2020 aufgenommen. Dieser hat die sachenrechtliche Fiktion aus dem Referentenentwurf aufgenommen und in § 2 Abs. 3 eWpG-E verankert.90 Dies wurde im Regierungsentwurf (wieder) explizit damit begründet, dass die Fiktion notwendig ist, weil nur eine neue Begebungsmodalität geschaffen werden soll. Eine Änderung der Rechtsnatur von Wertpapieren soll nicht geschehen.91 Auch will der Regierungsentwurf die rechtliche Erfassung von „Kryptowerten“ außerhalb des Wertpapierbereichs explizit nicht beeinflussen.92 Die betreffende Begründung aus dem Referentenentwurf wird damit übernommen. Mittlerweile ist das eWpG in Kraft getreten. Wenn der Gesetzgeber selbst von einer Qualifikation von Blockchain-basierten Daten oder Informationen als Sachen ausgeht, dann wäre diese sachenrechtliche Fiktion nicht notwendig. Dieses konkrete Beispiel im Kontext von Blockchainbasierten digitalen Werten zeigt, dass nicht von einem derart extensiven gesetzgeberischen Willen ausgegangen werden kann, der eine so weite Interpretation des Sachbegriffs befürwortet, dem zufolge rein digital existierende Datensätze als Sachen im Sinne des § 90 BGB darstellen.

88 BMJV, Aktuelle Gesetzgebungsverfahren, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/Shared Docs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Einfuehrung_elektr_Wertpapiere.html (zuletzt aufgerufen am 13. 10. 2020). 89 BMJV / BMF, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 38. 90 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ RegE_Einfuehrung_elektr_Wertpapiere.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt aufgerufen am 2. 2. 2021). 91 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 43. 92 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 31.

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Das eWpG zeigt nur, dass der Gesetzgeber die neuen technologischen Möglichkeiten des Wertpapierhandels rechtlich ermöglichen möchte und zugleich dem Willen der Wirtschaftsakteure zur Nutzung der vielseitigen Vorteile Blockchainbasierter Register nachkommt.93 Es soll aber keine Anerkennung von Blockchainbasierten Daten als Sachen im Sinne des § 90 BGB stattfinden. Möglichkeiten zu einer neuen rechtlichen Qualifizierung von Wertpapieren als Recht sui generis, wie es etwa im schweizerischen Bucheffektengesetz vorgesehen ist, wurden explizit nicht ergriffen, um eine einheitliche Rechtsnatur von Wertpapieren zu wahren.94 Die von Bydlinski angesprochenen „gesetzlich gedeckten Konkretisierungsmöglichkeiten“95 werden derart ergriffen, indem der Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 eWpG klarstellt, dass nur eine sachenrechtliche Fiktion die Sacheigenschaft von Blockchain-basierten Datensätzen herstellen kann. Derart weitreichende Implikationen auf eine genuin sachenrechtliche Neubewertung, wie sie hinsichtlich der Übertragung auf das Zivil- und Finanzmarktrecht wahrgenommen werden, sind explizit nicht anzunehmen.96 Darüber hinaus besteht ein wesentlicher Unterschied, der einen Rückschluss auf die rechtliche Qualifizierung von Kryptowährungen nach dem Maßstab dieser Arbeit verbietet. Das eWpG umfasst nach § 1 eWpG nur Inhaberschuldverschreibungen. Solche Wertpapiere im Sinne des § 793 BGB sind Urkunden, die ein privates Recht verbriefen.97 Ein Blockchain-basiertes Wertpapier gemäß §§ 4 Abs. 1  Nr. 2, 16 eWpG kann demzufolge nur der Verbriefung dienen. Solche BlockchainEinträge sind demzufolge ein Behältnis für ein außerhalb der Blockchain existierendes Recht. Demzufolge handelt es sich um extrinsische, nicht aber um intrinsische Werte. Insoweit also in diesem Zusammenhang etwa auf §§ 25 Abs. 1 S. 1 eWpGE verwiesen wird, welcher vom „Eigentum an einem elektronischen Wertpapier“ spricht, kann das zum einen nicht für intrinsische Token gelten.98 Zum anderen gilt auch hier das zuvor gesagte, nämlich dass der Gesetzgeber die allgemeine sachenrechtliche Erfassung von Kryptowerten nicht beeinflussen möchte.99

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So auch explizit im Regierungsentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 1. 94 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 43. 95 Bydlinski, AcP 198 (1998), 287 (304); John, BKR 2020, 76 (77). 96 Mittwoch, WM 2021, 375 (379). 97 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 793 BGB, Rn. 1. 98 Linardatos, BKR 2021, 58 (59). 99 Linardatos, BKR 2021, 58 (59).

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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(4) Rechtsökonomische Erwägungen des sachenrechtlichen numerus clausus Die Ansicht will zudem aufgrund einer direkten Einordnung von Kryptowährungen als Sachen nach § 90 BGB dem numerus clausus des Sachenrechts die Anwendbarkeit aberkennen, da es sich nicht um eine Erweiterung, sondern vielmehr lediglich um eine Auslegung des bestehenden Begriffes der Sache nach § 90 BGB handeln würde.100 Zugleich wird in diesem Zusammenhang jedoch auch aufgeführt, dass es keineswegs naturgegeben ist, das Sachenrecht ausschließlich körperlichen Sachen vorzuhalten.101 Das impliziert, dass letztendlich doch eine begriffliche Ausdehnung notwendig ist. Dem Sachenrecht wird durch die Diskussion, ob Kryptowährungen Sachen nach § 90 BGB darstellen können, zwar kein neuer gesetzlicher Typus zugesprochen. Aus ökonomischer Sicht wird dadurch aber jedenfalls erreicht, dass ein bedeutender und neuartiger ökonomischer Vermögenswert (ausschließlich) durch die Rechtsliteratur in eine bestehende Rechtssystematik von absoluten Rechten eingeordnet wird und demzufolge dieselben Wirkungen und Verpflichtungen für alle Akteure des Kryptomarkts entfaltet. Hinsichtlich der Rechtfertigung einer Existenz des sachenrechtlichen numerus clausus werden neben rechtsdogmatischen und -historischen Argumenten auch rechtsökonomische Erwägungen angeführt.102 Diese rechtsökonomischen Argumente werden im Besonderen durch eine solche rechtliche Einordnung von Krypto­ währungen berührt.103 Aus diesen Grund sollen sie im Nachfolgenden näher betrachtet werden und zugleich eine rechtsökonomische Analyse erfolgen. (a) Effizienzsenkung durch Erhöhung der Informationskosten Aus Perspektive der Rechtsökonomik ist der numerus clausus (sowie der Typen­ zwang) notwendig, um die Informationskosten zu senken und damit die Verkehrsfähigkeit von Waren, an denen dingliche Rechte bestehen, zu erhöhen.104 Geht man davon aus, dass Blockchain-basierten virtuellen Währungen aufgrund einer Klassifizierung als Sachen nach § 90 BGB auch die Stellung und Wirkung als absolutes Recht zukommt, ergeben sich dadurch ökonomische Nachteile, welche im Folgenden nachgewiesen werden. Mit Blick auf die ökonomischen Erwägungen hinsichtlich der Anerkennung des Dateneigentums im Sinne eines Property Rights in Analogie zum Eigentumsschutz 100

John, BKR 2020, 76 (80). Koch, ZBB 2018, 359 (364). 102 Heinze, in: Staudinger BGB, Einl. zum Sachenrecht, Rn. 103 ff. 103 Heinze, in: Staudinger BGB, Einl. zum Sachenrecht, Rn. 103 ff. 104 Merrill / Smith, Yale Law Journal, Vol. 110, Iss. 1, 1 (27). 101

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

wird in Bezug auf das Coase-Theorem angeführt, dass die Definition von Eigentumsrechten die jeweiligen Transaktionskosten senken und dadurch die effiziente Allokation knapper Ressourcen erreicht werden kann.105 Insoweit ist eine nähere Betrachtung angebracht, ob solche Effekte auch für Kryptowährungen aufgrund einer Einordnung als Sache nach § 90 BGB zu erwarten sind und zu einer gesteigerten Verkehrsfähigkeit führen. Zu beachten ist, dass sich das effiziente Ergebnis von selbst durchsetzt solange Austauschprozesse möglich sind, weshalb es in diesem Fall die Aufgabe des Rechts ist, solche Austauschprozesse nicht zu behindern.106 Das Recht hat vielmehr erst dann einzuschreiten, wenn die Märkte und damit die effizienten Austauschprozesse etwa aufgrund zu hoher Transaktionskosten versagen.107 Hieraus wird deutlich, dass die Steigerung oder Senkung von Transaktionskosten in diesem Fall als Messinstrument dienen können. Wenn die Einordnung als Sache und demzufolge als absolutes Eigentumsrecht die Transaktionskosten des betreffenden Marktes senken kann, soll diese Lösung als effizienzsteigernd angesehen werden. Hinsichtlich Blockchain-basierter Kryptowährungen wird jedoch – ohne weitere Begründung – vereinzelt angenommen, dass die Begründung von absoluten Rechten an ihnen zu einer Steigerung der Transaktionskosten führt.108 Eine Überprüfung dieser Behauptung soll nachfolgend erstmalig erbracht werden. Unter Transaktionskosten sollen dabei die Kosten für die Information und Koordination bei der Übertragung von Rechten und deren Durchsetzung verstanden werden.109 Zu den Transaktionskosten gehören demzufolge auch die Informationskosten, denen im Folgenden eine wesentliche Rolle zukommen wird. Dabei gilt die Prämisse, dass die Minimierung von jeglichen Transaktionskosten auch notwendig für die (bestmögliche) Funktionsweise des Marktes für Rechtspositionen ist.110 Denn prohibitiv hohe Transaktionskosten können den Effekt haben, dass eine Markttransaktion von (Vermögens-)Gütern unterbleiben kann, obwohl sie für sich genommen für beide Akteure der Transaktion vorteilhaft wäre.111 Vor diesem Hintergrund ist es wichtig vorwegzunehmen, dass die BlockchainNetzwerke, welche den Kryptowährungen zugrunde liegen, bereits seit Jahren (teilweise seit über einem Jahrzehnt) bestehen und sich bereits ein wirtschaftliches Ökosystem ausgebildet und gefestigt hat, innerhalb dessen zahlreiche Akteure bereits durch Transaktionen miteinander agieren. Die Annahme, dass diese Transaktionen nur inter partes geschehen,112 ist aber technisch nicht korrekt, weil 105

Coase, The Journal of Law and Economics, Vol. 3 1960, 1 (17); So für das Dateneigentum etwa Wagner, in: MüKoBGB, § 823 BGB, Rn. 334 f. 106 Eidenmüller, S. 66. 107 Eidenmüller, S. 66. 108 Maute, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4, Rn. 32. 109 Schäfer / Ott, S. 102. 110 Eidenmüller, S. 64. 111 Eidenmüller, S. 64. 112 Maute, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 5, Rn. 9.

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die Aufnahme einer Transaktion durch das gesamte Netzwerk geschieht und geschehen muss, damit eine Transaktion gültig ist. Die Verständigung zwischen den Parteien einer Transaktion erfolgt aber ausschließlich inter patres. Wird nun eine Änderung der rechtlichen Anerkennung von Kryptowährungen vorgenommen, so wirkt sich diese Änderung auf die Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen aus. Das ist der Fall, da diese Änderung weitreichende rechtliche Folgen für die Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren bedeutet, da etwa die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vorher nicht bestanden hat. Insoweit man die Property Rights als akzeptierte Verhaltensweisen, welche aus der Existenz von (Vermögens-)Gütern erwachsen und sich auf ihren Gebrauch beziehen verstehen möchte,113 ist also eine Änderung dieser Verhaltensweisen anzunehmen. Dies hat notwendigerweise Auswirkungen auf die Austauschprozesse zwischen den Parteien. Demzufolge kann auch das eine Auswirkung auf die Frage der Effizienzbewertung haben, da sich das effiziente Ergebnis bei funktionierenden Austauschprozessen selbst durchsetzt.114 Kryptowährungen bestehen im absoluten Regelfall innerhalb dezentraler Netzwerke, deren Nodes weltweit verteilt sind und in denen eine Anonymität der Nutzer herrscht. Insoweit die Einheiten Blockchain-basierter Währungen auf Kryptohandelsplattformen erworben werden, ist den Akteuren daher oftmals nicht bewusst, mit wem sie dort interagieren. Daher ist davon auszugehen, dass innerhalb solcher Netzwerke ein besonders hoher Aufwand für die Beschaffung von Informationen herrscht, welcher die Informationskosten negativ beeinflusst. Denn Informationskosten fallen unter anderem durch die Beschaffung von Informationen im Vorfeld einer Entscheidungsfindung an, wobei die Information als zweckorientiertes Wissen definiert ist.115 Die Informationsbeschaffung ist besonders erschwert, wenn die einzelnen Informationen global verteilt sind und die Identität der Informationsinhaber unbekannt ist. Des Weiteren herrscht in Blockchain-Systemen über die Konsensbildung hinaus kein weiterer kommunikativer Informationsaustausch, sodass das System selbst auch schon gar keine Austauschkanäle für Informationen bereitstellen kann.116 Vielmehr ist dies kein Zufall, sondern beabsichtigte Folge der willentlich herrschenden (grundsätzlichen) Anonymität zwischen den Adresseninhabern. Der ideelle Sinn und Zweck der die Konsensbildung bestimmenden Konsensfindungsmechanismen ist nämlich, dass Vertrauen zwischen den einzelnen Akteuren hergestellt werden kann, ohne dass diese sich gegenseitig vertrauen und damit logischerweise zwingend kennen müssen.117 Ohne eine absolute Rechtsstellung können die Akteure innerhalb des Blockchain-Systems auf die Richtigkeit der Transaktionen vertrauen, weil der Konsens­ 113

Schäfer / Ott, S. 98. Eidenmüller, S. 66. 115 Schäfer / Ott, S. 500. 116 Schwintowski et al., NJOZ 2018, 1401 (1405). 117 Näheres zu den Konsensfindungsmechanismen unter Kap. 2 A. II. 7. 114

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

bildungsprozess hierfür sorgt, indem er – wie in der technischen Einführung bereits erwähnt – vor allem etwa das Double-Spending-Problem löst. Außerhalb dieser durch das System automatisch ermittelten Korrektheit hat der einzelne Akteur demzufolge keine weiteren Informationskosten, weil keine weiteren Informationen notwendig sind, um dem Erhalt einer Transaktion zu vertrauen. Des Weiteren sind die Informationskosten bei einer ggf. eintretenden (schuldrechtlich motivierten) Rückabwicklung der Transaktion gering, da  – wie bereits dargelegt  – ausschließlich die (rechtliche) Beziehung zwischen den beiden Parteien einer Transaktion maßgeblich ist.118 Dieser Zustand ist als effizient zu bezeichnen, da die Notwendigkeit von weiteren Informationen gering gehalten wird. Denn vor dem Hintergrund, dass die Notwendigkeit zusätzlicher Informationen hohe Informationskosten verursacht, wird das Erfordernis unverzichtbarer Informationen auf ein Minimum reduziert. Wenn an den Einheiten der jeweiligen Kryptowährung (plötzlich) absolut wirkende Eigentumsrechte bestehen, haben die einzelnen Akteure die daraus folgenden rechtlichen Wirkungen zu beachten. Für ein Blockchain-System ist es nämlich irrelevant, ob der tatsächliche Ersteller der Adresse im Netzwerk den privaten Schlüssel für eine Transaktion benutzt, oder ob ein Dritter, der diesen Schlüssel beispielsweise durch einen Hacking-Angriff erhalten hat, die Transaktion damit signiert und somit tätigt. In beiden Fällen wurde der korrekte private Schlüssel für die Adresse genutzt, sodass eine Transaktion verifiziert worden ist und an die Adresse des Empfängers weitergeleitet wird. Der in der Blockchain abgebildete Zustand stellt somit immer zugleich die Realität der Transaktionen dar.119 Eine Richtigkeitsvermutung wie etwa bei Depotumbuchungen im Wertpapierrecht120 führt demzufolge zu keiner Besserstellung, weil die Blockchain keiner Vermutungen bedarf, sondern den ausschließlich korrekten Datenbestand aus Sicht aller Teilnehmer im Netzwerk abbildet. Daher kann die Überlegung einer so zu erreichenden effizienten Verteilung der Überwachungs- und Informationskosten und eine damit verbundene eindeutige Zuordnung nicht einfach auf Kryptowährungen übertragen werden.121 Besteht nun ein absolutes dingliches Eigentumsrecht an Kryptowährungen, so müssen sich die Akteure innerhalb des Systems aber vielmehr des Weiteren fragen, ob der Absender der Transaktion der tatsächliche „Eigentümer“ über die versendeten Einheiten der virtuellen Währung ist. Außerdem muss geklärt werden, ab welchem Moment (welcher im Detail völlig unklar ist) sie als gutgläubig anzusehen wären, sodass der Eigentumsübergang nach den entsprechenden Regeln des gutgläubigen Erwerbs dennoch erfolgt ist. Weiterhin könnten sie Ansprüchen von 118

Allgemein von Transaktionskosten sprechend Maute, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 5, Rn. 9. 119 Weiss, JuS 2019, 1050 (1053). 120 John, BKR 2020, 76 (80). 121 So aber John, BKR 2020, 76 (80 f.).

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früheren „Inhabern“ ausgesetzt sein, mit welchen sie zu keinem Zeitpunkt interagiert haben und diese einander daher unbekannt sind.122 Dabei ist die Frage zunächst ausgeklammert, ob es bei Blockchain-basierten Währungen überhaupt einen geeigneten Rechtsscheinträger für die Normen des gutgläubigen Erwerbs geben kann.123 Auf sie wird vielmehr nur deswegen an dieser Stelle bewusst eingegangen, da Befürworter einer (analogen) Anwendung des § 90 BGB auf die Vorteile des folgenden gutgläubigen Erwerbs verweisen.124 Vor allem vor dem Hintergrund des hohen Wertes von Kryptowährungen wie etwa dem Bitcoin ist davon auszugehen, dass die Akteure besonderes Interesse an der Erlangung solcher Informationen haben. All diese neuen Informationen werden notwendig. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass durch die absolute Rechtsstellung von Kryptowährungen als Sachen im Sinne des § 90 BGB weiteres zweckorientiertes Wissen erforderlich werden wird, welches sich außerhalb der jeweiligen Blockchain befindet. Da die Blockchain-Applikationen, welche Kryptowährungen zugrunde liegen, aber nicht für die Kommunikation außerhalb der Konsensfindungsmechanismen ausgelegt sind, besteht innerhalb der Blockchain kein Informationskanal für die Erlangung dieser weiteren zweckorientierten Informationen. Vielmehr kann es aufgrund der grundsätzlich innerhalb des Netzwerks vorhandenen Anonymität der hinter den Adressen stehenden Personen daher vom reinen Zufall abhängig sein, ob ein Teilnehmer der Transaktionskette aus seiner realen Unbekanntheit heraustritt und somit eine Rechtsdurchsetzung gegen ihn möglich ist.125 Neben der Tatsache, dass Kryptowährungen einen neuen Typus wirtschaftlich bedeutsamer Vermögenswerte bilden, bestehen sie des Weiteren demzufolge auch in einem neuartigen wirtschaftlichen Ökosystem, welches aufgrund seiner Internationalität und Anonymität hohe Hürden für einen Informationsaustausch zwischen den Netzwerkteilnehmern beinhaltet. Als Zwischenergebnis festgehalten führt die Klassifizierung von virtuellen Währungen als Sache nach § 90 BGB und damit als absolutes Recht zu der Notwendigkeit neuer Informationen. Die damit zwangsläufige Informationsgewinnung ist aber vor dem Hintergrund der hohen Transaktionskosten folgenschwer. Denn durch den Anstieg der Transaktionskosten ist ebenfalls von einer Verschlechterung der Austauschprozesse auszugehen. Eine solche „Einmischung“ des Rechts führt demzufolge zu einer Effizienzsenkung nach dem Pareto Kriterium. Da alle Akteure von ihnen betroffen sind, sind keine Gewinner festzustellen, deren Vorteile derart groß sind, dass sie die Verlierer kompensieren würden.126

122 Ebenfalls im Ergebnis Maute, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 5, Rn. 9. 123 Hierzu näher unter Kap. 5 B. I. 4. c) dd) (3). 124 John, BKR 2020, 76; Koch, ZBB 2018, 359 (364); Walter, NJW 2019, 3609 (3614). 125 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (523). 126 Vgl. Eidenmüller, S. 51.

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Dem ist aus rechtsökonomischer Sicht jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass eine solche absolute Rechtsstellung der Inhaberschaft von virtuellen Währungen durch die dadurch entstehenden Rechtswirkungen zumindest eine Besserstellung des jeweiligen Rechteinhabers darstellen würden. Ähnlich wie bei Daten führt ein effektiver rechtlicher Schutz vor Eingriffen unberechtigter Dritter etwa zu Kosteneinsparungen für die technischen Schutzvorkehrungen.127 Vor diesem Hintergrund könnten also doch Gewinner einer solchen Rechtsänderung bestehen. Diese sind bei Kryptowährungen jedoch nicht sonderlich hoch, da eine Sicherung schon mit einfachen Paper-Wallets erreicht werden kann, also dem Notieren des privaten Schlüssels auf einem Schriftstück verbunden mit der sicheren Aufbewahrung. Auch wenn simplen Formen von Paper-Wallets die Sicherheit aufgrund ihrer leichten Zerstörbarkeit mittlerweile abgesprochen wird,128 so hat sich selbst bei der Beschaffung von Cold-Wallets durchgesetzt, dass der private Schlüssel (auch) in Metallplatten eingestanzt wird, welche dann weder durch Wasser- noch durch Feuereinwirkung zerstört werden können. Generell hat sich mittlerweile ein professionelles Angebot an diesen besonders sicheren Cold-Wallets etabliert, deren Existenz und Verwendung in der Crypto-Szene weitläufig bekannt sind.129 Allein das Cold-Wallet-Gerät namens Ledger Nano S hat auf der deutschen Internetseite von Amazon bereits über 3000 Bewertungen und ist von Amazon als „Amazons Choice“ markiert.130 Dieses Beispiel untermauert die einfache und bereits verbreitete Annahme solcher Sicherungsmöglichkeiten. Insoweit führt die unwesentlich hohe Besserstellung der Kryptowährungsinhaber zu einer Schlechterstellung der anderen Akteure des jeweiligen Blockchain-Systems, etwa der Transaktionsempfänger, da für sie die Informationskosten signifikant steigen. Jedoch ist jeder Kryptowährungsinhaber zugleich auch (potenzieller) Transaktionsempfänger, sodass er ebenfalls Adressat der erhöhten Informationskosten ist. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass die erhöhten Informationskosten zumindest einige Akteure von einer Interaktion innerhalb des Blockchain-Netzwerks abhalten würden. Dadurch sinkt die Nachfrage bei den Inhabern von Einheiten der jeweiligen Kryptowährung, sodass von einem Rückgang des Konsums auszugehen ist, wodurch man sich von einem Zustand der effizienten Konsumtion entfernt.131 Insoweit die Nachfrage aufgrund der erhöhten Transaktionskosten vor allem auf der Seite der Erwerber sinkt, wird der wirtschaftliche Wert bei den Inhabern ebenfalls abnehmen. Denn insoweit ist 127

Wagner, in: MüKoBGB, § 823 BGB, Rn. 335. Bitcoin Foundation Wiki, Paper Waller, abrufbar unter: https://en.bitcoin.it/wiki/Paper_ wallet (zuletzt aufgerufen am 12. 12. 2020). 129 Dies belegt stellvertretend für viele weitere etwa ein Beitrag der Blockchain News-Plattform Cryptoticker, Was ist ein Cold Wallet und wieso sind sie so wichtig?, abrufbar unter: https://cryptoticker.io/de/cold-wallet-wichtig/ (zuletzt aufgerufen am 29. 12. 2020). 130 Amazon, Ledger Nano S, abrufbar unter: https://tinyurl.com/yyzg6l6w (zuletzt aufgerufen am 29. 12. 2020). 131 Schäfer / Ott, S. 28. 128

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der wirtschaftliche Wert, welcher durch die (ausschließliche) Inhaberschaft des zu einer Adresse gehörenden privaten Schlüssels verkörpert wird, der entscheidende Faktor innerhalb des wirtschaftlichen Ökosystems von virtuellen Währungen, da ihnen ansonsten weder eine (staatliche)  Annahmegarantie noch sonst eine Verlustgrenze innewohnt. Demgegenüber ist der Wert der Ausschließlichkeitsrechte nicht von derselben Bedeutung, wie es bei körperlichen Gegenständen der Fall ist. Lediglich richtig ist, dass die faktische Position von Kryptowährungen eher mit der Stellung des Sacheigentümers vergleichbar ist, da dieser unter anderem seine ausschließliche Inhaberschaft vor rivalisierender Nutzung dadurch sichern kann, indem er seinen privaten Schlüssel geheim hält.132 Daher ist nicht davon auszugehen, dass Nutzer bei einer hypothetischen Betrachtung gemäß der Auktions-Entscheidungsregel nach Posner die Vorteile der Rechtsstellung als absolutes Recht den Kursverlusten vorziehen würden.133 Es bleibt also dabei, dass auch nach der Betrachtung der vermeintlichen Vorteile einer Einordnung als Sache nach § 90 BGB keine derart bessergestellten Akteure erkennbar sind, als dass deren Gewinne die Verluste der Verlierer kompensieren.134 Im Gegenteil ist eine Schlechterstellung aller Akteure des Kryptomarkts anzunehmen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine so erreichte Bündelung der Property Rights als Handlungsrechte135 aufgrund der allokativen Wirkungen nicht mit dem Ziel der Effizienz vereinbar ist, da sie nicht mit dem Kaldor-Hicks-Kriterium vereinbar sind.136 (b) Tragedy of the anticommons Des Weiteren besteht die rechtsökonomische Befürchtung, dass eine Ausuferung der (dinglichen) Ausschließlichkeitsrechte zu einer unzureichenden Ressourcennutzung führen kann (tragedy of the anticommons).137 Auch dies wird als Argument für einen (strengen) sachenrechtlichen numerus clausus angesehen.138 Diese unzureichende Ressourcennutzung kann vor allem dann auftreten, wenn neue Eigentumsrechte erschaffen werden, welche Ausschlussrechte mit sich führen.139 Wenn mehr Individuen solche Ausschlussrechte besitzen, die es erlauben sich gegenseitig von der Nutzung einer Ressource auszuschließen, müssen die dadurch entstehenden Transaktionskosten auf sich genommen werden. Diese entste 132

Pesch, S. 100. Posner, Economic Analysis of Law, S. 12 ff. 134 Eidenmüller, S. 51; Towfigh / Petersen, S. 44. 135 Schäfer / Ott, S. 98. 136 Vgl. Schäfer / Ott, S. 99. 137 Heller, Harvard Law Review, Vol. 111, Nr. 3, 621 (624). 138 Heinze, in: Staudinger BGB, Einl. Zum Sachenrecht, Rn. 106. 139 Buchanan / Yoon, The Journal of Law & Economics, Vol. 43, Nr. 1, 1 (2); Heller, Harvard Law Review, Vol. 111, Nr. 3, 621 (624). 133

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hen, um überhaupt die Information zu erlangen, wer diese Ausschließlichkeitsrechte innehat.140 Die soeben beschriebene Erhöhung der Informationskosten hat den Effekt, dass der wirtschaftliche Wert der betroffenen Vermögenswerte (Krypto­ währungen) dadurch absinkt, da eine Unterauslastung der Ressourcen infolge der erhöhten Transaktionskosten eintritt.141 Die erstmalige Eingliederung neuartiger Vermögenswerte in bestehende Systematiken von Ausschlussrechten steht diesen Effekten dabei gleich. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob ein ausschlussrechtlich nicht umfasster Vermögenswert ein neues Rechtsregime erfährt oder erstmals in ein bestehendes eingegliedert wird. In beiden Fällen unterliegt der Vermögensgegenstand erstmalig Ausschlussrechten. Das wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass sich Kryptowährungen als Kette digitaler Signaturen auszeichnen. Insoweit kann der UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk aus eingegangenen, aber noch nicht in einer Transaktion verwendeten Inputs bestehen, welche selbst eine lange Transaktionshistorie aufweisen. Der UTXO als maßgebliche Einheit für die Zurechenbarkeit der Anzahl an Einheiten einer Blockchain-basierten virtuellen Währung kann demzufolge ungenutzt bleiben, da eine Vielzahl der vorherigen „Eigentümer“ theoretisch Ausschlussrechte ausüben könnten.142 Dieser Verkomplizierung steht aber kein real-wirtschaftlicher Mehrwert entgegen. Denn wie bereits zuvor erwähnt, führen die technischen Gegebenheiten der Blockchain-Technologie dazu, dass ausschließlich die Kenntnis des zugehörigen privaten Schlüssels die Möglichkeit zur Verfügung über die Einheiten der jeweiligen Adresse zugehörigen Kryptowährungen ermöglicht. Die einzelnen Währungseinheiten können nicht vervielfältigt werden, sodass die Nutzung durch einen anderen ausschließlich durch die Kenntnis des privaten Schlüssels möglich ist.143 Schon aus technischer Sicht ist daher die Wirkung des § 903 S. 1 BGB weitestgehend erreicht, ohne dass es eine Anerkennung eines Eigentumsrechts an Kryptowährungen als Sache bedarf.144 Auch der Schutz durch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, wie er von einigen Literaturstimmen angeführt wird,145 überzeugt nicht. Denn der den gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB rechtfertigende Rechtsschein, woraus sich das Vertrauen des Erwerbers in das Eigentum des Veräußerers begründet, resultiert aus der Besitzverschaffungsmacht als Legitimationsgrundlage.146 Einen Rechtsscheinträger gibt es im Falle Blockchain-basierter ­K ryptowährungen jedoch nicht, wie in Kap. 5 B. I. 4) c) dd) (3) noch genauer erläutert wird. 140

Heller, Harvard Law Review, Vol. 111, Nr. 3, 621 (674). Vgl. Buchanan / Yoon, Journal of Law & Economics, Vol. 43, Nr. 1, 1 (2). 142 Vgl. Buchanan / Yoon, Journal of Law & Economics, Vol. 43, Nr. 1, 1 (11). 143 Pesch, S. 99. 144 Pesch, S. 100. 145 Koch, ZBB 2019, 76 (81). 146 Klinck, in: BeckOGK BGB, § 932 BGB, Rn. 7; Oechsler, in: MüKoBGB, § 932  BGB, Rn. 6. 141

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Dem kann man zunächst entgegenhalten, dass etwa hinsichtlich der Einführung Blockchain-basierter Kapitalgesellschaften argumentiert wird, dass privatrecht­ liche Grundlagen zwingend notwendig sind, die Blockchain-basierte Transaktionen ermöglichen und anerkennen, weil anderenfalls das notwendige Vertrauen in eine weitflächige Nutzung durch das breite Publikum fehlt.147 Das damit einhergehend attestierte Regelungsbedürfnis für die Rechtsnatur von Blockchain-Token bezieht sich aber auf extrinsische Token, die außerhalb der Blockchain existierende Rechte oder Gegenstände spiegeln.148 Daher kann diese Argumentation nicht auf intrinsische Blockchain-basierte Vermögenswerte übertragen werden. Des Weiteren ist es der ideologische Hintergrund der Blockchain-Technologie, dass sie Vertrauen durch technisch implementierte Prozesse erstellen kann. Dieses Vertrauen wird gerade ohne die Notwendigkeit eines überwachenden und die Abläufe regelnden Intermediärs erreicht. Die Frage nach der rechtlichen Regelung dieser technisch bereits implementierten Interaktionen mit Vermögenswerten ist also mehr eine regulatorische Frage als ein Erfordernis zur Vertrauensschaffung. Darüber hinaus sind Blockchain-Systeme auch darauf ausgelegt, dass aufgrund der Verkettung durch den Einsatz von kryptografischen Hash-Funktionen rückwirkend nicht in den Datenbestand eingegriffen werden kann.149 Die Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten kann demzufolge nicht einfach erfolgen, indem eine Korrektur der Blockchain stattfindet. Die in diesem Zusammenhang diskutierte Möglichkeit über sog. Reverse Transactions, also der Erzeugung fiktiver Transaktionen bis zur Erreichung eines gewünschten Status,150 ist nicht praktikabel. Denn das Einfügen von Transaktionen kann nur erfolgen, wenn die Transaktionen derart korrekt sind, dass sie den jeweiligen Konsensregeln entsprechen. Es können daher keine fiktiven, sondern im Gegenteil nur tatsächliche Transaktionen erfolgreich erfolgen. Im Ergebnis würde auf die regelnden Konsensfindungsprozesse der BlockchainTechnologie ein weiteres rechtliches Geflecht gesetzt werden, dessen Effektivität hinsichtlich des Schutzes der dadurch entstehenden rechtlichen Stellung gering ist, da dieser bereits durch die technischen Gegebenheiten der Blockchain-Technologie gewährleistet ist, ohne dass diese rechtliche Anerkennung hierfür benötigt wird. c) Zwischenergebnis Eine Vielzahl von Erwägungen spricht gegen eine Einordnung von Kryptowährungen als Sache im Sinne des § 90 BGB.

147

Möslein et al., ZIP 2020, 2149 (2151). Möslein et al., ZIP 2020, 2149 (2151). 149 Näher zu Hash-Funktionen unter Kap. 2 A. II. 5. 150 Schrey / T halhofer, NJW 2017, 1431 (1435). 148

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Vor allem die rechtsökonomischen Erwägungen des numerus clausus des Sachenrechts zeigen auf, dass die Folgen einer Anerkennung von Kryptowährungen als Sachen nach § 90 BGB durch die Rechtsliteratur (und explizit nicht durch den Gesetzgeber) die jeweiligen Markttransaktionen verkomplizieren würde, ohne gewichtige Vorteile zu bringen. Eine maßgebliche Anforderung an das Recht aus der Sicht der Rechtsökonomik ist jedoch, dass ökonomisch erwünschte Ergebnisse dadurch erreicht werden, dass rechtliche Regeln Markttransaktionen erleichtern sollen.151 Aus dem Blickwinkel der Rechtsökonomik führt eine von Kryptowährungen als Sachen nach § 90 BGB zur Effizienzsenkung. 2. Teleologische Extension des § 90 BGB Vor dem Hintergrund des „Phänomens“ virtuelle Währungen stellt sich die Frage, ob ihre Einordnung unter den Sachbegriff des § 90 BGB durch Methoden der Rechtsfortbildung sinnvoll und methodisch korrekt wäre. Vereinzelt wird in der Literatur eine teleologische Extension des Sachbegriffs nach § 90 BGB diskutiert.152 Unter einer teleologischen Extension versteht man – im Gegensatz zu einer bloßen weiten Auslegung – die erweiternde Auslegung eines Normmerkmals.153 Sie wird daher gelegentlich auch als Untergruppe der Gesetzes­ analogien verstanden.154 Die Grenze einer solchen teleologischen Auslegung ist aber stets der Wortlaut der Norm.155 Notwendig ist somit zunächst, dass der Normtatbestand zu eng formuliert ist.156 Eine teleologische Extension kommt also nur dann in Betracht, wenn der Zweck der Norm im Wortlaut unzureichend Ausdruck findet.157 Weitere Voraussetzung ist, dass der Normzweck eindeutig ermittelt und eine Korrektur notwendig ist, da ohne diese der Normzweck in einigen Fällen verfehlt wäre, so dass ein schwerwiegender Wertungswiderspruch oder eine offenbare Ungerechtigkeit nicht zu vermeiden ist.158 Dem § 90 BGB muss also der Zweck innewohnen, auch unkörperliche Gegenstände (ggf. unter gewissen Voraussetzungen) unter den Sachbegriff fallen zu lassen, was im Wortlaut der Norm, genauer gesagt unter dem Merkmal „körperlich“, 151

Eidenmüller, S. 63. Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia Recht, Teil 13.6, Rn. 22; ebenfalls Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497). 153 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 623. 154 Rüthers et al., Rechtstheorie, Rn. 904; a. A. wohl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 398 ff., der zwar die Nähe der teleologischen Extension zur Analogie erkennt, sie jedoch weiterhin als eigene Methode richterlicher Rechtsfortbildung behandelt. 155 Schmidt, JuS 2003, 649 (651). 156 Rüthers et al., Rechtstheorie, Rn. 904. 157 Schmidt, JuS 2003, 649 (651). 158 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 400. 152

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nicht zum Ausdruck kommt. Unabhängig davon ist jedoch schon nicht erkennbar, dass ohne eine teleologische Extension des Merkmals „körperlich“ Wertungs­ widersprüche oder Ungerechtigkeiten entstehen, welche unvermeidlich sind. Aber auch wenn letzteres ignoriert und argumentiert wird, dass der Zweck des § 90 BGB auch die Sacheigenschaft von mittelbar verkörperten Werten erreichen möchte, sind virtuelle Währungen nicht unter eine solche erweiternde Auslegung des Merkmals „körperlich“ subsumierbar. Denn wie schon festgestellt wurde, sind virtuelle Währungen nicht einmal mittelbar auf physischen Datenträgern verkörpert, sondern ausschließlich digital existent.159 Aufgrund ihrer Natur als rein virtuell existierendes Wirtschaftsgut bietet auch eine – im Vorliegen ihrer Voraussetzungen auch durchaus fragwürdige – teleologische Extension des Normmerkmals „körperlich“ somit keinen Raum für die Einordnung von Kryptowährungen unter den Sachbegriff des § 90 BGB.160 Nicht zuletzt wird eine teleologische Extension des § 90 BGB durch das sachenrechtliche Numerus-Clausus-Prinzip, wonach dingliche Rechte aufgrund ihrer absoluten Wirkung zum Verkehrsschutz für jedermann erkennbar und bestimmbar sein müssen, beschränkt.161 Aus allen Blickwinkeln scheidet somit eine teleologische Extension aus. 3. Analoge Anwendung des § 90 BGB Des Weiteren ist eine Gesetzesanalogie des § 90 BGB diskutabel, da sie innerhalb der Literatur vereinzelt angenommen wird.162 Bei einer Gesetzesanalogie wird eine einzelne Rechtsvorschrift für einen gesetzlich ungeregelten Sachverhalt herangezogen.163 Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen einer (planwidrigen) Regelungslücke und die Vergleichbarkeit der Interessenlage von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt.164 Blockchain-basierte virtuelle Währungen stellen zwar rein virtuell existierende Einheiten dar, denen aber ein erheblicher wirtschaftlicher Vermögenswert zukommt, welcher insoweit schutzbedürftig ist.165

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Siehe hierzu näher Kap. 3 C. I. 1. b) bb). So im Ergebnis auch Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497). 161 Shmatenko / Möllenkamp, in: Hoeren et al., Multimedia Recht, Teil 13.6, Rn. 22; Wiegand, in: FS Kroeschell (1987), 623 (637 f.). 162 Walter, NJW 2019, 3609 (3611 ff.). 163 Rüthers et al., Rechtstheorie, Rn. 882. 164 Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6, Rn. 102. 165 Dorner, CR 2014, 617 (625). 160

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a) Planwidrige Regelungslücke Dabei lässt sich das Vorliegen einer Regelungslücke in Form einer bewussten Nichtregelung, also dem bewussten Überlassen der Regelung einer Rechtsfrage durch den Normsetzer an den Rechtsanwender mit Mitteln der Rechtsentwicklung,166 zunächst durchaus vertreten. Spätestens seit dem „Hype“ um Kryptowährungen in den vergangenen Jahren sind diese in weiten Teilen der Gesellschaft bekannt und verbreitet. Maßgeblich hierfür ist die anhaltende mediale Berichterstattung – befeuert durch die starken Kursschwankungen – über Kryptowährungen, vor allem über Bitcoin. Das Internet bietet jedem Interessenten einen leichten Zugang zu ihnen, indem es eine Vielzahl von Zugangsmöglichkeiten und Handlungsanweisungen zur Nutzung von virtuellen Währungen zur Verfügung stellt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist schon im Jahr 2011 in einem Merkblatt auf virtuelle Währungen – namentlich den Bitcoin – eingegangen und hat diese als Finanzinstrument nach § 1 Abs. 11 KWG eingestuft.167 Innerhalb der Rechtswissenschaft wird die Frage der rechtlichen Einordnung schon seit Jahren diskutiert. Vor dem Hintergrund dieser breiten Beachtungsspanne kann davon ausgegangen werden, dass auch dem Gesetzgeber virtuelle Währungen seit längerem bekannt sind. Auch die Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ hat bei der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder vom 15. Mai 2017 erstmals berichtet, dass die zivilrechtliche Qualifizierung von virtuellen Währungen zwar schwierig ist, jedoch zu diesem Zeitpunkt ein gesetzlicher Handlungsbedarf – freilich vor dem bislang größten Hype um Kryptowährungen zum Ende des Jahres 2017  – nicht besteht.168 Dieselbe Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht vom 15. April 2019 an dieser Einschätzung festgehalten und explizit darauf verwiesen, dass es den Gerichten überlassen ist, aufkommende Rechtsfragen auf Grundlage des geltenden Rechts im Einzelfall zu klären.169 Die Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ stellt zwar kein Gesetzgebungsorgan dar. Jedoch wurde sie von den Justizministerinnen und Justizministern der Länder bereits im Jahr 2015 eingerichtet, um die Folgen der Digitalisierung auf das Zivilrecht zu erforschen.170 Den Einschätzungen dieser Arbeitsgruppe ist daher rechtspolitisches Gewicht zuzumessen. Hierfür spricht 166

Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 572. BaFin, Merkblatt „Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 3 KWG“, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_111220_finanzinstrumente.html (zuletzt aufgerufen am 22. 10. 2019). 168 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“, Bericht vom 15. Mai 2017, S. 269, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/zt_bericht_arbeitsgruppe/bericht_ ag_dig_neustart.pdf (zuletzt aufgerufen am: 24. 8. 2019). 169 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“, Bericht vom 15. April 2019, S. 9, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/zt_fortsetzung_arbeitsgruppe_ teil_2/2019-04-15-Bericht_April-2019.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 8. 2019). 170 Justizportal Nordrhein-Westfalen, https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_ neustart/index.php (zuletzt aufgerufen am 24. 8. 2019). 167

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auch, dass die Ergebnisse ihres Berichts vom 15. April 2019 durch Beschluss der Frühjahrskonferenz 2019 der Justizministerinnen und Justizminister explizit zur Kenntnis genommen wurden.171 Den einzelnen Justizministerien sind die Ergebnisse also bekannt. Auf den ersten Blick erscheint es daher naheliegend, dass der Gesetzgeber bewusst die zivilrechtliche Auseinandersetzung mit virtuellen Währungen offengelassen hat. Auf den zweiten Blick spricht gegen eine bewusste Nichtregelung aber zunächst, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat, dass sie sich „für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen“172 möchte. Dieser Zielsetzung ist sie mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur 5. EU-Geldwäscherichtlinie nachgekommen, wonach unter anderem das Kredit­ wesengesetz (KWG) nun in § 1  Abs. 11  S.  1  Nr.  10  KWG explizit Kryptowerte kennt. Sie sind als Finanzinstrumente zu werten und fallen daher unter die Erlaubnispflicht der BaFin.173 Diese nunmehr erstmalige gesetzliche Verankerung dient jedoch nicht einer zivilrechtlichen Einordnung von virtuellen Währungen, sondern soll die zuständigen Behörden in die Lage versetzen, zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Verwendung von virtuellen Währungen mittels Verpflichteter zu überwachen.174 Auch die Blockchain-Strategie der Bundesregierung sieht eine zivilrechtliche Klassifizierung von Kryptowährungen nicht vor, sondern stellt sich vielmehr den regulatorischen Herausforderungen.175 Damit wird zwar der Handel mit bestimmten virtuellen Währungen und das sog. Kryptoverwahrgeschäft, also das Verwahren, Verwalten und Sichern von Kryptowährungen und / oder den dazugehörigen kryptografischen Schlüsseln (nun ebenfalls geregelt unter § 1 Abs. 1 lit. a S. 2 Nr. 6 KWG), weitestgehend regulatorisch greifbar gemacht, Jedoch wird nicht juristisch geregelt, welche Rechtsstellung das Handelsobjekt Kryptowährung einnimmt. Betroffen ist somit vielmehr das Verhältnis zwischen Regulierungsbehörde und Han 171

90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister, Beschluss zu TOP I. 8, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/zt_fortsetzung_ arbeitsgruppe_teil_2/2019-06-06-JuMiKo-Beschluss.pdf (zuletzt aufgerufen am 24. 8. 2019). 172 Siehe Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 19. Legislaturperiode, Rn. 1932 ff., abrufbar unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_ 2018.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=15997 (zuletzt aufgerufen am 24. 8. 2019). 173 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, S. 39, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legis laturperiode/2019-05-24-Gesetz-4-EU-Geldwaescherichtlinie/2-Regierungsentwurf.pdf;jses sionid=072A4D1D29C16AF5339576BD44C89FB1?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 22. 10. 2019). 174 Abl. EU 2018, Nr. L 156, Eg. 8. 175 BMWi / BMF, Blockchain-Strategie der Bundesregierung, S. 7, abrufbar unter: https:// www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/blockchain-strategie.pdf?__blob= publicationFile&v=10 (zuletzt aufgerufen am 23. 10. 2019).

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delsplattform und nicht das zivilrechtliche Verhältnis Privater. Auch im Rahmen des eWpG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur allgemeinen zivilrechtlichen Regelung nicht genutzt. In Anbetracht dieser zahlreichen Chancen ist daher nicht von einem bewussten Überlassen der Regelung einer Rechtsfrage durch den Normsetzer an den Rechtsanwender auszugehen. Vielmehr soll eine solche rechtliche Einordnung nicht sein. b) Vergleichbare Interessenslage Es lässt sich ebenfalls anzweifeln, dass eine vergleichbare Interessenlage besteht. Das wäre dann der Fall, wenn die zu entscheidende Interessenlage der gesetzlich geregelten Interessenlage so ähnlich ist, dass die Gesetzgebung (gerade) die getroffene Regelung auch für den ungeregelten Sachverhalt vorsehen würde.176 Blockchain-basierte virtuelle Währungen stellen zwar rein virtuell existierende Zahlungsmitteleinheiten dar, denen aber ein erheblicher wirtschaftlicher Vermögenswert zukommt, welcher insoweit schutzbedürftig ist.177 Auch wenn das deutsche Zivilrecht dieser Schutzbedürftigkeit bisher de lege lata nicht vollumfänglich gerecht wird, ist es fraglich, ob gerade die Regelung des § 90 BGB hierfür eine vergleichbare Interessenlage für die Bildung einer Gesetzesanalogie hergibt. Eine Gesamtschau der deutschen Gesetze zeigt zunächst, dass die Gesetzgebung die Kodifizierung immaterieller Güter als Immaterialgüterrechte in eigenen, ihren Besonderheiten entsprechenden Gesetzen geregelt hat (sog. Sondergesetze),178 statt sie an die Systematik des § 90 BGB und somit letztlich an eine (indirekte) körperliche Manifestation zu binden. Gemeint sind damit vor allem das Urheberrecht, das Patentrecht und das Markenrecht. Als rein virtuell existierendes Wirtschaftsgut sind Kryptowährungen den Immaterialgütern aus naturgesetzlicher Sicht deutlich näher als körperlichen Gegenständen. Virtuellen Währungen kommt ebenfalls ein wirtschaftlicher Wert zu, so dass sie konzeptionell gesehen ähnlich wie Betriebsgeheimnisse oder Know-how zwar Immaterial(rechts-)güter darstellen, aber mangels einer gesetzlichen Regelung (noch) keinen eigenständigen (Sonder-) Rechtsschutz genießen.179 Diese konzeptionelle Ferne von Kryptowährungen zu körperlichen Gegenständen im Hinblick auf die Verkörperung lässt darauf schließen, dass sie aus naturgesetzlicher Sicht wesensfremd sind. Unter dieser Prämisse kann gerade keine vergleichbare Interessenlage bestehen. Hierfür spricht zuletzt auch, dass das deutsche Sachenrecht, welches die Rechtsverhältnisse von Personen zu körperlichen Gegenständen bestimmt, nicht die Zuordnung unkörperlicher Gegenstände, die 176

Rüthers et al., Rechtstheorie, Rn. 889. Dorner, CR 2014, 617 (625). 178 Mössner, in: BeckOGK BGB, § 90 BGB, Rn. 76. 179 Mössner, in: BeckOGK BGB, § 90 BGB, Rn. 6.1. 177

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außerhalb des Sachenrechts erfasst sind, regelt.180 Dies wäre aber die Konsequenz einer Einordnung von virtuellen Währungen als Sache nach § 90 BGB. c) Sachenrechtlicher numerus clausus Der Annahme, dass die Gesetzgebung (gerade) die getroffene Regelung, also den § 90 BGB, auch für den ungeregelten Sachverhalt vorsehen würde, kann des Weiteren auch der numerus clausus des Sachenrechts entgegenstehen. Vereinzelt wird argumentiert, dass der sachenrechtliche numerus clausus einer Einordnung von Kryptowährungen als Sache – aufgrund einer direkten Anwendung des § 90 BGB und daher wohl auch erst recht durch eine Rechtsfortbildung dieser Norm – nicht entgegensteht, weil das Sachenrecht nicht ausschließlich den Sachen vorbehalten ist und es sich dogmatisch vielmehr um eine konsequente Auslegung bestehender Rechtsbegriffe handelt.181 Der sachenrechtliche Typenzwang ist die Kehrseite der absoluten Wirkung von dinglichen Rechten und daher notwendig, um den Rechtsverkehr durch die Vorhersehbarkeit, Klarheit und Vereinfachung dieser Rechte zu schützen, da sie gegenüber jedermann wirken und von jedermann beachtet werden müssen.182 Aufgrund dieser absoluten Wirkung hat die Normierung dieser Rechte durch den Gesetz­ geber zu erfolgen, da anderenfalls obligatorische Befugnisse und Verpflichtungen frei geschaffen werden könnten, welche von jedermann zu beachten wären.183 Der sachenrechtliche numerus clausus sieht demzufolge gerade keine willkürliche Ausdehnung voraus, weshalb eine Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften richtigerweise nicht in Betracht kommt.184 Wenn sich dieser sachenrechtliche numerus clausus schon aus dogmatischen sowie aus rechtsökonomischen Erwägungen einer direkten Anwendung des § 90 BGB sowie einer teleologischen Extension dieser Norm, welche die Wortlautgrenze im Gegensatz zu einer Analogie gerade nicht überschreitet, verwehrt, dann hindert er im Erst-Recht-Schluss die Begründung einer Analogie. 4. Ergebnis Weder bei einer direkten Anwendung, noch durch die Bemühung der Methoden juristischer Rechtsfortbildung lässt sich eine Einordnung von virtuellen Währungen als körperlicher Gegenstand und somit als Sache nach § 90 BGB vertreten. 180

Heinze, in: Staudinger BGB, Einl. zum Sachenrecht, Rn. 18 f. Koch, ZBB 2018, 359 (364). 182 Heinze, in: Staudinger BGB, Einl. Zum Sachenrecht, Rn. 99 f. 183 Wiegand, in: FS Kroeschell (1987), 623 (634 f.). 184 Beckmann, in: jurisPK-BGB, § 929 BGB, Rn. 14; Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 22; Dies., MMR 2018, 495 (497). 181

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II. Sonstiger Gegenstand nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB Auch Immaterialgüter, also unkörperliche Gegenstände, die keine Rechte darstellen, können verkauft werden, soweit sie übertragbar sind.185 Ist dies der Fall, sind sie als „sonstiger Gegenstand“ nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu klassifizieren. Für eine Einordnung als „sonstiger Gegenstand“ ist – fernab von der Frage der Einordnung von virtuellen Währungen als Recht – zunächst lediglich erforderlich, dass Kryptowährungen übertragbar sind. Da § 453 Abs. 1 BGB eine Auffangfunktion zukommt,186 sind an das Erfordernis der Übertragbarkeit keine allzu großen Voraussetzungen zu knüpfen. Daher ist darunter allgemein die Verschaffung der Inhaberschaft mittels der dafür notwendigen Handlungen zu verstehen, wobei sich die konkrete Art und Weise dieser Übertragung nach der Art des (sonstigen) Gegenstandes richtet.187 Bei virtuellen Währungen wäre diese Handlung somit die Überweisung der jeweiligen Einheiten einer virtuellen Währung an die Empfangsadresse des Empfängers. Dabei stellt nicht der öffentliche Schlüssel selbst die Empfangsadresse dar, sondern genau genommen erst der codierte Hashwert des öffentlichen Schlüssels. Des Weiteren wird angenommen, dass dem übertragbaren Objekt auch ein spezifischer Vermögenswert zukommen muss, da nur in diesem Fall ein marktwirtschaftliches Veräußerungsbedürfnis bestehe, dem die Rechtsordnung nachzukommen hat.188 Schon alleine mit dem Blick auf die Marktkapitalisierung und die Verwendungsmöglichkeiten von virtuellen Währungen als Geldersatz oder Investitions- bzw. Spekulationsobjekt189 lässt sich ein ihnen innewohnender Vermögenswert bejahen. Virtuellen Währungen kommt demzufolge eine vermögenswerte Position zu.190 Kryptowährungen erfüllen alle Voraussetzungen zur Einordnung und stellen daher einen „sonstigen Gegenstand“ nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB dar.191 Diese Einordnung entspricht jedoch nicht einer eigenständigen Rechtsstellung von Kryptowährungen. Der Sinn und Zweck des § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist es, sonstige verkehrsfähige Güter, die Gegenstand eines Kaufvertrages sein können, auch 185 Weidenkaff, in: Palandt, § 453 BGB, Rn. 9; Beckmann, in: Staudinger BGB, § 453 BGB, Rn. 36. 186 Faust, in: Bamberger et al. BGB, § 453 BGB, Rn. 24; Berger, in: Jauernig BGB, § 453 BGB, Rn. 11. 187 Beckmann, in: Staudinger BGB, § 453 BGB, Rn. 1; Faust, in: Bamberger et al. BGB, § 453 BGB, Rn. 25. 188 Vgl. Beckmann, in: Staudinger BGB, § 453 BGB, Rn. 36 f.; Haedicke, Rechtskauf und Rechtsmängelhaftung, S. 75; Pesch, S. 102 f. 189 Siehe hierzu näher Kap. 4 C. IV. 1. b). 190 So zu Bitcoins Westermann, in: MüKo BGB, § 433 BGB, Rn. 12. 191 So auch Ammann, CR 2018, 379 (380); Beck / Koenig, JZ 2015, 130 (132); Kuhlmann, CR 2014, 691 (694); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014, Abs. 51; Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1362).

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dem Kaufrecht zu unterstellen.192 Eine Anerkennung als Recht ist hierfür – wie bereits zu Beginn erwähnt – nicht notwendig. So fällt unter den Begriff des „sonstigen Gegenstandes“ beispielsweise auch die Übertragung von virtuellen Gegenständen in einem Online-Computerspiel,193 wie beispielsweise ein Ausrüstungsgegenstand für einen Online-Charakter. Insoweit entspricht dieses Ergebnis nur dem Erfordernis, den Ankauf von virtuellen Währungen aufgrund ihrer mittlerweile hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung auch dem Kaufrecht zu unterwerfen.

III. Kryptowährungen als immaterielles Gut Auch bei der Frage, ob virtuelle Währungen urheberrechtlichen Schutz erhalten können, empfiehlt es sich zunächst den Anknüpfungspunkt für die rechtliche Betrachtung herauszuarbeiten. Einheiten einer Kryptowährung sind einerseits strikt von der Software zu unterscheiden, welche die einer virtuellen Währung zugrundeliegende Blockchain mit allen getätigten Transaktionen validiert. Weiterhin sind sie von der Wallet-Software zu unterscheiden, die beispielsweise bei einer Desktop-Wallet auf dem Computer installiert wird. 1. § 69a Abs. 1 UrhG Das Urheberrecht selbst enthält keine Legaldefinition des Begriffs „Computerprogramm“. Vor allem kann der Wortlaut des § 69a Abs. 1 UrhG nicht als Legal­ definition aufgefasst werden,194 da schon die zugrundeliegende Richtlinie auf Vorschlag der EG-Kommission keine Definition des Begriffs enthalten hat, weil befürchtet wurde, dass eine Definition schon bald durch die technische Entwicklung überholt wäre.195 Daher wird in der Literatur häufig auf die Definition des Begriffs „Computerprogramm“ in § 1 (i) der Mustervorschriften der WIPO verwiesen.196 Demnach ist ein Computerprogramm „eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“.197 Dieser Definition folgend kann die einer virtuellen Währung zugrundeliegende Software als Blockchain-Anwendung198 sowie die verschiedenen Programme für 192

Saenger, in: Schulze, BGB, § 453 BGB, Rn. 3. Wilhelmi, in: BeckOGK, § 453 BGB, Rn. 170. 194 Kaboth / Spies, in: BeckOK UrhG, § 69a UrhG, Rn. 2. 195 BT-Drs. 12/4022, S. 9. 196 Dreier, in: Dreier / Schulze UrhG, § 69a UrhG, Rn. 12; Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger UrhG, § 69a UrhG, Rn. 3; Kaboth / Spies, in: BeckOK UrhG, § 69a UrhG, Rn. 2. 197 Abgedruckt in GRUR Int. 1978, 286 (290 ff.). 198 Vgl. Hohn-Hein / Barth, GRUR 2018, 1089 (1090); Kuhlmann, CR 2014, 691 (695); Pesch, 98; Willecke, DSRITB 2017, 833 (836 f.). 193

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Desktop-Wallets als Computerprogramm klassifiziert werden. Dies gilt jedoch nicht für die Einheiten von Kryptowährungen.199 Sie selbst stellen nämlich keine Folge von Befehlen, sondern vielmehr das Ergebnis der Befehlsabfolge von der einer jeden Blockchain-basierten Kryptowährung zugrundeliegenden Client-Software dar.200 Sie sind somit keine Folge von Befehlen, die das Computerprogramm zum Programmablauf nutzt.201 2. § 2 Abs. 2 UrhG Auch stellen die einzelnen Einheiten einer Kryptowährung keine persönliche geistige Schöpfung dar. Urheberrechtlich geschützt sind nur solche Werke, die von einem Menschen geschaffen worden sind.202 Einheiten einer Kryptowährung stellen selbst aber kein Ergebnis einer intellektuellen Anstrengung eines Menschen dar, da sie das Ergebnis eines Programmcodes sind und demzufolge erst durch den Ablauf eines solchen entstehen.203 Bei einem von Maschinen geschaffenen Werk wird jedoch beispielweise auch dann von einem urheberschutzfähigen Werk ausgegangen, wenn die Gestaltung des Werks noch auf einen geistigen Schöpfungsakt zurückzuführen ist, weil die Maschine nur ein Hilfsmittel darstellt.204 Nichts anderes kann bei der Zuhilfenahme von Computerprogrammen gelten, denn auch bei ihnen ist es denkbar, dass sie lediglich ein (technisches) Hilfsmittel für den vorrangig geistigen Schöpfungsakt eines Menschen darstellen.205 Dort wo das eingesetzte Hilfsmittel jedoch selbstständig tätig wird, sodass das Werk als Ergebnis ausschließlich ohne Einwirkung des Menschen zustande kommt, entsteht kein schutzfähiges Werk.206 Bei einem Computerprogramm ist das beispielsweise dann der Fall, wenn die im Programm vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten lediglich abgerufen werden.207 Maßgeblich ist demzufolge, ob die Entstehung des Werks noch auf dem geistigen Schöpfungsakt eines Menschen oder schon auf einem eigenständigen Ablauf des Hilfsmittels beruht.

199 Im Ergebnis auch Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78); Hanten / Sacarcelik, RdF 2019, 124 (126); Schlund / Pongratz, DStR 2018, 598 (600); Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014, Abs. 30; Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1360). 200 Kuhlmann, CR 2014, 691 (695). 201 Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger UrhG, § 69a UrhG, Rn. 18. 202 Bullinger, in: Wandtke / Bullinger UrhG, § 2 UrhG, Rn. 15. 203 Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014, Anm. 1; Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (357), HohnHein / Barth, GRUR 2018, 1089 (1091); Kuhlmann, CR 2014, 691 (695). 204 Ahlberg, in: BeckOK Urheberrecht, § 2 UrhG, Rn. 55. 205 So auch Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim UrhG, § 2 UrhG, Rn. 13. 206 Schulze, in: Dreier / Schulze UrhG, § 2 UrhG, Rn. 8 ff. 207 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim UrhG, § 2 UrhG, Rn. 13.

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Einheiten einer virtuellen Währung entstehen durch eine sog. coinbase transaction während des Miningprozesses.208 Sie ist stets die erste Transaktion in einem Block der zugrundeliegenden Blockchain und stellt die Auszahlung des Mining Rewards an den jeweiligen Miner dar.209 Die Besonderheit hierbei ist, dass diese Art von Transaktion keinen vorhandenen UTXO benötigt (also letztlich nicht auf bereits vorhandene Währungseinheiten zurückgreift), sondern als Output eine vorgegebene Anzahl von Einheiten der jeweiligen Kryptowährung (den Mining Reward) enthält, wodurch neue Einheiten der virtuellen Währung erstmals auf die Blockchain aufgenommen werden. Dieses Verfahren ist Bestandteil der einer jeden virtuellen Währung zugrundeliegenden Software, sodass neue Einheiten einer Kryptowährung nicht durch eine eigenständige geistige Leistung des Miners, sondern durch die Ausführung des jeweiligen Softwarecodes geschaffen werden.210 Der jeweilige Miner nutzt also nicht einmal unmittelbar die Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Software, sondern profitiert von einem programmierten Belohnungsautomatismus. Die Schöpfung neuer Einheiten erfolgt daher durch ein vorgeschriebenes mathematisches Verfahren, welches den durch die jeweilige Software vorbestimmten Konsensregeln und Protokollen folgt.211 Insoweit beruht die Schaffung neuer Einheiten virtueller Währungen allenfalls mittelbar auf der Programmierung der zugrundeliegenden Software als geistigen Schöpfungsprozess. Daher fehlt es aber an der für den urheberrechtlichen Schöpfungsbegriff unabdingbaren Unmittelbarkeit zwischen dem geistigen Schöpfungsakt und dem Ergebnis.212 3. § 87a UrhG Zwar kann man das System der einzelnen Transaktionsdaten (also die zugrunde­ liegende Blockchain) als eine systematisch angeordnete Sammlung von Daten und daher als Datenbank nach § 87a Abs. 1 UrhG verstehen.213 Die Einheiten einer virtuellen Währung selbst sind aber keine Sammlung von Daten, sondern die Daten selbst. Somit scheidet auch die Einordung der Einheiten einer Kryptowährung als Datenbank aus.

208

Siehe hierzu näher Kap. 2 A. II. 7. Siehe hierzu näher Kap. 2 A. II. 7. b) bb). 210 So auch Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (497). 211 Martiny, IPRax 2018, 553 (554). 212 Ahlberg, in: BeckOK UrhG, § 2 UrhG, Rn. 55. 213 Hierzu vertieft Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia Recht, Teil 13.6, Rn. 26 ff.; Willecke, DSRITB 2017, 833 (838 ff.). 209

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4. Immaterialgüterrecht sui generis Einheiten von virtuellen Währungen werden teilweise als „immaterielle Güter“ bezeichnet,214 sodass sich die Frage stellt, ob an ihnen daher ein Immaterialgüterrecht sui generis bestehen kann oder sollte.215 Einer solchen rechtlichen Klassifizierung stehen jedoch gleich mehrere systemimmanente Bedenken gegenüber. a) Systembedingte Unvereinbarkeit von monistischer Theorie und virtuellen Währungen Denn es bestehen wesentliche Unterschiede zwischen dem urheberrechtlichen Schutzzweck und der Idee Blockchain-basierter virtueller Währungen, welche die Vereinigung beider bedenklich erscheinen lassen. Dem Urheberrecht liegt nach § 11 UrhG die monistische Urheberrechtstheorie zugrunde, wonach ein einheitlicher urheberrechtlicher Schutz der persönlichkeitsrechtlichen und der vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers erfolgen soll.216 Eine der Folgen dieser monistischen Theorie ist, dass das Urheberrecht als Ganzes unübertragbar ist, wie es § 29 UrhG ausdrücklich regelt (Prinzip der Unübertragbarkeit).217 Dies gilt für die persönlichkeitsrechtlich, als auch für die vermögensrechtlich geprägten Rechtspositionen des Urhebers,218 da letztere auch einen persönlichkeitsrechtlichen Kern aufweisen.219 Wenn man die Einheiten von virtuellen Währungen in dieses urheberrechtliche Schutzsystem eingliedert, würde das somit unausweichlich dazu führen, dass auch den jeweiligen Einheiten einer Kryptowährung als urheberrechtlich geschütztes Werk persönlichkeitsrechtliche und vermögensrechtliche Befugnisse des jeweiligen Urhebers anhaften würden, welche dieser innerhalb des Netzwerks nicht gänzlich übertragen könnte. Blockchain-basierten virtuellen Währungen liegt jedoch die wesentliche Grundidee zugrunde, Intermediäre im Finanzsystem zu ersetzen und einen Effizienz­ gewinn innerhalb des Transaktionsnetzwerks zu generieren. Der wohl größte Vorteil dieses Anwendungsfelds der Blockchain-Technologie ist dabei die überlegene Effizienz (nicht im Sinne der Rechtsökonomik) gegenüber dem herkömmlichen

214

Etwa von Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014, Anm. 1; Hohn-Hein / Barth, GRUR 2018, 1089 (1092). 215 Lerch, ZBB 2015, 190 (196); Pesch, S. 98. 216 Bullinger, in: Wandtke / Bullinger UrhG, § 11 UrhG, Rn. 1; Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 11 UrhG, Rn. 1. 217 Ohly, in: Schricker / Loewenheim, UrhG, § 29 UrhG, Rn. 1; Schulze, in: Dreier / Schulze UrhG, § 29 UrhG, Rn. 1; Spautz / Götting, in: BeckOK UrhG, § 29 UrhG, Rn. 1. 218 Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 29 UrhG, Rn. 1. 219 Spautz / Götting, in: BeckOK UrhG, § 29 UrhG, Rn. 1.

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Finanzsystem.220 Einer effizienten Zahlungsabwicklung würde es aber entgegenstehen, wenn den einzelnen Währungseinheiten der jeweiligen virtuellen Währung Urheberrechte anhaften würden, welche nicht übertragbar wären. Dies würde nämlich gerade eine Verkomplizierung der Beziehung zwischen den Transaktionspartnern bedeuten. Des Weiteren haben weder die herkömmlichen Nutzer virtueller Währungen noch die Full-Nodes oder Miner innerhalb dieses Wertschöpfungssystems ein Interesse an einem rechtlichen Verbleib. Kryptowährungen soll gerade eine ideelle Zahlungsmittelfunktion zukommen, welche jedoch durch die tatsächliche Verwendung als wirtschaftliches Spekulationsobjekt überlagert wird. Deshalb ist bei der Transaktion eines von der Währungseinheit verkörperten Wertes auch gewollt, dass die Gesamtheit des Wertes übertragen wird. Ein Verbleib etwaiger Rechtspositionen ist also weder vom Absender noch vom Empfänger einer Transaktion gewollt. b) Schutz vor nichtrivalisierender Nutzung Des Weiteren weisen immaterielle Güter gegenüber körperlichen Gegenständen die Besonderheit auf, dass sie ubiquitär sind, wobei sich eine gleichzeitige Nutzung nicht gegenseitig ausschließt.221 Daher stellen immaterielle Güter aus ökono­m ischer Sicht öffentliche Güter da, die ohne besondere Schutzmechanismen keine hinreichenden Investitionen erfahren, sodass durch die Schaffung von Ausschließungsrechten eine künstlich geschaffene Ausschließbarkeit erreicht werden soll.222 Das Urheberrecht hat daher ein System von exklusiven, zeitlich begrenzten und übertragbaren Rechten geschaffen.223 Der Inhaber von Kryptowährungen ist jedoch nicht durch eine nichtrivalisierende Nutzung durch andere gefährdet, da nur er als Inhaber des zugehörigen privaten Schlüssels über die einer Adresse innerhalb des jeweiligen BlockchainNetzwerks zugesprochenen unverbrauchten Transaktionen verfügen kann. Durch die informationstechnischen Gegebenheiten wird sichergestellt, dass kein Fall einer nichtrivalisierenden Nutzung eintreten kann. Insoweit beschränkt sich die Nutzung von virtuellen Währungen auf die Erstellung von Transaktionen innerhalb des Netzwerks, sodass die einzelnen Einheiten als der UTXO einer Adresse einzigartig sind und nicht vervielfältigt werden können.224 Zwar ist es vorstellbar, dass der Schlüsselinhaber den privaten Schlüssel oder die Zugangsdaten zu seinem Wallet, wo diese Schlüssel hinterlegt sind, Dritten mit­ teilt oder Opfer eines Hacker-Angriffs auf sich oder den Anbieter seines Online-­ 220

Tappscott / Tappscott, The Blockchain Revolution, S. 85 ff. Dreier, in: Dreier / Schulze UrhG, Einl., Rn. 14. 222 Dreier, in: Dreier / Schulze UrhG, Einl., Rn. 14. 223 Lévêque / Ménière, The Economics of Patents and Copyright, S. 19. 224 Pesch, S. 99. 221

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Wallets wird. In diesem Falle ist es denkbar, dass mehrere Personen versuchen durch Transaktionen über die gleichen Einheiten von virtuellen Währungen zu verfügen. Gerade ein solcher Fall von Double-Spending wird durch die jeweiligen Konsensfindungsmechanismen verhindert.225 Da die freie Nutzung von Kryptowährungen schon aus informationstechnischer Sicht nicht möglich ist, besteht somit auch kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit an deren freien Nutzung, welches mit dem Verwertungsinteresse des Inhabers in Konflikt steht.226 Insoweit ist das Immaterialgüterrecht der falsche rechtliche Ansatzpunkt, um etwa durch eine Transaktionskostenanalyse den optimalen Umfang von Ausschließlichkeitsrechten an Kryptowährungen zu bestimmen,227 da sie aus ökonomischer Sicht schon keine Ausschließlichkeitsrechte benötigen. c) Zulässigkeit dieser Rechtsfigur Insoweit kommt der Frage, ob über die gesetzlich normierten Immaterialgüterrechte hinaus ein ungeschriebenes Immaterialgüterrecht sui generis überhaupt begründet werden kann228 oder ob Immaterialgüterrechte aufgrund eines immaterialgüterrechtlichen numerus clausus ausschließlich durch eine positive gesetzliche Regelung bestehen können,229 keine Bedeutung mehr zu. 5. Zwischenergebnis De lege lata lassen sich Kryptowährungen weder aufgrund einer bestehenden gesetzlichen Regelung noch durch eine sui generis Entwicklung der (ungeschriebenen) Rechtsordnung als urheberrechtlich geschütztes Werk klassifizieren.

IV. Kryptowährungen als Geld im ökonomischen Sinne Kryptowährungen werden oftmals als Geld bezeichnet. Daher ist es naheliegend, dass bei der Frage nach der rechtlichen Einordnung das Geldrecht nicht außen vorgelassen werden kann. 225

Pesch, S. 99. Pesch, S. 99. 227 Vgl. Dreier, in: Dreier / Schulze UrhG, Einl., Rn. 14. 228 Fezer, Markenrecht, Einl. G, Rn. 15; Forkel, NJW 1993, 3181 (3183); Koch, JurPC 2006, Web-Dok. 57/2006, Abs. 27; Koos, MMR 2004, 359 (361 f.); Ohly, in: FS Schricker (2005), S. 105 ff. 229 BGH, Beschl. v. 05. 07. 2005 – VII ZB 5/05, GRUR 2005, 969 (970); Kleespies, GRUR 2002, 764, (766); Psczolla, JurPC Web-Dok. 17/2009, Abs. 28 ff. 226

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Das Geldrecht ist in Privatrecht und Währungsrecht gespalten.230 Das Privatrecht kennt dabei keinen einheitlichen Geldbegriff.231 Das BGB setzt den Geldbegriff voraus, wobei dieser zwar eigenständig gilt, aber letztlich doch vom wirtschaftlichen Verständnis des Geldes abhängig ist.232 Des Weiteren ist der Geldbegriff zu einem großen Teil auch den gesellschaftlichen Entwicklungen überlassen, sodass sie bei der Begriffsbestimmung nicht außer Acht gelassen werden können.233 Daher ist im Folgenden zunächst zu untersuchen, ob virtuelle Währungen Geld im ökonomischen Sinne darstellen können. 1. Funktionstrias Es ist zweifelhaft, ob Kryptowährungen allein schon anhand der sog. Funktionstrias Geld darstellen. Nach der Funktionstrias des Geldes, welche auf Aristoteles und Thomas von Aquin zurückzuführen ist und im deutschen Schrifttum breite Anerkennung erfahren hat, werden Geld gleichrangige und gleichwertige Funktionen zugesprochen, zu denen die Funktion als Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Rechnungseinheit zählen.234 a) Tauschmittelfunktion Demnach müssen Kryptowährungen die Funktion als Tauschmittel erfüllen. Damit ist gemeint, dass Geld als neutrales und vermittelndes Zwischentauschgut den Austausch von Gütern zulässt.235 Weitere intermediäre Akte werden entbehrlich, da das Geld jederzeit für einen entgeltlichen Erwerb eingesetzt werden kann.236 Geld bietet sich als ein solches Tauschmittel aufgrund der Doppelkoinzidenz von Bedürfnissen an.237 Unter dieser Doppelinzidenz ist gemeint, dass ein Warenaustausch zwischen zwei Parteien nur dann zustande kommt, wenn beide an dem Gut interessiert sind, welches die jeweils andere Partei besitzt und als Leistung für den Warenaustausch anbietet.238 Im Umkehrschluss muss dem jeweiligen Tauschmittel daher eine ausreichend große Akzeptanz im entgeltlichen Güterverkehr zukommen, um die Tauschmittelfunktion von Geld zu erfüllen. Dabei kommt im Zahlungsverkehr unter anderem 230

Martens, in: Erman BGB, § 244 BGB, Rn. 1. Grothe, in: MüKo BGB, § 232 BGB, Rn. 3; Ebenfalls Baier, CCZ 2019, 123 (125); Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (356). 232 Martens, in: Erman BGB, § 244 BGB, Rn. 2. 233 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (312). 234 Omlor, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 244–248 BGB, Rn. A33. 235 Martens, in: Erman BGB, § 244 BGB, Rn. 2. 236 Beck, NJW 2015, 580 (582). 237 Beck, NJW 2015, 580 (582). 238 Langenbucher, AcP 218 (2018), 385 (388). 231

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

dem Netzwerkeffekt eine bedeutende Rolle zu, wonach der Wert von Zahlungsmitteln steigt, je mehr Personen diese akzeptieren und je vielfältiger sie einsetzbar sind. Das Er­fordernis einer Tauschmittelfunktion beschreibt daher auch ein „sozial-ökonomisches Realphänomen“, denn die Einordnung als Tauschmittel ist daher abhängig von der verbreiteten Akzeptanz des jeweiligen Tauschmittels innerhalb der Gesellschaft.239 Eine solche kritische Größe der Akzeptanz im Zahlungsverkehr erreichen Krypto­währungen nach einer aktuellen Ansicht jedoch nicht.240 Kryptowährungen haben zwar in den letzten Jahren eine wachsende Akzeptanz im Zahlungsverkehr erfahren. So akzeptiert beispielsweise Unicef als größte Wohltätigkeitsorganisation Spenden in Bitcoin oder Ether, während Microsoft die Bezahlmöglichkeit mit Bitcoins im Microsoft-Store eingeführt hat und etwa einige große Restaurantketten wie Subway oder Domino’s Pizza in einigen Ländern Kryptowährungen akzeptieren.241 In El Salvador ist zumindest die Kryptowährung Bitcoin gar als weiteres gesetzliches Zahlungsmittel neben dem US-Dollar vorgesehen, wobei jedoch kein Annahmezwang von Bitcoin besteht. Im Oktober 2020 wurde des Weiteren bekannt, dass der Zahlungsdienstleister PayPal Kunden ermöglicht, Online-Wallets für Kryptowährungen zu nutzen und ab dem Jahr 2021 vor hat, die Bezahlung bei dem 26 Millionen Verkaufsstellen im PayPal-Netzwerk mit Kryptowährungen zu ermöglichen.242 Zudem haben das Unternehmen Ingenico und das Fintech-Unternehmen Salamantex im Jahr 2020 das erste Kassenterminal vorgestellt, welches standardmäßig die Bezahlmöglichkeit mit virtuellen Währungen integriert hat, wodurch das Bezahlen mit Kryptowährungen erstmals dem breiten Markt ermöglicht werden soll.243 Aber auch diese neuen Bezahlmöglichkeiten und Systeme müssen sich erst auf dem Markt etablieren, um eine weitreichende Tauschmittelfunktion von Kryptowährungen zu erreichen. Ein Jahr nach den Ankündigungen ist dies jedoch (noch) nicht der Fall. Aufgrund dieser Möglichkeit zum Einsatz als Zahlungsmittel wird jedoch teilweise eine Erfüllung der Tauschmittelfunktion angenommen.244 Auch der EuGH ist in einer Entscheidung, die den Umtausch von Bitcoins in konventionelle Wäh 239

Beck, NJW 2015, 580 (582). Wenger / Tokarski, in: Schellinger et al., Digitale Transformation und Unternehmensführung, 249 (269). 241 BitcoinMag, Wo wird Bitcoin angenommen? 40 läden [sic] die bitcoins [sic] akzeptieren, abrufbar unter: https://www.bitcoinmag.de/news/wo-wird-bitcoin-angenommen-40-websitesdie-2020-bitcoin-annehmen (zuletzt aufgerufen am 26. 11. 2020). 242 Manager Magazin, PayPal akzeptiert Kryptowährungen wie Bitcoin, abrufbar unter: https://www.manager-magazin.de/finanzen/boerse/paypal-akzeptiert-kryptowaehrungen-wiebitcoin-a-26b6a918-e21b-4d16-b342-72afab8428fc/zuletzt aufgerufen am 28. 11. 2020). 243 Computerwelt, Erstes Kassenterminal, das auch Kryptowährungen akzeptiert, abrufbar unter: https://computerwelt.at/news/erstes-kassenterminal-das-auch-kryptowaehrungenakzeptiert/ (zuletzt aufgerufen am: 26. 11. 2020). 244 Beck, NJW 2015, 580 (583); Kuhlmann, CR 2014, 691 (695); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1361). 240

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rungen thematisiert hat, gar davon ausgegangen, dass Kryptowährungen wie der Bitcoin keinen anderen Zweck als die Funktion als Zahlungsmittel aufweisen und von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern als solches akzeptiert werden.245 Zu der Entscheidung ist aber anzumerken, dass diese im Jahr 2015 und damit zu einer Zeit ergangen ist, in der Kryptowährungen noch vor ihren ersten großen Kursgewinnen standen. Damals haben sie bei Weitem noch nicht in der heutigen Ausprägung Einzug in den Medien gehalten und waren einer Vielzahl von Menschen – wenn überhaupt – kaum bekannt. Demzufolge konnte der EuGH etwa die hohe Volatilität von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether vor ihren ersten immensen Sprüngen im Jahr 2017 bei der Entscheidungsfindung erst gar nicht kennen und damit auch nicht bei der Frage nach der Zahlungsmittelfunktion berücksichtigen. Wenn man aber die Akzeptanz von tatsächlich als Geld anzusehenden Tauschmitteln wie beispielsweise dem Euro oder dem Dollar zum Vergleich heranzieht, so weisen Kryptowährungen auch über zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen der ersten großen virtuellen Währung – dem Bitcoin – weiterhin ein immenses Defizit an Akzeptanz im Zahlungsverkehr auf. Stand jetzt kann man die Einkäufe des täglichen Lebens nicht effektiv mittels Zahlung mit Kryptowährungen tätigen, da diese Bezahlmöglichkeit im Regelfall nicht möglich ist und die dazu benötigten Systeme – wie aufgezeigt – erst kürzlich auf den Markt gelangt sind. Auch die Betrachtung der Bezahlmethoden bei den größten Onlinehandelsplattformen zeigt, dass die Inhaberschaft über Einheiten einer Kryptowährung im absoluten Regelfall keinen Güteraustausch ermöglichen kann, weil diese Art von Vermögenswerten von der anderen Partei nicht (flächendeckend) akzeptiert werden. So bleibt es bei (regionalen) Einzelfällen, wenn die Zahlung mit Kryptowährungen gegen Erhalt einer Ware möglich ist. Des Weiteren hat eine Umfrage von Bearingpoint im Oktober 2020 ergeben, dass nur 4 % der Deutschen Kryptowährungen tatsächlich nutzen, während das Vertrauen in die Preisstabilität von virtuellen Währungen weiterhin sinkt.246 Demzufolge weisen Kryptowährungen einen sehr geringen Netzwerkeffekt aus. Das wird von der Annahme untermauert, dass bei den Konsumenten in Europa und den USA nur eine sehr geringe Bereitschaft existiert, die Zahlungsmöglichkeiten mit Kryptowährungen überhaupt wahrzunehmen.247 Vor diesem Hintergrund geht die Ansicht des EuGH, dass es sich bei Kryptowährungen wie dem Bitcoin ausschließlich als Zahlungsmittel (und damit zwangsläufig nur um Tauschmittel) handelt, an der aktuellen gesellschaftlichen Realität

245

EuGH, Urt. v. 22. 10. 2015 – C-264/14, MMR 2016, 201, Rn. 52 – Skatteverket / Hedqvist. BearingPoint, Umfrage: Immer weniger Deutsche nutzen Kryptowährungen, abrufbar unter: https://www.bearingpoint.com/de-de/ueber-uns/pressemitteilungen-und-medien berichte/pressemitteilungen/umfrage-immer-weniger-deutsche-nutzen-kryptowaehrungen/ (zuletzt aufgerufen am 28. 11. 2020). 247 Gschnaidtner, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2, Rn. 33. 246

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vorbei.248 Richtig ist vielmehr, dass Kryptowährungen aufgrund ihrer starken Wertschwankungen weitaus häufiger (auch) als wirtschaftliches Spekulations­objekt genutzt werden, um Gewinne generieren zu können. Blocher et al. nehmen auch aus diesen Gründen an, dass einer Verdrängung bestehender Zahlungssysteme durch Kryptowährungen – denen logischerweise erst eine ebenwürdige Anerkennung und Nutzen zuvorkommen muss – die Wertsteigerungen in einem deflationär angelegten Ökosystem, die Volatilität des Wechsel­ kurses und die Netzwerkeffekte als Hürden entgegenstehen.249 Daher ist nicht anzunehmen, dass virtuelle Währungen beispielsweise das Bargeld in den nächsten Jahren verdrängen werden.250 Auch die EZB geht nicht davon aus, dass Kryptowährungen aus ökonomischer Sicht die Funktionstrias erfüllen und begründet dies vor allem auch mit dem niedrigen Level der Akzeptanz von virtuellen Währungen in der Öffentlichkeit, weshalb ihnen nur eine limitierte Funktion als Tauschmittel zukommt.251 Im Ergebnis kann man Kryptowährungen in ihrer Akzeptanz als Tauschmittel also keineswegs mit etwa staatlichen Währungen vergleichen. Die Frage ist daher, ob für die Erfüllung der Tauschmittelfunktion aus ökono­ mischen Gesichtspunkten irgendeine (auf Einzelfälle begrenzte)  Akzeptanz im Güteraustausch genügt, oder ob eine gewisse Hürde überschritten werden muss, um die Funktion eines Tauschmittels zu erreichen. Für die Annahme einer gewissen Hürde spricht zunächst, dass für eine Akzeptanz als Zahlungsmittel nicht irgendeine, sondern vielmehr eine weitläufige Akzeptanz als notwendige Voraussetzung angesehen wird.252 Die EZB scheint von einer solchen Schwelle auszugehen, da sie selbst anerkennt, dass ein Aufkommen von beständigeren Kryptowährungen und einer (wohl damit verbundenen) viel größeren Gruppe von Nutzern auch zu einem höheren Level der Akzeptanz und somit letztlich zu einer ökonomischen Einordnung als Geld nach der Funktionstrias führen könnte.253 Diese Beständigkeit ist vor dem Hintergrund, dass etwa die Kryptowährung Bitcoin erst im Januar 2021 an einem einzelnen Tag in ihrem Kurs um 8000 US-Dollar eingebrochen ist, nachdem dieser zuvor bis auf 40.000 US-Dollar angestiegen war,254 noch nicht erreicht. Von beständigen Währungen kann in diesem Kontext keinesfalls gesprochen werden. Dies wäre etwa bei sog. Stable-Coins der Fall. Stable-Coins sind Blockchain-ba-

248

So wohl auch Beck, NJOZ 2020, 1377 (1380). Blocher et al., S. 8. 250 Blocher et al., S. 4. 251 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23 f., abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/virtualcurrencyschemesen.pdf (zuletzt aufgerufen am 29. 11. 2020). 252 Gschnaidtner, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2, Rn. 32. 253 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 24. 254 Focus, Bitcoin-Rally am Ende? Wirtschaftshistoriker warnen vor schmerzhaften Einbrüchen, abrufbar unter: https://www.focus.de/finanzen/boerse/kryptowaehrungen/schlappeda-wirtschaftshistoriker-sagen-naechste-bitcoin-schlappe-voraus_id_12836389.html (zuletzt aufgerufen am 20. 1. 2021). 249

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sierte Währungen, die an eine nationale Währung gekoppelt sind und als Tauschmittel von nationalen Währungen in etwa volatile Kryptowährungen verwendet werden können.255 Diesen Typen von Kryptowährungen ist aber nach heutigem Stand im Vergleich zu herkömmlichen Kryptowährungen (noch) ein Nischendasein zuzusprechen, sodass diesen keine Funktion als Tauschmittel zukommt. Des Weiteren steht hinter ihnen regelmäßig ein das Blockchain-Netzwerk beherrschendes Unternehmen, sodass sie nicht dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit entsprechen. b) Wertaufbewahrungsmittel Auch die schwankenden Kurswerte von Kryptowährungen stehen einer Einordnung als Geld nach der Funktionstrias aktuell entgegen. Unter der Funktion als Geldaufbewahrungsmittel versteht man nämlich, dass ein wirtschaftlicher Wert in Geld derart erhalten werden kann, dass er zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgewonnen werden kann.256 Ein stabiler Geldwert, also ein relativ stabiles Preisniveau, weist dabei entscheidende ökonomische Vorteile auf, da das Geld die Aufgaben nach der Funktionstrias ohne realwirtschaftliche Verzerrung erfüllen kann.257 So fördert er die Allokation der Güter, weil das System der relativen Preise nicht verzerrt wird und vermeidet ungewollte Verteilungswirkungen, da ein stabiler Geldwert die Balance zwischen nominal und real denominiertem Einkommen und Vermögen nicht verzerrt.258 Die Opportunitätskosten in Form entgangener Wertsteigerungen sowie die hohe Volatilität macht eine stabile Wertaufbewahrung durch Kryptowährungen praktisch undenkbar.259 Beispielhaft für diese Volatilität ist der Kurs des Bitcoin etwa im Jahr 2017. So begann der Kurs im Januar bei 963 Euro pro Bitcoin und erreichte Anfang Dezember seinen damaligen Höchstwert von knapp 17.000 Euro, während der Kurs dann in wenigen Wochen noch im selben Monat wieder auf unter 9.000 Euro abgefallen ist.260 Dabei ist anzumerken, dass der Bitcoin eine Art Leitwährung auf dem Kryptowährungsmarkt darstellt, deren Kursentwicklung viele andere virtuelle Währungen folgen. Die auch aktuell bestehende hohe Volatilität wird von dem bereits erwähnten Beispiel von Anfang 2021 untermauert, wonach die Kryptowährung Bitcoin innerhalb eines Tages einen Kurzsturz von 10.000 US-

255

Lyons / Viswanath-Natraj, NBER Working Paper No. 27136, S. 2. European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23. 257 Thiele et al., ifo Schnelldienst 2017, Vol. 70, Iss. 22, 3 (5). 258 Thiele et al., ifo Schnelldienst 2017, Vol. 70, Iss. 22, 3 (5). 259 Vgl. Thiele et al., ifo Schnelldienst 2017, Vol. 70, Iss. 22, 3 (17). 260 BTC-Echo, Der große Bitcoin-&-Blockchain-Jahresrückblick 2017, abrufbar unter: https:// www.btc-echo.de/der-grosse-bitcoin-blockchain-jahresrueckblick-2017/ (zuletzt aufgerufen am 29. 11. 2020). 256

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Dollar erlebt hat.261 Vor dem Hintergrund dieser beständig hohen Volatilität ist es also stets durchaus denkbar, dass man innerhalb von Minuten einen Kauf nicht mehr tätigen kann, weil ein kurzzeitiger Kurssturz den Tauschwert derart absenkt, sodass die vorhandenen Einheiten den Verkaufswert, also den Preis, nicht mehr aufweisen können. Hinsichtlich der Wertaufbewahrungsfunktion wird vom Erwerber aber erwartet, dass die Werteinheit bei der Ausgabe denselben wirtschaftlichen Wert aufweist wie beim ursprünglichen Erwerb.262 Dennoch gehen manche Literaturstimmen davon aus, dass Kryptowährungen (in diesem Fall Bitcoin) trotz der Schwankungen immer einen gewissen wirtschaftlichen Wert aufweisen und daher die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel erfüllen.263 Denn Kursschwankungen haben keinen Einfluss auf die Bejahung der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel.264 Es sei demzufolge allein von Bedeutung, dass Kryptowährungen als solche einen wirtschaftlichen Bestand haben.265 Denn aufgrund der tendenziell steigenden Werte von verschiedenen Kryptowährungen, welche nicht ohne auch teilweise fallende Kurse entstehen könnten, verzichten die Nutzer auf den Handel mit ihnen, was letztlich ihre Funktion als Wertaufbewahrungsmittel sogar steigert.266 Die hohe Volatilität von Kryptowährungen ist jedoch vielmehr ein großes Risiko für Nutzer, da sie dadurch oftmals zu einem Wechsel von Kryptowährungen auf beispielsweise staatliche Währungen oder zum Warenkauf gezwungen werden, wobei der Warenpreis immer in staatlichen Währungen angegeben wird.267 Der (Tausch-)Wert ist daher immer an diesen Wechselkurs gebunden.268 Daher führt die hohe Volatilität der Wechselkurse von Kryptowährungen gegenüber Waren und Dienstleistungen dazu, dass diese als Wertaufbewahrungsmittel selbst für kurzzeitige Zwecke und erst recht für langfristige Zwecke völlig unbrauchbar sind.269 Ein stabiler Tauschwert ist jedoch notwendige Voraussetzung, damit die Kaufkraft des Geldes mit einem Wertmaß verbunden werden kann.270 Aufgrund dieser Volatilität ist Kryptowährungen keine hohe mikroökonomische Reputation in der Gestalt zuzusprechen, dass sich die Parteien eines Warenaus 261

Manager Magazin, Bitcoin stürzt um 10.000 US-Dollar binnen weniger Stunden, https:// www.manager-magazin.de/finanzen/boerse/bitcoin-kursrutsch-kryptowaehrung-stuerzt-auf34-000-us-dollar-gewinnmitnahmen-belasten-a-6a8e829f-eadd-40b0-866f-a1c80b660b14 (zuletzt aufgerufen am 21. 1. 2021). 262 Yermack, in: Chuen, Handbook of Digital Currency, 31 (39). 263 Beck, NJW 2015, 580 (584); Kuhlmann, CR 2014, 691 (695); Sorge / Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479 (484); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1361). 264 Sorge / Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479 (484). 265 Kuhlmann, CR 2014, 691 (695). 266 van Alstyne, COMMUN ACM, Vol. 57 (2014), No. 5, 30 (32). 267 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23. 268 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23. 269 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23 f.; Yermack, in: Chuen, Handbook of Digital Currency, 31 (41). 270 Beck, NJW 2015, 580 (584).

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tauschs auf die Werthaltigkeit von virtuellen Währungen verlassen könnten, was sich positiv auf den Anstieg der Akzeptanz als Zahlungsmittel auswirken würde.271 Da die einzelnen Geldfunktionen nicht völlig getrennt voneinander zu betrachten sind, sondern vielmehr auch in Wechselwirkung zueinander stehen, hat die hohe Volatilität somit auch negative Auswirkungen auf die Klassifizierung als Tauschmittel.272 c) Rechnungseinheit Geld dient des Weiteren als Standardeinheit für die Messung eines Wertes und der Kosten von Waren, Dienstleistungen, Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten und erfüllt damit die Funktion einer Rechnungseinheit.273 So ist Geld gerade das unmittelbare Werkzeug zur Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes eines Vermögensobjekts.274 Die im Vergleich zu herkömmlichem Geld wesentlich geringe Akzeptanz von virtuellen Währungen sowie ihre hohe Volatilität führen dazu, dass Kryptowährungen als Rechnungseinheit ungeeignet sind.275 Denn richtigerweise erfolgt die Berechnung eines Warenpreises im Warenverkehr bei der Zahlung mit Kryptowährungen immer über den Zwischenschritt, dass der Preis in herkömmlichen Währungen wie Euro oder Dollar herangezogen und anhand des aktuellen Kurses in die jeweilige Kryptowährung umgerechnet wird, wodurch letztlich der Preis in Einheiten der zur Zahlung zugelassenen virtuellen Währung festgesetzt ist. Staatlich anerkannte Währungen bleiben demzufolge das Wertmaß für die Kosten.276 d) Zwischenergebnis Die Betrachtung der einzelnen Geldfunktionen der Funktionstrias zeigt auf, dass Kryptowährungen momentan nicht als Geld nach der Funktionstrias zu klassifizieren sind. Die im Vergleich zu herkömmlichen Währungen wesentlich geringere Akzeptanz im Handelsverkehr und vor allem die eine Funktion als Wertauf­ bewahrungsmittel verhindernde hohe Volatilität von Kryptowährungen hindert eine solche Klassifizierung.277

271

Langenbucher, AcP 218 (2018), 385 (389). Martens, in: Erman BGB, § 244 BGB, Rn. 2. 273 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 23. 274 v. Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts I, S. 405. 275 European Central Bank, Virtual currency schemes – a further analysis, S. 24. 276 Beck, NJW 2015, 580 (585). 277 Aktuell Gschnaidtner, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2, Rn. 91; Für das Jahr 2015 so auch Yermack, in: Chuen, Handbook of Digital Currency, 31 (42). 272

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2. Funktionsdualismus Gegenüber der Funktionstrias vertritt eine Gegenmeinung, dass dem Geld lediglich zwei Hauptfunktionen zukommen, nämlich die Tauschmittelfunktion sowie die Funktion als Rechnungseinheit.278 Die Einordnung von Kryptowährungen anhand des Funktionsdualismus des Geldes scheitert aber einerseits daran, dass schon die Tauschmittelfunktion bestritten werden kann und andererseits, dass virtuelle Währungen an sich nicht die Funktion als Rechnungseinheit übernehmen können. 3. Funktionsmonismus Auch nach der funktionsmonistischen Auffassung, welche sich im Wesentlichen auf das Erfordernis der Tauschmittelfunktion für die Einordnung als Geld im ökonomischen Sinne beschränkt,279 stellen Kryptowährungen kein Geld dar, da sie die Funktion als Tauschmittel nicht erfüllen. 4. Zwischenergebnis Weder nach der Funktionstrias noch nach dem Funktionsdualismus oder -monismus kommt Kryptowährungen die Funktion des Geldes im ökonomischen Sinne zu. Die Literaturstimmen, die für eine solche funktionelle Einordnung plädieren, haben die bisher höchsten Kursanstiege und Kursabfälle, welche beispiels­weise im Besonderen die Kryptowährung Bitcoin der vergangenen Jahre durchlaufen hat, nicht miterlebt und somit nicht in ihre Überlegungen miteinbeziehen können.280 5. Dynamik der Entwicklung der Blockchain-Technologie als möglicher Wendepunkt für eine ökonomische Einordnung? Dabei ist ausdrücklich zu betonen, dass das Zwischenergebnis die realwirtschaftliche und gesellschaftliche Funktion von Blockchain-basierten Währungen in der Zukunft nicht erfassen kann. Dies wäre reine Spekulation. Die Blockchain-Technologie und auch die Implementierung Blockchain-basierter Vermögenswerte ist einem dynamischen Prozess ausgesetzt, wie es bei jungen Technologien oftmals der Fall ist. So gibt es weitrechende Blockchain-basierte Anwendungsfälle, die voraussichtlich in den nächsten Jahren auf den Markt gelangen werden. So planen viele Zentralbanken in den nächsten Jahren eigene di 278

Omlor, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 244–248 BGB, Rn. A34. Omlor, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 244–248 BGB, Rn. A36. 280 Ausführlich Beck, NJW 2015, 580 (585); Ebenso etwa Kuhlmann, CR 2014, 691 (695); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1361). 279

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gitale Zentralbankwährungen (CBDCs) einzuführen, deren technologische Basis die Blockchain-Technologie darstellen kann.281 Sogenannte Retail-CBDCs sollen dabei der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und werden schon jetzt nach Bar-, Giralgeld und Zentralbankreserven als vierte Geldform klassifiziert, da diese letztlich das von Zentralbanken ausgegebene Bargeld digitalisieren würden.282 Auch die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet an der Ausgestaltung von einem digitalen Euro,283 während China schon im April 2020 einen Testlauf für eigene CBDC-Projekt DC / EP zur Digitalisierung des Yuan gestartet hat.284 Des Weiteren werden auch privat emittierte Stable-Coins in Zukunft wohl mehr Beachtung gewinnen. Dies ist sicherlich darin begründet, dass das Unternehmen Facebook im Jahr 2019 angekündigt hat, gemeinsam mit weiteren Unternehmen aus der Finanz- und Digitalbranche den eigenen Stable-Coins namens Diem (ehemals Libra genannt) einzuführen. Dadurch soll unter anderem ein neues, weltweites Bezahlsystem entstehen, in welchem die eigene Blockchain-basierte Kryptowährung (Diem Coins und nun Libra Coins) als Zahlungsmittel dient.285 Diese zukünftigen Implementierungen von Blockchain-basierten digitalen Währungen könnten die derzeitige ökonomische Einordnung verändern. Denn durch die Verwirklichung dieser Pläne würden solche virtuellen Währungen entstehen, welche die Handelbarkeit und Akzeptanz im Güterverkehr auf das Niveau herkömmlicher staatlicher Währungen heben könnten. Zugleich würde ihr Charakter als Stable-Coins die hohe Volatilität beseitigen. Insofern wären die zwei grundlegenden Hindernisse, welche nach der hier vertretenen Auffassung die Klassifizierung von Kryptowährungen als Geld im ökonomischen Sinne verhindern, beseitigt. Die Auflösung die ursprünglichen Ideale von Blockchain-basierten virtuellen Währungen, namentlich die Dezentralität und die Unabhängigkeit von Intermediären, führt dazu, dass sich die Funktion von nativen Kryptowährungen und staatlichen Geldmitteln derart annähern, dass man solche Blockchain-basierten Kryptowährungen als Geld im ökonomischen Sinne klassifizieren könnte. Die genannten Beispiele solcher stabiler Zahlungssysteme auf Basis der Blockchain-Technologie zeichnet jedoch aus, dass sie von einem übergeordneten Intermediär, welcher die einzelnen Knotenpunkte des Netzwerks kontrolliert, geleitet werden. Daher fallen sie aus dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit, welcher sich auf dezentral kontrollierte Blockchain-Netzwerke beschränkt. Da es sich dabei oftmals um Projekte der Zentralbanken handelt, ist davon auszugehen, dass diese 281

Groß et al., Wirtschaftsdienst, Jg. 100, Heft 7, 545 (545). Groß et al., Wirtschaftsdienst, Jg. 100, Heft 7, 545 (546). 283 European Central Bank, Exploring Anonymity in Central Bank Digital Currencies, S. 1 ff., abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/paym/intro/publications/pdf/ecb.mipinfocus 191217.en.pdf (zuletzt aufgerufen am 11. 12. 2020). 284 Groß et al., Wirtschaftsdienst, Jg. 100, Heft 7, 545. 285 Libra Association Members, White Paper v2.0, S. 5, abrufbar unter: https://wp.diem. com/en-US/wp-content/uploads/sites/23/2020/04/Libra_WhitePaperV2_April2020.pdf (zuletzt aufgerufen am 11. 12. 2020). 282

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Modelle die Akzeptanz im Warenverkehr in Zukunft dominieren werden, sodass herkömmlichen dezentralen Kryptowährungen wohl erst recht die Rolle als Spekulationsobjekt und nur untergeordnet die Rolle als zentralbankfreie Alternativwährung zukommen wird.

V. Kryptowährungen als Geld im Rechtssinne Die ersten Varianten von Kryptowährungen (wie beispielsweise Bitcoin) wurden vor dem Hintergrund der Finanzkrise 2008 mit der sicherlich anarchistisch anmutenden Idee geschaffen, dass sie eine neuartige Version von digitalem Geld erschaffen, durch die direkte Online-Zahlungen ohne eine Finanzinstitution ermöglicht werden.286 Sie verstanden sich konzeptionell als Gegenentwurf zu einer zentral gesteuerten Währung.287 Daher ist die Frage naheliegend, ob es sich bei Blockchain-basieren digitalen Währungen um Geld im Rechtssinne handelt. Diese Frage wird gerade auch aufgrund der hohen Kursschwankungen zunehmend von der steigenden Verwendung von (klassischen) Kryptowährungen zu gewinnorientierten Spekulationszwecken gestellt.288 Im ideellen Sinne widersprechen diese spekulationsbedingten Schwankungen nämlich der dargelegten konzeptionellen Grundidee von Kryptowährungen, wie die Analyse der Klassifizierung als Geld im ökonomischen Sinne gezeigt hat. 1. Kryptowährungen als E-Geld nach § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG Unter E-Geld wird gem. § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Absatz 4 Satz 1 BGB durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird verstanden. Über § 675c Abs. 3 BGB gilt diese Definition auch im Privatrecht.289 a) Forderung gegenüber einem Emittenten Maßgebliches Kriterium im Zusammenhang mit Kryptowährungen ist zunächst das Bestehen einer Forderung gegenüber einem Emittenten. Die Notwendigkeit dieser Voraussetzung wird des Weiteren aufgrund einer systematischen Auslegung 286

Nakamoto, S. 1. Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307). 288 Klöhn, Marktmissbrauchsverordnung, Art. 2, Rn. 84 ff. 289 Omlor, ZHR 183, 294 (309). 287

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des § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG deutlich, da § 33 Abs. 1 S. 2 ZAG einen Umtauschanspruch des E-Geld-Inhabers gegenüber dem Emittenten begründet.290 Kryptowährungen basieren aber gerade auf einem dezentralen System, innerhalb dessen kein Emittent existiert, sondern neue Einheiten einer virtuellen Währung regelmäßig durch den Mining-Prozess entstehen. Daher kann kein Anspruch auf Auszahlung gegenüber diesem bestehen, da schon keine Ausgabe durch einen Emittenten vorliegt.291 Mangels Vorliegen eines tauglichen Schuldners kann demzufolge keine Forderungsbeziehung entstehen.292 Eine Meinung in der Literatur argumentiert jedoch, dass dem Erwerber eine Forderungsposition im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG zukomme, da dem Erwerber auf Kryptohandelsplattformen als Sekundärmärkten ein allgemeines und jederzeit zugängliches Konvertierungsverfahren von Kryptowährungen zur Verfügung gestellt wird.293 Jedoch führt auch diese Argumentation nicht zu einer Einordnung von Kryptowährungen als E-Geld, da § 33 Abs. 1 S. 2 ZAG eine rechtlich garantierte Einlösbarkeit fordert, welche virtuellen Währungen fehlt.294 b) Das Netzwerk als Emittent? Im Falle einer permissionless public Blockchain, welche im Regelfall die Grundlage von Blockchain-basierten Kryptowährungen ist, kann auch nicht der Zusammenschluss der Nodes innerhalb des Blockchain-Netzwerks als taugliches Rechtssubjekt angesehen werden. Zwar benötigt eine solche Blockchain-Applikation aufgrund ihres dezentralen Ansatzes für die Verwaltung des dezentral gespeicherten Datenbestandes sowie innerhalb des jeweiligen Konsensfindungsprozesses das Zusammenwirken der einzelnen Nodes. Dieses Zusammenwirken begründet aber noch keinen gesellschaftsvertraglich verbindlichen Willen, der auf die Förderung eines gemeinsamen Zwecks gerichtet wäre, sodass man nicht von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach § 705 BGB ausgehen kann.295 Die Annahme eines solchen (konkludent) geschlossenen Gesellschaftsvertrags scheitert regelmäßig schon an der Anony 290

Omlor, ZHR 183, 294 (309). KG Berlin, Urt. v. 29. 8. 2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), ZIP 2018, 2015 (2018); Terlau, in: Schimansky et al., Bankrechts-Handbuch, § 55a, Rn. 149; Werner, in: Kümpel et al., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.971; Ammann, CR 2018, 379 (380); Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (356); Hillemann, CR 2019, 830 (832); Kaulartz, CR 2016, 474 (477); Klöhn / Parhofer, ZIP 2018, 2093 (2098); Martiny, IPRax 2018, 553 (556); Omlor, JuS 2019, 289 (291); Omlor, JZ 2017, 754 (758); Richter / Augel, FR 2017, 937 (940); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1361). 292 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (308 f.). 293 Köndgen, in: BeckOGK BGB, § 675c BGB, Rn. 139. 294 So schlussfolgert dann auch Köndgen, in: BeckOGK BGB, § 675c BGB, Rn. 139; Ebenfalls Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (496). 295 Schwintowski et al., NJOZ 2018, 1401 (1405). 291

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mität der Nodes innerhalb des Netzwerks sowie an der fehlenden Möglichkeit einer Kommunikation außerhalb der Abarbeitung von technisch implementierten Konsensregeln mittels der jeweiligen Software.296 Des Weiteren besteht auch kein Rechtsbindungswille der Nodes innerhalb des Blockchain-Netzwerks, da sie keine vertragliche Verpflichtung zur Förderung eingehen wollen, sondern lediglich das System nutzen.297 c) Unterscheidung nach Konsensbildungsmechanismus? Jedoch sind auch solche Blockchain-Applikationen als Grundlage von Blockchain-basierten Kryptowährungen existent, bei dem gerade nicht der Mining-­ Prozess zur Schaffung neuer Einheiten angewendet wird. Dies ist nur der Fall, falls der jeweiligen Blockchain der Proof-of-Work-Mechanismus als Konsens­ findungsmechanismus zugrunde liegt.298 Bei anderen Mechanismen wie beispielsweise dem Proof-of-Stake-Mechanismus können die jeweiligen Einheiten der implementierten Kryptowährung daher bereits vom System her existent sein, da sie nicht als Mining-Reward zum Anreiz für die Aufwendung der Rechenleistung neu geschürft werden müssen. Aber auch hier erfolgt die erstmalige Verteilung der einzelnen Einheiten nicht gegen die Zahlung eines Geldbetrags wie es von § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG gefordert wird.299 Denn darunter versteht man den Austausch gegen andere Zahlungsmittel, jedoch nicht die Herausgabe gegen andere (realwirtschaftliche) Leistungen oder die unentgeltliche Ausgabe.300 Bei anderen Konsensfindungsmechanismen als dem PoW-Mechanismus, bei denen statt der Rechenleistung andere Ressourcen wie beispielsweise der jeweilige State maßgeblich sind, werden die Einheiten von virtuellen Währungen aber nicht gegen andere Zahlungsmittel eingetauscht. 2. Geld im privatrechtlichen Sinne Nach der herrschenden Meinung ist Geld im Sinne des Privatrechts vor allem durch die staatliche Anerkennung und die staatlichen Rechtsnormen geprägt, die unter anderem den Schutz des Geldes und den Annahmezwang regeln, weshalb Geld im Rechtssinne nur gesetzliche Zahlungsmittel sein können.301 Diese staat 296

Schwintowski et al., NJOZ 2018, 1401 (1405). Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (309); Schlund / Pongratz, DStR 2018, 598 (600); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1360); Rückert, MMR 2016, 295 (296). 298 Näheres dazu unter Kap. Kap. 2 A. II. 7. b). 299 So im Ergebnis etwa auch Terlau, in: Möslein / Omlor, Fintech-Handbuch, § 20, Rn. 33; Beck, NJW 2015, 580 (582); Richter / Augel, FR 2017, 937 (940); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1361). 300 Terlau, in: Schimansky et al., Bankrechts-Handbuch, § 55a, Rn. 24. 301 Martens, in: Erman BGB, § 244 BGB, Rn. 3. 297

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liche Anerkennung fehlt Kryptowährungen und sie sind auch kein Geld im währungsrechtlichen Sinne.302 Insoweit aufgrund der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie (Geldwäsche-RL) nun eine Legaldefinition von „Kryptowerten“ in § 1 Abs. 11 S. 4 KWG existiert, führt dieser Umstand zu keiner rechtlichen Anerkennung als (gesetzliches) Zahlungsmittel. Die Legaldefinition dient zunächst nur einer Begriffsbestimmung innerhalb des Sekundärrechtsaktes und die 5. Geldwäsche-RL geht selbst davon aus, dass den umfassten Kryptowährungen nicht der Status einer Währung zukommt.303 § 1 Abs. 11 S. 4 KWG, der in Folge der 5. Geldwäsche-RL eingeführt wurde, definiert demzufolge „Kryptowerte“ unter anderem als „nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld“ besitzend. Den gesetzlichen Änderungen aufgrund der 5. Geldwäsche-RL ist demzufolge keine Regelungswirkung außerhalb der Regelungsziele der Richtlinie zuzusprechen. Omlor stützt sich darauf, dass es ein Mindestniveau an rechtlicher sowie gesellschaftlicher-volkswirtschaftlicher Relevanz bedarf, um letztlich von Geld im privatrechtlichen Sinne ausgehen zu können.304 Dabei beruht die rechtliche Relevanz auf der normativen Anerkennung, während die gesellschaftlich-volkswirtschaftliche Relevanz ein rein empirisches Merkmal darstellt.305 Schon die letztgenannte Relevanz ist Kryptowährungen abzusprechen, wie die ökonomische Betrachtung aufgezeigt hat. Sie hat weiterhin aufgezeigt, dass die gesellschaftlich-volkswirtschaftliche Relevanz von Kryptowährungen nach dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit vielmehr in der Rolle als Investitions- und Spekulationsobjekt als Zahlungsmittel liegt. Aber auch gerade ihre Existenz als Zahlungsmittel ist dem Recht auch nach der jüngsten Änderung des KWG weiterhin nicht bekannt.306 Andere Definitionsansätze von Geld im privatrechtlichen Sinne, wie die Stellung als Geld im währungsrechtlichen Sinne307 oder die Rolle als allgemeines Exekutionsmittel308 gehen aus den genannten Gründen ebenfalls ins Leere. Vor diesem Hintergrund können Kryptowährungen nicht als Geld im privatrechtlichen Sinne klassifiziert werden.309 3. Analoge Anwendung der privatrechtlichen Geldvorschriften? Zumindest die ideelle Idee hinter Blockchain-basierten Kryptowährungen lässt den theoretischen Gedankengang zu, ob diese ideelle Konzeption nicht eine analoge Anwendung von privatrechtlichen Vorschriften zu Geld rechtfertigen kann. 302

Terlau, in: Möslein / Omlor, Fintech-Handbuch, § 20, Rn. 27. Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307). 304 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (312). 305 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (312). 306 Terlau, in: Möslein / Omlor, Fintech-Handbuch, § 20, Rn. 27. 307 Terlau, in: Möslein / Omlor, Fintech-Handbuch, § 20, Rn. 27. 308 Omlor, JZ 2017, 754 (759) m. w. N. 309 Ebenfalls Terlau, in: Möslein / Omlor, Fintech-Handbuch, § 20, Rn. 27. 303

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Die ökonomische Betrachtung der Geldmerkmale hat jedoch unweigerlich aufgezeigt, dass dezentrale Blockchain-basierte virtuelle Währungen nicht der ökono­ mischen Idee von Geld entsprechen. Insoweit fehlt es schon an der Vergleichbarkeit für die Analogiebildung aus einer privatrechtlichen Geldvorschrift.

VI. Kryptowährungen als Rechnungseinheiten im Sinne des KWG Die Frage, ob Einheiten von Kryptowährungen unter einen Tatbestand des KWG fallen, war lange Zeit umstritten. Vor allem stellte sich dabei die Frage, ob sie Rechnungseinheiten nach § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 Var. 2 KWG und somit Finanzinstrumente nach § 1 Abs. 11 S. 1 KWG darstellen können. Die BaFin hat sich dabei schon seit 2011 innerhalb ihrer Verwaltungspraxis dafür entschieden, dass sie virtuelle Währungen als Rechnungseinheiten nach § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 Var. 2 KWG betrachtet.310 Hauptargument der BaFin hierfür war, dass es sich bei Kryptowährungen um Komplementärwährungen handelt, welche als Rechnungseinheiten nach dem KWG zu werten sind.311 Das KG Berlin hat dieser Wertung durch die BaFin in einem vielbeachteten Urteil, welches sich unter anderem mit der Strafbarkeit des Handels von Bit­coins nach § 54 I Nr. 2 i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG beschäftigt hatte, eine Absage erteilt und Einheiten der Kryptowährung Bitcoin nicht als Rechnungseinheiten nach dem KWG klassifiziert.312 Begründet wurde dies durch das KG Berlin vor allem damit, dass es aufgrund des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG (allein) Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so zu umschreiben, dass der Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen ist und eine solche Rechtsgestaltung nicht Aufgabe von Bundesbehörden ist.313 Dem Gesetzeswortlaut sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass Kryptowährungen als Rechnungseinheit zu klassifizieren sind und der Wortlaut des KWG ist auch keiner dahingehenden Auslegung zugänglich.314 Das Urteil des KG Berlin hatte zur Folge, dass der bereits zu diesem Zeitpunkt existierende rechtliche Diskurs über die Erfassung von Kryptowährungen durch das KWG einen neuen Schub erhalten hat. So haben sich einige Literaturstimmen für eine Einordnung als Rechnungseinheit nach § 1 Abs. 11 Nr. 7 Var. 2 KWG

310

BaFin, Virtuelle Währungen / Virtual Currency (VC), abrufbar unter: https://www.bafin. de/DE/Aufsicht/FinTech/VirtualCurrency/virtual_currency_node.html (zuletzt aufgerufen am 13. 8. 2020); Lorenz, ZIP 2019, 1699 (1700). 311 KG Berlin, Urt. v. 29. 8. 2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), ZIP 2018, 2015 (2017). 312 KG Berlin, Urt. v. 29. 8. 2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), ZIP 2018, 2015 ff. 313 KG Berlin, Urt. v. 29. 8. 2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), ZIP 2018, 2015 (2017). 314 KG Berlin, Urt. v. 29. 8. 2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), ZIP 2018, 2015 (2016).

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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ausgesprochen,315 während andere dem Ergebnis des KG Berlin gefolgt sind.316 Ebenso wurde eine differenzierende Ansicht vertreten, wonach aus allgemeiner Sicht Bitcoins Rechnungseinheiten nach dem KWG darstellen, während aus einer strafrechtlichen Sicht eine enge Auslegung des Begriffs notwendig erscheint, die eine solche Einordnung verbietet.317 Der Gesetzgeber hat diese rechtliche Diskussion durch die KWG-Novelle vom 12. 12. 2019 beendet.318 Aufgrund dieser jüngsten Änderung des KWG durch die Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie sind nun „Kryptowerte“ als Finanzinstrumente nach § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 10 KWG ausdrücklich genannt. § 1 Abs. 11 S. 4 KWG enthält nun auch eine Legaldefinition für „Kryptowerte“, wonach sie als „digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann“ verstanden werden. Unter diese Definition fallen demzufolge gerade auch Kryptowährungen.319 Demzufolge sind sie nun gem. § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 10 KWG als Rechnungs­ einheiten und somit als Finanzinstrumente nach § 1 Abs. 11 S. 1 KWG einzuordnen, wodurch der Gesetzgeber diesem rechtlichen Diskurs ein Ende bereitet hat.

VII. Einordnung als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB Dabei lässt sich die grundlegende Überlegung fruchtbar machen, dass die tatsächliche Verfügungsgewalt über die einer Adresse im Blockchain-Netzwerk zugewiesenen UTXO auffallende Ähnlichkeit mit dem Besitz nach §§ 854 BGB aufweist.320 Das soll zum Anlass genommen werden, um diese Ähnlichkeit auf etwaige rechtliche Auswirkungen zu prüfen.

315

Danwerth / Hildner, BKR 2019, 67 (66); Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014, Anm. 1; Lorenz, ZIP 2019, 1699 (1709); Weitnauer, BKR 2018, 231 (234). 316 Auffenberg, NVwZ 2015, 1184 (1187); Bauerfeind, NJOZ 2019, 785 (787); Froitzheim, BKR 2018, 473 (477); Klöhn / Parhofer, ZIP 2018, 2093 (2097). 317 Patz, MMR 2018, 828 (832). 318 Köndgen, in: BeckOGK BGB, § 675c BGB, Rn. 133. 319 Kleinert / Mayer, EuZW 2019, 857 (861), die dabei von „Currency-Token“ sprechen. 320 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 37; Paulus /  Matzke, ZfPW 2018,431 (453).

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

1. Systematische Ähnlichkeit des Besitzes nach §§ 854 BGB und der Inhaberschaft über Kryptowährungen § 854 Abs. 1 BGB definiert den Besitz als die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache. Das Gesetz versteht den Besitz demzufolge als tatsächliche Herrschaft über einen Gegenstand.321 Er wird also durch die Erlangung der tatsächlichen Herrschaft erworben und durch den Verlust oder die Aufgabe dieser verloren, vgl. § 856 Abs. 1 BGB.322 Tatsächliche Sachherrschaft bedeutet dabei nicht, dass handgreiflich ausgeübte Herrschaft (wie § 868 BGB schon zeigt) oder ein Recht zur Herrschaft bestehen muss.323 Es entscheidet vielmehr die Verkehrsanschauung, wann eine solche tatsächliche Herrschaft über einen Gegenstand anzunehmen ist.324 Hierfür muss erkennbar sein, dass der Gegenstand in einem Herrschaftsverhältnis zu einer Person steht.325 Dabei muss er der Einwirkung durch Dritte nicht entzogen sein da es genügt, dass Dritte aufgrund der Achtung fremden Besitzes an der Einwirkung auf den Gegenstand gehindert werden, auch wenn dies ihnen faktisch möglich wäre.326 Aus diesem Grund begründet allein die Einbringung eines Gegenstandes in den Herrschafts- und Organisationsbereich nach herrschender Meinung keinen Besitz, sondern es ist vielmehr eine Inbesitznahme mit bestehendem Besitzbegründungswillen notwendig.327 Dabei kennt der Besitz neben der tatsächlichen Herrschaft über einen Gegenstand (§ 854 Abs. 1 BGB) beispielsweise etwa auch den funktionalen Tatbestand eines Rechtsverhältnisses zum Inhaber der tatsächlichen Herrschaft als funktionalen Besitz (§ 868 BGB).328 Die tatsächliche und ausschließliche Herrschaftsmacht über den UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk durch Inhaberschaft des dazugehörigen privaten Schlüssels weist bei genauerer Betrachtung wesentliche Parallelen zu diesem

321

BGH, Urt. v. 27. 10. 1971 – VIII ZR 48/70, NJW 1972, 43; BGH, Urt. v. 6. 5. 2009 – XII ZR 137/07 (KG), NJW 2009, 1947 (1949); BGH, Hinweisbeschluss v. 5. 4. 2016 – VIII ZR 31/15, NJW-RR 2016, 982, Rn. 5; Berger, in: Jauernig BGB, § 854 BGB, Rn. 1; Lorenz, in: Erman BGB, Vor § 854 BGB, Rn. 1; Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 854 BGB, Rn. 3; Schulte-Nölke, in: Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 3. 322 BGH, Urt. v. 6. 5. 2009 – XII ZR 137/07 (KG), NJW 2009, 1947 (1949); Schulte-Nölke, in: Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 2. 323 Berger, in: Jauernig BGB, § 854 BGB, Rn. 1. 324 BGH, Urt. v. 24. 6. 1987  – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 (2813); BGH, Urt. v. 2. 12. 2011 – V ZR 119/11, NZM 2013, 205 (205); Berger, in: Jauernig BGB, § 854 BGB, Rn. 2; Schulte-Nölke, in: Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 3 f. 325 Berger, in: Jauernig BGB, § 854 BGB, Rn. 2. 326 Schulte-Nölke, in: Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 5. 327 BGH, Urt. v. 30. 5. 1958  – V ZR 295/56, NJW 1958, 1286 (1286 f.); BGH, Urt. v. 24. 6. 1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 (2813); BGH, Urt. v. 2. 12. 2011 – V ZR 119/11, NZM 2013, 205 (205); Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 26; Schulte-Nölke, in: Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 8. 328 Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 4.

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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Verständnis des Besitzes auf. Zunächst ist aber zu klären, was dieser Inhaber „besitzen“ kann. Die Transaktionsdaten als Datenbasis der Blockchain werden simultan auf jedem Computer oder Server eines Full-Nodes innerhalb des zugrundeliegenden Peer-to-Peer-Netzwerks gespeichert. Der einzelne Nutzer kann demzufolge keine unmittelbare Verfügungsgewalt über diese Daten innehaben, da der Datensatz des Blockchain-Netzwerks nur durch eine gemeinsame Konsensfindung mittels der Konsensregeln des jeweiligen Konsensfindungsmechanismus verändert werden kann.329 Ein Inhaber der zu einer bestimmten Adresse im jeweiligen BlockchainNetzwerk zugewiesenen Transaktionen kann nicht in der Art über sie verfügen, dass er diese Datensätze selbst beeinflussen kann. Das Fortschreiben der Blockchain und damit einhergehend jede Veränderung der Transaktionsdatensätze geschieht durch das Erstellen von Transaktionen, deren Aufnahme in den Datenbestand der Blockchain vom Konsensfindungsmechanismus, also beim Proof-of-Work beispielsweise vom Mining-Prozess, abhängig ist. Auf diesen Mechanismus kann der einzelne Inhaber keinen Einfluss nehmen, weshalb ihm auch keine unmittelbaren Schreibrechte über die einer Adresse zugewiesenen Kryptowährungen mittels der Inhaberschaft des dazugehörigen privaten Schlüssels zukommen können.330 Aber nur der Inhaber des privaten Schlüssels kann durch die Erstellung einer Transaktion erst darauf einwirken, dass die der Adresse, zu welcher der jeweilige private Schlüssel gehört, zugewiesenen Transaktionen überhaupt durch die Bildung einer neuen Transaktion in den Fortschreibungsprozess der Blockchain gelangen können. Ob also eine Veränderung des UTXO einer Adresse stattfinden kann, ist demzufolge immer davon abhängig, dass der Inhaber des privaten Schlüssels Transaktionen generiert, welche diesen als Input der Transaktion beinhalten und demzufolge an eine andere Adresse weitergeben. Aus diesen Gründen ist aufgrund der dargelegten technischen Gegebenheiten zu schlussfolgern, dass der Inhaber des privaten Schlüssels die alleinige und tatsächliche Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk hat. Nur er kann technisch bedingt veranlassen, dass die betroffenen Transaktionsdaten innerhalb der Blockchain als Transaktionen in den Fortschreibungsprozess eingebracht werden können. Diese Besonderheit wurde auch bereits vom BGH erkannt, welcher innerhalb eines Beschlusses, der den Verfall von Bitcoins nach § 73 Abs. 1 S. 1 StGB a. F. zum Gegenstand hatte, davon ausging, dass der Inhaber von Kryptowährungen (hier Bitcoins) die faktische Verfügungsgewalt über diese hat.331 Dabei ist dem BGH diese Anerkennung auch bezüglich des Besitzes nicht unbe-

329

Vgl. Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 36, welche hierzu lediglich auf die gemeinsame Speicherung innerhalb des Peer-to-Peer-Netzwerks abstellen. 330 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 36. 331 BGH, Beschl. v. 27. 7. 2017 – 1 StR 412/16, NStZ 2018, 401 (405).

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

kannt, da dieser schon hinsichtlich allgemeiner Daten von einem „tatsächlichen Besitz“ an ihnen ausgegangen ist.332 Wie der Besitz durch die Erlangung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt definiert wird, so statuiert die Inhaberschaft des privaten Schlüssels auch die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die jeweiligen Einheiten von Kryptowährungen, welche der jeweiligen Adresse zugesprochen werden. Insoweit diese Inhaberschaft keine weitreichenderen Verfügungshandlungen oder -möglichkeiten gewährt (etwa eigenständige Schreibrechte), so werden solche auch beim Besitzrecht gerade nicht gefordert. So benötigt das Besitzrecht – wie zu Beginn erwähnt – nicht zwingend eine handgreifliche Gewalt über den Gegenstand. Die (mögliche) Inhaberschaft über die Kryptowährungseinheiten wird bei der Generierung des kryptografischen Schlüsselpaares und der Adresse durch die Erlangung der Inhaberschaft des privaten Schlüssels erstmals gewährt und erst durch den vollständigen Verlust dieser Inhaberschaft beendet. Die Feststellung der tatsächlichen Herrschaft über die einer Adresse zugewiesenen Einheiten virtueller Währungen kann auch aus der Sicht der Verkehrsanschauung kein anderes Ergebnis statuieren. Die technischen Gegebenheiten gewähren ausschließlich dem Inhaber des privaten Schlüssels die Fähigkeit zur Generierung von Transaktionen. Denn nur dadurch wird eine ständige Einwirkungsmöglichkeit technisch ermöglicht und der Ausschluss von Einwirkungsmöglichkeiten Dritter verhindert. Da das Gesetz gemäß § 866 BGB von der Tatsache ausgeht, dass es einen Mitbesitz in der Art geben kann, dass Mehrere einen Gegenstand gemeinschaftlich besitzen,333 so trifft das ebenfalls auf eine tatsächliche Herrschaft durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels zu. Denn weisen mehrere Personen die Herrschaft über denselben privaten Schlüssel auf, so können sie jeweils über die dazugehörigen Kryptowährungseinheiten verfügen. Diese Tatsache ist in Worten des Besitzrechts als einfacher Mitbesitz zu klassifizieren, da auch hier die Mitwirkung des anderen Mitbesitzers nicht notwendig ist.334 Auch die häufig vorkommenden rechtlichen Verhältnisse zum Anbieter von Verwahrungsmöglichkeiten für private Schlüssel (Verwahrungsdienste) gleichen dem mittelbaren Besitz nach § 868 BGB, wenn anzunehmen ist, dass der Anbieter den privaten Schlüssel verwahrt und dadurch die unmittelbare Inhaberschaft über diesen erlangt. Dann ist aufgrund der zugrundeliegenden rechtlichen Beziehungen ein vertragliches Besitzmittlungsverhältnis anzunehmen, welches regelmäßig als Verwahrung zu klassifizieren sein dürfte und daher schon nach der exemplarischen Aufzählung des § 868 BGB ein Besitzkonstitut darstellt.335 332

BGH, Urt. v. 17. 4. 1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159 (2161). Schäfer, in: MüKoBGB, § 866 BGB, Rn. 1. 334 Schäfer, in: MüKoBGB, § 866 BGB, Rn. 10. 335 Götz, in: BeckOGK, § 868 BGB, Rn. 27; Näheres zum Rechtsverhältnis zwischen Inhaber des privaten Schlüssels und Verwahrer unter Kap. 5 B. V. 1. a). 333

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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Der private Schlüssel kann zudem auch beliebig oft kopiert werden, ohne dass sich dadurch automatisch auch die Verfügungsgewalt vervielfacht. Erst die Inhaberschaft einer Person über den privaten Schlüssel statuiert die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die der jeweiligen Adresse zugesprochenen Einheiten einer virtuellen Währung. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass dem Recht de lege lata etwa ein allgemeiner Datenbesitz nicht gänzlich unbekannt ist.336 Der § 303a Abs. 1 StGB geht von einem rechtswidrigen Eingriff in einen Datenbestand aus und stellt diese rechtswidrige Handlung unter Strafe. Das Merkmal der Rechtswidrigkeit setzt demzufolge ein Verfügungsrecht an den betroffenen Daten voraus, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit neben der Verletzung der Interessen des oder der vom Inhalt der Daten Betroffenen begründen kann.337 Bei Daten ist der (zumeist technische) Anknüpfungspunkt für die Frage, wem das Verfügungsrecht an Daten zustehen soll, unklar.338 Wem das Verfügungsrecht an Kryptowährungen zustehen soll, ist hingegen technisch bedingt eindeutig. Die Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse kann nur der Inhaber des privaten Schlüssels haben. Die technischen Besonderheiten der Blockchain-Technologie erlauben hier also eine eindeutige Zuordnung der auf der Blockchain hinterlegten Transaktionsdaten und darauf basierend dem UTXO einer Adresse.339 Der Blockchain-Technologie liegt ferner der Grundgedanke zugrunde, dass nur aus Sicht des Netzwerks korrekte Transaktionen als neue Datensätze aufgenommen werden können. Hierfür sorgt der jeweilige Konsensfindungsmechanismus. Korrekte Transaktionen sind solche, die mittels des passenden privaten Schlüssels signiert worden sind. Aus der technologischen Sicht führt die Verfügungsmacht zur Verfügungsberechtigung und somit zur Zuordnung des Verügungsrechts. Bei Blockchain-basierten Kryptowährungen ist diese Zuordnung daher eindeutiger als etwa bei der Frage nach dem Zuordnungssubjekt beim allgemeinen Datenbesitz oder Dateneigentum und entspricht vielmehr dem tatsächlichen Herrschaftsgedanken des Besitzes nach §§ 854 ff. BGB. Bei der rechtlichen Debatte zum Dateneigentum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Zuordnungsprobleme bei der Annahme einer Zuordnung nach Sacheigentum am Datenträger stellen, wenn etwa bei Cloud-Speicherdiensten die Eigentümer der Speichermedien in keiner näheren Beziehung zu den Daten stehen.340 Selbst bei solchen Konstellationen, die bei Kryptowährungen bei der Nutzung von Online-Wallets in Betracht kommen, ist eine eindeutige Zuordnung mittels des privaten Schlüssels möglich, weil 336

Hoeren, MMR 2019, 5 (6). Hoeren, MMR 2019, 5 (6). 338 Hoeren, MMR 2019, 5 (6 f.). 339 Vgl. allgemein zu der Datenzuordnung mittels der Blockchain-Technologie Markendorf, ZD 2018, 409 ff. 340 Hoeren, MMR 2013, 486 (487); Zum Dateneigentum allgemein etwa auch Wagner, in: MüKoBGB, § 823 BGB, Rn. 332 ff.; Determann, MMR 2018, 277 ff.; Fezer, MMR 2017, 3 ff.; Kühling / Sackmann, ZD 2020, 24 ff.; Wandtke, MMR 2017, 6 (11). 337

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

über diesen nicht der Diensteanbieter, sondern ausschließlich der Accountinhaber verfügt. Das ist der Fall, da Anbieter von Online-Wallets im absoluten Regelfall nur eine verschlüsselte Datei des privaten Schlüssels speichern, sodass sie nicht über eine unverschlüsselte Version des privaten Schlüssels verfügen.341 Demzufolge können sie trotz der Tatsache, dass der private Schlüssel auf ihren Servern gespeichert ist, nicht darauf zugreifen. Der Besitzschutz von Daten lässt sich mit guten Argumenten begründen.342 Die vorangegangene Untersuchung zeigt, dass sich der Besitzschutz der Inhaberschaft des privaten Schlüssels aufgrund der vielseitigen Parallelen zum Besitz gar aufdrängt. Welche rechtlichen Auswirkungen das hat und ob diese effizient sind, soll nachstehend überprüft werden. 2. Schlussfolgerungen für eine Einordnung als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB Aufgrund der systematischen Ähnlichkeit der Inhaberschaft über den privaten Schlüssel und dem Besitz als tatsächliche Verfügungsgewalten wird von einer Ansicht angenommen, dass auch das durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels zugewiesene Verfügungsrecht als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu klassifizieren ist.343 a) Eine Ansicht Das Hauptargument dieser Ansicht ist dabei, dass der Besitz nach §§ 854 ff. BGB ebenfalls als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist und dieser ebenfalls allein auf die tatsächliche Verfügungsgewalt abstellt, welche aber auch durch die Inhaberschaft über den privaten Schlüssel vermittelt wird.344 Dabei überzeugt diese Ansicht umso mehr, je deutlicher die Ähnlichkeit zwischen dem Besitz und der Inhaberschaft über den privaten Schlüssel aufgezeigt wird. § 823 Abs. 1 BGB schützt nur solche Positionen, die wie die aktiv aufgelisteten Rechte innerhalb des § 823 Abs. 1 BGB durch einen Zuweisungsgehalt 341

Statt vieler anderer Dienste etwa Blockchain.com, abrufbar unter: https://www.blockchain. com/legal/privacy#storage_of_personal (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2021). 342 Hoeren, MMR 2019, 5 ff.; Michl, NJW 2019, 2729 ff.; a. A. OLG Brandenburg, Urt. v. 6. 11. 2019 – 4 U 123/19, ZIP 2019, 2307 (2310). 343 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 37; Langenbucher, AcP 218, 385 (409); Paulus / Matzke, ZfPW 2018,431 (453); Shmatenko / Möllenkamp, MMR 2018, 495 (498); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1363); Wohl auch Linardatos, in: B ­ eyer et al., Privatrecht 2050, 181 (204 ff.). 344 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 37; Paulus / Matzke, ZfPW 2018,431 (453); Zum Besitz als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB siehe auch Berberich, Virtuelles Eigentum, S. 222 ff.

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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und eine Ausschlussfunktion gekennzeichnet sind.345 Aufgrund der Besonderheit des innerhalb der Blockchain-Technologie verwendeten Public-Key-Infrastruktur-­ Verfahrens besteht dieser Ansicht zufolge der notwendige Zuweisungsgehalt sowie die notwendige Ausschlussfunktion auch bei der Inhaberschaft des privaten Schlüssels.346 Diese Annahme ist zu überprüfen. b) Vergleich mit der Argumentation der herrschenden Meinung zur Registrierung des Domainnamens als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB? Die Zuordnungsfunktion wird durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels gewährt, da sie wie bereits erläutert eine Zuordnung der Verfügungsposition an eine Person ermöglicht. Das Bestehen einer Ausschlussfunktion kann jedoch in Frage gestellt werden. Das wird klar, wenn man sich die Diskussion hinsichtlich der Frage nach der möglichen Inhaberschaft eines absoluten Rechts durch die Registrierung eines Domainnamens vergegenwärtigt. Von der herrschenden Meinung wird zwar anerkannt, dass die Registrierung eines Domainnamens eine ausschließliche Stellung in dem Sinne statuiert, dass ein Domainname von der DENIC nur ein einziges Mal vergeben wird und man sich diesen dadurch anderen gegenüber sichert.347 Die daraus folgende rein faktische Ausschließlichkeit begründet aber kein absolutes Recht.348 Denn das Wesen absoluter Rechte ist es, dass dem Berechtigten durch sie ein Freiheitsbereich eingeräumt wird, in welchem er alleine und unabhängig von jeder Beteiligung oder der Teilhabe Dritter bestimmen kann.349 Bei der Nutzung der Domainnamen ist diese ausschließliche Wirkung jedoch nur dem Umstand zuzusprechen, dass der jeweilige Domainname eben nur einmal vergeben wird, sodass ihn im Anschluss auf die erfolgte Anmeldung kein Dritter erwerben kann.350 Das ist nur der Fall, weil ein Domainname aus technischen Gründen nur einmal von der DENIC vergeben werden kann.351 Diese Wirkung ist also rein technisch bedingt und von diesem Umstand abhängig, sodass nur von einer faktischen Ausschließbarkeit gesprochen werden kann.352 345

BGH, Urt. v. 18. 1. 2012 – I ZR 187/10, CR 2012, 330 (331); Mansel, in: Staudinger BGB, § 823 BGB, Rn. B 124; Wilhelmi, in: Erman BGB, § 823 BGB, Rn. 35. 346 Paulus / Matzke, ZfPW 2018,431 (453); Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1363). 347 BGH, Urt. v. 18. 1. 2012 – I ZR 187/10, CR 2012, 330 (331). 348 BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2004  – 1 BvR 1306/02, CR 2005, 282 (283); BGH, Urt. v. 18. 1. 2012 – I ZR 187/10, CR 2012, 330 (331); BGH, Beschl. v. 5. 7. 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353 (2254); Kleespies, GRUR 2002, 764 (766); a. A. Koos, MMR 2004, 359 (360 ff.). 349 Kleespies, GRUR 2002, 764 (766). 350 Kleespies, GRUR 2002, 764 (766). 351 Wetzel, MMR 2001, 131. 352 BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2004  – 1 BvR 1306/02, CR 2005, 282 (283); BGH, Urt. v. 18. 1. 2012 – I ZR 187/10, CR 2012, 330 (331); BGH, Beschl. v. 5. 7. 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353 (2254); Kleespies, GRUR 2002, 764 (766); Wetzel, MMR 2001, 131 (133).

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Auf den ersten Blick trifft das zu den Domainnamen gesagte auch auf die Inhaberschaft des privaten Schlüssels zu. Denn die ausschließliche Nutzung der zu der jeweiligen Adresse zugehörigen Kryptowährungen wird durch das eingesetzte Public-Key-Infrastruktur-Verfahren technisch bedingt dem Inhaber des dazugehörigen privaten Schlüssels zugesprochen. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich aber wesentliche Unterschiede innerhalb dieses Vergleichs. Zunächst gibt es schon keine zentrale Vergabestelle innerhalb des Blockchain-Netzwerks, gegen welche wie bei der DENIC ein Bündel vertraglicher Ansprüche bestehen kann.353 Es existiert also schon kein obligatorisches Nutzungsrecht zugunsten des Inhabers, das ebenso ausschließlich zugewiesen wäre.354 Im Vordergrund steht jedoch der ausschlaggebende Unterschied, dass die Ausschließlichkeit nicht nur dem Umstand geschuldet ist und sich in diesem erschöpft, dass es eben nur einen mathematisch verknüpften privaten Schlüssel zu der zugehörigen Adresse im Blockchain-Netzwerk gibt. Der Inhaber des privaten Schlüssels kann Dritte nicht nur von der Nutzung des UTXO der zugehörigen Adresse ausschließen. Er kann vielmehr nach Belieben mit den Kryptowährungs­ einheiten und dadurch mit dem damit verbundenen Vermögenswert verfahren. Ihm steht es zu Transaktionen zu generieren und durch die mithilfe des zugehörigen privaten Schlüssels erstellte Signatur dem Blockchain-Netzwerk mitzuteilen, dass er aus Sicht des Netzwerks hierzu berechtigt ist. Der Inhaber kann dabei frei über die Höhe der Transaktion und den Empfänger dieser Transaktion bestimmen. Durch die Absicherung seines privaten Schlüssels kann er Dritte von Verfügungen im Sinne von Transaktionen und damit von jeder rivalisierenden Nutzung ausschließen.355 Wenn also von der herrschenden Meinung die Eigentumsähnlichkeit des sonstigen Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB verlangt wird,356 ist sie daher durch die rivalisierende Nutzung des UTXO einer Adresse statuiert, innerhalb derer die Inhaberschaft des dazugehörigen privaten Schlüssels die tatsächliche Verfügungsgewalt darstellt. Hierdurch erhält der Inhaber einen eigenständigen Freiheitsbereich, in welchem er allein und unabhängig von jeder Beteiligung oder der Teilhabe Dritter bestimmen kann, was mit dem wirtschaftlich bedeutsamen UTXO der jeweiligen Adresse geschehen soll. Dieser erworbene Freiheitsbereich ist mit dem des (unmittelbaren) Besitzes nahezu identisch. Der Zuweisungsgehalt wie auch die Ausschlussfunktion sind demzufolge gegeben.

353

Vgl. Wetzel, MMR 2001, 131 (132). Vgl. BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2004 – 1 BvR 1306/02, CR 2005, 282 (283). 355 Pesch, S. 100. 356 RGZ 57, 353 (355 f.); Wilhelmi, in: Erman BGB, § 823 BGB, Rn. 35. 354

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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c) Andere Ansicht Die Gegenansicht verneint eine Einordnung als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB mit dem Verweis, dass es an bestehenden gesetzlichen Regelungen fehlt, welche die Rechtsposition des Schlüsselinhabers privatrechtlich absichern können.357 Erst wenn es einen dem possessorischen Besitzschutz vergleichbaren gesetzlichen Schutz gibt, kann ein Schutz über § 823 Abs. 1 BGB angenommen werden.358 d) Kritik Die letztgenannte Meinung kann nur überzeugen, wenn man einen stringenten rechtlich statuierten Schutz als zwingende Voraussetzung für die Anerkennung von sonstigen Rechten nach § 823 Abs. 1 BGB fordern muss. So wird aber beispielsweise das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers gerade auch wegen seiner eigentumsähnlichen Selbstständigkeit unstrittig als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, ohne dass das Anwartschaftsrecht als solches ein wie von der Gegenansicht zwingend gefordertes positivrechtliches Schutzniveau erhalten hat.359 Das Sicherungseigentum als Kreditsicherheit aus der Rechtspraxis wird sogar als das in § 823 Abs. 1 genannte Rechtsgut Eigentum vom Schutzbereich der Norm umfasst,360 obwohl es weder positivgesetzlich kodifiziert noch Rechtsposition privatrechtlich abgesichert ist. Vielmehr zielen die positivgesetzlichen Regelungen, etwa § 51 Nr. 1 InsO, § 246 Abs. 1 S. 2 HGB, oder § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO darauf ab, gerade den Sicherungsgeber als Rechtsvorgänger und nicht den Sicherungsnehmer als Eigentümer anzusehen, sodass es sich beim Sicherungseigentum höchstens um eine Sonderform des Eigentums handelt.361 Das Sicherungseigentum war ursprünglich nicht einmal vom Gesetzgeber als Kreditsicherheit gewollt, da dieser vielmehr die Faustpfandrechte als Kreditsicherungsmittel durchsetzen wollte.362 Es hat sich daher vielmehr als Konstrukt der Kautelarjurisprudenz durchgesetzt. 357 Kaulartz, CR 2016, 474 (478); Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (310); Möslein et al., ZIP 2020, 2149 (2151). 358 Maute, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4, Rn. 41; Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (311). 359 BGH, Urt. v. 11. 11. 1970  – VIII ZR 242/68, NJW 1971, 799 (800); BGH, Urt. v. 25. 1. 1957 – VI ZR 319/55, WM 1957, 514 (516); OLG Celle, Urt. v. 8. 1. 1960 – 11 U 171/59, NJW 1960, 967 (968); Förster, in: BeckOK BGB, § 823 BGB, Rn. 148; Hager, in: Staudinger BGB, § 823 BGB, Rn. B151; Spindler, in: BeckOGK, § 823 BGB, Rn. 162; A. Staudinger, in: Schulze BGB, § 823 BGB, Rn. 33; Teichmann, in: Jauernig BGB, § 823 BGB, Rn. 17; Wagner, in: MüKoBGB, § 823 BGB, Rn. 312; Wilhelmi, in: Erman BGB, § 823 BGB, Rn. 40. 360 BGH, Urt. v. 25. 2. 1987  – VIII ZR 47/86, NJW 1987, 1880 (1882 f.); BGH, Urt. v. 12. 5. 1992 – VI ZR 257/91, NJW 1992, 2014 (2015; Förster, in: BeckOK BGB, § 823 BGB, Rn. 144; Wagner, in: MüKoBGB, § 823 BGB, Rn. 258. 361 Oechsler, in: MüKoBGB, Anh. §§ 929–936 BGB, Rn. 1. 362 Oechsler, in: MüKoBGB, Anh. §§ 929–936 BGB, Rn. 3.

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Diese Beispiele belegen darüber hinaus, dass es keinen allgemeinen numerus clausus der (absoluten) Rechte gibt.363 Des Weiteren ist dem Wortlaut der sonstigen Rechte gemäß § 823 Abs. 1 BGB eine Auffangfunktion zuzusprechen, welche gerade der Möglichkeit der Rechtsfortbildung dient.364 Das ist vor allem für das Verfassungsrecht der Fall, wie etwa die Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB deutlich belegen.365 So ist auch das Nutzungsrecht an einer Internetdomain nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt366 und scheitert – wie bereits dargelegt – lediglich aufgrund seiner nur technisch bedingten faktischen Ausschlussfunktion an einer Anerkennung als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB. Dem Inhaber des privaten Schlüssels werden der UTXO der dazugehörigen Adresse aber ebenso ausschließlich zugewiesen wie das Eigentum an einer Sache, was für eine Aufnahme in den Schutzbereich der Eigentumsrechte nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als vermögenswertes Recht genügt.367 Auch vor dem Hintergrund der erheblichen Gesamtmarktkapitalisierung von Kryptowährungen drängt sich diese Einordnung gerade auf. Aus diesen Gründen kann der Verweis auf eine fehlende positivgesetzliche Verankerung des Rechts kein Argument gegen eine Anerkennung als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB sein. Darüber hinaus besteht mit § 303a StGB eine Norm, welche die Verwendbarkeit von Daten durch den Berechtigten und damit also die (alleinige)  Verfügungsbefugnis über Datenbestände als geschütztes Rechtsgut ausweist und diesem Rechtsgut demzufolge einen gewissen positivgesetzlichen Schutz verleiht.368 Hinsichtlich der rechtlichen Folgen ihrer Ansicht verweisen die Vertreter der Gegenansicht darauf, dass ein deliktischer Schutz der Inhaberschaft von Kryptowährungen nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 303a Abs. 1 StGB sowie gegebenenfalls § 202a Abs. 1 StGB besteht,369 wobei sie selbst die Lückenhaftigkeit dieses 363

Vgl. Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (203). J. Lange, in: jurisPK-BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 18; Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, Bericht v. 15. 5. 2017, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/zt_bericht_ arbeitsgruppe/bericht_ag_dig_neustart.pdf, S. 47. 365 J. Lange, in: jurisPK-BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 18. 366 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24. 11. 2004 – 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589; Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, Bericht v. 15. 5. 2017, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/ digitaler_neustart/zt_bericht_arbeitsgruppe/bericht_ag_dig_neustart.pdf, S. 47. 367 So etwa für die Kaufpreisforderung des Verkäufers BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1977 – 2 BvR 499/74, NJW 1977, 2024 (2027 f.). 368 Weidemann, in: BeckOK StGB, § 303a StGB, Rn. 2; Wieck-Noodt, in: MüKoStGB, § 303a StGB, Rn. 2; Zur Figur des Dateneigentums auch Hoeren, MMR 2013, 486 ff. 369 So Kaulartz, CR 2016, 474 (478); Möslein et al., ZIP 2020, 2149 (2151); Zum bestehenden deliktischen Schutz nach § 823 Abs. 2 BGB Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (358); Langen­ bucher, AcP 218 (2018), 385 (408); Paulus / Matzke, ZfPW 2018,431 (453). 364

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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Schutzes erkennen.370 Sofern aber von keinem vorsätzlichen Handeln, sondern etwa von einer fahrlässigen Kompromittierung oder Veränderung der Blockchain auszugehen ist und daher kein Vorsatz vorliegt, besteht eine Rechtsschutzlücke.371 Diese Lücke kann durch Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB geschlossen werden, da die Norm fahrlässiges Handeln umfasst. In Anbetracht des hohen wirtschaftlichen Wertes kann diese Schutzlücke nicht einfach ignoriert werden. Im Bereicherungsrecht spielt diese wirtschaftliche Bedeutung von Kryptowährungen eine Rolle bei der Frage nach der Normanwendung. Denn aufgrund ihres enormen ökonomischen Wertes und ihrer konkurrierenden Nutzung wird ein bereicherungsrechtlicher Schutz durch die Eingriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB angenommen.372 Anderenfalls wäre jeder rechtsgrundlose Eingriff in das Kryptovermögen bereicherungsrechtlich ohne Folgen. So ist es aber widersprüchlich, die bereicherungsrechtliche Unrechtshaftung durch die Eingriffskondiktion anzunehmen und zugleich einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB abzulehnen.373 Allgemein kann man den hier vorangegangenen systematischen Überlegungen aber zunächst eine wesentliche Schwäche beim Vergleich zum zivilrechtlichen Besitz unterstellen. Dem Besitz kommt nämlich eine Publizitätsfunktion zu, wie man schon dem § 1006  BGB entnehmen kann. Die Publizitätsfunktion ist aber stringente Wirkung des (Sach-)Besitzes, wie beispielsweise die §§ 857, 868 BGB belegen.374 e) Zwischenergebnis Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels begründet eine tatsächliche Herrschaftsgewalt über den UTXO der dazugehörigen Adresse im Blockchain-Netzwerk, welche dem Besitz nach § 854 ff. BGB als tatsächliche Herrschaftsgewalt über einen Gegenstand dermaßen ähnelt, dass eine Anerkennung des „Kryptowährungsbesitzes“, der durch die Inhaberschaft es dazugehörigen privaten Schlüssels vermittelt wird, geboten ist. Dieses Ergebnis passt auch zum zuvor erarbeiteten Zwischenergebnis, dass sich Kryptowährungen nicht als Sachen nach § 90 BGB einordnen lassen. Dies ist kein Hindernis für die Annahme eines eigenständigen Datenbesitzes etwa in Form der analogen Anwendung der §§ 854 ff. BGB, weil der Begriff der Sache bei der Su 370

Möslein et al., ZIP 2020, 2149 (2151). Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 38; Möllenkamp, DSRITB 2019, 687 (692 f.). 372 Langenbucher, AcP 218, 385 (407 f.); Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (204). 373 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (204). 374 Hoeren, MMR 2019, 5 (7); Michl, NJW 2019, 2729 (2731). 371

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

che nach einem geeigneten Ausschließlichkeitsrecht an Daten außer Acht gelassen werden kann.375 Das muss erst recht auch für die Einordnung als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB gelten. Diese tatsächliche Herrschaftsgewalt stellt zugleich den ökonomisch bedeutsamen Anknüpfungspunkt für die wirtschaftliche Inhaberschaft über den UTXO einer Adresse dar. Sie ist besitzähnlich und als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt. 3. Rechtsökonomische Bewertung des Zwischenergebnisses Wie Bereits bei der Untersuchung einer rechtlichen Lösung durch eine Einordnung als Sache nach § 90 BGB muss sich auch dieses Zwischenergebnis einer rechtsökonomischen Überprüfung unterziehen. Der Markt für dezentrale Kryptowährungen als Blockchain-basierte intrinsische Vermögenswerte ist vor allem von der Gefahr geprägt, dass ein Entzug oder Verlust von Kryptowährungen durch vorsätzliche Handlungen wie etwa Hacking-Angriffe auf Onlinedienste oder die fahrlässige Kompromittierung oder Veränderung der Blockchain eintreten kann.376 Hierbei kann dem Recht eine Entlastungsfunktion zukommen, da es den Parteien Normen bereitstellen kann, die es den Parteien erspart bestimmte Probleme zum Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zu machen.377 Das bedeutet aber auch, dass dadurch vertragliche Beziehungen zur Erreichung eines bestimmten Schutzniveaus nicht als zwingend zu erachten sind. Durch einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wird die bereits erwähnte Rechtsschutzlücke geschlossen. Man könnte aber davon ausgehen, dass innerhalb der vertraglichen Beziehungen durch Vereinbarungen oder AGB auch eine deliktische Haftung im erlaubten Maße verringert wird.378 Hierdurch würde ein Gleichlauf von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen entstehen, sodass einem deliktischen Anspruch aus Fahrlässigkeit keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt. Jedoch müssen dafür überhaupt erst vertragliche Beziehungen bestehen, welche des Weiteren auch tatsächlich solche Vereinbarungen enthalten. Demzufolge bleibt die Rechtsschutzlücke bestehen. Für die Inhaber von Kryptowährungen ist diese Schutzlücke daher von großem Vorteil. Eine solche rechtliche Einordnung führt also zur Erhöhung des Rechtsschutzes, während die Transaktionskosten im Gegensatz zu einer Einordnung als Sache nicht ansteigen. Denn die Lösung über die Anerkennung der Inhaberschaft des privaten Schlüssels als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB erkennt die bestehende technologische Zuweisung des UTXO an den Inhaber des privaten Schlüssels le 375

Hoeren, MMR 2019, 5 (7); Markendorf, ZD 2018, 409 (410). Vgl. Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13.6, Rn. 38. 377 Eidenmüller, S. 54. 378 Förster, in: BeckOK BGB, § 823 BGB, Rn. 90. 376

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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diglich auch rechtlich an. Demzufolge führt dies zu keinen neuen Informationen, die von den Akteuren als notwendig zu erachten sind. Die rechtliche Zuordnung entspricht der vorherrschenden technologischen Zuordnung. Somit entstehen keine weiteren Informationskosten. Vor diesem Hintergrund besteht ein Vorteil für die Inhaber von Kryptowährungen, da der Rechtsschutz bei gleichbleibenden Transaktionskosten für sie steigt. Zwar kann man annehmen, dass die Anspruchsgegner eines deliktischen Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB das Bestehen dieses Anspruchs als negativ bewerten. Durch die erhöhte Rechtssicherheit kann aber davon ausgegangen werden, dass mehr Akteure in den Kryptomarkt eintreten und ein Anstieg des Handels und der Nachfrage nach Kryptowährungen stattfindet. Dies führt nach wirtschaftlichen Regeln zu einem Anstieg des Preises, was die Akteure, die den Zustand als negativ empfinden, ausreichend kompensiert.379 Dem Kaldor-Hicks-Kriterium folgend ist der so erreichte Zustand Kaldor-Hickssuperior. Demzufolge erweist sich diese Lösung als effizienter.

VIII. (Vermögens-)recht sui generis? Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass die tatsächliche Herrschaftsgewalt über den einer Adresse im Blockchain-Netzwerk zugesprochenen UTXO durch Inhaberschaft des privaten Schlüssels ein sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Der Vermögenswert von Kryptowährungen wird nicht durch die Transaktionsketten innerhalb des Blockchain-Netzwerks, sondern durch diese Inhaberschaft zugewiesen. Der bereits erwähnte technologische Leitsatz „not your keys, not your coins“ hat demzufolge auch rechtliche Wirkung. Das lässt jedoch die Frage aufkommen, ob über die Ausgestaltung als ein solches Abwehrrecht,380 welchem gegebenenfalls petitorische und possessorische Schutzansprüche innewohnen,381 weiterer Rechtscharakter zu begründen ist. 1. Kryptowährungen als neue hybride Vermögensform Der Verfügungsgewalt über die Einheiten Blockchain-basierter virtueller Währungen ist als neue hybride Vermögensform einzuordnen. Einerseits sind Kryptowährungen im ideologischen Sinne als (alternatives) Geld konzipiert worden. Die Untersuchung nach ihrem Charakter als Geld im ökonomischen Sinne hat zwar gezeigt, dass sie diese Einordnung nicht erfüllen. Sie hat aber ebenfalls gezeigt, dass sie Geld nicht wesensfremd sind, sondern unter Umständen die ökono­ 379

Vgl. Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, § 11, Rn. 13. Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia Recht, Teil 13.6, Rn. 69. 381 Hierzu näher unter Kap. 5 B. V. 1. b) und Kap. 6 B. II. 1. a). 380

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

mischen Geldfunktionen erfüllen könnten. Andererseits ist es gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität, dass sie vielmehr als wirtschaftliches Spekulationsmittel – ähnlich wie beispielsweise Aktien – mit Gewinnerzielungsabsicht gehan­ delt werden. Dafür spricht jüngst, dass erste Kryptofonds errichtet werden, bei denen die Anleger in ein Portfolio von verschiedenen Kryptowährungen investieren können.382 2. Ausgestaltung als (absolutes) Recht sui generis? Es ist aber nicht notwendig, bestehenden wirtschaftlichen Bedürfnissen sogleich mit der Erschaffung neuer (absoluter) Rechte entgegenzukommen, wie schon die Behandlung solcher Bedürfnisse bei Internet-Domains gezeigt hat.383 Vielmehr ist solchen Überlegungen vorwegzustellen, ob das geltende Recht nicht derart angewandt werden kann, sodass die bestehenden wirtschaftlichen Bedürfnisse effizient erfasst und geregelt werden. Erst, wenn dies nicht der Fall ist, ist danach zu fragen, wie die Bedürfnisse nach einem positivrechtlichen Schutz durch neue gesetzliche Kodifizierungen oder Einordnungsversuche erstmals erfasst werden können. 3. Rechtsökonomische Notwendigkeit? Bei Kryptowährungen handelt es sich also nicht um Geld, aber um einen neuartigen hybriden Vermögenswert. Das allein bedeutet jedoch nicht automatisch, dass es im Sinne der Rechtsökonomik notwendig ist, eine (neue) Rechtsform zu erzwingen. Im Sinne von Coase ist vielmehr danach zu fragen, ob eine (Neu-) Zuteilung von Rechten zu einer Lösung führt, die den Gesamtnutzen maximiert.384 Die Untersuchung einer Einordnung als Sache und damit als absolutes Eigentumsrecht hat gezeigt, dass die betreffenden rechtlichen Regularien im Vergleich zur aktuellen Situation zu einer Effizienzsenkung führen. Die Klassifizierung der Inhaberschaft des privaten Schlüssels hat gezeigt, dass sie rechtsökonomische Vorteile mit sich bringt, da sie mit dem Verständnis der Zuordnung innerhalb des Blockchain-Netzwerks zusammenpasst, jedoch Schutzlücken schließt. Eine andere rechtliche Einordnung kann daher nur dann als effizienter bewertet werden, wenn sie etwa im Hinblick auf andere Rechtsgebiete gewichtige Vorteile mit sich bringt. Nach Maßgabe dieser Arbeit kann diese Untersuchung nur für das Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht erfolgen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das bisher gefundene Ergebnis für die rechtliche Einordnung 382

Pbm, Erster Kryptofonds von Hauck & Aufhäuser und Kapilendo, abrufbar unter: https://www.private-banking-magazin.de/erster-kryptofonds-von-hauck-und-aufhaeuser-undkapilendo/ (zuletzt aufgerufen am 7. 12. 2020). 383 Harting, GRUR 2006, 299 (300). 384 Kirchner, S. 21.

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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innerhalb dieser Rechtsgebiete im Verhältnis zu anderen rechtlichen Zuordnungslösungen ineffizienter sein muss. Daher wird dieses Zwischenergebnis auch im Hinblick auf seine Auswirkungen im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht untersucht werden. Ergibt sich aber, dass es auch dort als effizient oder effizienter als andere Lösungen anzusehen ist, dann kann die bisherige Bewertung hinsichtlich der Effizienz als bewiesen angesehen werden.

IX. Ergebnis Die Analyse der Frage, welche Art von Rechtsgegenständen Kryptowährungen darstellen, hat gezeigt, dass diese de lege lata keiner gängigen (absolut) geschützten Rechtsposition zuzuordnen sind. Auch wenn sie rein äußerlich immaterielle Güter sind, sind sie aufgrund ihrer rivalisierenden Nutzung systematisch nicht als Immaterialgüter anzusehen. Trotz dieser Nutzungseigenart entfällt aber auch die Einordnung als Sache gemäß § 90 BGB. Versuche, dieses Ergebnis durch die Rechtsfiguren der teleologischen Extension oder der Analogie zu begründen, scheitern. Den ausschlaggebenden Punkt liefert die Rechtsökonomik. Eine Einordnung als Sache ist als effizienzmindernd zu bewerten. Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels als wesentlicher Bezugsunkt ist entspricht systematisch dem Besitz nach §§ 854 ff. BGB. Sie ist als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB zu klassifizieren. Diese tatsächliche Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse stellt demzufolge eine Zuordnung de lege lata dar, die zumindest im Hinblick auf die effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung eine rechtliche Konstruktion als absolutes Recht de lege ferenda entbehrlich machen könnte.385 Dies gilt es zu untersuchen. Mit Hilfe dieses Zwischenergebnisses soll in den folgenden Kapiteln daher die Frage nach einer effektiven Einzel- und Gesamtvollstreckung begangen werden. Dabei soll untersucht werden, ob die Statuierung der tatsächlichen Verfügungsgewalt in Form der Inhaberschaft des privaten Schlüssels als Recht vergleichbar zum Besitzrecht nach §§ 854 ff. BGB eine praktikable Lösung der zivilprozessualen und insolvenzrechtlichen Hindernisse für eine effektive Einzel- und Gesamtvollstreckung darstellen kann.

X. Ausblick in die zukünftige Gesetzgebung Die rechtliche Regulierung von Blockchain-basierten Werten (und damit sind intrinsische wie auch extrinsische Krypto-Werte gemeint) steckt noch in den Kinderschuhen. Jedoch gibt es erste weitläufige Ansätze auf EU-Ebene. Namentlich

385

Vgl. zum Datenbesitz Hoeren, MMR 2019, 5 (8).

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

ist damit der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Verordnung on Markets in Crypto-assets and amending Directive (EU) 2019/1937 (MiCA-E) gemeint. Diesem Vorschlag wird schon jetzt von ersten Stimmen aus der deutschen Literatur zugesprochen, dass er die Frage aufwirft, ob ein weitreichendes Ausscheiden von den umfassten Kryptowerten aus dem Kreis der absoluten Rechte nach dem deutschen Sachenrecht vor diesem (zukünftigen) Hintergrund noch überzeugend ist.386 Zwar tangieren diese regulatorischen Bestrebungen nicht direkt das deutsche Zivilrecht wie etwa das Sachenrecht, doch geben die daraus resultierenden bank- und kapitalmarktrechtlichen Regeln Anlass zu prüfen, inwiefern ein neues Verständnis der absoluten Rechte zeitgemäß wäre.387 Diese Überlegungen haben im Allgemeinen durchaus ihre Berechtigung. Es ist aber zu fragen, ob der Vorschlag der Europäischen Kommission im Besonderen die von dieser Arbeit umfassten intrinsischen Kryptowährungen umfasst (und weiterhin umfassen wird) und in einem solchen Fall auch Erwägungen für die zivilrechtliche Einordnung bewirkt. Der erste Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage sind die Begriffsbestimmungen des Art. 3 MiCA-E. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 MiCA-E prägt dabei (wohl erstmals) den Begriff des wertreferenzierten Tokens und definiert ihn als „einen Kryptowert, bei dem verschiedene Nominalgeldwährungen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, oder eine oder mehrere Waren oder ein oder mehrere Kryptowerte oder eine Kombination solcher Werte als Bezugsgrundlage verwendet werden, um Wertstabilität zu erreichen“. In Betracht käme jedoch auch der E-Geld-Token, den der Vorschlag gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 MiCA-E als „einen Kryptowert, dessen Hauptzweck darin besteht, als Tauschmittel zu dienen, und bei dem eine Nominalgeldwährung, die gesetzliches Zahlungsmittel ist, als Bezugsgrundlage verwendet wird, um Wertstabilität zu erreichen“ definiert. Ein Vergleich dieser Definitionen zeigt, dass beide Arten gemeinsam haben, dass sie zum Ziele der Wertstabilität wirtschaftliche Bezugsgrundlagen (vor allem gesetzliche Zahlungsmittel) verwenden. Hinsichtlich der Wertstabilität besteht also ein beabsichtigter Bezugspunkt zu außerhalb der jeweiligen Blockchain liegenden wirtschaftlichen Werten. Genau in diesem Punkt unterscheiden sich die Definitionen aber hier untersuchten virtuellen Währungen. Letztere haben die ideelle Grundidee, dass sie eigenständige intrinsische Vermögenswerte bilden, die keine wirtschaftliche Kopplung zu konservativen gesetzlichen Zahlungsmitteln außerhalb der Blockchain aufweisen. Vor allem bei dem Begriff des E-Geld-Tokens im Sinne des Vorschlags lassen sich aber auf den zweiten Blick Parallelen erkennen. So erkennt der Vorschlag in Bezug auf E-Geld-Token explizit an, dass diese im Vergleich zum herkömmlichen 386 387

Linardatos, BKR 2021, 58 (59). Linardatos, BKR 2021, 58 (59).

C. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

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E-Geld keinen Forderungsanspruch der Tokeninhaber gegenüber einem Emittenten haben (könnten).388 Das ist auch eine Charakteristik von Kryptowährungen nach dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit, wie zuvor bereits festgestellt worden ist.389 Jedoch geht der Vorschlag weiter davon aus, dass im Sinne der Vermeidung einer Aufsichtsarbitrage die Auflage bestehen muss, dass solche E-Geld-Token entweder von einem Kreditinstitut oder von einem zugelassenen E-Geld-Institut ausgegeben werden (sollen). Es wird also davon ausgegangen, dass Emittenten von E-GeldToken existent sind, da weiter gefordert wird, dass die Emittenten den jeweiligen Tokeninhabern das Recht zugestehen sollen ihre Token zum Nennwert gegen die jeweilige Bezugswährung umzutauschen.390 Demzufolge geht der Begriff von solchen Blockchain-Netzwerken aus, die von einem (kommerziellen) einzelnen Node oder von einem kleinen Konsortium an Nodes betrieben werden, die dann rechtlich als Emittent katalogisiert werden können. Dies ist etwa bei geplanten oder bereits bestehenden Stable-Coin-­Projekten der Fall. Hierzu zählen also etwa der Stable-Coins Diem von Facebooks Diem Association391 oder Tether von Tether Limited.392 Die weitreichenden Regulierungsmaßnahmen für diese Arten von Kryptowerten werden demzufolge nicht auf Kryptowährungen nach Maßgabe dieser Arbeit anwendbar sein. Innerhalb der dieser Arbeit als Betrachtungsobjekt zugrunde liegenden Blockchain-Netzwerke lässt sich weder ein einzelner (zentraler) Emittent, noch die Eigenschaft des Netzwerks als Emittent klassifizieren, wie die Untersuchung unter Kap. 4 C. V. 1. a)  und b)  ergeben hat. Jedoch enthält der Vorschlag ebenfalls eine allgemeine Begriffsbestimmung für Kryptowerte. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCA-E definiert sie als „eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können“. Der Begriff der Kryptowerte ist demzufolge ein übergeordneter Begriff innerhalb des MiCA-E, dessen Unterarten u. a. wertreferenzierte Token und E-Geld-Token sind.393 Unter diesen Überbegriff lassen sich herkömmliche und dezentrale Kryptowährungen nach Maßgabe dieser Arbeit subsumieren.394

388 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, S. 21, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:f69f89bb-fe54-11eab44f-01aa75ed71a1.0022.02/DOC_1&format=PDF (zuletzt aufgerufen am 3. 3. 2021). 389 Vgl. hierzu Kap. 2 B. V. 390 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, S. 21. 391 Libra Association Members, White Paper v2.0, S. 25. 392 Tether Limited, Tether White Paper, S. 1, abrufbar unter: https://tether.to/wp-content/ uploads/2016/06/TetherWhitePaper.pdf (zuletzt aufgerufen am 2. 3. 2021). 393 Siadat, RdF 2021, 12 (14). 394 So im Ergebnis auch Siadat, RdF 2021, 12 (14).

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Kap. 4: Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen

Denn diese Definition erfordert im Gegensatz zu den anderen Definitionen keinen Emittenten. Die Ziele des MiCA-E sind die Schaffung eines regulatorischen Rechtsrahmens, die Innovationsförderung, das Erreichen eines angemessenen Maßes für Verbraucher- und Anlegerschutz sowie an Marktintegrität sowie schließlich die Gewährung von Marktintegrität.395 Vor allem das erste Ziel soll dabei für Rechtssicherheit sorgen, erschöpft sich aber bisher lediglich in regulatorischen Ansätzen. Hierfür spricht auch eine Forderung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. In einer ergänzenden Stellungnahme zu dem MiCA-E wird darauf hingewiesen, dass noch offene Grundsatzfragen im Zusammenhang mit Krypto­werten im Sinne des MiCA-E bestehen. Unter anderem wird kritisiert, dass auch die Frage der zivilrechtlichen Einordnung für solche Kryptowerte, die keine Forderung gegenüber einem Emittenten „tokenisieren“, durch MiCA-E offengelassen wird.396 Der MiCA-E ist momentan also keine Einwirkung auf die zivilrechtliche Klassifizierung von verschiedenen Token-Arten zu entnehmen. Bereits jetzt ist aber erkennbar, dass die Politik auf EU-Ebene die von der Wirtschaft schon länger erkannten Vorteile der Blockchain-Technologie und der damit verbundenen Tokenisierung von Werten und Rechten in Zukunft rechtlich erfassen und vor allem interessengerecht regulieren möchte.397 Diesen legislativen Bestrebungen ist also zuzusprechen, dass sie den hier an mehreren Stellen aufgezeigten restriktiven Ansichten, die eine rechtliche Anerkennung von Blockchain-basierten Werten wie Kryptowährungen nach dem Maßstab dieser Arbeit völlig verneinen, Widerstand bereiten.398 Angesichts dieser Tatsache erscheint es progressiv, dass schon jetzt nach einer Lösung gesucht wird, welche die Inhaberschaft von Krypto­währungen als intrinsische Vermögenswerte rechtlich greifbar macht. Die hier vorgestellte Lösung tut dies bereits, indem sie das reale Phänomen der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über virtuelle Währungen in das bestehende rechtliche Regime interessengerecht und unter Wahrung des rechtsökonomischen Effizienzgedankens einbettet.

395 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, S. 3. 396 Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Ergänzende Stellungnahme zum „proposal for a regulation on markets in crypto assets“ des Digital Finance Package der Europäischen Kommission, S. 3; abrufbar unter: https://bankenverband.de/ media/files/20201208_ErgC3A4nzende_DK_Stellungnahme_MiCA.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 3. 2021). 397 Vgl. hierzu vor allem den Erwägungsgründe 1 und 2 der Europäischen Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, S. 18. 398 Linardatos, BKR 2021, 58 (59).

5. Kapitel

Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen A. Aktualität und Pluralität denkbarer Sachverhalte Die ersten rechtlichen Überlegungen zu der Frage, wie Kryptowährungen von dem zivilprozessualen System der Einzelvollstreckung umfasst werden können, wurden bereits 2014 angestellt.1 Im Jahr 2020 schlussfolgerte die Rechtsliteratur, dass die Zwangsvollstreckung in virtuelle Währungen teilweise mit rechtlichen Unsicherheiten belegt ist und manche Vollstreckungsformen de lege lata keine gelungene Lösung finden.2 In diesem Zusammenhang wurde verlangt, dass eindeutige Kriterien gefunden werden müssen, welche die Inhaberschaft über Krypto­ währungen von relativen Rechten abgrenzen.3 Fest steht, dass die Zwangsvollstreckung in Kryptowährungen sowohl hinsichtlich der dogmatischen Grundlage als auch der praktischen Umsetzung auch heute noch als weitestgehend ungeklärt zu gelten hat.4 Unter Berücksichtigung der bisher gefundenen Ergebnisse soll die effektive Einzelvollstreckung in Blockchain-basierten Währungen in diesem Kapitel ergründet werden. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Fragestellung der Vollstreckung sind aus wirtschaftlicher Sicht dezentrale Blockchain-basierte Kryptowährungen, die auf den hierfür bestehenden Märkten gehandelt werden. Diese sind daher auch richtigerweise der wesentliche Bezugspunkt von der hierzu bestehenden Rechtsliteratur. Jedoch lassen sich weitere Blockchain-basierte Währungstoken identifizieren, deren Eigenarten auch in den Betrachtungsbereich passen, obwohl sie nicht auf Handelsmärkten gehandelt werden. Im Rahmen der Digitalisierung und der Industrie 4.0 eröffnen sich ähnliche Anwendungsfelder für die Blockchain-Technologie. Ein disruptiver Aspekt der Blockchain-Technologie ist die Möglichkeit Vertrauen zwischen Parteien schaffen, ohne die Notwendigkeit eines übergeordneten Intermediärs zu statuieren, dem beide Parteien (in gleichem Maße) vertrauen müssen. So können durch sie beispielsweise intelligente und flexible Pay-Per-Use-Systeme geschaffen werden, innerhalb derer unter anderem anfallende Micropayments mittels eigens hierfür 1

Boehm / Pesch, MMR 2014, 73 (78); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644 f.). Koch, DGVZ 2020, 85 (90). 3 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (573). 4 Koch, in: Kindl / Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 857, Rn. 33. 2

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

auf der Blockchain implementierten Token beglichen werden können, welche im Bedarfsfall wiederum in Fiat-Währung umgetauscht werden können.5 Diese neuartigen Zahlungsmöglichkeiten lassen sich innerhalb von Blockchain-Applikationen auch mit der Speicherung von Nutzungsdaten auf der jeweiligen Blockchain kombinieren, sodass eine transparente und manipulationssichere Archivierung dieser Daten möglich ist, welche dann als Grundlage für die exakte und faire Ermittlung der Höhe von anfallenden Gebühren dienen kann.6 Diese Blockchain-basierten Modelle können demzufolge Werteinheiten implementieren, die je nach der konkreten Architektur der Blockchain konventionellen Kryptowährungen gleichen können. Das ist der Fall, wenn die zugrundeliegende Blockchain public permissionless ist und kein zentraler Intermediär die Nodes steuern kann. Denn auch sie entstehen aus Ketten digitaler Signaturen, die Adressen innerhalb des Blockchain-Netzwerks zugesprochen werden und über sie nur der Inhaber des dazugehörigen privaten Schlüssels verfügen kann. Maßgebliches Kriterium für die Einordnung in den Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit ist demzufolge lediglich die Notwendigkeit der Dezentralität in dem Sinne, dass die Full-Nodes nicht von einem oder wenigen Stellen eingenommen werden, sodass der Konsensbildungsprozess letztlich nicht unter einer gewissen Kontrolle steht. Das kann nur im Einzelfall ermittelt werden.

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung In der bis dato überschaubaren Literatur hat sich dabei eine Differenzierung der Betrachtung anhand der jeweiligen Vollstreckungskonstellation durchgesetzt. Dieser soll auch im Folgenden nachgegangen werden. Dabei wird zunächst zwischen der Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Kryptowährungen oder in einen Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen einen Drittschuldner auf Herausgabe von Einheiten bestimmter Kryptowährungen unterschieden.7 Des Weiteren kommt die Vollstreckung eines Anspruchs des Vollstreckungsschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Herausgabe von Einheiten virtueller Währungen in Betracht.8

5

Schulte et al., Smart Finance und Micropayments zur Umsetzung von Pay-per-Use-­ Modellen. S. 1. 6 Schulte et al., Smart Finance und Micropayments zur Umsetzung von Pay-per-Use-­ Modellen. S. 1. 7 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 44; Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (563); Koch, DGVZ 2020, 85 (96); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644). 8 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (528); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (571).

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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I. Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten von Kryptowährungen Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen ist in den §§ 802a–882h ZPO geregelt, wobei die Gesetzessystematik hierbei unterscheidet, in welche Art von Schuldnervermögen (bewegliches Vermögen, Forderungen, sonstige Rechte oder unbewegliches Vermögen) vollstreckt werden soll.9 Dieser Systematik folgend soll nachfolgend zunächst die Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Kryptowährungen untersucht werden. Dabei sollen lediglich Regelungen der §§ 864 ff. ZPO zur Immobiliarvollstreckung ausgeschlossen werden, da diese offensichtlich nicht in Betracht kommt.10 Insoweit soll von vorne­ rein nur die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen in Betracht gezogen. 1. Generelle Lösung über die §§ 883 ff. ZPO? Manche Literaturstimmen gehen (wohl) allgemein davon aus, dass die Zwangsvollstreckung von Kryptowährungen über die zivilprozessualen Regelungen zur Vornahme von Handlungen nach den §§ 887 f. ZPO durchgeführt werden kann.11 Dabei ist diesen Literaturstimmen im Allgemeinen zunächst Recht zu geben, dass die Verfügungsgewalt über Kryptowährungen maßgeblicher (wirtschaftlicher) Bezugspunkt ist12 und dass es sich bei der Übermittlung von Einheiten einer virtuellen Währung um eine Handlung handelt.13 Das bedeutet jedoch nicht, dass die vollstreckungsrechtlichen Normen zur Vornahme von Handlungen bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung statthaft sind. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen ist im Abschnitt 2 des 8. Buches der Zivilprozessordnung geregelt, während die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen im Abschnitt 3 desselben Buches geregelt ist. Sie sind demzufolge systematisch voneinander getrennt. Demzufolge dient etwa der § 887 ZPO ausschließlich der unmittelbaren Durchsetzbarkeit von Ansprüchen auf vertretbare Handlungen.14 Der Titel muss demzufolge auf die Erbringung einer bestimmten Handlung lauten.15

9

Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, Vorb. §§ 802a-802l, Rn. 1; Seibel, in: Zöller ZPO, Vorb. zu §§ 802a-882h ZPO, Rn. 1 ff. 10 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 44; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 3; Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Koch, DGVZ 2020, 85 (86); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644). 11 Kaulartz, CR 2016, 474 (479); Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014, Abs. 114. 12 Kaulartz, CR 2016, 474 (479). 13 Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014, Abs. 114. 14 Gruber, in: MüKoZPO, § 887 ZPO, Rn. 1. 15 Lackmann, in: Musielak / Voit, ZPO, § 887 ZPO, Rn. 1.

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Die Normen der §§ 883 ff. ZPO sind daher nicht die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen anwendbar. In diesem Fall wird der Vollstreckungstitel eben nicht die Erbringung einer bestimmten Handlung, sondern eine Geldforderung beinhalten. 2. Sachpfändung nach §§ 808 ff. ZPO In Betracht kommt daher zunächst eine Sachpfändung nach den §§ 808 ff. ZPO. Die überwiegende Meinung verneint die Anwendbarkeit der zivilprozessualen Normen zur Sachpfändung mit dem Verweis, dass Kryptowährungen gerade keine Sachen im Sinne des § 90 BGB sind.16 Aufgrund der innerhalb dieser Arbeit vertretenen Auffassung, dass Kryptowährungen unter keinem Blickwinkel unter § 90 BGB zu subsumieren sind, ist dieser Meinung zu folgen. Denn unter dem Wortlaut „körperliche Sachen“ des § 808 Abs. 1 ZPO sind körperliche Sachen nach § 90 BGB zu verstehen.17 Teilweise wird jedoch vertreten, dass die Vorschriften der Sachpfändung nach §§ 808 ff. ZPO analog auf die Vollstreckung von Kryptowährungen wegen einer Geldforderung anzuwenden sind.18 Wesentlicher Anknüpfungspunkt dieser Meinung ist, dass auf Datenträgern gespeicherte Daten Sachqualität aufweisen und zumindest die privaten Schlüssel als abgrenzbare Daten auf Datenträgern gespeichert sind, sodass sich eine Sachpfändung auf die Datenträger und die darauf befindlichen privaten Schlüssel beziehen könnte.19 Auf den ersten Blick erscheint das als eine einfache und praktikable Lösung. Dagegen kann angeführt werden, dass stringent zwischen dem privaten Schlüssel als tatsächliche Zugangsmöglichkeit zu dem UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk und den Transaktionsdaten auf der Blockchain, deren Ketten digitaler Signaturen Kryptowährungen darstellen, unterschieden werden muss.20 Diese sind nicht nur wesensverschieden, sondern völlig andere digitale Datensätze. Dieser Argumentation kann  – nach wirtschaftlicher Betrachtung korrekterweise – entgegengehalten werden, dass die Inhaberschaft des privaten Schlüssels die tatsächliche Verfügungsgewalt über den ökonomischen Wert der einer be-

16

Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 44; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 4; Bausch / Heetkamp, DR 2018, 8, (9); Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (563); Koch, DGVZ 2020, 85 (86); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Skauradszun, WM 2020, 1229 (1231). 17 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 808 ZPO, Rn. 2. 18 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 16; Rückert, MMR 2016, 295 (297). 19 Rückert, MMR 2016, 295 (297). 20 Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1359).

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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stimmten Adresse zugewiesenen Kryptowährungseinheiten statuiert.21 Es ist aber danach zu fragen, ob diese Tatsache die Anwendbarkeit der §§ 808 ff. ZPO auf den privaten Schlüssel bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Kryptowährungen umfassend rechtfertigt. Dies wird von den Vertretern dieser Meinung bejaht und sie fordern eine Wegnahme des Private Keys im Sinne des § 808 Abs. 1 ZPO analog.22 Bedeutung für diese Frage hat zunächst das – bisher in diesem Zusammenhang aber noch überhaupt nicht thematisierte – Überpfändungsverbot nach § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO. Das Verbot der Überpfändung findet Anwendung auf die Vollstreckung in bewegliche Sachen (also solchen nach § 808 ZPO) und Rechte und besagt, dass die Vollstreckung nicht weiter ausgedehnt werden darf, als es zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.23 Diese Erwägung beruht nach überwiegender Meinung auf dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Zwangsvollstreckung,24 erklärt sich aber (auch) aus dem Befriedigungszweck der Pfändung.25 Die Pfändung durch das Vollstreckungsorgan darf demzufolge nur so weit gehen, dass sie voraussichtlich den Anspruch des Gläubigers befriedigt sowie die Kosten der Vollstreckung deckt.26 Das Vollstreckungsorgan hat demzufolge den zu erwartenden Verwertungserlös zu schätzen und diesen mit dem Betrag der zu vollstreckenden Hauptforderung zuzüglich Zinsen und Vollstreckungskosten zu vergleichen.27 Ob eine Überpfändung tatsächlich vorliegt, ist dabei anhand einer wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu entscheiden.28 Die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes von Kryptowährungen ist unproblematisch und exakt möglich, indem man den aktuellen Kurs vergleicht. Vor diesem Hintergrund ist der Sachverhalt denkbar, dass der wirtschaftliche Wert, welcher mit der Inhaberschaft des privaten Schlüssels untrennbar verknüpft ist, den Gesamtwert der zu vollstreckenden Hauptforderung zuzüglich Zinsen und Vollstreckungskosten bei Weitem übersteigt. In diesem Fall kann man durch den Entzug des privaten Schlüssels aber ausschließlich nur den Vermögenswert im Ganzen entziehen und nicht etwa eine Aufteilung dergestalt vornehmen, dass nur der Wert in Höhe der privatrechtlichen Geldforderung entzogen wird. Ein solches Handeln würde den Zweck der Zwangsvollstreckung, nämlich die Durchsetzung und Sicherung privatrechtlicher Ansprüche mithilfe staatlicher Maßnahmen,29 bei

21

Kaulartz, CR 2016, 474 (479). Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 17. 23 Kindl, in: Ders. / Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 803 ZPO, Rn. 11. 24 Paulus, DGVZ 1993, 129 (131); Schilken, DVBl 1990, 1191 ff.; Wieser, ZZP 1985, 50 ff.; a. A. Gaul, JZ 1974, 279 (282); Stürner, DGVZ 1985, 6 (8 f.). 25 Gruber, in: MüKoZPO, § 803 ZPO, Rn. 60. 26 AG Neubrandenburg, Beschl. v. 9. 12. 2004 – 3 M 2815/04, DGVZ 2005, 14; Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 808 ZPO, Rn. 12a; Gruber, in: MüKoZPO, § 803 ZPO, Rn. 62. 27 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 808 ZPO, Rn. 12a. 28 BGH, Urt. v. 13. 10. 1982 – VIII ZR 260/81, ZIP 1982, 1482 (1483). 29 Lackmann, in: Musielak / Voit, ZPO, Vorb. zu §§ 704–801 ZPO, Rn. 1. 22

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

weitem überschreiten und das Überpfändungsverbot verletzen. Das ist vor allem im Hinblick auf die (gegenwärtig) reale Marktsituation denkbar, bei welcher Kryptowährungen im Regelfall nicht als Zahlungsmittel des täglichen Lebens, sondern als wirtschaftliches Investitionsobjekt behandelt werden. Denn insoweit ist denkbar, dass – im Gegensatz zu Bargeld – regelmäßig verhältnismäßig große Beträge in Kryptowährungen umgewandelt werden. Einer solchen Vollstreckung kommt daher eine stark verhaltenssteuernde Wirkung zu. Die Akteure des Kryptomarkts haben zu schlussfolgern, dass bei einer Vollstreckung immer ihr gesamtes Kryptovermögen von der Vollstreckungshandlung umfasst wird. Dies führt dazu, dass die Transferierung von Kryptovermögen in weniger invasiv bedrohte Vermögensgüter nutzenmaximierend erscheint. Daher ist anzunehmen, dass Akteure bei Kenntnis einer solchen Restriktion aus dem Kryptomarkt austreten. Dadurch ist wiederum der Kurs der einzelnen Kryptowährungen und demzufolge das Vermögen aller Akteure bedroht. Eine weitaus weniger marktschädigende Vollstreckungshandlung wäre es daher, wenn eine partielle „Inbesitznahme“ von Kryptowährungen gewährleistet ist. Das Überpfändungsverbot steht der Vollstreckung dabei nur in den (seltenen) Fällen nicht entgegen, wenn nur ein einziger Gegenstand des Schuldners pfändbar ist, da dann eine Pfändung unabhängig von der Höhe des Wertes erforderlich wäre.30 Dies allein könnte jedoch als allgemeines Vollstreckungsproblem klassifiziert werden. Die Ungeeignetheit dieser Lösung lässt sich weiter an einigen praktischen Erwägungen demonstrieren. Da der private Schlüssel auf beliebig vielen verschiedenen Datenträgern gespeichert oder notiert sein kann, ist letztlich nie sichergestellt, dass der Vollstreckungsschuldner nicht dennoch über den UTXO der dazugehörigen Adresse verfügen könnte.31 Diesem Vorgehen ist also jegliche hinreichende Sicherheit abzusprechen. Der Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckung ist daher in Frage gestellt. Denn dieser Lösung zufolge könnte der Vollstreckungsgläubiger auch dann noch über den UTXO der Adresse verfügen und diesen auf eine neu geschaffene Adresse wegtransferieren, obwohl der Schlüssel bereits von den Vollstreckungsbehörden gesichert worden ist. Die tatsächliche Möglichkeit zur Gläubigerbefriedigung ist also äußerst unsicher. Eine Transaktion des UTXO auf eine behördliche Adresse ist nötig. Die Norm des § 808 ZPO spricht aber von einer Inbesitznahme, welche als Besitzergreifung zu verstehen ist.32 Sofern nach der Aufnahme gemäß § 808 Abs. 2 30

OLG Celle, Urt. v. 20. 4. 1951  – 8 W 108/51, DGVZ 1951, 137; LG Stade, Beschl. v. 26. 5. 1959 – 1 T 131/59, DGVZ 1959, 125; AG Neubrandenburg, Beschl. v. 9. 12. 2004 – 3 M 2815/04, DGVZ 2005, 14; Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 803 ZPO, Rn. 13; Gruber, in: MüKoZPO, § 803 ZPO, Rn. 66; Würdinger, in: Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 803 ZPO, Rn. 25. 31 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 5. 32 Flockenhaus, in: Musielak / Voit ZPO, § 808 ZPO, Rn. 11.

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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S. 1 ZPO die Sachen nicht beim Schuldner belassen, sondern weggenommen werden sollen, wird darunter etwa bei Speichermedien ebenfalls nur eine Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher verstanden.33 Daher kann man diese Begrifflichkeit nur als physische Inbesitznahme des Datenträgers verstehen. Eine Vollstreckung von Kryptowährungen kann aber nicht ausschließlich als Inbesitznahme des privaten Schlüssels verstanden werden. Sie muss als „Inbesitznahme“ der alleinigen tatsächlichen Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk verstanden werden. Dies kann aber – wie aufgezeigt – nicht durch eine bloße Inbesitznahme des physischen Datenträgers, auf dem sich der private Schlüssel befindet, erfolgen. Der hierfür weiterhin notwendige Schritt der Transferierung („Überweisung“) des UTXO ist hingegen vergleichbar mit einer Forderungspfändung und nicht mit einer Sachpfändung.34 Eine „virtuelle Inbesitznahme“35 durch Generierung einer Transaktion als rein virtueller Akt ist dem § 808 Abs. 1 ZPO begriffsfremd. So beschränkt sich auch die Inbesitznahme von einzelner Softwareprogramme nach § 808 Abs. 1 ZPO darauf, dass sie auf einen Datenträger kopiert und von dem Datenträger des Schuldners gelöscht werden.36 Als Ort einer Verwahrung nach erfolgter Inbesitznahme kommen ausschließlich Orte wie Pfandkammern oder Freiplätze in Betracht, die der Verwahrung physischer Gegenstände dienen.37 All das spricht dafür, dass man den Begriff der Inbesitznahme nicht auf einen rein virtuellen Akt ausdehnen kann. Darüber hinaus zeigt die Forderung dieser Auffassung nach einer „digitalen Inbesitznahme“ im Sinne einer Transaktion, dass am Ende nicht der Datenträger mit dem privaten Schlüssel Ziel der Vollstreckung ist, sondern eine Transaktion. Des Weiteren kann der private Schlüssel nicht nur auf Datenträgern des Schuldners gespeichert sein, sondern sich auf den Servern eines (der weltweit verteilten) Anbietern von Online-Wallets befinden, wobei nur der Vollstreckungsschuldner tatsächlichen Zugriff auf die Zugangsdaten hat. Hier bräuchte das Vollstreckungsorgan also eine Auskunftsmöglichkeit gegenüber dem Vollstreckungsschuldner. So hier auf § 802c Abs. 2 S. 2 ZPO (analog) abgestellt wird,38 wird übersehen, dass es sich um eine allgemeine Vorschrift des 8. Buches der ZPO handelt. Dementsprechend kann das daher kein Argument für die Anwendbarkeit der speziellen Vollstreckung in das bewegliche Vermögen sein. Die größte argumentative Durchschlagskraft kommt aber der Frage nach der Begründung einer Analogie der §§ 803 ff. ZPO zu. Die Vertreter dieser Ansicht verneinen selbst eine Einordnung von Kryptowährungen als Sachen nach § 90 BGB.39 33

Gruber, in: MüKoZPO, § 808 ZPO, Rn. 29 f. A. A. Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 17. 35 Rückert, MMR 2016, 295 (298). 36 Gruber, in: MüKoZPO, § 808 ZPO, Rn. 30. 37 Gruber, in: MüKoZPO, § 808 ZPO, Rn. 32. 38 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 19. 39 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 4; Rückert, MMR 2016, 295 (297). 34

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Es ist nicht nachvollziehbar, wie einem Normenkomplex, der explizit nur die Vollstreckung körperlicher Gegenstände regelt, eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Vollstreckung rein digitaler Vermögenswerte attestiert werden kann. Eine notwendige Begründung wird aber nicht unternommen und ist vor dem Hintergrund der fehlenden Sacheigenschaft und dem bestehenden Regelungsregime der §§ 857 ff. ZPO auch strikt zu verneinen. Auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage beschränkt sich ausschließlich auf die bestehende Gefährdung der Gläubigerbefriedigung.40 Dies ist aber eine generelle Gefahr im Verfahren der Zwangsvollstreckung und kann daher kein Argument für eine vergleichbare Interessenlage gerade (nur) der §§ 808 ff. ZPO sein. Es fehlt also aus diesem Grund an den Voraussetzungen einer Analogie.41 Im Ergebnis kann einer analogen Anwendung der §§ 808 ff. ZPO nicht gefolgt werden. 3. Forderungspfändung nach §§ 829, 835 ZPO Des Weiteren kommt eine Forderungspfändung nach §§ 829,  835  ZPO in Betracht. Die Möglichkeit einer solchen Vollstreckung durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird seitens der Rechtsliteratur mit dem Verweis abgelehnt, dass es mangels eines Forderungsgegners an einer Forderung fehlt, welche Gegenstand der §§ 829, 835 ZPO ist.42 Da einer Forderungspfändung nach § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO nur Zahlungsansprüche unterliegen können,43 wird in diesem Zusammenhang zudem die Geldeigenschaft von Kryptowährungen abgelehnt.44 Wenn aber schon keine Forderung besteht, ist es aus rechtlicher Sicht irrelevant, ob es sich bei Kryptowährungen (auch) um Geld im Rechtssinne handelt. Nachfolgend soll daher beleuchtet werden, ob diese Annahme korrekt ist. a) Forderung innerhalb des Blockchain-Netzwerks Die Blockchain-Technologie basiert wesentlich auf der Distributed-Ledger-Technologie. Eine der wesentlichen Charakteristika der DLT ist, dass kein übergeordneter Intermediär innerhalb der dezentralen Datenbank existiert, sondern die Daten 40

Koch, DGVZ 2020, 85 (89). Koch, DGVZ 2020, 85 (89). 42 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 8. Bausch / Heetkamp, DR 2018, 8 (9); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (563); Koch, DGVZ 2020, 85 (87); Rückert, MMR 2016, 295 (297). 43 Riedel, in: BeckOK ZPO, § 829 ZPO, Rn. 1; Smid, in: MüKoZPO, § 829 ZPO, Rn. 1. 44 So aber etwa Bausch / Heetkamp, DR 2018, 8 (9); Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 41

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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verwaltung vielmehr mithilfe von Konsensfindungsmechanismen der jeweiligen Nutzer stattfindet. Innerhalb der Blockchain-Netzwerke, welche Kryptowährungen zugrunde liegen, existiert demzufolge kein zentraler Intermediär, welchen man als Vergabestelle der einzelnen Währungseinheiten feststellen kann.45 Eine Forderung ist aber ein (gesetzlicher oder rechtsgeschäftlich begründeter) Anspruch und demzufolge gemäß § 194 Abs. 1 BGB ein Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.46 Diese Forderung muss also gegen eine weitere (existierende) Partei bestehen. Fehlt eine solche Partei, kann keine Forderung bestehen. Innerhalb der Blockchain-Netzwerke fehlt es wie eingangs erwähnt an einer zentralen emittierenden Partei, gegen die sich eine Forderung richten könnte.47 Vielmehr werden die Einheiten der jeweiligen Kryptowährung je nach Konsensfindungsmechanismus entweder als Belohnung für den aufgewendeten Rechenaufwand (etwa beim Proof-of-Work) geschaffen oder sind bereits implementiert.48 Auch innerhalb der einzelnen Nodes bestehen keine Ansprüche untereinander – vor allem nicht aufgrund einer bestehenden GbR –, da es innerhalb eines weltweit verteilten dezentralen Blockchain-Netzwerks aufgrund der grds. bestehenden Anonymität und einem fehlenden Rechtsbindungswillen keine rechtliche Grundlage hierfür gibt.49 b) Forderung gegen einen Kryptoverwahrdienstleister Gegebenenfalls kommt eine Forderung gegen einen Kryptoverwahrdienstleister in Betracht, welchen man als Zahlungsanspruch klassifizieren kann. Als Kryptoverwahrdienstleister sind solche Stellen zu verstehen, die sog. Krypto­verwahrgeschäfte nach dem § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 6 KWG anbieten. Darunter versteht das Gesetz die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten gemäß § 1 Abs. 11 S. 4 KWG oder privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen, Kryptowerte zu halten, zu speichern oder zu übertragen. Die Verwahrung meint dabei die Inobhutnahme von Kryptowährungen für Dritte, wobei mit Inobhutnahme die Aufbewahrung der jeweiligen Kryptowerte in einen Sammelbestand meint, ohne dass die Kunden selbst Kenntnis von dem zugehörigen privaten Schlüssel haben.50 Unter der Sicherung versteht man die Speicherung des privaten Schlüssels (beispielsweise in einer angebotenen Online-Wallet) als auch die Aufbewahrung der physischen Datenträger, welche einen privaten Schlüssel 45 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Koch, DGVZ 2020, 85 (87); Rückert, MMR 2016, 295 (296). 46 Grothe, in: MüKoBGB, § 194 BGB, Rn. 2. 47 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (517); Koch, DGVZ 2020, 85 (87); Rückert, MMR 2016, 295 (296); Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014, Abs. 29; Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1360). 48 Hierzu näheres unter Kap. 2 A. II. 7. b) bb). 49 Hierzu näheres unter Kap. 4 C. V. 1. b). 50 BT-Drucks. 19/13827, S. 109.

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

enthalten.51 Zuletzt versteht man unter der Verwaltung die laufende Wahrnehmung der Rechte aus einem Blockchain-basierten Wert.52 Schon bei einem Blick auf die Definitionen von Speicherung und Verwaltung wird klar, dass es sich bei den Tatbeständen nicht um einen bestehenden Zahlungsanspruch handelt. Eine genauere Beachtung sollte aber der Verwahrung von Kryptowerten, zu denen auch Kryptowährungen nach dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit gehören,53 zukommen. Das wird eindeutig, wenn man sich die realen Gegebenheiten bei der Verwahrung von Kryptowährungen bei derartigen Dienstleistern anschaut. In Betracht kommt hier nämlich regelmäßig die Nutzung von Kryptohandelsplattformen. Wie schon unter Kap. 2 B. III. 1. b) und c) dargestellt, erwirbt der Nutzer keine Einheiten von Kryptowährungen in der Gestalt, dass er ein kryptografisches Schlüsselpaar erhält und der daraus gebildeten Adresse Transaktionen zugeordnet werden. Vielmehr erhält der Nutzer das Versprechen von der Plattform, dass ihm ein Anspruch in Höhe der erworbenen Einheiten gegen die jeweilige Plattform zusteht. Der Nutzer erhält demzufolge eine Forderung gegen die Plattform, welche sich auf die Auszahlung oder die Transaktion von Kryptowährungseinheiten richtet. Demzufolge besteht ein Anspruch gegen einen Dritten im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB. Die entscheidende Frage ist dabei, ob sich der Anspruch auf eine Geldzahlung bezieht. Wie bereits unter Kap. 4 C. V. dargelegt wurde, handelt es sich bei Kryptowährungen jedoch nicht um Geld im Rechtssinne. Demzufolge stellt eine Forderung auf den Erhalt von Einheiten einer Blockchain-basierten virtuellen Währung keinen Zahlungsanspruch gerichtet auf Geld im privatrechtlichen Sinne dar. Es handelt sich also weder um eine Geldforderung, da sich die Forderung nicht auf die Zahlung einer Geldsumme richtet,54 noch um eine Geldstückschuld oder eine Geldsortenschuld (welche sowieso nach §§ 846 ff. ZPO zu vollstrecken wären).55 Zwar kann sich eine Geldforderung auch auf die Zahlung einer ausländischen Währung richten.56 Bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen handelt es sich aber nicht um (Fremd-)währungen. Hierfür ist eine nähere Betrachtung des Währungsbegriffes notwendig.

51

BT-Drucks. 19/13827, S. 109. BT-Drucks. 19/13827, S. 109. 53 Näheres zum Begriff der Kryptowerte nach dem KWG unter Kap. 4 C. VI. 54 BGH, Urt. v. 5. 5. 1988 – VII ZR 119/87 (KG), NJW 1988, 1964 (1965); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 2. 1988 – 19 W 17/87, NJW 1988, 2185; Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 829 ZPO, Rn. 5. 55 Riedel, in: BeckOK ZPO, § 829 ZPO, Rn. 4. 56 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 829 ZPO, Rn. 5a; Würdinger, in: Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 829 ZPO, Rn. 2. 52

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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Insofern könnte man hier den Begriff der Währung zunächst etwa nach dem Verständnis des Geldbegriffes von Gerber als rechtlich bestimmtes Zahlungsmittel verstehen.57 Dann stellen Kryptowährungen aber keine nationale Währung dar, da der Euro nach § 14 Abs. 1 S. 2 BbankG das einzige unbeschränkte Zahlungsmittel in Deutschland ist.58 Ein Annahmezwang gilt weiterhin etwa im gesamten EU-Raum nach Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV, Art. 10 S. 2, Abs. 11 S. 2 der VO (EG) Nr. 974/98 lediglich für den Euro.59 Auch in anderen Drittstaaten besteht ein solcher Annahmezwang für Kryptowährungen nach dem Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit nicht. Dies gilt auch für El Salvador, da zum Zeitpunkt dieser Arbeit kein (strikter) Annahmezwang von Bitcoins in El Salvador besteht. Auch eine Betrachtung nach dem modernen Währungsbegriff führt zu keinem anderen Ergebnis. Der moderne Währungsbegriff ist zweigeteilt in eine abstrakte Komponente, die sich auf die ideelle Einheit eines Geldsystems bezieht und eine konkrete Komponente, welche die Geldverfassung eines Staates umfasst.60 Krypto­ währungen unterliegen aber keinem hoheitlichen Währungsrecht, sodass es ihnen schon an der konkreten Komponente des modernen Währungsbegriffs mangelt.61 Auch die jüngsten Änderungen durch die 5. Geldwäsche-Richtlinie ändern daran nichts, da diese nach Art. 4  Nr.  18 der RL explizit nicht fordert, dass virtuelle Währungen im Sinne der RL den gesetzlichen Status einer Währung benötigen.62 Auch die ideelle Komponente ist aus gleich mehreren Gründen nicht erfüllt. So hat nämlich schon die ökonomische Betrachtung unter Kap. 3 A. die realwirtschaftlichen Unterschiede zwischen Geld (und a maiore ad minus auch zu Währungen) im ökonomischen Sinne und Kryptowährungen offengelegt. Darüber hinaus bilden virtuelle Währungen einen ideellen Gegenentwurf zu einer konventionellen Währungsverfassung.63 c) Zwischenergebnis Der allgemeine Weg der Forderungspfändung nach §§ 829, 835 ZPO scheitert also schon an dem Bestehen einer Forderung. Der Sonderfall, dass eine Forderung gegen eine Kryptohandelsplattform besteht, scheitert an der Klassifizierung dieser Forderung als Zahlungsanspruch im Sinne des § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO.

57

Beck, NJW 2015, 580 (582); Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (304). Schlund / Pongratz, DStR 2018, 598 (599). 59 Beck, NJW 2015, 580 (582). 60 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307); Ders., JZ 2017, 754 (758). 61 Möllenkamp / Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia-Recht, Teil 13. 6, Rn. 39; Beck, NJW 2015, 580 (582); Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (308); Ders., JZ 2017, 754 (758). 62 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307 f.). 63 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307); Ders., JZ 2017, 754 (758). 58

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

4. Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte nach § 857 Abs. 1 ZPO Übrig bleibt nur noch eine Zwangsvollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO. Daher ist zu prüfen, ob die Norm anwendbar ist oder nicht. Folgt man der (nach der bisherigen Analyse zutreffenden) herrschenden Meinung, ist § 857 Abs. 1 ZPO die entscheidende Norm für die Frage, ob die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten einer Blockchain-basierten virtuellen Währung de lege lata überhaupt möglich ist.64 Zentral für diese Frage ist, ob die Inhaberschaft von Kryptowährungen ein Vermögensrecht im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO darstellt. Diese Frage bedarf daher einer eingehenden Analyse, welcher im Folgenden nachgegangen werden soll. a) Anknüpfungspunkt Zunächst muss jedoch die Vorfrage geklärt werden, welche Machtbefugnis oder Berechtigung überhaupt als Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Einordnung als Vermögensrecht in Frage kommt. Einhergehend mit dem Ergebnis des 4. Kapitels dieser Arbeit kommt hierfür ausschließlich die Inhaberschaft der Verfügungsgewalt über den einer bestimmten Adresse im Blockchain-Netzwerk zustehenden UTXO in Betracht. b) Verständnis des Begriffs „anderer Vermögenswert“ nach § 857 Abs. 1 ZPO Der Begriff des Vermögensrechts hat nach einer Ansicht aus der Literatur immer noch keine allgemein gültige Definition erhalten.65 Der BGH hat sich mit dem Begriff des Vermögensrechts nach § 857 Abs. 1 ZPO auseinandergesetzt und klargestellt, dass nur solche Rechte pfändbar sind, „die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann“.66 Diesem Verständnis, dass letztlich durch Verwertung die Befriedigung des Gläubigers erreicht werden können muss, schließt sich auch die Literatur an.67 Dabei besteht auch dahin­gehend 64

Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 (78); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (518 ff.); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (564 ff.); Koch, DGVZ 2020, 85 (87); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232 ff.). 65 Skauradszun, in: Bisges, Handbuch Urheberrecht, Kap. 8, Lit. A, Rn. 10. 66 BGH, Beschl. v. 9. 2. 2012 – VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 (436); BGH, Beschl. v. 20. 12. 2006 – VII ZB 92/05, MDR 2007, 485; BGH, Beschl. v. 5. 7. 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353. 67 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 857 ZPO, Rn. 2; Herget, in: Zöller ZPO, § 857 ZPO, Rn. 2; Riedel, in: BeckOK ZPO, § 857 ZPO, Rn. 1.

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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Einigkeit, dass ein so verstandenes Vermögensrecht gerade nicht unmittelbar zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers durch Geldleistung führen muss, sondern dass die Verwertung eine Geldleistung zumindest erwarten lassen kann und dadurch zu einer Befriedigung der Gläubigerforderung führt.68 Aus der Tatsache, dass die Norm die Vollstreckung wegen Geldforderungen in andere Vermögensrechte durch Verweisung auf die §§ 828 ff. ZPO regelt, folgt, dass ein Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO auch übertragbar sein muss.69 Die Unklarheiten hinsichtlich des Begriffes wurzeln also nicht in einem klassischen Diskurs zwischen Rechtsprechung und Literatur. Sie entstehen vielmehr aufgrund einer geforderten Begrenzung des Begriffsverständnisses, welches im Folgenden erläutert werden soll. aa) Mögliche Begrenzung Begrenzt werden diese Erwägungen nur durch die Gefahr einer Ausdehnung der von § 857 Abs. 1 ZPO umfassten pfändbaren Gegenständen.70 Angesichts einer Neigung der Gläubiger, pfändbare Gegenstände ausfindig zu machen, wird angenommen, dass das Verständnis des sonstigen Vermögensrechts einer Begrenzung bedarf.71 Bloße tatsächliche (und damit von rechtlichen Beziehungen losgelöste)  Verhältnisse und Handlungsmöglichkeiten, die nicht als verkehrsfähige, pfändbare Rechte ausgestaltet sind, sollen daher vom Anwendungsbereich des § 857 Abs. 1 ZPO ausgenommen sein.72 Die Forderung nach einer derartigen Begrenzung ist vor dem Hintergrund der systematischen Rolle des § 857 Abs. 1 ZPO als Auffangvorschrift für die Vollstreckung in alle Gegenstände des beweglichen Vermögens zu verstehen, welche die Vertreter eben dieser Begrenzung selbst anerkennen.73 Hierfür spricht demzufolge auch, dass etwa Anwartschaften wie das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers oder des Sicherungsgebers nach herrschender Meinung als vermögenswerte Rechte klassifiziert werden.74 Weiterhin sprechen diese Beispiele dafür, dass eine positivrechtliche Fixierung des infrage kommenden Vermögensrechts keine zwingende Voraussetzung für die Einordnung in den Anwendungsbereich des § 857 Abs. 1 ZPO sein kann. 68

BGH, Beschl. v. 5. 7. 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353; Riedel, in: BeckOK ZPO, § 857 ZPO, Rn. 1; Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232). 69 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 857 ZPO, Rn. 1. 70 Smid, in: MüKoZPO, § 857 ZPO, Rn. 9. 71 Würdinger, in: Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 857 ZPO, Rn. 1. 72 BGH, Beschl. v. 22. 4. 2010 – VII ZB 15/09, NJW 2010, 2346 (2347); Riedel, in: BeckOK ZPO, § 857 ZPO, Rn. 2; Smid, in: MüKoZPO, § 857 ZPO, Rn. 9. 73 Würdinger, in: Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 857 ZPO, Rn. 1. 74 BGH, Urt. v. 24. 5. 1954  – IV ZR 184/53, NJW 1954, 1325 (1326); Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 857 ZPO, Rn. 7; Smid, in: MüKoZPO, § 857 ZPO, Rn. 18.

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

bb) Rechtsökonomische Erwägungen des § 857 Abs. 1 ZPO? Dieses Verständnis des Vermögensrechts nach § 857 Abs. 1 ZPO erlaubt die Anknüpfung von rechtsökonomischen Erwägungen. Denn pfändbar nach § 857 Abs. 1 ZPO sind solche Rechte, welche der Verteilung geldwerter wirtschaftlicher Güter dienen und das losgelöst davon, ob sie auf Sachwerte oder auf persönliche Leistungen gerichtet sind.75 Vor dem Hintergrund dieser Interpretation ist dem Verständnis des sonstigen Vermögensrechts im Rahmen der Einzelvollstreckung zunächst offensichtlich der zugrundeliegende Gedanke der Verteilungsgerechtigkeit anzumerken, welcher neben der Allokationseffizienz ein (weiteres) Ziel rechtsökonomischer Überlegungen ist.76 Wäre die Regelung des § 857 Abs. 1 ZPO also nicht existent, so wären die geldwerten Wirtschaftsgüter, welche nicht in die Tatbestände der § 803 ff. ZPO fallen, nicht von dem Instrumentarium der Einzelvollstreckung greifbar. Dieser Umstand stellt dann eine ungerechtfertigte Besserstellung der Zwangsvollstreckungsschuldner dar und führt zu dem Zustand eines wirtschaftlichen Machtzuwachses auf der Seite der Zwangsvollstreckungsschuldner, insofern man wirtschaftliche Machtpositionen auch als Inhaberschaft von Wirtschaftsgütern verstehen mag, welche nicht von dem staatlichen Prozess der Zwangsvollstreckung bedroht sind. Diese (drohende) Verteilungsungerechtigkeit muss dabei stehts auch vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts gesehen werden, welcher bereits unter Kap. 4 A. I. genauer beleuchtet worden ist. Ein solcher Zustand statuiert (vor allem vor dem Hintergrund des angenommenen Verhaltensmodells) nicht nur einen Umverteilungsprozess zugunsten der Inhaber solcher nicht greifbarer wirtschaftlicher Güter und zulasten der Zwangsvollstreckungsgläubiger. Er führt weiterhin zu einer Fehlallokation von wirtschaftlich verwertbaren Ressourcen.77 Denn ein solch vollstreckungsfreier Raum begünstigt die Transformation von Vermögensgütern, die der Einzelvollstreckung zugänglich sind, in solche handelbaren Güter, welche von der ZPO nicht umfasst sind. Dieser Prozess ist unter Kap. 3 A. II. für den Fall der Kryptowährungen bereits detailliert dargelegt worden. Es ist daher auch im Sinne der Allokationseffizienz notwendig, die durch diese Machtpositionen Beeinträchtigten durch das Recht zu schützen, indem Gegenmachtpositionen aufgebaut oder umfassend abgesichert werden, die derartig einseitige Machtzuwächse verhindern.78 Der Aufbau und die Wahrung solcher notwen­digen Gegenmachtpositionen ist demzufolge nicht nur ein isoliertes Ziel der Verteilungsgerechtigkeit, sondern ein Gebot der Forderung nach Allokationseffizienz.79 75

Würdinger, in: Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 857 ZPO, Rn. 7. Schäfer / Ott, S. 7. 77 Vgl. Schäfer / Ott, S. 9. 78 Schäfer / Ott, S. 9. 79 Schäfer / Ott, S. 9. 76

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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Der Charakter einer solchen rechtlichen Regelung ist dem § 857 Abs. 1 ZPO zuzusprechen. Denn die Sicherung solcher Positionen ist neben der Übertragung von Rechten ohne Zustimmung des Rechteinhabers oder durch strafrechtliche Sanktionen auch durch die Zwangsvollstreckung möglich.80 § 857 Abs. 1 ZPO öffnet als Auffangnorm den Zugriff der Zwangsvollstreckung auf sonstige Vermögensrechte. Erst diese Norm öffnet den Zugriff auf alle materiellen Vermögenswerte des Schuldners und verhindert dadurch ein opportunistisches Verhalten des Schuldners im Sinne der sanktionsfreien Nichterfüllung.81 Sie hat demzufolge verhaltenssteuernde Wirkung. Es besteht also im Rahmen der Überlegungen nach einem Verständnis des Begriffs des Vermögensrechts nach § 857 Abs. 1 ZPO ebenfalls eine rechtsökonomische Komponente. Ergebnisse müssen sich demzufolge an dieser Komponente messen. c) Bisherige Lösungsansätze Zunächst sollen aber die bisherigen Lösungsansätze der Literatur betrachtet werden, die sich mit der Frage nach der Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO auseinandergesetzt haben. aa) Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO Eine Einordnung der Vollstreckung in Einheiten von Kryptowährungen wegen einer Geldforderung nach § 857 Abs. 1 ZPO wird maßgeblich deshalb abgelehnt, weil virtuelle Währungen oder ihre Inhaberschaft nicht unter den Begriff des Rechts nach § 857 Abs. 1 ZPO zu subsumieren sind.82 Auf diesem Ergebnis aufbauend schlussfolgerten Kütük / Sorge schon im Jahr 2014, dass lediglich vertragliche Herausgabeansprüche des Zwangsvollstreckungsschuldners gegen Dritte auf Herausgabe von Kryptowährungen von § 857 Abs. 1 ZPO umfasst sein können.83 Dass diese Ansicht auch weiterhin Zuspruch findet, zeigt eine Arbeit von Koch aus dem Jahr 2020. Koch stellt dabei ebenfalls darauf ab, dass der „[…] ‚Besitz‘ der Bitcoins“ kein Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO darstellen kann, da dieser kein Recht darstellt.84 Zu demselben (vorläufigen) Ergebnis kommt auch Effer-Uhe. Die Ergebnisfindung unterscheidet sich jedoch zu den zuvor genannten Lösungswegen dahingehend, dass er vielmehr darauf abstellt, dass der Inhaberschaft von Kryptowährun­ 80

Schäfer / Ott, S. 563. Schäfer / Ott, S. 459 u. 589. 82 So im Ergebnis etwa Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Beck / König, JZ 2015, 130 (131); Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (356); Rückert, MMR 2016, 295 (296). 83 Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644). 84 Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 81

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

gen kein absolutes Recht zukommt, weshalb eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 857 Abs. 1 ZPO scheitert.85 Hierfür spricht maßgeblich auch die nicht vorhandene Praxistauglichkeit einer privatrechtlichen Pfandrechtsbestellung nach §§ 1273 f. BGB an dem Recht, welches die Inhaberschaft von Kryptowährungen darstellen könnte.86 Diese Ansätze haben daher gemeinsam, dass sie sich alle an den vorhandenen rechtlichen Regelungen orientieren. Da sich die Inhaberschaft von Kryptowährungen nicht eindeutig in das geschriebene Rechtssystem einordnen lässt, soll auch die Einordnung als (absolutes) Recht und damit als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO nicht möglich sein. bb) Analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO Die meisten Vertreter der Ansicht, die eine direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO verneinen, befürworten jedoch eine analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO.87 Effer-Uhe hat sich mit der Begründung einer analogen Anwendung von § 857 Abs. 1 ZPO auf Kryptowährungen auseinandergesetzt. Von zentraler Bedeutung ist die Annahme, dass es sich bei § 857 Abs. 1 ZPO um eine Auffangnorm handelt, weshalb sich eine zu enge Auslegung des Begriffs „Vermögensrecht“ verbietet und somit auch solche vermögenswerte Güter von der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO umfasst werden, die nicht explizit aufgeführt sind.88 Anderenfalls wäre es dem Vollstreckungsschuldner gesetzlich zugestanden, sich durch Transferierung seines Vermögens in virtuelle Währungen der Zwangsvollstreckung zu entziehen.89 Daher ist auch eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen, da der Gesetzgeber die Zwangsvollstreckung aller Vermögenswerte eröffnen wollte und somit bei Kenntnis auch Kryptowährungen umfasst hätte.90 Da der Gesetzgeber jedoch nicht von der Existenz von Vermögenswerten, welche keine Rechte darstellen, ausgegangen ist, sei nach Effer-Uhe auch eine vergleichbare Interessenlage gegeben.91 Auch Koch begründet eine analoge Anwendung maßgeblich damit, dass anderenfalls Vollstreckungsfreiräume entstehen würden, die eine effektive Rechtsdurchsetzung verhindern.92 Den Regelungen der ZPO ist jedoch zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Vollstreckungsgläubiger einen umfassenden Zugriff 85

Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (523). Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (522 f.). 87 Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524 ff.); Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 88 Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524). 89 Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524). 90 Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524). 91 Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524). 92 Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 86

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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auf alle Vermögensgegenstände des Vollstreckungsschuldners zugestehen möchte.93 Daher liege schon deswegen eine planwidrige Regelungslücke vor, weil der Gesetzgeber auch den Zugriff auf Kryptowährungen ermöglicht hätte, wenn diese ihm bei der Schaffung der betreffenden Regelungen bekannt gewesen wären.94 Da Kryptowährungen (hier Bitcoins) einen Vermögenswert verkörpern, sei auch eine Vergleichbarkeit der Interessenlage anzunehmen, da § 857 ZPO als Auffangund Sammelvorschrift den Zugriff auf solche Rechte ermöglicht, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass eine Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs führen kann.95 cc) Direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO auf Kryptowährungen Erst in der neueren Literatur zur Einzelvollstreckung von virtuellen Währungen hat sich eine Meinung herausgebildet, welche eine direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO für die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Kryptowährungen befürwortet. Skauradszun sieht die Lösung dieser Frage maßgeblich in den Folgen der nationalen Umsetzung der 5. Geldwäsche-RL. Durch die Einführung des § 1 Abs. 11 S. 4 KWG wurde ein neues dogmatisches Fundament für die Frage geschaffen, ob Kryptowährungen Vermögenswerte im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO darstellen können. Denn dadurch erkennt das kodifizierte Recht die Rechtsqualität jedenfalls seit der nationalen Umsetzung aktiv an.96 Für diese rechtliche Anerkennung sollen gleich mehrere methodische Auslegungen sprechen. Zunächst soll schon der Wortlaut der neuen Norm dafürsprechen, dass es sich bei Kryptowährungen um ein Recht handelt, da man diesem die Handelbarkeit und Übertragbarkeit entnehmen kann, was auch die Voraussetzungen eines (Vermögens-) Rechts sind.97 Aus systematischer Sicht wurde mit der 5. Geldwäsche-RL auch das Kryptoverwahrgeschäft in § 1 Abs. 1 lit. a S. 2 Nr. 6 KWG n. F. eingeführt und wird hierdurch mit anderen etablierten Finanzdienstleistungen genannt, welche etablierte Vermögensrechte betreffen.98 Auch nach der historischen Auslegungsmethode sollen Argumente für eine Anerkennung als Vermögensrecht bestehen. Der deutsche sowie der europäische Gesetzgeber haben die generelle Geldfunktion von Kryptowährungen und deren Umtauschmöglichkeit in konventionelle Währungen bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie oder in den Erwägungsgründen der betreffenden Richtlinie explizit erkannt, was für den

93

Koch, DGVZ 2020, 85 (88). Koch, DGVZ 2020, 85 (88). 95 Koch, DGVZ 2020, 85 (88). 96 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1233). 97 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1233). 98 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1233). 94

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Willen einer Anerkennung als Vermögensrecht spreche.99 Zuletzt ist aus teleo­ logischer Sicht anzuerkennen, dass es sich bei § 857 Abs. 1 ZPO um eine Auffangvorschrift handelt. Soweit sich der nationale Gesetzgeber verpflichtet gesehen hat, den technologischen Fortschritt bei der Ansammlung von Vermögenswerten sowie den Umtausch von Kryptowährungen in konventionelle Währungen (zur Verhinderung des Missbrauchs für kriminelle Zwecke) staatlich überwachen zu können, ist klar erkennbar, dass staatliche Zugriffslücken geschlossen werden sollen.100 Jacobs / A rndt konstruieren ihren dogmatischen Ansatz für eine direkte Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO auf der Erkenntnis, dass es keinen allgemeinen numerus clausus der absoluten Rechte gibt.101 Daher kann allein die Feststellung, dass Kryptowährungen zu keinem der bekannten (positiv normierten) Rechte zugeordnet werden können, nicht für eine Ablehnung der Einordnung als Vermögensrecht im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO genügen.102 Als Zwischenergebnis führt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des Rechts im Allgemeinen und des Vermögensrechts im Besonderen so dann zu der Feststellung, dass die Zuordnung der schuldnerischen Vermögensgegenstände (auch) im Rahmen der Einzelvollstreckung durch die bestehenden (Vermögens-)Rechte erfolgt.103 Um die getätigte Zuordnung als Recht im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO zu verstehen, genügt für die Zuordnungsfunktion des Rechts dabei die Erkenntnis, dass das objektive Recht die Einheiten einer virtuellen Währung einer bestimmten Person zuordnet.104 Die Zuordnung soll mithilfe der allgemeinen Rechts- und Rechtsgeschäftslehre erfolgen, wodurch eine von der tatsächlichen Herrschaftsmacht abweichende Bewertung vorgenommen wird.105 Ausschlaggebend für dieses Ergebnis ist betreffend der Zuordnung die Befürchtung, dass durch eine etwaige Zuordnung anhand der tatsächlichen Herrschaftsgewalt (welche also solche aber wohl in Betracht käme) rechtsfreie Räume entstehen würden, da ein deliktischer Schutz nicht bestehe.106 Maßgeblich für die Zuordnungsfunktion sei demzufolge das Vorliegen einer wirksamen Verfügung nach den Regeln der Rechtsgeschäftslehre.107 Soweit sich die Nutzungsmöglichkeit von Kryptowährungen auf Verfügungen beschränkt, ergibt sich daraus eine Nutzungs- und Ausschlussbefugnis, da das Gesetz nur dem Inhaber die Verfügung und damit die Nutzung im Sinne der Rechtsgeschäftslehre gestattet.108 Aufgrund eines bestehenden Schutzes nach zu-

99

Skauradszun, WM 2020, 1229 (1233). Skauradszun, WM 2020, 1229 (1233 f.). 101 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (564 f.). 102 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (565). 103 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (565 f.). 104 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 105 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 106 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566). 107 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 108 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 100

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

157

mindest § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. diversen Tatbeständen des StGB besteht auch eine Abwehrbefugnis, sodass die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB gegeben sein sollen.109 dd) Konzeptionelle Kritik Bevor im folgenden Punkt ein selbstständiger Lösungsansatz aufgezeigt werden soll, sollen die Schwachstellen der vorher genannten Meinungen aufgeführt werden. (1) Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO Offensichtlich führt die Meinung, welche eine (generelle) Ablehnung der Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO vertritt und mangels angebotener Alternativen so die Erfassung von Kryptowährungen durch die Einzelvollstreckung generell verneint, zu deutlichen Missständen. Dem Vollstreckungsschuldner werden so genau jene Vollstreckungsfreiräume zugesprochen, vor denen bereits gewarnt worden ist. Vor dem Hintergrund der enormen Gesamtmarktkapitalisierung von virtuellen Währungen und ihrer mittlerweile wesentlich leichteren Beschaffung kann ein solches Ergebnis schon im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektive Zwangsvollstreckung110 nicht hingenommen werden. Dies wird von den negativen Folgen auf die Güterallokation untermauert.111 (2) Analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO Der vorangegangenen Argumentation entsprechend ist der analogen Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO zuzusprechen, dass hinsichtlich der Folgenbewertung weder aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Verkümmerung des Rechts auf effektive Zwangsvollstreckung noch aus rechtsökonomischer Sicht eine Allokationsineffizienz droht. Denn die Auffassung führt zur Anwendung der Norm § 857 Abs. 1 ZPO durch eine Analogiebildung. Jedoch ist die Lösung aus dogmatischer Sicht vor allem vor dem Hintergrund des Telos des § 857 Abs. 1 ZPO fraglich. Da die Vertreter dieser Ansicht ihre dogmatische Begründung aber selbst als überzeugend bezeichnen,112 soll im Folgenden näher darauf eingegangen werden. Wie selbst von den Vertretern dieser Auffassung richtigerweise erkannt wird, handelt es sich bei § 857 Abs. 1 ZPO um eine Auffangvorschrift. Denn die Norm 109

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567 f.). Hierzu näher unter Kap. 4 B. 111 Hierzu näher unter Kap. 3 III. 2. 112 Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 110

158

Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

soll dann greifen, wenn das Vermögensrecht nicht schon als anderes bewegliches Vermögen klassifiziert werden kann,113 was den Charakter als Sammel- und Auffangvorschrift betont.114 Neben dieser teleologischen Erwägung spricht auch die systematische Stellung der Norm am Ende des Untertitels 3 zur Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen für diese Einordnung. Auffangvorschriften haben jedoch gemein, dass gerade aufgrund ihres Charakters als Sammelvorschrift die enthaltenen Voraussetzungen weit(er) zu verstehen sind. Wäre das nicht der Fall, wären sie im Umkehrschluss nicht als Auffangvorschrift, sondern als Teil der spezielleren Vorschriften zu verstehen. Der Begriff des Vermögensrechts nach § 857 Abs. 1 ZPO ist einerseits deswegen und andererseits vor allem auch im Lichte einer verfassungskonformen Auslegung der Norm weit zu verstehen. Beides wird von den Vertretern dieser Ansicht auch wahrgenommen. Denn zum einen erkennen sie selbst den Charakter der Norm als Auffangvorschrift. Zum anderen erkennen sie auch die Gefahr eines anderenfalls entstehenden rechtsfreien Raums. Darüber hinaus wird auch eine „gewisse Rechtsqualität“ der Inhaberschaft (des „Besitzes“) von Kryptowährungen im Zusammenhang mit der Analogiebildung anerkannt.115 In Anbetracht dieser Feststellungen wird aber nicht klar, warum gerade eine analoge Anwendung der Norm und nicht eine direkte Subsumtion unter den Begriff des Vermögenswerts statthaft ist. Wie soeben dargelegt ist es doch gerade Sinn und Zweck von Auffangvorschriften, dass sie bisher nicht einbezogene, aber vom Telos her einzubeziehende Sachverhalte mit einbeziehen. Durch die Erweiterung einer direkten Anwendung der Norm anhand ihrer weit zu verstehenden Voraussetzungen wird ihre Analogiefähigkeit dann aber zugleich beschränkt. Anders gesagt ist es fraglich, ob eine solche Sammelvorschrift noch analog auf diejenigen Sachverhalte angewendet werden darf, die schon nicht in den weit zu verstehenden Anwendungsbereich bei direkter Anwendung der Norm fallen. Denn vor diesem Hintergrund dürfte auch die Planwidrigkeit der Regelungslücke zweifelhaft sein, da ja eine positivgesetzlich geregelte Norm besteht, welche als Sammelvorschrift fungieren soll und somit im Besonderen etwa einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist. Somit spricht vieles dafür, dass Sachverhalte entweder unter diese Auffangnorm fallen sollen oder nicht und im letzteren Fall auch nicht durch analoge Anwendung. Da aber selbst vor diesem Hintergrund eine direkte Anwendung der Auffangnorm verneint wird, so ist zumindest ein erhöhter Begründungsbedarf für eine Vergleichbarkeit der Interessenlage zu fordern. Aus methodischer Sicht kann zudem nicht von dem Vorliegen einer Planwidrigkeit als Voraussetzung einer Analogiebildung ausgegangen werden, wenn der Sachverhalt bereits von anderen allgemeineren Normen erfasst wird.116 113

Flockenhaus, Musielak / Voit ZPO, § 857 ZPO, Rn. 1. Koch, in: Kindl / Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 857 ZPO, Rn. 1. 115 Koch, DGVZ 2020, 85 (87). 116 Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 215. 114

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

159

Im Hinblick darauf können die Argumente der Auffassung nicht durchwegs überzeugen. Denn ihre Vertreter erkennen den Charakter des § 857 Abs. 1 ZPO als Auffangnorm stetig an und schlussfolgern selbst, dass sich daher ein enges Verständnis des Begriffs des Vermögensrechts verbietet.117 Der ZPO sei ferner zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für den Vollstreckungsgläubiger einen weitreichenden Zugriff auf denkbare Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners einrichten wollte.118 Kryptowährungen verkörpern auch einen Vermögenswert, welcher zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers verwendet werden kann.119 Auf den zweiten Blick sind das vor dem Hintergrund der Charakterisierung des § 857 Abs. 1 ZPO aber Argumente, die sich für eine direkte Anwendung der Norm fruchtbar machen. (3) Direkte Anwendung Es sei schon jetzt vorweggenommen, dass im Ergebnis eine direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO für die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten von virtuellen Währungen statthaft ist. Insoweit ist der Auffassung, die ebenfalls für eine direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO plädiert, im Ergebnis zuzustimmen. Die Argumentation, auf der dieses Ergebnis jeweils fußt, weist bei einem genaueren Blick jedoch bedeutsame Schwächen auf. Zunächst ist zuzustimmen, dass die positivrechtliche Kodifizierung von Krypto­ werten und dem Kryptoverwahrgeschäft im KWG sowie des Kryptowertpapiers im eWpG ein Novum darstellt. Im Hinblick auf die bereits vorgestellten weitergehenden Bestrebungen einer Regulierung von Blockchain-basierten Vermögenswerten auf EU-Ebene durch den MiCA-E ist mit weiteren Regelungen hinsichtlich Blockchain-basierter Werte zu rechnen. Die wesentliche Frage ist hierbei, ob die spezialgesetzliche Kodifizierung von Blockchain-basierten Vermögenswerten wie auch Kryptowährungen nach dem Maßstab dieser Arbeit zum (ausschließlichen) Zwecke der Regulierung tatsächlich auch Auswirkungen auf ihre allgemeine (privat-)rechtliche Qualifikation hat. Vor dem Hintergrund dieser Frage gibt es Argumente, welche die von den (bisherigen) Vertretern dieser Auffassung angenommene Folge von spezialgesetzlicher Regulierung zu einer (allgemein) rechtlichen Anerkennung zweifelhalft erscheinen lassen. Zunächst sind die Regulierungsbestrebungen, also die 5. Geldwäsche-RL als Grundlage der Änderungen des KWG sowie der MiCA-E, legislative Zielvorgaben des europäischen und nicht des nationalen Gesetzgebers. Des Weiteren berühren weder die 5. Geldwäsche-RL (und somit auch deren nationale Harmonisierung) noch der MiCA-E die Auslegung des außerhalb des jeweiligen Regelungszwecks liegenden deutschen Rechts.120 117

Effe-Uhe, ZZP 2018, 513 (524); Koch, DGVZ 2020, 85 (88). Koch, DGVZ 2020, 85 (87 f.). 119 Koch, DGVZ 2020, 85 (88). 120 Vgl. Linardatos, BKR 2021, 58 (59). 118

160

Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Hinsichtlich der Begriffsbestimmung innerhalb des KWG durch die Harmonisierung der 5. Geldwäsche-RL handelt es sich nur um eine sektorielle Begriffsbestimmung.121 Sinn und Zweck der Regelungen bezüglich virtueller Währungen durch die 5. Geldwäsche-RL ist die Feststellung, dass aufgrund der innerhalb der jeweiligen Blockchain-Netzwerke herrschenden Anonymität eine Missbrauchs­ gefahr für kriminelle Zwecke besteht. Zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sollen daher Diensteanbieter, die den Umtausch von Kryptowährungen in Fiat-Währungen ermöglichen, der Aufsicht und Überwachung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden unterliegen. Dies wird aus den Erwägungsgründen 8 und 9 der 5. Geldwäsche-RL deutlich und statuiert zugleich die Begrenzung ihrer Reichweite. Wenn also auf die Äußerung der Bundesregierung in diesem Zusammenhang abgestellt wird, dass Kryptowährungen nicht nur als eine Rechnungseinheit verstanden werden, sondern ihnen eine allgemeine Geldfunktion zukommt,122 muss dies im Lichte (und nur in diesem) der Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung verstanden werden. Darüber hinaus geht die 5. Geldwäsche-RL nicht von einem rechtlichen, sondern von einem tatsächlichen (untechnischen) Begriffsverständnis von Kryptowährungen aus, da Art. 4 Nr. 18 der 5. Geldwäsche-RL explizit nicht fordert, dass es sich bei ihnen um eine Währung im Rechtssinne handeln muss.123 Ähnlich verhält es sich mit dem MiCA-E. Wie bereits unter Kap. 4 C. X. dargestellt, handelt es sich auch hier um einen Ansatz der regulatorischen Erfassung verschiedener Blockchain-basierter Vermögenswerte innerhalb des EU-Raums. Betroffen sind demzufolge spezialgesetzliche nationale Normen, jedoch derzeit nicht die allgemeine Klassifizierung derartiger Vermögenswerte als Recht. Auch das eWpG als bisher einzige nationale Bestrebung der rechtlichen Erfassung bestimmter Blockchain-basierter Token will – wie bereits in Kap. 4 C. I. 1. b) bb) (3) (b) erwähnt – die rechtliche Einordnung von diesen Werten außerhalb des Wertpapierbereichs nicht erfassen. Vor diesen Hintergründen ist nicht anzunehmen, dass solche (teilweise erst geplanten) spezialgesetzlichen Kodifizierungen so weitreichende Folgen aufweisen können und insbesondere sollen, dass dies eine generelle Klassifizierung der tatsächlichen Verfügungsgewalt von Einheiten einer Kryptowährung als (Vermögens-)Recht zur Folge hat. Auch wenn eine hieraus hervorgehende Indizwirkung nicht abzusprechen ist, macht dies eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Klassifizierung als Vermögensrecht nicht entbehrlich. Es ist ein Unterschied, ob spezialgesetzliche Normen nur regulatorisch tätig werden oder ob ein Vermögensgegenstand den Status eines Rechts zugesprochen bekommt. Denn man kann angesichts der spezialgesetzlichen Regulierung fragen, ob vor diesem Hintergrund eine Anerkennung des Rechts geboten ist. Sie egalisieren die ausführliche 121

Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307). Skauradszun, WM 2020, 1229 (1230); BT-Drucks. 19/13837, S. 49. 123 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307). 122

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

161

Beantwortung dieser Frage aber nicht, weil sie höchstens die Notwendigkeit einer rechtlichen Anerkennung, nicht aber ihre genaue Begründung und Art anzeigen. Jacobs / A rndt, welche mit Hilfe einer vertieften Analyse des Begriffs des (Vermögens-) Rechts ebenfalls zu einer direkten Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO gelangen, demonstrieren die (weiter fortbestehende) Notwendigkeit einer Auslegung des Begriffs des Rechts im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO mit Hinblick auf das Phänomen der Kryptowährungen.124 Soweit sie die Zuordnung als Inhaberschaft klassifizieren, stellen sie aber im Ergebnis darauf ab, dass die Zuordnung von virtuellen Währungen nach der allgemeinen Rechts- und Rechtsgeschäftslehre erfolgen soll und weichen damit bewusst von einer Zuordnung anhand der tatsächlichen Herrschaftsmacht ab.125 Diese Annahme weist bei genauerer Betrachtung der grundlegenden Eigenschaften der Blockchain-Technologie gleich mehrere Schwächen auf. Zunächst verkennt sie die grundlegenden Prinzipien der Blockchain-Technologie, wenn sie von einer die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse ignorierenden Zuordnung anhand der allgemeinen Rechts- und Rechtsgeschäftslehre ausgeht. Denn Blockchain-basierte intrinsische Vermögenswerte bestehen ausschließlich innerhalb der Blockchain und unterliegen daher ausschließlich den Regeln des jeweiligen Blockchain-Netzwerks. Die Transaktion in einem Blockchain-Netzwerk erfordert daher auch keinen Konsens im Sinne eines (beidseitigen) Rechtsgeschäfts zwischen dem Versender und dem Empfänger, sondern ausschließlich die Transaktion durch den Versender sowie die Aufnahme dieser Transaktion aus dem Transaktionspool in einen Datenblock der Blockchain.126 Sind diese Schritte erfolgt, ist von einer gültigen Transaktion auszugehen und es besteht ein Vertrauen aller Akteure des Netzwerks auf diese Gültigkeit. Denn ein wesentliches und disruptives Merkmal der Blockchain-Technologie ist es gerade, dass ein Vertrauen in die Korrektheit des Datenbestandes ohne äußere Einflüsse und somit ausschließlich durch Blockchain-interne Prozesse gewährleistet werden soll. Das ist der Ursprung ihrer besonderen Integrität, die wiederum einer der wesentlichen Gründe für ihre Anwendung in vielfältigen Einsatzbereichen ist. Wenn die Auffassung aber aktiv davon ausgeht, dass eine außerhalb der Blockchain wirksame Verfügung die einzige Grundlage für die Zuordnung der rechtlichen Inhaberschaft ist, dann missachtet sie diese elementare Grundlage der Blockchain-Technologie.127 Ferner führt eine solche Lösung zu einem Auseinanderfallen der auf der Blockchain abgebildeten sowie der rechtlichen Zuordnung der Inhaberschaft. Eine solche Abkopplung führt aber in ihrer Konsequenz dazu, dass es zu Abweichungen und

124

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (565). Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 126 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (327). 127 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). 125

162

Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

demzufolge zu einem Risiko der fehlerhaften Einträge innerhalb des BlockchainSystems kommt. Solche Abweichungen sind aber nicht systemkonform.128 In diesen Fällen ist Omlor zwar zuzustimmen, dass es innerhalb der BlockchainNetzwerke keine vom geschriebenen Recht anzuerkennende Art eigener Rechtsordnung gibt.129 Die Regel „code is law“ gibt es in einer rechtlichen Dimension schlicht nicht. Jedoch ist eine rechtliche Lösung auf ihre konzeptionelle Richtigkeit zu prüfen, falls sie derart grundlegende Prinzipien des Sachverhalts verkennt, den sie betrifft. Zumal es – wie sich im nächsten Punkt zeigen wird – einen ebenso effektiven Lösungsansatz gibt, welcher die konzeptionellen Ideen der BlockchainTechnologie nicht ignoriert. Von weitaus größerer Bedeutung ist aber, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungs- und vor allem Regulierungsansätze zwar gemeinsam haben, dass sie die Blockchain-Technologie rechtlich greifen wollen. Jedoch unterliegen das eWpG und der MiCA-E der wesentlichen Grundidee, dass die Potenziale der BlockchainTechnologie für die Wirtschaft erfasst werden sollen.130 Hierfür soll der zu erzeugende regulatorische Rahmen dienen. Dieses Ziel würde untergraben werden, wenn rechtliche Lösungen der Blockchain-Technologie diejenigen Eigenschaften nehmen, welche sie überhaupt erst derart disruptiv machen, sodass Unternehmen verschiedenster Branchen die Blockchain-Technologie nutzen wollen. Dazu zählen vor allem die nachträgliche Unveränderbarkeit sowie der dezentrale Konsensfindungsprozess. Beide führen dazu, dass Blockchain-basierten Werten eine unverfälschte Aussagekraft entnommen werden kann. Das führt dazu, dass ein grundlegendes Vertrauen in die Richtigkeit des zugrundeliegenden Datensatzes besteht, ohne dass es eines übergeordneten zentralen Intermedärs als Verwalter des Datensatzes bedarf. Diese prägenden disruptiven Besonderheiten werden übersehen, wenn ein Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Zuordnung angenommen wird. Das zerstört das Vertrauen in den Datenbestand. Ihm ist nichtmehr zu entnehmen, welcher Zustand tatsächlich wahr ist. Wenn die technologischen Besonderheiten rechtlich weiterhin nutzbar gemacht werden wollen, ist ihnen Gewicht beizumessen.131 Daher geht auch ein Vergleich zu § 1006 BGB (oder auch zu § 892 Abs. 1 BGB) fehl,132 denn ein Blockchain-basierter Transaktionsdatensatz ist keine (widerlegbare) Vermutung, sondern selbst die innerhalb des Blockchain-Netzwerks einzig herrschende Zuordnung. Eine Einordnung als reine Vermutung würde wesentliche und von der Wirtschaft als Vorteil angesehene Merkmale der Blockchain-Technologie, nämlich die Datenintegrität und Transaktionsrichtigkeit (somit das hohe Maß an Vertrauen), untergraben und dadurch die wirtschaftlich motivierten Ziele des Gesetzgebers konterkarieren. 128

Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (328). Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (328). 130 Vgl. hierzu Kap. 4 C. I. 1. b) bb) (3) (b) zum eWpG-E und Kap. 4 C. X. zum MiCA-E. 131 A. A. nur Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (208). 132 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (208). 129

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

163

Eine weitere Schwäche sind die rechtlichen Folgen, welche ein Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsmacht bedeuten. Denn das bedeutet konsequenterweise, dass es einen Rechtsscheinträger geben müsste, welcher die Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb darstellt. Die Vertreter einer solchen Zuordnungslösung schlussfolgern in konsequenter Weise weiter, dass ein Auseinanderfallen von tatsächlicher und rechtlicher Verfügungsbefugnis eintreten kann.133 Das führt dazu, dass die tatsächliche und rechtliche Inhaberschaft in Folge einer unwirksamen Verfügung auseinanderfallen kann. Aus Vertrauens- und Verkehrsschutzgründen ist dann die Möglichkeit zum gutgläubigen Erwerb nötig. Ein hierfür in Betracht kommender Rechtsscheinträger ist aufgrund der technologischen Besonderheiten der Blockchain-Technologie aber nicht existent.134 Wenn man auf die betreffenden Transaktionen auf der Blockchain und somit auf die dezentrale Datenbank abstellen möchte,135 dann überschätzt dies ihre Aussagekraft. Ein solcher Ansatz würde voraussetzen, dass die zugrundeliegende Blockchain nicht nur ein korrektes Bild der Transaktionszuweisungen, sondern vielmehr auch den zutreffenden Zustand der Verteilung von Rechtspositionen angibt.136 Eine Kryptowährungs-Blockchain dokumentiert aber nur die Ketten digitaler Signaturen und somit die Transaktionen innerhalb der Adressen des Blockchain-Netzwerks. Sie trifft daher nur Aussagen über Tatsachen. Im Vergleich zum Grundbuch,137 das ebenfalls ein Register ist, kann ihr nicht etwa die Wirkung des § 891 Abs. 1 BGB zugesprochen werden. Eine Vermutung nach § 891 Abs. 1 BGB kann nur für Rechte, nicht aber für Tatsachen gelten.138 Die Blockchain dokumentiert im Falle ihrer Verwendung als Grundlage von Kryptowährungen aber weder Rechte, noch nimmt sie eine rechtliche Bewertung vor.139 Sie stellt keine Kundbarmachung des zeitigen Rechtszustandes dar.140 Sie ist daher kein tauglicher Rechtsscheinträger.141 Dies kann ausschließlich in Betracht kommen, wenn eine Blockchain extrinsische Vermögenswerte wie etwa außerhalb der Blockchain bestehende Vermögensrechte dokumentiert.142 Doch selbst wenn sie das täte, so kann einer solchen Blockchain nur durch die Rechtssetzung des Gesetzgebers eine derartige Publizitätsfunktion zugesprochen werden.143

133

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (567). Zum fehlenden Rechtsscheinträger bereits in Kap. 4 C. I. b) bb) (4) (a) und ausführlich in Kap. 5 B. I. 4. c) dd) (3). 135 Koch, ZBB 2018, 359 (362). 136 Heckelmann, NJW 2018, 504 (508). 137 Ammann, CR 2018, 379 (382). 138 Eckert, in: BeckOK BGB, § 891 BGB, Rn. 13. 139 Heckelmann, NJW 2018, 504 (508). 140 Oechsler, in: MüKoBGB, § 932 BGB, Rn. 5. 141 Bialluch-von Allwörden / von Allwörden, WM 2018, 2118 (2121). 142 Zu solchen etwa Borkert, ITRB 2018, 91 (94). 143 Bialluch-von Allwörden / von Allwörden, WM 2018, 2118 (2121). 134

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

In Betracht kommt also nur noch die Inhaberschaft des zu einer Adresse zugehörigen privaten Schlüssels als Zuordnungsmöglichkeit. Diese Inhaberschaft stellt – wie bereits erwähnt – die tatsächliche Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse im zugrundeliegenden Blockchain-Netzwerk dar. Nur durch die Inhaberschaft des zugehörigen privaten Schlüssels kann über den UTXO verfügt werden, indem durch ihn die für eine Transaktion notwendige digitale Signatur erstellt wird. Da die Blockchain mit diesen Transaktionsketten aber nur einen tatsächlichen und keinen rechtlichen Zustand dokumentiert, strahlt man mit der Inhaberschaft auch nur die Verfügungsgewalt über einen tatsächlich zugewiesenen Zustand aus. Einem Erwerber wird dadurch nicht die Inhaberschaft eines Rechts auf der Blockchain suggeriert, wodurch dieser ein schützenswertes Vertrauen in den Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage gewinnt. Es besteht daher keine „Kundmachung“ des derzeitigen Rechtszustandes, sondern lediglich die Kundmachung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse. Unter Rechtsschein versteht man aber den äußerlichen Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechts. Nur eine Zuordnung anhand der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk durch Inhaberschaft des privaten Schlüssels ist also widerspruchsfrei und mit der technologischen Zuordnung vereinbar. Daher sind lediglich außerhalb der Blockchain wirksame (und dem Datenbestand der Blockchain gegebenenfalls widersprechende) rechtliche Verfügungen nicht als Zuordnungskriterium geeignet, weil die Inhaberschaft des zugehörigen privaten Schlüssels technologisch bedingt immer auch die Verfügungsgewalt über den der jeweiligen Adresse zugewiesenen UTXO darstellt – und das gerade völlig unabhängig von der Wirksamkeit einer rechtlichen (und nicht tatsächlichen) Verfügung. (4) Zwischenergebnis Keine der vorab genannten Meinungen kann vollends überzeugen. Es besteht weiterhin die Notwendigkeit eines passenderen Lösungsansatzes, welcher zugegebenermaßen bereits angedeutet worden ist. Im Folgenden soll aber eine ausführliche Begründung stattfinden. ee) Eigener Argumentationsansatz Sowohl die Ablehnung, als auch eine analoge oder direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO sind als Lösungsansätze bereits dargestellt worden. Die Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO ist strikt abzulehnen. Es bleibt also eine analoge oder direkte Anwendbarkeit der Norm. Wie zuvor aufgezeigt, lässt sich eine analoge Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO schon aus dogmatischen Erwägungen nur schwer begründen. Es verbleibt die Lösung über eine

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

165

direkte Anwendung des § 857 Abs. 1 ZPO. Die bisherigen Argumentationslinien hinsichtlich dieser Lösung sind jedoch nicht überzeugend. Das soll zum Anlass genommen werden, um eine neue Argumentationslinie für die direkte Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO zu präsentieren, welche die Schwachstellen der bisherigen Argumentationslinien hinsichtlich einer direkten Anwendbarkeit des § 857  Abs. 1 ZPO umgeht. Die Grundlange hierfür ist die Anerkennung der ausschließlichen und tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse mittels Inhaberschaft des privaten Schlüssels als Recht wie bereits als Ergebnis im 4. Kapitel begründet worden ist. (1) Inhaberschaft des privaten Schlüssels als (Vermögens-)Recht Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels als tatsächliche Herrschaftsgehalt über den der jeweiligen Adresse zugewiesenen UTXO stellt ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar. Folgt man dieser Einordnung, so ist es nur folgerichtig, dass diese Inhaberschaft ebenfalls als Vermögensrecht zu klassifizieren ist. Denn Vermögensrechte im Sinne des § 857 Abs. 1 BGB sind solche Rechte, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann. Die Inhaberschaft verkörpert nicht nur einen Vermögenswert, sondern ist der wesentliche Vermögenswert.144 Denn was der Empfänger einer Transaktion erhält sind keine abgrenzbaren Krypto­ währungseinheiten wie etwa physische Münzen, sondern die Zuordnung von Transaktionen auf „seine“ Adresse und somit einen Anstieg des UTXO.145 Die einzelnen Transaktionsdaten kommen daher als Wertträger nicht in Betracht.146 Aus ökonomischer Sicht ausschließlich wertvoll sind nicht die Transaktionsdatensätze auf der jeweiligen Blockchain, sondern nur die (konkurrierende) Fähigkeit über diese derart verfügen zu können, dass eine Transaktion generiert werden kann. (2) Erfüllung der rechtsökonomischen Erwägungen der Norm Unter Kap. 3 B. 4. b) bb) wurden bereits die rechtsökonomischen Ziele der Norm dargestellt. § 857 Abs. 1 ZPO bezweckt durch die zivilprozessuale Sicherung von zivilrechtlichen Ansprüchen die Sicherung dieser Positionen und demzufolge die Aufrechterhaltung der Verteilungsgerechtigkeit als ein Gebot der Allokations­effizienz. Demzufolge ist es nur stringent, dass eine Subsumtion des Vermögenswertes der tatsächlichen Herrschaftsmacht über den UTXO einer Adresse unter den Begriff des Vermögensrechts nach § 857  Abs. 1 ZPO stattfindet, ohne dass dogmatisch fragwürdige Hilfskonstruktionen wie Analogiebildungen bemüht werden müssen. 144

Vgl. Kaulartz, CR 2016, 474 (479). Rettke, NZWiSt 2020, 45 (47 f.). 146 Rettke, NZWiSt 2020, 45 (49). 145

166

Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

(3) Vermeidung von Folgeproblemen Die Lösung hat des Weiteren den wesentlichen Vorteil, dass sie mit der vorherrschenden Ansicht der Zuordnung innerhalb eines Blockchain-Systems vereinbar ist, ohne die aufgezeigten Folgeprobleme einer anderweitigen rechtlichen Zuordnung auszulösen. Wie bereits in der technischen Einführung veranschaulicht, ist die ausschließliche Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse durch die Inhaberschaft des dazugehörigen privaten Schlüssels die einzige und daher wesentliche Zuordnung.147 Der Aussage „not your keys, not your coins“ kommt daher nicht nur eine technologische, sondern auch eine tatsächliche und dadurch letztlich wirtschaftliche Richtigkeit zu. Durch die Anerkennung dieser wirtschaftlich bedeutsamen Herrschaftsgewalt als Vermögensrecht wird zugleich eine technologisch korrekte Zuordnung erreicht. Das Recht führt demzufolge zu keinem Widerspruch mit den maßgeblichen (und miteinander verknüpften) Besonderheiten der Blockchain-Technologie, dabei vor allem der Datenintegrität, der nachträglichen Unveränderbarkeit und dem daraus resultierenden Vertrauen in den Datenbestand ohne Hilfe eines Intermediärs. Insoweit wird auch dem wirtschaftlichen und (dadurch) gesetzgeberischen Wunsch der rechtlichen Nutzbarmachung der Vorteile der Blockchain-Technologie Rechnung getragen. Dies wird (ausschließlich) durch die hier vertretene Lösung erreicht, welche eine Zuordnung anhand der tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse erlaubt. Denn das Recht nimmt demzufolge keine von der faktischen Herrschaftsmacht abweichende Zuordnung vor, wie sie teilweise verlangt wird.148 Insoweit erkennen Jacobs / A rndt die Möglichkeit einer Zuordnung mithilfe der rein faktischen Herrschaftsmacht über die zugehörigen privaten Schlüssel, bemängeln jedoch den fehlenden rechtlichen Schutz einer solchen Betrachtungsweise.149 Gerade die vorgestellte Lösung erlaubt es, die faktisch bestehende (da technologisch implementierte) Zuordnung anhand der tatsächlichen Verfügungsgewalt rechtlich zu erfassen. Hierdurch werden nicht nur die befürchteten „rechtsfreien Räume“ einer Zuordnung anhand der faktischen Herrschaftsmacht geschlossen,150 sondern es wird auch den realen Gegebenheiten der Blockchain-Technologie Rechnung getragen. (4) Effizienzsteigerung Im 4. Kapitel wurde belegt, dass der Einordnung der Inhaberschaft des privaten Schlüssels als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB Kaldor-Hicks-superior ist. Diese effiziente Lösung erweist sich auch im Rahmen der ZPO als praktikabel. 147

Hierzu Näheres unter Kap. 2 A. II. 6. a). Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566). 149 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566 f.). 150 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566). 148

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

167

Im Gegensatz hierzu führt eine Lösung, welche zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Zuordnung führt, zum Anstieg der Transaktionskosten. Dies wurde bereits für die Annahme einer Klassifizierung als Sache nach § 90 BGB unter Kap. 4 C. I. 1. b) bb) (4) (a) ausführlich dargelegt, worauf im Detail verwiesen werden soll. Im Allgemeinen handelt es sich aber um ein generelles Problem einer derartigen Art der Zuordnung. Ein Auseinanderfallen führt immer zu einer solchen Erhöhung der Transaktionskosten, da es weitergedacht notwendigerweise zu einem Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz führen muss. Im Umkehrschluss wäre eine Erhöhung der Transaktionskosten nur dann zu vermeiden, wenn man trotz Auseinanderfallen der tatsächlichen und rechtlichen Zuordnung des Vermögensrechts einen Gutglaubensschutz gänzlich verneinen könnte. Wäre dies der Fall, so muss sich diese Meinung den Vorwurf der Inkonsistenz gefallen lassen. (5) Keine Überschreitung der Normgrenze Vor dem Hintergrund der zuvor genannten Argumente führt die hier vertretene Art der Zuordnung auch nicht zu einer Überschreitung der Normgrenze. Denn wie bereits festgestellt, ist eine positivrechtliche Fixierung keine Voraussetzung für die Einordnung als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO. Des Weiteren kann in Anbetracht der bereits erfolgten rechtlichen Fixierungen im KWG und der geplanten weitreichenden rechtlichen Regulierungsbestrebungen durch MiCA nicht von einen rein tatsächlichen Handlungsmöglichkeit ausgegangen werden, die dem Gesetz gänzlich fremd ist. 5. Ergebnis Die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Kryptowährungen kann systematisch nur nach § 857 Abs. 1 ZPO erfolgen. Dabei stellt sich heraus, dass nur die Art der Zuordnung, die mit Hilfe der hier vertretenen rechtlichen Einordnung möglich ist, überzeugt.

II. Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Ansprüche auf Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung Die Vollstreckung wegen einer Geldforderung in einen Anspruch auf Übertragung von Kryptowährungen ist einer Ansicht nach unproblematisch möglich. Es handelt sich dieser Ansicht zufolge um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen einen Drittschuldner, welcher ohne weiteres nach § 857 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden kann.151 151

Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 47; Strauch /  Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 28; Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (528); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644).

168

Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Eine andere Ansicht sieht dies jedoch als Problem, da Ansprüche auf Handlungen nicht pfändbar sind.152 Das Gesetz erlaubt nur die Pfändung von Geldforderungen nach §§ 828 ff. ZPO sowie von Herausgabeansprüchen nach §§ 846 ff. ZPO.153 Diese Meinung übersieht aber, dass es sich über den Verweis aus § 857 Abs. 1 ZPO um eine entsprechende Anwendung der Normen aus §§ 828 ff. ZPO handelt. Demzufolge ist der erstgenannten Ansicht zu folgen.

III. Vollstreckung von Ansprüchen auf Übertragung in Einheiten von Kryptowährungen Richtet sich der titulierte Anspruch auf die Übertragung einer bestimmten Anzahl von Kryptowährungseinheiten, sind die Normen des 3. Abschnitts des 8. Buches der Zivilprozessordnung einschlägig. Da es sich wegen der mangelnden Geldqualität nicht um eine Geldvollstreckung handelt, sind die Normen der §§ 803 ff. ZPO dabei nicht vorrangig anwendbar.154 Systematisch wird hier einerseits zwischen der Herausgabe von Sachen nach §§ 883–887 ZPO und andererseits zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen nach §§ 887 f. ZPO unterschieden. Eine Vollstreckung nach §§ 883 ff. ZPO ist auszuschließen, da es sich bei den Einheiten einer Kryptowährung nicht um Sachen im Sinne des § 90 BGB handelt. Soweit für die Übertragung von geschuldeten Einheiten einer Kryptowährung eine Transaktion an die Adresse des Vollstreckungsgläubigers notwendig ist, kann diese ausschließlich durch die Signatur mittels des dazugehörigen privaten Schlüssels des Gläubigers erfolgen. Es handelt sich demzufolge um die Erwirkung einer Handlung. Umstritten ist jedoch, ob es sich dabei um eine vertretbare Handlung nach § 887 Abs. 1 ZPO155 oder um eine unvertretbare Handlung nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO156 handelt. Auf diese Frage lässt sich aber keine allgemein gültige Antwort finden. Der Versuch einer solchen Verallgemeinerung ist aber bei näherer Betrachtung der jeweiligen Argumentationen wohl mitursächlich für die verschiedenen Meinungen.

152

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (571). Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt, (2019), Band 1, 559 (571). 154 Gruber, in: MüKoZPO, § 887 ZPO, Rn. 3. 155 Für eine Einordnung nach § 887 Abs. 1 ZPO plädierend Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (528); Koch, DGVZ 2020, 85 (88). 156 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 50; Lackmann, in: Musielak / Voit, ZPO, § 887 ZPO, Rn. 10; Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt, 2019, Band 1, 559 (572); Ammann, CR 2018, 379 (386); Badstuber, DGVZ 2019, 246 (252); Kaulartz, CR 2016, 474 (479); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645); Schroeder, JurPC WebDok. 104/2014, Abs. 114. 153

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

169

Vielmehr muss einerseits zwischen der genauen Titulierung157 und andererseits zwischen den genauen Gegebenheiten differenziert werden. Mit letzterem ist gemeint, das dem Aufbewahrungsort des privaten Schlüssels und demzufolge dem Zugang besonderes Augenmerk geschenkt werden muss. Daher soll nicht lehrbuchartig ein bereits geführter Streit wiedergegeben, sondern anhand einer Betrachtung der in Frage kommenden Titulierungen (auch gerade im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis dieser) unterschieden werden. 1. Titel nur dem Betrag nach So ist zunächst denkbar, dass der titulierte Anspruch auf Übertragung nicht auf eine genaue Zusammensetzung einer Transaktion aus einem bestimmten UTXO, sondern vielmehr auf eine nicht näher identifizierbare Transaktionszusammensetzung abzielt. Gemeint ist damit (technisch unsauber ausgedrückt), dass der Titel keine bestimmte Menge an Kryptowährungen, sondern eine Schuld nur dem Betrag nach umfasst.158 In diesem Fall wird vorgeschlagen, dass sich der Gläubiger selbst die geschuldete Anzahl von Einheiten der jeweiligen Kryptowährung verschafft (etwa durch den Erwerb der Einheiten auf einer Kryptohandelsplattform) und dann nach § 887 Abs. 2 ZPO beantragt, dass der Schuldner für die Kosten aufzukommen hat.159 Der Möglichkeit einer solchen (durchaus praktikablen) Vorgehensweise ist grds. zuzustimmen. Notwendig ist dafür, dass der Anwendungsbereich des § 887 ZPO eröffnet ist. Das ist der Fall, da die Leistung hier gerade nicht ausschließlich durch den Schuldner, sondern ihrem Charakter nach aufgrund ihrer Unbestimmtheit auch von einem Dritten erfüllt werden kann.160 Denkbar sind solche Fälle etwa dann, wenn der Gläubiger einen vertraglichen Anspruch auf Verschaffung einer bestimmten Menge von Einheiten einer virtuellen Währung gegen den Schuldner hat, dieser seiner vertraglichen Pflicht jedoch nicht nachkommt. In diesem Fall ist aus Sicht des Gläubigers wirtschaftlich gesehen egal, wer ihm diese Einheiten transferiert und wie die Transaktion zusammengesetzt ist.161 Anders gesagt (und das ist gerade im Hinblick auf den nächsten Punkt das Wesentliche) ist die Transaktionszusammensetzung unbestimmt. Wegen dieser Unbestimmtheit kann die Handlung (also die Transaktion) nicht allein vom Vollstreckungsschuldner vorgenommen werden. 157

So nun auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 01. 2021 – I-7 W 44/20, WM 2021, 2082. Hier verweist das OLG jedoch pauschal auf die Titulierung, die auf eine bestimmte Wallet-Adresse verweist. 158 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt, (2019), Band 1, 559 (571). 159 Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (571 f.). 160 Gruber, in: MüKoZPO, § 887 ZPO, Rn. 8; Stürner, in: BeckOK ZPO, § 887 ZPO, Rn. 7. 161 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (529); Koch, DGVZ 2020, 85 (88).

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

2. Titel auf Rückübertragung einer bestimmten Transaktion Der Titel kann sich aber auch auf eine bestimmte Menge, also eine genaue Transaktionszusammensetzung richten. Das ist etwa der Fall, wenn der titulierte Anspruch einen Rückübertragungsanspruch darstellt.162 In diesem Fall ist also nicht irgendeine beliebige, sondern eine bestimmte Transaktionszusammensetzung geschuldet. Diese wurde ursprünglich von dem Vollstreckungsgläubiger an den Vollstreckungsschuldner getätigt und ist nun Gegenstand etwa eines (schuldrechtlichen) Rückübertragungsanspruchs. Demzufolge spielt gerade hier die Frage eine besondere Rolle, ob es sich bei der Durchführung einer solchen Rückübertragung um eine vertretbare Handlung nach § 887 Abs. 1 ZPO oder um eine unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO handelt. An dieser Stelle wird die technische Besonderheit der Zusammensetzung von Transaktionen innerhalb einer Blockchain bedeutsam. So kann eine Transaktion aus einer verhältnismäßig kleinen Menge noch nicht ausgegebener Inputs bestehen, wodurch beim Empfänger einer solchen Transaktion der transferierte Betrag in relativ wenigen Teilbeträgen als Outputs ankommen.163 Im umgekehrten Fall kann eine Transaktion auch aus vielen jeweils kleinen Inputmengen bestehen, sodass insgesamt eine größere Anzahl von Inputs benötigt wird, um die Transaktionsmenge zu erreichen und daher auch die Anzahl an Outputs steigt. Solche Outputs als UTXO können dann vom Empfänger wieder in einer Transaktion zusammengefasst werden. Infolge einer solchen verhältnismäßig hohen Datenmenge bei Transaktionen mit vielen Inputmengen erhöhen sich jedoch die Transaktionsgebühren für die Transaktion.164 Daher wird geschlussfolgert, dass der Schuldner im Rahmen der Transferierung von Kryptowährungen die geschuldete Transaktion mit so wenig Outputs wie möglich veranlassen soll.165 Vor dem Hintergrund, dass solche Gebühren regelmäßig durch einen kleinen Teil der Einheiten der jeweiligen Kryptowährung bezahlt werden, kann sich hier ein wirtschaftliches Interesse des Vollstreckungsgläubigers auf den Erhalt einer so optimierten Transaktion ergeben. Innerhalb der Abgrenzung zwischen vertretbarer und unvertretbarer Handlung ist das wirtschaftliche Ergebnis aus Sicht des Gläubigers wesentlich.166 Im Fall der Rückübertragung einer so beschriebenen optimierten Transaktion zielt das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers darauf ab, dass er gerade diese Transaktionszusammensetzung erhalten wird. Verdeutlicht wird dies auch durch die bereits geschilderte hohe Volatilität von Kryptowährungen. Sehen Erwerber 162

Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 24. Pesch, S. 154. 164 Pesch, S. 154. 165 Pesch, S. 155. 166 Gruber, in: MüKo ZPO, § 888 ZPO, Rn. 2. 163

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

171

Kryptowährungen vermehrt als Investitionsobjekt und hoffen auf einen steigenden Kurs, ist es vor dem Hintergrund der immensen Gesamtmarktkapitalisierung und den hohen Kursanstiegen des Bitcoin nur logisch, dass Transaktionsgebühren in Form von Kryptowährungseinheiten verhindert werden sollen. Des Weiteren ist ein starker Kursanstieg (auf den typischerweise oftmals bei Erwerb spekuliert wird) mit einer starken Erhöhung der Transaktionen verzahnt, wodurch wiederum auch die Transaktionsgebühren steigen. So ist es in jüngerer Vergangenheit vorgekommen, dass sich die Transaktionsgebühren etwa im Bitcoin-Netzwerk in weniger als 2 Wochen um 628 % erhöht haben.167 In diesen Fällen ist die Transaktion daher als bestimmt anzusehen. Es kommt also auf die besonderen Eigenschaften hinsichtlich der jeweiligen Transaktionszusammensetzung an. Stellen Stimmen der Literatur bei der Klassifizierung als vertretbare Handlung nach § 887 Abs. 1 ZPO auf einen Vergleich mit vertretbaren Sachen ab,168 spricht schon dies im Umkehrschluss für eine Einordnung als nichtvertretbare Handlung. Des Weiteren ist es demnach aus wirtschaftlicher Sicht des Gläubigers wesentlich, dass genau diese Transaktion rückübertragen wird. Denn bei einem Erwerb von Kryptowährungen in derselben Höhe auf einer Kryptohandelsplatttform kann nicht gewährleistet werden, dass eine solche optimierte Transaktion durch den jeweiligen Anbieter als Dritten geleistet wird. Es kommt ihm entsprechend auf die Vornahme durch den Schuldner und nicht durch einen Dritten an, da eine Leistung durch einen Dritten aus wirtschaftlicher Sicht ungleichwertig erscheint.169 Denn diese Leistung kann nur der Inhaber des privaten Schlüssels tätigen, der zu der Adresse im Netzwerk gehört, an welche die besagte Transaktion getätigt worden ist. Demzufolge kann die Handlung nicht von einem anderen als dem Schuldner als dem ursprünglichen Empfänger dieser Transaktion geleistet werden.170 In diesen Fällen ist also von einer unvertretbaren Handlung nach § 888 Abs. 1 ZPO auszugehen. Daher muss die Titulierung die genaue Transaktion, welche Gegenstand des Rückübertragungsanspruchs ist, enthalten. Eine Titulierung, welche lediglich die Höhe der Übertragung benennt,171 genügt somit nicht.

167

BTC-Echo, Bitcoin-Gebühren in 13 Tagen um 628 Prozent gestiegen, abrufbar unter: https://www.btc-echo.de/bitcoin-gebuehren-in-13-tagen-um-628-prozent-gestiegen/ (zuletzt aufgerufen am 3. 3. 2021). 168 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (529). 169 Gruber, in: MüKo ZPO, § 888 ZPO, Rn. 2. 170 Lackmann, in: Musielak / Voit, ZPO, § 888 ZPO, Rn. 5. 171 So Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645).

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

3. Unmöglichkeit zur Leistung Ebenso interessant, aber in diesem Zusammenhang kaum diskutiert und nicht gelöst ist die Frage, was die Folge ist, wenn der Vollstreckungsgläubiger die Handlung nichtmehr leisten kann, weil diese für ihn unmöglich geworden ist.172 Dies ist dann der Fall, wenn der Vollstreckungsschuldner gar keine Kryptowährungs­ einheiten oder die bestimmte Transaktion nicht mehr hat, weil sie nicht mehr seiner Adresse zugeordnet wird. In Betracht kommt zunächst, dass eine Parallele zu Geldschulden gezogen wird, bei welchen eine Zahlungsunfähigkeit keine Unmöglichkeit zur Leistung darstellt.173 Das würde bedeuten, dass man weiterhin verlangen kann, dass der Schuldner sich die Einheiten der besagten virtuellen Währung zu beschaffen hat.174 Andererseits könnte man auch von einer Unmöglichkeit zur Leistungserbringung ausgehen mit der Folge, dass der Vollstreckungsgläubiger einen Schadensersatzanspruch erhält (vgl. § 893 Abs. 1 ZPO), welcher nach § 893 Abs. 2 ZPO in einem neuen Prozess geltend gemacht werden muss.175 Für die erstgenannte Lösung spricht die folgende Argumentation. Zunächst ist vor dem Hintergrund der in Kap. 4 C. IV. vorgestellten Analyse der ökonomischen Geldfunktionen von Kryptowährungen nach dem Maßstab dieser Arbeit zwar im Ergebnis davon auszugehen, dass Kryptowährungen (derzeit) diese Funktionen nicht erfüllen. Ein solches Ergebnis ist aber immer – wie bereits erwähnt – von der dynamischen Entwicklung der ökonomischen Realität hinsichtlich der Verwendung von virtuellen Währungen abhängig. Im Umkehrschluss ist daher festzustellen, dass sich die Verwendung von Kryptowährungen in der jetzigen Form zukünftig ändern könnte. Diese theoretische Überlegung soll keinen Blick in die Glaskugel darstellen, sondern die folgende Erkenntnis erklären. Auch wenn Krypto­währungen kein Geld im ökonomischen (und rechtlichen Sinne) darstellen, so sind sie mit der ökonomischen (und ideellen) Idee von Geld durchaus verwandt und demzufolge verknüpft. Diese Feststellung führt zum Schluss, dass es keine Inkonsequenz darstellt, wenn man einerseits die ökonomische Einordnung von Kryptowährungen als Geld verneint, ihnen jedoch zugleich einer Geldschuld ähnliche Charakterzüge attestiert. Insoweit liegt es nahe, auch hier ein mangelndes Zahlungsvermögen nicht als subjektive Unmöglichkeit zu klassifizieren.176 Hierfür spricht außerdem, dass es einen großen Markt für Kryptowährungen gibt, sodass diese grds. immer zu beschaffen sind. Die Regeln zur (subjektiven und objektiven) Unmöglichkeit sind demzufolge wie bei Geldschulden nicht anwendbar, solange die Einheiten der jeweiligen Kryptowährung verfügbar sind.177 172

Bisher vor allem Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 50 f. Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 50. 174 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 50. 175 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, 13. Teil. Kap. E, Rn. 51. 176 Schulze, in: Schulze BGB, § 275 BGB, Rn. 8. 177 Ebenso Grundmann, in: MüKoBGB, § 245 BGB, Rn. 34. 173

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

173

Richtigerweise wird man aber in Anbetracht der wesentlichen Argumente für eine Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Handlungen auch hier zu einem differenzierenden Ergebnis gelangen müssen. Denn insoweit eine (wesentlich) optimierte Transaktion vorliegt, kann man von einer Konkretisierung des Leistungsgegenstandes ausgehen. Will man im systematischen Vergleich mit Geld bleiben, kann man diesen Fall damit vergleichen, dass bestimmte (und demzufolge konkretisierte) Geldscheine geschuldet werden. Hier würde man nicht von einer Geldschuld, sondern von einer Geldherausgabeschuld ausgehen, bei der eine leistungsbefreiende Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB denkbar ist.178 Bei einer solchen Individualisierung kann also von einer Stückschuld ausgegangen werden.179 Bei einer Kryptowährungsschuld, die nur der Höhe nach beziffert ist, wird hingegen nur die Verschaffung der durch die Kryptowährungseinheiten vermittelten abstrakten Vermögensmacht Leistungsgegenstand sein, weshalb wie bei einer Geldschuld auch von einer Wertverschaffungsschuld ausgegangen werden kann.180 4. Titulierung Es stellt sich daher die Folgefrage, wie die Handlung hinreichend bestimmt anzugeben ist. Dies ist vor allem in Hinblick auf solche Vollstreckungskonstellationen bedeutsam, welche die Vollstreckung von Ansprüchen auf Übertragung in Einheiten von Kryptowährungen umfassen. Denn Voraussetzung ist hier, dass der zu erzielende Handlungserfolg im Titel hinreichend konkret bestimmt sein muss.181 Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Handlung sind dabei dieselben wie die Bestimmtheitsanforderungen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.182 Sinn und Zweck dieser Bestimmtheitsanforderungen ist es, dass das zuständige Vollstreckungsorgan, welches den nach dem gestellten Antrag erlassenen Titel zu vollstrecken hat, auch zugleich die notwendigen Anweisungen erhält, ohne dass es auf weitere Informationsquellen angewiesen ist.183 Auch hier lässt sich (so wie auch für die Titulierung eines Leistungsurteils) die bereits aufgezeigte systematische Ähnlichkeit zu Geldschulden ziehen, wodurch 178

BGH, Beschl. v. 15. 9. 2005 – III ZR 28/05, NJW 2005, 3709; Lorenz, JuS 2012, 6 (7 f.); Ders., NJW 2007, 1. 179 Berger, in: Jauernig BGB, §§ 244, 245 BGB, Rn. 7. 180 Vgl. Berger, in: Jauernig BGB, §§ 244, 245 BGB, Rn. 6. 181 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 07. 2002 – 24 W 21/02, MDR 2002, 1394; OLG München, Beschl. v. 2. 07. 1987 – 28 W 1163/87, NJW-RR 1988, 22; Gruber, in: MüKoZPO, § 887 ZPO, Rn. 23. 182 OLG München, Beschl. v. 2. 07. 1987  – 28 W 1163/87, NJW-RR 1988, 22; Ahmad /  Horcher, NZA 2018, 1234 (1236). 183 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 07. 2002 – 24 W 21/02, MDR 2002, 1394.

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

eine praktikable Lösung gefunden werden kann. Das bedeutet also zunächst, dass die Beschreibung der Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung als zugrunde­liegende Handlung eindeutig der Höhe nach bestimmt sein muss.184 Doch selbst wenn man diesen systematischen Vergleich ablehnen wollen würde, so fordert etwa der BGH generell bei der Leistung bestimmter Mengen einer vertretbaren Sache zumindest eine betragsmäßige Feststellung.185 Im Hinblick auf bestimmte Transaktionszusammensetzungen bedeutet das vorab gesagte, dass die genaue Transaktion benannt werden muss.

IV. Praktische Fragen im Vollstreckungsverfahren Im Rahmen dieser Arbeit soll nicht nur die Einordnung in das System der Zwangsvollstreckung erfolgen. Vielmehr soll auch ein Blick auf die, sich im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens aus den Besonderheiten der Blockchain-­ Technologie ergebenden, praktischen Fragen gerichtet werden. 1. Zuständigkeit Einhergehend mit der Frage nach dem zivilprozessualen Weg der Einzelvollstreckung von Kryptowährungen stellt sich auch die Frage nach der Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsorgane. Diese Fragestellung führt unweigerlich zu der damit verknüpften Frage, an welchem Ort sich das Kryptowährungsvermögen befinden kann. a) Zuständigkeit bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO Es wird angenommen, dass eine örtliche Zuständigkeit über § 828 Abs. 2 Alt. 1 oder § 828 Abs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 23 S. 1 ZPO begründet werden kann.186 Problematisch ist, dass § 23 Abs. 1 ZPO (falls der Schuldner keinen Wohnsitz im Inland hat) auf das Gericht abstellt, in dessen Bezirk sich das Vermögens des Schuldners befindet. Kryptowährungen existieren aber ausschließlich innerhalb eines dezentralen Peer-to-Peer-Netzwerks, welches weltweit verteilt ist. Es gibt also im Falle von Kryptowährungen schlicht keinen Bezirk, in dem sich das Vermögen zentral befinden kann. Auch die virtuelle Währungen betreffenden Neuerungen des KWG, welche durch ihre Wortwahl suggerieren könnten, dass virtuelle Währungen einen bestimmten zentralen Verwahrungsort haben, helfen demzufolge nicht weiter.187 184

Vgl. Omlor, Geldprivatrecht, S. 397. BGH, Urt. v. 15. 12. 1994 – IX ZR 255/93, NJW 1995, 1162. 186 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (526); Skauradszun, WM 2020, 1229 (1231). 187 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232). 185

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

175

Hinsichtlich dieser Problematik wird vertreten, dass Kryptowährungen aufgrund ihrer weltweiten und dezentralen Speicherung als überall befindlich anzusehen sind, weshalb grds. die internationale und örtliche Zuständigkeit jedes Vollstreckungsgerichts anzunehmen ist (und somit auch die nach § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO).188 Diese Lösung stelle auch keine Überschreitung völkerrechtlicher Grenzen dar, da zumindest der Wohnsitz oder die Zweigniederlassung des Vollstreckungsschuldners wie auch der Erwerb mit Inlandsbezug als genuine link ausreichen.189 Dagegen wird vorgebracht, dass eine solche Lösung einer realistischen Gerichtspraxis fern liegt, da es kaum vorstellbar sei, dass ein Rechtspfleger (dieser ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG funktional zuständig) beim Vollstreckungsgericht so seine Zuständigkeit erklärt.190 Des Weiteren geht der § 23 S. 1 ZPO von der wesentlichen Annahme aus, dass das betreffende Vermögen allein (oder zumindest weitestgehend) im Inland liegt.191 Das ist aber bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen nie der Fall, da die Full-Nodes, wie bereits aufgezeigt, innerhalb des dezentralen Netzwerks weltweit verteilt sind, mit der Folge, dass grds. in keinem Land der Welt der alleinige Speicherort ist. Auf den Speicherort des privaten Schlüssels soll jedoch auch nicht abgestellt werden können, da dieser nicht der „Ort des Guthabens“ und demzufolge nicht identisch mit dem Guthaben sei.192 Außerdem könnte dieser theoretisch auch nur im Gedächtnis einer Person abgespeichert sein.193 Auch auf die Grundsätze für den Gerichtsstand des Vermögens bei Bankguthaben, denen eine Ähnlichkeit attestiert wird,194 kann nicht abgestellt werden.195 Denn diesen liegt einerseits eine Forderung zugrunde, welche innerhalb dezentraler Blockchain-Netzwerke jedoch nicht existiert. Zudem statuiert die Bank innerhalb ihrer Zahlungsdienstleistungen einen übergeordneten Intermediär, welchen es in dezentralen Blockchain-Netzwerken ebenfalls nicht gibt. Folgt man den bisherigen Ausführungen, so lässt sich keine internationale und örtliche Zuständigkeit begründen, wenn der Vollstreckungsschuldner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Das wäre ein Widerspruch in sich, wenn zwar eine Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO angenommen wird, diese aber mangels zuständigem Vollstreckungsorgan nirgends durchgeführt werden kann. Jegliche rechtsökonomischen, verfassungsrechtlichen wie auch dogmatischen Erwägungen 188

Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (527). Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (527 f.). 190 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232). 191 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232). 192 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (526). 193 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (526); Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566 f.). 194 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1232). 195 BGH, Urt. v. 26. 06. 2001  – XI ZR 241/00, NJOZ 2001, 1616 (1617); BGH, Urt. v. 22. 10. 1996 – XI ZR 261/95, NJW 1997, 324 (325); BGH, Urt. v. 21. 09. 1987 – II ZR 41/87, NJW-RR 1988, 172 (173); Heinrich, in: Musielak / Voit ZPO, § 23 ZPO, Rn. 11; Patzina, in: MüKoZPO, § 23 ZPO, Rn. 19; Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 23 ZPO, Rn. 8.1. 189

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hinsichtlich einer umfassenden Vollstreckbarkeit von virtuellen Währungen wären letzten Endes also bedeutungslos. Das spricht dafür, dass all diese Erwägungen auch eine Begründbarkeit des zuständigen Vollstreckungsorgans fordern. Dabei ist die Lösung zum Greifen nahe, wenn man die Inhaberschaft des privaten Schlüssels als wesentlichen Vermögenswert identifiziert.196 Ist das der Fall, so stellt die Verfügungsgewalt über den privaten Schlüssel schon den Vermögenswert dar und nicht erst den Zugang zu diesem. Dies vorausgesetzt könnte man den Ort, an dem sich das Speichermedium mit dem privaten Schlüssel befindet, auch als Ort des Vermögens klassifizieren. Die auf der Blockchain befindlichen Transaktionsdaten sind für sich genommen nur wertlose Datenmengen,197 welche Adressen im jeweiligen Blockchain-Netzwerk bestimmte Transaktionen zuordnen. Maßgeblich ist die Fähigkeit, dass diese noch nicht weitergeleiteten Transaktionen, also der UTXO, zu neuen Transaktionen generiert werden können. Erwirbt also eine Partei bei einer anderen Einheiten einer Kryptowährung, so ist nicht die Zuordnung der jeweiligen Transaktionsdaten an den Verkäufer bedeutsam, sondern seine Fähigkeit mittels des passenden privaten Schlüssels eine Transaktion an den Käufer generieren zu können. Es handelt sich also nicht um einen Zugang, sondern um die maßgeblich vermögenswerte Fähigkeit. Das wird verdeutlicht, wenn man sich vor Augen führt, dass eine Adresse, der eine immense Summe von Einheiten einer immens wertvollen Kryptowährung wie etwa dem Bitcoin zugeteilt ist, wertlos wird, sobald der dazugehörige private Schlüssel untergegangen ist. Deswegen ist der private Schlüssel nicht bloß der Zugang zu einem Vermögenswert, der an sich genommen werthaltig ist. Die Inhaberschaft des privaten Schlüssels und somit die Fähigkeit zur Generierung von Transaktionen ist der Vermögenswert. Dagegen ist das Argument, dass ein privater Schlüssel auch schlicht im Gedächtnis „aufbewahrt“ werden könnte, realitätsfern, wenn man sich vor Augen hält, dass es sich dabei um eine 256-Bit Ziffer handelt, welche aus 64 Zeichen und / oder Zahlen besteht. Selbst wenn man sich diese Zeichenreihenfolge theoretisch merken könnte, wird das vor dem Hintergrund, dass ein Vergessen zu einem endgültigen Vermögensverlust führen würde (denn der private Schlüssel kann nicht wiederhergestellt oder aus dem öffentlichen Schlüssel hergeleitet werden), niemand riskieren, der einen nicht lediglich geringen Betrag von Kryptowährungen hält. Auch das Argument, dass der Schlüssel ja beliebig oft kopiert werden könnte,198 kann bei näherer Betrachtung nicht überzeugen. Denn jede Kopie erhöht das Risiko, dass ein Dritter an den privaten Schlüssel gelangen und dadurch den gesamten UTXO wegtransferieren kann. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig regelmäßigen Funktion von Kryptowährungen als Spekulationsobjekt ist dem Inhaber aber ein effektiver Schutz (vor Verlust wie auch vor Wegnahme) des privaten Schlüssels elementar 196

So etwa Kaulartz, CR 2016, 474 (479). Kaulartz, CR 2016, 474 (479). 198 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (526). 197

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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wichtig. Daher wird im absoluten Regelfall nach einer sicheren Verwahrmöglichkeit gesucht, statt eine Vielzahl von Kopien des privaten Schlüssels zu generieren und diese dann womöglich auch noch an verschiedenen Orten zu verteilen. Daher ist im Ergebnis auf den Aufbewahrungsort des privaten Schlüssels abzustellen, wenn eine internationale wie örtliche Zuständigkeit nach § 828 Abs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 23 S. 1 ZPO begründet werden soll. b) Zuständigkeit bei der Vollstreckung nach §§ 887 f. ZPO Anders als bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO ergeben sich bei der Frage nach der Zuständigkeit bei der Vollstreckung nach §§ 887 f. ZPO keine besonderen Herausforderungen. In beiden denkbaren Fällen ist grds. das Prozess­ gericht des ersten Rechtszuges zuständig.199 2. Kenntniserlangung der Vollstreckungsorgane Eine erste Hürde ist, dass die Vollstreckungsorgane vor allem bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten von Kryptowährungen überhaupt Kenntnis von der Inhaberschaft von Kryptowährungen des Vollstreckungsschuldners benötigen. Fehlt es an der Kenntnis, so kann das zuständige Vollstreckungsorgan diese erst gar nicht als in Frage kommenden Vermögensgegenstand zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers heranziehen. In Betracht kommen hierfür die Regeln zur Vermögensauskunft. Nach § 802c Abs. 1 S. 1 ZPO hat der Vollstreckungsschuldner zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Verlangen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen zu erteilen. Demzufolge hat er nach § 802c Abs. 2 S. 1 ZPO alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben. Zu diesen Vermögensgegenständen gehören auch alle sonstigen Vermögensrechte im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO.200 Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht fällt die tatsächliche Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse durch Inhaberschaft des privaten Schlüssels als sonstiges Vermögensrecht im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO konsequenterweise auch unter die Vermögensauskunft. Das Ergebnis deckt sich zudem auch mit dem Sinn und Zweck der Norm, welcher darin besteht, dem Gläubiger frühzeitig die notwendigen Informationen für eine erfolgreiche Vollstreckung zu verschaffen und zugleich die Effizienz des Vollstreckungsverfahrens zu steigern.201

199

Gruber, in: MüKoZPO, § 888 ZPO, Rn. 23. Forbriger, in: MüKoZPO, § 802c ZPO, Rn. 39; Rathmann, in: Saenger Zivilprozessordnung, § 802c ZPO, Rn. 21. 201 Rathmann, in: Saenger Zivilprozessordnung, § 802c ZPO, Rn. 1. 200

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Im Verwertungsverfahren lässt sich ein Anspruch auf Auskunftserteilung über den privaten Schlüssel oder die Zugangsdaten zur Wallet aus § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO herleiten.202 Hierzu aber sogleich im nächsten Punkt. Soweit auch sonstige Vermögensrechte eine zugriffsfähige Kennzeichnung erfordern,203 kann diese durch Angabe der Adresse im jeweiligen Blockchain-Netzwerk sowie der Höhe des jeweiligen UTXO erfolgen. 3. Verwertungsverfahren Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Einordnung in die Systematik der Einzelvollstreckung erfolgen kann, so endet die Frage nach der effektiven Zwangsvollstreckung von virtuellen Währungen nicht an diesem Punkt. Vielmehr ist zu fragen, wie eine Verwertung und Gläubigerbefriedigung vor dem Hintergrund der Besonderheiten von Blockchain-basierten Kryptowährungen erfolgen kann. Im Folgenden soll daher zunächst nach den Vollstreckungskonstellationen unterschieden werden, um im Einzelnen die Herausforderungen herauszuarbeiten. a) Bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO Aufgrund der Anwendbarkeit des § 857 Abs. 1 ZPO richtet sich die praktische Durchführung nach den §§ 828 bis 856 ZPO entsprechend.204 Die Vollstreckung erfolgt entsprechend §§ 857  Abs. 1,  2  829 ZPO durch Pfändungsbeschluss.205 Dies ist auch kein „Hilfskonstrukt“,206 sondern so vom Gesetz (§ 857 Abs. 2 ZPO) vorgesehen. Da im Falle Blockchain-basierter virtueller Währungen jedoch kein Drittschuldner vorhanden ist, ist dieser nach § 857 Abs. 2 ZPO nur gegenüber dem Vollstreckungsschuldner zuzustellen.207 Problematisch ist, dass allein hierdurch noch keine Verwertung eintreten kann.208 Denn der Schuldner hat immer noch die Inhaberschaft über den privaten Schlüssel und kann demzufolge über den UTXO der Adresse verfügen. So ist durchaus denkbar und praktisch (vor allem vor dem Hintergrund des zugrunde gelegten ökonomischen Verhaltensmodells) leicht möglich, dass dieser eine neue Adresse 202

Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525). Fleck, in: BeckOK ZPO, § 802c ZPO, Rn. 9; Voit, in: Musielak / Voit ZPO, § 802c ZPO, Rn. 19. 204 Flockenhaus, in: Musielak / Voit ZPO, § 857 ZPO, Rn. 5. 205 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525). 206 Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 17. 207 Koch, DGVZ 2020, 85 (89); Für das Strafprozessrecht im Ergebnis auch Goger, MMR 2016, 431 (433). 208 Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525); Koch, DGVZ 2020, 85 (89). 203

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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im Blockchain-Netzwerk generiert und dadurch den UTXO auf diese Adresse wegtransferiert. aa) Lösung über § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO? Die reine Kenntniserlangung des privaten Schlüssels über § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO kann hier keine Abhilfe schaffen, da auch der Schuldner selbst noch über den privaten Schlüssel verfügt und somit noch Herrschaft über den UTXO der zugehörigen Adresse inne hat.209 Eine effektive Vollstreckung kann also nur dadurch erfolgen, dass der UTXO der Adresse, zu dem der private Schlüssel des Gläubigers gehört, an eine behördliche Adresse wegtransferiert wird.210 Zwar ergeht mit dem Inhibitorium nach §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 S. 2 ZPO die Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner, jede Verfügung über den UTXO der Adresse zu unterlassen.211 Dies kann aber allein keinen ausreichenden Schutz gebieten, da mangels staatlichem Register das entstandene Pfändungspfandrecht nirgendwo eingetragen werden kann, sodass ein lastenfreier Erwerb eine reale Gefährdung darstellt und die Sicherungsidee des Pfändungspfandrechts somit leerläuft.212 Daher wird in der Literatur darüber philosophiert, wie man eine solche Transaktion dogmatisch herleiten könnte. Eine Lösung über eine analoge Anwendung der §§ 808 ff. ZPO kommt (wie bereits erläutert) nicht in Betracht. Gebraucht wird ein Verwertungsverfahren, welches die Überweisung auf eine behördliche Adresse zulässt. bb) Urgenz Den Ausführungen zu dieser Frage könnte entnommen werden, dass eine sofortige Handlung des Vollstreckungsorgans notwendig ist. Schon mit Erhalt des Pfändungsbeschlusses würde der Vollstreckungsschuldner die Kryptowährungen wegtransferieren wollen. Insoweit könnte man in dieser Eilbedürftigkeit ein weiteres Problem sehen, welches sich an die einschlägige(n) Verfahrensnorm(en) richtet. Die Lösung dieses Problems liegt in einer oft missinterpretierten Besonderheit der Blockchain-Technologie. Da innerhalb der Blockchain keine Klarnamen, sondern nur Adressen existieren, wird oftmals der Schluss gezogen, dass es sich um ein anonymes Netzwerk handelt. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die hinter einer Adresse stehende Person (also der Inhaber des privaten Schlüssels) unbekannt 209

Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525); Koch, DGVZ 2020, 85 (89). Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525); Koch, DGVZ 2020, 85 (89); Rückert, MMR 2016, 295 (299). 211 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1234). 212 Skauradszun, WM 2020, 1229 (1234). 210

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ist. Die Blockchain ist jedoch eine Datenbank, welche aufgrund der dezentralen Konsensfindung als besonders fälschungssicher gilt. Denn Änderungen der Datenmenge können regelmäßig (mit Ausnahme von Netzwerkangriffen) nur durch einen gemeinsamen Konsens erreicht werden. Aus diesem Grund wurden beispielsweise Verbrecher gefasst, weil sie eine Pizza-Bestellung mit Bitcoins bezahlt haben. Durch die Tätigung der Transaktion war im Netzwerk sichtbar, von welcher Adresse diese durchgeführt wurde und so konnte eine Verknüpfung zu allen Straftaten hergestellt werden, mit denen diese Adresse in Verbindung gebracht wurde. Durch die Lieferadresse, welche an den Lieferdienst übermittelt wurde, war also auch die dahinterstehende Person identifiziert. Im Fall der Zwangsvollstreckung ist der Vollstreckungsschuldner sowie die Adresse im jeweiligen Blockchain-Netzwerk bekannt. Tätigt der Vollstreckungsschuldner also eine Transaktion, dann liefert er einen eindeutigen Beweis für die Zuwiderhandlung gegen den Pfändungsbeschluss, welchen er selbst nicht mehr rückgängig machen kann. Die Transaktionsdaten sind darüber hinaus bei den allermeisten Kryptowährungen einsehbar, da diese auf der public permissionless Blockchain-Architektur basieren. Versucht der Vollstreckungsschuldner also nach Erhalt des Pfändungsbeschlusses die Vollstreckung durch eine Transaktion zu vereiteln, macht er sich nach § 288 StGB strafbar.213 Eine solche tatbestandsmäßige Veräußerung ist auf der Blockchain eindeutig dokumentiert. Die Frage ist also vielmehr, ob man eine effektive Zwangsvollstreckung so verstehen muss, dass eine Verwertungsvereitelung unmöglich ist. Geht man hiervon aus, dann muss auf den ersten Blick eine Überweisung auf eine behördliche Adresse im Blockchain-Netzwerk gefordert werden. Bei genauerer Betrachtung wird aber deutlich, dass auch diese Lösung keine effektive Zwangsvollstreckung in diesem Sinne gewährleistet. Denn auch dieser Vorgang ist risikobehaftet, weil jeder Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde mit Zugriff auf den dazugehörigen privaten Schlüssel eine Transaktion tätigen kann.214 Das Risiko wird demzufolge einfach nur verschoben. Mit Blick auf die Vollstreckung von körperlichen Gegenständen wird aber deutlich, dass es auch dort keine in diesem Sinne effektive Zwangsvollstreckung gibt. Denn §§ 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB stellen bewusst den Verstrickungs- und Siegelbruch unter Strafe. Denkbar ist also auch hier, dass der Vollstreckungsschuldner ein Siegel entfernt und den Gegenstand einem gutgläubigen Dritten veräußert. Eine effektive Zwangsvollstreckung in dem Sinne, dass solche Vereitelungen der Verwertung faktisch unmöglich gemacht werden, gibt es im deutschen Vollstreckungsrecht nicht. Die Blockchain stellt aber ein besonderes Risiko für den Täter einer solchen Vereitelungshandlung dar, da die Handlung für jeden sichtbar als Transaktion dokumentiert wird.

213 214

Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525); Skauradszun, WM 2020, 1229 (1234). Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (525).

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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cc) Lösung über § 857 Abs. 4 ZPO? Eine entsprechende Anwendung des § 857 Abs. 4 ZPO könnte daher als mögliche Lösung angesehen werden.215 Einer solchen Lösung kann aber entgegengehalten werden, dass die Norm nur der Ausübung eines gepfändeten Nutzungsrechts dient und eine Verwertung eines solchen Nutzungsrechts etwa durch Verkauf nicht ermöglicht.216 Daher kann die damit verbundene Frage, ob Kryptowährungen überhaupt unveräußerliche Rechte im Sinne des § 857 Abs. 3 ZPO darstellen, außer Acht gelassen werden.217 dd) Lösung über § 844 Abs. 1 ZPO Es stellt sich immer noch die Frage nach einer passenden Norm, welche eine Verwertung durch Überweisung des betroffenen UTXO auf eine behördliche Adresse gestattet, um diese Einheiten einer virtuellen Währung im Anschluss einer geeigneten Verwertungsart zuzuführen. In dem Diskurs zu dieser Frage bisher völlig unbeachtet ist der § 844 Abs. 1 ZPO. Nach § 844 Abs. 1 ZPO kann eine andere Art der Verwertung auf Antrag angeordnet werden, wenn diese gegenüber der Überweisung nach § 835 ZPO vorteilhaft erscheint.218 Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Verwertung durch Überweisung weder zweckmäßig noch wirtschaftlich vertretbar ist.219 Sinngemäß kommt diese Ausnahme daher bei der Verwertung anderer Rechte im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO in Betracht.220 Zunächst ist zu der (vornehmlichen) Anwendbarkeit des § 835 Abs. 1 ZPO zu sagen, dass neben Geldforderungen auch andere Vermögenswerte im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO durch Überweisung verwertet werden können, wenn ein anderer als der Schuldner das Recht ausüben kann.221 Letzteres ist aber für die Verfügungsgewalt über den UTXO einer Adresse zu verneinen. Darüber hinaus ist der Hintergrund der Vollstreckungshandlung, dass der Vollstreckungsgläubiger wegen einer Geldforderung die Zwangsvollstreckung in Kryptowährungen betreiben möchte. Das bedeutet zum einen, dass das Befriedigungsinteresse des Vollstreckungsgläubigers auf Gelderhalt abzielt und sich darin beschränkt. Zum anderen lässt sich daraus schließen, dass er kein Interesse an 215

Koch, DGVZ 2020, 85 (89). Koch, DGVZ 2020, 85 (89). 217 Bejahend Koch, DGVZ 2020, 85 (89). 218 Herget, in: Zöller ZPO, § 844 ZPO, Rn. 1. 219 Lunze, in: Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, § 844 ZPO, Rn. 1. 220 Flockenhaus, in: Musielak / Voit ZPO, § 844 ZPO, Rn. 1; Lunze, in: Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, § 844 ZPO, Rn. 1. 221 Riedel, in: BeckOK ZPO, § 835 ZPO, Rn. 1.1. 216

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dem Erhalt einer Transaktion von Einheiten einer Blockchain-basierten Kryptowährung hat. Dieser Punkt ist wichtig und begründet zugleich die im Folgenden dargestellte Zwecklosigkeit sowie einen damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteil, wenn man davon ausgehen würde, dass eine Verwertung durch Überweisung statthaft sein sollte. Denn das zuvor gesagte legt den Schluss nahe, dass der Vollstreckungsgläubiger kein Interesse am Erhalt eines UTXO haben kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ihm die Funktionsweise von Blockchain-basierten virtuellen Währungen längst nicht immer im erforderlichen Maße bekannt ist. Eine Adresse im jeweiligen Blockchain-Netzwerk sowie das Wissen um den Umgang mit dem dazugehörigen privaten Schlüssel werden demzufolge nicht vorhanden sein. Das alles muss aber von dem Vollstreckungsgläubiger mindestens gefordert werden, um eine reine Transaktion des betreffenden UTXO an ihn als wirtschaftlich und zweckmäßig im Sinne der Gläubigerbefriedigung zu erachten. Dazu kommt, dass unterschiedliche Kryptowährungen (welche in verschiedenen eigenständigen Blockchain-Netzwerken existieren und verschieden (Konsens-)Regeln unterliegen können) Objekt des § 857 Abs. 1 ZPO sein können. Vorteilhafter, da wirtschaftlich sinnvoller und zweckmäßiger, erscheint es daher, dass eine andere Art der Verwertung angestrebt wird. Als andere Verwertungsart nach § 844 Abs. 1 ZPO kommen dabei die Versteigerung oder der freihändige Verkauf in Betracht.222 Ein solches Verfahren hat sich auch schon in der strafprozessualen Praxis etabliert, bei dem durch Einziehung erlangten Kryptowährungen durch eine Versteigerung in Geld umgemünzt werden sollen wie dies jüngst in NRW der Fall war.223 Das Ministerium der Justiz betreibt hierzu innerhalb eines Projekts eine Versteigerungsplattform („Justiz-Auktion“), welche für die Veräußerung von Kryptowährungen genutzt werden kann.224 Da bei einer Versteigerung von Kryptowährungen geringere Erlöse angenommen werden, empfiehlt sich jedoch der freihändige Verkauf.225 Über § 844 Abs. 1 ZPO kann demzufolge der für die Verwertung von Kryptowährungen geforderte Weg auch im Zwangsvollstreckungsrecht begangen werden.226 Hinsichtlich des bereits erwähnten Überpfändungsverbots kann hierbei dynamisch vorgegangen werden. So ist denkbar, dass bei einer enormen Diskrepanz zwischen der Geldforderung des Vollstreckungsgläubigers und dem Wert des UTXO des Vollstreckungsschuldners nur eine bestimmte Menge auf eine behördliche Adresse transferiert werden soll. Auch aus diesem Blickwinkel erscheint ein solches Verfahren verhältnismäßiger als etwa lediglich die „Inbesitz 222

Riedel, in: BeckOK ZPO, § 844 ZPO, Rn. 7. Bericht zur 70. Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags NRW am 17. 03. 2021, Vorlage 17/4857, S. 3, abrufbar unter: https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/ Dokument/MMV17-4857.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 3. 2021). 224 Bericht zur 70. Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags NRW am 17. 03. 2021, Vorlage 17/4857, S. 6. 225 Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (646); Rettke, NZWiSt 2020, 45 (54). 226 Vgl. dazu etwa Koch, DGVZ 2020, 85 (89). 223

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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nahme“ des privaten Schlüssels und somit des gesamten wirtschaftlichen Wertes wie dies bei der der Lösung über §§ 808 ff. ZPO analog der Fall wäre. Bevor eine solche Art der Verwertung stattfinden kann, muss jedoch noch der betreffende UTXO auf eine behördliche Adresse übertragen werden. Jacobs / A rndt schlagen vor, dass sich die Transaktion des UTXO auf eine behördliche Adresse aus der entsprechenden Anwendung des § 836 Abs. 3 S. 1 Var. 2 ZPO ergibt.227 Die Norm soll dem Vollstreckungsgläubiger durch die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners zur Unterstützung bei der Durchsetzung dabei helfen, dass er die Forderung (die direkte Anwendung betrifft ja die Forderungspfändung) beim Drittschuldner einziehen kann.228 Zur Begründung der Anwendbarkeit der Norm ist kein Vergleich zwischen Urkunde und privatem Schlüssel notwendig.229 Denn systematisch befindet man sich nicht in einer direkten Anwendung des § 836 Abs. 3 S. 1 Var. 2 ZPO, sondern über § 857 Abs. 1 ZPO in einer entsprechenden Anwendung der Norm auf sonstige Vermögensrechte. Vor dem Hintergrund des Normzwecks ist die Kenntniserlangung von dem privaten Schlüssel oder den Zugangsdaten zum Wallet (insofern der Vollstreckungsschuldner in Unkenntnis des privaten Schlüssels mittels eines Accounts ein Software- oder Online-Wallet nutzt) essentiell für die Einziehung, da nur dadurch eine Transaktion auf eine Behördenadresse ermöglicht wird. ee) Volatilität als Gefahr für die Verwertung Innerhalb der praktischen Verwertung kommt der hohen Volatilität von Kryptowährungen eine besondere Rolle zu. Denn aufgrund der starken Preisschwankungen kann einerseits der Fall eintreten, dass der Wert des zu verwertenden UTXO dermaßen fällt, dass eine effektive Gläubigerbefriedigung bei Weitem nicht mehr möglich ist. Andererseits kann ein signifikanter Kursanstieg stattfinden, wodurch die Schwelle zur Überpfändung überschritten werden könnte. Im Strafprozessrecht wird daher regelmäßig von der Möglichkeit einer Notveräußerung nach § 111p StPO Gebrauch gemacht, um einen erheblichen Wertverlust zu verhindern.230 Ein rasches Verfahren ist demzufolge wesentliche Voraussetzung für eine effektive Zwangsvollstreckung von Kryptowährungen. Es bietet sich daher an, dass der aktuelle Tageskurs der jeweiligen Kryptowährung bei etablierten Handelsplattformen ermittelt wird und der freihändige Verkauf im Anschluss

227

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt, 2019, Band 1, 559 (569). BGH, Urt. v. 14. 02. 2003 – IXa ZB 53/03, NJW 2003, 1256; Smid, in: MüKoZPO, § 836 ZPO, Rn. 12. 229 A. A. Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (569 f.). 230 Spillecke, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 111p StPO, Rn. 5; Zu Bitcoins etwa Goger, MMR 2016, 431 (434); Rettke, NZWiSt 2020, 45 (53). 228

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zum höchsten Kurs angeboten wird.231 Auch hierfür ist der § 844 Abs. 1 ZPO innerhalb des Zwangsvollstreckungsrechts die passende Norm, da sie sich nicht auf bestimmte Arten der Verwertung beschränkt. Im Gegenteil ist der Wortlaut „eine andere Art der Verwertung“ offen für die Besonderheiten des zu verwertenden Vermögenswertes. b) Bei der Vollstreckung nach §§ 887 f. ZPO Hinsichtlich der Vollstreckung eines Anspruchs auf Herausgabe von Kryptowährungen ergeben sich keine besonderen Herausforderungen an die Effektivität der Einzelvollstreckung.

V. Schutz nach § 771 ZPO Die Forderung nach dem Vollstreckungsschutz des Rechtsinhabers im Verhältnis zum Vollstreckungsgläubiger ist eine noch relativ junge,232 aber durchaus wichtige und praxisrelevante Frage. Denn Sinn und Zweck des § 771 ZPO ist die Einräumung einer Interventionsmöglichkeit, welche sich gegen den staatlichen Vollstreckungszugriff auf nicht haftendes Vermögen richtet.233 Wenn aber die Greifbarkeit von Kryptowährungen durch das System der Einzelvollstreckung bejaht wird, so muss auch eine hier gesetzlich eingeräumte Verteidigungsmöglichkeit eingeräumt werden.234 Denn obgleich lediglich das Schuldnervermögen der Zwangsvollstreckung unterliegt, haben die Vollstreckungsorgane nicht abschießend zu prüfen, ob ein Gegenstand tatsächlich zu dessen Vermögen gehört.235 Vor diesem Hintergrund muss eine Lösung, die keinem systemkonformen Vollstreckungsschutz bietet, zumindest in ihrer Gesamtheit angezweifelt werden. Daher verwundert es nicht, dass das vermeintliche Fehlen eines Vollstreckungsschutzes über § 771 ZPO als gewichtiges Argument für die Notwendigkeit eines absoluten Rechtsschutzes angesehen wird.236

231

Goger, MMR 2016, 431 (434). Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (206); ebenfalls zumindest andeutend Jacobs / Arndt in FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566 f.). 233 Kindl, in: Saenger, ZPO, § 771 ZPO, Rn. 1. 234 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (206). 235 Herget, in: Zöller ZPO, § 771 ZPO, Rn. 3. 236 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (207). 232

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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1. Vollstreckungsfestigkeit Im Folgenden soll somit betrachtet werden, ob die bisher dargelegte rechtliche Klassifizierung der Inhaberschaft über den privaten Schlüssel auch bei dieser bedeutsamen Frage die Grundlage einer praktikablen und begründbaren Lösung sein kann. Im Rahmen dessen kommen zwei wesentlich unterschiedliche praxisbezogene Sachverhalte in Betracht, bei denen ein Dritter ein Recht am Gegenstand der Zwangsvollstreckung (also am Kryptowährungsvermögen) hat, welches er mittels der Drittwiderspruchsklage geltend machen möchte, um damit die Zwangsvollstreckung dieses Rechts zu verhindern.237 a) Verwahrung des privaten Schlüssels bei einer Verwahrstelle Zunächst kommt der Fall in Betracht, dass der private Schlüssel des Dritten bei einer Verwahrstelle hinterlegt ist, die selbst Vollstreckungsschuldner ist. Vor dem Hintergrund einiger medienwirksamer Hack-Angriffe auf solche Anbieter von externen Wallet-Lösungen könnte man davon ausgehen, dass dies eine mittlerweile seltene Verwahrmöglichkeit darstellt. In der Realität werden solche externen Anbieter (immer noch) häufig genutzt.238 Dies ist auch von Bedeutung, weil ein solcher externer Aufbewahrungsservice nicht nur von nativen Online-­ Wallet-Anbietern angeboten wird. Auch Kryptohandelsplattformen, welche auch aufgrund der wachsenden Bekanntheit von Kryptowährungen an Zahl und Relevanz gewinnen, bieten vermehrt einen solchen Verwahrdienst an (wenn auf ihnen denn tatsächlich Kryptowährungen erworben werden können239). Prominente Anbieter wie etwa Coinbase bieten zwar mittlerweile auch Software-Wallets an. Innerhalb eines standardmäßigen Accounts, welcher zum Kryptowährungserwerb auf der Anbieterseite von Coinbase angelegt wird, werden die privaten Schlüssel gleichwohl auf Servern des Anbieters gespeichert.240 Bei Online-Wallet Anbietern ist hingegen eine Cloud-basierte Speicherung der Regelfall. Auch wenn zumindest die größeren Anbieter mit Verschlüsselungstechniken werben, welche einen unbefugten Zugriff auch vom Anbieter selbst verhindern sollen und die BaFin im Rahmen ihrer Aufsicht Anforderungen an die IT-Sicherheit für Kryptoverwahrdienste aufstellt,241 so führt die Vielzahl der weltweit verteilten Anbieter für solche 237

Lunze, in: Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, § 771 ZPO, Rn. 1. 238 So ebenfalls Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (191). 239 Hierzu im Detail unter Kap. 2 A. III. 3. b). 240 Coinbase, What’s the difference between Coinbase.com and Wallet?, abrufbar unter: https://help.coinbase.com/en/more/coinbase-wallet/getting-started/what-s-the-difference-be tween-coinbase-com-and-wallet (zuletzt aufgerufen am 12. 3. 2021). 241 BaFin, Hinweise zum Erlaubnisantrag für das Kryptoverwahrgeschäft, abrufbar unter: https://tinyurl.com/48eau2ds (zuletzt aufgerufen am 12. 3. 2021).

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Speicherlösungen unweigerlich dazu, dass es (vor allem bei im Darknet beworbenen Anbietern) unseriöse oder unsichere Dienste gibt. All diese denkbaren Konstellationen, in denen der private Schlüssel bei einer Verwahrstelle hinterlegt ist, haben gemein, dass dieser Aufbewahrung ein schuldrechtliches Verhältnis zukommt.242 Insoweit kann aber wegen einer fehlenden Rechtseigenschaft nicht direkt auf eine Unanwendbarkeit des § 771 Abs. 1 ZPO geschlossen werden.243 Eine solche Schlussfolgerung übersieht, dass auch schuldrechtliche Herausgabeansprüche ein Recht nach § 771 Abs. 1 ZPO darstellen können. Gerade schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen des Hinterlegers wird ein innerhalb von § 771 Abs. 1 ZPO gefordertes Interventionsrecht zugesprochen, sodass diese ein die Veräußerung hinderndes Recht begründen könnten.244 Würde man daher die Hinterlegung des privaten Schlüssels bei Dritten als eine Verwahrung nach § 688 BGB ansehen, so käme dem Inhaber ein Herausgabeanspruch aus § 695 BGB zu, welcher eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 Abs. 1 ZPO begründen kann.245 Allein schon der wirtschaftliche Wert von Kryptowährungen lässt darauf schließen, dass der private Schlüssel als tatsächliche Herrschaftsgewalt über dieses digitale Vermögen gerade bewusst bei Verwahrstellen hinterlegt werden soll, wenn sie schon nicht durch technische Möglichkeiten wie Desktop-Wallets oder ColdWallets beim Inhaber selbst verbleiben, sodass gerade verwahrtypische Pflichten wie die Übernahme der Obhut für die hinterlegte Sache oder das Bestehen einer Rettungspflicht aktiv gewollt sind.246 Der private Schlüssel soll demzufolge gegen Zerstörung oder etwa Diebstahl geschützt werden. Für die gewollte Übernahme solcher für die Verwahrung typischen Pflichten durch die Verwahrstelle spricht auch, dass die Anbieter von Kryptoverwahrdiensten regelmäßig die Sicherheit ihrer Dienste betonen. Im Umkehrschluss will die Verwahrstelle nicht ersichtlich keine (rechtliche)  Verantwortung übernehmen.247 Wäre dies der Fall, so würde wohl niemand seinen privaten Schlüssel hinterlegen. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Parteien im absoluten Regelfall einen Verwahrungsvertrag schließen, welcher bereits stillschweigend durch die Übernahme des privaten Schlüssels abgeschlossen werden kann.248 Aus praktischer Sicht wird sich ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO häufig schon aus dem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch des § 695 BGB ergeben, der aus dem Verwahrungsverhältnis zwischen dem Inhaber der Kryptowährungen und dem Dritten entsteht. 242

So auch schlussfolgernd Rettke, NZWiSt 2020, 45 (53). Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (564). 244 Schmidt / Brinkmann, in: MüKo ZPO, § 771 ZPO, Rn. 41. 245 Adolphsen, in: Gottwand / Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40, Rn. 28; Lackmann, in: Musielak / Voit, ZPO, § 771 ZPO, Rn. 25. 246 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 688 BGB, Rn. 2. 247 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 688 BGB, Rn. 2. 248 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 688 BGB, Rn. 2. 243

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

187

b) Wegnahme des privaten Schlüssels Des Weiteren ist die Situation denkbar, dass dem Inhaber des privaten Schlüssels dieser durch einen Dritten (bösgläubig) entwendet wird. Dieser Fall ist ebenfalls realistisch, da die Aufbewahrung von privaten Schlüsseln etwa auf einem Hardware-Wallet oder Paper-Wallet erfolgen kann (Cold Storage). Neben speziellen Hardware-Geräten kann auch schlicht eine (Text-)Datei auf einem Speichermedium erstellt werden, welche den privaten Schlüssel beinhaltet. Des Weiteren ist auch eine einfache physische Notiz oder die Gravur auf einem feuerfesten Medium wie einem Metallplättchen verbreitet und daher denkbar. Diese Aufbewahrungsmöglichkeiten haben gemeinsam, dass sie den privaten Schlüssel auf einem physischen Datenträger festhalten. Dieser physische Datenträger kann aber entwendet werden. Sofern zwischen dem Dritten, der einen solchen Datenträger entwendet und dem (ursprünglichen) Inhaber des privaten Schlüssels (welcher diesen auch erstmals im Netzwerk generiert hat) keine schuldrechtliche Beziehung herrscht, welche einen Herausgabeanspruch nach Maßgabe eines die Veräußerung hindernden Rechts nach § 771 Abs. 1 ZPO statuiert, besteht hier eine Schutzlücke. Denn in diesen Fällen kann sich der ursprüngliche Inhaber nicht wehren, wenn sein privater Schlüssel nun Gegenstand der Zwangsvollstreckung bei dem Dritten ist.249 Diese Schutzlücke wird als wesentliches Argument dafür angeführt, dass eine Zuordnung anhand der tatsächlichen Herrschaft nicht rechtskonform sein kann.250 Ausgehend von der wesentlichen Grundidee dieser Arbeit, dass nur eine Zuordnung nach der tatsächlichen Herrschaft die Nutzung der wesentlichen disruptiven Charakteristiken der Blockchain-Technologie ermöglichen kann und dadurch auch dem Willen des Gesetzgebers folgend systemkonform ist, muss eine solche Schutzlücke verhindert werden. Der Kern eines solchen Schutzes liegt in der systematischen Ähnlichkeit zwischen der Inhaberschaft des privaten Schlüssels als tatsächliche Herrschaftsgewalt über den dadurch zugewiesenen Vermögenswert und dem gesetzlich geregelten Besitzschutz. Wenn sich also Inhaberschaft über den privaten Schlüssel und der Besitz derart ähneln, dass hierdurch eine Einordnung dieser tatsächlichen Herrschaftsgewalten als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB statthaft ist, so kann diese Ähnlichkeit auch beim Besitzschutz durchschlagen. Ein solches die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO stellt der petitorische Anspruch nach § 1007 Abs. 1 BGB dar.251 Dieser statuiert einen Herausgabe- und nicht lediglich einen Verschaffungsanspruch, da gestohlene, verloren gegangene oder sonst abhanden gekommene Sachen nicht einmal vom gut 249

Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566). Jacobs / Arndt, in: FS K. Schmidt (2019), Band 1, 559 (566). 251 Herget, in: Zöller ZPO, § 771 ZPO, Rn. 14.14. 250

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

gläubigen Rechtsnachfolger erworben werden können, vgl. §§ 932,  935  BGB.252 Daher wird durch diesen Anspruch die fehlende haftungsrechtliche Zuordnung zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners geltend gemacht.253 Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, da es sich nicht um eine bewegliche Sache handelt. Eine analoge Anwendung der Norm zum Schutz der tatsächlichen Herrschaftsgewalt (also den „Besitz“) über das Vermögen in Form des UTXO der dazugehörigen Adresse im Blockchain-Netzwerk könnte aber einerseits die Schutzlücke schließen und andererseits einen systematischen Schutz der tatsächlichen Inhaberschaft über intrinsische Blockchain-basierte Vermögenswerte begründen, wie er jüngst vermehrt gefordert wird. aa) Planwidrige Regelungslücke Eine Regelungslücke ist dabei nicht allein schon anzunehmen, wenn das Gesetz in der aktuellen Form zu einem Sachverhalt keine Regelungen enthält, es hierzu also schlicht schweigt.254 Vielmehr ist nötig, dass eine solche Nichtregelung zugleich eine systematische Unvollständigkeit innerhalb eines Normkomplexes darstellt.255 Dieser Normkomplex muss gemessen an seiner Regelungsabsicht also unvollständig sein.256 Den Normkomplex des Besitzschutzes kann man als Schutz der tatsächlichen Herrschaftsgewalt verstehen. Der Schutz des Besitzes als maßgeblicher Normkomplex wird durch die besonderen besitzrechtlichen Regelungen wie etwa die Folgen einer verbotenen Besitzstörung oder besondere Herausgabeansprüche nach §§ 1007 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB gewährleistet.257 Sinn und Zweck dieses Besitzschutzes ist aus rechtspolitischer Sicht, dass der Besitz schon als solcher durch die natürliche Anschauung über die Herrschaftssphäre einer Person vorgegeben und demzufolge schon immer Teil der Rechtsordnung gewesen ist.258 Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist unter den (teilweise veralteten) Ansichten hierzu vor allem Heck’s Kontinuitätstheorie vorliegend bedeutsam,259 da sich dieser eine Vielzahl von Autoren angeschlossen hat.260 Statt in rechtshistorischer Manier die Evolution der den rechtlichen Sinn des Besitzschutzes betreffenden Ansichten wiederzugeben, soll 252

Herget, in: Zöller ZPO, § 771 ZPO, Rn. 14.14. BGH, Urt. v. 11. 11. 1970  – VIII ZR 242/68 (KG), NJW 1971, 799 (800); Handke, in: Kindl / Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 771 ZPO, Rn. 16; Kindl, in: Saenger ZPO, § 771 ZPO, Rn. 1; Preuß, in: BeckOK ZPO, § 771 ZPO, Rn. 5; Karsten Schmidt / Brinkmann, in: MüKoZPO, § 771 ZPO, Rn. 1. 254 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 186 f. 255 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187. 256 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 373. 257 Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 16. 258 Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 18. 259 Heck, Sachenrecht, § 3, S. 7. 260 Vgl. Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 44 m. w. N. 253

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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daher im Besonderen auf die Ansicht von Heck Bezug genommen werden. Dieser zufolge ist die Kontinuität der faktischen Herrschaftsbeziehungen der maßgeb­ liche Schutzzweck des Besitzschutzes.261 Unmittelbar geschützt ist demzufolge im Wesentlichen das Interesse des Einzelnen am Erhalt des Gegenstandes in seiner eigenen Interessensphäre, was ein wirtschaftliches Interesse darstellt (über dieses aber auch hinausreichen kann).262 Denn die ständige tatsächliche Verfügbarkeit von (vermögenswerten) Gütern ist als eigenständiger Wert zu klassifizieren, der durch den Schutz dieses tatsächlichen Verhältnisses rechtlich geschützt werden soll.263 Ausgehend von diesen Erwägungen der Kontinuitätstheorie lässt sich auch die Reichweite des Besitzschutzes nachvollziehen. Besitzschutzansprüche sind auf die schnelle (also ggf. mit Hilfe einer Selbstvornahme, vgl. § 859 Abs.  1 BGB) Wiedererlangung des ursprünglichen Herrschaftsverhältnisses gerichtet und bezwecken somit letztlich die Verhinderung weiterer Vermögensschädigungen durch Entzug dieses Herrschaftsverhältnisses als eigenständigen Wert.264 Wenn ausschließlich der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den privaten Schlüssel die ständige Verfügbarkeit des dahinterstehenden Vermögenswertes innewohnt und demzufolge eine identische Schutzwürdigkeit besteht, ist sie aber (noch) nicht aktiv in Normenkomplex des Besitzschutzes aufgenommen worden. So kann die Kontinuität dieser Herrschaftsgewalt aber ebenfalls durch einen Eingriff in diese verletzt werden. Die Kontinuität der durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels hergestellten Herrschaftsbeziehung über den Vermögenswert der Kryptowährungen ist für den Inhaber dabei ebenso wirtschaftlich bedeutsam wie die tatsächliche Verfügungsgewalt über körperliche Vermögensgüter. Der Erhalt dieser vermögenswerten tatsächlichen Verfügungsgewalt in der eigenen Interessenssphäre ist aber nicht vom Besitzschutz als Schutzregularium der Kontinuität solcher faktischer vermögenswerter Herrschaftsbeziehungen umfasst. Demzufolge ist von einer systematischen Schutzlücke innerhalb des, ideell betrachtet, wesensgleichen Besitzschutzes auszugehen. Vor diesem Hintergrund kann des Weiteren auch nicht von einer bewussten Regelungslücke ausgegangen werden, sodass ebenfalls von einer Planwidrigkeit auszugehen ist. Anderenfalls würde sich der Gesetzgeber bewusst für die Errichtung oder Aufrechterhaltung eines ineffizienten Zustandes entscheiden. Der historische Gesetzgeber kannte diese Art der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über einen Vermögenswert nicht und konnte diesen demzufolge nicht innerhalb des gesetzlichen Schutzes, welcher die Kontinuität der faktischen Herrschaftsbeziehungen als Schutzgegenstand hat, berücksichtigen.

261

Gutzeit, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 854–872 BGB, Rn. 18. Gutzeit, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 854–872 BGB, Rn. 18; Schäfer, in: MüKo­ BGB, § 854 BGB, Rn. 17. 263 Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 44. 264 Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 45. 262

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Kap. 5: Die Einzelvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

bb) Vergleichbare Interessenlage Im Hinblick auf die Interessenlage des § 1007 Abs. 1 ZPO besteht auch eine Vergleichbarkeit mit der Interessenlage des zugrundeliegenden Sachverhalts, mithin dem Schutz der Inhaberschaft über den privaten Schlüssel. Auf den ersten Blick erscheint dieses vorweggenommene Ergebnis nicht unbedingt nachvollziehbar. So ist die Regelung des § 1007 Abs. 1 BGB aus systematischer Betrachtung im Titel 4 des dritten Abschnitts des BGB geregelt, welcher gerade die Ansprüche aus dem Eigentum regelt. Ein solches verknüpftes Verständnis würde mit der Auffassung Jhering’s zusammenpassen, wonach mit Hilfe des Besitzes (und somit des Besitzschutzes) das mutmaßliche Eigentum geschützt werden soll.265 Diese Auffassung ist aber (mittlerweile) systemfremd, weil sie eine Verbindung des geschützten Besitzes mit dem Eigentum fordert, was jedoch nur beim Eigenbesitz denkbar wäre. Der gesetzliche Besitzschutz beschränkt sich aber (mittlerweile) nicht nur auf den Eigenbesitz.266 Bei genauerer Betrachtung des § 1007 Abs. 1 BGB wird erkennbar, dass dieser gerade nicht auf eine dingliche Rechtsstellung des Anspruchsinhabers abstellt, sondern sogar dem bloßen früheren Besitzer der Sache zur Wiedererlangung des Besitzes verhilft.267 Nach Heck soll die Norm gerade auch innerhalb der Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien greifen, die beide kein (anderes) Recht an der Sache aufweisen können, wenn dem früheren Besitzer ein besseres Besitzrecht zukommt.268 Das entspricht auch dem eindeutigen Wortlaut der Norm, welche an keiner Stelle ein (weiteres) absolutes Recht des Anspruchsinhabers fordert. Auch Medicus stellt darauf ab, dass der Anspruch die Sache zu dem früheren Besitzer und sie somit (möglichst nahe) an den tatsächlich Berechtigten heranführen möchte.269 Im Ergebnis steht aber nach diesen Erwägungen fest, dass der Gesetzgeber mit dem § 1007 Abs. 1 BGB das Restitutionsinteresse des früheren Besitzers über das Kontinuitätsinteresse des momentanen Besitzers gestellt hat.270 Die Norm knüpft also ausschließlich an den früheren Besitz, also an die frühere tatsächliche Herrschaftsgewalt an.271 Sie schützt also das (höherwertige) Restitutionsinteresse des früheren Besitzers. Auch ist die bekannte Bezeichnung dieses Anspruchs als petitorischer Besitzschutz demzufolge irreführend, da petitorisch als das Recht auf Besitz verstanden wird. § 1007  Abs. 1 BGB statuiert jedoch keinen Anspruch aus einem bestehenden Recht zum Besitz, sondern verschafft den An 265

Gutzeit, in: Staudinger BGB, Vorbem. zu §§ 854–872 BGB, Rn. 15; Schäfer, in: MüKo­ BGB, § 854 BGB, Rn. 17. 266 Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 17. 267 Thole, in: Staudinger BGB, § 1007 BGB, Rn. 3. 268 Thole, in: Staudinger BGB, § 1007 BGB, Rn. 3. 269 Raff, in: MüKoBGB, § 1007 BGB, Rn. 13. 270 Thole, in: Staudinger BGB, § 1007 BGB, Rn. 5. 271 Berger, in: Jauernig BGB, § 1007 BGB, Rn. 1; Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 1007 BGB, Rn. 1.

B. Dogmatische Einordnung als maßgebliche Weichenstellung

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spruchsinhaber ein relatives Anrecht auf den Rückerhalt der tatsächlichen Herrschaftsgewalt.272 Vor diesem Hintergrund drängt sich die Vergleichbarkeit der jeweiligen Inte­ ressenlage nahezu auf. Auch dem früheren Inhaber des privaten Schlüssels ist ein wirtschaftlich bedeutsames Restitutionsinteresse zuzusprechen, wenn ihm die tatsächliche Inhaberschaft und damit die Herrschaftsgewalt über die der jeweiligen Adresse zugewiesenen Kryptowährungen entzogen wird. Demgegenüber hat die Person, welche den privaten Schlüssel besitzt (und beim Erwerb der tatsächlichen Verfügungsgewalt über diesen nicht im guten Glauben war) lediglich ein dem Besitz identisches Kontinuitätsinteresse, welches wie innerhalb der Interessenabwägung des § 1007 Abs. 1 BGB das Restitutionsinteresse des früheren Inhabers nicht überwiegen kann. Das ist vor allem deswegen der Fall, da dieser im absoluten Regelfall auch der ursprüngliche Ersteller des kryptografischen Schlüsselpaares ist, auf dessen Adresse (zur Erinnerung: die Adresse im Netzwerk wird aus dem Hashwert des öffentlichen Schlüssels gebildet) die Transaktionen als wertbildender Faktor transferiert worden sind. cc) Zwischenergebnis Eine analoge Anwendung des § 1007 Abs. 1 BGB zum Schutz des früheren Inhabers des privaten Schlüssels ist demzufolge systemkonform. 2. Ergebnis Die Vollstreckungsfestigkeit lässt sich, soweit es sich um eine Verwahrstelle als Vollstreckungsschuldner handelt, schon allein durch die schuldrechtlichen Ansprüche des Dritten gegen die Verwahrstelle des privaten Schlüssels erreichen. Solche schuldrechtlichen Beziehungen zwischen (ehemaligen) Rechteinhaber und Vollstreckungsschuldner bestehen jedoch nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner den privaten Schlüssel durch Wegnahme erhalten hat. In diesem Fall kann die rechtliche Anerkennung der tatsächlichen Herrschaftsmacht über den UTXO einer Adresse durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels praktikable Lösungen anbieten. Das bestehende Restitutionsinteresse des ehemaligen Inhabers dieser tatsächlichen und wirtschaftlich wertvollen Verfügungsgewalt ist den Ideen des petitorischen Besitzschutzes derart ähnlich, dass sich eine analoge Anwendung des § 1007 Abs. 1 BGB begründen lässt. Dieser Anspruch stellt ein die Veräußerung hinderndes Recht nach § 771 Abs. 1 ZPO dar.

272

Thole, in: Staudinger BGB, § 1007 BGB, Rn. 7.

6. Kapitel

Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen A. Insolvenzrechtliche Bedeutung und Aktualität Während es in Bezug auf die Frage nach der Einzelvollstreckung von Kryptowährungen bereits teilweise Lösungsansätze gibt (die im Detail jedoch nicht überzeugen), ist die Frage nach der Gesamtvollstreckung dieser neuen digitalen Vermögenswerte kaum bis nicht erforscht. Die wenigen nationalen Beiträge, welche sich mit der Massezugehörigkeit von Kryptowährungen beschäftigen, begrenzen sich oftmals auf knappe Ausführungen.1 Weitgehendere Untersuchungen sind nur in ausländischen Publikationen anzutreffen, wobei diese die Qualifikation der vertraglichen und zivilrechtlichen (v. a. sachenrechtlichen) Ansprüche von „cryptoinvestors“ sowie deren Übertragbarkeit als Hauptprobleme bei der Insolvenz von etwa Kryptohandelsplattformen identifizieren.2

I. Aktualität In Anbetracht der steigenden Verbreitung (und damit einhergehenden Regulierung) von Kryptohandelsplattformen ist das verwunderlich. Denn die Insolvenz von Unternehmen des Kryptowährungsmarktes ist nicht nur gut vorstellbar, sondern bereits erfolgt. Bekanntestes Beispiel für eine Insolvenz im Bereich des Kryptowährungsmarktes ist die im Jahr 2014 infolge eines Hacking-Angriffs erfolgte Insolvenz der damals führenden Handelsplattform für Bitcoin namens Mt. Gox.3 Infolgedessen wurde nicht nur ein Insolvenzantrag gestellt, sondern zugleich auch der Betrieb der Plattform eingestellt, wodurch die Nutzer nicht mehr auf ihre Kryptowährungen zugreifen konnten. Als weiteres Beispiel lässt sich die südkoreanische Kryptohandelsplattform Youbit aufführen, welche ebenfalls nach 1

Etwa Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 43; Peters, in: MüKoInsO, § 35 InsO, Rn. 407; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 38 ff.; Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645 f.). 2 Für das niederländische Recht etwa Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 ff. 3 Manager Magazin, Bitcoin-Börse Mt. Gox ist insolvent, abrufbar unter: https://www. manager-magazin.de/finanzen/boerse/bitcoin-boerse-mt-gox-ist-insolvent-a-956293.html (zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2021).

A. Insolvenzrechtliche Bedeutung und Aktualität

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einem Hackingangriff die Zahlungsunfähigkeit erklären und die Plattform mitsamt den Zugriffsmöglichkeiten der Nutzer schließen musste.4 Die Liste ließe sich mit weiteren Beispielen wie etwa den Insolvenzen von Cryptopia5, QuadrigaCX6 oder BitGrail7 weiterführen. Alle diese Insolvenzen haben gemeinsam, dass die Dienste und demzufolge auch der Zugriff der Nutzer auf die Kryptowährungen eingestellt worden sind. Angesichts der allmählich steigenden Verbreitung von Blockchain-basierten intrinsischen Kryptowährungen steigt auch die Anzahl der Anbieter im Bereich des Kryptomarktes. Geschuldet ist dies sicherlich auch dem Umstand, dass die prominenteste Kryptowährung Bitcoin seit dem Jahr 2020 wieder massive Kursgewinne sowie jüngst wieder massive Kurseinstürze verzeichnet und dadurch (wieder) mediale und wirtschaftliche Aufmerksamkeit erhält. In der Szene bekannte deutsche Kryptohandelsplattformen sind beispielsweise Bitcoin.de oder BISON. Daher soll erstmals eine tiefgehende Analyse der deutschen Insolvenzordnung hinsichtlich der Frage erfolgen, wie mit Kryptowährungen in der Insolvenz umzugehen ist. In Anbetracht der rechtsökonomischen Gedanken des deutschen Insolvenzrechts soll weiter untersucht werden, ob Anpassungen de lege ferenda notwendig sind und wie diese auszusehen haben.

II. Geschäftsmodelle mit Bezug zu Kryptowährungen Besondere Relevanz innerhalb der Insolvenz kommt dabei den verschiedenen Geschäftsmodellen zu, weil sie – dies sei schon jetzt vorweggenommen – zu unterschiedlichen Detailfragen führen. Daher sollen diese in ihren unterschiedlichen Ausprägungen vorab erläutert werden.

4 Handelsblatt, Bitcoin-Börse Youbit schließt nach Hackerangriff, abrufbar unter: https:// www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/marktberichte/suedkorea-bitcoin-boerse-youbitschliesst-nach-hackerangriff/20760058.html?ticket=ST-3430015-ZmjYeggfogzHwOtbjDvXap3 (zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2021). 5 Krypto-Magazin, Cryptopia insolvent, abrufbar unter: https://www.krypto-magazin.de/ cryptopia-insolvent/ (zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2021). 6 Heise, Kryptogeldbörse Quadrigacx insolvent: Nur verstorbener Chef kannte Passwörter, abrufbar unter: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kryptogeldboerse-Quadrigacxinsolvent-Nur-verstorbener-Chef-kannte-Passwoerter-4297210.html (zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2021). 7 Cryptoticker, Bitgrail Konkursverfahren: Was muss ich machen?, abrufbar unter: https:// cryptoticker.io/de/bitgrail-konkurs-tun/ (zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2021).

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

1. Kryptohandelsplattformen Das Verdienstmodell sowie die unterschiedliche Geschäftspraxis von Handelsplattformen stellen eine der wesentlichen Problematiken innerhalb der Insolvenz dar. Daher sollen diese zunächst erläutert werden, da sie im weiteren Verlauf eine wesentliche Grundlage für die Bewertung sein werden. a) Verdienstmodell Kryptohandelsplattformen folgen keinem altruistischen Ansatz, sondern basieren auf einem gewinnorientierten Verdienstmodell. Als stellvertretendes Beispiel zur Verdeutlichung soll hierfür die Handelsplattform Binance dienen. Als eine der führenden Kryptohandelsplattformen bietet Binance (neben unter anderem einer eigenen Wallet-Applikation („Trust-Wallet“)) die Vermittlung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer von Kryptowährungen auf der eigenen Vermittlungsplattform („Trading-Terminal“) an, vgl. Abschnitt 5.2 der AGB.8 Kommt ein Tauschgeschäft zustande, erhebt Binance nach Abschnitt 7.1 der AGB eine Vermittlungsprovision. Wichtig ist das, da diese Vermittlungsprovision, aber auch beispielsweise die Handelsgebühren oder die Gebühren für Einzahlungen und Auszahlungen der einzelnen Kryptowährungen in eben diesen Kryptowährungen beglichen werden.9 Das bedeutet, dass die maßgebliche wirtschaftliche Einnahmequelle solcher Plattformen nicht Fiat-Währungen, sondern Einheiten von Kryptowährungen sind. Auch deutsche Handelsplattformen bedienen sich dieses Geschäftsmodells. So soll beispielsweise die Vermittlungsprovision bei der deutschen Handelsplattform Bitcoin.de ebenfalls in Form von Bitcoins beglichen werden, vgl. § 19 der AGB.10 Für den Insolvenzfall eines solchen Unternehmens bedeutet das, dass die wesentlichen wirtschaftlichen Werte in verschiedenen Arten von Kryptowährungen gehalten werden. Sie sind demzufolge der maßgebliche Bezugspunkt für eine in Frage kommende Gläubigerbefriedigung.

8 Die AGB von Binance Deutschland sind abrufbar unter: https://www.binance.com/de/ terms (zuletzt aufgerufen am 14. 3. 2021). 9 Vgl. hierzu die Gebührentabelle von Binance, abrufbar unter: https://www.binance.com/ de/fee/depositFee (zuletzt aufgerufen am 14. 3. 2021). 10 Die AGB von Bitcoin.de sind abrufbar unter: https://www.bitcoin.de/de/agb (zuletzt aufgerufen am 14. 3. 2021).

A. Insolvenzrechtliche Bedeutung und Aktualität

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b) Kryptohandelsplattformen mit eigenem sog. „Kryptopool“ Bereits unter Kap. 2 B. III. 3. b)  wurde erläutert, dass auf Kryptohandelsplattformen der Erwerb von Kryptowährungen regelmäßig nicht dergestalt stattfindet, dass der Käufer als Gegenleistung eine Transaktion der geschuldeten Einheiten der jeweiligen Kryptowährungen auf seine Adresse im betreffenden BlockchainNetzwerk erhält. Meistens hat der Accountnutzer nicht einmal ein Schlüsselpaar mit seinem Account verknüpft. Vielmehr erhält der Käufer eine Forderung in Höhe der jeweils erworbenen Kryptowährungen gegenüber der Kryptohandelsplattform. Handeln die Nutzer auf der Plattform dann miteinander, so tauschen sie keine Kryptowährungen im Sinne von Transaktionen auf der jeweiligen Blockchain (On-Chain-Transaktion), sondern Auszahlungsansprüche gegen die Kryptohandelsplattform untereinander aus (Off-Chain-Transaktion). Das bedeutet jedoch nicht, dass solche Kryptohandelsplattformen keine Kryptowährungen halten. Denn Nutzer können ihr Account-Guthaben, welches sie zum Handeln auf der Kryptohandelsplattform benötigen, nicht nur in Form einer Zahlung mit Fiat-Geld (regelmäßig mittels einer Überweisung auf ein Bankkonto der Kryptohandelsplattform) aufladen. Regelmäßig kann das Account-Guthaben auch durch die Transaktion einer bestimmten Kryptowährung auf eine Adresse der Kryptohandelsplattform aufgefüllt werden.11 In diesem Fall erhält die Kryptohandelsplattform eine solche Transaktion und fügt dem Account das Guthaben in der jeweiligen Kryptowährung (also in Form einer Forderung) zu, welches wiederum auf der Kryptohandelsplattform gegen andere Kryptowährungen oder Fiat-Geld getauscht werden kann. Das Handelssystem ist demzufolge mit Buchgeld vergleichbar. Haentjens et al. beschreiben diesen Zustand, indem sie feststellen, dass die Nutzer solcher Dienste ihre „direct rights to the Blockchain“ aufgeben und hierfür den Komfort der Leistungen eines Dienstleisters erhalten.12 Das ist korrekt, denn ein solcher Nutzer kann nicht über den wirtschaftlichen Wert, welcher durch die Einheiten der jeweiligen Kryptowährung verkörpert wird, gebieten, weil ihm dazu die Inhaberschaft über den jeweiligen privaten Schlüssel fehlt. Dies wird durch die rechtlichen Beziehungen zwischen ihm und der Kryptohandelsplattform ersetzt.13 Wenn ein Nutzer also über „seine“ Kryptowährungen nutzen will, indem er eine Überweisung tätigt oder eine Einzahlung in Einheiten einer Kryptowährung erhält, dann tätigt vielmehr die Kryptohandelsplattform eine solche Auszahlung auf Anweisung des Nutzers14 oder erhält eine Einzahlung auf die Blockchain-Adresse der Kryptohandelsplattform und rechnet den Nennwert dem Account des Nutzers zu, wodurch sich sein (theoretischer) Auszahlungsanspruch erhöht.15 Wenn Nutzer innerhalb 11

Narayanan et al., Bitcoin and Cryptocurrency Technology, S. 88. Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (534). 13 Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (534). 14 Coinbase spricht in seinen User Agreement unter Abschnitt 2.2 dabei von „your instructions“. 15 Narayanan et al., S. 89. 12

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

der Kryptohandelsplattform verschiedene Accountguthaben tauschen, findet also keine Transaktion auf der jeweiligen Blockchain statt.16 Solche Kryptohandelsplattformen halten immer einen Bestand an den jeweils auf ihrer Plattform zum Handel angebotenen Kryptowährungen auf eigenen Adressen, um so die Forderungen der Nutzer (theoretisch) erfüllen zu können ( fractional reserve).17 Sie ähneln aus ideeller Sicht somit beispielsweise depotführenden Kreditinstituten. Zu unterscheiden ist jedoch, wie die Verwahrung dieser verschiedenen Kryptowährungen im Detail erfolgt.18 Diese Unterscheidung wird später wichtig. aa) Verwahrung innerhalb einer Sammeladresse Zunächst ist es möglich, dass die einzelnen Einheiten der jeweilig angebotenen Kryptowährungen auf sog. Sammeladressen („omnibus addresses“) gehalten werden, wie es beispielsweise bei Coinbase der Fall ist.19 Gemäß Abschnitt 2.6.4 des User Agreements räumt Coinbase sich selbst das Recht ein, die Kryptwährungseinheiten (genauer gesagt den UTXO), welche einem Nutzerkonto „gutgeschrieben“ werden, gemeinsam mit anderen gutgeschriebenen Einheiten auf einzelnen Adressen zu verwahren, zu denen ausschließlich Coinbase Zugang hat (also den privaten Schlüssel besitzt).20 Gemäß Abschnitt 2.7. wird dasselbe Verfahren auch mit eingezahltem Fiat-Geld betrieben. Im Insolvenzfall ist für den Insolvenzverwalter demzufolge nur feststellbar, dass eine Kryptohandelsplattform über den privaten Schlüssel zu einem beträchtlich hohen UTXO verfügt. Eine Zuordnung der einzelnen Transaktionen zu den jeweiligen Nutzern ist gemäß dem Zustand auf der Blockchain sowie tatsächlich nicht möglich. Demzufolge schlussfolgern etwa Haentjens et al., dass eine Allokation der jeweiligen Kryptowährungseinheiten nicht möglich ist und dies daher zu Zuordnungsproblemen innerhalb der Insolvenz führt.21 bb) Verwahrung innerhalb mehrerer Einzeladressen Andere Kryptohandelsplattformen garantieren ihren Nutzern, dass die einem Nutzeraccount zugeschriebenen Einheiten der jeweiligen Kryptowährungen auf einzelnen Blockchain-Adressen gehalten werden. Haentjens et al. nennen innerhalb 16

Narayanan et al., S. 89. Narayanan et al., S. 88. 18 Hierzu Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (533 ff.). 19 Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (536). 20 Coinbase, Coinbase User Agreement (Stand vom 8. 12. 2020), abrufbar unter: https:// www.coinbase.com/legal/user_agreement/united_states (zuletzt aufgerufen am 23. 3. 2021). 21 Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (536). 17

A. Insolvenzrechtliche Bedeutung und Aktualität

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ihrer Untersuchung die Kryptohandelsplattform Gemini als Beispiel für eine solche Handhabe.22 Daran soll sich auch im Folgenden beispielhaft orientiert werden. Gemäß dem Custody Agreement generiert Gemini für jeden Nutzer eigene Blockchain-Adressen, welche die durch den jeweiligen Nutzer erworbenen Kryptowährungen enthalten und garantiert, dass dadurch eine Trennung der verschiedenen Kryptowährungseinheiten der Nutzer stattfindet.23 Innerhalb des User Agreements von Gemini wird dazu nochmal klargestellt, dass die für den Nutzer verwahrten Kryptowährungen nicht als Vermögenswerte von Gemini angesehen werden.24 Des Weiteren wird klargestellt, dass die Zuordnung der einzelnen Krypto­währungen auch innerhalb der Buchführung stattfindet. Jedoch verbleiben auch bei dieser Art der Verwahrung die maßgeblichen privaten Schlüssel bei der Kryptohandelsplattform, weshalb der Nutzer Transaktionen ausschließlich durch eine Anweisung an die jeweilige Kryptohandelsplattform durchführen kann, statt die hierfür notwendige digitale Signatur selbst zu generieren.25 Zudem hat eine Untersuchung der verschiedenen Agreements der weltweit größten Kryptohandelsplattformen ergeben, dass diese Art der getrennten Verwahrung keinen Branchenstandard darstellt. c) Kryptohandelsplattformen mit eigener Wallet-Applikation Auf manchen Kryptohandelsplattformen werden keine Forderungen gegen die jeweilige Plattform getauscht, sondern es finden tatsächlich Transaktionen der jeweiligen Kryptowährung auf die Blockchain-Adresse des Käufers statt. Oftmals bieten solche Kryptohandelsplattformen zeitgleich mit ihrem Vermittlungsangebot auch eine eigene Wallet-Applikation an, welche gemeinsam mit dem Account genutzt werden kann. d) Zwischenfazit Auch wenn sich Kryptohandelsplattformen ohne eigene Wallet-Applikation zwar in der Art und Weise der Verwahrung unterscheiden, so haben sie gemeinsam, dass in beiden Fällen die jeweilige Plattform die zu den Adressen gehörigen privaten Schlüssel besitzt und das Blockchain-Netzwerk ihnen die Kryptowährungen daher zuordnet. Die Kryptohandelsplattform Kraken hat auf eine Forschungs 22

Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (536 f.). Gemini, Gemini Custody Agreement, abrufbar unter: https://www.gemini.com/legal/ custody-agreement#section-custodian-appointment (zuletzt aufgerufen am 22. 3. 2021). 24 Gemini, Gemini User Agreement, abrufbar unter: https://www.gemini.com/legal/useragreement#section-custody (zuletzt aufgerufen am 22. 3. 2021). 25 Vgl. hierzu das Custody Agreement von Gemini, welches mit Bezug auf Verfügungen über die einzelnen Kryptowährungen von „instructions from you“ spricht. 23

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

anfrage des Autors das Modell wie folgt begründet. Kraken führt an, dass jede Transaktion auf der jeweiligen Blockchain mit Transaktionsgebühren belegt ist, welche die Transaktionshöhe von vor allem kleineren Transaktionen übersteigen und diese somit unwirtschaftlich für die Nutzer machen kann. Als Beispiel wird eine Transaktion von Ether im Gegenwert von 10 US-Dollar angeführt, bei der zum Zeitpunkt der Antwort (5. 4. 2021) etwa 30 US-Dollar an Transaktionsgebühren anfallen würden. Um diesen negativen Effekt zu umgehen, werden alle Kryptowährungen auf Adressen der jeweiligen Plattform gehalten und Transaktionen zwischen den Nutzern wie beschrieben ausgetauscht. Laut Kraken ist das ein gängiges Modell, dass von bekannten Kryptohandelsplattformen wie auch Coinbase, Bitfinex oder Gemini praktiziert wird. Nur bei Kryptohandelsplattformen mit eigener Wallet-Applikation befinden sich auch die privaten Schlüssel in der ausschließlichen Inhaberschaft des Nutzers, wenn sie die angebotene (oder eine andere) Online-Wallet nutzen. Das Geschäftsmodell beschränkt sich auch hier auf eine Vermittlungsleistung26 gegen Gebühr und unterscheidet sich nur in dem Maße, dass der Verkäufer dem Käufer tatsächlich eine Transaktion an die Adresse des Käufers schuldet. In diesen Fällen trägt jedoch auch der Verkäufer die Transaktionsgebühren, wenn er eine Transaktion im Blockchain-Netzwerk durchführen möchte. 2. Online-Wallet-Anbieter Verwahrdienste wie etwa Anbieter von Online-Wallets unterscheiden sich von Kryptohandelsplattformen mit integrierter Wallet in dem Sinne, dass sie die privaten Schlüssel für die Nutzer aufbewahren, ohne zugleich eine Handelsmöglichkeit anzubieten.27 Solche Verwahrdienste haben jedoch mit Kryptohandelsplattformen gemeinsam, dass sie aus Sicht der Nutzer ebenfalls Intermediäre zwischen ihnen und dem Blockchain-System sind, die ihre privaten Schlüssel und damit den Zugang zum UTXO für sie aufbewahren. Die Nutzer sind demzufolge immer dem Insolvenzrisiko dieser Dienste ausgesetzt.28 Des Weiteren besteht ihre Wirtschaftlichkeit ebenfalls in der Erhebung von kleinen Servicegebühren, welche ebenfalls regelmäßig in Einheiten von Kryptowährungen beglichen werden.

26 So im Allgemeinen ebenfalls Kociok, in: Auer-Reinsdorff / Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 27, Rn. 86. 27 Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (527), wobei sie jedoch technisch unsauber von „safekeeping customer’s cryptocurrencies“ sprechen. 28 Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (527).

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3. Mining-Unternehmen und andere Kryptounternehmen In den letzten Jahren hat sich auch das Mining-Geschäft enorm professionalisiert. Während vor und zu Beginn des Hypes um Kryptowährungen die meisten Miner Privatpersonen waren, welche daheim ein sog. Mining-Rig betrieben haben, sind nun regelrechte Unternehmen entstanden, die aus wirtschaftlichen Motiven ganze Rechenzentren (Mining-Farms) betreiben. Diese Mining-Farms dienen dem Zweck innerhalb des Mining-Prozesses den Mining-Reward29 zu gewinnen. Der Mining-Reward wird jedoch ebenfalls in den Einheiten der jeweiligen Kryptowährung ausgezahlt. Daneben wird durch die Nutzer im Blockchain-Netzwerk bei einer Transaktion oftmals eine (an sich optionale)  Transaktionsgebühr entrichtet. Diese dient den Minern als Anreiz, damit sie die Transaktion bevorzugen und diese somit schneller in einen Block aufgenommen wird. In diesem Fall erhalten sie die Transaktionsgebühr als Auszahlung, während der Absender einer solchen Transaktion von der schnelleren Aufnahme seiner Transaktion in einen Block profitiert. Eine solche Transansaktionsgebühr besteht auch aus Einheiten der jeweiligen virtuellen Währung. 4. Schlussfolgerung Alle diese Unternehmen haben gemeinsam, dass ihr wesentliches Vermögen aus Einheiten von Kryptowährungen besteht, die ggf. mit schuldrechtlichen Ansprüchen belastet sind. Daher stellt sich hier die Frage, ob Kryptowährungen nach § 35 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse gehören und wie sie zu verwerten sind, um die Insolvenzgläubiger befriedigen zu können.

III. Volatilität Auf die hohe Volatilität von Kryptowährungen nach Maßgabe dieser Arbeit wurde bereits eingegangen. Diese Besonderheit hat jedoch auch Auswirkungen auf praktische Fragen der Insolvenz. Zum einen ist könnte deshalb eine besondere Schnelligkeit bei ihrer Verwertung geboten sein. Zum anderen zeigt vor allem der Insolvenzfall von Mt. Gox, dass die Nutzer als Anspruchsinhaber gegenüber der insolventen Plattform lange Zeit auf eine Befriedigung warten müssen. Hier schließt sich die Frage, wie mit der hohen Volatilität im Insolvenzprozess umzugehen ist. Im Fall von Mt. Gox hatte beispielsweise der Bitcoin zum Zeitpunkt der Insolvenz einen Wert von 489 US-Dollar,30 welcher Stand Ende März 2021 schon bei ca. 60.000 US-Dollar lag. 29

Hierzu genaueres unter Kap. 2 A. II. 7. b) bb). t3n, Mt Gox: 7 Jahre nach Bankrott könnten Kunden einen Teil ihres Geldes zurückbekommen, abrufbar unter: https://t3n.de/news/mt-gox-bankrott-geld-zurueck-kryptobitcoin-1350963/ (zuletzt aufgerufen am 17. 3. 2021). 30

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IV. Spezifische Herausforderungen im Insolvenzfall Zusammenfassend bestehen mehrere spezifische Herausforderungen im Insolvenzfall. Zunächst haben alle Geschäftsmodelle gemeinsam, dass ihr wesentliches Vermögen aus Einheiten verschiedener Kryptowährungen besteht. Demzufolge ist ein wirtschaftlicher und effektiver Weg der Verwertung, also der Veräußerung der Massegegenstände des Schuldners im Sinne des § 159 InsO, für Kryptowährungen notwendig.31 Dabei ist vor allem auch die Auswirkung der hohen Volatilität als Risiko für den Verwertungsprozess zu beachten. Hinsichtlich der Frage, ob Aussonderungs- oder Absonderungsrechte an den Einheiten der virtuellen Währungen bestehen können, muss zwischen dem Geschäftsmodellen von Kryptohandelsplattformen und Kryptoverwahrdienstleistern unterschieden werden. Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob ein Nutzer etwa mögliche Ansprüche aus der Inhaberschaft der tatsächlichen Verfügungs­ gewalt über den bei der insolventen Kryptohandelsplattform gespeicherten privaten Schlüssel als Recht oder (lediglich) seinen (schuldrechtlichen) Anspruch gegen die Plattform auf Erhalt einer bestimmten Höhe von Kryptowährungen geltend macht. Des Weiteren kann es von elementarer Bedeutung sein, ob einem Nutzer bestimmte abgegrenzte Einheiten einer virtuellen Währung zugesprochen werden, oder dieser einen lediglich in der Höhe bestimmten Auszahlungsanspruch gegen eine Kryptohandelsplattform hat, welcher sich auf keine individualisierbaren Einheiten bezieht.

V. Schutzniveau und Verteilung der Insolvenzgefahr Narayanan et al. vergleichen das Geschäftsmodell von Kryptohandelsplattformen mit dem von Banken und kommen zum Schluss, dass dieselben ökonomischen Risiken des konventionellen Bankensystems wie etwa Bankenstürme, Betrugsrisiken (wie beispielweise die Verwendung des Ponzi-Schemas) und Hacking-Angriffe bestehen.32 Abseits der Erlaubnistatbestände des KWG besteht jedoch de lege lata keine mit dem Umfang der Bankenregulierung vergleichbare Regulierung solcher Kryptohandelsplattformen in Bezug auf derartige Gefahren. Gleichwohl können die Nutzer solcher Dienste aufgrund derselben ökono­ mischen Risiken im gleichen Maße gefährdet sein wie Bankkunden. Insoweit die privaten Schlüssel oder der jeweilige dem Account gutgeschriebene UTXO (wie soeben aufgezeigt) bei Dritten abgelegt werden, besteht im Vergleich zu Bankkunden (vgl. § 1 EinSiG) kein Schutz vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Dritten, sodass hier die Insolvenzgefahr beim Nutzer solcher Dienste liegt.33 Im Vergleich zum herkömmlichen Wertetransfer und zur Wertverwahrung mit 31

Vgl. Verhoeven / T heiselmann, in: BeckOK InsO, § 159 InsO, Rn. 1. Im Detail Narayanan et al., S. 89 ff. 33 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (191). 32

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht 

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tels Bankdienstleistungen erfahren Inhaber Blockchain-basierter Vermögenswerte hinsichtlich der Insolvenzgefahr de lege lata eine erhebliche Schlechterstellung.

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht I. Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren Nach Einreichung des Insolvenzantrags nach § 13 InsO beginnt das Eröffnungsverfahren. Innerhalb dieses Verfahrens gestattet die Insolvenzordnung verschiedene Maßnahmen, um die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu sondieren und das bestehende Vermögen zu sichern.34 Nachfolgend soll erforscht werden, ob und wie Sicherungsmaßnahmen aussehen können, wenn Kryptowährungen (wesentlicher) Teil der vorläufigen Insolvenzmasse sind. 1. Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO Zweck des § 21 InsO ist es, dass Verschlechterungen der Vermögenslage während des Eröffnungsverfahrens umfassend verhindert werden sollen, da das Vermögen des Schuldners noch nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt.35 Ob und inwieweit Sicherungsmaßnahmen innerhalb des Eröffnungsverfahrens ergehen können, die eine Verringerung der Blockchain-basierten Vermögenswerte (etwa durch Wegtransferierung) effektiv verhindern, ist aber bisher nicht erforscht. a) Verfügungsverbot und Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO Das allgemeine Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO (kombiniert mit der Bestellung eines (starken) vorläufigen Insolvenzverwalters) hat zur Folge, dass alle Verfügungen über das betreffende Vermögen des Schuldners absolut unwirksam sind.36 Diese Art der Sicherung ist in der Praxis jedoch ein Ausnahmefall, da in diesem Fall die Insolvenzmasse nach § 55 Abs. 2 InsO mit begründeten Masseverbindlichkeiten belastet wird.37 Es kommt ggf. eine private Haftung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters in Betracht, vgl. § 61 InsO i. V. m. 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO.38 Von Praxisrelevanz ist daher vielmehr die Sicherung 34

Gleußner, Insolvenzrecht, S. 69. Böhm, in: Braun Insolvenzordnung, § 21 InsO, Rn. 1; Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 1; Laroche, in: Kayser / T hole, Insolvenzordnung, § 21 InsO, Rn. 1. 36 Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 43; Gleußner, Insolvenzrecht, S. 72. 37 Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 46. 38 Gleußner, Insolvenzrecht, S. 73. 35

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nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts in Verbindung mit der Bestellung eines vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalters.39 Auch können beschränkte Verfügungsverbote erlassen werden, welche nur einzelne besonders gefährdete Vermögensgüter des Schuldners umfassen.40 Unabhängig von der im Einzelfall umstrittenen Klassifizierung der letzten zwei Varianten der Verfügungsverbote als absolutes oder relatives Verfügungsverbot41 haben alle Verbote gemeinsam, dass sie sich auf eine Verfügung des Schuldners beziehen. Von den Verfügungsverboten werden alle Vermögenswerte umfasst, welche im Fall einer Verfahrenseröffnung zur Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO gehören würden.42 Insoweit ist aber die rechtliche Bewertung der Verfügungshandlung über Blockchain-basierte virtuelle Werte nicht geklärt und entsprechend unklar, ob es etwa innerhalb einer Kette von Verfügungen letztlich zur Anwendung der Regeln über den gutgläubigen (Zweit-)Erwerb und etwa des § 935 BGB kommen kann, während dies bei beispielsweise einem ein gutgläubiger Forderungserwerb mangels zurechenbar veranlassten Rechtsscheins regelmäßig nicht in Betracht käme. Die Frage nach der Möglichkeit eines Verfügungsverbots und den daraus resultierenden rechtlichen Folgen ist also verknüpft mit der Frage der rechtlichen Klassifikation der Übertragung. Hier ist sich die Literatur völlig uneins. So wird vereinzelt eine Übertragung nach §§ 929 ff. BGB vertreten.43 Eine andere Ansicht vertritt gar einen Übertragungsakt nach §§ 873, 925 BGB analog.44 Aber auch eine Übertragung nach §§ 413, 398 ff. BGB analog wird vertreten.45 Die wohl herrschende Meinung vertritt hingegen die Einordnung der Übertragung als Realakt.46 39

Gleußner, Insolvenzrecht S. 73 f. Haarmeyer / Schildt, in: MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 59; Vallender, in: Uhlenbruck, InsO, § 21 InsO, Rn. 23. 41 Hinsichtlich des gegenständlich beschränkten Verfügungsverbots zusammenfassend Haarmeyer / Schildt, in: MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 59 ff.; Zum Zustimmungsvorbehalt Dies., in: MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 65; a. A. stellv. etwa Vallender, in: Uhlenbruck, InsO, § 21 InsO, Rn. 25. 42 Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 37. 43 Koch, ZBB 2018, 359 (362); Walter, NJW 2019, 3609 (3614); Eine analoge Anwendung erwägen Spindler / Bille, WM 2014, 1357 (1363). 44 Ammann, CR 2018, 379 (382 f.). 45 Köndgen, in: BeckOGK BGB, § 675c BGB, Rn. 131; So nur zu extrinsischen Token Hanten / Sacarcelik, RdF 2019, 124 (131); Saive, K&R 2018, 615 (617). 46 Maume, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 5, Rn. 8; Möllenkamp /  Shmatenko, in: Hoeren et al., Multimedia Recht, Teil 13.6, Rn. 70; Beck / König, JZ 2015, 130 (131); Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (357); Heckelmann, NJW 2018, 504 (508); Kaulartz, CR 2016, 474 (478); Kuhlmann, CR 2014, 691 (696); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (644); Langenbucher, AcP 218 (2018), 385 (410); Lerch, ZBB 2015, 190 (196) Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (327); Paulus / Matzke, ZfPW 2018, 431 (451); im Ergebnis ebenfalls, jedoch im Detail nicht zwischen intrinsischen und extrinsischen Token unterscheidend Kaulartz / Matzke, NJW 2018, 3278 (3280); a. A. Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (191). 40

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Die drei erstgenannten Meinungen haben hingegen alle gemeinsam, dass ihnen eine Verfügung zugrunde liegt.47 aa) Übertragungsakt Maßgeblich für diese Frage ist also, ob der Übertragungsakt überhaupt eine Verfügung im Sinne der Norm darstellt. Hierfür muss klar sein, was bei einer Übertragung des UTXO einer Adresse auf eine andere Adresse durch eine Transaktion im jeweiligen Blockchain-Netzwerk geschieht. Der technische Ablauf einer Transaktion von Kryptowährungen wurde bereits unter Kap. 2 A. III. 1. erläutert und soll daher nicht schlicht wiederholt werden. Maßgeblich ist, dass die „Übereignung“ von Kryptowährungen vom Absender an den Empfänger dadurch erfolgt, dass der Absender mit seinem privaten Schlüssel eine korrekte digitale Signatur erstellt, wodurch die Transaktion vom Netzwerk als korrekt eingestuft wird. In einem weiteren Schritt wird diese aus dem Transaktionspool in einen zu bildenden Block aufgenommen und dieser wird letztlich Teil der Blockchain, genauer gesagt der längsten Blockkette. Alles, was geschieht ist demzufolge eine Änderung der tatsächlichen Netzwerkzuweisung des UTXO der jeweiligen Transaktion vom Absender an den Empfänger. Es ist also gerade nicht so, dass etwa der private Schlüssel des Absenders an den Empfänger überreicht wird (was auch – wie bereits dargelegt – nicht sicher wäre und damit keinem Vermögenstransfer gleichkommen würde). Der Absender der Transaktion bleibt weiter Inhaber des zur Absenderadresse gehörenden privaten Schlüssels. Die dadurch vermittelte tatsächliche und ausschließliche Herrschaftsgewalt über den verbleibenden UTXO der zugehörigen Adresse bleibt also intakt und verbleibt beim Absender. Aus wirtschaftlicher Sicht hat die Transaktion vielmehr den Effekt, dass der UTXO und demzufolge der Vermögenswert der tatsächlichen Herrschaftsgewalt beim Absender sinkt und beim Empfänger der Transaktion gemehrt wird. bb) Verfügung oder rein tatsächlicher Vorgang? Der Begriff der Verfügung im Sinne des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO umfasst alle Handlungen, durch die der Insolvenzschuldner auf dingliche oder obligatorische Rechte derart einwirkt, dass diese unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder inhaltlich verändert werden.48 Insoweit verwendet die Insolvenzordnung also den zivilrechtlichen Verfügungsbegriff. Betrachtet man den Ablauf und das tatsächliche Ergebnis einer Transaktion innerhalb eines Blockchain-Netzwerks, wird deutlich, dass es sich um keine Ver 47

Haedicke, JuS 2001, 966 (967). BGH, Urt. v. 4. 07. 2018  – IV ZR 297/16, NJW-RR 2018, 1007 (1008); BGH, Urt. v. 10. 12. 2009 – IX ZR 1/09, NJW-RR 2010, 558 (560); Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 35. 48

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fügung handeln kann, sondern dass lediglich ein rein tatsächlicher Änderungsvorgang vorliegt.49 Denn die Transaktion führt nur zu einer Änderung der technischen Transaktionszuordnung innerhalb des Blockchain-Netzwerks und stellt damit eine Ergänzung der Kette der jeweiligen digitalen Signaturen dar. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch einen Vergleich mit der Besitzübertragung deutlich. Auch die Besitzübertragung stellt keine Verfügung dar.50 Begründet wird dies damit, dass der Besitz Ausdruck der tatsächlichen Sachherrschaft ist und die Übertragung des (unmittelbaren) Besitzes nach § 854 Abs. 1 BGB daher keine Rechtsübertragung, sondern vielmehr eine tatsächliche Änderung auf Ebene der physisch-realen Welt darstellt.51 Der Besitzerwerb drückt sich demzufolge logischerweise dadurch aus, dass der Erwerber in eine tatsächliche (räumliche) Beziehung zu der erworbenen Sache tritt.52 Auch die Transaktion des UTXO stellt eine tatsächliche Änderung dar, welche natürlich keine Änderung in der physischrealen Welt, aber eine Änderung in der dezentralen Blockchain-basierten „Welt“ darstellt. Dem Erwerber der Transaktion wird durch den Datenbestand nun die tatsächliche Herrschaftsmöglichkeit über den jetzt der Adresse zugeordneten UTXO zugesprochen zu der er den privaten Schlüssel besitzt. Rechtsobjekt ist nach Maßgabe dieser Arbeit die tatsächliche Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk durch Inhaberschaft des privaten Schlüssels. Aber wie bereits aufgezeigt findet keine Einwirkung auf diese Herrschaftsgewalt statt. Sie besteht weiterhin uneingeschränkt, nur ihr wirtschaftlicher Wert ändert sich. Auch diese wirtschaftliche Änderung tritt nur mittelbar ein, da der von den Parteien der Transaktion nicht beinflussbare Verifikationsvorgang noch erfolgreich sein muss. Dem kann zunächst entgegengehalten werden, dass eine Vermögensbewegung letztlich nie nur aus einem tatsächlichen Vorgang bestehen kann, weil eine (bereicherungsrechtliche) Korrektur eines Erfüllungsvorgangs von der willentlichen Zwecksetzung des Leistenden abhängig ist.53 Das Bereicherungsrecht zeigt, dass die Leistung einen Bezug zwischen dem Rechtsgrund und der Handlung erfahren muss, was durch die Zweckbestimmung geschieht.54 Für die Transaktion von Bitcoins etwa bedeute dies, dass ein Transfer nie ein rein tatsächlicher Vorgang sein kann.55 Dieses Argument kann im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. Denn konsequent weitergedacht bedeutet das, dass nur willensfreie Vermögensbewegungen 49 Mangels Verfügungsobjekts im Ergebnis ebenfalls Maume, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 5, Rn. 3; Engelhardt / Klein, MMR 2014, 355 (357) sprechen von einer Änderung der Datenhoheit; Kaulartz, CR 2016, 474 (478); Ders. / Matzke, NJW 2018, 3278 (3280). 50 Armbrüster, in: MüKoBGB, § 135 BGB, Rn. 2. 51 Haedicke, JuS 2001, 966 (968). 52 Gutzeit, in: Staudinger BGB, § 854 BGB, Rn. 7 ff. 53 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (208). 54 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (208 f.). 55 Linardatos, in: Beyer et al., Privatrecht 2050, 181 (209).

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Realakte oder rein tatsächliche Vorgänge darstellen könnten. Weitaus überzeugender erscheint aber wieder ein Vergleich mit dem Besitz. Denn selbst die Annahme, dass ein Rechtsgeschäft vorliegt, kann nicht automatisch zu der Annahme einer Verfügung führen. Beim Besitzerwerb ist es herrschende Meinung, dass die Einigung im Rahmen des § 854 Abs. 2 BGB ein Rechtsgeschäft darstellt.56 Dennoch wird auch von den zahlreichen Vertretern des Vorliegens eines Rechtsgeschäfts nicht auf das Vorliegen eines dinglichen Rechts und schon gar nicht das Vorliegen einer Verfügung angenommen, sondern abgelehnt.57 Die Annahme eines Rechtsgeschäfts kann im Umkehrschluss also kein zwingendes Argument für das Vorliegen einer Verfügung oder für die Einordnung als dingliches Recht darstellen. Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine unmittelbare Einwirkung, was jedoch eine der Voraussetzungen des Verfügungsbegriffs ist. Denn wie bereits dargelegt, kommt es nicht allein durch die Transaktion zur Vermögensbewegung. Vielmehr ist es notwendig, dass die Transaktion vom Netzwerk als valide eingestuft wird und schließlich durch den jeweiligen Blockbildungsprozess Teil des Datenbestandes eines Blocks der Blockchain wird. Zudem muss eine gewisse Weile abgewartet werden, bis sichergestellt werden kann, dass sich der Block mit der jeweiligen Transaktion auch in der tatsächlich fortgeführten Blockkette befindet. Insoweit ist äußerst zweifelhaft, ob ein solches mehraktiges Geschehen, auf welches die Parteien keine Einwirkungsmöglichkeit haben, eine Einigung im Sinne der einschlägigen Normen darstellen kann.58 cc) Schlussfolgerungen Unter der Annahme, dass die Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO ausscheiden, ist nach der statthaften Sicherungsmaßnahme zu fragen. Reflexhaft könnte man (wie oftmals schon bei den Übertragungstatbeständen) an eine analoge Anwendung der Norm denken. Dies wäre jedoch systemwidrig. Schon der Wortlaut „insbesondere“ des § 21 Abs. 2 InsO suggeriert, dass es sich bei den nachfolgenden Nummern nicht um eine abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden Maßnahmen handeln kann. § 21 Abs. 2 InsO hat demzufolge vielmehr den Charakter einer Generalklausel.59 Hinsichtlich der Analogiefähigkeit von Generalklauseln gilt jedoch das bereits zu § 857 Abs. 1 ZPO Gesagte. Des Weiteren soll 56 BGH, Urt. v. 9. 02. 1955  – IV ZR 188/54 (KG), NJW 1955, 866 (867); BGH, Urt. v. 6. 04. 1973 – V ZR 127/72, MDR 1973, 572; Berger, in: Jauernig BGB, § 854 BGB, Rn. 12; Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 854 BGB, Rn. 43; Götz, in: BeckOGK BGB, § 854 BGB, Rn. 104; Gutzeit, in: Staudinger BGB, § 854 BGB, Rn. 29; Elzer, in: Ermann BGB, § 854 BGB, Rn. 14; Schulte-Nölke, Schulze BGB, § 854 BGB, Rn. 13; a. A. Schäfer, in: MüKoBGB, § 854 BGB, Rn. 51 ff.; Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 201 ff. 57 Stellv. Gutzeit, in: Staudinger BGB, § 854 BGB, Rn. 31. 58 Spiegel, in: Möslein / Omlor, FinTech-Handbuch, § 19, Rn. 44; Langenbucher, AcP 218 (2018) 385 (410). 59 Haarmeyer / Schildt, MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 44.

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sich das moderne Insolvenzverfahren nach den Ideen des Gesetzgebers ohne Bruch in bestehende Wirtschaftsordnungen einfügen, sodass die Gesetzmäßigkeiten des (betreffenden) Marktes auch die Insolvenzabwicklung steuern.60 Will man den Kryptowährungsmarkt und die (technologischen) Besonderheiten demzufolge als eigenständigen Markt verstehen, so muss auch dessen Gesetzmäßigkeiten Rechnung getragen werden. Der Entzug der Verfügungsberechtigung beim Inhaber des privaten Schlüssels widerspricht aber den Zuordnungs- und Handlungsprinzipien. Demnach ist weiterhin nach einer anwendbaren Sicherungsmaßnahme zu fragen. b) Effektive Sicherungsmaßnahme nach § 21 InsO § 21 InsO gestattet es über das bisher Gesagte hinaus, dass weitere von der Aufzählung abweichende oder veränderte Maßnahmen ergehen können, welche im Rahmen des Sicherungszwecks jederzeit vom Insolvenzgericht angeordnet werden können.61 Es können gar außerhalb des Regelungsbereichs des § 21 InsO liegende Maßnahmen angeordnet werden, wenn (nur) dadurch der Sicherungszweck erreicht werden kann.62 Die Frage ist demzufolge, welche Maßnahme in Betracht kommt. aa) Sicherung der Verwertung knapper Ressourcen als Effizienzziel des Insolvenzverfahrens Dabei ist die Notwendigkeit einer effektiven Maßnahme vor dem Hintergrund des § 1 InsO nicht nur allein im Lichte der Sicherung einer idealen Gläubigerbefriedigung zu verstehen, was nur dem subjektiven Wunsch der Gläubiger entsprechen würde. Vielmehr dient das (gesamte) Insolvenzverfahren (auch) dazu, den sozialen Frieden durch die Sicherstellung der gerechten Verteilung der knappen Ressourcen, also der restlichen Vermögenswerte des insolventen Schuldners, unter den Gläubigern zu gewährleisten.63 Da die Gläubigergemeinschaft eine Verlustgemeinschaft darstellt,64 muss die Vermögensverwaltung der knappen Ressourcen die Verluste dieser Gemeinschaft so gering wie möglich halten.65 Demzufolge strebt die Insolvenzordnung eine „ökonomisch vernünftige Haftungsverwirklichung“ an, wohingegen etwa die Sanierung (also die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Existenz) daran gemessen ein nachrangiges Verfahrensziel ist.66 Die Schaffung 60

BT-Drs. 12/2443, S. 77. Haarmeyer / Schildt, MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 44. 62 Haarmeyer / Schildt, MüKoInsO, § 21 InsO, Rn. 44; Mönning, in: Nerlich / Römermann, Insolvenzordnung, § 21 InsO, Rn. 43. 63 Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 5; Pape, in: Uhlenbruck InsO, § 1 InsO, Rn. 1. 64 Paulus, NZI 2015, 1001. 65 Vgl. Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 5. 66 Pape, in: Uhlenbruck InsO, § 1 InsO, Rn. 1. 61

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und Aufrechterhaltung einer optimalen Verwertung ist demzufolge das wesentliche Effizienzziel.67 Wenn der Normzweck des § 21 InsO vordergründig dem Gläubigerschutz für die Zeit der Ermittlung der Feststellung des Eröffnungsgrundes und der Kostendeckung bezweckt,68 müssen die vorgestellten rechtsökonomischen Erwägungen gerade auch im Eröffnungsverfahren gelten. Anderenfalls kann eine Sicherstellung der Verteilung der knappen Ressourcen im eröffneten Insolvenzverfahren denknotwendig nicht sichergestellt werden, wenn der Gläubiger diese Ressourcen im Eröffnungsverfahren theoretisch vernichten kann. Die rechtsökonomischen Erwägungen sind daher gerade im Eröffnungsverfahren maßgeblich zu beachten, da sie anderenfalls nicht mehr zur Geltung kommen können. Bezugnehmend auf Kryptowährungen bedeutet dies, dass der UTXO der Gläubigeradressen schnellstmöglich vor Verschlechterung durch Transaktionen geschützt werden muss. Gerade vor dem Hintergrund einer oftmals nicht erfolgten Zuordnung können hierdurch aber die Ansprüche der Nutzer vereitelt werden. Ist bei drohender Insolvenz davon ausgehen, dass der Schuldner bewusst Vermögensverschlechterungen herbeiführen wird, wenn es für ihn nutzenmaximierend ist, bestehen bei Blockchain-basierten virtuellen Währungen besondere Risiken. Durch Verwendung sog. Tumbler ist es möglich, dass die ursprüngliche Herkunft von Kryptowährungen, also der einzelnen Transaktionen, verschleiert wird. Tumbler sind spezielle Mixing-Dienste, durch die es möglich ist, identifizierbare Transaktionen gegen eine Gebühr derart zu verschleiern, dass ihr Ursprung anonymisiert wird und demzufolge nicht mehr nachverfolgt werden kann, aus welcher Quelle der jeweilige UTXO transferiert worden ist.69 Auch ein Vergleich mit der Insolvenz von Quadrigacx spricht für ein solches Erfordernis. Denn der Verlust der privaten Schlüssel bei der insolventen Kryptohandelsplattform führt faktisch immer dazu, dass ein Zugriff auf die bestreffenden Adressen und damit eine Verwertung der betreffenden Kryptowährungen unmöglich wird. Im Fall von Quadrigacx ist diese Unmöglichkeit dadurch eingetreten, dass die zugehörigen privaten Schlüssel ausschließlich dem Firmengründer bekannt waren, dieser aber verstorben ist.70 Zwar ist freilich nicht im Regelfall von einem Todesfall des einzigen Mitarbeiters auszugehen, welcher allein die privaten Schlüssel in Besitz hatte. Jedoch veranschaulicht dieser Fall, dass nicht nur die Wegtransferierung, sondern auch der Verlust privater Schlüssel eine Gefahr für die Insolvenzmasse darstellt.

67 Im Einzelnen Madaus, in: BeckOK InsO, § 1 InsO, Rn. 22.2; Die zugrundeliegende Creditors’ Bargain Theory wurde begründet von Jackson, Yale Law Journal Vol. 91, No. 5, 857 ff. 68 Böhm, in: Braun InsO, § 21 InsO, Rn. 1. 69 Chohan, The Cryptocurrency Tumblers: Risks, Legality and Oversight, S. 2. 70 Heise, Kryptogeldbörse Quadrigacx insolvent: Nur verstorbener Chef kannte Passwörter, abrufbar unter: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kryptogeldboerse-Quadrigacxinsolvent-Nur-verstorbener-Chef-kannte-Passwoerter-4297210.html (zuletzt aufgerufen am 27. 3. 2021).

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

bb) Verwahrung nach § 21 Abs. 1 InsO Erforderlich ist also eine Maßnahme, die ein Wegtransferieren ausschließt. Bereits im 3. Kapitel wurde festgestellt, dass dies nicht durch die „Inbesitznahme“ des dazugehörigen privaten Schlüssels geschehen kann. Der einzige technologisch weitestgehend sichere Weg ist die (vorläufige) Transaktion auf eine behördliche Adresse im jeweiligen Blockchain-Netzwerk. Fraglich ist, ob dies nach § 21 Abs. 1 InsO einerseits möglich und andererseits statthaft ist. Wie bereits festgestellt, gibt es innerhalb des § 21 Abs. 1 InsO zunächst keinen gesetzlichen Typenzwang in Bezug auf die Verwertungsarten.71 Eine Verwahrung von Vermögensgegenständen ist innerhalb der in Betracht kommenden Sicherungsmaßnahmen des § 21 Abs. 1 InsO auch nicht neu. Allgemein wird die amtliche Verwahrung einzelner Vermögensbestandteile als zulässige Maßnahme angesehen.72 Speziell wird etwa eine Verwahrung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter z. B. bei Aktien oder Wertpapieren vorgeschlagen, wenn ansonsten keine Notwendigkeit für ein allgemeines Verfügungsverbot bestehe.73 Auch bei einem Forderungseinzug nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 3 InsO wird daher eine Einziehung der betreffenden Forderungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter durchgeführt, wobei er diese unterscheidbar zu verwahren hat.74 In Anbetracht der neuen Situation, dass die maßgebliche Vermögensmasse des insolventen Schuldners aus Einheiten verschiedener Kryptowährungen besteht, kann diese anerkannte Sicherungsmaßnahme ebenfalls auf diesen Sachverhalt angewandt werden. Aufgrund der technologischen Besonderheiten kann eine Sicherstellung der gerechten Verteilung schlicht nicht durch andere Mittel erreicht werden. Das bedeutet, dass nach erfolgter Auskunftserteilung gem. § 20 Abs. 1 InsO eine Transaktion der jeweiligen Kryptowährungseinheiten auf eine oder mehrere behördliche Adressen stattzufinden hat. Den Schuldner trifft nach §§ 20 Abs. 1 S. 2, 97 Abs. 1 S. 1 InsO die umfassende Auskunftspflicht über alle das Verfahren betreffenden Sachverhalte.75 Da das Insolvenzgericht auch über vorläufige Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO entscheidet, umfasst die Auskunftspflicht des Insolvenzschuldners entgegen des Wortlauts auch solche Auskünfte.76 Das bedeutet, dass alle Umstände, welche zur Identifizierung und Sicherstellung von Vermögenswerten nötig sind, hiervon umfasst sind.77 Notwendigerweise muss also neben der Angabe, auf welchen Blockchain-Adressen

71

BT-Drs. 12/2443, S. 78. Haarmeyer / Schildt, in: MüKo InsO, § 21 InsO, Rn. 90. 73 Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 InsO, Rn. 23. 74 BGH, Urt. v. 21. 01. 2010 – IX ZR 65/09, NZI 2010, 339 (341); Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 InsO, Rn. 38d. 75 Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 20 InsO, Rn. 21. 76 Vuia, in: MüKoInsO, § 20 InsO, Rn. 24. 77 Vuia, in: MüKoInsO, § 20 InsO, Rn. 28. 72

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sich Kryptowährungen befinden, auch Auskunft über die dazugehörigen privaten Schlüssel erfolgen, falls die Verwahrung als Sicherungsmaßnahme angeordnet ist. Notwendigerweise muss wie bei dem Forderungseinzug eine Art der Verwahrung erfolgen, die (vor allem im Hinblick auf die Ansprüche der Nutzer78) eine Abgrenzung der auf den einzelnen Adressen gehaltenen Kryptowährungen zulässt. Daher sollte nach dem Spiegelbildprinzip für jede Schuldneradresse auch eine behördliche Adresse bestehen, die ausschließlich der gegenseitige UTXO im Ganzen transferiert wird. cc) Verhältnismäßigkeit? Die Sicherungsmaßnahme muss darüber hinaus auch verhältnismäßig, also zur Sicherung des Schuldnervermögens geeignet, erforderlich und angemessen sein.79 Durch eine Verwahrung auf behördlichen Adressen mit Hilfe einer Wegtransferierung kann die Vermögensverschlechterung durch Transaktionen des Schuldners verhindert werden. Zudem ist sie – wie bereits dargelegt – das einzige technisch (zumindest im hohen Maße) sichere Mittel, um eine Wegtransferierung des UTXO der Schuldneradresse(n) tatsächlich zu verhindern. Es kommt daher schlicht kein anderes Mittel zur Verhinderung in Betracht, sodass keine mildere Maßnahme gleich effektiv eine Vermögensminderung verhindern könnte. Weniger einschneidende Sicherungsmaßnahmen können vor diesem Hintergrund also keinen Erfolg versprechen, sodass auch nach der Systematik eines abgestuften Systems der Sicherungsmaßnahmen derart vergleichsweise invasive Maßnahmen eigensetzt werden dürfen.80 Diese Annahme einer Verhältnismäßigkeit muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 InsO sogar die Anordnung der Haft im Eröffnungsverfahren zur Erreichung der Normziele als zulässig angesehen wird, wenn nur dadurch die Sicherung vor Vermögensmanipulationen verhindert werden kann.81 Dieser Sicherungsmaßnahme kann man entgegenhalten, dass sie faktisch das Stadium des Eröffnungsverfahrens überschreitet und eine Art vorläufig eröffnetes Insolvenzverfahren statuiert. Dies ist jedoch kein als unverhältnismäßig einzustufendes Ergebnis. Denn einerseits gibt es mangels technischer Alternativen kein milderes Mittel, welches den Normzweck des § 21 InsO erreichen kann. Anders können die Sicherungsinteressen der Gläubiger also nicht gewahrt werden. Andererseits ist diese faktische Vorverlegung den Maßnahmen des § 21 InsO nicht fremd. Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots mit Bestellung eines 78

Hierzu Näheres unter Kap. 6 B. II. 1. b). BGH, Beschl v. 1. 12. 2005 – IX ZB 208/05, NZI 2006, 122 (123); Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 16; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 InsO, Rn. 43. 80 Haarmeyer / Schildt, in: MüKo InsO, § 21 InsO, Rn. 27. 81 Haarmeyer / Schildt, in: MüKo InsO, § 21 InsO, Rn. 94. 79

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

vorläufigen Insolvenzverwalters führt schließlich auch dazu, dass die Wirkungen des § 80 InsO faktisch bereits im Eröffnungsverfahren eintreten, weil nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter über das Schuldnervermögen verfügen kann.82 Das belegt ferner, dass eine solche Maßnahme auch nicht weiter geht als die Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens.83 2. Ergebnis Sicherungsmaßnahmen wie Verfügungsverbote kommen nicht in Betracht. Eine Massesicherung und damit verbunden eine Erreichung der rechtsökono­m ischen und teleologischen Ziele des § 21  InsO kann nur durch eine Verwahrung der Krypto­währungen des insolventen Schuldners durch Transfer auf spiegelbildlich anzulegende behördliche Adressen erreicht werden. Aus praktischer Sicht verbleibt jedoch das Problem, dass hierdurch keine tatsächliche Zuordnung der einzelnen Transaktionen vorgenommen werden kann und darf. Nutzt die betreffende Kryptohandelsplattform also Kryptopools, bestehen dieselben Zuordnungsfragen weiterhin. Hierauf wird im Laufe dieser Arbeit noch detailliert eingegangen.

II. Massezugehörigkeit von Kryptowährungen Bisher wird für Kryptowährungen angenommen, dass sie Teil der Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO sind, weil sie einen Vermögenswert aufweisen und sie keine unpfändbaren Gegenstände nach § 36 Abs. 1 InsO sind.84 Ausgangspunkt ist jedoch immer zunächst die Ist-Masse, welche um diejenigen Vermögenswerte zu bereinigen ist, an denen nach §§ 47, 48 InsO Aussonderungsrechte bestehen können (Ermittlung der Soll-Masse).85 Daher ist es von elementrarer Bedeutung zu ermitteln, ob und welche Art von Aussonderungsrechten im Falle der Insolvenz eines Kryptounternehmens bestehen. Wesentlich für diese Frage ist, dass zwischen den einzelnen Geschäftsmodellen unterschieden werden muss.

82

Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 43 f. Vgl. Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 InsO, Rn. 15. 84 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 53; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 38; Peters, in: MüKoInsO, § 35 InsO, Rn. 407; Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (530); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645). 85 Hirte / Praß, Uhlenbruck InsO, § 35 InsO, Rn. 47; Jilek / Kirchner, in: BeckOK InsO, § 35 InsO, Rn. 4. 83

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1. Aussonderung In der Literatur wird ein Bestehen von Aussonderungsrechten teilweise gänzlich abgelehnt, da an Kryptowährungen (genauer gesagt an ihrer Inhaberschaft) kein schuldrechtliches oder absolutes Recht bestehen kann.86 Eine solche Ansicht verkennt die statthafte rechtliche Qualifikation der tatsächlichen Herrschaftsmacht mittels der Inhaberschaft des privaten Schlüssels sowie die vielseitigen schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Nutzern und Kryptounternehmen. Aussonderungsrechte ergeben sich aber nicht etwa schon dann, wenn sich die „Hardware-Wallet eines Dritten im Besitz des Insolvenzschuldners befindet und der Insolvenzverwalter die entsprechenden Currency-Token bereits auf einem eigenen Private Key übertragen hat, […]“.87 Zunächst ist der ideelle Zweck einer Hardware-Wallet die Offline-Verwahrung der privaten Schlüssel bei einem selbst. Anderenfalls würde man den Dienst eines Online-Wallet-Anbieters nutzen. Des Weiteren werden Kryptowährungen nicht auf private Schlüssel transferiert, sondern auf Adressen im Blockchain-Netzwerk mithilfe der korrekten digitalen Signatur. Zuletzt werden die privaten Schlüssel auf Hardware-Wallets durch technische Verfahren wie Passwortsicherung oder durch die Verwendung bestimmter Chipsätze verschlüsselt.88 Das bedeutet, dass diese nicht einfach ausgelesen werden können. Aussonderungsrechte könnten sich theoretisch entweder durch (Abwehr-)Rechte aus der Rechtsstellung durch die tatsächliche Herrschaftsmacht mittels der Inhaberschaft des privaten Schlüssels oder aus den schuldrechtlichen Beziehungen ergeben. Hinsichtlich letzterem kann nicht pauschal auf eine Art von Schuldverhältnissen abgestellt werden. Daher soll nun unter Beachtung der verschiedenen Möglichkeiten untersucht werden, wann welche Art von Aussonderungsrechten bestehen. a) Dingliche Rechte nach § 47 S. 1 Alt. 1 InsO Das Bestehen von dinglichen Rechten im Sinne des § 47 S. 1 Alt. 1 InsO an Kryptowährungen wird teilweise pauschal (und ohne tiefergehende Auseinandersetzung) abgelehnt.89 Das ist nach der hier statuierten Auffassung des rechtlichen 86

Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 53. Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 45 ff.; Kütük /  Sorge, MMR 2014, 643 (545). 88 Vgl. hierzu etwa das wohl bekannteste Hardware-Wallet Modell „Nano S“ von Ledger, Why you should choose Ledger hardware wallets, abrufbar unter: https://www.ledger.com/ academy/hardwarewallet/why-you-should-choose-ledger-hardware-wallets/ (zuletzt aufgerufen am 31. 3. 2021). 89 Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 53; Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645). 87

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Charakters von Kryptowährungen nicht zutreffend. Daher soll wieder ein systematischer Vergleich zum Besitzschutz erfolgen. Dem Besitzer steht ein Anspruch aus § 861 BGB auf Wiedereinräumung und aus § 1007 BGB auf Herausgabe des Besitzes zu, die beide unstrittig nach § 47 S. 1 Alt. 1 InsO zur Aussonderung berechtigen.90 Dasselbe gilt für § 862 BGB und zwar auch dann, wenn erst der Insolvenzverwalter die Störung bewirkt.91 Hinsichtlich des Anspruchs aus § 1007 Abs. 1 BGB wurde in Kap. 5 B. V. 1. b) die Statthaftigkeit einer Analogiebildung zum Schutz des Kontinuitätsinteresses des ehemaligen Inhabers der tatsächlichen und ausschließlichen Herrschaftsgewalt über einen UTXO in Form der Inhaberschaft des privaten Schlüssels dargelegt. Daher kann dieser petitorische Schutzanspruch auch ein Aussonderungsrecht nach § 47 S. 1 Alt. 1 InsO darstellen. Zu fragen ist, ob neben einer analogen Anwendung des § 1007 Abs. 1 BGB auch eine analoge Anwendung der §§ 861, 862 BGB und somit die ganze Bandbreite des Besitzschutzes zum Schutz der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Blockchain-Adresse durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels besteht. Auch die possessorischen Ansprüche aus § 861 BGB und § 862 BGB dienen der Wiederherstellung des früheren Besitzstandes, also der tatsächlichen Herrschaftsgewalt.92 § 863 BGB stellt hierbei deutlich klar, dass eine materielle Berechtigung (wie man diese auch letztlich begründen mag) keine Relevanz hat, da sich diese possessorischen Ansprüche allein aus dem Besitz ableiten.93 Wegen der im Ergebnis gleichen Zielsetzung, der jedoch erleichterten Voraussetzungen ist eine analoge Anwendung im Erst-Recht-Schluss ebenfalls zu bejahen, wenn bereits die analoge Anwendung des § 1007 Abs. 1 BGB statthaft ist. Insoweit gelten die maßgeblichen Begründungen im Rahmen des § 1007 Abs. 1 BGB also fort, weshalb darauf zu verweisen ist. Ein derartiger Schutz im Rahmen der Insolvenz durch ein Aussonderungsrecht ist auch nötig, falls ein Sachverhalt vorliegt, indem kein schuldrechtlicher Anspruch als persönliches Recht nach § 47  S.  1 Alt. 2 InsO besteht. Anderenfalls wären insolvenzrechtliche Schutzlücken gegeben, welche dazu führen, dass eine Verwertung schuldnerfremder Vermögensgüter denkbar ist (dazu sogleich). Ein solches Ergebnis kann aber vor dem Hintergrund des rechtsökonomischen Gedankens der Sicherstellung einer gerechten Verteilung der knappen Ressourcen nicht systemkonform sein. Denn die Verteilung des restlichen Schuldnervermögens als knappe Ressource kann nicht als gerecht bezeichnet werden, wenn ein Teil dieser Ressource ihr nicht zuzuordnen ist. 90 Anders, in: Nerlich / Römermann InsO, § 47 InsO, Rn. 45; Bäuerle, in: Braun InsO, § 47 InsO, 44; Brinkmann, in: Uhlenbruck InsO, § 47 InsO, Rn. 59; Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 326; Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 61. 91 Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 326. 92 Gutzeit, in: Staudinger BGB, § 861 BGB, Rn. 2. 93 Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 861 BGB, Rn. 1.

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b) Persönliche Rechte nach § 47 S. 1 Alt. 2 InsO Die vielseitigen und im Detail unerforschten rechtlichen Beziehungen zwischen den Diensteanbietern und den Nutzern werfen die Frage auf, ob es innerhalb dieser vertraglichen Verflechtungen auch persönliche Rechte im Sinne des § 47 S. 1 Alt. 2 InsO gibt, die ein Aussonderungsrecht darstellen können. Die sich aus diesen schuldrechtlichen Beziehungen ergebenden Herausgabeansprüche können den Anspruchsinhaber (also den Nutzer) jedoch nur dann zur Aussonderung berechtigen, wenn durch sie der Insolvenzmasse Befugnisse untersagt werden, die ihr mit absoluter Wirkung nicht zustehen.94 aa) Online-Wallet-Anbieter Wie bereits dargelegt, werden die rechtlichen Beziehungen zwischen Nutzer und Kryptoverwahrplattform im absoluten Regelfall so ausgestaltet sein, dass die privaten Schlüssel zwar dort hinterlegt werden, aber nur der Nutzer jederzeit den ausschließlichen Zugriff auf den durch ihn hinterlegten privaten Schlüssel hat. Demnach kann diese ausschließliche Zugriffsbefugnis für insolvenzfest befunden werden. Die Ausschließlichkeit ergibt sich auch daraus, dass – wie bereits dargelegt  – Verwahrdienste Verschlüsselungsmaßnahmen einsetzen, damit sie selbst keinen Zugriff auf den privaten Schlüssel haben, welcher als Datenmenge auf ihren Servern verwahrt wird. Anderenfalls würde kein Nutzer seinen privaten Schlüssel dort hinterlegen. Des Weiteren dient die Verschlüsselung auch dem Eigeninteresse der Verwahrdienste, da dadurch Schäden durch Hacking-Angriffe minimiert werden sollen. Dieses Verhältnis kann demzufolge nur als Verwahrung nach § 688 BGB klassifiziert werden,95 bei dem ein jederzeitiger Herausgabeanspruch des Hinterlegers nach § 695 BGB besteht. Ein Anspruch aus § 695 BGB stellt unstrittig ein persönliches Aussonderungsrecht nach § 47 S. 1 Alt. 2 InsO dar.96 bb) Kryptohandelsplattformen Bei der Frage, ob bei der Insolvenz einer Kryptohandelsplattform Aussonderungsrechte zustehen, steht die Frage nach persönlichen Aussonderungsrechten im Vordergrund. Denn wie bereits erläutert, erhält ein Nutzer hier keine eigene 94

Hoffmann, JZ 2019, 960 (964). Zur generellen Möglichkeit der Einordnung nach § 688 BGB Koch, ITRB 2001, 39 (42); Söbbing, MMR 2007, 479. 96 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 695 BGB, Rn. 1; Henssler, in: MüKoBGB, § 695 BGB, Rn. 5; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 414. 95

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Adresse im Blockchain-Netzwerk und demzufolge auch keinen privaten Schlüssel zugeteilt. Vielmehr bestehen schuldrechtliche Beziehungen zwischen der Kryptohandelsplattform und den Nutzern, die im Einzelnen zu untersuchen sind. Wie bereits dargelegt, kann man das Geschäftsmodell von Kryptohandelsplattformen mit dem Buchgeldmodell vergleichen. Auch hier finden keine tatsäch­lichen On-Chain-Transaktionen statt, wie im Buchgeldmodell auch keine physischen Geldscheine übereignet werden. Der Nutzer als Kunde der Kryptohandelsplattform erhält vielmehr eine Forderung gegenüber der Kryptohandelsplattform. Diese Forderung ist innerhalb der Nutzergemeinschaft handelbar und zielt demzufolge darauf ab, dass sie zwischen den einzelnen Nutzeraccounts mittels Buchungen durch die Kryptohandelsplattform übertragen werden kann. Die Forderung selbst bezieht sich auf Einheiten einer bestimmten Kryptowährung. Diese Forderung kann auch geltend gemacht werden, wodurch (ausnahmsweise) auch eine Blockchain-Transaktion stattfindet. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Nutzer sein Guthaben auf eine andere Kryptohandelsplattform transferieren möchte. Hier findet eine Transaktion der geschuldeten Einheiten von der alten zur neuen Kryptohandelsplattform statt und wird demzufolge ebenfalls mit (vergleichsweise hohen) Gebühren belegt. Die Forderung als solche sowie ihre Höhe entsteht erstmals bei der Erstellung eines Nutzeraccounts dadurch, dass entweder eine Einzahlung von Giralgeld mittels Überweisung oder eine Transaktion der einzuzahlenden Kryptowährungen erfolgt und die jeweilige Höhe dann dem Nutzer­ account gutgeschrieben wird. Die Höhe der einzelnen Positionen kann dann im Verlauf durch Handel innerhalb der Kryptohandelsplattform oder durch weitere Einzahlungen verändert werden. Wie beim Buchgeld ist auch hier das Kerncharakteristikum, dass dem Empfänger einer Zahlung innerhalb der Kryptohandelsplattform ein direkter und abstrakter Anspruch gegen die Plattform selbst, nicht jedoch gegen den Absender vermittelt wird.97 (1) Geschäftsbesorgung? Vereinzelt wird angenommen, dass ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Form einer Auftragsausführung vorliegt, wodurch die dann bestehende Herausgabepflicht nach § 667 Var. 1 BGB ein Aussonderungsrecht statuiert.98 Gegenstand eines Auftrags nach § 662 BGB ist jedoch eine Tätigkeit jeglicher Art.99 Wie bereits ausgeführt, kommt es im Regelfall bei den hier beleuchteten Sachverhalten zu keiner Tätigkeit. So ist keinem AGB-Werk von Kryptohandelsplattformen zu entnehmen, dass sie für den Nutzer bei jeder Erwerbstätigkeit innerhalb der Plattform UTXO (erneut) erwerben und halten. Vielmehr geschehen die Transaktionen schon 97

Vgl. zum Buchgeld Grundmann, in: MüKoBGB, § 245 BGB, Rn. 8. Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 46. 99 Fischer, in: BeckOK BGB, § 662 BGB, Rn. 8. 98

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aufgrund der ansonsten anfallenden Transaktionsgebühren off-chain per Buchwertänderung. Es bleibt dann generell bei dem (abstrakten) Versprechen, dass man dem Nutzer die per Buchwert gehaltenen Kryptowährungen schulde. Vor diesem Hintergrund kann jedoch keine Auftragsausführung vorliegen, weil keine tatsächliche Handlung für den Nutzer vorgenommen wird. Auch bei Kryptohandelsplattformen mit Einzeladressen ist dies eine Frage der internen Verwaltung und Herstellung der Zuordenbarkeit als eine vertragliche Tätigkeit im fremden Interesse. (2) §§ 780, 781 BGB? Die einzelne Entflechtung der schuldrechtlichen Beziehungen ist im Einzelfall kompliziert und kann vor dem Hintergrund des Themenschwerpunktes dieser Arbeit nicht ausführlich erfolgen. Von wesentlicher Bedeutung ist jedoch die Erkenntnis, dass im weit verbreiteten Geschäftsmodell der Kryptohandelsplattformen ein dem abstrakten Schuldversprechen entsprechender schuldrechtlicher Anspruch besteht. Sofern man beim Vergleich zum Buchgeld bleiben möchte, wird auch hier die Gutschrift eines überwiesenen Geldbetrages auf ein Girokonto durch die Empfängerbank als abstraktes Schuldversprechen (oder Schuldanerkenntnis) klassifiziert.100 Die Übernahme einer solchen rechtlichen Qualifizierung scheitert aber auf den ersten Blick an dem nie erfüllten Schriftformerfordernis aus § 780 S. 1 u. S. 2 BGB, was zur Nichtigkeit nach § 125 BGB führt, da die Erstellung eines Nutzungskontos bei Kryptohandelsplattformen komplett elektronisch abläuft. Die Kryptohandelsplattform wird jedoch faktisch immer zugleich die Kaufmannseigenschaft erfüllen, sodass aus ihrer Sicht ein (zumindest) einseitiges Handelsgeschäft nach § 345 HGB vorliegen wird. Ist der Versprechende (hier die Kryptohandelsplattform) jedoch Kaufmann, so entfällt das Formerfordernis der §§ 780 S. 1, 781 S. 1 BGB gemäß § 350 HGB, um dem Bedürfnis nach einfacher und schneller Abwicklung Rechnung zu tragen.101 Ein abstraktes Schuldversprechen beruht jedoch darauf, dass es eine völlig selbstständige und von den recht­lichen wie auch wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des ihr zugrundeliegenden Verhältnisses losgelöste Verpflichtung darstellt.102 Das bedeutet, dass das ihr zugrundeliegende Leistungsversprechen von seinem Entstehungsgrund losgelöst ist und eine neue (eigenständige) Anspruchsgrundlage statuiert wird, sodass sich der Gläubiger nur darauf berufen braucht.103 Dass dem Nutzer aber ein solcher Leistungsanspruch seitens der Kryptohandelsplattform zugesprochen wird, ist von Beginn an fester Bestandteil der vertraglichen Rahmenbedingungen des Rechtsverhältnisses. Hier 100

BGH, Urt. v. 7. 12. 2004 – XI ZR 361/03 (KG), NJW-RR 2005, 559 (560); BGH, Urt. v. 16. 04. 1991 – XI ZR 68/90, NJW 1991, 2140; Habersack, in: MüKoBGB, § 780 BGB, Rn. 42; Segna, in: Langenbucher et al. Bankenrechts-Kommentar, Kap. 10, Rn. 4; Pamp, in: Oetker HGB, § 350 HGB, Rn. 6. 101 Lehmann-Richter, BeckOK HGB, § 350 HGB, Rn. 1. 102 Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 780 BGB, Rn. 11. 103 BGH, Urt. v. 23. 01. 1997 – IX ZR 297/95, NJW 1997, 1435 (1438).

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für spricht auch, dass dieser Leistungsanspruch gleichrangig neben den anderen Verpflichtungen der Kryptohandelsplattform aufgezählt wird.104 Im Hinblick auf die Ausgangsfrage nach einer Aussonderung ist es aber generell fraglich, ob ein so ausgestalteter Anspruch zur Aussonderung nach § 47 S. 1 Alt. 2 InsO berechtigen kann. Denn nach Ansicht dieser Arbeit besteht kein selbstständiges Recht am UTXO einer Adresse. Insoweit kann sich ein solcher Anspruch nur auf die Verschaffung einer Vermögensmehrung mittels einer tatsächlichen Handlung (also einer Transaktion im jeweiligen Blockchain-Netzwerk) richten. Es handelt sich mithin nicht um einen Anspruch auf Rechtsverschaffung, sondern dieser ist auf die Verschaffung des Vermögens gerichtet. Ein Anspruch auf Rechtsverschaffung kann aber kein Aussonderungsrecht begründen, da der nicht darauf beruht, dass der Vermögensgegenstand haftungsrechtlich nicht zur Insolvenzmasse gehört.105 Wenn aber schon ein Anspruch auf Rechtsverschaffung nicht zur Aussonderung berechtigt, dann gilt dies erst recht nicht für einen Anspruch, der auf eine rein tatsächliche Vermögensverschaffung gerichtet ist. (3) Treuhandverhältnis? Die soeben angestellten Überlegungen gelten nur für den Fall, dass die Krypto­ handelsplattform einen oder mehrere Kryptopools betreibt, in denen sich die eigens für sich erworbene (und damit zum Vermögen der Plattform zählende) und die zum Vermögen der Nutzer zählenden Kryptowährungen gemischt (also nicht getrennt) befinden. Insoweit eine Kryptohandelsplattform strikt getrennte und jedem Nutzer zuordbare Adressen generiert, auf denen sich jeweils immer nur der UTXO befindet, welcher auch dem jeweiligen Nutzer geschuldet wird, können auch diese mit einem (fiduziarischen) Treuhandkonto verglichen werden.106 Denn maßgebliche Begründung für eine solche Art und Weise der Verwaltung ist, dass eine scharfe Trennung der einzelnen Krypto-Vermögen stattfinden soll, wodurch diese jedem Nutzer zugeordnet sind. Dieser Gedanke gleicht dem Vermögenstrennungsprinzip, also der getrennten Verwahrung von Treugut.107 Andererseits passt der Vergleich zum Treuhandprinzip wiederum nicht in allen Punkten. Maßgeblich für die (fremdnützige) Treuhand ist, dass dem Treuhänder eine Rechtsposition eingeräumt wird.108 104

Vgl. etwa das User Agreement von Coinbase, bei welchem die Pflichten hinsichtlich „Digital Currency Custody and Title“ als Unterpunkt 2.6 von Punkt 2 aufgelistet werden, wobei Punkt 2 generell „Wallet and Custodial Services“ regelt. Der Punkt findet sich generell im Part 1 „General Use“. 105 Lohmann, in: Kayser / T hole Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 InsO, Rn. 17. 106 Vgl. Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 392. 107 Lohmann, in: Kayser / T hole Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 InsO, Rn. 23. 108 Brinkmann, in: Uhlenbruck InsO, § 47 InsO, Rn. 78.

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Selbst wenn man diese Einräumung noch aus der erstmaligen Transaktion zur Guthabengenerierung bei der Nutzerkontenerstellung konstruieren möchte, so kann man damit nicht den Anstieg der Nutzerkonten im weiteren Verlauf vergleichen. Denn diese erfolgen dann durch reine Umbuchungsmaßnahmen durch die Kryptohandelsplattform, weshalb man hier von keiner Einräumung einer Rechtsposition durch den Treugeber sprechen kann. Zudem können rein schuldrechtliche Ansprüche nicht für die Begründung eines Treuhandverhältnisses ausreichen.109 Vielmehr wird neben der schuldrechtlichen Komponente eine „quasi-dingliche“110 Komponente in der Art gefordert, dass eine äußerliche Umsetzung der Manifestation bewirkt wird, wonach das treuhänderische Vermögen vom Vermögen des Treuhänders abgesondert ist.111 Dies ist eine Frage der Zuordnung. Die privaten Schlüssel zu den Adressen, auf denen (auch) der „zugehörige“ UTXO des Nutzers gespeichert wird, sind aber immer bei der Kryptohandelsplattform. Nach der hier vertretenden und mit der technologischen Zuordnung übereinstimmenden Auffassung ist diese „quasi-dingliche“ Komponente nicht erfüllt. So wird beispielsweise auch beim Erwerb eines Gegenstandes durch den Beauftragten für den Auftraggeber ein Treuhandverhältnis abgelehnt.112 Zugleich würde dies – würde man den Vergleich konsequent annehmen – zu einem bizarren Ergebnis führen. Denn hinsichtlich treuhändischer Konten wird etwa angeführt, dass Kontenguthaben nur dann ausgesondert werden können, wenn das Konto ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch verwalteten Fremdgeldern bestimmt ist.113 Besteht hingegen eine gemischte Kontonutzung, also wenn das Konto auch eigenen Zwecken des Treuhänders dient (wie im Falle von Kryptopools), ist eine Aussonderung nicht möglich, da eine geteilte Berechtigung nicht möglich ist.114 Es ist also dem Glück des Nutzers überlassen, ob ihm ein Aussonderungsrecht zugesprochen werden soll oder nicht. Ein solches Ergebnis erscheint aus mehreren Gründen unbillig. Zunächst werden die Mehrzahl von Kryptowährungen durch Kryptohandelsplattformen gehalten. Eine solche Lösung würde demzufolge die Mehrheit treffen. Des Weiteren sind die verschiedenen AGB und Nutzungsbestimmungen der Kryptoverwahranbieter oftmals unklar, widersprüchlich und schwammig formuliert, zumal es hierzu keine besonderen Regularien seitens der Gesetzgeber gibt. Nimmt man allein Coinbase als Beispiel, so enthielt das User Agreement von Coinbase bis zu einer Änderung im März 2019 keine einzige Regulierung, welche die Verwahrung, Verwaltung

109

BGH, Urt. v, 16. 12. 1970 – VIII ZR 36/69, NJW 1971, 559 (560). Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 356c. 111 Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 356c. 112 BGH, Urt. v, 16. 12. 1970 – VIII ZR 36/69, NJW 1971, 559 (560). 113 Lohmann, in: Kayser / T hole Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 InsO, Rn. 6. 114 Lohmann, in: Kayser / T hole Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 InsO, Rn. 6. 110

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und rechtliche Zuordnung von Kryptowährungen der Nutzer geregelt hat.115 Auch das User Agreement von Gemini hat bis zu seiner Änderung im Jahr 2019 in keinem Satz von der Art und Weise der Verwahrung gesprochen.116 Selbst wenn ein durchschnittlicher Nutzer also die technischen und rechtlichen Auswirkungen der Verwahrungsformen verstehen könnte, so wurde und wird dieser oftmals nicht dazu aufgeklärt. Vor dem Hintergrund der wesentlichen Auswirkungen und der fehlenden Aufklärung erscheint ein Nutzer aber besonders schutzbedürftig. Man kann ihm keinesfalls dieses Risiko zumessen, zumal davon auszugehen ist, dass viele durchschnittliche Nutzer die technologischen Besonderheiten Blockchain-basierter Währungen nicht derart tiefgehend verstehen. Ihnen ist oftmals nicht klar, dass sie aus Sicht des Blockchain-Systems keine Kryptowährungen besitzen, sondern vielmehr nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Kryptohandelsplattform. Allein die teilweise im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten technologischen Verständnisfehler in juristischen Publikationen zum „Blockchain-Recht“ demonstrieren dieses Verständnisproblem einleuchtend. (4) Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der bisher angestellten schuldrechtlichen Überlegungen wird deutlich, dass die rechtlichen Verhältnisse dem Buchgeld- und Treuhandprinzip systematisch ähneln. Jedoch bleiben zugleich auch Unterschiede und Unklarheiten. Die bisherigen Überlegungen finden daher bewusst kein eindeutiges Ergebnis. Denn es passt keine der vorgestellten Vergleiche derart eindeutig, als dass vor dem Hintergrund der Schutzbedürftigkeit von einer zufriedenstellenden Lösung ausgegangen werden kann. Des Weiteren führen sie mit Hinblick auch nicht zu eindeutigen Antworten hinsichtlich der Frage, ob nun ein Aussonderungsrecht besteht oder nicht, wie schon der Treuhandvergleich aufzeigt. Dennoch soll die doch unstrittig vorhandene Ähnlichkeit zu diesen Rechtsfiguren im Folgenden noch Beachtung finden. (5) Notwendigkeit eines Aussonderungsrechts aufgrund rechtsökonomischer Gesichtspunkte Zunächst soll aber einmal grundlegend und losgelöst von etwaigen schuldrechtlichen Verstrickungen gefragt werden, ob es zwingende Annahmen gibt, die eine

115 116

Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (535). Haentjens et al., Singapore Journal of Legal Studies 2020, 526 (537).

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eindeutige gesetzliche Deklaration eines Aussonderungsrechts notwendig erscheinen lassen. Erst wenn das der Fall ist, kann vor dem Hintergrund der soeben vorgestellten Unklarheiten überlegt werden, wie ein Aussonderungsrecht de lege ferenda auszusehen hat. Die wesentliche Frage ist demzufolge, ob ein Aussonderungsrecht rechtlich überhaupt verankert werden muss, oder vielmehr eine Klassifikation als einfache Insolvenzforderung genügt. Die Aussonderung nach § 47 InsO dient dem Zweck, dass solche Vermögenswerte aus der Ist-Masse ausscheiden sollen, welche nicht zugunsten des Insolvenzgläubigers verwertet werden sollen.117 Möchte man auf die Sicht des Aussonderungsberechtigten abstellen, so dienen Aussonderungsrechte dazu, dass der Zugriff des Insolvenzverwalters und Schuldners auf den (ideell) nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswert abgewehrt werden soll.118 § 47 S. 1 InsO spricht hier von „gehören“, womit nur diese Zuordnung gemeint sein kann. Dieser Begriff ist aber keine rechtliche Kategorie, sondern bedarf einer weiteren Ausfüllung.119 Vor dem Hintergrund des rechtsökonomischen Fundaments der Insolvenzordnung ist diese Zuordnung fest mit der Gewährleistung des sozialen Friedens durch die gerechte Verteilung der restlichen Vermögenswerte des Insolvenzschuldners verbunden. Das lässt sich auch damit begründen, dass § 35 InsO ausschließlich die Soll-Masse meint. Bei der tatsächlichen Anwendung des § 47 InsO zeigt sich daher auch, dass „gehören“ je nach Einzelfall enger oder weiter zu verstehen ist als etwa das zivilrechtliche Eigentum oder bloß subjektive Rechtsansprüche.120 So ist das dingliche Recht aus der Sicherungsübereignung kein, der schuldrechtliche Herausgabeanspruch des Vermieters aber ein Aussonderungsanspruch.121 Hinter der Frage nach einem Aussonderungsrecht verbirgt sich demzufolge letztlich keine rein rechtliche Stringenz, sondern (gerade in Einzelfällen) eine wertende Inte­ ressenabwägung.122 Diese Interessenabwägung muss aber auf den beschriebenen rechtsökonomischen Zielen der Insolvenzordnung beruhen. Mit Verweis auf die Ausgangsfrage bedeutet dies, dass auch die geforderte gerechte Zuordnung anhand rechtsökonomischer Verteilungsgerechtigkeit verstanden werden muss. Unter Kap. 4 C. IV. wurde die wesentliche Verwendung von Kryptowährungen detailliert dargestellt. Während nur wenige Prozent der Inhaber damit Käufe tätigen wollen, erwirbt der Großteil Kryptowährungen zu mittel- bis langfristigen Spekulationszwecken. Es handelt sich damit um ein Spekulationsobjekt, welches die Nutzer mit dem Ziel erwerben, dass sie es nach einem Kursanstieg mit Gewinn (in staatlichen Währungseinheiten gemessen) wieder am Markt verkaufen 117

Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 3. Lohmann, in: Kayser / T hole Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 InsO, Rn. 1. 119 Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 1. 120 Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 2. 121 Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 2. 122 Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 3. 118

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können. Demzufolge besteht das maßgebende Interesse des Erwerbers im Erhalt der Kryptowährungen als solche und nicht in der bloßen Zurechnung eines Nennwerts. Zu diesem Zweck werden die jeweiligen Einheiten den Nutzern auch bei Kryptohandelsplattformen „zur Verfügung“ gestellt. Auf eine Anfrage des Autors an Kraken, was aus ihrer Sicht bei einer Transaktion innerhalb der betriebenen Kryptohandelsplattform (Kraken.com) technisch geschieht, lautete die Antwort von Kranken wörtlich, dass „when a client buys a currency it effectively becomes an ‚I owe you‘ until the client withdraws it to their own personal wallet which they can choose to do so at any time“. Klarer kann nicht nachgewiesen werden, dass auch eine Kryptohandelsplattform davon ausgeht, dass es sich bei dem „erworbenen“ UTXO nicht um Haftungsmasse der Kryptohandelsplattform selbst handelt. Der regelmäßig jederzeit bestehende Transaktionsanspruch (welcher dann erstmals zu einer On-Chain-Transaktion führt) untermauert dies nur. Das wirtschaftliche Interesse der Kryptohandelsplattform bezieht sich also nicht auf die den Nutzern durch eigene Buchtransaktionen zugewiesenen Kryptowährungen, sondern vielmehr auf den Verdienst der in der Parteiabrede vorhandenen Gebühren. Die Frage nach der gerechten Verteilung ergibt sich demzufolge aus den Motiven der Parteien und wird Grundlage ihres Vertragsverhältnisses. Auf diese Verhandlungslösung kann also abgestellt werden. Wenn dem § 47 InsO eindeutig eine Ressourcenlenkung zukommt, würde durch ein Aussonderungsrecht des Nutzers an den ihm zugewiesenen Kryptowährungseinheiten keine Umverteilung vorgenommen werden.123 Denn eine solche vorgenommene rechtliche Ressourcenzuteilung entspricht dem Ergebnis der Verhandlungslösung der Parteien,124 da dies eindeutig eine haftungsrechtliche Zuordnung der zugewiesenen Kryptowährungseinheiten an den jeweiligen Nutzer vornimmt. Ein Aussonderungsrecht des Nutzers würde also keine Umverteilung bewirken, sondern vielmehr der Verhandlungslösung hinsichtlich der wirtschaftlichen Zuordnung entsprechen. Entspricht das Recht demzufolge der Verhandlungslösung, kann man es anhand des Coase-Theorems als effizient bezeichnen, da die Rechtsfolgen der durch die Vertragsverhandlungen festgelegten Ressourcenallokation entsprechen.125 Es kann hier also nicht von einem Auseinanderfallen von Verteilungsgerechtigkeit und Effizienzkriterium ausgegangen werden, weshalb alternative Ansätze für ein Gerechtigkeitskonzept wie etwa dem Wertekanon des Art. 3 Abs. 1 GG folgend nicht notwendig erscheinen.126 Doch selbst wenn man auf das Gerechtigkeitskonzept des Art. 3 Abs. 1 GG abstellen wollen würde, wäre kein anderes Ergebnis vertretbar. Denn würde es – fiktiv gesprochen – etwa physische Kryptowährungen geben, so würde man hier von einem Verwahrvertrag ausgehen, wobei der Rückforderungsanspruch des Hinterlegers (wie bereits zum privaten Schlüssels ausgeführt) ein Aussonderungsrecht darstellt. 123

Vgl. Eidenmüller, S. 62; Schäfer / Ott, S. 7. Eidenmüller, S. 62. 125 Vgl. Coase, S. 26 ff. 126 Vgl. Schäfer, S. 62; Schäfer / Ott, S. 7. 124

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Im Ergebnis ist also von der Notwendigkeit eines Aussonderungsrechts des Nutzers auszugehen. Fraglich ist aber, wie dieses ausgestaltet werden sollte und welche Grenzen sich dabei ergeben. (6) Internationale Lösungsansätze Hinsichtlich der bestehenden Herausforderungen durch die Blockchain-Techno­ logie gibt es bereits legislative Bemühungen in anderen Staaten, welche unter anderem auch die insolvenzrechtlichen Risiken und Unklarheiten auflösen sollen. In Betracht kommen hier vor allem die Schweiz und Liechtenstein,127 da beide Staaten ein Aussonderungsrecht von Nutzern gegenüber Kryptohandelsplattformen positivgesetzlich normiert haben. Im Folgenden sollen die sich im Detail doch unterscheidenden Ansätze vorgestellt werden, um die gewonnenen Erkenntnisse für einen nationalen Lösungsansatz de lege ferenda zu verwenden. (a) Schweiz Ende 2020 hat die Schweiz das Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register verabschiedet.128 Unter anderem wird hierdurch auch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) punktuell angepasst. Dabei soll der Art. 242a SchKG neu eingeführt werden. Gemäß dem Satz 1 des Art. 242a SchKG kann die Konkursverwaltung nun „eine Verfügung über die Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte [treffen], über die der Gemeinschuldner zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung die Verfügungsmacht innehat und die von einem Dritten beansprucht werden“. Satz 2 der Norm stellt ferner klar, dass der Anspruch nur „begründet [ist], wenn der Gemeinschuldner sich verpflichtet hat, die kryptobasierten Vermögenswerte für den Dritten jederzeit bereitzuhalten und diese: (a.) dem Dritten individuell zugeordnet sind; oder (b.) einer Gemeinschaft zugeordnet sind und ersichtlich ist, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen dem Dritten zusteht“. Sinn und Zweck dieser neuen rechtlichen Regelung ist es, dass die Geltendmachung von Aussonderungsansprüchen auch bei Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte möglich sein soll und dementsprechend im gleichen Verfahren 127

So vorgeschlagen von Jünemann / Wirtz im Beitrag auf Bird & Bird, Insolvenz von Wallet-­ Anbietern und Kryptoverwahrern in Deutschland, abrufbar unter: https://www.twobirds. com/de/news/articles/2020/germany/insolvency-of-wallet-providers-and-crypto-depositoriesin-germany (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2021). 128 Eidgenössisches Finanzdepartment, Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Verordnung des Bundesrates zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, S. 3, abrufbar unter: https://www. newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/63326.pdf (zuletzt abgerufen am 26. 3. 2021).

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

abgewickelt werden kann.129 Aus Sicht des Gesetzgebers müssen hierfür die Begriffe des Eigentums und des Gegenstandes ergänzt werden, da an digitalen Vermögenswerten wie Kryptowährungen kein Eigentum bestehen kann.130 (b) Liechtenstein Im Vergleich zum schweizerischen Ansatz hat Liechtenstein nicht im Schwerpunkt bereits bestehende Gesetze angepasst, sondern gleich das neue Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (TVTG) eingeführt, welches zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Dabei umfasst das neue Gesetz nicht nur intrinsische Token. Die Definition von Token im Sinne des Art. 2 Nr. 1 lit.  c TVTG versteht einen Token vielmehr als „eine Information auf einem VT-System, die: (1.) Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einer Person, Rechte an Sachen oder andere absolute oder relative Rechte repräsentieren kann […]“. Insofern ergibt die Definition, dass auch extrinsische Token, die ein bereits außerhalb der Blockchain bestehendes Recht auf der Blockchain-Lösung spiegeln sollen, umfasst sind.131 Demzufolge ist der Anwendungsbereich des TVTG weit zu verstehen, was darauf zurückzuführen ist, dass der Begriff des Token im Allgemeinen als eine Art genereller Behälter für eine Vielzahl von Rechten und Werten verstanden wird.132 Von Bedeutung aus dem Blickwinkel dieser Arbeit ist aber – und darauf soll sich dieser rechtsvergleichende Blick beschränken – vor allem der Art. 25 TVTG. Art. 25 Abs. 1 TVTG ordnet an, dass „Token, die treuhänderisch oder im Namen des Kunden gehalten werden, sind im Rechtssicherungsverfahren, bei der Zwangsvollstreckung und im Insolvenzverfahren des VT-Dienstleisters als Fremdvermögen zu betrachten und werden unter Vorbehalt sämtlicher Ansprüche des VT-Dienstleisters gegenüber dem Kunden zu dessen Gunsten ausgesondert.“ Dasselbe gilt nach Abs. 2 bei der Verwahrung von privaten Schlüsseln. In Art. 25 Abs. 4 TVTG wird klargestellt, dass „[…] der Nutzer im Falle eines Konkursverfahrens über das Vermögen seines VT-Dienstleisters das Recht auf Aussonderung [hat]“. Der Begriff des VT-Dienstleisters gilt als eine Art Oberbegriff und umfasst nach Art. 2 Abs. 1 lit. n TVTG auch Personen, die Token im fremden Namen auf fremde Rechnung verwahren (sog. TV-Token-Verwahrer). Unter diesen Begriff fallen demzufolge auch Kryptohandelsplattformen. Art. 17 Abs. 1 lit. d) Nr. 2 TVTG fordert dabei als eine von mehreren zu erfüllenden Sicherungsmaßnahmen für VT-Token-Verwahrer, dass sie bei Aufnahme 129 Eidgenössisches Finanzdepartment, Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Verordnung des Bundesrates zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, S. 8. 130 Eidgenössisches Finanzdepartment, S. 8. 131 Ebenfalls Deuber / Jahromi, MMR 2020, 576 (578). 132 Wurzler, Praktische Anwendungsfälle nach dem Gesetz über Token und VT-Dienstleister, S. 47 f.; Von „Container“ sprechend Deuber / Jahromi, MMR 2020, 576 (578).

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ihrer Tätigkeit die jeweiligen Token der Kunden getrennt vom eigenen Betriebsvermögen und (somit) den Token des Token-Verwahrers verwahren. Das Gesetz ordnet also aktiv und ausschließlich die Verwahrung auf einzelnen Kundenadressen als Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit an. Weiter setzt Art. 25 Abs. 1 S. 3 TVTG voraus, dass die Token auch im Insolvenzverfahren weiterhin immer getrennt vom Vermögen des insolventen Dienstleisters verwahrt werden sollen. Hintergrund der Statuierung dieses Aussonderungsrechts ist der Schutz der Kunden von VT-Dienstleistern. Im Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag wird davon ausgegangen, dass anderenfalls die Token der Kunden auch von den Gläubigern innerhalb der Insolvenz beansprucht werden können.133 Durch das neue gesetzlich statuierte Aussonderungsrecht soll Rechtssicherheit geschaffen und der Nutzerschutz gestärkt werden.134 (c) Wesentliche Gemeinsamkeiten dieser Lösungsansätze Beide kodifizierten Aussonderungsrechte haben hinsichtlich der Aussonderung im Wesentlichen dieselben Ansätze. Übereinstimmend wird ein Aussonderungsrecht des Nutzers gegen die Kryptohandelsplattform positivgesetzlich normiert. Des Weiteren gehen beide Ansätze davon aus, dass eine wirtschaftliche Vermögenszuordnung der gehaltenen Kryptowährungseinheiten zugunsten des Nutzers der Kryptohandelsplattform vorliegt, auch wenn sie auf Adressen verwahrt werden (also diesen Adressen als UTXO zustehen), zu denen die Kryptohandelsplattform die dazugehörigen privaten Schlüssel hält. Der liechtensteiner Ansatz differenziert gerade auch zwischen einem treuhänderischen Verhältnis und einer Art Verwahrung, wobei beide Ansätze jedoch im Rahmen des Art. 25 Abs. 1 TVTG zu einem Aussonderungsrecht führen. Voraussetzung ist darüber hinaus bei beiden Regelungen, dass eine getrennte „Verwahrung“ von den Kunden zugesprochenen Kryptowährungen und Kryptowährungen der Kryptohandelsplattform selbst stattfinden muss. Der schweizerischen Regelung zufolge ist das eine Voraussetzung für das Aussonderungsrecht des Nutzers, während nach dem liechtensteiner Modell kein anderes Szenario denkbar ist, da Kryptohandelsplattformen (nach dem TVTG letztlich als VT-Token-Verwahrer bezeichnet) eine solche Verwahrung schon für die Aufnahme der Tätigkeit durchführen müssen. Der einzige Unterschied ist demzufolge, dass der schweizerische Ansatz das Aussonderungsrecht direkt im

133 Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Schaffung eines Gesetzes über Token und VT-Dienstleister (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz – TVTG) und die Abänderung weiterer Gesetze, S. 263, abrufbar unter: https://bua.regierung.li/BuA/default.aspx?nr=54&year= 2019&backurl=modus%3dstw%26filter1%3dT%26filter2%3d527754199&sh=-581537077 (zuletzt aufgerufen am 4. 4. 2021). 134 Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 264.

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

SchKG (also der schweizerischen InsO) regelt, während der liechtensteiner Ansatz das Aussonderungsrecht spezialgesetzlich normiert. (d) Nationaler Lösungsansatz de lege ferenda Eine positivgesetzliche Normierung kommt auch als passende Lösung für die Statuierung eines deutschen Aussonderungsrechts zugunsten des Nutzers einer Kryptohandelsplattform in Betracht. Die zentrale Frage ist daher vielmehr, ob wie beim schweizerischen und liechtensteiner Ansatz eine Begrenzung auf die Fälle erfolgen muss, bei dem die verschiedenen UTXO auf separaten BlockchainAdressen verwaltet werden. Aufgrund der Nähe zu einem Treuhandverhältnis soll ein Blick in die gerichtlichen Erwägungen zu Aussonderungsrechten bei Treuhandverhältnissen erfolgen. Für eine Begrenzung der insolvenzrechtlichen Wirkungen einer Treuhandabrede wird von der Rechtsprechung mit zunehmender Bedeutung das Bestimmtheitsprinzip herangezogen.135 Das Bestimmtheitsprinzip verlangt, dass jederzeit erkennbar sein muss, ob der zugrundeliegende Vermögenswert einer treuhänderischen Bindung unterliegt oder nicht.136 Demzufolge muss eine Vermögenstrennung vorliegen. Auch die juristische Literatur fordert allgemein, dass die auszusondernden Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sein müssen.137 Eine Gesamtheit an Vermögenswerten ist demzufolge nicht aussonderungsfähig.138 Dem Bestimmtheitsprinzip kommt eine grundlegende Geltung zu. Bei der Verwahrung in bereits vorgestellten Kryptopools kann eine so geforderte Vermögenstrennung nicht erfolgen. Denn sie bestehen aus wenigen Adressen in den jeweiligen Blockchain-Netzwerken, auf denen die zum Vermögen der Kryptohandelsplattform zählenden Kryptowährungen mit den zum Nutzervermögen zählenden Kryptowährungen gemeinsam den gesamten UTXO einer Adresse darstellen. Eine solche Verwahrungsform führt also zu einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsprinzip und kann der insolvenzrechtlichen Dogmatik zufolge nicht Objekt von Aussonderungsrechten der Nutzer sein. Wie im Kap. 6 B. II. 1. b) bb) (3) bereits erläutert, führt das jedoch zu dem unbilligen Ergebnis, dass Nutzer von Kryptohandelsplattformen mit dem Kryptopool-Modell kein Aussonderungsrecht erhalten, von diesen weitreichenden Fol 135

Brinkmann, in: Uhlenbruck InsO, § 47 InsO, Rn. 80 f. BGH, Urt. v. 6. 04. 2006 – IX ZR 185/04, NZI 2006, 403 (404); BGH, Urt. v. 7. 07. 2005 – III ZR 422/04, WM 2005, 1796 (1797); BGH, Versäumnisurt. v. 24. 06. 2003 – IX ZR 120/02, NJW-RR 2003, 1375 (1376); BGH, Urt. v. 8. 02. 1996 – IX ZR 151/95, NJW 1996, 1543; BGH, Urt. v, 16. 12. 1970 – VIII ZR 36/69, NJW 1971, 559 (560); Ähnlich auch zur Insolvenzanfechtung BGH, Urt. v, 16. 11. 2007 – IX ZR 194/04, NZI 2008, 163 (165). 137 Brinkmann, in: Uhlenbruck InsO, § 47 InsO, Rn. 6; Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 32. 138 Ganter, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 32. 136

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht 

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gen jedoch kein positives Wissen haben und auch nicht haben können, da – wie gezeigt – die Rechtslage de lege lata kaum erforscht sowie unklar ist und sie hierzu auch keine Aufklärung seitens der Kryptohandelsplattformen erhalten (können). Da eine Zuordnung auch nicht nachträglich durchgeführt werden kann, erscheint eine präventive Verpflichtung zur Zuordnung schon vor diesem Hintergrund notwendig, weil im Insolvenzfall kein individueller Zugriff des Gläubigers mittels der Zwangsvollstreckung möglich ist, vgl. § 89 Abs. 1 InsO. Die bisher fehlende Verpflichtung hierzu soll in Zukunft (wohl) durch den MiCA-E geregelt werden. So soll Art. 17 MiCA-E Inhalt und Form des KryptowertWhitepapers für wertreferenzierte Token regeln und verlangt gem. Art. 17 Abs. 1 lit. e MiCA-E, dass detaillierte Informationen über Art und Durchsetzbarkeit von Rechten einschließlich Informationen über die Behandlung solcher Rechte in Insolvenzverfahren im Kryptowert-Whitepaper für wertreferenzierte Token enthalten sein müssen. Ebenfalls stellt der Art. 63 MiCA-E eine wesentliche Neuregelung dar. Gemäß Art. 63 Abs. 1 MiCA-E sollen Anbieter von Krypto-Dienstleistungen „die Kryptowerte von Kunden oder die Mittel für den Zugang zu solchen Krypto­ werten halten, treffen angemessene Vorkehrungen, um insbesondere im Falle der Insolvenz des Anbieters von Krypto-Dienstleistungen die Eigentumsrechte der Kunden zu schützen und zu verhindern, dass Kryptowerte eines Kunden für eigene Rechnung verwendet werden, es sei denn, der Kunde hat hierzu ausdrücklich seine Zustimmung erteilt“. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 lit. a MiCA-E fällt unter die Kryptodienstleistung auch die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte, wodurch auch Kryptohandelsplattformen umfasst sind. Art. 63 Abs. 1 MiCA-E bietet also die Grundlage, dass von den Kryptohandelsplattformen gefordert werden kann, die Verwahrung auf separaten Adressen durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf das Bestehen eines Aussonderungsrechts wäre es aber vorzugswürdig, dass die gesonderte Verwahrung aktiv in den Wortlaut des Art. 63 Abs. 1 MiCA-E Einzug findet, damit jeder Zweifel ausgeräumt ist. Die Verwendung des Oberbegriffs der „Kryptowerte“ stellt dabei klar, dass auch intrinsische Kryptowährungen von der Verpflichtung umfasst sind. Die Umsetzung des MiCA-E wird also zu einer Verpflichtung der Kryptohandelsplattformen zur Wahrung des Bestimmtheitsprinzips führen. Ein Aussonderungsrecht muss demzufolge nicht nur eingeführt werden, sondern durch MiCA-E wird zukünftig auch das Bestimmtheitsprinzip gewahrt werden müssen, sodass Nutzer von K Kryptohandelsplattformen nicht nur im Glücksfall ein Aussonderungsrecht zugesprochen bekommen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist die positivgesetzliche Normierung eines Aussonderungsrechts de lege ferenda für Nutzer von Kryptohandelsplattformen notwendig und mit den insolvenzrechtlichen Prinzipien vereinbar. Das eWpG zeigt, dass in Deutschland kein allgemeines „Blockchain-Gesetz“ entsteht, welches allgemeingültige Regeln aufstellt. Eine Normierung des Aussonderungsrechts innerhalb der Insolvenzordnung wie etwa nach dem schweizerischen

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Ansatz ist der deutschen Insolvenzordnung weiter fremd. § 47 InsO zeigt vielmehr anhand seiner Systematik, dass die dinglichen und persönlichen Rechte allgemein durch Satz 1 genannt werden und die gesetzliche Statuierung dieser außerhalb der Insolvenzordnung erfolgt. Eine Art § 47a InsO oder ein § 47 S. 3 InsO, der ein Aussonderungsrecht von Nutzern einer Kryptohandelsplattform regelt, wäre demzufolge ein Fremdkörper. Aus der Maßnahmentabelle der Blockchain-Strategie der Bundesregierung ergibt sich aber, dass die Bundesregierung unter anderem auch Rechtssicherheit für Handelsplattformen und Krypto-Verwahrer schaffen will.139 Innerhalb eines solchen Gesetzes kann und muss ein Aussonderungsrecht der Nutzer solcher Plattformen normiert werden, was bisher von der Bundesregierung hinsichtlich des Anlegerschutzes nicht erkannt worden ist.140 Insoweit der MiCA-E als EU-Verordnung zukünftig direkte Geltung im EU-Raum erfahren wird (Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV), führt dies ferner nicht dazu, dass die Notwendigkeit nationaler Regelungen für Handelsplattformen und Krypto-Verwahrer entfallen. Beispiel hierfür ist das neben der DSGVO weiterhin bestehende BDSG. Auch der MiCA-E ist bisher zu entnehmen, dass den Mitgliedstaaten dennoch Konkretisierungsräume offengehalten werden. Im Besonderen demonstriert das der Art. 63 Abs. 1 MiCA-E. Hier besteht also weiterhin (noch) ein Handlungsbedarf und Handlungsfreiraum für den nationalen Gesetzgeber. Nach all dem Gesagten ist zu fordern, dass ein gesetzlich kodifiziertes Aussonderungsrecht nach dem liechtensteiner Modell auch in Deutschland eingeführt wird. Dies ist aufgrund insolvenzrechtlicher Erwägungen an eine Vermögenstrennung gekoppelt, um eine Zuordnung zu ermöglichen. Die bevorstehenden Änderungen durch den MiCA-E und die damit einhergehenden Konkretisierungsmöglichkeiten sollten genutzt werden, um Kryptohandelsplattformen diese Vermögenstrennung regulatorisch aufzuerlegen. Nur so kann im Hinblick auf die Bedürfnisse der Nutzer solcher Plattformen ein effizientes Insolvenzrecht erreicht werden. 2. Absonderung Des Weiteren können auch Absonderungsrechte nach §§ 49 ff. InsO an Kryptowährungen bestehen, die zur abgesonderten Befriedigung berechtigen. Wie in Kap. 3 im Ergebnis festgestellt worden ist, können Einheiten von Kryptowährungen Zielobjekt der Zwangsvollstreckung sein. Dann entsteht konsequenterweise auch 139 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und Bundesministerium für Finanzen (BMF), Blockchain-Strategie der Bundesregierung v. 18. 9. 2019, S. 23, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2019/ 09/2019-09-18-PM-Block-Anlage.pdf (zuletzt aufgerufen am 5. 4. 2021). 140 Vgl. BMWi / BMF, S. 7.

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht 

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nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses gemäß § 857 Abs. 2 ZPO ein Pfändungspfandrecht nach § 804 Abs. 1 ZPO.141 Demzufolge kann dieser Umstand ein Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO begründen.142 Die Kryptowährungseinheiten selbst, also der UTXO einer Adresse im Blockchain-Netzwerk als intrinsischer Vermögenswert, hat nach der innerhalb dieser Arbeit vertretenden Auffassung jedoch selbst de lege lata keine Rechtsqualität. Demzufolge sind Pfandrechte an dem UTXO selbst ansonsten nicht denkbar.143 3. Zwischenergebnis Entgegen mancher Literaturstimmen bestehen bereits de lege lata verschiedene in Frage kommende Aussonderungsrechte. Sie können im Sinne des § 47 InsO dinglicher als auch persönlicher Natur sein. Die positivgesetzliche Normierung eines Aussonderungsrechts für Nutzer von Kryptohandelsplattformen de lege ferenda ist aus rechtsökonomischen Gründen zwingend geboten. Ebenfalls kommen Absonderungsrechte in Betracht.

III. Praktische Fragen Wie auch bereits in Kap. 3 soll die Arbeit nicht nur die rechtliche Einordnung vornehmen, sondern auch praktische Aspekte betrachten. Daher sollen nachfolgend einige praktische Fragen näher betrachtet werden. 1. Kenntniserlangung Peters hat die Kenntniserlangung im Rahmen des Insolvenzverfahrens als problematisch gekennzeichnet, indem er darauf hinweist, dass der Insolvenzverwalter bereits für die Feststellung, ob Kryptowährungen beim Schuldner vorhanden sind, auf die Auskunft des Schuldners angewiesen ist.144 § 97 Abs. 1 InsO verpflichtet den Schuldner aber dazu über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Das Problem liegt laut Peters aber vielmehr in der „systematisch angelegte[n] Anonymität“ und der ausschließlich digitalen Aufbewahrung, welche den Schuldner dazu (wohl im besonderen Maße) verleiten könnten, keine oder 141

Skauradszun, WM 2020, 1229 (1234). Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 49. 143 So ebenfalls Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 53; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 49; Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (645); Zum Pfandrecht an Kryptowährungen allgemein Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (522 f.). 144 Peters, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 407. 142

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

falsche Angaben zu machen.145 Diese Annahme beruht jedoch bei einem genaueren Blick auf einem technologischen Missverständnis, welches bereits in Kap. 3 angerissen worden ist. Eine Kryptowährungs-Blockchain besteht aus Transaktionsdaten, welche bei einer public-Architektur von jedermann einsehbar sind und nachträglich nicht verfälscht werden können. Kennt man also eine Adresse, dann sind die eingehenden und ausgehenden Transaktionen für jedermann nachvollziehbar. Kryptohandelsplattformen arbeiten zwar regelmäßig nicht mit On-Chain-Transaktionen, aber dennoch ist es möglich, auf zur jeweiligen Plattform gehörende Adressen einzuzahlen oder Abbuchungen von den geschuldeten Einheiten von diesen Adressen vorzunehmen. Ist das der Fall, so wird die jeweilige Blockchain-Adresse der Krypto­handelsplattform einsehbar und nachvollziehbar. Der Einsatz von Kowyour-customer Lösungen, welche von Plattformen schon wegen geldwäscherecht­ licher Vorgaben durchgeführt werden, kann demzufolge umgedreht werden. Durch den Einsatz von sog. Blockchain-Trackern kann des Weiteren der Transaktionsfluss von Adressen nachverfolgt werden. Ein solcher Tracker wird beispielsweise von Bitquery angeboten und ermöglicht es mittels Algorithmen den Transaktionsfluss auf einer Blockchain zu überwachen und zu durchsuchen.146 Eine Wegtransferierung kann zwar dennoch mittels Mixing-Diensten verschleiert werden. Jedoch kann auch bei Verwendung eines solchen Dienstes immer noch der Absender (und nicht der Empfänger) identifiziert werden. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass vor dem Hintergrund dieser Identifizierungsmöglichkeiten keine derart erhöhte Gefahr zur Auskunftsverweigerung von der Blockchain-Technologie ausgeht. Es ist vielmehr ein allgemeines Problem, dass die Schuldner nur selten im Verfahren vorbehaltslos mitwirken, sondern vielmehr der Versuchung nachkommen ihre Vermögenswerte zu verschleiern.147 Diese Hypothese wurde durch die Folgen­ ermittlung anhand des rechtsökonomischen Verhaltensmodells belegt.148 Es handelt sich aber um kein besonderes Problem der Blockchain-Technologie. Vielmehr kann faktisch nicht ausgeschlossen werden, dass die Schuldner den Versuch unternehmen ihre finanzielle Lage zu verheimlichen und zu verdunkeln. Anderenfalls wären etwa die betreffenden strafrechtlichen Tatbestände bedeutungslos. Die Insolvenzordnung enthält daher die Möglichkeit zu Zwangsmittel, die der effektiven Durchführung des Verfahrens dienen.149 Über §§ 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter also die nötige Auskunft über Adressen, zugehöriger privater Schlüssel und Kennwörter für den 145

Peters, in: MüKoInsO, § 47 InsO, Rn. 407. Bitquery, How to trace Bitcoin transactions or address?, abrufbar unter: https://bitquery. io/blog/trace-bitcoin-transaction-and-address (zuletzt aufgerufen am 7. 4. 2021). 147 Stephan, in: MüKoInsO, § 97 InsO, Rn. 1. 148 Dazu unter Kap. 3 A. III. 2. 149 Stephan, in: MüKoInsO, § 97 InsO, Rn. 1. 146

B. Kryptowährungen im Insolvenzrecht 

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Cold-Storage oder den Aufenthaltsort von Paper-Wallets erlangen und notfalls von den Zwangsmitteln aus § 98 Abs. 2 InsO Gebrauch machen.150 2. Inbesitznahme nach § 148 InsO Hinsichtlich der Inbesitznahme nach § 148 InsO gilt zunächst das zur Inbesitznahme nach der ZPO Gesagte.151 Notwendig ist daher eine Transaktion des UTXO auf eine behördliche Adresse innerhalb des jeweiligen Blockchain-Netzwerks. Der Normzweck des § 148 InsO ist dabei, den Insolvenzverwalter in die Lage zu versetzen, dass dieser seine Verwaltungs- Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse im Verhältnis zum Schuldner nach § 80 InsO durchsetzen kann.152 Verstanden wird darunter bei körperlichen Vermögensgegenständen eine Inbesitznahme im Sinne des § 854 BGB, also die Begründung der tatsächlichen Inhaberschaft.153 Daher wird bei der Inbesitznahme von unkörperlichen Vermögenswerten wie Forderungen oder Rechten eine Besitzergreifung abgelehnt und vielmehr auf den Schutz nach §§ 28 Abs. 3, 82 InsO verwiesen.154 Bei dem UTXO einer Adresse handelt es sich aber eindeutig nicht um einen körperlichen Gegenstand, sodass eine Inbesitznahme nach § 148 InsO nicht statthaft sein kann.155 Der Schutz nach §§ 28 Abs. 3, 82 InsO greift jedoch ebenfalls nicht für Kryptowährungen. So gelangt man zu dem unbefriedigenden Zwischenergebnis, dass weder eine Inbesitznahme nach § 148 InsO statthaft sein kann, der Schutz nach §§ 28 Abs. 3, 82 InsO aber nicht greifen kann, da auch keine Forderung vorliegt. Auch die Eintragung eines Insolvenzvermerks nach § 32 InsO durch das Insolvenzgericht kann nicht erfolgen, da es sich nicht um ein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht handelt.156 Auch bei dieser Frage zeigt sich jedoch die Richtigkeit des systematischen Vergleichs zwischen der Ausübung der tatsäch­lichen Herrschaftsmacht durch die Inhaberschaft des privaten Schlüssels und dem Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB als Erlangung der tatsächlichen Gewalt. Versteht man demnach eine Transaktion als tatsächlichen Vorgang wie auch den Besitzwechsel, lässt sich genau die von § 148 InsO geforderte Inhaberschaft normkonform begründen.

150

Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 43; Kütük /  Sorge, MMR 2014, 643 (646). 151 Hierzu unter Kap. 5 B. I. 2. 152 Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (646). 153 von Bodungen, in: BeckOK InsO, § 148 InsO, Rn. 7. 154 Haffa / L eichtle, in: Braun InsO, § 148 InsO, Rn. 2; Von Bodungen, in: BeckOK InsO, § 148 InsO, Rn. 10. 155 So aber Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 40; Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (646). 156 Vgl. Haffa / L eichtle, in: Braun InsO, § 148 InsO, Rn. 2.

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Kap. 6: Die Gesamtvollstreckung Blockchain-basierter Kryptowährungen

Zuletzt demonstriert § 148 InsO auch die Notwendigkeit einer Vermögenstrennung durch die Kryptohandelsplattform. Denn die Inbesitznahme hat sofort zu erfolgen und verzichtet daher (wie auch in der ZPO) auf eine gründliche Prüfung der Zuordnungsverhältnisse.157 3. Durchsetzung von Aussonderungsrechten Zur Durchsetzung von Aussonderungsrechten wird von dem Aussonderungs­ berechtigten verlangt, dass dieser den konkreten Gegenstand, welcher vom Aussonderungsrecht umfasst ist, benennt.158 Fraglich ist aber, wie das bei den nach Maßgabe dieser Arbeit in Betracht kommenden Aussonderungsrechten geschehen soll. Würde der Nutzer einer Online-Wallet innerhalb der Geltendmachung seines Aussonderungsrechts nach § 695 BGB dieser Benennungspflicht dadurch nachkommen müssen, dass er seinen privaten Schlüssel benennen muss, so würde dieser Vorgang das grundlegende Prinzip der Verheimlichung des privaten Schlüssels („not your keys, not your coins“) brechen und die Sicherheit des betreffenden UTXO gefährden. Darüber hinaus ist es bei Online-Wallets oftmals gar nicht der Fall, dass den Nutzern der private Schlüssel explizit bekannt ist. Daher muss es hierfür ausreichen, dass der Nutzer seinen Account benennen kann. Vor dem Hintergrund, dass eine Adressentrennung bei der Kryptohandelsplattform stattfindet, muss auch hier die Accountbenennung des jeweiligen Nutzers ausreichen. Denn hier ist dem Nutzer auch die genaue Adresse, auf denen die Plattform „seine“ Kryptowährungen verwahrt, unbekannt. Findet aber eine gemeinsame Verwahrung mittels Kryptopools durch die Kryptohandelsplattform, ist auch so eine Benennung nutzlos. Demzufolge wird aufgrund dieses praktischen Aspekts deutlich, warum eine Vermögenstrennung erfolgen muss. 4. Verwertung Hinsichtlich der Verwertung der Insolvenzmasse nach § 159 InsO gelten ebenfalls dieselben Erwägungen für ein Beschleunigungsgebot und für die Art und Weise der Verwertung wie in der Einzelvollstreckung.159 Daher soll auf Kap. 5 B. IV. 3. verwiesen werden.

157

Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 148 InsO, Rn. 7. Gleußner, Insolvenzrecht, S. 16. 159 Hierzu etwa auch Boehm / Bruns, in: Bräutigam / Rücker, E-Commerce, § 13, Teil E, Rn. 53; Peters, in: MüKoInsO, § 35 InsO, Rn. 407; Strauch / Handke, in: Maume / Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 10, Rn. 50 ff.; Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (530); Kütük / Sorge, MMR 2014, 643 (646). 158

7. Kapitel

Zusammenfassung und Ausblick A. Thesenartige Zusammenfassung Die wichtigsten gewonnenen Ergebnisse dieser Arbeit sollen im Folgenden thesen­a rtig prägnant zusammengefasst werden: – Bei den bisherigen Bemühungen der Rechtsliteratur hinsichtlich der rechtlichen Klassifizierung von Blockchain-basierten Kryptowährungen wurde eine Folgenermittlung und Folgenbewertung nach der ökonomischen Analyse des Rechts noch nicht durchgeführt. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund eines bereits bestehenden und funktionierenden Kryptomarktes notwendig, da das rechtliche Ergebnis Auswirkungen auf diesen Markt entfalten kann. Diese Auswirkungen müssen daher Beachtung finden. – Die allgemein zivilrechtliche Einordnung von Kryptowährungen hat Auswirkungen auf die zivilprozessuale- sowie insolvenzrechtliche Einordnung. Es besteht eine Wechselwirkung, weshalb diese bei der Frage nach einer effektiven Einzelund Gesamtvollstreckung beachtet werden muss. – Kryptowährungen können nicht als Sachen im Sinne des § 90 BGB eingeordnet werden. Neben rechtsdogmatischen Erwägungen konnte erstmalig nachgewiesen werden, dass eine solche Einordnung aus Sicht der Rechtsökonomik als effizienzsenkend zu betrachten ist. Das ist der Fall, da sie zu einer Erhöhung der Transaktionskosten führt. Des Weiteren kommt einer solchen Einordnung aufgrund der rechtlichen Auswirkungen eine verhaltenssteuernde Wirkung zu. Sie würde dazu führen, dass der Gesamtmarktwert sinkt, weil die Nachfrage nach Kryptowährungen aufgrund der erhöhten Transaktionskosten sinken würde. Das hat negative Auswirkungen auf den Vermögenswert von Kryptowährungen und demzufolge Auswirkungen auf das Vermögen der Inhaber. Die vermeintlichen Besserstellungen können diese Nachteile nicht aufwiegen. – Weitere Einordnungsversuche von Kryptowährungen als Immaterialgüter, Forderungen, Geld im Rechtssinne oder im ökonomischen Sinne scheitern. Letzteres aufgrund der immer noch geringen Annahmebereitschaft, aber vor allem wegen der hohen Volatilität und fehlenden Fungibilität von Kryptowährungen. – Die tatsächliche und ausschließliche Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse durch Inhaberschaft des dazugehörigen privaten Schlüssels ist aber als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu klassifizieren. Begründet wird

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Kap. 7: Zusammenfassung und Ausblick

dies durch einen systematischen Vergleich zum Besitz als (ebenfalls) tatsäch­ liche Sachgewalt, welcher ebenfalls ein sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Diese Lösung ist effizient, weil sie der technologischen Zuordnung entspricht und demzufolge zu keiner Erhöhung der Transaktionskosten führen kann. Da diese Lösung nicht isoliert betrachtet werden kann, muss sie sich im weiteren Verlauf nach Maßgabe dieser Arbeit ebenfalls innerhalb des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts als praktikabel und effizient erweisen. – Die Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Einheiten von Kryptowährungen richtet sich nach § 857 Abs. 1 ZPO. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten zu § 857 Abs. 1 ZPO belegt, dass keine von ihnen zufriedenstellend ist. Dies wird zum Anlass genommen, um mit Hilfe des Ergebnisses aus der rechtlichen Einordnung zu belegen, warum sich eine Zuordnung nur nach der Inhaberschaft des privaten Schlüssels richten kann. Ansichten, die zu einem anderen Ergebnis führen, werden widerlegt. – Zu der Frage nach der Vollstreckung von Ansprüchen auf Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung wird bewiesen, dass die bisherigen Ansichten irren, wenn sie entweder immer einen Weg über § 887 ZPO oder § 888 ZPO fordern. Richtigerweise ist diese Frage nicht einseitig zu beantworten, sondern die Antwort richtet sich nach der jeweiligen Titulierung. – Innerhalb des Verwertungsverfahrens ist aufgrund der hohen Volatilität von Kryptowährungen Eile geboten. Bei der Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO richtet sich das Verwertungsverfahren nach § 844 Abs. 1 ZPO. – Die Vollstreckungsfestigkeit nach § 771 Abs. 1 ZPO muss ermöglicht werden. Die rechtliche Lösung muss sich daran messen lassen. Dabei wird deutlich, dass auch hier die innerhalb dieser Arbeit vertretene rechtliche Einordnung Lösungen bieten kann. Der systematische Vergleich zum Besitzschutz zeigt, dass eine analoge Anwendung des § 1007 Abs. 1 BGB geboten ist und ein die Veräußerung hinderndes Recht nach § 771 Abs. 1 ZPO darstellt. Mit dieser Lösung wird also eine Vollstreckungsfestigkeit erreicht, ohne die Effizienzeinbußen durch eine Klassifizierung als absolutes Recht hinnehmen zu müssen. – Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Untersuchung zeigt sich, dass zwischen den verschiedenen Geschäftsmodellen des Kryptomarkts unterschieden werden muss. Denn diese Unterschiede haben vor allem Auswirkungen auf die Frage nach bestehenden Aussonderungsrechten. – Völlig unerforscht ist bis dato die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen im insolvenzrechtlichen Eröffnungsverfahren Anwendung finden können. Da es sich bei der Übereignung von Kryptowährungen nicht um eine Verfügung handelt, scheiden Verfügungsverbote nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO aus. Vor dem Hintergrund des rechtsökonomischen Fundaments der deutschen Insolvenzordnung muss aber eine Sicherung im Eröffnungsverfahren ermöglicht werden. Eine Untersuchung zeigt, dass hierfür nur eine Verwahrung durch Transaktion auf eine

B. Ausblick

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behördliche Adresse im jeweiligen Blockchain-Netzwerk nach § 21 Abs. 1 InsO in Betracht kommt und statthaft ist. – Die Annahme innerhalb der Literatur, dass Aussonderungsrechte an Kryptowährungen nicht bestehen können, wird widerlegt. Vielmehr wird erstmalig aufgezeigt, dass je nach Geschäftsmodell dingliche als auch persönliche Aussonderungsrechte nach § 47 S. 1 InsO bestehen. Auch hier führt die innerhalb dieser Arbeit vertretene rechtliche Einordnung zu praktikablen Ergebnissen. – Unklar bleibt aber, ob ein Aussonderungsrecht des Nutzers einer Kryptohandelsplattform besteht. Diese Unklarheit wird zum Anlass genommen, um zu untersuchen, ob rechtsökonomische Erwägungen das Bestehen eines kodifizierten Aussonderungsrechts notwendig erscheinen lassen. Das wird bejaht. Im Anschluss wird ein punktueller Rechtsvergleich mit der Schweiz und Liechtenstein angestrengt, da beide Staaten bereits ein Aussonderungsrecht (auch) für Nutzer von Kryptohandelsplattformen gesetzlich kodifiziert haben. Der Vergleich ergibt, dass der Liechtensteiner Ansatz der deutschen Insolvenzordnung syste­ matisch nähersteht. Gefordert wird, dass nach Maßgabe einer solchen Lösung in Deutschland ebenfalls ein solches Aussonderungsrecht gesetzlich geregelt wird. Die Konkretisierungsfreiräume durch MiCA-E bieten de lege ferenda eine ideale Möglichkeit hierzu. – Die Gesamtschau dieser Ergebnisse zeigt, dass sich die innerhalb dieser Arbeit vertretene Anerkennung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den UTXO einer Adresse durch die Inhaberschaft des zugehörigen privaten Schlüssels als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB auch innerhalb des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts gegenüber anderen Lösungen durchsetzen kann. Das Zwischenergebnis, dass diese Lösung nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium das höchste Maß an Effizienz aufweist, ist damit im Hinblick auf den Betrachtungsmaßstab dieser Arbeit bewiesen.

B. Ausblick Wesentliche Aufgabe dieser Arbeit war es, den Weg zu einer effektiven Einzel- und Gesamtvollstreckung von Kryptowährungen als Blockchain-basierte intrinsische Vermögenswerte darzustellen. Im Folgenden soll ein Ausblick erfolgen, ob und welche Erkenntnisse dieser Arbeit auf die aktuellen Entwicklungen des „Blockchain-Rechts“ übertragbar sind.

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Kap. 7: Zusammenfassung und Ausblick

I. Zwingende Unterscheidung zwischen intrinsischen und extrinsischen Kryptowerten im Hinblick auf ZPO und InsO Ausschlaggebend für diese Fragen ist die rechtliche Einordnung von Kryptowährungen. In der jüngeren Vergangenheit gibt es erste Anzeichen, dass in Zukunft eine tiefgehende legislative Einbettung von Blockchain-Token in das deutsche Zivilrecht erfolgen könnte. Ein Antrag der FDP-Bundestagsfraktion fordert den Bundestag dazu auf, einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen für Kryptoassets zu schaffen.1 Dieser soll für digitale Wertpapiere „aller Art“ gelten.2 Innerhalb einer Stellungnahme zu diesem Antrag der FDP-Fraktion sowie zum Regierungsentwurf des eWpG hat Omlor ein Privatrecht der Tokenisierung gefordert.3 Als Lösung wird hierbei etwa die Einführung eines § 90b BGB n. F. vorgeschlagen, wobei die Norm eine „Anwendung des Sachenrechts aus [sic] körperlose Token“ regeln soll, wobei „zwischen sog. aufgeladenen und autonomen Token mit und ohne extrinsischen Wert unterschieden werden“ könnte.4 Eine solche Unterscheidung kann nicht nur erfolgen, sondern es muss zwingend zwischen extrinsischen und intrinsischen Kryptowerten unterscheiden werden und das vor allem auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung und Insolvenz. Illustriert wird diese Notwendigkeit anschaulich durch Antonopoulos / Wood mit dem Satz: „If it walks like a duck and quacks like a duck, it’s a duck“.5 Die Blockchain-Technologie bietet die Möglichkeit fast alle denkbaren realen Gegebenheiten durch ein digitales Abbild zu spiegeln oder neue Werte zu schaffen, die ausschließlich innerhalb der Blockchain bestehen. Erstere sind Rechte, welche außerhalb der Blockchain existieren und für die es demzufolge ein bereits existierendes Rechtsregime gibt. Die Untersuchung der Einzel- und Gesamtvollstreckung von Kryptowährungen als intrinsische Werte hat dabei offengelegt, dass diese Fragen untrennbar mit der zivilrechtlichen Einordnung verbunden sind. Es besteht daher eine Wechselwirkung, weshalb bei der Frage nach der rechtlichen Einordnung immer die damit einhergehenden Auswirkungen auf ZPO und InsO beachtet werden müssen und umgekehrt. Für bereits bestehende und zivilrechtlich geregelte Rechte und Rechtsverhältnisse bestehen demzufolge auch bereits zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtliche Lösungen. Ein generelles Privatrecht der Tokenisierung hat demzufolge Auswirkungen auf bestehende Lösungen, insoweit es nicht zwischen intrinsischen Token und extrinsischen Token als bloße Abbildungen gesetzlich bekannter Rechte und Rechtsver 1

BT-Drs. 19/26025, S. 1 ff. BT-Drs. 19/26025, S. 1. 3 Omlor, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 22. März 2021, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/828134/b7a082660cbba4ae4d23e997b55df946/06Omlor-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 4. 2021). 4 Omlor, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 22. März 2021, S. 2. 5 Antonopoulos / Wood, S. 225. 2

B. Ausblick

235

hältnisse unterscheidet. Der Umstand, dass sie nun durch Blockchain-Token repräsentiert (nicht ersetzt) werden, ändert nichts an ihrer Rechtsgestalt. Ein Beispiel hierfür ist das eWpG. Bereits die verschiedenen Entwürfe zum eWpG haben trotz bestehender Kritik6 durch die sachenrechtliche Fiktion klargestellt, dass die vom Regelungs­bereich umfassten elektronischen Wertpapiere kein neues „TokenRecht“ einführen, sondern wie zuvor als Sache nach § 90 BGB gelten. Dies hat zur Folge, dass die betreffenden Regeln hierzu entsprechend anwendbar bleiben. Aus rechtsökonomischer Sicht wird damit ein minimalinvasiver Eingriff in die Transaktionskosten durchgeführt, wohingegen dem praktischen Bedürfnis nach der Nutzbarkeit der Blockchain-Techno­logie entsprochen wird. Marktakteure können sich weiterhin auf bekannte rechtliche Folgen verlassen, wodurch die Informationskosten identisch bleiben. Auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung und Insolvenz können sie sich dadurch auf bereits bekannte Regelungen verlassen. Das Schutzregime bleibt identisch. Dies zeigt, dass die Frage nach einem Privatrecht der Tokenisierung nicht abstrakt und generalisiert angegangen werden kann. Vielmehr sind die Auswirkungen für extrinsische Token hinsichtlich der Einflüsse auf bestehende Transaktionskosten sowie Auswirkungen auf die zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtliche Einordnung und der damit verbundenen Folgen zwingend zu beachten.

II. Stable-Coins Stable-Coins wurden innerhalb dieser Arbeit vom Betrachtungsgegenstand weitestgehend ausgegrenzt. Dies ist der Fall, weil ihnen oftmals kein dezentral gelenktes Blockchain-System zugrunde liegt. Die bekanntesten Beispiele für Stable-­Coins wie Diem und Tether haben gemeinsam, dass die dahinterstehenden Unternehmen die Fortschreibung der jeweiligen Blockchain steuern. Das ist der Fall, weil es sich nicht um permissionless-Blockchains handelt, sondern die Nodes vielmehr vom Unternehmen gestellt werden. Dasselbe gilt für die verschiedenen CBDCs, da hinter ihnen (Zentral-)Banken sowie Finanzinstitute stehen. Es besteht demzufolge anders als bei dezentralen Kryptowährungen wie dem Bitcoin doch eine überordnete Stelle, die das Fortschreiben des Datenbestandes bestimmt. Sie stellt einen Emittenten dar. Demzufolge besteht aus Sicht der Nutzer anders als bei Kryptowährungen eine Forderung gegenüber diesem Emittenten.7 Dieser Umstand hat weitreichende Folgen auf die rechtliche Einordnung solcher Stable-Coins und 6

Etwa Wieneke / Kunz, NZG 2021, 316 ff.; Saive, ZRP 2020, 219 ff.; Segna, WM 2020, 2301 ff.; BT-Drs. 19/26025, S. 2 f. 7 So auch Prof. Dr. Philipp Sandner im Interview mit dem IT Finanzmagazin (Online), Digital programmierbarer Euro: „Die Blockchain ist dem Vorhaben der EZB immer noch überlegen“, abrufbar unter: https://www.it-finanzmagazin.de/digital-programmierbarer-eurodie-blockchain-ist-dem-vorhaben-der-ezb-immer-noch-ueberlegen-110251/ (zuletzt aufgerufen am 12. 4. 2021).

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Kap. 7: Zusammenfassung und Ausblick

CBDCs wie auch für das Zwangsvollstreckungsrecht und die Insolvenzordnung. Die Zwangsvollstreckung richtet sich demzufolge nach §§ 829, 835 ZPO. Im Rahmen der Insolvenz gelten hinsichtlich der Frage der Aussonderung die Regelungen zur Forderungsinhaberschaft.8 Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Arbeit sind daher nicht auf Stable-Coins oder CBDCs übertragbar, insofern sie das vorgestellte Blockchain-Design aufweisen.

8 Bäuerle, in: Braun InsO, § 47 InsO, Rn. 55 ff.; Haneke, in: BeckOK InsO, § 47 InsO, Rn. 59.

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Sachwortverzeichnis 51 %-Attack  35 Absonderung 226 Anwartschaftsrecht 151 Aussonderung 211 Besitzschutz – Kryptowährung 126 Bitcoin  17, 153, 171 Block  26, 31 Blockchain 24 Blockchain-Technologie 21 Body  27, 38 Byzantinische Fehlertoleranz  44 CBDCs 115 Coin-Age 42 Coinbase-Transaktion  47, 103 Coins 41 Cold Storage  187 – Wallet 54 Computerprogramm 101 Crypto Exchange – Wallet 53 Currency-Token 57 Datenbankmodell 22 Datenblöcke 26 Datensatz  24, 31 Datenstruktur 24 Delegates 42 Denial-of-Service 35 Difficulty  27, 40 Digitale Signatur  31, 33 Digitalisierung 139 Distributed-Ledger-Technologie  22, 24, 33 Double-Spending  21, 22, 34, 36 Eigentumsrecht – Kryptowährung 88 Einzeladresse 196

Einzelvollstreckung  70, 139 Emittent 117 Entscheidungsfindungsprozess 33 Ethereum 48 eWpG  58, 83, 162 Forderung 146 Forderungspfändung 146 Fork 38 Full-Node  26, 123 Gegenstand – Kryptowährung 73 Geld 106 Geld im Rechtssinne – Kryptowährung 116 Geldforderung  141, 177 Geldschuld 172 Gesamtvollstreckung 71 Hardfork 35 Hash Pointer  31 Hash-Funktion 27 Hashing  27, 29 Hashrate 35 Header 26 Herrschaftsgewalt  166, 189 Herrschaftsmacht – Kryptowährung 122 Hiding 28 Immaterialgüterrechtlicher numerus ­clausus – Kryptowährung 106 Inbesitznahme 229 Initial Coin Offering (ICO)  55 Input  27, 170 Insolvenzverwalter 211 Intermediär 22 intrinsischer Vermögenswert  57 Investment-Token 56

252

Sachwortverzeichnis

Kenntniserlangung 227 Kollisionsresistenz 28 Konsensbildung 23 Konsensbildungsmechanismus  33, 36, 118 Konsensbildungsprozess  23, 93 Kryptografisch – Hash-Funktion 28 Kryptografische Verfahren  24 Kryptohandelsplattform  18, 169, 220 Kryptomarkt  59, 67, 144 Kryptoverwahrdienstleister 147 Kryptoverwahrgeschäft 159 Kryptoverwahrplattform  194, 213 Kryptowährung  17, 55, 57, 58, 86 Liquidität 70 Massezugehörigkeit 210 Merkle-Tree  27, 31 MiCA  136, 159, 162, 225 Miner  35, 41 Mining  28, 37 Mining-Reward  39, 47 Mining-Unternehmen 199 Node  22, 25, 35, 36 Nonce  27, 38 Numerus clausus  85 Öffentlicher Schlüssel  31, 32 Offline-Wallet – Wallet 54 Online-Wallet 213 Output  27, 170 Paper-Wallet – Wallet 54 Peer-to-Peer Netzwerk  23, 25 Permissioned – Blockchain 44 Permissionless – Blockchain 44 Pfändungsbeschluss 178 Private – Blockchain 44 Privater Schlüssel  31, 32 Proof-of-Stake  22, 41

Proof-of-Work  22, 36 Public – Blockchain 44 Public-Key-Infrastruktur-Verfahren  31, 51 Puzzle friendliness  29 Rechnungseinheit – Geld 113 – Kryptowährung 120 Rechtsscheinträger 92 Ripple 51 Sachenrechtlicher numerus clausus – Kryptowährung 99 Sachpfändung 142 Sammeladresse 196 SHA-256 28 Sicherungseigentum 129 Sicherungsmaßnahme  201, 208 Softfork 35 Software-Wallet – Wallet 54 Sonstiger Gegenstand – Kryptowährung 100 Stable-Coin 110 Stake 41 Sybil-Attack 34 Tatsächliche Sachherrschaft – Kryptowährung 122 Tauschmittel – Geld 107 Titulierung  169, 173 Token 58 Tragedy of the anticommons  91 Transaction Input  46 Transaction Output  46 Transaktion  31, 45, 48, 163, 165, 170 Transaktionshistorie 46 Transaktionskosten 86 Trust-Wallet 194 Überpfändung 143 Überpfändungsverbot 144 Urheberrechtlicher Schutz – Kryptowährung 101 Utility-Token 56 UTXO  46, 79, 123, 144, 164, 220

Sachwortverzeichnis Veränderung der Datenmenge  23 Verfügungsgewalt – Kryptowährung 125 Verfügungsverbot 201 Vermögensrecht 151 Vermögensrecht sui generis – Kryptowährung 133 Vertrauensbildung 21 Verwahrstelle 185 Verwahrung 208 Verwertung  200, 230 Verwertungsverfahren 178 Vollstreckungsfreie Zone  71 Vollstreckungsorgan 177 Vollstreckungsschutz 184

253

Währung 149 Wallet  18, 52 Wallet-Anbieter 198 Web-Wallet – Wallet 52 Werk 102 Wertaufbewahrungsmittel – Geld 111 Zahlungsmittel – Geld 109 Zahlungssystem 21 Zentral – Datenbankmodell 22 Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte 150