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German Pages 118 [125] Year 1978
Die Dresdener Antiken und Winckelmann
SCHRIFTEN DER WINCKELMANN-GESELLSCHAFT BAND IV
Die Dresdener Antiken und Winckelmann
Herausgegeben von KONRAD ZIMMERMANN
AKADEMIE-VERLAG 1977
• BERLIN
Herausgeber der Reihe: JOHANNES IRMSCHER
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 ©Akademie-Verlag Berlin 1977 Lizenznummer: 202 • 100/162/77 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", DDR - 74 Altenburg Bestellnummer: 753 0914 • (2160/4) • LSV 8104 Printed in GDR DDR 1 8 , - M
Inhaltsverzeichnis 1. JOHANNES IRMSCHER Zum Geleit
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2. KONRAD ZIMMERMANN Vorgeschichte und Anfänge der Dresdener Skulpturensammlung . . . .
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3. HEINER PROTZMANN Die Herkulanerinnen und Winckelmann
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4. KONRAD ZIMMERMANN Die Dresdener Antiken und Winckelmann
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Zum Geleit Es gehört zu den erklärten Aufgaben der Winckelmannpflege in unserer Deutschen Demokratischen Republik, ein Bild des Aufklärers und Humanisten, des Kunstforschers und Ästhetikers Johann Joachim Winckelmann zu entwerfen, das dessen Lebensleistung in ihren Triebkräften erkennt, sie in ihren weltgeschichtlichen Wirkungen erfaßt und in ihrer Bedeutung für unsere Gegenwart begreift. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens vieler, und die Winckelmann-Gesellschaft ist bemüht, den organisatorischen Raum dafür zu schaffen. Jenes Winckelmannbild, das der historischen Wirklichkeit entspricht, zu erarbeiten, erfordert ein Herangehen auf mannigfachen Wegen. Eine nicht geringe Rolle spielt dabei zweifelsohne die Erforschung der biographischbn Details, nicht als Selbstzweck betrieben, sondern der umfassenderen Aufgabe eingeordnet. Die Winckelmann-Gesellschaft hat sich in den letztvergangenen Jahren mehrfach dieses Anliegens angenommen und unter anderem ihre Bemühungen unter die Frage gestellt, welche Stücke der Dresdener Antikensammlung Johann Joachim Winckelmann bis 1755 zu Gesicht bekam und welche Wirkung sie auf sein künstlerisches Empfinden und ästhetisches Urteil übten. Es waren insbesondere zwei Vertreter der jüngeren Forschergeneration, der Dresdener Kustos Dr. Heiner Protzmann und der Rostocker Universitätsassistent Dr. Konrad Zimmermann, welche der Thematik tiefschürfend und weitausgreifend nachgingen und dabei zu überraschenden, im wesentlichen übereinstimmenden Ergebnissen gelangten, die sowohl die Winckelmannforschung bereicherten und zugleich auch die Geschichte der bedeutenden Dresdener Kollektion erhellten. Sie fanden in drei Abhandlungen ihre abgerundete Gestalt, welche die vorliegende Publikation zusammenfaßt. Prof. Dr. sc. Johannes Irmscher Vorsitzender der Winckelmann-Gesellschaft
KONRAD ZIMMERMANN
Vorgeschichte und Anfänge der Dresdener Skulpturensammlung Die offizielle Bezeichnung „Skulpturensammlung Dresden" führt insofern irre, als sich in Wirklichkeit hinter diesem Namen heute eine der umfangreichsten und zugleich bedeutendsten Antikensammlungen des deutschen Sprachgebiets verbirgt, in der neben Rundplastiken und Reliefs aus Stein ein ebenso reicher Schatz an Bronzen, Terrakotten, Keramik und Gegenständen anderer Kleinkunstgattungen aufbewahrt wird. Obwohl antike und moderne Statuen von Anfang an einem Inspektor unterstanden, wurde erst 1894 anläßlich des beendeten Umzuges1 aller Antiken aus ihrer bisherigen Heimstatt, dem Japanischen Palais auf der Neustädter Seite, in das eigens dafür umgebaute ehemalige Zeughaus, dem heutigen „Albertinum" an der Brühischen Terrasse, die Sammlung durch ihren damaligen Direktor Georg Treu (1843—1921)2, dessen persönliches Engagement für die zeitgenössische Kunst und ihre Schöpfer jenen Vorgang wesentlich gefördert hat, in eine nun alle Epochen berücksichtigende Skulpturensammlung umgewandelt. Doch ungeachtet aller späteren Erweiterungen sind die antiken Skulpturen bis heute der eigentliche Kern dieser Sammlung geblieben. Das entscheidende Datum für die Dresdener Antikensammlung, gleichsam ihr ,Jahr Null', fällt — trotz einiger kurz zuvor erfolgter Erwerbungen: erinnert sei an die von Lorenz Beger beschriebene sog. Brandenburgische Sammlung und einiges Antike aus dem Nachlaß des römischen Kunsthändlers J. P. Bellori — in das Jahr 1728, in dem eine große Zahl wertvoller antiker Skulpturen aus den römischen SammDieser anläßlich eines Kolloquiums zur Archäologie im 17. und 18. Jahrhundert Ende September 1972 in Stendal gehaltene Vortrag geht teilweise auf einen Abschnitt meiner ungedruckten Dissertation „Athenastandbilder in Dresden" (Phil. Diss. Humboldt-Universität Berlin 1969) zurück. Auch an dieser Stelle sei der steten Hilfsbereitschaft von M. Raumschüssel, Direktor der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dankbar gedacht. Ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur befindet sich am Schluß der Arbeit. 1
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Herrmann2, S. 10 (nach diesem Katalog werden vorläufig die Dresdener Skulpturen mit Hm-Nummern zitiert). Vgl. F. Studniczka, Bericht Verh. sächs. Akad. Wiss., Phil.-hist. Kl. 73, 1921, 2. Heft, S. 51*—62*. - Deutsches biographisches Jahrbuch 3,1921 [1927], S. 320. - W. Schiering, in: U. Hausmann, Allgemeine Grundlagen der Archäologie [Handbuch der Archäologie], München 1969, S. 102/3.
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lungen Chigi und Albani angekauft werden konnte; noch heute bilden sie Grundstock und Hauptbestandteil der Sammlung, die damals mit einem Schlage zur bedeutendsten ihrer Art in Deutschland wurde und es auch für lange Zeit blieb3. Bereits dieser Umstand fordert dazu auf, alles erreichbare Material zusammenzustellen, das über den Ankauf selbst, über den genauen Aufbewahrungsort der Skulpturen in Rom unmittelbar davor, bei einzelnen Stücken vielleicht sogar über ihr früheres Schicksal Aufschluß geben kann. Dies erscheint um so dringlicher, als der 1925 von Hans Lamer4 bei Behandlung zweier Statuen geäußerte Vorwurf, ihre und damit die römische Vorgeschichte der Sammlung sei unerforscht, in gewisser Weise noch heute besteht. Hat doch nicht einmal Walter Müller (1877—1952), der 1913 noch unter Treu eingestellt worden war und die Sammlung bis zum Ende des 2. Weltkrieges aufopferungsvoll betreut hat, das vorhandene Dresdener Archivmaterial mit letzter Konsequenz genutzt, auch wenn er bei einigen Antiken deren komplizierte römische Vorgeschichte hat aufhellen können (Hm 50/54, 155—156, 233—236) — darunter den von Lamer beanstandeten Stücken. So kommt es, daß nicht nur in Müllers Texten zu Brunn-Bruckmanns Tafelwerk (759 b = Hm 142; Taf.19 793/4 = Hm 49 und Hm 50/54), sondern selbst in jüngsten Publikationen noch Taf ' )4 immer falsche, durch Tradition eingebürgerte Herkunftsangaben zu finden sind. Über den Ankauf der Antiken im Jahre 1728 läßt sich aufgrund früherer Darstellungen5, die durch unpubliziertes Aktenmaterial6 im Dresdener Staatsarchiv und in der Skulpturensammlung bestätigt und ergänzt werden können, ein recht klares Bild gewinnen: Unter Friedrich August I., dem Starken (1694—1733) — seit 1697 als August II. König von Polen — hatte sich das kleine Kurfürstentum Sachsen im Herzen Europas nicht nur politisch in den Vordergrund geschoben, sondern seine starke wirtschaftliche Entfaltung einen Reichtum hervorgebracht, der große Bauten, das Heranziehen von Künstlern an den Hof und die Einrichtung von Kunstsammlungen ermöglichte7. Das Augenmerk mußte sich dabei naturgemäß auch auf Antiken und 3 4 5
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Vgl. A . Rumpf, Archäologie, Bd. 1, Berlin 1953, S. 61. H. Lamer, RE Bd. 12, 2 (1925), Sp. 1910 s. v. Lemnia. Becker, Bd. 1, S. II. — F. A . Frenzel/P. G. Hilscher, Dresdens Museen, ihre Kunstschätze, Merkwürdigkeiten und Seltenheiten aus sämmtlichen Königl. Sammlungen, Lieferung 1 : Antiken-Cabinet, Dresden 1835. — G. Klemm, Zur Geschichte der Sammlungen für Wissenschaft und Kunst in Deutschland, Zerbst 1837, S. 233. — Hase5, S. VII bisX. - H e t t n e r 4 , S . I I I - V I . - Lanciani, Bd. 1 , S . 1 5 0 - 1 5 4 . - Herrmann 2 , S. 9/10. Golzio, S. 305.—Justi, Bd. 1, S.306—308. — M. Raumschüssel, in: Dresden. Staatliche Kunstsammlungen ( = Weltstädte der Kunst), Leipzig 1965, S. 40. — M. Raumschüssel, in: Skulpturensammlung, Münzkabinett, Grünes Gewölbe, Bildwerke der Renaissance und des Barock, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1966, S. 9. Dresden, Staatsarchiv, Loe. No. 380 (im folgenden: Leplat-Akte). — Speziell den Ankauf 1728 betreffende Auszüge aus dieser Akte existieren in einer Abschrift der Skulpturensammlung: „Königliches Antikenmuseum. Abschriften aus den Akten des K . S. Hauptstaatsarchivs (Loe. No. 380): die Erwerbung der Chigi- und Albani-Sammlung im 7 Vgl. Justi, Bd. 1, S. 2 8 2 - 2 8 7 . Jahre 1728 betr.".
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den damaligen Umschlagplatz dafür, auf Italien richten. Als dieses sächsische Interesse dort bekannt wurde, sollte in Rom gerade die Sammlung des Fürstenhauses Chigi verkauft werden; man bot sie dem Dresdener Hof an. Über diese und andere römische Sammlungen, deren Antiken damals zum Verkauf standen, berichtete der Kunsthändler Piero Leone Ghezzi laufend und ausführlich nach Dresden. Seine an das sächsische Ministerium gerichteten Briefe8 erstrecken sich über den Zeitraum von Mai 1727 bis Dezember 1728. Als Anerkennung für seine Dienste wurde ihm schließlich eine Goldmedaille im Wert von 100 Dukaten überreicht9, doch trat er bei den Verkaufsabschlüssen selbst nicht mehr in Erscheinung, da er sich als unzuverlässig erwiesen haben soll10. Außerdem begutachtete im Auftrage des Königs zu Beginn des Jahres 1728 bereits Johann Wilhelm von Berger (f 1751)11, Professor für Altertumskunde in Wittenberg, die Sammlung Chigi und riet zu ihrem Ankauf, verhandelte ferner mit dem Kardinal Alessandro Albani zwecks weiterer Erwerbungen und lenkte schließlich das Interesse auf Venedig wegen der dort vorhandenen griechischen Altertümer12. Leider gibt sein 1745 in Wittenberg erschienener schmaler Band „De monimentis veteribus Musei Dresenensis regii praefatus" keine Auskunft über seine Vermittlerrolle in Rom13. Mit den eigentlichen Verhandlungen und dem Kaufabschluß wurde der königliche Architekt, der Ingenieur Baron Raymond Leplat (Le Plat; 1664—1742) betraut, der zu diesem Zwecke im Sommer 1728 nach Italien reiste. Im Staatsarchiv Dresden befindet sich eine Akte mit dem Titel „Lettres du Baron Leplat pendant son voyage pour Rome, concernant l'achât des statues en 1716—1730 et sans date" (wie Anm. 6), aus der alle Einzelheiten über seine teils hartnäckigen Verhandlungen und den schließlichen Verkaufsabschluß hervorgehen. Ein Leplat instruierendes Schreiben vom 28. VIII. 172814 legte diesem nahe, von den 70000 Scudi, die ihm zum Ankauf von Antiken zur Verfügung standen, zunächst 40000 Scudi für die Sammlung der Fürsten Chigi zu bieten. Am 2. X. 1728 berichtete 8 9
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Leplat-Akte, Bl. 5 - 2 2 , 28/9, 62, 116/7. Vgl. Hettner 4 , S. V . Vgl. Leplat-Akte, Bl. 136 : undatiertes Verzeichnis der Leplat auf die Reise nach Rom mitgegebenen Schriftstücke und Geschenke. Vgl. Leplat-Akte, Bl. 34—36: erster Brief Leplats aus Rom (anders Hettner 4 , S. V ) vom 29. IX. 1728, in dem u. a. die Gründe für den Wechsel des Zwischenhändlers — nun F. Ficoroni statt P. L. Ghezzi — dargelegt werden. Vgl. Urlichs, Allgemeine deutsche Biographie 2, 1875, S. 375/6. Hase 6 , S. VII/VIII, Urlichs (wie Anm. 11), auch Hettner 4 , S. IV beziehen sich auf einen Bericht Bergers an den Grafen von Wackerbarth vom 15. III. 1728; die entsprechende Akte der Dresdener Skulpturensammlung (Cap : IV. No : 10) ist 1945 verbrannt. In diesem Buch finden sich vor allem kunstgeschichtliche Betrachtungen, besonders zu Künstlern, nach antiken Quellen. Lediglich eine ,Tuccia' bezeichnete Statue (Hm 118/ 135. R. Leplat, Recueil des marbres antiques qui se trouvent dans la galerie du Roy de Pologne a Dresden, Dresde 1733, Taf. 56. Hettner 4 , S. 99/100 Nr. 168) wird auf S. 21 - 2 5 ausführlich behandelt; Berger will diese in Rom im Palazzo Chigi gesehen haben, bevor sie nach Dresden kam. Leplat-Akte, Bl. 23—27: wegen fehlender Unterschrift offenbar Entwurf einer „Instruction Pour le Baron Le Plat allant a Rome" vom 28. VIII. 1728. Vgl. Hettner 4 , S. V. Golzio, S. 305.
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er von einer seinerseits dem Zwischenhändler des Hauses Chigi gemachten Offerte von 30000 Scudi und dem letzten Angebot des Fürsten Augusto Chigi, nur für 34000 Scudi verkaufen zu wollen 15 . Aus einem Bericht des für seine Bemühungen mit 300 Scudi abgefundenen Vermittlers und bekannten Kunsthändlers Francesco Ficoroni (1664—1747) 16 an den Fürsten Chigi kann man jedoch entnehmen, daß der Antikenkauf bereits am genannten Tag für 34000 Scudi zustandegekommen war 17 . Leplat berichtete davon allerdings erst am 9. X. 1728 18 . Nach weitaus schwierigeren Verhandlungen 19 , die sogar zu Beschwerdebriefen des Kardinals Albani an den sächsischen Hof führten, und nach der Schätzung der für den Kauf in Aussicht genommenen Skulpturen am 4. X . 1728 auf 24300 Scudi (vgl. Anlage I)20 erstand Leplat gegen Ende November 1728 für nur 20000 Scudi diese 32 Antiken aus dem Besitz des Kardinals 21 , wobei jener als Zugaben sogar noch 2 ägyptisch-römische Granitlöwen — offenbar gratis — hinzufügte 22 . Aus den Akten 23 des Staatsarchives Dresden geht ferner hervor, daß die Antiken per Leplat-Akte, Bl. 32/3, 39/40. Vgl. L. Guerrini, EncArteAnt. Bd. 3, 1960, S. 647 s. v. Ficoroni. 17 Vgl. Golzio, S. 305; S. 323/4 ein entsprechendes Dokument „Biglietto del Ficoroni Antiquario, che notificia a S. Ecc. za di aver conclusa la vendita delle statue p. 34 m. 18 Leplat-Akte, Bl. 49 — 51 und 55/6. scudi" abgedruckt. 19 Vgl. Leplat-Akte, Bl. 37, 38, 41, 4 5 - 4 8 , 80/1, 103. Hettner 4 , S. V/VI. 20 Leplat-Akte, Bl. 42 —44. Dabei stimmen Bl. 42 und 44 von der flüchtigen Hand Leplats im Inhalt vollkommen mit Bl. 43 in anderer, sauberer Handschrift und besserer Orthographie überein. Anlage I = Gesamtabschrift von Bl. 43. — Vgl. Hettner4, S. V. 21 Leplat-Akte, undatiertes Bl. 151 erwähnt genau die Kaufsumme und die Anzahl der dafür erworbenen Statuen. — Das Datum des endgültigen Kaufabschlusses, vermutlich der 27. XI. 1728, geht aus Leplats Briefwechsel hervor; vgl. Leplat-Akte, Bl. 108-112. Hettner 4 , S. VI. — Es ließen sich bisher keine Belege dafür finden, daß der moderne, im Inventar von 1765 (vgl. S. 14), Bl. 60 Nr. 195 als aus der Sammlung Albani kommend bezeichnete und später aus der Skulpturensammlung ausgeschiedene Jupiterkopf vom Kardinal erworben wurde, ebensowenig können die zuletzt noch bei Hettner4 mit offenbar falschem Herkunftsvermerk versehenen Stücke 88/122 ( = Hm 293), 90/126, 91/136 (=Hm363), 118/253 ( = H m l 9 5 ) , 118/254 ( = Hm 84) aus jener Sammlung stammen. 22 Vgl. Berichte Leplats nach Dresden vom 27. XI. 1728 (Leplat-Akte, Bl. 108-111). Hettner4, S. VI. Der andere in Dresden befindliche Granitlöwe stammt nachweislich aus der Sammlung Chigi, vgl. Leplat-Akte, Bl. 171 r. — Während im Inventar von 1765 (vgl. S. 14) die beiden aus der Sammlung Albani stammenden Löwen (Bl. 38 v Nr. 192/3 noch richtig von ihrem Gegenstück aus der Sammlung Chigi (Bl. 73 r Nr. 132) getrennt werden, Lipsius sie gemäß ihrer Aufstellung an verschiedenen Orten aufführt (S. 87 = 2 Stück aus Sammlung Albani; S. 449 = 1 Stück ohne Herkunft), findet sich bei Becker (Bd. 1, S. 41), Hase 5 (Nr. 1, 2, 450) und Hettner 4 (S. 133 Nr. 3 0 - 3 2 ) auch für den dritten Löwen fälschlich die Herkunftsangabe: Sammlung Albani, dies bei Hettner sogar im Widerspruch zu seiner historischen Einleitung. Vgl. Anlage II. — Zu diesen Granitlöwen zuletzt H W. Müller, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 16, 1965, S. 31, Anm. 53, Ahb. 40/1. 23 Vgl. Leplat-Akte, Bl. 118/9, 123-125, 132; für das Folgende besonders wichtig Bl. 125: Kopie eines königlichen Auftrages an den Generalleutnant Debrosse vom 11. VI. 1729. 15
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Schiff zunächst den Tiber abwärts und dann — wie es Leplat noch veranlaßt hatte — von Livorno auf direktem Wege nach Hamburg24 befördert werden sollten. Mit den in 87 Kisten verpackten Statuen an Bord verließ die „Concordia" des Amsterdamer Reeders Wynand Blenck bereits am 11. III. 1729 Livorno. Wegen der übrigen, für Amsterdam bestimmten Schiffsladung bestand der holländische Kapitän Cornelis Jellis jedoch darauf, gegen die ursprüngliche Abmachung seinen Heimathafen anzulaufen und mit der dort zu löschenden Ladung auch die für Dresden bestimmten Kisten wertvollsten Inhaltes auszuladen, um sie bei passender Gelegenheit weiterzutransportieren. Als ein entsprechendes Schreiben des Reeders Blenck den schon Anfang 1729 nach Sachsen zurückgekehrten Leplat erreichte, erhob man vom sächsischen Hof scharfen Protest, einmal wegen des voraussehbar großen Schadens, der den antiken Statuen aus dem mehrmaligen Verladen erwachsen könnte, dann aber auch, weil der König ausdrücklich wünschte, die neuen Erwerbungen bald in seiner Umgebung zu haben. Wie dringlich diese Angelegenheit am Hofe behandelt wurde, beweist ein Mitte des Jahres ergangener königlicher Auftrag an den mit Vollmachten, Pässen und Geld ausgestatteten Generalleutnant Debrosse, der durch sein persönliches Erscheinen in Amsterdam — wenn nötig — dafür sorgen sollte, daß die Kisten unverzüglich wieder eingeschifft und nach Hamburg weiterbefördert würden. Der Erfolg dieser Mission ist zwar nicht aktenkundig, doch müssen die Kisten mit den Antiken Dresden noch vor Ende des Jahres 1729 erreicht haben, wo diese bereits im Januar des folgenden Jahres im Großen Garten untergebracht wurden25. Ein späterer Inspektor der Dresdener Sammlung, Heinrich Hase (1789—1842)26, hat richtig bemerkt27, „... daß die Antiken die zum Theil hässlichen, meistens störenden und verfehlten Restaurationen aus Italien gleich mitbrachten, weil es im Sinne jener Zeit lag, etwas scheinbar Vollständiges den werthvollsten Fragmenten vorzuziehen". Einen gewissen Anhaltspunkt dafür scheinen zwei undatierte und fast übereinstimmende Aufstellungen28 zu bieten, die sich auch in der Akte „Lettres du 24
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Die mehrfachen, undatierten Kostenaufstellungen Leplats (vgl. Leplat-Akte, Bl. 71, 141/2, 151/2) notieren für den Transport Rom—Livorno = 2300 Ecus Romains und sehen für die Schiffsreise Livorno—Hamburg—Dresden = 5000—6000 Risdaler vor. Hettner4, S. VI, erwähnt nur einen Weg Livorno—Amsterdam. Vgl. G. Klemm, Chronik der Königlich Sächsischen Residenzstadt Dresden, Dresden 1837, Bd. 2, S. 352, zu Januar 1730: „Aus Italien waren indessen die Antiken Statuen (Chigi'sche Sammlung) angekommen, die nun in den großen Garten gebracht und in den Pavillons aufgestellt wurden". — Ohne Begründung meint Hase5, S. X, die ChigiAntiken seien wegen ihrer Aufnahme in das Tafelwerk Leplats (vgl. Anm. 13) bis 1733, die Skulpturen aus der Sammlung Albani schwerlich vor 1736 nach Dresden gelangt. — Zum weiteren Schicksal der Dresdener Antikensammlung im 18. Jahrhundert, vor allem zum Problem ihrer Unterbringung, vgl. meinen hier S. 45 ff. abgedruckten Beitrag, S. 47/8 speziell zur Aufstellung im Jahre 1730. Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen 20,1842, S. 790—792. Bursian, Allgemeine deutsche Biographie 10, 1879, S. 724/5. Hase6, S. X. Leplat-Akte, Bl. 180 und 182.
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Baron Leplat . . . " befinden und aus denen sinngemäß hervorgeht, daß 11 für den Verkauf nach Dresden bestimmte Statuen des Kardinals Albani noch in Rom restauriert worden sind. Bald nach ihrer Ankunft in Dresden machte der inzwischen zum Direktor sämtlicher Dresdener Kunstsammlungen avancierte Baron Leplat 1733 die Neuerwerbungen in seinem Tafelwerk „Recueil des marbres antiques qui se trouvent dans la galerie du Roy de Pologne a Dresden" bekannt. Die ganz im Zeitgeschmack und — von Ausnahmen abgesehen — wenig qualitätvoll ausgeführten, dadurch manchmal grotesk entstellenden Stiche riefen nach ihrem Erscheinen scharfe Kritik hervor; so schrieb der Professor der Dresdener Kunstakademie, Giovanni Battista Casanova (1722/9 bis 1795)29, mit ausdrücklichem Bezug auf jenes Kupferstichwerk später in einer Abhandlung 30 : „... in der That würden viele Sammlungen der besten antiken Statuen nicht so wenig Aufmerksamkeit bey der Welt auf sich ziehen, wenn sie mit weniger Nachlässigkeit bekannt gemacht würden. Und eben die Ursache ist es auch, warum die vortrefflichen Denkmäler der churfürstlichen Antikensammlung in Dresden so in Vergessenheit gerathen, als ob sie noch unter ihren alten Ruinen vergraben lägen." Doch für die hier verfolgte Absicht haben die Stiche zumindest einen dokumentarischen Wert, da sie den Erhaltungszustand der Statuen unmittelbar nach deren Ankauf überliefern. Da dem Tafelwerk Leplats alle Angaben fehlen, die auf den Aufbewahrungsort der neuerworbenen Skulpturen direkt vor ihrem Ankauf 1728, also auf deren Herkunft aus den Sammlungen Chigi oder Albani im Einzelfall schließen lassen, herrscht in dieser Frage von Anfang an eine Unsicherheit, die später offenbar nie bemerkt worden ist. Unausgewertetes Aktenmaterial kann hier Klarheit herbeiführen: Im handschriftlichen „Inventarium über Sr. Königl. Majestät in Pohlen, und Chur Fürstl. Durchl. zu Sachsen, Statuen, Brustbilder, Groupen und ander Gefäß ... 1728"31, das die im Zeitraum von 1723 bis 1728 angeschafften modernen und antiken Kunstgegenstände aufführt, sind die im gleichen Jahr in Rom erworbenen Antiken natürlich noch nicht enthalten. Ein erstes offizielles, ebenfalls handschriftliches Verzeichnis des gesamten Dresdener Antikenbestandes nach den großen Neuankäufen datiert erst aus dem Jahre 1765 und trägt den Titel „Inventarium über sämtliche im großen Garten befindliche antique und moderne Statuen, Groupen, Büsten, Köpfe etc. 1765"32. Diese beiden in der Skulpturensammlung aufbewahrten Inventare von 29
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Vgl. W. Freiherr von Biedermann, Goethe und Dresden, Berlin 1875, S. 144. F. Noack, Thieme-Becker Künstlerlexikon 6, 1912, Sp. 103/4. G. B. Casanova, Discorso sopra gl'antichi, e varj monumenti loro per uso degl'alunni dell'Elettoral' Accademia delle bell'arti di Dresda, Lipsia 1770; zitiert nach der deutschen Ausgabe: Abhandlung über verschiedene alte Denkmäler der Kunst, besonders aus 'der Churfürstl.AntiquitätensammlungzuDreßden,Leipzigl771,S.12. — Vgl.K. W. Daßdorf, Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden, Dresden 1782, S. 576/7. Becker, Bd. 1, S. IV. Dresden, Skulpturensammlung: Cap: IV. No: 1. Dresden, Skulpturensammlung: Cap: IV. No: 4.
1728 bzw. 1765 sind nach dem gleichen Schema abgefaßt: Es werden nach dem Material und der Erhaltungsart Gruppen gebildet, innerhalb derer die einzelnen Stücke kurz beschrieben sowie die Maße und der gegenwärtige Aufbewahrungsort in Dresden angegeben werden. Das letztgenannte Inventar von 1765 verzeichnet sogar die römische Herkunft der Skulpturen; aber fast durchweg begegnet der Vermerk „Aus der Pr. Chigischen Collection", nur noch 9 statt 32 nachweislich dort gekaufter Statuen und die 2 Zugaben sollen aus der Sammlung Albani stammen Taj. 26 (vgl. Anlage II), darunter als die bekanntesten der sog. Dresdener Zeus (Hm 68) Taj. 28 und der Dionysos-Sarkophag (Hm 271)33. Demnach sind bereits eine Generation nach der Erwerbung jener Skulpturen die Spuren ihrer ursprünglichen Herkunft weitgehend verwischt. Die 1765 festgehaltenen Herkunftsangaben wurden bis auf den heutigen Tag unbestritten übernommen34, aber gerade sie sind anfechtbar und bedürfen einer Korrektur! In der mehrfach herangezogenen Akte „Lettres du Baron Leplat..." im Staatsarchiv Dresden befindet sich ein undatiertes Verzeichnis von 160 Statuen der Sammlung Chigi, betitelt „Etat des Statues de Chigi, y compris Celles qui sont augmentees"35, das also diejenigen mit einschließt, die im Preis höhergesetzt worden sind. Daß dieses Schriftstück von Leplat stammt und die dem Dresdener Hof angebotenen, bald darauf auch nach dort verkauften Stücke enthält, geht dann aus einem dem Verzeichnis beigefügten Nachsatz hervor: „Tout ce Recueil contient 160. pieces. Les 40930. Ecus Romains, sont en argent de Saxe — 61395. ecus", wenn man sich der gleichsam als Antwort auf die Schätzung Leplats ergangenen Instruktion vom 28. VIII. 1728 erinnert, für die Antiken der Fürsten Chigi nicht mehr als 40000 Scudi zu bieten (vgl. S. 11). Die in jenem undatierten „Etat des Statues de C h i g i . . . " enthaltenen knappen Bezeichnungen der Skupturen, mehr aber noch ihre Maße, erlauben eine Identifizierung derselben, sobald man die im Inventar von 1765 nur ganz geringfügig abweichenden Maße ähnlich titulierter Stücke vergleicht. Den Maßangaben beider Listen liegt unzweifelhaft das sächsische Längenmaß36 von 53
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Das Konzept (vgl. Anm. 40) zum Inventar von 1765, B1.75 r—76 v Nr. 187/8 vermerkt für die Satyr-Hermaphrodit-Gruppe (Hm 155) außer dem Fundort Villa Hadriani auch noch ihre frühere Aufbewahrung in der Sammlung Albani. Seit der 1. Auflage (1826) von Hases Katalog und dann in allen späteren bis hin zu Herrmann 2 findet sich bei einer 11. Statue, einer Replik des Aphrodite-Typs Medici (Hm 238), ohne Angabe von Gründen der — wie sich herausstellen wird — richtige Vermerk : aus Sammlung Albani. Leplat-Akte, Bl. 169 — 172; Titel auf der Rückseite des letzten Blattes. Vgl. Großer Brockhaus 15 , s. v. Elle, Fuß, Zoll. Die Leipziger Elle = 0,566 m ist spätestens seit 1734 als Längennormal für das ganze Kurfürstentum verbindlich gewesen; vgl. H.-J. von Alberti, Mass und Gewicht. Geschichtliche und tabellarische Darstellungen von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin 1957, S. 61, 235/6. Wegen der nur geringfügigen Differenzen aller Ellen-Maße kann die amtliche Elle von 1858 mit 0,56638 m nach O. Brandt, Urkundliches über Maß und Gewicht in Sachsen, Dresden 1933, S. 63 „unbedenklich für alle Zeitabschnitte und Gegenden benutzt werden". (Hinweise dazu werden J. Schardin v o m Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdener Zwinger verdankt.) 15
1 Elle (0,566 m) zu 2 Fuß oder Schuh (0,283 m) und 1 Fuß zu 12 Zoll (0,024 m) zugrunde. Die Herkunft aller dieser Statuen aus der Sammlung Chigi wird im Inventar von 1765 auch richtig angegeben; deshalb erhält das bisherige Ergebnis erst dann entscheidendes Gewicht, wenn es zur Wiedergewinnung der aus der Sammlung Albani erworbenen Skulpturen genutzt wird. Logischerweise müßte nach Abzug der nun sicher die Sammlung Chigi ausmachenden 160 Skulpturen der im Inventar von 1765 verbleibende Rest, der ebenfalls als „Aus der Pr. Chigischen Collection" stammend bezeichnet wird — zusammen mit jenen Stücken, die dort als aus Albanischem Besitz kommend genannt werden — den nach Dresden übergegangenen Teil der Sammlung des Kardinals ausmachen. Auch diese Vermutung wird durch das bereits herangezogene Material bestätigt. Denn in der Akte „Lettres du Baron Leplat..." im Dresdener Staatsarchiv findet sich ein weiteres, italienisch abgefaßtes und undatiertes Verzeichnis mit dem französischen Titel „Etat des Statues de Card. Alexandre Albani" 37 auf der Rückseite, das mit der bereits erwähnten und auf den 4. X. 1728 datierten Auswahlliste der Albanischen Antiken vollkommen übereinstimmt; die zuletzt genannte Liste aus der Hand Leplats — offenbar nur die französische Ausfertigung der vorigen 38 — trägt den Titel: „Nota Et Exstimation Des Statue de Son Eminente M Le Cardinal Alexandre Albany par Le B Leplat fait Le 4 octobre 1728" (vgl. Anlage I)20. Der Beweis, daß es sich bei den in beiden Aufstellungen aufgeführten, von Leplat in der datierten Liste auf 24300 Scudi39 taxierten 32 Antiken wirklich um die dann nach Dresden verkauften Statuen handelt, kann mit Hilfe eines in den Akten der Skulpturensammlung wiedergefundenen Verzeichnisses, dem handschriftlichen „Interims-Inventarium"40 von 1742 angetreten werden: Hier wie im darauf basierenden Inventar von 1765 finden sich die von den Schätzlisten der Sammlung Albani her bekannten 32 Statuen in nahezu gleicher Reihenfolge als Nummern 37
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Leplat-Akte, Bl. 168; über diesem Verzeichnis steht: „Stima fatta dal Sigr Baron Le Plat.", doch stammt es nicht v o n seiner Hand und stellt vielleicht nur eine erste Schätzung des sächsischen Unterhändlers dar. Die von Leplats offizieller Schätzliste (Anlage I) teilweise abweichenden Preise sind in Klammern rechts beigefügt. Schon Casanova (wie Anm. 30), 1770, I X ; 1771, 12/3 hat — was die Benennungen der Skulpturen in Leplats Tafelwerk (vgl. Anm. 13) betrifft — auf deren Abhängigkeit von den in Rom angefertigten Verkaufslisten hingewiesen. Die in Rom üblichen Bezeichnungen halten sich sogar bis in das Inventar v o n 1765, was eine Identifikation der Antiken wesentlich fördert. Die andere Schätzliste (Leplat-Akte, Bl. 168; vgl. Anlage I) gibt als Taxsumme 24550 Scudi an. Auf dem Titelblatt des Inventars von 1765 wird auf dieses Interims-Inventar v o n 1742 hingewiesen; es wurde in der Skulpturensammlung Dresden in dem Band „Antiquen und moderne Statuen. Concept zum neuen Inventario. 1765." (Cap: IV. No: 3.) vorn als Bl. 10—30 eingebunden gefunden. Auf der ersten Seite dieses Inventars von 1742 steht — wohl als spätere Anfügung — in roter Tinte, daß das Original am 19. IX. 1742 Herrn Mattielli zugestellt worden sei; beim vorliegenden Exemplar handelt es sich deshalb wohl nur um eine Abschrift. Auf Bl. 30 v sind der 30. VIII. 1742 als Übergabedatum und eine unleserliche Unterschrift angeben.
16
158—191 41 wieder. Die v o n Leplat taxierten Skulpturen sind demnach ohne Abstriche gekauft worden. Auch hier kann ihre Identifizierung durch Vergleich der gleichgebliebenen Benennungen und Maße erfolgen, wobei diesmal der Aufstellung Leplats das Palmenmaß (1 palmo = 0,222 m) 42 zugrunde Hegt. Das geschilderte Vorgehen gestattet es, die 1728 aus den beiden römischen Sammlungen erworbenen insgesamt 194 Antiken (Chigi = 160, Albani = 32 u n d 2 Zugaben) ihrer H e r k u n f t nach genau zu trennen. So kann außer den beiden Zugaben und den 10 bereits bekannten nun die große Zahl der bisher .vermißten' Skulpturen aus der Antikensammlung des Kardinals Albani wiedergewonnen u n d in jedem EinTaj. 1-34 zelfall mit heute in Dresden vorhandenen Antiken identifiziert werden (vgl. Anlage II). D a diese Antiken oftmals aus mehreren, nicht zusammengehörigen Teilen bestanden, die jetzt getrennt voneinander aufbewahrt werden, ergibt sich heute die stattliche Zahl von 48 Statuen, Torsen u n d Köpfen, die aus dem Besitz des Kardinals Albani in die Dresdener Antikensammlung gelangt sind. Unter den ,Neulingen' beT"J• 3 finden sich so hervorragende Werke wie der sog. Dresdener Knabe (Hm 88), die beiden mit der Athena Lemnia des Phidias in Verbindung gebrachten Statuen Ta/.14,16;9 (Hm 49 und H m 50) u n d die sog. Dresdener Artemis (Hm 117), u m nur die markantesten Beispiele zu nennen 4 3 . Bei den f ü r ein Wiederfinden oft zu wenig aussagenden Benennungen der Skulpturen und hin u n d wieder differierenden Maßangaben in den alten Aufstellungen und Inventaren kann es nicht verwundern, daß eine eindeutige Identifizierung manchmal nur auf Umwegen bzw. durch Ausschluß möglich ist. Erschwerend k o m m t hinzu, daß weder die einst vervollständigten noch die heute v o n ihren mitgebrachten Ergänzungen gänzlich befreiten Antiken genau vermessen sind, so daß die vorhandenen Größenmaße meist nur Näherungswerte darstellen. In einigen wenigen Fällen bleibt die Identifizierung auf die hier befolgte Weise sogar ausgeschlossen. Exemplarisch soll an einer Figurengruppe der grundsätzliche Vorgang demonstriert werden: Unter den 1728 erworbenen Antiken befanden sich sieben Athenastatuen (Hm 26/181,49, 50/54, 51/59, 53, 55,177 — in Wahrheit also v o n zehn verschiedenen Statuen stammend und nur durch Restaurierung zusammengesetzt), die nach der allgemein angenommenen Überlieferung alle aus der Sammlung Chigi stammen 41
Die im Inventar von 1742 insgesamt 34 Nummern dürfen nicht verwundern; sie erklären sich daraus, daß hier — im Gegensatz zur Aufstellung vom 4. X. 1728 (vgl. Anm. 20) — die Taf. 6; 31 Gruppen Eros und Psyche (Hm 210) bzw. Satyr und Hermaphrodit (Hm 155) mit Doppelnummern (163/4 bzw. 187/8) besetzt sind. 42 Nach einer im Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden („Acta für das Kön. Antikenkabinet. 1723 bis 1838.", Bl. 23) erhaltenen vergleichenden Maßtabelle mißt ein Palmo R.° di Passetto = 0,222 m, ein Palmo R.° die Canna = 0,247 m. Zu den Schwankungen dieses Längenmaßes vgl. Großer Brockhaus16, s. v. Palmo. Alberti (wie Anm. 36), S. 260, 266, 490. 43 Als notwendig erweist sich eine Berichtigung vor allem bei den ,Lemnia-Statuen' (Hm 49; Hm 50) und dem sog. Dresdener Knaben (Hm 88), aber auch bei einer AphroditeTaf. 19 Statuette (Hm 142), da von ihnen noch in neueren Publikationen angenommen wird, daß sie aus der Sammlung Chigi stammen. 2
Dresdener Antiken
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sollen, was nun jedoch angezweifelt werden muß. Denn in dem mehrfach genannten undatierten Verzeichnis „Etat des Statues de Chigi . . . " (wie Anm. 35) tauchen nur die vier folgenden Athenastatuen auf: undat. Verz. pieds/pouces
Invent. 1765 Schuh/Zoll
Identifikation
unter ,Grand Statues' (16) Minerve Egytienne (26) Pallas (47) Pallas
6.2 ( = 1,75m) 5.11 ( = 1,68m) 4.7 ( = 1,30 m)
6.2 ( = 1,75m) 5.10 ( = 1,66 m) 4.8 ( = 1,32 m)
Hm Hm Hm Hm
unter ,Statues moyenes' (66) Minerve
3.2 ( = 0,90m)
2.11 ( = 0,83 m)
Hm 55
26/181 51/59 53 oder 177
Die erstaunliche Übereinstimmung der Maße in dieser Gegenüberstellung bietet die Möglichkeit, genau festzulegen, welche der dürftigen Angaben im „Etat des Statues de C h i g i . . . " sich mit welcher Athenastatue verbinden lassen. Im ersten Falle (H 26/ 181) wird die gewonnene Erkenntnis sogar noch durch die Bezeichnung „Minerve Egytienne" untermauert, denn das archaistische Palladion mit verzierter Mittelfalte wird offenbar hier wie auch in späterer Zeit gern als ägyptisch beeinflußt angesehen. Nur bei der an Position 47 angeführten Athena bieten sich zwei Dresdener Athenastatuen ungefähr gleicher Abmessungen, Hm 53 und Hm 177, zur Auswahl an, hier muß also die genaue Identifizierung offen bleiben. — Damit ist die Herkunft von allerdings nur vier statt aller sieben in Rom erworbenen Athenastatuen aus der Sammlung Chigi nachgewiesen; die verbleibenden drei werden aus der Sammlung Albani stammen. Tatsächlich findet man sie in der „Nota Et Exstimation..." (vgl. Anm. 20) betitelten Liste Leplats vom 4. X. 1728 wieder:
Verzeichnis vom 4. X . 1728 Forderung Albani
(vgl. Anlage I) Angebot Leplat
Invent. 1765 Schuh/Zoll
Identifikation
14
2 4 0 0 „La Statue pallas 1 0 0 0 ( = 2 , 2 2 m) haute de 10 palme scudy
7.9 ( = 2,20 m)
Hm 50/54
16
1 2 0 0 Statue de pallas 1 0 0 0 ( = 2,66 m[?]) ou minerve Le scudy Boucelier a La main Et casque En tete haute de 12 [?] palme
8.0 ( = 2,26 m)
Hm 49
4.7 ( = 1,30 m)
Hm 177 oder Hm 53
17
18
600 autre Statue de pallas haute de 6 palme"
300 ( = 1,33 m) scudy
Auch diese mit der Forderung Albanis und dem Angebot Leplats versehene Aufstellung läßt eine Identifizierung mit ziemlicher Sicherheit zu: Die Angabe von 10 Palmen bei der ersten Statue könnte in gleicher Weise auf Hm 49 und H m 50/54 zutreffen. Da aber in den Angaben zu der zweiten Statue ausdrücklich ein Schild in der Hand und ein Helm auf dem Kopf gefordert werden, muß man zu der Annahme Taj. 14 neigen, daß hier Hm 49 (vgl. Leplat, Taf. 41) gemeint sei, deren auffälliger Kopfschmuck sicher zu dieser namentlichen Nennung des Helmes geführt hat. Die vollkommen übereinstimmende Haltung der ergänzten Arme verlangt allerdings bei Taf. 14,16 beiden Statuen (vgl. Leplat, Taf. 41 und 75) an der rechten Seite einen von der Hand leicht berührten und auf dem Boden abgesetzten Schild, auf den — vielleicht war er in Rom noch vorhanden — die Beschreibung in gleicher Weise hindeuten kann. Die differierende Größenangabe beruht auf einer offenkundigen Unklarheit und Korrektur an dieser Stelle. Bei der an dritter Position angeführten Statue läßt sich nicht klar Taf. is entscheiden, ob in ihr Hm 177 oder Hm 53 zu erkennen ist (vgl. den korrespondierenden Fall oben). — Eine Übersicht über die Größenmaße, die in den einzelnen Dresdener Inventaren und Katalogen 4 4 für die Athenastatuen angegeben werden, soll die Richtigkeit des beschrittenen Weges, nämlich über einen Vergleich der Maßangaben zu einer Identifizierung zu gelangen, noch einmal bestätigen:
Hm
Invent. 1765 Schuh/Zoll
Lipsius 1797 Becker 1804—1811 Ellen/Zoll
26/181
6.2
( = 1,75 m)
3.2
( = 1,75 m)
8.0
( = 2,26 m)
4.0
( = 2,26 m)
Hase5 1839 Fuß/Zoll
Hettner 4 1881
4.9 ( = 1,39 m) 1,36 m + 1.9 ( = 0,50 m) + 0 , 4 3 m 1,89 m
49
'
8.0 ( = 2,26 m)
mit ergänztem Helm!
50/54
7.9
( = 2,20 m)
51/59
5.10 ( = 1,66 m)
exaktes Maß 45 1,44 m +0,35 m
1,79 m
1,79 m
2,19 m
2,07 m
'
3.21 ( = 2,21 m)
7.6 ( = 2,12 m)
2,09 m
3.0
6.0 ( = 1,68 m)
1,61 m
1,81m +0,34 m 2,15 m
(1,70 m)
1,04 m +0,33 m
53
4.8
( = 1,32 m)
2.8
2.11 ( = 0,83 m)
1.11 ( = 0,83 m)
44
45
2*
4.7
( = 1,30 m)
2.7
( = 1,30 m)
1,07 m
1,37 m 0,91m
0,91m
0,70 m
1
3.0 ( = 0,85 m)
mit ergänztem Kopf!
1
177
4.8 ( = 1,32 m)
mit ergänztem Kopf!
1
55
( = 1,32 m)
4.8 ( = 1,32 m)
1
1,27 m
1,31m
Vgl. Literaturverzeichnis; dazu W. A . Becker, Nachträge und Berichtigungen zu Becker's Augusteum, Leipzig 1837. Die teils doppelten Größenangaben in der letzten Spalte ergeben sich aus den heute getrennten Teilen, die ehemals unter Verwendung moderner Zwischenglieder — dadurch erklären sich auch die Maßdifferenzen — zu einer Skulptur zusammengesetzt waren.
19
Am konkreten Beispiel der Athenastatuen hat sich noch einmal gezeigt, daß die zweihundertjährige Dresdener Überlieferung in vielen die Herkunft betreffenden Fällen revisionsbedürftig ist; dies trifft auch für die beiden, gemeinsam aus dem Besitz des Kardinals Albani stammenden,Lemnia-Statuen' zu, als deren römischer Aufstellungsort noch in jüngster Zeit (wie Anm. 43) die Sammlung Chigi angegeben worden ist. Nach der erfolgreichen Ermittlung des wirklichen Standortes der 1728 aus den beiden römischen Privatsammlungen an den sächsischen Hof gelangten Skulpturen unmittelbar vor ihrem Ankauf schließt sich die Frage nach ihrem Schicksal in den Sammlungen Chigi und Albani, nach einer eventuell früheren Zugehörigkeit zu anderen Sammlungen oder gar nach ihrem Fundort von selbst an. Die anläßlich des Besitzwechsels ausgefertigten Aufstellungen und Schätzlisten gewinnen als Ausgangspunkt nun auch für jene römischen Sammlungen an Bedeutung, auch wenn die darin erhaltenen Bestandsaufnahmen schließlich zum Ende der einen und zur Auflösung der anderen Sammlung geführt haben. Wie bei den meisten sammlungsgeschichtlichen Forschungen muß man von dieser gesicherten Plattform — vergleichbar den Suchgräben bei der archäologischen Feldforschung — in die Vergangenheit hinabstoßen. Dies ist Müller in einem Falle gelungen, als er für die aus der Sammlung Albani stammende Gruppe Silen und Hermaphrodit (Hm 155) durch systematische Taf.ii Kritik sich widersprechenden Inventar- und Katalogangaben und Benutzen eines Briefes von J. J. Winckelmann zuletzt deren Fundort Nettuno ermitteln konnte46. Weil der Zugang zu römischen Archiven versperrt und allzu wenig von ihrem Material publiziert ist, sind derartigen Bemühungen von vornherein Grenzen gesetzt; und das Aufspüren ganz bestimmter Antiken in Skizzenbüchern italienischer und hauptsächlich von diesseits der Alpen nach Rom gereister Künstler oder in illustrierten Büchern des 16.—18. Jahrhunderts wird äußerst selten vom Erfolg gekrönt 47 . — Am Beispiel der nach Dresden gelangten Athenastatuen, über deren Schicksal vor 1728 in zwei Fällen — je einem aus den Sammlungen Chigi und Albani — etwas ermittelt werden kann, soll die Möglichkeit gezeigt werden, in das bisher kaum er-
46
47
20
W. Müller, Text zu BrBr, Taf. 731 (1930), S. 1 = zur Herkunft von Hm 155/6. Brief J. J. Winckelmanns an J. J. Volkmann vom 3. III. 1762 in: Johann Joachim Winckelmann. Briefe (herausgegeben von W. Rehm), Bd. 2, Berlin 1954, S. 212. Zu den Herkunftsangaben der Dresdener Kataloge vgl. Anlage II. Die bei G. B. de'Cavallieri, Antiquarum statuarum urbis Romae liber primus, um 1570, Taf. 21 abgebildete Statue in der Sammlung Este (in Ausgabe A von 1585: Taf. 40, jetzt aus der Villa Farnese; vgl. Hübner, S. 38—43) gibt nicht einen Stich nach der Statue des sog. Dresdener Zeus wieder — wie in der Kartei der Skulpturensammlung vermutet wird —, sondern nach Hülsen, S. 101 Nr. 26, Abb. 70 = Stich von Cavallieri, einen heute in den päpstlichen Gärten stehenden Asklepios, der jenem Zeustyp jedoch nahesteht (vgl. W. Amelung, EA 800. — G. Lippold, Die griechische Plastik [Handbuch der Archäologie], München 1950, S. 190 Anm. 9).
hellte Dunkel, das über den Sammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts liegt, wenigstens einen Schimmer Licht dringen zu lassen. Die für Dresden angekaufte Sammlung Chigi war im Palast der Fürsten, dem heutigen Palazzo Odescalchi, im Nordwesten der Piazza SS. Apostoli 48 aufgestellt und ist dort zunächst von Berger begutachtet, später von Leplat erworben worden. Sie war einst von Fabio Chigi (1599—1667), dem nachmaligen Papst Alexander VII. (sein Pontifikat 1655—1667) 49 , und seiner Nepotenfamilie zusammengebracht worden. Der gesamte, fideikommissarisch nicht festgelegte Teil der Sammlung wurde 1728 von den Kindern des ursprünglichen Erben Fürst Agostino Chigi, nämlich vom Fürsten Augusto und seinem Bruder Abt Mario nach Dresden verkauft 50 . Nur wenige Antiken blieben auf den Besitzungen der Chigi zurück 51 . Im Archivio Chigi in Ariccia befindet sich eine undatierte Urkunde 52 , die als italienische Ausfertigung der Verkaufsliste von 1728 anzusprechen ist, da in dem begleitenden Text darauf hingewiesen wird, daß die aufgeführten Stücke mit zwei zusätzlichen Büsten für 34000 Scudi von Leplat erworben worden seien. Nicht nur die Kaufsumme, sogar das der Urkunde zugrundeliegende äußere Schema stimmt mit der „Etat des Statues de Chigi . . . " (wie Anm. 35) genannten Liste in den Dresdener Akten überein. Um so mehr verwundern die teils stark abweichenden Größenangaben, die den aus dieser Sammlung stammenden vier Dresdener Athenastatuen beigegeben werden: Identifikation unter „Una „Una „Una
,statue grandi' Pallade di p. mi sette" Pallade di p. mi n o v e " Minerva di p. mi n o v e "
unter ,teste e semibusti e statue piccole' „ U n a Pallade di p. mi quattro"
48
49 50
61
52
( = 1,55 m) ( = 2,00 m) ( = 2,00 m) ( = 0,89 m)
H m 55
Vgl. Golzio, S. 305, der sich zum Teil gegen früher vertretene Ansichten wendet, besagte Antiken hätten damals in einem anderen Palast der Chigi an der Piazza Colonna gestanden. — Vgl. Hettner 4 , S. IV. H. Lamer, R E Bd. 12, 2 (1925), Sp. 1910 s. v. Lemnia. Vgl. S. Pallavicino, Della vita di Alessandro VII, Prato 1839/40. Vgl. A. Mau — E . von Mercklin, Katalog der Bibliothek des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, Bd. I , 2 , R o m l 9 1 4 , S. 1297. Lanciani, B d . l , S . 151. — So erklärt sich auch die Unterschrift des Augusto Chigi unter einem Schreiben, das einem LeplatBrief beigelegt war (Leplat-Akte, Bl. 51). Vgl. Golzio, S. 305, Anm. 2; S. 323/4 ein im Archivio Chigi zu Ariccia aufbewahrter Brief des Kunsthändlers F. Ficoroni mit mehreren Verzeichnissen von Antiken, die — so aus den beigegebenen Daten zu schließen — nach dem erfolgten Verkauf vom 2. X . 1728 an Leplat im Palast an der Piazza SS. Apostoli verblieben sind. Vgl. S. 327 mit Angaben über Antiken, die um 1730 noch ebendort vorhanden waren. Abgedruckt bei Golzio, S. 3 2 4 - 3 2 7 . - W. Müller, Text zu BrBr, Taf. 793/4 (1943), Anm. 1 glaubt irrtümlicherweise, in den bei Golzio, S. 324 unten aufgeführten Athenen die Statuen H m 49 und H m 50 wiedererkennen zu können.
21
Welche Umstände auch immer für die merkwürdigen Diskrepanzen in den Maßangaben (vgl. S. 18) verantwortlich sein mögen, — bei dem schon oben zugrundegelegten Palmenmaß stimmt nur die letztgenannte kleine Athenastatue mit der bei Leplat an gleicher Stelle aufgeführten und sicher mit dem heutigen Torso Hm 55 zu identifizierenden Figur überein. Und trotzdem müssen wegen des übereinstimmenden Schemas und anderer Indizien, die für eine Gleichsetzung der Leplat'schen Liste mit der Urkunde in Ariccia maßgebend sind, mit den jeweils aufgezählten Objekten auch die gleichen Athenastatuen Hm 26/181, Hm 51/59 und Hm 53 oder Hm 177 gemeint sein. Ein im Archivio di Stato in Rom existierendes, etwas älteres „Inventarium Excme Domus Chisie" 53 aus dem Jahre 1705, in dem über 140 Antiken aufgeführt werden, führt etwas weiter zurück. Trotz geringerer Anzahl sind jene Skulpturen nach später angefügter Notiz 54 mit denen gleichzusetzen, die 1728 an den Baron Leplat verkauft wurden. In dem genannten Inventar tauchen nur noch drei Athenastatuen auf, die sich aber dank genauerer Beschreibung und Maßangabe als bei der zuvor behandelten Urkunde und im Vergleich mit Leplats Verzeichnis der Sammlung Chigi (vgl. S. 18) eindeutig identifizieren lassen: Identifikation „16. Una Pallade anticha con lo scudo in mano, e con l'asta alta palmi 7. 21. Una Dea Pallade anticha restaurata alta palmi 8, con piedestallo di legno parte dorato. 83. Una Pallade di marmo anticho alta palmi 4 con lo scudo in mano."
( = 1,55 m)
Hm 51/59
( = 1,78 m)
Hm 26/181
( = 0,89 m)
Hm 55
Bei der ersten Statue handelt es sich um eine Athena, deren hervorhebenswerte Kennzeichen der Schild in der Hand und eine Lanze gewesen sein müssen, eine Beschreibung, die — von der geringfügigen Maßdifferenz abgesehen — bei den zur Verfügung stehenden Athenafiguren am ehesten auf Hm 51/59 paßt (vgl. Leplat, Taf. 26; Lanze in der rechten Hand verloren). Die zweite Athenastatue ist schon allein durch die Größenangabe sicher mit Hm 26/181 gleichzusetzen und muß durch eine auffällige Restaurierung und wegen des vergoldeten Postamentes hervorgestochen haben. Die dritte und kleinste Figur mit dem Schild in der Hand kann wegen der übereinstimmenden Maße nur Hm 55 gewesen sein (vgl. Leplat, Taf. 51). 53
64
22
Dieses vom Notar Francesco Franceschini am 2. XII. 1705 (vgl. Lanciani, Bd. 1, S. 151) angefertigte Chigi-Inventar ist von G. Fiorelli in: Documenti inediti per servire alla storia dei musei d'Italia, Bd. 2 , 1 8 7 9 , 175 — 181 publiziert; vgl. dazu den einleitenden Kommentar S. X . — Hier glaubt Müller (wie Anm. 52) fälschlich, die als Nr. 21(?) aufgeführte Athena auf eine der .Lemnia-Statuen' zurückführen zu können. So Lanciani, Bd. 1, S. 151.
Woher die im Inventar von 1705 fehlende 55 , in den Listen von 1728 aufgeführte vierte Athena der Sammlung Chigi im dazwischenliegenden Zeitraum gekommen ist, bleibt offen. Es scheint zumindest unwahrscheinlich, daß sich diese Athenastatue bei den eindeutigen Attributen einer ,Pallas' unter anderem Namen im Inventar von 1705 verbergen sollte; sie kann also nur aus späteren Ausgrabungen oder aus einer anderen Sammlung stammen. Die in Ariccia aufbewahrten Dokumente des Hauses Chigi geben über die eigentliche Herkunft dieser wie der drei übrigen Athenastatuen nichts, über das Zustandekommen der ganzen Antikensammlung nur wenig aus; danach stammt wenigstens einiges aus den zeitgenössischen Ausgrabungen in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts 56 . Stattdessen liefern sie aber zahlreiche, meist recht detaillierte Angaben über vorgenommene Restaurierungen an den Antikenbeständen. Diese sind für die Dresdener Sammlung aber bisher nahezu unausgewertet geblieben, obwohl der Herausgeber der entsprechenden Materialien des Archivio Chigi in Ariccia, Vincenzo Golzio, bereits versucht hat, einige der in den Ankaufs- und Restaurierungsunterlagen beschriebenen Skulpturen mit Dresdener Antiken zu identifizieren 67 . Wegen der damit verbundenen Imponderabilien sollen die Vorschläge an dieser Stelle nicht überprüft, sondern ein anderes und — wie es scheint — überzeugendes Beispiel angeführt werden. Ein für den Bildhauer und Restaurator Baldassare Mari (j- 1673)58 ausgestellter Zahlungsbeleg vom 14. III. 166559 berichtet von der Restaurierung mehrerer Antiken, darunter auch einer Athenastatue („restaurata una Minerva"). Da im Inventar von 1705 ausdrücklich eine der drei dort aufgeführten Athenastatuen als restauriert bezeichnet wird, muß sich diese Notiz von 1665 auf diese Statue beziehen, die mittels der Größenangabe bereits eindeutig als die Statue Hm 26/181 identifiziert worden war. Und da sich — wie an dieser Stelle nicht ausgeführt werden kann — der auf jenes archaistische Palladion (Hm 26) aufgesetzte Kopf (Hm 181) wenn nicht gar als moderne Arbeit so doch als überarbeitete Antike erweisen läßt, liegt hier offenbar die seltene Möglichkeit vor, in der Mitte des 17. Jahrhunderts den Restaurator einer 55
56
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58 59
Sie befand sich zum damaligen Zeitpunkt auch nicht auf einer der anderen Besitzungen der Chigi, wie aus dem zweiten Teil dieses Inventars von 1705 hervorgeht, das in: Documenti inediti (wie Anm. 53), Bd. 4, 1880, S. 399—417 abgedruckt ist. Vgl. etwa bei Golzio, S. 3 0 7 - 3 1 0 die Aktenstücke 3579 vom 8 . 1 . 1661 und 18 vom 1. VII. 1672, wo vom Fund mehrerer Antiken und deren Ankauf für das Haus Chigi gesprochen wird. — Weitere Angaben bei Th. Ashby, BSA 8, 1916, S. 67/8 Anm. 7. Vgl. Golzio, S. 3 0 7 - 3 1 0 : Aktenstücke 3579 vom 8. I. 1661 Nr. 1 = vielleicht Leplat (wie Anm. 13), Taf. 11 ( = Hm 405); 4364 vom 10. VII. 1662 Nr. 3 = Leplat, Taf. 58 = Hase1, S. 89 Nr. 303 ( = Hm ?); 4429 vom 9. VIII. 1662 = Leplat, Taf. 35 ( = Hm 241/ 115); 61 vom7.II. 1663 Nr. 7 = Leplat, Taf. 24 (nicht: vielleicht27) = Hase 1 , S. 32 Nr. 127 ( = Hm 192); 3662 vom 2. III. 1668 Nr. 10 = Leplat, Taf. 41 (richtig: 79) ( = Hm 154), Nr. 12 = Leplat, Taf. 65 ( = Hm 261); 18 vom 1. VIII. 1672 und andere Dokumente = Hm 2 3 3 - 2 3 6 , dazu vgl. W. Müller, Text zu BrBr, Taf. 793/4 (1943), S. 6 Anm. 1 zu Hm 2 3 3 - 2 3 6 . Vgl. R. Wittkower, Thieme-Becker Künstlerlexikon 24, 1930, Sp. 90/1. Abgedruckt bei Golzio, S. 3 1 7 : Aktenstück 1166. - Vgl. W . Müller, Text zu BrBr, Taf. 793/4 (1943), S. 6 Anm. 1, der die restaurierte Statue aber nicht identifiziert!
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sicher bestimmbaren Antike benennen zu können. Wenn damit auch die Quellen für die hier exemplarisch behandelten Athenastatuen der Sammlung Chigi erschöpft sind, so gewinnt doch dieses letzte Ergebnis für den Bernini-Schüler Baldassare Mari, dem „keine sichere Arbeit bisher nachgewiesen" 60 werden konnte, eine gewisse Bedeutung, scheint doch dadurch seine Künstlerpersönlichkeit überhaupt erst greifbar zu werden, wenn der in der Dresdener Skulpturensammlung noch aufbewahrte Kopf Hm 181 das erste gesicherte Werk seines durch Schriftquellen reichlich belegten Schaffens darstellen sollte. Und die vielen anderen im Archivio Chigi aufbewahrten und bislang nicht ausgewerteten Dokumente aus den letzten Lebensjahrzehnten des Künstlers lassen noch weitere Aufschlüsse über diesen Barockbildhauer und Restaurator erwarten. Ähnliche Bemühungen gelten dem Ursprung der Sammlung Albani 61 . Die Antiken des bekannten, durch sein Verhältnis zu Winckelmann so berühmten Kardinals Alessandro Albani (1692—1779)62 befanden sich damals im sog. Palast MassimiAlbani alle Quattro Fontane 63 auf dem Quirinal. Schon in jungen Jahren hatte der Kardinal teils von seinem Onkel, dem Papst Klemens XI. Albani (sein Pontifikat 1700—1721) aus dessen ,Museo Ecclesiastico', teils durch Ausgrabungen seit 1717 in Tivoli, Nettuno und Civitä Lavinia 64 eine erste stattliche Antikensammlung zusammengebracht. „Allein der Kardinal hatte so toll gewirtschaftet, daß er sich bald mit dem Gedanken des Verkaufens vertraut machen mußte." 65 Und so ging der kleinere Teil, 32 Stück und die beiden Löwen, 1728 nach Dresden, das Gros von ins- T«f. 1-34 gesamt 408 Antiken erwarb Pabst Klemens XII. Corsini (sein Pontifikat 1730—1740) wenig später für das im Jahre 1734 neu eingerichtete Museo Capitolino 66 . Aber bald nach diesem Verkauf begann der Kardinal seit 1735 erneut Antiken zu sammeln, die größtenteils aus Tivoli stammen und den Grundstock der heutigen Sammlung Albani in der eigens dafür erbauten Villa Albani vor Porta Salaria (heute im Besitz 80
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61 85
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Wittkower, 90, was sich nach brieflicher Auskunft nicht nur auf seine Antikenrestaurationen bezieht. Vgl. auch Golzio, S. 307. Vgl. A . Mau/E. von Mercklin, (wie Anm. 50) Bd. I, 2, S. 1284. Vgl. Justi, Bd. 2, S. 7 5 - 1 0 0 . Der Palast Massimi-Albani alle Quattro Fontane, einst v o n Domenico Fontana (1543 bis 1607) zu Beginn des 17. Jh. für einen Kardinal Mattei gebaut, gehörte später dem bereits Antiken sammelnden Kardinal Camillo Massimi (1620 — 1676), wurde gegen Ende des Jahrhunderts Eigentum der Albani — hier wohnte dann auch Winckelmann während seiner römischen Jahre — und heißt heute Palazzo del Drago. Vgl. Matz, in: G G N , 1872, S. 69. — Justi, Bd 2, S. 77/8, 88. — Guida d'Italia del Touring Club Italiano: Roma e dintorni, Milano 1965, S. 298. Vgl. Justi, Bd. 2, S. 88. Justi Bd. 2, S. 89. — Vgl. dazu W . Heibig. Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom 4 Bd. 2, Tübingen 1966, S. 18. Vgl. H. Stuart Jones, The Sculptures of the Musei Capitolini, Oxford 1912, Bd. 6, S. 385—398. Heibig (wie Anm. 65), S. 18. Bei beiden kein W o r t zum früheren Abgang von 32 Statuen dieser Sammlung und 2 Zugaben nach Dresden, so daß leicht der falsche Eindruck entstehen kann, die erste Sammlung Albani hätte nur die ins Museo Capitolino gelangten 408 Antiken umfaßt.
der Torlonia)67 bilden. In ihr befindet sich auch die durch Winckelmann so gepriesene ,Pallas Albani', die natürlich nichts mit einer der nach Dresden gekommenen Athenastatuen zu tun hat. Woher die erste Antikensammlung des Kardinals Albani und damit auch die 32 nach Dresden gelangten Statuen und zwei Zugaben stammen, darüber sagen die Quellen ganz wenig aus. Aus dem , Museo Ecclesiastico' des päpstlichen Verwandten kamen vorwiegend Inschriften, jedoch nachweislich nicht die für Dresden erworbenen Skulpturen68. Daß aber einiges auch aus Nettuno und aus der Hadriansvilla in Tivoli 69 in seine Sammlung gelangte, beweisen nicht nur die vom Kardinal in der kaiserlichen Villa veranstalteten Ausgrabungen, sondern auch die Tatsache, daß die aus dem Besitz Albani stammende und 1728 nach Dresden verkaufte Gruppe Satyr Taf. 31 un