Die Civilprozessordnung für das Deutsche Reich nebst den auf den Civilprozess bezüglichen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und den Einführungsgesetzen: In der Fassung vom 20. Mai 1898 [7. völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018] 9783111651477, 9783111267814


186 10 130MB

German Pages 1409 [1412] Year 1900

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Erklärung der wichtigsten Abkürzungen
Einleitung
Civilprozeßordnung
Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen
Zweites Buch. Verfahren in erster Instanz
Drittes Buch. Rechtsmittel
Viertes Buch. Wiederaufnahme des Verfahrens
Fünftes Buch. Urkunden- und Wechselprozeß
Sechstes Buch. Ehesachen. Feststellung des Nechtsverhaltnisses zwischen Eltern und Lindern. Entmündigungssachen
Siebentes Buch. Mahnverfahren
Achtes Buch. Zwangsvollstreckung
Neuntes Buch. Aufgebotsverfahren
Zehntes Buch. Schiedsrichterliches Verfahren
Gesetz. betreffend die Einführung der Civilprozeßornung
Einführungsgesetz
Gerichtsverfassungsgesetz
Einführungsgesetz
Sachregister
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Die Civilprozessordnung für das Deutsche Reich nebst den auf den Civilprozess bezüglichen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und den Einführungsgesetzen: In der Fassung vom 20. Mai 1898 [7. völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111651477, 9783111267814

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Die

Kivikprozeßordnung für da-

Deutsche Weich nebst

Ir» Bis de» Ibilyroitl kr]8|U|ti #t|Unm|t» Im Serich1,»rrf>ss«i«zksetzM ul In «»fitzn»,»grfetzn 3b kn Fass«,, in 80. R»i 1808. Unter Mtwirkmrg von

K. Rasch,

,mb

Landgericht-rath

Dr. P. Soll, Landrichter

herausgegeben von

Dp. I. Stnukxm»,

mb

WtrNtcher Beheimer Ober»Juftizr»th rath Ober» 8ante»zerichrl-VrL1iderU +.

Dr. R. Koch, wirtlicher cheheimrr N»th, Priistbem M «eichsbmtt-Dirrkttri»»».

Cttkflt, »Mtj iniittttdt mint

Berlin.

I. vutteutag, Verlagsbuchhandlung, «. ». i. H.

1900.

Verwert znr ersten Auflage. Das Bedürfniß einer gemeinsamen Ordnung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten war bereits zu einer Zeit, als noch der Deutsche Bund das jetzt geeinigte Deutschland lose verband, ein tief empfundenes und veranlaßte den Bundestag zur Niedersetzung einer Kommission in Hannover, welche freilich bei dem Fernbleiben Preußens von vornherein geringe Aussicht auf unmittelbar prakttschen Erfolg bot. Der Entwurf dieser Kommission und ein inzwischen in Preußen ausgearbeiteter Entwurf lagen den Berathungen der demnächst vom Bundesrathe des Norddeutschen Bundes berufenen Kommission zu Grunde. In dem beinahe aus dreijährigen Berathungen hervorgegangenen Entwürfe der Norddeutschen Prozeßkommission traten nicht minder, als in jenem der Kommission zu Hannover die im Schooße derselben waltenden Gegensätze der verschiedenen Rechtsgebiete, welche man in zahlreichen Kompromissen zu versöhnen gesucht hatte, deutlich zu Tage. Eine schärfere Ausprägung des diese Arbeiten beherrschenden Mündlichkeits- oder richttger Unmittelbarkeitsprinzips zeigt der sodann im preußischen Justizministerium ausgearbeitete Entwurf. Wie dieser, im Wesentlichen auf dem Norddeutschen Entwürfe fußend, sich dessen Einzelarbeit in sorgfältiger Sichtung aneignete, so haben gerade die Einzelheiten in der dem­ nächst vom Bundesrathe des Deutschen Reichs berufenen SachverständigenKommission eine weitere Durchbildung erfahren. Der Kommissions-Entwurf ist wiederum in grundsätzlichen Punkten durch Beschlüsse des Bundes­ raths mehrfach modifizirt worden. In dieser neuen Gestalt wurde der Entwurf dem Reichstage vorgelegt, hierauf von der dazu erwählten Kommission des Reichstags im Einzelnen durchberathen und bei grundsätzlicher Billigung mit manchen Aenderungen im Einzelnen angenommen — Vorgänge, welche noch in frischem Gedächtnisse sind. Der Hinweis auf diese Marksteine in der Geschichte der Civilprozeßordnung genügt, um in sprechender Weise ein Wort der „Allgemeinen Begründung" des letzten Entwurfs zu bestätigen: „Die Herstellung eines Reichsprozeßrechts für bürgerliche Rechtsstteitigkeiten ist ein Werk von außerordentlicher Schwierigkeit." Eine solche Entstehungsgeschichte und die dadurch bedingte Fülle der Materialien, noch mehr aber eine andere, innere Eigenschaft des Gesetzes, welche in derselben „Begründung" mit den Worten gekennzeichnet wird: „Die neue Prozeßordnung

Borwort.

IV

erfordert einen Aufbau durch die Hand des Gesetzgebers vom Fundamente aus," erweisen die Nothwendigkeit eines Kommentars für das Verständniß der Civilprozeßordnung. Zumal im Gebiete des Preußischen Rechts wird das neue Gesetz mit seinen Prinzipien der Unmittelbarkeit und des selbständigen Prozeß­ betriebs dem Praktiker zunächst fremdartig erscheinen und sich ihm nur durch ein­ gehendes Studium erschließen. Me Herausgeber, welche dem großen Werke seit Jahren lebhaftes Interesse zugewendet haben und in dessen verschiedenen Stadien mehr oder weniger betheiligt gewesen sind, haben in dem vorliegenden Kommentar versucht, vor Allem dem Bedürfnisse der Praxis, mit besonderer Berücksichtigung jenes Rechtsgebiets sowie der gemeinrechtlichen Bezirke innerhalb Preußens, zu genügen. Der Schwerpunkt der Arbeit fällt daher nicht sowohl in eine wissen­ schaftliche Ergründung oder Beurtheilung der leitenden Grundsätze, wenngleich die Verbindung mit der Prozeßrechtswissenschaft nicht verabsäumt ist; unsere Ziele waren vielmehr die Sichtung und Verarbeitung der Materialien, insonderheit der einschlagenden Stellen der Motive, jedoch unbeschadet unserer Selbständigkeit, ferner die Anknüpfung an das bestehende Recht und an die Praxis, namentlich in jenen Rechtsgebieten, der Nachweis des Zusammenhangs zerstreuter Bestimmungen, die Lösung naheliegender Zweifel, welche sich hauptsächlich bei Anwendung der Rechtsregel „Reichsrecht geht vor Landrecht" zahlreich ergeben, kurz die Auf­ bietung aller Mittel zur theoretisch-praktischen Erläuterung eines Gesetzes, welches den großen Schritt in das Leben noch vor sich hat. Erst der weitere Lebensweg des Gesetzes wird auch unserem Kommentar, sofern er sich überhaupt als lebens­ fähig erweist, reicheren Stoff zuführen. Abgesehen von dem Einführungsgesetze waren die den Civilprozeß betreffenden Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und des zu diesem gehörigen Einführungsgesetzes, in ähnlicher Weise jedes für sich kommentirt, als unentbehrliche Ergänzung beizufügen. Eine kurzgefaßte historischeEinleitung sowie ein ausführliches Sach­ register sollen mit der letzten Lieferung ausgegeben werden. So mögen denn die deutschen Praktiker, für welche wir ein nützliches Hülfs­ mittel geschaffen zu haben hoffen, diesen Versuch mit Wohlwollen aufnehmen'. Berlin im Februar 1877. Die Verfasser.

Vorwort zur weiten Anflöge. Noch vor dem 1. Oktober 1879 hat sich die Nothwendigkeit einer zweiten Auflage unseres Kommentars ergeben. Gesetzgebung und Wissenschaft sind inzwischen vereint thätig gewesen, die mit jenem Tage anbrechende neue Periode der deutschen

Vorwort.

V

Rechtspflege weiter vorzubereiten. Außer wichtigen Gesetzen, wie der Rechtsan­ waltsordnung, dem Gerichtskostengefetz u. s. w. waren daher die zahlreichen Kom­ mentare zur Civilprozeßordnung zu berücksichtigen, welche theils vollendet, theils ihrer Vollendung näher geführt worden sind. Eine ganze Reihe von Streitfragen bereits begleitet die Civilprozeßordnung auf ihrem Wege in die Praxis. Neben zustimmenden Aeußerungen sind wir im Einzelnen mancher Polemik begegnet. Dem gegenüber haben wir nicht bloß an den geeigneten Punkten Stellung genommen, sondern uns zugleich bemüht, wo es nöthig erschien, in gedrängter Kürze eine Uebersicht der streitenden Lehrmeinungen zu geben, um für eigene Ansichten Stütz­ punkte durch Bezugnahme auf hervorrragende Arbeiten Anderer zu gewinnen. Noch mehr als bisher haben wir auch an die ältere Prozeßrechtswissenschast anzuknüpfen und so die vorgetragenen Sätze zu vertiefen gesucht. In der Hauptsache aber sind wir der in der ersten Auflage befolgten Methode einer kurzen, hauptsächlich für die Praxis bestimmten Erläuterung treu geblieben. Die Vielheit der Kommentare rechtfertigt sich ja am besten durch die Verschiedenheit der möglichen Wege zu dem einen Ziel, die richtige Anwendung eines Gesetzes zu fördern, welches auf lange Zeit das Rechtsleben Deutschlands wesentlich beeinflussen wird. Berlin im Februar 1879. Die Verfasser.

Horwrt )»r sechsten Ansinge; Nachdem unser Kommentar bis zur sechsten Auflage vorgeschritten ist, dürfen wir ihn zu den wenigen zählen, welche sich in der deutschen Juristenwelt dauernd behauptet habm. Wie er in der Praxis der Gerichte und Anwälte ein beliebtes Hülfsmittel geblieben ist, so hat er in der Rechtsprechung der höheren Gerichte, namentlich des Reichsgerichts stets aufmerksame, immer noch steigende Beachtung gefunden. Eine solche Arbeit dursten wir nicht veralten lassen—eine Gefahr, der gerade Kommentare besonders ausgesetzt sind. Me Herausgabe einer neuen Auf­ lage war vielmehr um so nothwendiger, als die Entwickelung des Civilprozeßrechts, vom Stillstand weit entfernt, inzwischen gerade in den letzten Jahren durch be­ deutende, obschon noch unvollendete wissenschaftliche Werke wie die Systeme von Planck und Wach, durch neue Auflagen anderer Kommentare sowie des Fitting'schen Lehrbuchs, durch zahlreiche Abhandlungen und besonders durch eine ungemein er­ giebige Rechtsprechung sehr gefördert worden ist. Jede neue Auflage, die dieses Material verarbeitet, hat somit einen erheblichen Borsprung vor allen älteren Publikationen. Wir sind nun bemüht gewesen, alles, was seit der vorletzten Auflage

VI

Borwort.

in irgendwie beachtenswerthen Arbeiten erschienen ist, insbesondere aber die in den bekannten Sammlungen veröffentlichten Urtheile sorgsam zu sichten, und haben unsere eigenen Meinungen danach von Neuem geprüft und berichtigt. Beträchtlich ver­ mehrt sind daher die Literaturnachweise; auch manche unserer eigenen Ausführungen sind umfangreicher geworden. Trotzdem ist, da ältere Anführungen als entbehrlich weggelassen sind und vieles gekürzt ist, der Raum im Ganzen nicht erheblich vergrößert. Bei unserer umfassenden Amtsthätigkeit ist uns die Hülfe einer jüngeren Kraft, des im Reichsjustizamte beschäftigten Gerichtsassessors Dr. Struckmann, sehr willkommen gewesen, welcher wir neben der Sammlung und Bearbeitung eines Theils des neuen Stoffes manche werthvolle Anregung verdanken. Köln und Berlin int Mai 1895. Die Verfasser.

Vorwort )«r siebenten Anfinge. Das Erscheinen einer siebenten Auflage deS nun fast 23 Jahr alten Kommentars fällt mit einem bedeutsamen Abschnitt unserer Rechtsentwickelung zusammen und findet schon hierdurch allein ausreichende Rechtfertigung. Das am 1. Januar 1900 in Kraft tretende Bürgerliche Gesetzbuch hat bekanntlich eine große Zahl von Abänderungen der Civilprozeßordnung mit ihren Nebengesetzen hervorgerufen. Außer den mit dem bürgerlichen Recht unmittelbar zusammenhängenden Neuerungen hat die Gesetzgebung die Gelegenheit ergriffen ohne Antastung der Grundlagen des Gesetzes eine Reihe von dringlichen Verbesserungen des Verfahrens einzu­ führen. Diese neuen, in dem Gesetze vom 17. Mai 1898 zahlreich enthaltenen Vorschriften bedurften der Erläuterung und organischen Einfügung in den Körper des Kommentars. Daneben mußte das Bürgerliche Gesetzbuch selbst anstatt des bis zum 1. Januar 1900 geltenden Rechts fortlaufend berücksichtigt werden. Zu­ gleich ist das Ziel der früheren Auflagen weiter verfolgt, der Praxis ein thunlich vollständiges Auslegungsmaterial unter Benutzung der Ergebnisse der Recht­ sprechung, namentlich des Reichsgerichts sowie aller wirklich bemerkenswerthen Literatur-Erscheinungen bis auf die neueste Zeit zu bieten. Trotz dieses sehr vermehrten Stoffes (statt der bisherigen 872 zählt die CPO. in der neuen Redaktion 1048 Paragraphen) ist der Umfang des Buchs nicht allzusehr ge­ wachsen, da manche älteren Ausführungen und Zitate weggelassen werden konnten. Abermals sind die eigenen Ansichten der Verfasser nachgeprüft und in wichtigen Punkten berichtigt. Zu meinem Schmerze hat der mir in langjähriger gemeinsamer Arbeit eng verbundene Mitherausgeber, OberlandeSgerichts-Präsident Dr. Joh. Struckmann

vn

Vorwort.

den Abschluß dieser Auflage nicht mehr erlebt. Die Hauptarbeit befand sich freilich ohnehin in den von ihm selbst in der Praxis erprobten Händen der Herren Landgerichtsrach Rasch und Landrichter Dr. Kolk, welche dieselbe vou Beginn an auf Bitte der durch ihre eigenen Amtsgeschäste allzusehr in Anspruch genommenen Herausgeber übernommen hatten. Aber dieselben haben doch im Wesentlichen unter der fortwährenden Leitung und Mitwirkung meines mit der Anwendung der CPO. in seltenem Grade vertrauten und in steter unablässiger Berührung bis ans Ende gebliebenen verewigten Freundes das Werk vollenden können. Wenn ich ihnen für ihre hingebende, erfolgreiche Mitarbeit meinen wärmsten Dank auch an dieser Stelle ausspreche, so handle ich damit im Sinne des ausgezeichneten Mannes, dessen Geist in dieser Auflage wie in den früheren in gleichem Maße fottlebt. Das Werk in der vorliegenden neuen Gestalt, an der Schwelle des neuen Jahrhundetts in den Gebrauch der Berufsgenossen übergehen zu sehen, gereicht mir zu großer Genugthuung. Möge es sich neue Freunde zu den alten erwerben! Berlin im Oktober 1899. Dr. R. Koch.

Inhalt «iuleituug

...........................................................................................................

Seite XV-XLII

LivilprozeßorLmlng. Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen. Erster Abschnitt. Gerichte. Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte......................§§ Zweiter Titel. Gerichtsstand............................................................. Dritter Titel. Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte Vierter Titel. Ausschließung und Ablehnung der Gericht-personen Swrlter Abschnitt. Parteien. Erster Titel. Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit................................„ Zweiter Titel. Streitgenoffenschaft.............................. „ Dritter Titel. Betheiligung Dritter am Rechtsstreite.... Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände .... Fünfter Titel. Prozehkosten........................................................ „ Sechster Titel. Sicherheitsleistung........................................... ....... Siebenter Titel. Armenrecht........................................................ „ »rittet Abschnitt. Verfahren. Erster Titel. Mündliche Verhandlung.................................. „ Zweiter Titel. Zustellungen. I. Zustellungen auf Betteiben der Parteien........................... „ II. Zustellungen von AmtSwegen.................................. „ Dritter Titel. Ladungen, Termine und Fristen........................... * Vierter Titel. Folgen der Versäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand..................................................................... Fünfter Titel. Unterbrechung und Aussetzungde- Verfahren- „

1— 12— „ 38— „ 41—

11 Seite 37 „ 40 „ 49 „

1— 11 11— 41 42— 45 45—52

50— 58 59— 63 „ 64— 77 „ 78— 90 91—107 108—113 114-127

„ „ „ „ „ „ „

52— 65 65— 72 73— 91 91—106 107—130 130—137 137—147

128—165



147—190

166—207



190—230

208-213 214—229

„ *

231—233 233—247

230—238 239—252

* „

248—257 258—274

253—299 300—329 330—347

„ „ „

275—368 367 —420 421—442

Zweites Buch. Verfahren in erster Instanz. Erster Abschnitt. Verfahren vor den Landgerichten. Erster Titel. Verfahren bi- zum Urtheil.................................. Zweiter Titel. Urtheil .... -........................................... Dritter Titel. Bersäumnißurtheil...............................................

* * „

IX

Inhalt.

Vierter Titel. Vorbereitende- Verfahren in Rechnung-sachen. Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozeffen......................§§ 348—354 Seite 443—449 Fünfter Titel. Allgemeine Bestimmungen über die Beweis­ aufnahme ............................................................................................. 355—370 „ 450—462 Sech-ter Titel.Beweis durch Augenschein........................................ 371—372 * 463—464 Siebenter Titel. Zeugenbeweis................. ......................„ 373—401 „ 465—495 Achter Titel. Beweis durch Sachverständige..........................„ 402—414 „ 495—508 Neunter Titel. Beweis durch Urkunden.................................. „ 415—444 „ 509—536 Zehnter Titel. Beweis durch Eid............................................... „ 445—477 „ 537—572 Elster Titel. Verfahren bei der Abnahme von Eiden ... „ 478-484 „ 573—577 Zwölfter Titel. Sicherung des Beweise-.................................. „ 485—494 „ 577—583 -weiter Abschnitt. Verfahren vor den Amtsgerichten................. „ 495—510 „ 583—595

Drittes Buch. Rechtsmittel. Erster Abschnitt. Berufung.................................................................... 511—544 „ -»eiter Abschnitt. Revision..................................................................... 545-566 „ Dritter Abschnitt. Beschwerde........................................................ „ 567-577 *

596—636 637—667 668-683

Viertes Buch. Wiederaufnahme deS Verfahren-....................................................„ 578—591



684—699



700—718

Fünftes Buch. Urkunden- und »echselpro-eh........................................................

„ 592-605

Sechstes Buch. Ehesachen.

Feststellung de- RechtSverhältnisteS -mischen Elter« und Sinder». Entmündigungssachen.

Erster Abschnitt. Verfahren in Ehesachen.................................. * 606—639 „ -»etter Abschnitt. Verfahren in Recht-streitigkeiten, welche die Feststellung de- Rechtsverhältnisse- zwischen Eltern und Lindem zum Gegenstände hab«........................................... „ 640—644 * Dritter Abschnitt. Verfahren in EntmündigungSsachm .... „ 645— 687 *

719—748

748—760 751—778

Siebentes Buch. Mahnverfahren.........................................................................................

688-703



779-794

Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.............................. „ 704—802 -weiter Abschnitt. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Erster Titel. Zwang-vollstteckung in daS bewegliche Vermögen. I. Allgemeine Bestimmungen............................................... „ 803—807 II. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen................. * 808—827 III. Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Ver­ mögensrechte ............................................................................ 828—863 Zweiter Titel. Zwangsvollstreckung in da- unbewegliche Ver­ mögen ........................................................................................... „ 864—871 Dritter Titel. BertheUung-verfahren....................................... „ 872—882



795—897

„ „

898—907 908—932



933—977

„ „

978—985 985—993

Achtes Buch. Zwangsvollstreckung.

X

Inhalt.

Dritter Abschnitt Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Heraus­ gabe von Sachen nnd zur Erwirkung von Handlungen Seite 993-1015 oder Unterlassungen.............................................................. §§ 883—898 Alerter Abschnitt. OffenbarungSeid und Hast................................... 899—915 „ 1015-1025 Alafter Abschnitt. Arrest und einstweilige Verfügungen... „ 916—945 „ 1025-1061

Neuntes Buch. AufgrbotSverfahreu .

.........................................................§§ 946—1024



1062-1108



1109—1130

1— 24

..

1131—1154

Art. I—X



1155-1157

„ „ „ „ „ „ „ „ „

„ . „ „ „

1158—1169 1169—1186 1187-1193 1194 1198 1198-1213 1213-1215 1215-1232 1233-1235 1235-1212 1243—1244 1245 1246-1248 1249-1262 1263-1272 12/3—1277 1277—1263 1283-1287



1288-1303

Zehntes Buch. Schiedsrichterliche» Verfahren.............................................. §§ 1025—1048

Gesetz, betreffend die Einführn«- der LtvilProrrtzordnnn-

.

.

§§

Einführuugsgesetz dem Ersetze, brtr. Arvdrrnngrn der Liviiproretz-rdnva-

Gerichtsverfaffungsgesetz. Erster Titel. Richteramt....................................................... §§ Zweiter Titel. Gerichtsbarkeit..............................................„ Dritter Titel. Amtsgerichte................................................... ...... Vierter Titel. Schöffengerichte..............................................„ Fünfter Titel. Landgerichte...................................................„ Sechster Titel. Schwurgerichte..............................................„ Siebenter Titel. Kammern für Handelssachen.................... ....... Achter Titel. Oberlandesgerichte............................................. „ Neunter Titel. Reichsgericht................................................... ....... Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft........................................ „ Elster Titel. Gerichtsschreiber . ........................... „ Zwölfter Titel. Zustellungs- und BollstreckungSbeamte . . „ Dreizehnter Titel. RechtshMfe.............................................. ...... Vierzehnter Titel. Oeffentlichkeit undSipungspolizei. . . „ Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache......................................... ....... Sechzehnter Titel. Berathung und Abstimmung . . . . „ Siebenzehnter Titel. Gericht-serien........................................„

1— 11

12- 21 22- 24 25— 57 53- 78 79- 99 100-118 119-124 125-141 142-153 154 155-156 157-169 170-185 166- 193 194—200 201-204

„ ff

Einführung-gesetz zu« Gerlchtsoerfafsungegefehe......................................§§ »erregtster

1—22

1304—1367

Erklärung der wichtigsten Aökürrungen. A. Unter dem Texte. 1) Zum bisherigen Texte: N. Eutw. — Entwurf einer Civilproreßordnung für den Norddeutschen Bund. Berlin 1870. Entw. I. — Entwurf einer deutschen Eivilprozeßordnung nebst Begründung. Im König!. Preuß. Justizministerium ausgearbeitet. Berlin 1871. Entw. II. — Entwurf einer Deutschen Eivilprozeßordnung. Berlin 1872 tnach den Beschlüssen der Sachverständigen-Kommisfion). Entw. III. — Entwurf einer Eivilprozeßordnung für das Deutsche Reich. Berlin 1874 (nach den Beschlüssen deS BuudeSrathS dem Reichstage vorgelegt). Mot. — Begründung des Entw. m (Drucksachen deS Reichstag-. 2. Legi-l.-Per. 2. Session 1874—1875. Zu Nr. 6)*). rot. — Prowkolle der Justizkommisswn deS Deutschen Reichstags. Berlin 1876. itzung 161—174 — desgleichen**).

f

2) Zur Novelle: Nov. — Gesetz, betr. Aenderungen der EPO., v. 17. Mai 1898 lRGBl. S. 256). E. I. — Entwurf eine- Einführung-gesetze- z. BGB. Art. 11 neost Motiven (— Mot.). Amtl. Ausgabe. 1888. Berlin. I. Gutleutag. E. n. — Zusammenstellung der auS Anlaß d. BGB. in Aussicht genommenen Aenderungen der EPO. Anlage II der Denkschrift zum Entw. eine- BGB. (Drucksachen d. Reich-tag9. LegiSl.-Per. 4. Seff. Nr. 87). E. IH. --- Entw. eines Ges. betr. Aenderungen d. EPO. 1897. (Drucks, d. Reichstag-. 9. Legi-l.Per. 5. Seff. Nr. 61). Begr. ----- Begründung de- Entw. HI (Drucks, d. Reichstag- 9. LegiSU-Per. 5. Seff. Nr. 61)*). Kom. Ber. — Bericht der 6. Kommission d. Reich-tag-. 1898. (Drucks, d. Reichstag-. 9. Legi-l.-Per. 5. Seff. Nr. 240). Stau Ber. ----- Stenographische Berichte über die Verhandlungen d. Reich-tag- in der 9. Legi-l.Per. 5. Seff.

B. In den Anmerkungen: --- GerichtSverfaffungSgesetz EPO. — Eivilprozeßordnung für da- Deutsche Reich. StPO,. ---- Strafprozeßordnung KO-- KonkurSordmmg EG. z.. GBG. ---- Einführung-gesetz z. EPO. EG. z. EPO. = StPO. EG. z.. StPO. = RAO. — RechtSanwalt-ordnung — Gericht-kostengesetz I GO. f. GB. — Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher > für da- Deutsche Reich. GO. f. Z. u. S. — Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige I • GO. f. RA. — Gebührenordnung für Recht-anwälte RTK. — Justtz-Kommission de- Reichstag-. HGB. — Allgemeines Deutsche- Handelsgesetzbuch. WO.-= Allgemeine Deutsche Wechselordnung. . = Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Preuß. AG. z. GBG. — Preußische- Au-führung-gesetz zum Deutschen GerichtSverfaffungSgesetz. •) In den abgedruckten Stellen der Motive und der Begründung sind die Paragraphen de» Entwurf» in diejenigen de» Gesetze» umgewandelt. ••) Die Prot, dieser letzten Sitzungen find mit besondere» Setten-ahlen gedruckt.

xn

Erklärung der wichtigsten Abkürzungen.

Preuß. AG. z. CPO. — Preußisches AuSführungSgesetz zur Deutschen Civilprozeßordnung. N. E. — Entw. einer Civilprozeßordnung sin den Norddeutschen Bund (s. oben unter A.). Nordd. Prot. — Protokolle der Norddeutschen Civilprozeß-Kommission. H. E. — Entw. einer allgem. Civilprozeßordn. f. d. Deutschen Staaten. Nach den von der Deutschen Civilprozeßkommission zu Hannover bei der zweiten und letzten Lesung gefaßten Beschlüssen. Hannover 1866. Hann. Prot. — Protokolle der Kommission zu Hannover. P. E. — Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Recht-streitigkeiten für die Preuß. Staaten. Berlin 1864. Preuß. AGO. — Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. Preuß. MR. — Allgemeine- Landrecht für die Preußischen Staaten. Hann. PO. — Allgemeine bürgerliche Prozeßordnung für da- Königreich Hannover vom 8. No­ vember 1850. Bayer. PO. — Prozeßordnung in bürgerlichen Recht-streitigkeiten für da- Königreich Bayern. München 1869. Württ. PO. = Civilprozeßordnung für da» Königreich Württemberg vom 3. April 1866. Bad. PO. — Prozeßordnung in bürgerlichen Recht-streitigkeiten für da- Großherzogthum Baden vom 18. März 1864. BGB. — Bürgerliche» Gesetzbuch für da- Deutsche Reich v. 18. August 1896. EG. z. BGB. = Einführung-gesetz z. BGB. vom 18. August 1896. Mot. z. BGB. = Motive zum 1. Entwurf de- BGB. Amtliche Au-gabe. Berlin 1888. Prot. z. BGB. = Protokolle der Kommission f. d. 2. Lesung d. Entw. d. BGB. Berlin 1898. RGes. betr. frw. Gb. — Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 (RGBl. S. 189). RZBG. = Ges. über die Zwangsversteigerung und die Zwang-verwaltung v. 24. März 1897 (RGBl. S. 97). RGBO. — Gruudbuchordnung v. 24. Mär- 1897 (RGBl. S. 139). Struckmann u. Koch, Preuß. AG. --I. Struckmann u. R. Koch, Die Preußischen AuSführungSgesetze zu den Reichsjustizgesetzen. Berlin 1679. I. Guttentag. Erg.-Hest. — Ergänzung-heft. Berlin 1881. I. Guttentag. Die Hand-und Lehrbücher von Wach, Planck, Wetzell (3. Sufi.) uud Renaud (2. Aufl.), Fitting, Der Reich--Civilprozeß. 9. Aufl. Berlin 1898, Schmidt, Lehrbuch d. D. CivilprozeßrechtS (nebst Ergänzung-heft), Leipzig 1898, Bolgiano, Handbuch deReichS-Civil-Pro-eßrecht-, Mandry-Geib, Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze. 4. Aufl. Freiburg 1898, sowie die Kommentare zur Civilprozeßordnung (siche unten S. XXXVIII, XXXIX) sind meisten- lediglich nach den Namen ihrer Ver­ fasser in den neuesten Auflagen angeführt; de-gl. die Lehrbücher de- Preuß. Privatrecht- von Förster (Eccius) 6. Aufl. und Dernburg Bd. I u. II in 5., Bd. III in 4. Aufl., sowie die da- Bürgerliche Gesetzbuch betteffenden Kommentare von Planck, Biermann u. s. w., Staudinger, Rehbein und Lehrbücher von Dernburg, Endemann, Cosack, Matthiaß. Die römischen Ziffern bezeichnen die Bände. Da- Lehrbuch von Hellmann ist zum Unterschiede von deffen Kommentar bezeichnet als „Hellmann, Lehrb." unter Angabe der Seite. v. Holtzendorff, Recht-lexikon. 3 Aufl. Leipzig 1881 -- RechtSlex.

Sammlungen von Rechtssprüchen. RG.

— Entscheidungen de- ReichSgerichtS. Herausgegeben von den Mitgliedern deS Gerichtshofund der Reich-anwaltschaft. Entscheidungen de- ReichSgerichtS in Civilsachen. Leipzig 1880 und ff. Verlag von Beit & Comp. RG. in Str.S. — Entscheidungen rc. (wie vor). Entscheidungen de- ReichSgerichtS in Sttafsachen. Leipzig 1880 u. ff. Verlag von Beit & Comp. Rechtspr. d. RG. in Str.S. — Rechtsprechung de- Deutschen Reichsgericht- in Sttafsachen. Herausgegeben von den Mitgliedern der Reich-anwaltschaft. Bd. 1—10. München u. Leipzig 1879—1888. R. Oldenbourg. ROHG. — Entscheidungen de- Bunde--, später ReichSoberhandelSgerichtS. Herausgegeben von den Räthen deS Gerichtshofs. Bd. 1—25. Stuttgart 1871—1880. Ferd. Enke (Bd. 1—8 in 2. Aufl. 1872—1879). S. A. — I. A. Seuffert'S Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den Deutschen Staaten. Herausgegeben von H. F. Schütt. München u. Leipzig. R. Oldenbourg.

Erklärung der wichtigster» Abkürzungen.

ITT!

Blum, Nun. — Annalen de- Reich-gericht-. Sammt, aller wichtigen Entscheidungen u. f. w. Unter Mitwirkung vonlk. Braun, herausgegeben von H. Blum. Leipzig 1880 u. ff. Blum, Urth. u. Ann. — Urtheile u. Annalen herau-geg. v. Han- Blum. Berlin 1885, 1886. Mecke, Arch. = Archiv, f. die civilrechtlichen Entsch. de- Reich-gericht- für die gemeinrechtlichen Gebiete Deutschland-, herau-geg. v. G. Kenner und H. Mecke. 3 Bde. Berlin 1880—1883. Entsch. d. OT. — Dltscheidungen de- Aöuigl. Obertribunals, herausgegeben in amtlichem Auf­ trage von den Obertribunals-Mitgliedern (zuletzt Sonnenschmidt, Clauswitz u. Hahn). Bd. 1—83. Berlin. Carl HeymannS Verlag. Striethorst, Arch. — Archiv für Recht-fälle, die zur Entscheidung de- K. Obertribunals gelangt sind. Herausgegeben u. red. von Th. Striethorst. Landgericht-rath. Bd. 1—100. Berlin. I. Guttentag.

Zeitschriften: Busch = Zeitschrift für Deutschen Civilprozeß und das BerfaLren in Angelegenheiten der frei­ willigen Gerichtsbarkeit. Herausgegeben von H. Busch, jetzt von M. Schultzen­ stein u. F. BierhauS. Berlin. Carl Heymann'S Verlag. c. A. — Archiv für die civilistische Praxis. Jetzt herausgegeben von Franklin. Man dry, Wendt, Bülow, v. KohlhaaS. Freiburg i. B. u. Tübingen. I. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Gruchot — Beiträge zur Erläuterung de- Deutschen (früher: de- Preußischen) Recht-, in be­ sonderer Beziehung auf da- Preußische Recht, mit Einschluß de- Handel-- u. Wechselrecht- (früher mit dem Zusatze: durch Theorie und Praxis). Begründet von Dr. I. L. Gruchot. Jetzt herausgegeben von Rassow, Küntz el u. EcciuS. Berlin. Franz Bahlen. Büdiker, Mag. — Bödiker, Magazin für da- deutsche Recht der Gegenwart. Bd. 1—8. 1881 u. ff. Hannover. Helwmg'sche Verlagsbuchhandlung. Sächs. A. — Sächs. Archiv für Bürgerliche- Recht und Prozeß. Herausgegeben vonHoffmann u. Wulfert. Leipzig. Roßbergsche Hof-Buchhandluna. I. B. — Juristische Wochenschrift. Organ de- Deutschen Anwalt-Verein-, herausgegeben von S. Haenle und I. Johannfen, später A. Lüntzel, dann M. Kempner. Berlin 1872 u. ff. D. I. Ztg. — Deutsche Juristenzeitung. Herausgegeben von Fr. Wall mann. Charlotteuburg 1877 u. ff. und deSgl. von Laband, Stenglein und Staub 1896 u. ff. Rh. A. — Archiv f. d. Civil- u. Criminalrecht der Rheinprovinz. Cöln Pet. Schmitz Wwe. Steil V. — Kritische Vierteljahr-schrift für Gesetzgebung und Recht-wiffenschast. Freiburg t. B. I C. B. Mohr.

Einleitung. I. Seit dem vierzehnten Jahrhundert war in Deutschland mit dem Eindringen der fremden Rechte an Stelle des alten öffentlichen und mündlichen Ver­ fahrens vor Bolksgerichten (Schöffengerichten)') unter dem Einflüsse der italieni­ schen Praxis ein dem kanonischen Prozesse nachgebildetes, heimliches und schriftliches Verfahren vor ständigen, zum Theil mit Rechtsgelehrten besetzten Gerichten in den Gerichtsgebrauch übergegangen'). Aus dieser Grundlage beruhte namentlich das Verfahren bei dem im Jahre 1495 zum Schutze des gleichzeitig verkündeten ewigen Landfriedens errichteten Reichskammergerichts, welcbes, durch die Reichskammergerichtsordnungen positiv geregelt, wiederum das Vorvild für zahlreiche Landes-Prozeßordnungen, zumal des südlichen und westlichen Deutsch­ lands, wurde'). Nicht bloß, um den immer lauter werdenden Klagen über die Langsamkeit des sich mühselig durch drei Instanzen hinschleppenden Prozesses zu begegnen, sondern auch vielfach angeregt und bestimmt durch die namentlich in Sachsen lebendige Opposition des einheimischen Rechts'), unternahm der JünasteReichsabschied (von 1654) eine umfassende Reform des Civilprozeffes. Das Wichtigste war die Aufhebung der alten „Positionen" oder „Artikel" (§§. 34, 37) und die Verschärfung der sog. Eventualmaxime (§§. 37, 45 ff.). Auch hinsichtlich des Beweises wurden Bestimmungen getroffen, aus welchen die ge­ meinrechtliche Anerkennung des im sächsischen Prozeß ausgebildeten Beweisinter­ lokuts erwachsen ist. Diese Reformen bildeten den Ausgangspunkt einer neuen Entwickelung des Civilprozeßrechts. Bei aller logischen Folgerichtigkeit blieb jedoch das auf dem Jüngsten Reichsabschied fußende, von der Praxis und einer reichhaltigen Doktrin bis in die feinsten Einzelheiten ausgebildete, nunmehr rein schriftliche Verfahren äußerst langsam und schwerfällig und vermochte weitaus nicht den Ansprüchen der Rechtsuchenden zu genügen'). Auch die partikulären Prozeßordnungen, welchen j) llngcr, D. alldeutsche Gerichtsverfassung. Göttingen 1842. Maurer, Gesch. dealtdeutschen und namentlich altbayrischen Gerichtsverfahrens. Heidelberg 1824. v. BethmannHollweg, D. Civilprozeß des gem. Rechts in geschichtlicher Entwickelung. IV. Bonn 1868. V 1 (1871). Planck, D. deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter. Braunschweig 1879. I 6. 123 ff., 133 ff. Schultze, Privatrecht u. Prozeß in ihrer Wechselbeziehung. Freiburg u. Tübingen 1883. I S. 97 ff. 2) Mittermaier im c. A. 11 S. 124 ff. 3) Wetzell S. 6, 7; v. Bar in v. Holtzendorff, Encykl. d. RechtSw. 5. Ausl. S. 762. 4) «etzell S. 22 ff., v. Bar a. a. O. 5) Eine treffende kurze Kritik des gemeinrechtlichen Verfahrens s. bei Wach I S. 131 ff.

XVI

Einleitung.

fortan die gesetzliche Fortbildung des Civilprozesses zufiel"), suchten wohl im Einzelnen zu bessern, verharrten jedoch in allen wesentlichen Punkten bei den Grundgedanken des gemeinen schriftlichen Prozesses und konnten dessen Haupt­ mängeln somit nicht entgehen. Erst gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts zeigt sich mit dem allgemeinen Aufschwünge des geistigen Lebens in Deutschland auch auf diesem Gebiet eine frischere Bewegung, und es beginnt eine Reform­ periode, die erst 1879 einen Abschluß gefunden hat.

II. Einen eigenthümlichen Weg schlug die Reform des Civilprozesses in Preußen ein. Friedrich der Große hatte darauf sogleich nach seinem Regierungsantritte sein Augenmerk gerichtet. Während aber das bald nach Ertheilung eines unbe­ dingten Privilegium de non appellando et evoeando (v. 31. Mai 1746) unterm 3. April 1748 als allgemeine Prozeßordnung für das ganze Land publizirte Projekt eines Codicis Fridericiani Pommeranici (von Cocceji) noch eine sehr nahe Verwandtschaft mit dem gemeinen Civilprozeßrecht aufweist'), liegt dem (von v. Carmer entworfenen) mittels Patents vom 26. April 1781 unter dem Titel „Corpus Juris Fridericianum. Erstes Buch von der Prozeßordnung" publizirten Gesetze (das Civilrecht sollte das zweite Buch bilden) und der revidirten zweiten Ausgabe dieses Gesetzes, der Allgemeinen Gerichtsordnung vom 6. Juli 1793, ein von den Grundsätzen des gemeinen Prozeßrechts abweichendes Prinzip, die sog. Jnquisitionsmaxime, zu Grunde. Der Richter sollte, ohne an die Grund­ sätze von der Beweislast und an die Angaben der Parteien gebunden zu sein, von Amtswegen durch persönliches Verhandeln mit den Parteien oder deren Vertretern") die materielle Wahrheit ermitteln. Der Versuch entsprach nicht den anfänglich hoch gespannten Erwartungen. Das Jnstruktionsverfahren der Allgemeinen Gerichtsordnung erwies sich bald als schleppend und haltlos"). Die Gesetzgebung der Jahre 1833 und 1846") knüpfte daher, zuerst zögernd auf sachlich beschränktem Gebiete, nachher allgemein, durch Einführung der Verhandlungs- und der Eventualmaxime wieder an den gemeinen Prozeß an, näherte sich aber andererseits dem Grundsätze der Mündlichkeit, indem sie dem schrift­ lichen Vorverfahren eine mündliche Schlußverhandlung hinzufügte. Dieses Verfahren ist demnächst in den Jahren 1849, 1851 und 1867 auf gemeinrecht­ liche Gebiete ausgedehnt"). Die Grundzüge sind folgende12): 6) Linde, Lehrb. des gern. deutschen Civ.-Proz. 7. Ausl. Bonn 1850. § 29. 7) Vgl. C. F. Koch, Preuß. Civilprozeß. 2. Ausg. Berlin 1855. S. 81, 101 ff. Freilich sollte der Prozeß mit einem mündlichen Vorverfahren vor dem Kollegium anfangen. 8) Der ursprüngliche Zwang zum persönlichen Erscheinen ist schon durch Verordnung v. 20. Sept. 1783 abgeschafft. 9) Vgl. Koch a. a. O. S. 106 ff. Goetze, D. neueste Preuß. Civilprozeßgesetz vom 21. Juli 1846. Berlin 1846. S. 17. Mot. z. CPO. (Entw. III) S. 6. Abegg, Versuch einer Geschichte der Preuß. Civilprozeßgesetzgebung. Breslau 1848. 10) Verordn, v. 1. Juni 1833 (GS. S. 33) u. v. 21. Juli 1846 (GS.S. 291). 11) Verordn, v. 21. Juli 1849 (GS. S. 307), v. 30. April 1851 (GS. S. 188) u. v. 24. Juni 1867 (GS. S. 885). 12) Vgl. Mot. z. CPO. S. 12. Eine Kritik dieses Verfahrens s. das. S. 13—15. Ueber den Gegensatz zur reinen Mündlichkeit und gewisse Vorzüge beider Systeme s. auch Glaser,

Einleitung.

xvn

Die Klage wird dem Gericht eingereicht, welches sie materiell und sormell prüft. Ist nichts zu erinnern, so wird der Beklagte unter Benach­ richtigung des Klägers zur Klagebeantwortung aufgefordert. Dieser kann nSthigenfalls noch Replik und Duplik folgen. Ist die Instruktion geschlossen, so erfolgt von Amtswegen Ladung beider Parteien in eine Sitzung des Gerichts. Hier giebt zunächst ein Mitglied eine Darstellung der Sachlage nach Maßgabe ver Schriften bezw. Protokolle auf Grund eines schriftlichen Referats. Sodann werden beide Parteien zum Worte verstattet. Wie die Klage, so bestimmen auch die übrigen Schriften die Grenzen des Rechtsstreites. Thatsächliche Anführungen, die nicht in der dafür bestimmten Schrift enthalten sind, gehen für die Instanz verloren. Anführungen des Gegners und von ihm produzirte Urkunden, worüber in dem nächsten Schriftsätze bezw. Protokoll eine Erklärung nicht erfolgt, gelten als zugestanden bezw. an­ erkannt. Die Antretung der Beweise kann mit den betreffenden Anführungen verbunden werden. Sie muß spätestens in der mündlichen Verhandlung geschehen, soweit es sich nicht um eine Eideszuschiebung oder solche Beweismittel handelt, die sich erst aus der stattgefundenen Beweisaufnahme ergeben haben. Nach erfolgter Beweisaufnahme, welche das Gericht ebenfalls von Amtswegen bewirft, werden die Parteien aufs Neue in die Audienz geladen unter der (nur monitorischen) Verwarnung, daß angenommen werde, der Ausbleibende habe zur Unterstützung seiner Behauptungen und Anträge nichts mehr anzuführen. Die Entscheidung ergeht alsdann nach Lage der Akten. Dieselbe Grundsätze beherrschen die oberen Instanzen.

UI. Seit Anfang dieses Jahrhunderts hat auch der französische Prozeß des Code de procädnre civile (1806) in Deutschland erheblichen Einfluß erlangt, da er, abgesehen von den Umständen seiner Einführung, manchen von Alters her überlieferten germanischen Rechtsgedanken enthält und bei allen Mängeln doch in wefenllichen Punften die Haupt-Nachtheile des gemeinrechtlichen Verfabrens vermeidet"); bis zum 1. Oftober 1879 ist er geltendes Recht in den links­ rheinischen Gebieten Preußens sowie in Elsaß-Lothringen und in Rheinheffen geblieben"). Er steht in engem Zusammenhange mit der eigenthümlichen Gerichts­ verfassung. Kollegialisch gestaltete Gerichtshöfe (die ordentlichen Gerichte) be­ stehen nur in größeren Städten; daneben für Handelssachen ausschließlich mit Kaufleuten besetzte Handelsgerichte; im Uebrigen Friedensgerichte (Einzelrichter). Neben den Gerichten steht die Staatsanwaltschaft (öffentliches Ministerium) als Aufsichtsbehörde für die gesummte Rechtspflege. Ihr fällt die Korrespondenz Gesammelte kleinere Schriften. Wien 1868. II S. 291 ff.; Dernburg, Abhandlungen. Frankfurt a. M. 1849. S. 213 ff.; v. Holzschuher, D. Rechtsweg. Nürnberg 1831. 13) Bgl. Dach I S. 131 ff. 14) Auch die am 11. Dez. 1815 erlassene Handelsgerichtsordnung für Hamburg Art. 19 verordnet, daß die Sachen von den Parteien mündlich verhandelt werden, falls das Gericht nicht ein schriftliches Verfahren vorzieht (vgl. die Schrift: D. Errichtung des Handelsgerichts i» Hamburg. Hamburg 1866). Ebenso wurde in der preuß. Provinz Posen durch die (später abgeschaffte) Verordn, v. 9. Febr. 1817 (GS. S. 37) ein im Wesentlichen mündliches Verfahren eingeführt. «truckmaan u. Loch, ri«ilpr»t«z»rdm»»i. 7. Luft. II

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Einleitung.

mit in- und ausländischen Behörden zu. Ihre Beamten müssen in jeder Sitzung des Gerichts gegenwärtig sein und darüber wachen, daß das Gesetz befolgt werde. Sie geben motivirte Gutachten ab und müssen in den vom Gesetze bezeichneten Fällen ihre Anträge stellen. Den Verkehr unter den Parteien besorgen thells die Anwälte, theils die Gerichtsvollzieher, selbständige Beamte, welchen auch die Vollstreckung der Urtheile anheimfällt"). Eine gerichtliche Prozeßleitung ist dem französischen Prozeß unbekannt. An das Gericht gelangt eine Streitsache erst nach beendetem Schriftwechsel. „®tnn der Beklagte aus die vom Kläger ohne Mitwirkung des Gerichts an ihn gerichtete Aufforderung einen Anwalt bestellt hat, so können zwischen den Parteien Schriftsätze (d6fense, rtponse) gewechselt werden, welche dem Gerichte fremd bleiben. Ist dieser Schriftwechsel erledigt oder als erledigt anzusehen, so hat der fleißigere Theil den Gegner in eine Gerichtssitzung zu laden, welche nicht zur mündlichen Verhandlung, vielmehr nur zur Einleitung derselben bestimmt ist. Die Einleitung der mündlichen Verhandlung erfolgt aber dadurch, daß die Anwälte ihre motivirte» Konklusionen l Gesuche und deren Begründung) verlesen und dieselben bei dem Gerichte hinterlegen. Die Anwälte können im Verlaufe der mündlichen Verhandlung ihre motivirte» Konklusionen ändern, müssen aber die Abänderungen schriftlich zum Sitzungsprotokoll überreichen. Das Verlesen der motivirte» Konklusionen ist ein sehr bedeutungsvoller Akt. Mit diesem Akte wird die Sache dergestalt kontradiktorisch, daß kein BersäumuißurtheU ergehen kann, auch wenn der Anwalt in der zur mündlichen Verhandlung der Sache bestimmten Sitzung nicht erscheint. Die Sache erscheint mit diesem Akte aber auch zur Entscheidung reif (en 6tat), so daß die Urtheil-fällung durch eine in der Zwischenzeit in der Person der Partei oder ihres Anwalts eintretenden Aenderung nicht gehindert roirb1*)."

So liegt in den conclnaions motiv6es ein sehr starkes schriftliches Ele­ ment, durch welches die mündliche Verhandlung (pluiäviiie) unter Umständen sogar entbehrlich gemacht werden sann17). An die Konklusionen knüpft sich auch die mündliche Verhandlung, zu der jede Partei die andere demnächst zu laden berechtigt ist. Indessen tourben sie bei den meisten rheinischen Gerichten ohne die Begründung verlesen"). Die Beweisaufnahme verliert im französischen Prozesse durch die sog. Formalisirung der Beweise (Beschränkung des Zeugenbeweises u. s. w.) an Be­ deutung. Wo eine Beweisaufnahme erforderlich wird, bildet sie einen getrennten Abschnitt des Prozesses, dessen Betrieb ebenfalls den Parteien anheimfällt. Dieser Abschnitt wird zwar durch ein nach Art des Urtheils mit Gründen versehenes Interlokut von dem vorangegangenen Verfahren getrennt"); es bindet aber weder das Gericht noch die Parteien; für letztere gilt keine Eventualmaxime. 15) Ueber die Geschichte u. daS Wesen der stanz. Gerichtsverfassung s. Boitard, Le$ons de proc. civ. Ed. 12. Paris 1876. I p. 8 sqq.; Perrot, Verfassung, Zuständigkeit u. Ver­ fahren der Gerichte der preuß. Rheinprovinzen in bürg. Rechtssachen. Thl. 1. Trier 1842; Schlink, Komm, über die stanz. Civ.-Proz.-Ordn. 2. Aufl. Bd. 1 Buch 1. Coblenz 1856. 16) So die Mot. z. CPO. S. 16. 17) Der Referent der belgischen Revisionskommission bezeugt, daß man sich in einfachen Sachen aus die Vorlesung der Konklusionen und die Hinterlegung der Manualakten (dossiers) statt der gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung des Streites zu beschränken pflege — f. R6vue de droit intern. 1870 II p. 221. Vgl. auch Schlink a. a. O. Bd. 2 S. 558 in Verb. mit Bd. 1 S. 272 ff.; P. E. §§ 241, 341, 342; weniger scharf Bayer. PO. §§ 229 ff. 18) Vgl. Mot. z. CPO. S. 17. 19) Vgl. Mot. z. CPO. S. 33; Schlink a. a. O. Bd. 2 S. 351 ff.

Gdileitmtg.

XIX

Nach erhobenem Beweise können die Parteien einander wieder zur mündlichen Verhandlung laden, auf welche das Urtheil ergeht2"). Während man am Rhein im Ganzen von der Vorlrefflichkeit der in Folge der französischen Zwischenregierung übeäommenen Einrichtungen überzeugt blieb, findet in Frankreich schon seit länger als 60 Jahren eine lebhafte Reformbewegung statt, welche freilich zu einer neuen Civilprozeßordnung noch nicht geführt hat**). Eine scharfe Krittk des franz. Prozesses enthalten auch die Motive zur Genfer Prozeßordnung vom 29. September 1819**) und die des Belgischen Entwurfs einer bürgerlichen Prozeßordnung**). In Deutschland fanden diese Vorgänge sorg­ fältige Beachtung (vgl. IV, V). IV. Mit dem Jahre 1850 beginnt, getragen von dem allgemeinen Verlangen nach Mündlichkeit und Oeffentlichkeit, eine Reihe von Partikulargesetzen, welche die Gedanken des französischen Prozesses vielfach in sich aufgenommen und mehr oder weniger mit denen des gemeinen Prozeßrechts zu verschmelzen gesucht habendi). Von besonderer Bedeutung ist die Bürgerliche Prozeßordnung des vor­ maligen Königreichs Hannover vom 8. November 185026), welche wiederum in manchen Punkten auf die Genfer Prozeßordnung als Quelle zurückweist. „In der Hannoverschen Prozeßordnung ist der Versuch gemacht worden, ein Verfahren herzustellen, welche- auf den Grundlagen des gemeinen deutschen Prozesse- da- große frcigcftoltctc Prozeßprinzip der Unmittelbarkeit der Verhandlung eine- Rechtsstreit- vor dem erkennenden Gerichte mit feinen Konsequenzen in sich aufnimmt. Fundamental------- ist, daß da- Haupt­ verfahren in zwei Abschnitte zerfällt, von denen der erstere die Behauptungen der Parteien, der zweite den Beweis der bestrittenen Behauptungen zum Gegenstände hat; daß diese beiden Ab­ schnitte getrennt und gegen einander abgeschlossen werden durch eine richterliche Verfttgung, tu welcher nach Prüfung de- von den Parteien vorgelegten Prozeßstoff- diesen eröffnet wird, waund von wem zu beweisen sei; daß diese richterliche Verfügung im Sinne des deutschen Prozeß­ recht- ein Urtheil ist, unabänderlich für die Instanz, in welcher sie erlassen wurde'*)." 20) Vgl. Schlink a. a. O. Bd. 2 S. 368ff., 460ff. 21) Unter den Reformschriststellern sind namentlich zu nennen: Regnard, De Forganisation judiciaire et de la proc. civile en France. Paris 1855. Seligmann, Quelles sont au point de vue juridique et an point de vue philosophique les rdformes dont notre proc. civ. est susceptible? Reims 1855. Raymond Bordeaux, Philosophie de la proc. civile. Paris 1857. Vgl. ferner: De la rtiforme du Code de proc. civile etc. Paris 1868. S. auch Leonhardt, Zur Reform de- Civilproz. in Deutschland. Erster Beitrag. Hannover J 865. S. 85 ff. 22) Beilot, Loi sur la proc6d. civ. du canton de Gendve. II. £dit. Paris 1837. 23) Allard, Rapport, exposant les motifs du Projet. Doc. pari. Session 1869/70. Tit. 1 des Livre präliminaire (in 3 Kap. u. 56 Art.), von der sachlichen und örtlichen Zu­ ständigkeit in streitigen Rechtssachen handelnd, ist als Gesetz vom 25. März 1876 publizirt. Bgl. Bonn ans, Code de proc. Beige. Commentaire 16gislatif et doctr. 2. ed. Bruxelles 1877. Supplement. Bruxelles 1878. 24) Bgl. die Aufsätze v. Mittermaier im c. 9L 43—50; v. Arnold, D. Umge­ staltung des Civilproz. in Deutschland. Nürnberg 1863. 25) Bgl. Leonhardt, D. bürg. Prozeßordn. und deren Nebengesetze. 4. Aust. Han­ nover 1667. 26) Mot. z. CPO. S. 9.

XX

Einleitung.

Das Verfahren leidet indessen an einer gewissen Zwiespältigkeit. Aus der einen Seite hat es die freien Formen des mündlichen Verfahrens in sich aufgenommen; auf der anderen Seite ist es vielfach in der Art des schriftlichen gebunben77). Die Schriftsätze, welche der mündlichen Verhandlung vorausgehen, haben eine lediglich vorbereitende Bedeutung. Was von deren Inhalte nicht mündlich vor­ getragen ist. darf nicht berücksichtigt werden, und alles mündlich Verhandelte ist zu berücksichtigen, auch wenn es nicht in den Schriftsätzen enthalten ist. Anderer­ seits ist die Eventualmaxime, welche innerhalb des ersten der beiden Prozeßab­ schnitte nicht gilt, im Verhältnisse des einen Abschnitts zum anderen streng festgehalten, und die Bersäumnißfolgen sind in beiden Abschnitten durchgreifend verschieden"). Der Prozeßbetrieb ist nicht in dem Umfange des französischen Prozesses den Anwälten und den Gerichtsvollziehern überlassen; vielmehr gelangt die Sache von vornherein durch Anberaumung eines Termins nach Erhebung der Klage in die Hände des Gerichts, und auch im Lause des Prozesses wird vielfach durch Ansetzung der Termine von Amtswegen dafür Sorge getragen, daß — im Gegen­ satze zu dem französischen Desaisirungsprinzipe — die Sache möglichst beim Ge­ richt anhängig bleibe. Der Hannoversche Prozeß, welchem eine der französischen in vielen Punkten nachgebildete Gerichtsverfassung entspricht, erregte in Deutschland große Aufmerk­ samkeit7'). Mehr gemeinrechtlichen Traditionen schließt sich die Braunschweigische Civilprozeßordnung vom 19. März 1850 an. Die mündliche Verhandlung hat hier, wie in dem Prozeßgesetze für Lübeck vom 28. April 1862, nur denKärakter einer bloßen Schlußverhandlung"). Ein der ersteren nahestehender Versuch, die Schriftlichkeit mit der Mündlichkeit zu verbinden, ist das Oldenburgische Prozeß­ gesetz vom 2. November 1857, welches im Vergleiche mit dem Hannoverschen Pro­ zesse das Gebiet der Schriftlichkeit erweitert"). Entschieden auf dem Mündlichkeitsprinzipe dagegen beruht die Badische Prozeßordnung vom 28. März 1864"). In Bremen, wo vorübergehend, wie in Hamburg, französisches Recht gegolten, in der Gerichtsordnung von 1820 aber nur die Privatladung sich erhalten hatte, wurde durch Verordnung vom 24. Mai 1864 ebenfalls die Mündlichkeit eingeführt. Auch die Württembergische Prozeßordnung vom 3. April 1868, die Oester­ reichischen Entwürfe (1861, 1867 und 1876)") und der (unvollendete) Großh. Hessische Entwurf (1867) sowie in manchen Punkten der K. Sächsische Entwurf (1864) sind Mündlichkeitsordnungen, deren nahe Beziehungen zu der bei ihrer Bearbeitung — allerdings theilweise nur als entferntere Quelle (s. unten V) 27) Vgl. Wach I S. 140. 28) Vgl. Mot. z. CPO. S. 16, 19ff. 29) Vgl. c. A. 33 S. 119ff., 37 S. 442ff., 43 6. 314ff„ 44 S. 100ff., 341 ff., 45 S. 27ff., 46 S. 48ff.; Planck in Krit. B. 4 S. 242ff. 30) Vgl. Wach I 2, 137ff. 31) Vgl. die Vordem, in der Ausgabe mit Erläutemngen von Becker. Oldenburg 1859; Wach I S. 141. 32) Vgl. über die dortige Entwickelung v. Freydorf, Erläut. der Prozeßordn. berg 1867. S. 62ff. u. Wach I S. 141 ff.

Heidel­

33) Den Letzteren vergleichen mit der EPO.. v. Bar in Grünhut, Zeitfchr. 4 S. 593ff., v. Canstein, D. rationellen Grundlagen des CivilprozeffeS u. f. w. Wien 1877, besonders ©. 289 ff.

Einleitung.

XXI

— benutzten Hannoverschen Civilprozeßordnung nicht zu verkennen sind, während die Bayerische Civilprozeßordnung vom 29. April 1869 im Zusammenhange mit der Rechtsentwickelung in der Rheinpfalz und der Preußische Entwurf von 1864 (s. unten V), wenigstens was die Gestaltung des Verfahrens anlangt, sich im Wesentlichen dem französischen Prozeß angeschlossen haben. V. In die letzten Jahre des Deutschen Bundes fallen die offenbar durch das Gelingen des Handelsgesetzbuchs (tote früher der Wechselordnung) angeregten Be­ mühungen des Bundes für das Zustandekommen einer gemeinsamen Civilprozeßordnung"). Auf den Antrag von zehn deutschen Regierungen vom 17. Dezember 1859 trat zufolge der Bundesbeschlüsse vom 6. Februar und 17. Juli 1862 am 15. Sep­ tember dess. I. zu Hannover eine Kommission"") behufs Ausarbeitung eines Entwurfs zusammen. Sie erledigte ihre Aufgabe kurz vor dem Zusammenbruche des Bundes. Die erste Lesung wurde am 25. Juli 1864 vollendet: die zweite (u. letzte) dauerte vom 17. Februar 1865 bis zum 24. März 1866. Die Han­ noversche Prozeßordnung hatte der Berathung als Leitfaden gedient. Ein Kar­ dinalpunkt derselben, das bindende Beweisinterlokut (s. oben IV), wurde indessen aufgegeben und dafür das System der sog. Beweisverbindung ()'. untenS. 331) angenommen. Im klebrigen wurden schließlich die Einleitungsformen der Hann. PO. gebilligt; auch die Eventualmaxime in gewisser Ausdehnung und die richter­ liche Prozeßleitung bei anhängigen Sachen, überhaupt die wichtigsten Grundsätze der Hann. PO. sind, allerdings mehr oder weniger verändert, beibehalten. Der Entwurf, der 689 Paragraphen enthält, verweist bei zahlreichen Punkten auf die Landesgesetzgebung und deutet damit auf die Unvollkommenheit einer nur internationalen Einigung hin""). 34) Näheres f. bei Hellweg im c. A. 61 S. 7dff. u. Wach I S. 144 ff. 35) In ihr waren vertreten: Oesterreich (SektionSchef Dr. Frhr. v. Rtzy — Vor­ sitzender), Bayern (Oberstaatsanwalt v. Bomhard, — Korreferent: in 2. Lef. O.A.G.R. v. PixtS). Sachsen (O.A.G.R. Dr. Tauchnitz — Korreferent), Hannover (Oberjustizrath Dr. Leonhardt. — Referent, später ObergerichtSrath Dr. Peterffe»), Württemberg (O.Tr.R. Frhr. v. SterneufelS, später O.J.R. Frhr. v. Holzfchuher), Baden (K.G.Dir. Dr. v. Stöber), Knrheffen (O.A.R. Dr. Büff), Grohh. Hessen (Geh. R. Dr. Settz), MecklenburgSchwerin (JK.Dir. v. Scheve, später der StaatSrath v. AmSberg), Holstein u. Lauenbmg (A.G.Präf. Dr. Preutzer. später O.A.R. Dr. Brinkmann). Nassau (Reg. Präs. Winter), S.Meiningen (Oberstaatsanwalt Dr. Albrecht, später A.G.Präf. Lieb mann), Frankfurt (A.G.Präs. Dr. Nestle). Als Sekretäre fungirten die O.G.Ass. Peterssen (s. oben) und Struck­ mann (der Mitvers. dieses Komm.). 36) Entw. erster Lesung mit Genehmigung der Kommission herausgegeben von den Sekretären derselben G. R. Peterssen u. I. Struckmann. Hannover 1864; Entw. zweiter Lesung, mit Genehmigung der deutschen Bundesversammlung herausgegeben von dem Sekr. der Komm. I. Struckmann. Hannover 1866. Die Protokolle find seit 1862 zu Hannover in einer amtlichen, jedoch nicht in den Buchhandel gelangten Ausgabe in 17 Bändm erschienen. Aus­ züge aus ihnen enthält: Winter, Erläuterungen zu d. Entw. einer allg. CPO. s. d. deutschen Bundesstaaten. Wiesbaden 1867. Kritiken des Entw. sind erschienen von Osterloh (Leipzig 1865), Nissen (Leipzig 1864), Meyersburg (Celle 1866), v. Bar (1867,1868), Hinschius

XXII

Einleitung.

Auf diesem, dem sog. Hannoverschen Entwürfe, welcher mittelst Berichts vom 30. April 1866 der Bundesversammlung vorgelegt und von dieser durch Beschluß vom 19. Mai 1866 dem Ausschüsse für Errichtung eines Bundesgerichts über­ wiesen wurde, beruhen in den wesentlichsten Punkten die Badische und die WürttembergischeCivilprozeßordnung und der Hessische Entwurfs, oben IV). In Preußen dagegen, welches sich bei der Kommission in Hannover nicht betheiligte, war man inzwischen selbständig vorgegangen. Schon durch den Allerh. Erlaß vom 25. Februar 1861 (JMBl. S. 42) hatte der König die Revision des gesammten Civilprozeßrechts behufs Ausarbeitung einer gemeinsamen, wo möglich, für ganz Deutschland geeigneten CPO. angeordnet. Das Ergebniß der Arbeiten einer zu diesem Zwecke berufenen Kommissionb 7) ist der im Jahre 1864 nebst Motiven veröffentlichte „Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstteitigkeiten für den Preußischen Staat". Das System schließt sich, wie bereits bemertt (IV), dem französischen Prozeß an, obwohl in allen Materien auch das deutsche und das preußische Recht sowie die deutsche und die preußische Rechts­ wissenschaft sorgfältig benutzt und im Gnzelnen zur Geltung gebracht worden sind. Die Grundgedanken des franz. Prozesses aber, welche sich im Code de proc. (be­ sonders bezüglich» des materiellen Prozeßrechts) pur in Umrissen angedeutet finden, sind hier mit großer Feinheit und Folgerichtigkeit entwickelt und durchgeführt. Ebendeshalb begegnete der Entwurf einer lebhaften Opposition, aber auch in vielen Punkten der Zustimmung"^. Die polittschen Ereignisse des Jahres 1866 drängten indessen zu einer an­ deren Lösung. VI. Das mit den politischen Einheitsbestrebungen in Deutschland von jeher verbundene Stteben nach Einheit des Rechtes gelangte sogleich bei der Gründung desRorddeutschenBundes in Art. 4 Nr. 13 der Bundesverfassung zum Aus­ druck, wonach „die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Straf­ recht, Handels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren" der Be­ aufsichtigung Seitens des Bundes und seiner Gesetzgebung unterworfen wurden. Äne der ersten Aufgaben der Bundesgesetzgebung war die Reform des Civilprozesses. Auf den Antrag Preußens vom 4. September 1867 wurde durch Beschluß des Bundesraths vom 2. Oktober und vom 10. Dezember 1867 zu diesem Zwecke eine Kommission berufen, deren Berathungen am 3. Januar 1868 in Berlin von dem Bundeskanzler eröffnet wurden und mit dem Ausbruche des französischen (1867) u. A. Vgl. auch Leonhardt, Zur Reform des Civilproz. in Deutschland. Beitrag. Hannover 1865 u. Wach a. a. C.

Zweiter

37) Den Vorsitz führte der 2. Präs, des Lbertr., Wirkt. Geh. Rath Dr. Bornemann; Mitglieder waren: der spätere Wirkl. Geh. Rath Dr. Pape, Oberstaatsanwalt Dr. Oppenhosf und der spätere O.L.G.Präj. Dr. Kühne. Als Schriftführer sungirlen GAss. Dr. Borne mann u. Makower. 38) Vgl. Leonhardt, Reform. Zweiter Beitrag; v. Kräwel, Bedenken über das franz. Wesen rc. Leipzig 1865: Silberschlag in Preuß. Anw.-Ztg. 1865 Nr. 2, 6, 14, 43: v. Wilmowski das. Nr. 3 rc.; Eccius das. Nr. 22; R. Koch (hauptsächlich gegen 6. Kräwel) inD. Ger.-Ztg. 1866 Nr. 12, 43 u. in Schletter, Jahrb. Bd. 12 S. 134ff., auch in Gruchot; 9 (1865) S. 191 ff. u. s. w. S. auch Hellweg a. a. O. S. Wach I S. 148, 149.

moff.,

Einleitung.

xxra

Krieges in der 390. Sitzung vom 20. Juli 1870 ihre Endschaft erreichten"). Aus ihr ist der „Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Nord­ deutschen Bund- hervorgegangen, welcher zuerst bruchstückweise, dann auch im Ganzen veröffentlicht ist40). Als äußerer Leitfaden war der Hannoversche Entwurf „unter fortwährender und vollständiger Berücksichtigung der im Preuß. Entwürfe enthaltenen Bestim­ mungen" zu- Grunde gelegt worden. Auch innerlich hat der Entwurf, wenn man ihn mit den oben erwähnten Gesetzen und Entwürfen vergleicht, am meisten Ver­ wandtschaft mit dem H. E. (V), wenngleich er sich in wichtigen Punkten, z. B. hinsichtlich der in beschränkterem Umfange beibehaltenen Eventualmaxime, der Bedeutung des Thatbestandes im Urtheil und des Sitzungsprotokolls, der Auffassung des Rechtsmittels dritter Instanz (Nichtigkeitsbeschwerde) u. s. w., von ihm wesentlich unterscheidet. Zudem ist der Umfang des Nordd. Entw. fast doppelt so groß als der des H. E. (1178 Paragraphen gegen 689), theils weil die Regelung mehr ins Einzelne geht, theils weil die Vorbehalte für die Landes­ gesetzgebung auf das thunlichst kleinste Maß eingeschränkt sind. An den Nordd. Entw. hat sich eine überaus reichhaltige Literatur angeknüpft, in der er von den verschiedensten Standpunkten aus im Ganzen oder im Änzelnen bekämpft, andererseits aber auch vertheidigt und mehr oder weniger bedingt zur Annahme als Gesetz empfohlen worden ist4'). VII. Nach Beendigung des Krieges wurde die Civilprozeß-Reform, bei der gehört zu werden jetzt auch die süddeutschen Staaten Anspruch hatten, unverzüglich von Neuem aufgenommen. Auf Grund des Art. 4 Nr. 13 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871, welcher die entsprechende Vor­ schrift der Verfassung des Norddeutschen Bundes (s. VI) wörtlich wiederholte40), 39) Vorsitzender: der ft. Preuß. Staatsminister Dr. Leonhardt und in deffe« Behinderung der ft. Preuß. Obertrib-BiceprSs. Wirkt. Geh. Rath. Dr. Grimm. Mitglieder: O.Tr.R. Dr. Löwenberg: Geh. O.J.R. Dr. Pape, Referent; O.A.G.R. Dr. Tauchuitz; Geh. R. Dr. Seitz sän dessen Stelle später: O.G.R. Aull); Min.R. v. Amsberg, O.A.G.R. Pros. Dr. Endemann; O.G.Prös. Dr. Trieps (Braunschweig); O.A.G.R. Dr. Drechsler (Lübeck). Protokollführer: St.GR. ftoch (der Mitverf. dieses Komm.) und O.G.R. Droop. — Die Protokolle der Kommission (in 6 Bänden mit fortlaufenden Seitenzahlen) sind als Manuskript gedruckt (Berlin 1868—1870) und nicht im Buchhandel erschienen. 40) Berlin 1870. Verlag von R. v. Decker. 41) Bgl. z. B. di« betreffenden Schriften von Osterloh (Leipzig 1870), Plathner (Berlin 1870), Scheller (Berlin 1870), Gad (Berlin 1870), v. Mittelstädt (Berlin 1870), Philipp! (Elberfeld 1669), Hagen (Bonn 1869, Merenberg (Berlin 1869), Fuchs (BreSlau 1869) rc., die Gutachten in den Berh. des 9. D. Juristentags Bd. II S. 3—359, die Abh. von v. Wilmowski in Brhrend, Zeitschr. s. D. Gesetzgeb. Bd. 3 S. 163 ff., Levy das. Bd. 3 S. 501 ff., Korn das. Bd. 4 S. 175 ff, v. Bar das. Bd. 5 S. 369 ff., v. fträwel das. Bd. 6 S. 1 ff., 161 ff., Sabarth das. Bd. 6 S. 35 ff.. R. Koch das. Bd. 3 S. 480 ff., 708 ff., Bd. 4 S. 16 ff., 150 ff.; v. Kräwel in Gruchot 14 S. 1 ff., 161 ff., 641 ff.. Silber­ schlag das. S. 14 ff, Medem das. S. 18 ff., 189 ff., 482 ff. u f w. S. auch Wach I S. 149, 150. 42) RGBl. S. 63. Auch das Ges. vom 20. Dez. 1873 (RGBl. S. 379 — f. unten S. XXXII) hat bezüglich des gerichtlichen Verfahrens nichts darin geändert.

Einleitung.

XXIV

wurde dem Bundesrathe bald Gelegenheit gegeben, sich mit dem Civilprozeßrechte zu beschäftigen. Im K. Preußischen Justizministerum nämlich war der Nord­ deutsche Entwurf (VI) einer Umarbeitung unterzogen worden. Der hieraus ent­ standene, im Jahre 1871 nebst Begründung veröffentlichte Entwurf („Entw. I") weicht in wichtigen Punkten von dem Nordd. Entw. ab: so namentlich hinsichtlich der Zulassung eines Verfahrens zur Berichtigung des Thatbestandes""), der engeren Begrenzung des Eventualprinzips"") und in Verbindung hiermit einer Ab­ schwächung der Wirkungen des Beweisschlusses""), endlich der Beseitigung der Berufung und Zulassung einer „Revision" und „Oberrevision"""). Soweit aber diese Grundsätze nicht in Frage kommen, sind die Bestimmungen des Nordd. @ntro.r wenngleich vielfach (zum Theil mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene Ge­ richtsverfassung) in abgekürzter Gestalt, im Wesentlichen beibehalten worden. Durch Beschluß des Bundesraths vom 8. Mai 1871 wurde nun abermals „zur definitiven Feststellung des Entwurfs einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Deutsche Reich" eine Kommission von zehn Juristen berufen, welche ihren Berathungen jenen vom K- Preuß. Justizminister aufgestellten Entw. in Verbindung mit dem Nordd. Entw. und den sonstigen einschlägigen legis­ lativen Vorarbeiten zu Grunde legen sollte"7). Sie berieth vom 7. September 1871 bis zum 7. März 1872. Das Ergebniß war: Die dem Justizministerialentwurfe zu Grunde liegenden Grundsätze wurden von der Kommission im Wesent­ lichen angenommen; dagegen erfuhren die einzelnen Bestimmungen dieses Entwurfs ihrer Mehrzahl nach sowohl in sachlicher als auch in redaktioneller Beziehung Abänderungen""). Der von der Kommission aufgestellte Entwurf"") („Entw. II") gelangte sodann wieder in den Bundesrath und ist hier mehrfach geändert. Die wichtigsten Aenderungen bestehen in der Aufnahme der Zustellung durch die Post (vgl. CPO. §§. 193ff.) und in der Wiedereinführung der Berufung, an Stelle der Revision als Rechtsmittel gegen die in erster Instanz erlassenen Urtheile der Landgerichte (und der Handelsgerichte). „3tt Folge davon ist für die erste Instanz eine Präklusion deS Beklagten mit nachträg­ lichem Vorbringen und für die Berufungsinstanz eine Verweisung nachträglichen Vorbringens

43) Vgl. Begründung S. 222 ff. 44) Das. S. 225 ff. 45) Das. S. 231 ff. 46) Das. S. 238 ff., 245 ff.

Ueber die Grundsätze des Entw. s. auch Wach I S. 151, 152.

47) Vorsitzender: K. Preuß. Staatsminister Dr. Leonhardt, in dessen Vertretung Dr. Schmitt, K. Bayer. App.G.R. Mitglieder: Geh. O.J.R. Dr. Falk, Referent; O.Tr.R. v. Diepenbroick-Gruter (Berlin); App.G.R. Dr. Planck; R.A. Dr. Dorn; J.R. v. Wilmowski; Geh. J.R. Abeken, an dessen Stelle später K. Sachs. L.G.Präs. Klemm; K. Sürtt. O.Tr.R. v. Kohlhaas; Großh. Bad. Min.R. Dr. Gebhard; v. Amsberg (Referent nach Ausscheiden des Dr. Falk). Schriftführer: St.G.R. Hägens (I) u. Kr.G.R. Polenz. 48) Bgl. „Begründung" Borwort S. III ff.; Mot. z. CPO. S. 4; Wach I S. 152, wo in N. 4 die durch diesen Entw. hervorgerufene Literatnr angegeben ist. Eine erhebliche Aenderung bestand z. B. in ber Erweiterung der Revision aus die Auslegung von Urkunden (§ 479). Gegen diese s. R. Koch in Behrend, Zeitschr. f. D. Gesetzgeb. Bd. 6 S. 73 ff. 49) Als Entw. einer Deutschen CPO. nebst dem Entw. eine- Einf.-Ges. mit „Begründung" veröffentlicht im Berlage der K. Geh. Ober-Hos-Buchdruckerei (R. v. Decker). Berlin 1872.

Einleitung.

XXV

zum besonderen Verfahren eingeführt sowie die Zulässigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Endurthelle erweitert")."

In dieser ihm durch die Beschlüsse des Bundesraths gegebenen Gestalt end­ lich wurde der Entwurf („Entw. III"), von einer „Begründung" begleitet61), mit den Entwürfen eines Gerichtsverfassungsgesetzes (s. unten IX) und einer Straf­ prozeßordnung sowie der Einführungsgesetze zu diesen Gesetzen dem Reichstag in der Herbstsession von 1874 vorgelegt. Die allgemeine Berathung (erste Lesung) der Gesetzentwürfe fand in den Sitzungen vom 24. bis 27. November 1874 statt66). Nachdem sie an eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen worden, erklärte sich der Reichstag auf Antrag des Abg. Or. Lasker in der Sitzung vom 27. November 1874 bereit, einem Gesetze zuzustimmen, welches die Kommission ermächtigte, zwischen dieser und der nächsten Session des Reichstags ihre Berathungen behufs Vorbereitung der 2. Lesung fortzusetzen66). Diese Ermächtigung ist sodann durch das Gesetz, betreffend die geschäftliche Behandlung des GVG. u. s. w., vom 23. Dezember 1874 (RGBl. S. 195) ertheilt worden. Da die Be­ rathungen indessen bei dem Wiederzusammentritte des Reichstags am 29. Oktober 1875 noch nicht beendigt waren, so wurden die Mitglieder der Kommission (der sog. Reichs-Justizkommission — RTK.)") zunächst durch Akklamation zu Mitgliedern einer nach § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu bildenden Kommission gewählt und sodann die Befugnisse der Kommission durch Gesetz vom 1. Februar 1876 (GRBl. S. 15) nochmals verlängert66). Die Gesetzentwürfe sind von der Kommission in zwei Lesungen durchberathen. Ueber den Gang der Berathungen bemerkt der Bericht der RTK. z. GBG.:

50) So dir Mot. z. CPO. S. 4. Bgl. auch Wach I S. 153. 51) Drucksachen des Reichstags Rr. 6. Hiernach wird in diesem Kommentar angesührt. Sämmtliche Entw. u. Mot. sind auch im Buchhandel erschienen. Berlin 1874 (bei Fr. Kortkampf). 52) Sten. Ber. des Reichstags 2. Legi»l.-Per: IL Sess. 1874/75 S. 275—363. 53) Sten. Ber. a. a. O. S. 363 und Rr. 64 der Drucksachen. 54) Sten. Ber. des Reichstags 2. Leglsl.-Per. III. Sess. 1875/76 S. 13-16. 55) Die Komm, bestand aus folgenden Mitgliedern: Borsitzender: Dr. Mtquel, Oberbürgermeister (OSnabrilck), Stellvertreter desselben: Dr. v. Schwarze, General-Staats­ anwalt (Dresden); Schriftführer: Eysoldt, Advokat (Pirna), Dr. Mayer, AppellatiouSgertchtSrath (Augsburg), Dr. Struckmann, Obertribunalsrath (Berlin), der Mitverf. dieses Komm., Thilo, Kreisgerichtsdirektor (Delitzsch). Fernere Mitglieder: Dr. Bähr, ObertribRath (Berlin), Becker, OberappellationSger.-Rath (Oldenburg), BernardS, Landger.-Rath (Düsseldorf), v. Forcade de Biaix, Oberirib.-Rath (Berlin), Gaupp, KreiSgrr.-Rath (Ellwcmgen), Prof. Dr. v. Gneist (Berlin), Dr. Grimm, Recht-anwalt (Karlsruhe), Hauck, BezirkSamtmann (Markt-Scheinfeld), Herz, BezirkSger.-Rath (Nürnberg), v. Jagow, Wirk. Geh. Rach, Obcrpräsident (Potsdam), Klotz, KreiSger.-R. (Berlin), Krätzer, Appellationsger.-Rach (Paffau), Dr. LaSker. Rechtsanwalt (Berlin), Dr. Lieber (Camberg), Dr. v. Marquardsen, Professor (Erlangen), v. Puttkamer, AppellationsgerichtSrath (Colmar), Pfafferott, Oberamtsrichter (Liebenburg), Reichensperger, Obertribunals-Rath (Berlin), v. Schöning, Landrath (Pyritz), Dr. Bölk, Rechtsanwalt (Augsburg). Dr. Wol sfson, Advokat (Hamburg), Dr. Zinn, Direktor der Landirrenanstal», Geh. SanitätSrath (Eberswalde). — An Stelle des ausgeschiedenen Abg. Grimm, fungirte kurze Zeit der Abg. Dr. Blum (Heidelberg). — Als Protokollführer waren beigeordnet: die Gerichts-Assessoren Sy d ow (an dessen Stelle eine Zeit lang Kreisrichter Ege), Ass. Dr. L. Seuffert (an dessen Stelle später Aff. Mettenleiter), Dr. Schreber.

XXVI

Einleitung.

„Zuerst gelangten die CPO. und die StPO, sowie die aus die Handelsgerichte und bat Verfahren vor denselben bezüglichen Theile des GBG. in erster Lesung zur Berathung. Die Komm. lehnte zwar die Handelsgerichte ab, trat jedoch aus den bezeugten Wunsch deS Bundesraths für den Fall entgegengesetzter Beschlußfassung des Reichstag- eventuell in die Derailberathung des aus das Verfahren vor den Handelsgerichten bezüglichen Theiles der CPO. ein86). Demnächst wurden die CPO. in zweiter Lesung und hiernach das GBG. und sämmt­ liche Einführungsgesetze in erster Lesung durchberathen. Nach Vollendung der Berathung der CPO. in zweiter Lesung wurde dieselbe noch einmal aus Grund der abgegebenen Erklärungen des Bundesraths sowie zur Beschlußfassung über die von einigen bayerischen Mitgliedern der Komm., welche bei der zweiten Lesung abwesend gewesen waren, gestellten Anträge wieder er­ öffnet, und gelangte erst dann die Berathung der CPO. zum Abschluß8'). Die zweite Lesung de- GVG. und der StPO, sowie der Einf.-Gesetze erfolgte gleich­ falls, nachdem die Ergebnisse der ersten Lesung der Beschlußfassung des Bundesraths unter­ legen hatten.-----------Die Kommission hat 160 Sitzungen gehalten. Die Berathung deS GBG. und des EG. zu demselben hat einschließlich Berathung des handelsgerichtlichen Verfahrens in erster Lesung 36 Sitzungen, in 18 Sitzungen--------erfordert. Die Kommission ist versammelt gewesen am 26., 31. Januar 1875, vom 26. April bis zum 10. Juli 1875, vom 1. September 19. Februar 1876 und vom 2. Mai bi- zum 3. Juli 187 668).

der eventuellen zweiter Lesung 28., 30. und 1875 bis zum

Die Redaktions-Kommission66) hat, soviel festgestellt worden, 85 Sitzungen gehabt. Nach Beendigung der zweiten Lesungen der Entwürfe beschloß die Komm., dem Reichstag über dieselben schriftliche Berichte erstatten zu lassen. Nach dem Beschluß der Komm. sollen diese Berichte jedoch keine erschöpfende und eingehende Begründung aller einzelnen Beschlüsse der Komm. enthalten, da diese in den gedruckten Protokollen niedergelegt ist60).

56) Vgl. unten S. 1216. 57) Dieses Stadium ist später als „Revision der 2. Lesung" bezeichnet. 56) Als Vertreter des Deutschen Reiches und der Einzelstaaten nahmen an den Berathungen Theil: I. der CPO.: der Direktor im Reichskanzleramt, Wirkt. Geh. Ober - Reg. - Rath v. Amsberg, der Kais. Geh. Ober-Reg.-Rath Hanauer, der Kais. Geh. Reg.-Rath Dr. HagenS, K. Preuß. Geh. Ober-Justtz-Rath Dr. Kurlbaum II, K. Preuß. Oberstlieut. v. Blume, K. Bayer. App.-Ger.-Rath Dr. Hauser, K. Württ. Min.-Rath Heß, K. Württ. Ob.-Trib.-Rath v. KohlhaaS, K. Sächs. Geh. Just.-Rath Held; II. des GBG.: die zu I ge­ nannten Mitglieder des Reichskanzleramts; die K. Preuß. Geh. Ober-Justiz-Räthe Dr. Kurl­ baum II, v. Oehlschläger und Schmidt, K. Preuß. Geh. Ob.-Reg.-Rath Dr. Forch, K. Bayer. Min.-Rath Loe, die bereits genannten Dr. Hauser, Heß u. Held, der Kais. Geh. Ob.-Postrath Dr. Fischer. Außerdem betheiligten sich der K. Preuß. Justtzminister Dr. Leonhardt und der K. Bayer. Justizminister Dr. v. Fäustle an verschiedenen Sitzungen zu I und II. 59) Die Redaktions-Komm. bestand aus den Abg. Dr. Bahr, Becker, Dr. v. Schwarze, zu welchen in 2. Lesung noch die Abg. v. Forcade u. Klotz hinzutraten. An ihren Arbeiten nahmen regelmäßig die in der vorigen Anm. genannten Mitglieder des Reichskanzleramts sowie die Vertreter verschiedener Bundesregierungen Theil. — Hinsichtlich einzelner Fragen waren noch besondere Subkommissionen thätig (vgl. z. B. unten S. 751, 1216. 60) Vgl. unten XI.

xxvn

Einleitung.

Die Bericht« solle« vielmehr nur eine erläuternd« übersichtliche Darstellung der wichtigsten zur Erörterung gelangten Fragen und der wesentlichsten Differenzpuakte zwischen der Komm, und dem Bundesrath geben und dadurch daS Verständniß der Ergebuiffe der Berathnngen dem Reichstage und dem deutschen Bolle selbst erleichtern"4').

Soweit der Komm.-Bericht zum GVG. Die Berichte") mit einer Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse") wurden dem Reichstage bei Eröffnung der 4. Session Ende Oktober 1876 vor­ gelegt. Die ersteren waren zuvor in der Zeit vom 17. bis 28. Oktober (161. bis 165. Sitzung) endgültig festgestellt worden, wobei man gleichzeitig eine Anzahl redaktioneller Abändcrungsanträge erledigt statte®4). Das Ergebniß dieser Beschlüsse, soweit sie neue Abänderungen enthielten, wurde in besonderen Nachträgen der erwähnten Zusammenstellung beigefügt. Wie der Komm.-Ber. zur CPO. bezeugt, „hat eine große Mehrheit der Kom­ mission allen wesentlichen, in sich zusammenhängenden und die Symmetrie des Ganzen bedingenden Bestimmungen zugestimmt, nicht bloß den Grundlagen, auf denen der Neubau des deutschen Civilprozesses errichtet ist, sondern auch die Kon­ struktion des ganzen Gebäudes, seiner Änrichtung im Innern, den verschiedmen Arten des Verfahrens in erster Instanz , dem Verfahren in der Rechtsmittelinstanz u. s. w. bis zu oem den Prozeß abschließenden Vollstreckungsverfahren". Nichtsdestoweniger waren von den 813 Paragraphen des Entwurfs 204, zum großen Theile allerdings nur in der Fassung, geändert, 27 gestrichen oder durch neue Paragraphen ersetzt und 44 Paragraphen hinzugefügt. Indessen be­ treffen alle diese Aenderungen, wie der Bericht (S. 17) bemerkt, doch nur Einzel­ heiten und verschwinden fast beim Blicke auf das Ganze. Am Wichtigsten ist die Einführung einer Revisionssumme (§ 546), die Umgestaltung des Entmündi­ gungsverfahrens (§§ 645 ff.) und die Beseitigung der Handelsgerichte (s. unten). Von viel erheblicherer Bedeutung waren die Aenderungsvorschläge, welche die RTK. zu 77 der 166 Paragraphen des Entwurfs des GVG. formulirt hatte. Auch sollten zwei vollständige Titel über das Richteramt und über die Rechtsanwaltschaft (vgl. unten S. 1158 f.) neu aufgenommen werden. Ueberdies wurden zu den Einführungs-Gesetzen Aenderungen und Er­ gänzungen beantragt. Die schon in der Sitzung des Reichstags vom 3. November 1876 seilen­ des K. Preuß. Justizministers angekündigte®®) Gesammtübersicht der Bedenken des Bundesraths gegen die Anträge der RTK. wurde dem Reichstage durch

61) Als Berichterstatter wurden gewählt: 1. für da» GBG und das EG. zu diesem der Abg. Miquel, al» Korres. und Stellvertreter der Abg. Hauck; 2. für die CPO. und da» EG. zu ihr der Abg. Becker und al» Korres. und Stellvertreter der Abg. v. Forcade de Biaix. 62) Drucksachen de» Reichstags.

2.

Legiöl.-Per. 4. 'S eff.

1876 Nr. 8.

9.

Der Ber.

über die CPO. (1« Seiten) hebt nach einigen allgemeinen Bemerkungen nur kurz einige Hauptgrundsätze und Vorschriften hervor, über welche vorzugsweise Meinungsverschiedenheit in der RTK. bestanden hatte, während der Ber. z. GBG. (82 Seiten) Titel für Titel einer Besprechung unterwirft. 63) Drucksachen Nr. 5, 6. 64) 6 zur CPO.. 11 zum GBG.

Vgl Anl. A—C z. Prot, der 163. Sitzg.

65) Sten. Ber. dei. RT. 2. LegiSl.-Per. 4. ©eff. 1876 S. 16.

xxvni

Einleitung.

Schreiben von demselben Tage mitgetheilt**). Nach längerer Erörterung beschloß der Reichstag am 7. dess. Mts. auf Antrag des Aba. Dr. Wehrenpfennig, sie der Justiz-Kommission, in welche die Abtheilungen die Mitglieder der RTK., nach­ dem deren Mandat erloschen war, aufs neue gewählt hatten*'), mit der Maß­ gabe zur Vorbereitung zu überweisen, daß die Kommission int Fortgang ihrer Berathung einzelne ihr überwiesene Fragen auch ohne vorgängige Entscheidung über dieselben zur Plenarberathung des Reichstags zu verstellen berechtigt fei*8). Die Kommission erledigte ihre Aufgabe vom 8. bis zum 14. November 1876**) und beschloß eine Anzahl Aenderungen der Entwürfe. So wurden in Folge der Bedenken des Bundesraths zu der CPO. bei 7 Paragraphen, zum EG. z. CPO. bei 1 Paragraphen sachliche, und außerdem noch 11 Fassungs-Aenderungen, zum GVG. 20 sachliche, zum EG. z. GVG. eine sachliche und außerdem 4 FassungsAenderungen vorgeschlagen'*). Die zweite Berathung über die Justizgesetze wurde hiernächst am 17. dess. Mts. im Reichstage mit der Frage wegen Einsetzung von Handelsgerichten eröffnet (vgl. unten S. 1216)"). In der folgenden Sitzung (v. 18. dess. Mts.) beschloß der Reichstag nach Aussetzung der Berathung über den einzigen Abänderungsvorschlag'*) die Enblocannahme der CPO. nach den Kommissionsvorschlägen, und zwar, wie der Prä­ sident feststellte, „mit großer überwiegender Majorität, fast Einstimmigkeit"'8). Dagegen nahmen die Berathungen über das GVG. noch 6 Sitzungen (11.—16.) in Anspruch. Hauptgegenstäude waren: die Voraussetzungen des Richteramts (s. unten S. 1158 ff.), die Gemeindegerichte (S. 1178 f.), die Zulässigkeit des Rechts­ wegs (S. 1171 ff.), die Zuständigkeit der Amtsgerichte (S. 1187 ff.) die Zuziehung von Hülfsrichtern (S. 1205 ff.), die Gerichtssprache (S. 1273 ff.) u. s. w. Das Ergebniß war indessen überall die Aufrechterhaltung der Beschlüsse der Kommission'*), bei welchen es auch hinsichtlich der Einführn ngsgesetze sz. B. in Bezug auf den Geltungstermin (S. 1288), die Verantwortlichkeit der Beamten (S. 1296 ff.) u. s. w.j sein Bewenden behielt'8). Noch vor Beginn der dritten Lesung ging nun dem Reichstag ein Schreiben des Reichskanzlers vom 12. Dezember 1876 zu, wonach der Bundesrath zwar die zur CPO. und deren EG., nicht aber auch die zum GVG. und dessen EG. (sowie zur StPO.) gefaßten Beschlüsse annahm, sondern dort 5 und beim EG. 3 Punkte als schlechthin unannehmbar bezeichnete'*). Schon war überall die Besorgniß verbreitet, daß die Justizgesetze in ent­ scheidender Stunde scheitern würden. Nach manchen Verhandlungen kam indessen zwischen dem Bundesrath und der Majorität des RT. eine Verständigung („Kom-

66) 67) 68) 69) 70) 71) 72) 73) 74) 75) 76)

Drucksachen Nr. '-'2. Sten. Ber. S. 30. Sten. Ber. S 53—62. Prot, der 168.—174. Sitzung — ein jedes mit besonderen Seitenzahlen. Drucksachen Nr. 35, 36. Sten. Ber. S. 135—165. Es war der später zurückgezogene Antrag aus Streichung des § 157 Abs. 1 CPO. Sten. Ber. S. 167—175. Sten. Ber. S. 175—353. Das. S. 357—392. Drucksachen Nr. 116.

Einkeilung.

XXIX

promiß*) zu Stande, wonach jener verschiedene Bedenken ganz oder zum Theil aufgab, der RT. dagegen eine Reihe von Beschlüssen zweiter Lesung zurücknehmen oder modifiziren sollte. Die einzelnen Punkte wurden als Abänderungsantrag der Abgg. Miquel u. Gen. in den RT. gebracht"). Die am 18. Dezember 1876 begonnene dritte Berathung betraf zunächst das GVG. Namentlich führte die Frage wegen Gewährung von Gratifikationen und Remunerationen an Richter sowie die Frage wegen der Vertretung der Richter nochmals zu lebhafter Erörterung. Auch auf die (Anschaltung des Titels über die Rechtsanwaltschaft und auf die Frage der Gerichtssprache kam man zurück. Ab­ gesehen von einer Abänderung der §§ 69 und 187 des GVG. (S. 1205 f., 1273 s.), wurden indessen überall die Kommissionsvorschläge mit den Kompromißanträgen angenommen78). In dem betreffenden EG. wurde den Kompromißanträgen gemäß der Geltungs­ termin von dem Erlasse der Gebührenordnung (vgl. EG. z. CPO. § 2) abhängig gemacht (S. 1031 f.) und eine Aenderung des § 11 beschlossen (S. 1296)7*). Die CPO. wurde abermals im Ganzen ohne Berathung angenommen, und ebenso gelangte das EG. z. CPO. mit einer dem § 1 des EG. z. GVG. ent­ sprechenden Abänderung zur Annahme88). Bei der Gesammtabstimmung am 21. Dezember 1876 erfolgte die Annahme des GVG. und des EG. hierzu nach Maßgabe der in dritter Berathung ge­ faßten Beschlüsse mit 194 Stimmen gegen 100 (mit Namensaufruf), die der StPO, mit Stimmenmehrheit. Die CPO. und das EG. z. CPO. sowie die gleich­ falls in einer Kommission von Sachverständigen vorbereitete, dem Reichstage zuerst im Januar, dann unverändert im November 1875 vorgelegte und in einer be­ sonderen Kommission durchberathene Konkursordnung8') wurden „mit ganz überwiegender Majorität, f a st Einstimmigkeit" angenommen88). Nachdem auch der Bundesrath alsbald durch Beschluß vom 22. Dezember 1876 seine Zustimmung ertheilt hatte, sind das GVG. und das EG. z. GVG. unterm 27. Januar 1877 in Nr. 4 des RGBl. (S. 41 ff.), die CPO. und das EG. z. CPO. unterm 30. Januar 1877 in (der am 19. Februar 1877 ausgege­ benen) Nr. 6 des RGBl. (S. 83 ff.) verkündet. Wir schließen diesen Abschnitt mit den denkwürdigen Worten, womit die Schluß-Thronrede des Kaisers die Bedeutung der Justtzgesetze bezeichnete: „Durch die stattgehabte Verabschiedung der Justtzgesetze ist die Sicher­ heit gegeben, daß in naher Zukunft die Rechtspflege in ganz Deutschland nach gleichen Normen gehandhabt, daß vor allen deutschen Gerichten nach denselben Vorschriften verfahren werden wird. Wir sind dadurch dem Ziel der nationalen Rechtseinheit wesentlich näher gerückt. Die gemeinsame Rechtsentwicklung aber wird in der Nation das Bewußt­ sein der Zusammengehörigkeit stärken und der'politischen Einheit Deutsch-

77) Drucksachen Nr. 138. Ueber die Geschichte und die innere Berechtigung des sog. Kom­ promisses vgl. Volk in Hirlh, Ann. d. D. Reichs. 1877.S. 450 ff. Vgl. auch die Ansprache das. S. 444 ff. 78) Sten. Ber. S. 849—920. 79) Sten. Ber. S. 921—936. 80) Sten. Ber. S. 999, 1000. Vgl. auch Wach I S. 153—155. 81) Die äußere Entstehungsgeschichte der KL. s. in v. Sarwcy, D. KO. für das D. Reich. 2. Ausl. Berlin 1882. 3. XXXIII ff. 82) Sten. Ber. S. 1003, 1004.

XXX

Einleitung.

lands einen inneren Halt geben, wie ihn keine frühere Periode unserer Geschichte aufroeift"88).

vni. Zwanzig Jahre ist die CPO. fast unverändert geblieben. Nur wurden durch Gesetz vom 30. April 1886 (RGBl. S. 130) dem bisherigen § 809 (jetzt § 929) der Abs. 3 hinzugefügt und durch Gesetz vom 29. März 1897 (RGBl. S. 159) Art. 2 dem Absätze 4 des bisherigen § 749 (jetzt § 850) eine veränderte Fassung gegeben (vgl. § 850 Anm. 12). Eine umfangreiche Aenderung und Ergänzung der CPO. wurde durch die Einführung des BGB. nothwendig. Das EG. zum BGB. Art. 1 bestimmt, daß das BGB. am 1. Januar 1900 gleichzeitig mit einem Gesetze, betr. Aenderungen des GBG., der CPO. u. s. w. in Kraft tritt. Der Entwurf I des BGB. hatte die nothwendigen Ergänzungen der CPO., soweit sie zugleich materiellrechtlicher Natur waren, in das Gesetzbuch selbst (z. B. §§ 191, 192, 833, 1088, 1113, 1130 u. A. das.) und weitere Ergänzungen und Abänderungen in Art. 11 des Entwurfs des EG. zum BGB. aufgenommen (Entw. I d. Nov.). Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB- hat die wesentlich prozessualen Bestimmungen aus dem BGB. selbst wieder beseitigt und nahm eine Abänder­ ung der CPO. durch besonderes Gesetz in Aussicht. Die Beschlüsse der Kom­ mission wurden mit den in Art. 11 vorgesehenen Bestimmungen zu 220 Ab­ änderungsvorschlägen zusammengefaßt und als Anlage II der Denkschrift zum Entw. des BGB. (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 4. Sess. Nr. 87) veröffentlicht (Entw. II d. Nov.). Vorschläge zu Abänderungen der CPO. wurden auch der Denk­ schrift zu dem Entwürfe des Reichsgesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung als Anlage I beigefügt (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 4. Sess. Nr. 607). Am 9. Dezember 1897 wurden dem Reichstage die Entwürfe 1. eines Ges., betr. Aenderungen des GVG. und der StPO., 2. eines Ges., betr. Aenderungen der CPO., 3. eines EG. zu dem Ges. betr. Aenderungen der CPO. nebst Begründung vorgelegt (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 5. Sess. Nr. 61). Der Entwurf der Abänderung der CPO. (Entw. III d. Nov.) sieht neben den mit dem bürgerlichen Rechte in unmittelbarer Verbindung stehenden Neuerungen noch eine Reihe sonstiger Verbesserungen vor. Hierzu bemerkt die Begründung 5. 77: „Hierbei find indessen im Wesentlichen nur solche Punkt« berücksichtigt, in denen eine Reform auf Grund der bisherigen Erfahrungen allgemein als dringend anerkannt wird und ohne Eingriffe in die Grundlagen des Gesetzes, damit aber auch ohne tiefgreifende Erörterungen -------- durchgeführt werden kann. Demgemäß hat der Entwurf hauptsächlich solche Abänderungen vorgenommen, von denen sich durch Milderung des Formzwanges, durch Abkürzung von Fristen und in gewissem Umfang auch durch Beschränkung der Rechtsmittel eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie eine Verminderung und Verbilligung der Prozesse er­ warten läßt. Bei der Revision des EntmündigungS- und des Zwangsvollstreckungsversahren«

83) Sten. Ber. S. 1008. Ueber die äußere Geschichte der Justiz-Gesetze vgl. auch Ende­ mann in Hirth's Annalen 1869 Sp. 5 ff, 1870 Sp. 15 ff., 1872 Sp. 118 ff., 143 ff., 154 ff., 1873 Sp. 311 ff., 1874 Sp. 413 ff., 1875 Sp. 1202 ff., 1877 Sp. 646 ff., Sydow in Schmoller, Jahrb. f. Gesetzgebg. ic. 6 (1882) S. 13 ff.

Einleitung.

XXXI

ist außerdem auf einen erhöhten Schutz der Persönlichkeit und der wirlhschaftlichen Existenz Mehrfache Anregungen haben der Reichsverwaltung Anlaß zu einer Bedacht genommen. Prüfung der Frage gegeben, ob die Gestaltung des Prozesses auf Grund der geltenden Gesetz­ gebung weilerreichende Aenderungen erheische. Die Erwägungen darüber haben bis jetzt nicht zum Abschlüsse gebracht werden können. Ihre Fortführung muß von den Erfahrungen ab­ hängig bleiben, welche mit dem aus der gegenwärtigen Revision sich ergebenden Prozeßgange werden gemacht werden. Es wird wohl keinem Zweifel unterliegen, daß nicht die jetzige Zeit mit ihren so vielfachen Umgestaltungen des prozessualen und materiellen Rechtes sich für die Erledigung tief einschneidender Revifionsftagen eignet, daß die Aufgabe vielmehr erst unter ruhigeren Verhältnissen zu einer befriedigenden Lösung gebracht werden kann."

Durch Beschluß des Reichstags vom 14. Januar 1898 wurden die vorbezeichneten Entwürfe zur Vorberathung der aus 21 Mitgliedern bestehenden VI. Kommission überwiesen, welche die Entwürfe in 24 Sitzungen einer zweimaligen Lesung unterzog. Am Schlüsse der ersten Lesung bestellte sie einen Redaktions­ ausschuß. Der von dem Abg. Rechtsanwalt Trimborn (Cöln) abgefaßte Bericht der Kommission (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 5. Sess. Nr. 240) enthält als Anlage eine Gegenüberstellung der Vorlagen und der Beschlüsse der Kommission. Aus der nicht unerheblichen Zahl der Aenderungen mag hier hervorgehoben werden, daß der in der Vorlage zur CPO. enthaltene neue Titel über den Bortermin §§ 312a bis 312d beseitigt wurde. Die im Entwürfe vorgeschlagene Erhöhung der Revisionssumme wurde von der Kommission im Wesentlichen beibehalten (vgl. Vordem. 5 vor § 545), jedoch vom Reichstag in der Sitzung vom 3. Mai 1898 abgelehnt (Sten. Ber. S. 2118 ff.). Am 17. Mai 1898 (RGBl. S. 256) wurde das Gesetz, betr. Aenderungen der CPO., gewöhnlich als Novelle bezeichnet, nebst dem EG. zu diesem Gesetze (RGBl. S. 332) veröffentlicht. Die Bezeichnung der neuen Paragraphen erfolgte hierbei, entsprechend dem Entwurf, im Anschluß an die bisherigen Paragraphen ohne Aenderung der Nummernfolge, z. B. §§ 293 a—f, 836 a—ss. Auf Grund des gleichzeitig erlassenen Gesetzes, betr. die Ermächtigung des Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener Reichsgesetze (RGBl. S. 342), wurde mittels Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 369) die CPO. in ihrer neuen Gestalt mit fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen bekannt gemacht. Die Zahl der Paragraphen hat sich von 872 auf 1048 ver­ mehrt, obschon die früheren §§ 15, 17, 199, 238, 244, 484, 519, 588, 594, 658, 694, 755, 756, 849 in Wegfall gekommen sind. Abgeändert sind 207 Paragraphen. IX. Ueber das Verhältniß des Gerichtsverfassunqsgesetzes zur CPO. ist noch Folgendes zu bemerken: Während der Hannoversche Entwurf (s. oben V) sich hinsichtlich der Ge­ richtsverfassung noch großer Zurückhaltung befleißigt hatte (vgl. §§ 2, 4, 5, 57 rc.), wurden dem Nordd. Entw. (VI), den veränderten politischen Verhältnissen ent­ sprechend, „Vorbemerkungen" vorausgeschickt, wonach der Entwurf auf der Vor­ aussetzung beruhte, daß die Gerichtsverfassung nach Maßgabe gewisser demnächst entwickelter Grundsätze einheitlich geregelt werde, welche in Verbindung mit den einschlagenden Bestimmungen des Entwurfs selbst (§§ 9—11, 15—21, 36 rc.) bereits manche Elemente des GVG., insbesondere der Tit. 2, 3, 5, 7—9, enthalten. Ueberdies war die Bahn selbständiger Reichsjustizeinrichtungen schon durch die Ein-

XXXII

Einleitung.

setzung des Bundes- (später Reichs-) Oberhandelsgerichts, dessen Zuständigkeit fort und fort erweitert wurde (s. unten S. 1294 Sinnt. 4), von oben herab beschritten. Der Ueberzeugung, daß die Reform des Civilprozesses ohne gleichzeitige reichs­ gesetzliche Regelung der Gerichtsverfassung unausführbar sei, gaben auch die seit dem Jahre 1869 fast alljährlich im Reichstage wiederholten und angenommene« Anträge wegen Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Verfassung Ausdruck, wonach die Gesetzgebungsgewalt des Bundes bezw. Reiches sich auf das gesammte bürger­ liche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren einschließlich der Gerichtsorganisation erstrecken sollte. Wenn gleichwohl bei der erneuten Einbringung des Antrags im Jahre 1873 und in dem diesem Antrag entsprechenden Ges. vom 20. Dezember 1873, betr. die Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Verfassung des Deutschen Reichs (RGBl. S. 379), die Gerichtsorganisation nicht mehr Erwähnung gefunden hat, so geschah dies nur, weil es als selbstverständlich galt, daß zur Ordnung des Verfahrens auch solche Anordnungen über die Gerichtsorganisation gehören, welche sich aus der Einrichtung des Verfahrens selbst als dessen naturgemäße und nothwendige Voraussetzung oder Ergänzung ergeben"). Inzwischen hatte der Bundesrath in seiner Sitzung vom 21. Februar 1870 beschlossen: „den Bundeskanzler zu ersuchen, den Entwurf eines Bundesgesetzes, betreffend die Gerichtsverfassung und die gerichtlichen Institutionen aus­ arbeiten zu lassen." Diesem Ersuchen entsprechend ließ der Reichskanzler am 12. November 1873 dem Bundesrathe 1. den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Einführung des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reiche für bürgerliche Rechts­ streitigkeiten und Strafsachen, nebst Begründung, 2. den Entwurf eines Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reiche für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen nebst Begründung zugehen. Nachdem beide Entwürfe zunächst im K. Preußischen Justizministerium, sodann im Bundesrath einer vollständigen Umarbeitung unterzogen worden waren, wurden der 16 Titel und 166 Paragraphen enthaltende Entwurf eines Gerichtsverfassungs­ gesetzes und der 14 Paragraphen umfassende Entwurf eines Einführungsgesetzes nebst ausführlicher Begründung, gleichzeittg mit den Entwürfen der CPO. und StPO., dem Reichstage vorgelegt und haben von da ab die Schicksale dieser Gesetze getheilt (s. oben VII). Der Entwurf des GVG. ist aus den Berathungen der RTK. und des Reichstags selbst um einen Titel (Tit. 1 — vgl. unten S. 1158 ff.) und 38 Paragraphen verstärkt hervorgegangen. Der Inhalt steht in enger Verbindung mit dem der Prozeßgesetze**). Zu den letzteren gehört auch die Konkursordnung nebst dem betteffenden Einf.-Gesetze (s. oben S. XXIX). Wie diese Gesetze einander ergänzen, so dienen sie auch wechselseitig zur Auslegung. Das GVG. enthält die gemeinsamen Grundlagen für die drei Prozeßordnungen, indem es die staatlichen Organe für deren Anwendung bestimmt. 84) Vgl. Mot. z. GBG. S. 1 u. die Rede des Abg. Meyer (Thorn) in RT.-Sitzung v. 25. Nov. 1874 (Sien. Ber. S. 320ff.). S, auch v. Canstein, Grundlagen S. 141 ff.; John, D. Strafprozeßordnung I @. 5ff. 85) Bgl. die Mot. z. GBG. S. 2.

©mleUung.

xyxm

Der Karakter der Besümmungen des GBG. ist hauptsächlich der von Normativ-Borschriften für die Landesgesetzgebung und Landesjustizverwaltung, da die Justizhoheit grundsätzlich den einzelnen Bundesstaaten verblieben ist. Nur die oberste Instanz, das Reichsgericht (Tit. 9) einschließlich der Staatsanwalt­ schaft bei diesem (§ 143 Nr. 1) und des betreffenden Unterpersonals (§§ 154, 155), ist Reichseinrichtung. Alle übrigen Gerichte sind Landesbehörden. Aus diesem Grunde hat das Gesetz gewissermaßen nur fragmentarischen Karakter. Man hat die Justizhoheit der Bundesstaaten nur soweit beschränkt, als es noth­ wendig war, um die gemeinsamen Prozedurordnungen ins Leben zu rufen86). Eine erhebliche Ergänzung dieses organisatorischen Theiles des GBG. bildet die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (RGBl. S. 177)87). Vgl. unten S. 91 ff., 1159. Die Tit. 13—17 des GBG. regeln das Verfahren, soweit dies für alle drei Prozeßordnungen gemeinsam geschehen konnte (vgl. unten S. 1265). Das GBG. ist abgeändert worden durch Ges., betr. Abänderung des § 137 d. GBG., v. 17. März 1886 (RGBl. S. 61) und Ges., betr. die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, v. 5. April 1888 (RGBl. S. 133); das letztere Ges. betrifft die §§ 173—176, 195. Der § 12 EG. z. GBG. ist aufgehoben worden durch Ges. v. 12. Juni 1889 (RGBl. S. 95). Sodann sind gleichzeitig mit dem Erlasse der Nov. z. CPO. (s. oben VIII) durch Ges., betr. Aenderungen d. GBG. und d. StPO., v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 252) Art. I acht Paragraphen des GBG. abgeändert; auf Grund d. Ges., betr. d. Ermächtigung d. Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener Reichs­ gesetze, v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 342) wurde mittels Bekanntmachung v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 371) der neue Text des GBG. veröffentlicht. Durch Art. II des vorbezeichneten Ges. hat das EG. z. GBG. in den §§ 5, 9 u. 10 Aenderungen erfahren. X. Die CPO. ist nicht auf dem Boden eines einzelnen der in Deutschland geltenden Prozeßsysteme erwachsen. Im schärfsten Gegensatze steht sie zum gemeinen Civilprozeß und. obwohl in geringerem Maße, zu dem preußischen Prozeßrechte, schon weil ihr die bindende Bedeutung der Schriftsätze und (abgesehen von den sog. prozeßhindernden Einreden) das Eventualprinzip fremd sind. Bom gemeinen und hannoverschen Prozeß unterscheidet sie ferner die Abwesenheit des bindenden Beweisinterlokuts, von jenem auch der selbständige Prozeßbetrieb der Parteien. Bon manchen wesentlichen Grundsätzen des französischen Prozesses, wie der sog. Souveränetät der Gerichte, ist wenig, von anderen, wie der dem franz. Rechte eigenthümlichen Behandlung des Geständnisses, der Beschränkung des Zeugenbeweises u. s. w., ist nichts in ihr zu finden, während der Grundsatz des selbständigen Prozeßbetriebs nur in erheblich abgeschwächter Gestalt aufgenommen ist. In manchen Punkten wiederum, insbesondere hinsichtlich 86) Bgl. besonders die Rede des Staatsministers vr. Leon Hardt bei der ersten Be­ rathung im RT. — Sten. Ber. d. RT. 2. Legisl.-Per. 2. ©eff. 1874/75 S. 276. Der Landesgesetzgebung verblieb hiernach noch eine ziemlich umfassende Thätigkeit auf diesem Gebiete. Bgl. z. B. das Preuß. AG. z. D. GBG. v. 25. April 1878 (GS. S. 230), abgeändert durch Ges. über ft®. Gb. v. 21. Sept. 1899 (GS. S. 249) Art. 130. 87) Die äußere Geschichte d. RAO. s. bei Meyer, D. RechtSanwaltsordnung. 2. Aufl. Berlin 1893. S. 1 ff.; Volk, D. RechtSanwaltsordnung für daS Deutsche Reich. Nördlingen 1879.

S. 1 ff.

S. auch Wach I S. 156f.

ettuitmann u. Noch, Eivtlproteßordn«»». 7. Aust.

XXXIV

Einleitung.

des ganzen sog. materiellen Prozeßrechts, lehnt sich die CPO. an das gemeine und an das diesem verwandte preußische Recht an. Sie hat Gedanken aller jener Systeme in sich aufgenommen und zu einem eigenartigen Ganzen ausgebildet. Ein Hauptziel war die Rückkehr zu einer natürlicheren und einfacheren Gestalt des Verfahrens, die Abstreifung des Formalismus und der davon unzertrennlichen Beeinträchtigung des materiellen Rechtes"). In Verbindung hiermit steht eine bedeutende Vermehrung des dispositiven Prozeßrechts••). An der Spitze der die CPO. beherrschenden Grundsätze steht das Mündlich­ keitsprinzip. Ihm an Bedeutung nahe kommen die Beweisverbindung, die Beseitigung der Eventualmaxime, die freie Beweiswürdigung, der selbständige Prozeßbetrieb. Diese wie die übrigen Grundgedanken einzeln zu entwickeln, ist hier nicht der Ort'"). Eine sich durch Klarheit sowie durch Knappheit der Form aus­ zeichnende Darstellung enthält die „Allgemeine Begründung" des Entwurfs, ins­ besondere in den §§ 4—15"). XI. Die Mittel zur Auslegung der CPO. sind äußerst reichhaltig. Neben dem, was Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzes und der übrigen Justiz­ gesetze, was Wissenschaft und Praxis des Prozeßrechts bieten, kommen ganz be­ sonders die sog. Materialien in Betracht. Im weiteren Sinne gehören hierzu die zahlreichen bei der Abfassung berücksichtigten Prozeßgesetze und Entwürfe, unter welchen der Norddeutsche Entwurf und die betreffenden Berathungsproto­ kolle (VI) wegen der Zeit der Abfassung und ihres bedeutenden Einflusses auf den Inhalt der CPO. besondere Beachtung beanspruchen dürfen. In engerem Sinne sind darunter die vielfach mit den Mot. der Entw. I u. II übereinstimmenden Motive („Begründung") des Entw. III der CPO., die Motive des Entw. zum GVG. u. der Entwürfe zu den beiden Einführungs-Gesetzen •*) und die Protokolle der RTK.v.1875") zuverstehen: die Plenarbera thun gen des Reichstags haben 88) „Alle wesentlichen Einrichtungen des neuen deutschen Prozesses sind geeignet, die Herrschaft des oiateriellen Rechts über das Prozeßrecht zu fördern" (Komm.-Ber. der RTK. v. 1875 z. CPO. S. 2). 89) Bgl Bülow, Dispos. Civilprozeßrecht S. 22f. 90) Bgl. darüber die Anmerkungen z. CPO. an den geeigneten Stellen. 91) Eine nach der „Mg. Begründung" zusammengestellt« Uebersicht der Grundsätze s. bei Hellmann I S. 13ff. Vgl. auch v. Bar, D. Deutsche Civilprozeßrecht S. 5ff., Sydow a a. C. S. 34 ff. 92) Sie sind fortlaufend unter dem Texte bei jedem Paragraphen der Gesetze angeführt, und zwar nach den Drucksachen des RT. ; wohl aber Klagen wegen persönlicher Dienstbarkeiten oder anderer dinglichen Rechte sowie wegen Reallasten (vgl. § 9, f. auch RG in I. W. 1894 S. 180, 420). (A.M. in letzterer Beziehung Petersen § 7 Nr. 3, Wach I S. 387 Anm. 61 will § 7 aus Reallasten wie aus gesetzliche Servituten entsprechend anwenden; RG. 29 S. 406 wendet § 7 entsprechend auf Bau­ beschränkungen eines Grundstücks an, die auf einem persönlichen Rechte beruhen (bedenklich, weit § 7 eine Ausnahme von dem Satze ist, daß der Werth des Streitgegenstandes vom Standpunkte deS Klägers, nicht von dem des Beklagten aus zu berechnen ist; s. auch RG. in Puchelts Zeitschr. 26 S. 257; § 3 Anm. 3]). Wegen einstweiliger Verfügungen f. § 6 Anm. 2 a. E. 2) Wird negatorisch wegen einer Eigenthum-störung geklagt, welche sich nach der Klage nicht als Ausübung einer Grunddienstbarkeit darstellt, so ist § 7 nicht anwendbar, sondern der Richter schätzt nach freiem Ermesien (§ 3) das Interesse deS Klägers an Beseitigung des Eingriffs deS Beklagten lRG. 3 6. 390, vgl. auch RG in I. W. 1895 S. 181 Nr. 2). 8 8. 1) „das Bestehen oder die Dauer" — hauptsächlich, aber nicht allein die hierauf gerichtete Feststellungsklage (§§ 256, 260). Nur diese rechnen hierher: RG. 26 S. 431 u. im

Erster Titel.

Sachliche Zuständigkeit der Gerichte.

9

§ 9.

Zinses und, wenn der fünfundzwanzigfache Betrag des einjährigen Zinses geringer ist, dieser Betrag für die Werthsberechnung entscheidend. «. Ent». 6 18 3- 5. Ent». I. 8 8. Ent». IL 8 8. teil». HI. 8 8. WoU C 50. Prot. 6. 4.

§ 9. (9.) Der Werth des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem Werthe des einjährigen Bezugs berechnet und zwar: auf den zwölfundeinhalbfachen Betrag, wenn der künftige Wegfall des Bezugsrechts gewiß, die Zeit des Wegfalls aber ungewiß ist: auf den fünfundzwanzigfachen Betrag, bei unbeschränkter oder bestimmter Dauer des Bezugsrechts. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesammtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist. 9t. . Auch wenn die Partei die Neuheit in elfter Instanz hätte vorbringen können, kann das Gericht es bei dem Grundsatz des £ 91 belassen. War der betreffende Umstand in erster Instanz von Amtswegen zu berücksichtigen, greift Abs. 2 überhaupt nicht Platz iBolgiano 3. 176 Anm. 5, Petersen Nr. 6>. „nach freiem Ermessen" — Eine Beweiserhebung ist ausgeschlossen: vgl. § 3. 3) Abs. 3 beschränkt sich auf die Revisionsinstanz, in welcher ein neues Vorbringen im Sinne des Abs. 2 nicht zulässig ist 549, 561). Er beruht auf einem zu § 70 GVG. gestellten Antrage des Abg. Bähr, welcher aussiihrte, daß es unbillig sei. durch die im fiskalischen Interesse erfolgte Zulassung der Revision (f. § 547 Nr. 2) die Kosten der mit deut Fiskus im Prozesse befangenen Partei zu vermehren. „Rechtsstreitigkeiten — zuständig sind" — vgl. GVG. $ 70 Anm. 2—8. 8 os.

1) Die Kostenvergleichung tritt ohne weiteres als Folge des — gerichtlich oder außer­ gerichtlich — in einem anhängigen Rechtsstteite (Planck I 3. 300 Anm. 1) abgeschlossenen Ber-

Muster Titel.

Prozeßkosten.

§ 99.

119

haben. Dasselbe gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist. ft. Gram. | 378. tat». I I 91. tat». IL | 91. tat». UL 6 91. Mit t. 116. prst t. 33. § 99. (94.) Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist

un­ zulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkennt­ nisses ausgesprochene BerurtHeilung erledigt, so kann dieEntscheidung über den Kostenpunkt selbständig angefochten werden. Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt sofortige Beschwerde statt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören. ft. tat». 8 166. tat». L 8 92. tat». II. 8 92. tat». HI. § 92. Mit. t. 115, 116. QtoU t. 33, 619. - ftü., E. III: 8 94, vegr. 6. 89; Stirn.«. 6. 39 f. gleichs ein, soweit die Parteien nicht etwas Abweichendes vereinbart haben. Bgl. §§ 160 Nr. 1, 296, 510, 794 Nr. l u. 2; GKG. §§ 21, 23, 101, GO. f. RA. § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 18. In Betreff der Gerichts lasse s. d. allg. Bem. zu Tit. 5 unter 4. Wegen des hier zwischen den „Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs" und den „Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits" gemachten Unterschiedes schließt die vertragsmäßige Uebernahme der letzteren Kosten die Uebernahme der ersteren nicht ohne weiteres in sich (R8 in I. W. 1893 S. 196, 1894 S. 181). „gegen einander aufgehoben." — Auch hier trägt jeder Theil die Hälfte der gericht­ lichen Kosten i§ 92 Abs. 1). 2) „über dieselben — ist" — d. h. durch Entscheidung in der Hauptsache. Vgl. auch § 271 Abs. 3.

8 m.

Literatur: Birkmeyer: Zur Lehre v. Bersäumnißurtheil S. 34ff., Rechtsfälle S. 34, 71 ff. u. in Meckl. Zeitschr. I S. 320ff., Seufsert in Krit. B. 26 S. 487ff., v. Kräwel in Busch 4 S. 259 f., Scherer das. 5 S. 484 f., Francke das. 6 S. 80, Breitn er in Bödiker, Mag. 3 S. 211 ff., Oppenheim in Gruchot 27 S. 716ff., Planck I S. 387ff. 1) Die Bestimmung beruht auf der Erfahrung, daß eS schwer ist, die Entscheidung über den Kostenpunkt, d. h. über die Kostenpflicht (anders § 105) zu prüfen, ohne auf die Sache selbst einzugehen; sie verhütet, daß in höherer Instanz ein Urtheil über den Kostenpunkt ergeht, durch welches die nicht mehr zu beseitigende Vorentscheidung für sachlich unrichtig erklärt wird. Eine Entscheidung in der Hauptsache liegt auch vor, wenn beantragt wird, die gegenstandslos ge­ wordene Klage für erledigt zu erklären (RG. 15 S. 424, 20 S. 430, 33 S. 383 u. in I. W. 1888 S. 422, 1896 S. 370, OLG. Marienwerder in Busch 21 S. 77; vgl. auch ««. 16 S. 323, in Gruchot 31 S. 1154 u. in I. W. 1892 S. 236 Nr. 4, 1893 S. 93, 1894 S. 279, jedoch auch das. 1894 S. 117 Nr. 1). Auch bildet „Hauptsache" hier nicht den Gegen­ satz zu den prozeßhindernden Einreden (wie in §§ 274, 275), sondern nur zum „Kostenpunkt" (RG. 23 S. 341). (Bgl. auch RG. in S. A. 46 Nr. 290.1 2) Von welcher Seite das Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt ist, ist unerheblich. Hatte eine Partei es ergriffen, so kann sich der Gegner auch lediglich wegen deS Kosten­ punkts anschließen i§§ 521, 556, vgl. RG. in I. W. 1886 S. 245, 1891 S. 7 f., 1894 S. 81 Nr. 7, 279 Nr. 6, 1898 S. 115, OLG. Hamburg in S. A. 47 Nr. 224, Wilm. Levy Anm. 1, Gaupp I S. 254, Planck I S. 387). Schließt er sich nicht an, so würde freilich die Kostenentscheidung nur, soweit sie ihm günstig ist, der Nachprüfung deS höheren Gerichts mit der Hauptsache anheimfallen (vgl. § 97 Anm. 1). Denn die Grundsätze von der Rechtskraft gelten auch von der (ein stillschweigendes Zubehör des Anspruchs bildenden) Kostenpflicht (88 308, 322, 525, 536, 559). Jedoch hat der höhere Richter, falls er in der Hauptsache

120

Erste- Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 99.

abändernd oder aufhebend erkennt, auch über die Kosten der früheren Instanz von Amtswegeu zu entscheiden, weil in diesem Fall die Grundlage der Kostenentscheidung des Uuterrichters und damit diese selbst zerstört ist (Planck I S. 387, Seuffert Anm. 3 a. E., Gaupp I S. 254). Auf den Einspruch ist § 99 nicht anzuwenden (§ 340 Nr. 3 steht nicht entgegen; so auch RG 13 S. 327, ©tim. Levy Anm. 1); wohl aber auf die Beschwerde (s. RG 6 S. 339, in S. A. 36 Nr. 80 u. in I. SB. 1887 S. 351, 1896 S. 30, 1898 S. 370, OLG. Cöln im Rhein. Arch. 90 I S. 6, Francke S. 90), ferner auf Kosten im Zwangsvollstreckungs­ verfahren, weil die allgemeinen Vorschriften der §§ 91—102 auch auf diese Anwendung finden, soweit nicht besondere Bestimmungen entgegenstehen (RG. in S. A. 42 Nr. 153, OLG. Celle in S. A. 51 Nr. 239, Gaupp I S. 254. AM. ob.LG. f. Bayern in S. A. 39 Nr. 338). In Betreff der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens s. OLG. Hamburg in S. A. 53 Nr. 187, RG. in I. W. 1897 S. 542. Auch in Patentsachen kommt § 99 zur Anwendung (RG 6 S. 341. A M. RG in I. W. 1890 S. 410, Seuffert Anm. 5, SB ihn. Levy Anm. 1 a. E., jetzt auch Gaupp I S. 254 N. 12). 3) „eingelegt" — Es genügt nicht, wie es nach dem Wortlaut scheint, der formale Einlegungsakt (§§ 51*, 553); sondern es kommt darauf an, daß eine sachliche Aufhebung der Vorentscheidung bezweckt wird. Da aber die in der Rechtsmittelschrift enthaltenen Anträge nur vorbereitender Natur, die in der mündlichen Verhandlung gestellten dagegen maßgebend sind (s. § 519), so ist auch hier für die Frage, ob lediglich der Kostenpunkt angefochten ist, der Antrag in der mündlichen Verhandlung maßgebend (vgl. RG. 6 S. 339, 435, 20 S. 430, 27 S. 366, 407, in I. SB. 1889 S. 65, 129, 1893 S. 93, 1896 S. 70 Nr. 6 u. in S. A. 44 Nr. 225, Seuffert Anm. 3, Wilm. Levy Anm. 1. Sehr weit in Annahme eines sachlichen Interesses geht RG. 29 S. 379). Ein vorher angekündigter, mündlich aber nicht ge­ stellter oder zurückgezogener Antrag bleibt außer Betracht (nicht entgegenstehend RG. in I. SB. 1888 S. 422). Jngleichen ist die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels als nicht geschehen anzusehen (RG. 13 S. 395, 20 S. 430, 27 S. 366, 81 S. 44, in I. SB. 1893 S. 537, Gaupp I S. 253). Andererseits wird aber ein in der Hauptsache und mithin auch hinsichtlich des Kostenpunkts rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel nicht schon dadurch unwirksam, daß der Rechtsstreits nach Einlegung des Rechtsmittels durch Handlungen des Gegners (z. B. Zahlung, Verzicht) oder durch zufällige äußere Umstände (z. B. Zeitablauf) sich thatsächlich erledigt (RG. 18 S. 418, 20 S. 430, 27 S. 407, 33 S. 383, in I. SB. 1888 S. 422, 1891 S. 221, 1893 S. 8, 1895 S. 198, OLG. Dresden in S. A. 50 Nr. 133 — vgl. dagegen RG das! Nr. 215 —, Seuffert Sinnt. 3a; vgl. auch RG 15 S. 407). Ein Gleiches gilt, wenn der Anspruch zur Hauptsache zwar vor der Einlegung des Rechtsmittels erloschen war, der Rechts­ mittelkläger das Erlöschen aber bestreitet (RG- 27 2. 365, in Gruchot 39 2. 151). 4) Abs. 2 ist von der Nov. auf Grund eines Beschlusses der RTK. hinzugefügt, um eine in der Praxis empfundene Härte der Wirkung des Slbs. 1 für den Fall des Slnerkenntnißurtheils zu beseitigen. „selbständig angefochten" — mit dem gegen das Urtheil an sich zulässigen Rechts­ mittel, nicht mit der Beschwerde, da die hier hauptsächlich in Betracht kommende Frage, ob der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben habe (vgl. §§ 93, 94), oft ohne Erörterung der Sache selbst nicht entschieden werden kann (vgl. Kom.B. S. 39). 5) In Abs. 3 hat die Nov. in Fällen, in denen die Hauptsache nicht durch Entschei­ dung (Abs. 1 u. 2), sondern durch Vergleich, Zurücknahme der Klage, Zahlung rc. erledigt und deshalb über die Kosten allein erkannt wird, die selbständige Slnfechtung der Kostenentscheidung zugelassen, die bisher mit Rücksicht auf die Vorschrift des Slbs. 1 nach der herrschenden Slnsicht für unanfechtbar galt (s. früh. Aufl. Sinnt. 1). Hierher gehört auch der Fall, wo die Hauptparteien sich vergleichen, ohne die Kosten des Nebenintervenienten zu berücksichtigen, und nun hierüber Kostenentscheidung ergeht (vgl. RG. tm sächs. Arch. 9 S. 70).

Fünfter Titel.

Prozeßkosten.

§ 100.

121

§ 100. (95.) Besteht der unterliegende Theil and mehreren Personen, so hasten dieselben für die Kostenerstattung nach Kopstheilen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Betheiligung am Rechtsstreite kann nach dem Ermessen des Gerichts die Betheiligung zum Maßstabe genommen werden. Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so sind die übrigen Streitgenossen für die durch dasselbe ver­ anlaßten Kosten nicht verhaftet. Werden mehrere Beklagte als Gesammtschuldner verurtheilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Abs. 3, als Gesammtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Abs. 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt. , «. feit». S 157. — gleichmäßig gegen seine eigenen Angehörigen und gegen Ausländer verlange. Diese einschränkende Auslegung, nach welcher Ausländer in Deutschland besser gestellt sein könnten als im eigenen Lande, widerstreitet dem Wortlaute des Gesetzes („in gleichem Falles wie dem Zwecke, die Inländer gegen die Weitläufigkeiten der Wiedererlangung der Prozeßkosten von Ausländern wenigstens eben so weit zu schützen, als das Ausland selbst einen solchen Schutz gewährt. Vgl. auch GKG. § 85 Abs. 2 Nr. 1. «So auch KG. Berlin in Z. d. Anwaltsk. in Naumburg 1895 8. 3, OLG. Breslau das., OLG. Hamburg in S. A. 44 Nr. 218, OLG. (Söln im Rhein. Arch. 81 II S. 49, v. Bar, Inter. Privatrecht, 2. Aufl. Bd. 2 S. 394, Scuffert Anm. 4, Gaupp I S. 271, Wilm. Levy Anm. 5. A.M. RG 39 S. 406 — vgl. jedoch auch RG. 38 S. 403 —.)

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 111.

135

§ 111. (103). Der Beklagte kann auch dann Sicherheitsleistung verlangen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der Kläger die Eigenschaft eines Deutschen ver­ liert oder die Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicherheits­ leistung befreit war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. ft. Ent». 6 167. ent». I. Ent». II. 8 100. Ent». UI. § 100. M-t. 6. 182. Prot. «. 38. Zur Gegenseitigkeit gehört ferner nicht — wie ein von der RTK. abgelehnter Antrag nach § 166 Nr. 1 d. N. E. wollte —, daß in dem Staate des Klägers die den Kostenpunkt betreffenden Ent­ scheidungen des deutschen Gerichts vollstreckt werden. (Mot. S. 121.) „nach den Gesetzen" — Weiter ist die Fassung in den §§ 114 Abs. 2, 328 Nr. 5. Als „Gesetz" gilt indessen auch ein Staatsvertrag (EG. z. CPO. § 12, Seuffert Anm. 4, Sarwey l S. 187 u. A.), nicht ein bloßer usus fori (wie Uebel I 3. 114 meint). Solche Staatsverträge sind vom D. Reiche bezüglich der zum Armenrecht Zugelassenen (vgl. § 114 Anm. 4) abgeschlossen mit Belgien am 18. Lktbr. 1878 (RGBl. 1879 3. 316), mit Luxemburg am 12. Juni 1879 (ebendas. S. 318), mit Frankreich am 20. Febr. 1880 (RGBl. 1881 S. 81), mit Oesterreich-Ungarn am 9. Mai 1886 (RGBl. 1887 S. 120), s. OLG. Cöln im Rh. Arch. 88 I 3. 45. Ueber die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Angehörigen des D. Reichs, Rußlands und Oesterreichs s. Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 30. Sept. u. 23. Dez. 1897 lRGBl. S. 775 u. 792). Insbesondere s. intern. Abkommen vom 14. Nov. 1896 , 32 S. 402, 404, in Gruchot 37 3. 750, in I. W. 1895 S. 164, Planck II 8 96 S. 98 s.: abweichend RG. in 3. A. 37 Nr. 344. „ü der Haupt — — abgegeben werden" — Darunter fällt namentlich auch die Auf­ klärung von Widersprüchen zwischen dem mündlichen Vorbringen und dem Inhalt der Schrift­ sätze. wenn es zweifelhaft ist, ob letzterer hat wiederholt werden sollen. Indessen ist das Fragerecht doch aus die thatsächliche Seite des Rechtsstreits beschränkt (vgl. vb.LG. f. Bayern in S. A. 38 Nr. 343). Die Nichtausübung des Fragcrechts in Fällen, in denen die Ausübung geschehen muhte, ist Revisionsgrund (vgl. RG. 8 3. 371, 9 S. 419, 10 S. 175, 20 S. 384, 29 S. 334, Fenner и. Mecke 3 S. 440, S. A. 37 Nr. 344, 38 Nr. 266 lRG). 267 (OLG. Braunschweig), 39 Nr. 316 [»«], Bähr a. a. O. S. 241 Anm. *, Planck I § 53 vor N. 52, II § 96 N. 28, Wach, Bortr. S. 72 N. * Gaupp I S. 316; vgl. jedoch andererseits RG. 7 S. 368, in Fenner u. Mecke a. a. O. S. 382, in S. A. 38 Nr. 265 u. in Gruchot 26 S. 845; vgl. auch Kom. B. z. Nov. S 51 f.). Eine Ausnahme s. in § 138 Anm. 2 Abs. 1 a. E. Wie weit das Fragerecht auszuübeit ist, hängt wesentlich von den Umständen des Falls ab; daraus erklären sich manche scheinbare Widersprüche in den Urtheilen des RG. sNach Seuffert Anm. 3, Roch oll in Busch 10 S. 317 ff. ist die Nichtausübung des Fragerechts niemals Revisionsgrund; Seuffert will aber gegebenenfalls durch 8 551 Nr. 7 (unvollständige Gründe) Helsen.)

4) Der Abs. 2 bezieht sich namentlich — nicht ausschließlich; s. Birkmeyer a a. O. 3. 436; vgl. auch H. Meyer in Busch 14 S. 479 — auf solche von Amtswegen zu berück­ sichtigenden Punkte, z. B. die Legitimation des gesetzlichen Vertreters (8 56). die Vollmacht des Prozehbevollmächtigten in anttSgerichtlichen Prozessen (8 88 Abs. 2) u. s. w., welche, wenn sie noch nicht geregelt sind, voraussichtlich durch die Thätigkeit der betreffenden Person in Ordnung gebracht werden können. Ter Vorsitzende hat auf den Mangel aufmerksam zu machen und zu dessen Hebung aufzufordern, freilief) nur. soweit die Verhandlung dazu Ansah bietet (RG. 9 S. 367). (Allgemeine Regeln für das hier etwa eintretende Verfahren - im Anschluß an das Strafverfahren — giebt Birkmeyer a. a. O. S. 183ff., 430ff, der aber zu weit geht, wenn er meint, daß das Gericht selbst Thatsachen und Beweismittel auszuspüren habe. Die 88 622, 653 können als mit der Verhandlungsform unverträglich nicht ohne Weiteres und unbedingt aus alle von Anttswegen zu prüfenden Punkte entsprechend angewendet werden.) Vgl. im Einzelnen oben 8 56 Anm. 1. Bleibt der betreffende Punkt unaufgeklärt, so hat diejenige Partei lz. B. der Berusungskläger rücksichtlich der Wahrung der Berufungsfrist) den Nachtheil davon, welcher die Beweispflicht obliegt (oben 8 56 a. a. O., Wach, Bortr. 3. 210>. 5) Einen b e stimm teil Rechtsnachtheil für die Nichtbeantwortung einer gestellten Frage hat das Gesetz — entgegen dem H. E. 8 139 und N. E. 8 31! — int Interesse der möglichsten Schonung des materiellen Rechts nicht aufgestellt. Daraus folgt, daß das Gericht unter freier Beweiswürdigung ^8 2861 im einzelnen Falle zu prüfen hat, welche Folgerungen aus der Nichtbcantwortung zu ziehen sind. (Vgl. Ude in Busch 6 S. 426, 429, Wach, Vortr. S. 75.)."

166

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 140.

§ 140. (131.) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitgliede gestellte Frage von einer bei der Verhandlung betheiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht. ft. Eni*. - ent». I ». II. - Satte. IN. - Met. - Prot. 6. 136-139, 663-665, 168. Titzan-

C. 1, 8.

6) Für ba$ amtsgerichtliche Verfahren sind dem Amtsrichter in Bezug auf die Sach­ leitung noch weitergehende Befugnisse eingeräumt worden. Vgl. § 503. 7) Abs. 3: Der Vorsitzende kann dem Mitgliede des Berichts das Wort nicht entziehen (vgl. 8 136 Anm. 3). Anträge auf Erthcilung der Bcfugniß an den Vorsitzenden, für einzelne Sachen die Leitung der Verhandlung einem Mitgliede des (Berichts zu übertragen, sind von der RTK. schließlich abgelehnt. Vgl. L 136 Anm. 1, Prot. z. GVG. S 501 ff, 641 ff., GVG. § 68 Anm. 2. 8 140. 1) Diese Bestimmung beruht auf einem Antrage des Abg. Bähr. Dieser wollte dem Gedanken Geltung verschaffen, daß der Vorsitzende seine die Sachleitung in der mündlichen Verhandlung betreffenden Befugnisse als „präsumtiver Bevollmächtigter" des Gerichts, gleichsam als primus inter pares, nicht kraft eigener Machtvollkommenheit ausübe, und ließ deshalb gegen jede auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden bezw. gegen jede Fragestellung seitens des Vorsitzenden oder eines GerichtSmitgliedes das Anrufen des Gerichts zu. Die RTK. beschräntte dem Negierungsantrage gemäß diesen Rechisbehels auf Anordnungen bezw. Fragen, welche als „unzulässig" beanstandet werden. Vgl. StPO. 8 237 Abs. 2. 2» „eine aus die Sachleitung bezügliche Anordnung" — Hierunter fallen alle Anordnungen, welche der Vorsitzende in Gemäßheit der 88 136 und 139 bezüglich der Leitung der mündlichen Verhandlung trifft, mithin auch die Entziehung des Worts, dagegen nicht die Befugnisse, welche ihm die Handhabung der Sitzungspolizei gewährt (GVG. 88 176 Abs. 2, 177), oder welche ihm. selbst wenn er sie zufällig während der Sitzung ausübt, außerhalb der mündlichen Verhandlung zustehen, z. B. bezüglich der Terminsansetzung (88 216, 262 u. a.), der Anordnung des Arrestes oder einstweiliger Verfügungen (8 944); in diesen Fällen handelt er kraft eigenen Rechts und ist daher nicht der Entscheidung des Gerichts, dessen Vorsitzender er ist, vielmehr nur der Beschwerdeinstanz des höheren Gerichts unterworfen (vgl. 88 568 ff.). Vgl. 88 730 Anm. 3, 733 Anm. 4. 3) „gestellte Frage" - vgl. 8 139; f. auch 8 397 Abs. 2. Wegen Ablehnung einer Fragestellung findet ein Anrufen des Gerichts nicht statt; jedoch kann nach § 139 Abs. 3 jedes einzelne Mitglied des Gerichts kraft eigenen Rechts die Frage stellen.

4) „unzulässig" — d. h. gesetzlich nicht statthaft. Das Wort „gesetzlich" ist von der RTK. als selbstverständlich weggelassen. Die bloße Zweckmäßigkeit oder Angemessenheit der Anordnung unterliegt ebensowenig der Beurtheilung des Gerichts wie die Erheblichkeit der ge­ stellten Frage. 5- Die Beanstandung kann in jeglicher Form und von jeder „bei der Verhandlung betheiligten Person" (vgl. GVG. 88 178, 179/, mithin von den Parteien, deren Vertretern, einem Nebenintervenienten, Zeugen (A.M. v. Bülow Anm. 3) erfolgen, nicht aber — nach der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaute „Verhandlung"; vgl. auch 8 158 — von entern Mitgliede des Gerichts (ebenso Gaupp I S. 319, Seuffert Anm. 3, v. Bülow in Gruchot 26 S. 582 ff., Wilm. Lcvy Anm. 1, Hellmann, Lehrb. S. 301, Kleinfeller a- a. O. S. 209, jetzt auch Petersen Nr. 3. AM. Sarwey I S. 224, Löwe, StPO. § 237 Anm. 7, Planck I S. 156 N. 27, II S. 100 Anm. 23, weil das Gericht Nichtigkeiten verhüten müsse).

Erster Titel.

Mündlich« Verhandlung.

§§ 141, 142.

167

§ 141. (132.) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhältnisses anordnen. R. «nt». SS 318, SIS. «ehe. I *. II. -

Ent». HL - *«L «. 133. Pest. C. 68-84, 686, 687.

8 142. (133.) Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen vorlege. Das Gericht kann anordnen, daß die vorgelegten Schriftstücke während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Gerichtsschreiberei verbleiben. Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten Urkunden eine durch einen beeidigten Dolmetscher angefertigte Uebersetzung bei­ gebracht werde. «. ent». SS 314, 694. Ent». I. 8126. Ent». II. 8127. Ent». III. 8187. W«t 6.134. »wL C. 64 6) Die Entscheidung des Gerichts ist Beschluß und unterliegt nach § 567 nicht der Be­ schwerde, da stets eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist (vgl. §§ 142—144 Anm. 1; LLG. Jena in S. A. 39 9lr. 153). 8 141

1) Dieser Satz ist von der RTK. aufgenommen, deren Mehrheit darin, besonders in amtSgerichtlichen Prozessen, eine nothwendige Ergänzung der freien Beweiswürdigung erblickte, indem der Richter unter Umständen die Parteien selbst hören müsse, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Das von der erschienenen Partei Behauptete ist für den Prozeß maßgebend; die etwaige abweichende Sachdarstellung des Anwalts kommt nicht in Betracht (vgl. §§ 85, 137 Anm. 3, RG 10 S. 423). Vgl. Schneider, Ueber richterliche Ermittelung u. s. w. S. 129 ff. 2) Nur vor dem erkennenden Gerichte selbst, nicht vor einem beauftragten oder ersuchten Richter persönlich zu erscheinen, kann eine Partei aufgefordert werden. (Petersen Nr. 1, Seuffert Anm. 4, Gaupp I S. 320 u. A. AM. Pichelt I S. 393.) Ein Antrag, auch letzteres zu gestatten, ist von der RTK. abgelehnt worden. Ausnahme: §§ 619 Abs. 2, 640, 611, 296. Vgl. auch § 350 Anm. 2. — Ebensowenig kann der Vorsitzende allein die An­ ordnung treffen. 3) Unter „Partei" ist hier nur eine prozeßfähige Person zu verstehen, welche über den Prozeß zu verfügen hat (Prot. S. 51), mithin bei nicht prozeßsähigen Parteien der gesetzliche Vertreter (v. Bülow S. 82, Petersen Nr. 2, Wilm. Levy, Seuffert Anm. 2; bedenklich ist die Ansicht Planck'« II § 97 N. 11, nach welcher § 473 Abs. 2 entsprechende Anwendung finden kann). — Daß beide Parteien vorgeladen werden, ist nicht erforderlich. Während der ur­ sprüngliche Antrag von „Parteien" sprach, hat die Redaktionskommission absichtlich, ohne Widerspruch der Gesammckommission, das Wort „Partei" an die Stelle gesetzt. 4) In Bezug auf den Rechtsnachtheil im Falle des Nichterscheinens oder der Nichtbeantwortung einer gestellten Frage findet das unter § 139 Anm. 5 Gesagte Anwendung (vgl. RG. in S. A. 53 Nr. 127). Hinsichtlich der Ehesachen s. jedoch § 619 Abs. 3. 5) Wegen der Ladung bezw. Zustellung gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. §§ 176 Anm. 2, 3, 218, 329; s. auch Gaupp I S. 320, A. Förster Anm. 5). § 142-144. 1) In den §§ 142—144 sind dem Gerichte weitere Befugnisse beigelegt, welche darauf abzielen, ihm die für seine Entscheidung nothwendige Grundlage zu schaffen. Die Schwierigkeit erschöpfender Regelung hat den Gesetzgeber genöthigt, dem Ermessen des Gerichts („kann") einen weiten Spielraum zu lassen. Die fraglichen Bestimmungen bilden so einen Bestandtheil des dispositiven Civilprozeßrechts (vgl. Bülow i. c. A. 64 S. 18; s. auch Wach, Bortr. S. 79 N. •). Zu dieser Gattung von Vorschriften gehören auch die §§ 145—150, 155—158. Die betreffenden Anordnungen können nur nach vorgängiger mündlicher Verhandlung ge­ troffen werden; eine Beschwerde ist deshalb nach § 567 nicht zulässig (vgl. § 140 Anm. 6).

168

Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren.

§§

143, 144.

§ 143. (134.) Das Gericht kannanordnen, daß die Parteien die in ihrem Besitze befindlichen Akten vorlegen, soweit dieselben aus Schriftstücken bestehen, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. N. E»t». 8 400. Ent». L §

126. E»t». H. § 128. Set». III. 8 128. «ot. 6. 184. Pest. €. 64.

8 144. (135). Das Gericht kann dieEinnahme des Augenscheins, sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. 2) Ein Rechtsnachtheil ist an die Nichtbefolgung der in den §§ 142, 143 gedachten An­ ordnungen nicht geknüpft; das Gericht hat daher nach freiem Ermessen zu prüfen, welche Folge­ rungen aus dem Ungehorsam zu ziehen sind. Bgl. 139 Anm. 5, 142 Anm. 4, Köhler im c. A 79 S. 2. lEndemann I S. 479 hält Strafandrohungen für statthast.) 8 142. 1) Zu den „Urkunden" gehören auch die Handelsbücher «vgl. RG in Str. S. 4

Daher umfaßt der 9lusdruck nicht bloß Forderungen, auch nicht bloß daS Gebiet des Vermögens­ rechts („vermögcnSrechtliche Ansprüche"; vgl. § 20 Anm. 2), sondern erstreckt sich auf alle im Eivilprozesse versolgbaren Rechte (vgl. §§ 64, 110 Nr. 5,846,916). Windscheid entfernt aus dem Begriffe das Merkmal der Rechtsverletzung iebenso Kroll, Klage u. Einrede 8. 27, 232 ff.). In dieser Beziehung ist jedoch die CPO., abgesehen von denjenigen Stellen, wo sie den Anspruch als VollstreckungSgegcnstand oder als Voraussetzung des 9lrrestes (§§ 846—819, 854—856, 916, 920) behandelt, seiner Ausdrucksweise ebensowenig wie das BGB. gefolgt, das im § 194 Abs. 1 den Anspruch als das Recht bezeichnet, von einem 9lnderen ein Thun oder ein Unterlassen zu verlangen. Im Sinne des BGB. erwächst erst „aus dem absoluten Recht ein Anspruch, wenn es beeinttächtigt wird, gegen denjenigen, welcher die Beeinträchtigung vorgenommen hat" (Planck, BGB. I S. 48). Im Einklang hiermit denkt sich die CPO. (freilich

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 145.

171

ohne ganz festen Sprachgebrauch — s. Rocholl in Busch 8 S. 356) den „Anspruch" als den letzten unmittelbaren Gegenstand der Rechtsverfolgung — wie er in der Sachbitte (dem Antrage) zum Ausdruck gelangt — und demzufolge des Urtheils. (Vgl. §§ 5, 20 Abs. 1, 23, 27 Abs. 2, 33, 40 Abs. 2, 60, 64, 72, 76 Abs. 3, 81, 83 Abs. 1, 94, 110 Nr. 5, 111, 145-147, 160 Nr. 1, 253 Nr. 2, 260, 265 Abs. 1, 281, 301, 304—307, 321- 327, 348, 353 Abs. 2, 354 Abs. 2, 506, 529 Abs. 2, 537, 538 Nr. 3, 541 Abs. 2, 546 Abs. 1, 547 Nr. 2, 592, 597, 599, 600, 602, 643, 688 ff., 751, 767, 796.) [6. v. Eavigny, Syst. d. R. R. V S. 4 ff., Dernburg, Pand. I § 39, Regclsberger, Pand. I §§ 52 ff., Hellmann in Jahrb. f. Dogm. 31 S. 129 ff., Eisele das. S. 385 ff., Planck I S. 412 ff.. II S. 4 ff.. Hinschius im Rechtslex. I S. 110, Freudenstein, Rechtskraft S. 69 Anm. 2, Schollmeyer, Zwischenstreit S. 10, Lippmann im c. A. 65 S. 425 ff., Hoffmann in Gruchot 27 S. 193 ff., Leonhard in Busch 15 S. 327 ff, Crome, Allg. Theil dcS franz. Civ.-R. § 41. Gegen Windscheid vgl. auch Thon: Rechtsnorm u. subj. R. Weimar 1878 S. 257, PlbSz: Beitr. z. Theorie des KlagerechtS S. 49 ff.] Selbstverständlich ist damit nicht die Gleichbedeutung von Anspruch und Antrag behauptet. Letzterer ist eben nur der Ausdruck des Anspruchs, die Folgerung, welche die Partei aus dem Ansprüche als Obersatz zieht. (Vgl. auch Schollmeyer a. a. O. S. 10 ff., PlbSz a. a. O. S. 1 ff., welcher das Klagerecht als (publizistisches) Prozeßbegründungsrecht bezeichnet (s. dagegen Baron in Krit. B. 24 S. 317), Wach I S. 14 ff., 293 ff., nach welchem das Wort „Anspruch" in der CPO. in der dreifachen Bedeutung als „civiles, befriedigungsbedürstigcs Recht", „Beanspruchtes" oder „Petitum" und „Rechtsschutzanspruch" sich findet (vgl. über letzteren Levy in Gruchot 35 S. 156 ff., Fischer in Busch 10 S. 428; s. auch Wach, Feststellungs­ anspruch. Leipzig 1889), Fitting S. 106 f., welcher zwischen dem privaten „Anspruch" gegen­ über dem Gegner und dem öffentlichrechtlichen „Anrechte" gegenüber dem Gerichte unterscheidet.] Die Stufenfolge bei der Klage ist: Klagegrund, Anspruch, Antrag (s. § 253 Anm. 4). Ob ein Anspruch auch ohne vorausgegangene Rechtsverletzung möglich ist, ist Sache des materiellen Rechts (s. §§ 93 Anm. 1, 256 Anm 6, Förster (EcciuS) I § 50 Anm. 25; vgl. jedoch Plüsz a. o. O. S. 38 Anm. 36, welcher nach dem heutigen RechtSbewußtsein die Rechtsverletzung als Erforderniß der Klage gänzlich verwirft, und hiergegen Wetzell § 16 S. 150 ff). • Ter Anspruch ist nicht nothwendig auf eine Leistung (oder Unterlaffung) des Gegners ge­ richtet; er kann auch darin bestehen, daß ein Rechtsverhältniß oder deffen Nichtbestehen oder die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde festgestellt werde (§§ 29, 256, 280). Die Form, in welcher der Anspruch „geltend gemacht" („erhoben") wird, ist regelmäßig die Klage einschließlich der Präjudizial-Jnzidentklage (§§ 253 ff.) oder (für „Gegenansprüche" einschließlich der „Gegenforderungen") die Widerklage einschließlich der Präjndizial-Inzidentwiderklage (§§ 33, 145 Abs. 2, 278 Abs. 1, 280, 322 Abs. 1). Indessen gehört hierher auch (wegen der daran geknüpften Wirkungen) die Geltendmachung einer „Gegenforderung" durch Einrede zum Zwecke der Aufrechnung (vgl. §§ 145 Abs. 3, 263 Anm. 1, 3; 281, 302, 322 Abs. 2, 529 Abs. 2; s. auch §5 5. Anfecht.-GesetzeS — Erhebung deS Anfechtungsanspruchs durch Einrede). (Zustimmend Gaupp I S. 325, Fitting S. 214 f., der aber in der Gleich­ stellung der Aufrechnungseinrede und der Widerklage zu weit geht, und jetzt auch Scholl­ meyer, Die Kompensationseinrede S. 5 ff. Letzterer begründet ausführlich die Anficht, daß jene Einrede kein bloßes Vertheidigungsmittel, sondern eine „unentwickelte Widerklage" sei (ähnlich Osann, Beitr. z. Behandlung d. Komp.-Einr. in d. D. CPO. Darmstadt 1885 S. 21 ff., 30 ff.), Legt aber auf diese Begründung in Gruchot 31 S. 247 selbst kein erhebliche- Gewicht mehr. Vgl. auch Hinschius im Rechtslex. II. s. v. „Gegenforderung", Freudenstein a. a. O. S. 69 Anm. 2, S. 202 ff.; vgl. ferner noch RG 8 S. 364, 15 S. 421. A M. Petersen (inSbes. igegen Schollmeyer) in Gruchot 30 S. 1 ff., v. Canstein in Busch 1 S. 327 Anm. 96, welcher irrigerweise auch andere Einreden hierherziehen will, Seusfert in Krit. V. 27 S. 472 ff., Fischer im c. A. 70 S. 341 ff. u. A.] Besondere Formen der Geltendmachung von „Ansprüchen" ff. in §§ 104 Abs. 2, 106, 688 ff., 751.

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 145.

b) Bon den „Ansprüchen" wesentlich verschieden sind die zur Begründung bezw. Be­ kämpfung der Ansprüche dienenden einzelnen Rechtsbehelse, welche die CPL., obschon in schwankendem Sprachgebrauch, unter dem Namen „Angriffs- und Bertheidigungsmittel" zusammengefabt (§§ :13, 67, 68, 96, 100, 278, 279, 350 Abs. 1, 354 Abs. 2, 529 Abs. 1, 540 Abs. 1, 541 Abs. 1). Der Begriff umschließt an sich alles, was die Parteien zur Durch­ führung ihrer Absichten anführen, also Klagegründe (auch den eventuellen int Verhältnisse zum Prinzipalen — RG [Der. Civilsen.s 27 S. 390 f.; vgl. ferner Petersen in Busch 16 S. 495 ff. u. unten § 260 91zun. 7), Einreden, Repliken, Dupliken, selbst die — an sich einen eigenen Rechtsstreit bildende (vgl. Löning in Busch 4 S. 22 ff., Schollmeyer Zwischenstreit S. 47, 49) — Widerklage in Folge ihrer eigenthümlichen prozessualen Behandlung, aber auch bloße Thatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden (vgl. §§ 67, 68, 529 Abs. 1), obwohl die Beweismittel und Beweiseinreden zuweilen besonders neben den „Angriffs- und Bertheidigungsmitteln" genannt werden (§§ 278, 279 im Vergleich mit §§ 282, 283, 350 Nr 3, 354 Abs. 2); zuweilen werden selbst Rechtsmittel darunter begriffen (s. § 68 Anm. 3). [Vgl. auch Hinschius im Rechtslex. I s. v. „Angriffs- und Vertheidigungsmittel", Osterloh in Busch 3 S. 47, H. Meyer das. 7 S. 303, Lippmann a. a. O. S. 426, Wach I S. 289 ff., Gaupp I S. 326, Fitting S. 107 f.; abw. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 21 ff., Planck I S. 413 N. 36, der die prozeßhindernden Einreden nicht zu den Vertheidigungsmitteln rechnet, Wilm. Levy § 137 Anm. 1.] Die Angriffs- und Bertheidigungsmittel (jedoch mit Ausnahme des Klagegrundes) bilden die beweglichen Bestandtheile des Prozesses, wie die 9lnsprüche besten festen Stoff (§§ 278, 529). Unter den Angriffs- und Vertheidigungsmitteln sind besonders hervorgehoben die „selb­ ständigen 9lngriffs- und Vertheidigungsmittel". Die in § 146 gewählten Beispiele zeigen, daß darunter 9lnsührungen von einer gewissen Geschlossenheit verstanden sind (im Gegensatz der sog. HülsSthatsachen des N. E. § 394), welche eine besondere, von dem übrigen Prozeßstoffe unabhängige rechtliche Wirkung, sei eS für den 9lnspruch des 9lnsührenden oder gegenüber dem gegnerischen 9lnspruche, zu äußern bestimmt sind (vgl. Planck I S. 415). Es gehören dahin z. B. die Sachlegitimation oder andere Präjndizialpunkte (Nordd. Prot. S. 297, Planck I S. 528, II S. 113b, Brückner in Busch 5 S. 420, auch RG 11 S. 317 a. E. AM. Hoffmanu a. a. O. 8. 199), aber auch der Einwand der Zahlung, des Verzichts (vgl. § 289), sowie mehrere auf denselben 9lnspruch bezügliche Klagegründe bezw. Erwerbsgründe. In diesen Fällen ist die Selbständigkeit der 9lrt, daß der daraus entstehende Streitpunkt sich zwar nicht, wie einzelne 9lnspräche, zu einem getrennten Prozesse (§145 Abs. 1, 2), wohl aber zu einer getrennten Verhandlung (§§ 145 Abs. 3, 146) und zur Entscheidung durch Zwischen urtheil i§§ 303, 461; vgl. auch § 302) eignet. Ebendeshalb tritt der — seinem Wesen nach nur relative — Begriff in einen gewiffen Gegensatz zur Klage und Widerklage, über welche nur durch End urtheil zu entscheiden ist. [Wesentlich übereinstimmend: Sarwey I 8. 231 f.. Wach I S. 291 ff. u. Vortr. S. 38, 112, Fitting 3. 107 f.. Hinschius a. a. £., Schollmeyer, Zwischcnstreit S. 48 ff.] Ter Begriff der selbständigen Angriffs- und Ver­ theidigungsmittel ist aber im Gegensatze zum „Zwischeilstreite" aus die materiellen Rechtsbehelfe (materialia causae) zu beschränken und es sind daher namentlich die prozeßhindernden Einreden von ihm auszuschließen (vgl. die angcf. Schriftsteller, Faull, Zlvischenstreit. Schwerin 1893 S. 31 ff., ferner § 274 Abs. 1 im Gegensatz zu § 276 Abs. J, §§ 303 Anm. 1, 347 Anm. 3, 461. A.M. RG 15 8. 399, Schepers 8. 762, Seuffert § 137 Anm. 2, Gaupp I 8. 326, Wilm. Levy § 137 Anm. 2, $ dl mann, Lehrb. 8. 312, A. Förster § 137 Anm. 2), während andererseits die Beschränkung auf eine streitige selbständige thatsächliche Begründung (Kleiner I 8. 537, Wach, Bortr. S. 38) sich nicht rechtfertigt, vielmehr auch ein auf einem bloßen Rechtsgrunde beruhender Einwand (z. B. der Verjährung. der mangelnden Handlungs­ fähigkeit) zum Gegenstand einer getrennten Verhandlung und eines Zwischenurtheils gemacht werden kann (so auch Planck I S. 416 N. 44, Hoffmann a. a. O. S. 207 ff'., Hell-

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 145.

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wann a. a. C. S. 311, A. Förster a. a. C.), dagegen nicht eine bloße von AmtSwegeu F prüfende Rechtsfrage (Schollmeyer a. a. O. S. 62, R8 in I. W. 1896 S. 412 Nr. 18), roch weniger einzelne thatsächliche Voraussetzungen der Klage, einer Einrede u. s. w. (s. Beihnele bei v. Kräwel im c. A. 66 S. 314 ff.) oder die That- und die Rechtsfrage getrennt. sAbweichend: Hell mann I S. 439 u. Lehrb. a. a. L., welcher „selbständig" versieht als „un­ abhängig von einem anderen prozessualen Verhalten des Angreifenden bezw. des sich Verthei­ digenden" und damit z. B. die Behauptung eines präjudiziellen RechtSverhältniffes oder der Aktivlegitimation s Erbfolge, Ccssion u. dgl.) ausschließt, und theilwcise Peterseu § 137 Nr. 2.] Bloße Beweismittel und Beweiseinreden gehören nicht hierher; sie sind zwar „Angriffs­ oder Bertheidigungsmittel" (s. oben), aber nicht „selbständige" (Gaupp I S. 326, Wach, Lortr. 0.38 N. *, Planck I 0.416, 0chollmeyer Zwischenstreit 0. 48, 54ff., Hinschius a. st. C. 0. 111). Ebensowenig gehört das sog. indirekte Leugnen hierher, c) Ueber „Zwischeustreite" s. §§ 303, 347 Abs. 2. 3) In Bezug auf die Au der Ausübung der Trennungsbefugniß entscheidet das freie Ermessen des Gerichts, welches selbstverständlich durch den Zweck der Trennungsbefugniß ge­ leitet werden muß (f. 0chollmeyer, Kompens. 0. 131 ff.). 0ie kann nur nach mündlicher Verhandlung, von Amiswegen oder auf Antrag, ausgeübt werden. Wegen der Rechtsmittel s. § 150 Anm. 1. Uebrigens bedarf es keines ausdrücklichen Beschlusses; die Trennung kann vielmehr auch mittels Zwischenurtheils erfolgen (s. 0chollmeyer a. a. O. 0. 134. A.M. Schepers 0. 863). § H5. 1) Abs. 1: „mehrere ------ Ansprüche" — Hierdurch wird nicht nur die objektive (§ 260), sondern auch die subjektive Ktagenhäufung (§§ 59, 60) getroffen (s. Mot. 0. 135, Seuffert Anm. 3a, Peterseu Nr. 5 u. A. A.M. Siebenhaar 0. 182). In den Fällen des § 62 wird jedoch auS sachlichen Gründen eine Trennung niemals zulässig sein (Sarwey I 0. 226, Schepers a. a. O. 0. 755, Seuffert a. a. £.). Auch die Präjudizial-Jnzidentklage fällt an sich unter den Abs. 1 (vgl. §§ 145, 146 Anm. 2); der Richter würde aber durch eine Trennung dem Zwecke jenes Rechtsbehelfs, widersprechende Entscheidungen zu verhüten, geradezu entgegenhandeln (Schepers a. a. O. S. 756, Seuffert a. a. O. A.M. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 31 ff.). Vgl. § 280 Anm. 2. Eine Ausnahme von der TrennungSbesugniß enthält Art. 51 Abs. 2 des intemat. Uebereinkommens über d. Eisenbahnfrachtverkehr v. 14. Okt. 1890 (RGBl. 1892 @. 793). 2) In Abs. 2 u. 3, die durch die Nov. an Stelle deS früheren Abs. 2: „Dasselbe gilt, wenn der Beklagte eine Gegenforderung vorgebracht hat, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhange steht" gesetzt sind, werden im Anschluß an die Rechtsprechung deS Reich-gerichts (31 0. 1 ff. — ver. Civils.) die Fälle der Widerklage und der Aufrechnung, entsprechend ihrem verschiedenen Wesen, auch verschieden behandelt. Im ersten Fall wird durch den Trennung-beschluß die Verbindung zwischen Klage und Widerklage völlig aufgehoben, so daß die demnächst in den getrennten Prozessen ergehenden Entscheidungen unabhängig von einander sind. I m Falle der Aufrechnung hat dagegen die Trennung nur die Bedeutung, daß über die Klage und über die Einrede innerhalb des anhängigen Rechtsstreits gesondert verhandelt wird, und daß daher das Urtheil, das die Klagefordctung zuerkennt, ebenso wie int Falle des § 302, den Rechtsstreit nicht endgültig erledigt, vielmehr, wenn in dem weiteren Verfahren sich die Einrede als begründet erweist, ivteber aufzuheben ist (vgl. Begr. 0. 92). Durch die Bestimmungen in Abs. 1 u. 2 wird einer Verschleppung des Prozesses entgegengetreten. Ueber die Voraussetzungen des Trennungsrechts vgl. hauptsächlich Schollmeyer, Kompens. 0.130ff. Dieses findet auch gegenüber der Klage einer Konkursmasse (vgl. KO. § 54) statt (Ä@. im D. RAnz. 1884 bes. Beil. 7 S. 9). Ueber die Voraussetzung des mangelnden rechtlichen Zusammen-

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§

145.

Hangs s. unten Anm. 4. Entspricht eine erhobene Widerklage nicht den Erfordernissen deS § 33, so ist sie nicht in einen getrennten Prozeß zu verweisen, sondern abzuweisen (91(9. in I. W. 1883 8. 177). 3) Abs. 3: „Aufrechnung einer Gegenforderung" — s. BGB. §§ 367ff. Das Zurückbehaltungsrecht (BGB. §§ 273 f.) gehört nicht hierher, selbst wenn eS auf einer mit der Klage nicht in rechtlichem Zusammenhange stehenden Forderung (vgl. z. B. HGB. §§ 369 ff.) beruht, weil es nicht, wie die Aufrechnung, einen der Rechtskraft fähigen Anspruch darstellt (§ 322 Abs. 2, RG. 8 S. 364, 15 3. 421, in S. A. 51 Nr. 61, Gaupp I S. 328, Wilm. Levy Anm. 2, Seuffert Anm. 3b a. E., vgl. § 529 Anm. 6, Petersen Nr. 8. Vgl. übrigens auch OLG. Hamburg in 8. A. 46 9kr. 143). „Gegenforderung" bedingt einen zur Auf­ rechnung geeigneten Anspruch (BGB. § 367; Planck, BGB. § 387 Anm. le). Ueber Fälle, in denen die Aufrechnung ausgeschlossen oder beschränkt ist, s. BGB. §§ 393—395. Der Umstand, dag nach §§ 388, 389 a. a. O. die Aufrechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Theile, und zwar mit der Wirkung erfolgt, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetrcten find, steht der TrennungSbefugniß nicht entgegen (vgl. Kom.B. 8. 52 u. 87 ff.). Nicht hierher gehört die Replik der Ausrechnung (A.M. Puchelt I 8. 400), auch nicht eine Gegenforderung, die zur Begründung einer negativen Feststellungsklage bient (RG. in I. W. 1889 6. 40), wohl aber eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung, die dem Beklagten gegen einen Dritten, z. B. dem Rechtsvorgänger des Klägers zusteht (so auch RG 27 8. 296; jetzt auch 8euffert Anm. 5 a. E.). 4) Sowohl in Abs. 2 wie in Abs. 3 ist die Trennungsbefugnitz auf den Fall, daß der Gegenanspruch bezw. die Gegenforderung mit dem Klaganspruch nicht in rechtlichem Zu­ sammenhange (vgl. §§ 147, 302) steht, d. h. daß nicht Haupt- und Gegenanspruch aus dem­ selben Rechtsverhältniß entspringen, beschränkt, weil beim Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs eine zutreffende Entscheidung nur abgegeben werden sann, wenn ein und dasselbe Urtheil daS Rechtsverhältniß seinem ganzen streitigen Umfange nach zusammenfallt und regelt (vgl. RG. 16 8. 372, 30 8. 275 u. in I. W. 1891 8. 330, 1899 8. 3). Bei zweiseitigen Verträgen kann daher eine getrennte Verhandlung der Klage und des aus dem Vertrage selbst entspringenden Gegenanspruchs nach § 145 Abf. 2 u. 3 niemals stattfinden, ebensowenig int Falle des § 280 (Oertmann in Busch 22 8. 72 ff.), während selbstverständlich eine Trennung nach § 146 zu­ lässig ist. (Vgl. auch RG. in I. W. 18*8 8. 286.) Bloße Gleichheit deS Gegenstandes «wie in § 33 — s. das. Anm. 2j ist hier nicht genügend : in Betreff der Aus­ rechnung bleibt, sofern über die Klage Entscheidung ergeht, der Rechtsstreit anhängig (§ 302 Abs. 4). In diesem Fall wird über die Aufrechnungseinrede im weiteren Verfahren durch Endurtheil entschieden (§ 302 Abs. 4). Ist dagegen die Aufrechnungseinrede vor der Klageforderung zur Entscheidung reif, so kann über erstere nur ein Zwischenurtheil ergehen (§ 303). Die Verweisung der Widerklage in einen getrennten Prozeß oder der Gegenforderung zur getrennten Verhandlung kann auch in höherer Instanz erfolgen (A.M. RG. 28 8. 414 u. in I. W. 1893 8. 501); die getrennten Prozesse bezw. Verhandlungen bleiben dann beide in der höheren Instanz anhängig (so auch Gaupp I 8. 312). 6) Eine Folgender Vorschrift des § 145 Abs. 3 ist die Bestimmung des § 302, daß die Trennung auch nach deut Schluffe der Verhandlung — durch Vorbehaltsurtheil — erfolgen sann.

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§8 146, 147.

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§ 146. (137.) Das Gericht kann anordnen, daß bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Bertheidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken rc.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder.Vertheidigungsmittel zu beschränken sei. R. Ent». g 317. ent». L g 130. Ent». II. § 131. Ent». HL g 131. «ot. 6.134,135. Prot. 6. 55.

§ 147. (138.) Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm an­ hängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleich­ zeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, welche den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhange stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. 9t. E«1». 8 318. Ent». I. g 131. Ent». II. § 132. Ent». III. 8 132. «ot. e. 80, 136. Prot. S. 55. Nach Schlich der Verhandlung ist eine Verweisung der Gegenforderung zur getrennten Ver­ handlung nicht mehr zulässig (vgl. RG. 24 S. 423). Vgl. § 302. 7) Bei Trennung der Prozesse sind die Gerichtsgebühren für jeden Prozeß besonders zu berechnen (GKG. § 11).

8 U# 1) Die Trennung der Verhandlungen ändert selbstverständlich nichts in der Rechts­ hängigkeit. Sie kann ein Zwischenurtheil (§ 303), aber auch ein Endurtheil (§ 300) zur Folge haben. Ersteres setzt übrigens nicht nothwendig eine stattgefundcne Trennung der Verhand­ lungen voraus (§ 303). — Ueber die Unzulässigkeit eines Bersäumnißzwischenurtheils s. § 347 Anm. 3. 2) Die Trennung ist mit Rücksicht auf den Grund der Vorschrift auch dann zulässig, wenn einenn Angriffsmittel nur ein Bertheidigungsmittel gegenübersteht. (Vgl. Seuffert Anm. 2, Gaupp I S. 333, Schepers a. a. O. S. 763, H. Meyer in Busch 7 S. 306 u. A.) 3) Nach Beendigung der Verhandlung über die zunächst zur Verhandlung bestimmten Punkte — sei es durch Zwischen- oder Theilurtheil oder aus andere Weise (z. B. durch Ver­ gleich) — hat der Vorsitzende, abgesehen von den Fällen, in denen erst nach eingetretener Rechtskraft eines Urtheils weiter verhandelt werden kann (§§ 275, 304), von Amtswegen Termin zur Verhandlung der ausgesetzten Punkte anzuordnen (§ 136 Abs. 3, Schepers a. a.O. S. 874f.; anders bei getrennten Prozessen — §§145 Abs. 1 u. 2, 146 Anm. 1 a. E.). Es kann aber auch durch stillschweigenden Uebergang zur Verhandlung der übrigen Streitpunkte die Einheit der Verhandlung wieder hergestellt werden.

* 147. 1) Der Trennungsbefugniß entspricht auf der anderen Seite die Befugniß deS Gerichts, bei ihm anhängige, im Wege der Klage oder Widerklage erhobene Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Voraussetzung ist, daß die den Gegenstand der Prozesse bildenden Ansprüche entweder einen rechtlichen Zusammenhang haben oder eine Klagenhäusung zulaffen. Ersterer hat hier dieselbe Bedeutung wie in § 145 (s. das. Anm. 4, Petersen Nr. 2, Gaupp I S. 335, Seuffert Anm. 1). Ueber die Erfordernisse der Klagenhäusung s. §§ 59, 60, 260. Die Ver­ bindung kann noch in der höheren Instanz erfolgen (vgl. Schollmeyer, Kompens.-Einrede S. 169, 172). Besondere Bestimmungen enthalten § 959, HGB. §§ 272 Abs. 2, 320 Abs. 3, Genoss. Ges. v. 1. Mai 18ö9 (RGBl. 1898 S. 810) §§ 51 Abs. 3, 112 Abs. 1, 114, 129 Abs. 3. Auch bei verschiedenen Kammern (Senaten) desselben Gerichts anhängige Prozesse können mit einander verbunden werden. Die Voraussetzungen der Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen sind jedoch im GVG. so bestimmt festgestellt, daß deren Durchbrechung im Wege der Verbindung nach § 147 nicht zulässig erscheint. (So auch Seuffert Anm. 3, Gaupp I S. 334 f., Keyßner in Goldschmidt, Z. f. HR. 25 S. 483 Anm. 123. A. M. Hellmann I

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Erstes Buch.

91 Ogern. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Berfahren.

§ 148.

§ 148. (139.) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Theil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Ver­ waltungsbehörde auszusetzen sei. «. ent». 8 319. Entw. I. 8 132. ent». II. 8 133. Entw. in. 8 133. «ot. 6. 136. Prot.

r. 65.

S. 142; zweifelhaft Ude in Busch 5 S. 331.) Bgl. jedoch für Fälle des § 272 Abs. 2 HGB. Seuffert Anm 6 und etwas abweichend Gaupp I 8. 336 a. E.

2) Die Wirkung der Verbindung besteht in der „gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung" der Prozesse. Von dem Zeitpunkt der Verbindung an wird also, wie auch die Mot. hervorheben, eine objektive bezw. subjektive Klagenhäusung von Amtswegen angeordnet, und es treten bei der letzteren die mehreren Personen in das Verhältniß von Streitgenossen zu einander (vgl. §§ 59, 60 Anm. 3). sPetersen Nr. 5, Seusfert Anm. 5, A. Förster Anm. 4, RG. 5 S. 354, 6 S. 416, Gruchot 28 S. 991. A.M. Gaupp I S. 336 N. 9, Wilm. Levy Anm. 1, welche, auf den Wortlaut deS § 147 und hauptsächlich deS § 300 Abs. 2 gestützt, nur eine äußere Vereinigung annehmen.) Für die Berechnung der Gerichts- und Anwallskosten wie der Revisionssumme sind daher auch die Streitwerthe zu­ sammen zu rechnen lRG. in I. W. 1899 S. 90, ob.LG. s. Bayern in 8. A. 39 Nr. 264X Bgl. § 546 Anm. 3, § 5 Anm. 1. 3) Die prozessuale Form, in welcher die Verbindung ausgeführt wird, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Die Verhandlung deS Prozesses, in welchem die Verbindung be­ schlossen wird, ist. sofern nicht in beiden Prozessen Termin auf denselben Tag angesetzt ist, zu vertagen, und zu dem neuen Termin, welcher in dem die Verbindung verkündenden Beschlusse (vgl. über die Frage der Anfechtbarkeit der Über die Verbindung ergehenden Beschlüsse 8 15" Anm. 1) sofort anzusetzen ist, hat die betreibende Partei die Gegenpartei auch in den anderen Prozessen bezw. die Parteien der anderen Prozesse (für welche § 218 hier nicht wirksam ist) zu laden. Riicksichtlich des letzteren Falles bietet § 63 einen zutreffenden Anhalt. (A.M. Gaupp I S. 335, Seufsert Anm. 4, Wilm. Levy Anm. 2, welche hier stets eine Lsfizialthätigkeit des Gerichts eintreten lassen.) 4) Nach erfolgter Verbindung sind die Gerichtsgebühren (Entscheidungs-, Beweisgebühr) nach dem zusammengerechneten Gegenstände beider Prozesse zu bemessen (§ 5, GKG. §§ 9, 11; s. auch RG 5 8. 356).

88

m

149.

1) Die §§ 148 u. 149 handeln von der Befugniß deS Gerichts, eine Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Verfahrens auszusetzen. Dieses andere Verfahren kann entweder ein civilprozessuales oder ein Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde oder ein 8trasverfahren sein. In den beiden ersten Fällen (§ 148) ist Voraussetzung, daß für die Entscheidung des auszusetzenden RechtsstteitS das vor dem anderen Gerichte bezw. der Verwaltungsbehörde festzustellende Rechtsverhältniß einen Präjudizialpunkt (Vorfrage) bildet (vgl. darüber Löning in Busch 4 8. 53 ff.); in dem letzteren Falle (§ 149), daß sich im Laufe deS Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Entscheidung von Einfluß ist. — Vgl. §§ 151—154, StPL. § 261. 2) Die Aussetzung kann von Amtswegen wie auf Antrag der Parteien erfolgen. Sie folgt den allgemeinen Regeln von der Aussetzung des Verfahrens (vgl. § 252 Anm. 1); die Wirkungen bestimmen sich daher nach § 249. Wegen der Anfechtung s. § 252, RG. 18 S. 186. Die Aussetzung erfordert mündliche Verhandlung (RG. 40 S. 373; vgl. RG 29 S. 383; s. auch §§ 128 Anm. 4b, 151 Anm. 1 a. E., 248 Anm. 1). Verzögert sich die Erledigung deS anderen Rechtsstreits, des Berwaltungs- oder Strafverfahrens zu sehr, so kann das Gericht

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

g 148.

177

»ach § 150 die angeordnete Aussetzung wieder aufheben, geeiguetenfallS nach zuvoriger An­ drohung an eine der Parteien, binnen bestimmter Frist die Herbeiführung der Vorentscheidung zu erwirken. In der Revision-instanz sind nach der Natur de- Rechtsmittel- die §§ 148, 149 nicht an­ wendbar (RG. 11 S. 266 und in S. A. 49 Nr. 204). 8 148. 1) Bildet der Präjudizialpunkt (Klagegrund oder Grund einer Einrede; s. RE. in S. A. 48 N. 288) den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits, so kann die Aussetzung nur erfolgen, wenn dieser bereits, sei eS vor einem staatlichen oder einem SchiedS - Gerichte (OLG. Jena in S. A. 42 Nr. 61, Köhler in Gruchot 31 S. 293 Anm. 31) anhängig Ist (Hergenhahn u. OLG. Cassel in Busch 15 S. 32 fl.). Ob ein präjudizielle- RechtSverhältniß vorliegt, entscheidet lediglich daS bürgerliche Recht (s. z. B. RE. 37 S. 373). Eiue bloße Gleichheit der Rechtsfrage genügt nicht (OLG. Dresden in S. A. 42 Nr. 60; als Bei­ spiele eine- nicht präjudiziellen Rechtsverhältnisses vgl. ferner RE. in S. A. 43. Nr. 228 (ZurückbehaltungSeinrede eine- Nebenintervenienten), 47 Nr. 158, 53 Nr. 254 (gleichzeitige Anhängig­ keit desselben Anspruchs gegen eine andere Person) u. in I. W. 1897 S. 342, 367]. Daß eiue Entscheidung in dem anderen Rechtsstreite für die Parteien des auszusetzenden RechtsstreitRechtskraft begründe, ist nicht nothwendig (Seuffert Anm. 1; vgl. auch oben § 66 Anm. 2). Auch genügt e-, wenn da- im Streite befangene Recht (z. B. ein Erziehung-recht) durch den anderen Rechtsstreit nur für die Zukunft in Frage gestellt wird (vgl. RE. in Blum, Urth. u. Ann. 2 S. 102; vgl. auch §§ 257—259). Insbesondere gehören hierher solche Fälle, in denen die Feststellung-klage de- § 256 oder die Präjudizial-Jnzidentklage oder Jnzidentwiderklage de§ 280 in einem andern Prozesse erhoben worden, oder in denen derselbe Klagantrag in ver­ schiedenen Prozessen auf verschiedene Klagegründe gestützt ist (vgl. RG. 27 S. 390 sver. Civils.]). Anders, wenn der jetzt erhobene Anspruch selbst bereit- anderweit anhängig ist; al-danu ist die Klage nach § 263 auf Grund der Einrede der Rechtshängigkeit abzuweisen (s. Prot. S. 542 f* RE. 3 S. 401, 16 S. 369). Wird die Einrede der Rechtshängigkeit nicht erhoben, so gehar beide Prozesse neben einander her; g 148 giebt in diesem Falle keine Au-setzungSbefuguiß (Seuffert Anm. 1; vgl. g 263 Anm. 3 a. E., Schollmeyer, Kompeus. S. 46f. A.M. Bier­ haus in Busch 5 S. 74, Wilm. Levy Anm. 1, Planck I S. 94 f., 273, 275 ff., der aber je nach Umständen eine stillschweigende Uebereinkunst der Parteien, den früheren Rechtsstreit fallen zu lassen, annimmt). Ueber den Fall, daß einer Klage, die einen bereit- im Wege einer Aufrechnung erhobenen Anspruch geltend macht, die Einrede der Rechtshängigkeit oder der Auf­ rechnung-einrede die Replik der Rechtshängigkeit entgegengesetzt wird, f. g 263 Anm. 3; vgl. auch R«. in S. A. 49 Nr. 203, OLG. Hamburg in S. A. 50 Nr. 127. In allen Fällen, in welchen der Präjudizialpunkt den Gegenstand eine- anderen Rechts­ streit- bildet, hängt die Aussetzung lediglich vom Ermessen de- Gericht- ab („sann"). sBgl. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 35.] Indessen kaun sie zuwellen aus anderen Gründen noth­ wendig sein, z. B. BGB. § 1329 u. unten §§ 151—154. Erfolgt die Aussetzung nicht, so bleiben die in den beiden Prozessen ergehenden Entscheidungen unabhängig neben einander bestehen (vgl. auch Endemann I S. 493, Planck I S. 96). Erfolgt die Aussetzung, so ist die Entscheidung im Präjudizialprozesse für den ausgesetzten Prozeß nur bindend, fall- sie für die Parteien de- ausgesetzten Prozesses Rechtskraft begründet (Seuffert Anm. 1). Der § 148 wird auch entsprechende Anwendung in Fällen finden, in welchen zufolge eineTheilurtheilS der Prozeß theils in erster, theils in zweiter Instanz anhängig ist; der Richter erster Instanz kann alsdann, wenn die Entscheidung zweiter Instanz für den in erster anhängig gebliebenen Theil präjudiziell ist, da- Verfahren erster Instanz bis zur Entscheidung in der Berufungsinstanz aussetzen (vgl. Löning in Busch 4 S. 165 Anm. 219). Struckmann u. Koch, MvUproze-ordnung. 7. Aukl.

178

Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 149.

§ 149. (140.) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Ent­ scheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. «. «st». 6 820. «»IM. L I 198. «MM. TL fi 134. «ai». EL 1 134.

»et E. 136. Prot. E. 56.

2) Ist die Vorfrage von einer Verwaltungsbehörde festzustellen, so kann die Aus­ setzung auch erfolgen, wenn das Verfahren vor letzterer noch nicht anhängig ist (vgl. OLG. Olden­ burg in S. A. 48 Nr. 139). Ob eine solche Vorfrage vorliegt, hängt im Allgemeinen vom Berwaltungsrecht der einzelnen Bundesstaaten, in einzelnen Fällen von der Reichsgesetzgebung ab. Fälle der letzteren Art s. in §§ 39—42 d. Rayonges. v. 21. Dez. 1871 (RGBl. S. 459), 88 150, 155 d. Reichsbeamtenges. v. 31. März 1873 (RGBl. S. 61, RG. 12 S. 70), 8 115 d. MilitärpensionSges. v. 27. Juni 1871 (RGBl. S. 275) — vgl. RGes. v. 14. Januar 1894 8 6 Abs. 2, RGes. v. 13. Juni 1895 8 13 —, 8§ 36—40 d. StrandungS-O. v. 17. Mai 1874 (RGBl. S. 73, RG. 5 S. 89, 7 S. 64), 88 104, 106 d. SeemannS-O. v. 27. Dez. 1872 (RGBl. S. 409), Krank.-Bers -Ges. in der Fass, des Ges. v. 10. April 1892 § 56 (RGBl. S. 379, 417). Unfallvers.-Ges. v. 6. Juli 1884 § 5 (RGBl. S. 69) u. s. w., Fälle der ersten Att s. in 8 5 deS preuß. Ges., betr. d. Erweiterung d. Rechtsweges, v. 24. Mai 1861 (GS. S. 241), 8 23 deS preuß. PensionSges. v. 27. März 1872 (GS. S. 268) — vgl. Ges. v. 30. April 1884 (GS. S. 126) — u. s. w. (Dgl. Klöppel in Gruchot 36 S. 723.) Ist, wie solches vorkommt (s. die obigen Fälle), zugleich vorgeschrieben, daß die Vorfrage nur von der Berwaltungsbehörde festgestellt werden kann, und liegt dem Kläger die Einholung dieser Ent­ scheidung ob, ehe geklagt werden darf, so tritt nicht Aussetzung der Verhandlung bis zur rechts­ kräftigen Entscheidung jener Frage ein (vgl. Gaupp I S. 340), sondern die Klage ist wegen zeitweiliger Unzulässigkeit des Rechtswege- zur Zeit zurückzuweisen (Seuffert Sinnt. 2, Wilm. Levy a. a. O., Petersen S. 327, A. Förster Sinnt. 1 a. E. u. A.). Vgl. auch RG. 2 S. 63. Im Uebrigen hängt auch hier die Aussetzung vom Ermessen des Gerichts ab. (Vgl. namentlich Hauser in s. Zeitschr. f. Reichs- u. Landesrecht 4 S. 257 ff., 293; s. auch Wach I S. 87 Anm. 22, Schollmeyer Kompens. S. 47 Anm. 1.) Erfolgt die Aussetzung, so ist — abgesehen von besonderen Vorschriften der Reichs- und Lände-gesetze — das Gericht nicht an die Entscheidung der Verwaltungsbehörde gebunden, ebensowenig int umgekehrten Falle die letztere an die Entscheidung des Gerichts. Unter den „Verwaltungsbehörden" sind hier — im Gegensatz zu § 17 GVG. — die Verwaltungsgerichte mitbegriffen; der betreffende Zusatz daselbst beruht aus einem Beschluffe der RTK., aus welchem keine weiteren Schlüsse gezogen werden dürfen (ebenso Endemann I S. 494, Petersen S. 328 u. A.). Nicht hierher gehören dagegen die zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Justiz und Verwaltung berufenen Behörden (Sarwey I S. 234. AM. Endemann I S. 494). Vgl. z. B. Preuß. Verordn, v. 1. Slug. 1879 8 7 (GS. S. 573). 3) In beiden Arten von Fällen ist es gleichgültig, ob die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder nur zum Theil von der Borftage abhängt; unter der letzteren Voraussetzung wird häufig eine Trennung (88 145, 146) angezeigt sein (RG 24 S. 382). 4) Auch ein Urkundenprozetz kann nach 8 148 ausgesetzt werden (Wilm. Levy Sinnt. 3. AM. OLG. Dresden in Busch 7 S. 98, OLG. Cöln im Rhein. Arch. 95 I S. 40 - vgl. RG. das. 76 III S. 83 —, Stein, Urk.-Proz. S. 170 ff. Vgl. 8 149 Sinnt. 1), nicht aber lediglich auf Grund von Einwendungen, die in dieser Prozeßart nach 8 595 unzulässig sind (RG. in I. W. 1898 S. 68); desgleichen ein eine einstweilige Verfügung betreffender Rechtsstreit (RG. in I. W. 1890 S. 45; vgl. das. 1898 S. 4). § 149. 1) In den Fällen des 8 149 ist die Aussetzung stets fakultativ, da nach EG. z. CPO. 8 14 die Entscheidung des Strafrichters den Civilrichter niemals bindet; weil letzterer aber

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 150.

179

§ 150. (141). Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. SL «Btt* 1 880.

Sets». L 1184.

Cat». U. 1185.

Cat». I1L § 186. «t. C. 136. Pr». C. 66.

chatsachlich sich meist nach chr richten wird (vgl. das. Anm. 3), so wird sich die Aussetzung in der Regel empfehlen. § 149 ist auch im Urkundenprozeffe anwendbar (RG 13 S. 377, § 148 Anm. 4, Stein a. a. O. S. 171). 2) „sich — erg Lebt" — Dies ist auch der Fall, wenn dem Civilgericht der Verdacht nach Eröffnung deS Strafverfahrens entsteht, nicht bloß — wie Endemann I S. 495 meint — wenn vor Eröffnung des Strafverfahrens besten Ausgang sich als erheblich für einen Civilprozeß herausstellt (vgl. Petersen S. 328, Sarwey I S. 235f.). „int Laufe eines Rechtsstreits"------- d. h. so lange in dem Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig erkannt ist, da nur bis zu diesem Zeitpunkte die Ermittelungen im Strafverfahren (abgesehen von § 578) Einfluß auf die Entscheidung haben können. Liegt aber nur ein — wenn­ gleich rechtskräftiges — bedingtes Endurtheil vor, so kann mit Rücksicht aus g 470 eine Aussetzung zulässig sein (RG. 35 S. 416, Bilm. Levy Anm. 1. A M. Kühnas in Busch 9 S. 279ff.; vgl. auch Hergenhahn das. 15 S. 34 ff.). AuS dem obigen Grunde findet auch in der Revisionsinstanz eine Aussetzung nicht statt (RG- 11 S. 365, in I. W. 1895 S. 326). 3) „der Verdacht einer strafbaren Handlung" — sei eS gegen eine Partei, einen sonst Betheiligten, z. B. Zeugen, oder auch einen beim Prozesse nicht Betheiligten (z. B. wegen Urkundenfälschung). Vgl. RG. 15 S. 427. 4) „von Einfluß" — Die Ermittelung der strafbaren Handlung (z. B. eines Mein­ eids) muß, wenngleich nur mittelbar (z. B. wegen der Zulässigkeit eine- Zeugen), für die Ent­ scheidung des Rechtsstreits erheblich sein. 5) „Erledigung des Strafverfahrens" — vgl. StPO. §§ 168ff., 196, 203, 259, 431 ff. Die Wiederaufnahme des CivilverfahrenS findet auch von Amt-wegen statt (vgl. g 150). Daß die Erledigung nahe bevorstehe, ist nicht Voraussetzung (RG. in I. W. 1897 S. 529 Nr. 3).

8 150. 1) Weil die fraglichen Anordnungen lediglich prozeßleitender Natur sind, können sie von dem Gerichte selbst zurückgenommen werden, die eine Trennung (gg 145, 146) oder Verbindung (g 147) betreffenden nur auf Grund mündlicher Verhandlung (s. auch Schollmeyer, Kompens. S. 168, RG. 24 S. 367), die eine Aussetzung betreffenden (gg 148, 149) auch auf Grund einer Beschlußfassung ohne zuvorige mündliche Verhandlung, mag die Beschlußfaffung von AmtSwegen oder auf Parteiantrag (A.M. Gaupp 1 S. 344, Planck I S. 324) geschehen, mit schriftlicher Zustellung nach g 329 Abs. 3 (s. g 248 Abs. 2, gg 142—144 Anm. 1, ««. 29 S. 383, Wilm. Levy Anm. 4, Petersen Nr. 4, Seuffert Anm. 4; vgl. aber gg 148, 149 Anm. 2 u. g 151 Anm. 1 a. E. A.M. A. Förster Anm. lc.). Aufhebung deS TrennungsbeschluffeS kann selbstverständlich nicht erfolgen, wenn die getrennten Prozesse bei verschiedenen^Gerichten oder in verschiedenen Instanzen anhängig sind. Außerdem findet gegen die Aufhebung der Aussetzung sofortige Beschwerde, gegen die Ablehnung der Aufhebung einfache Beschwerde statt (g 252, Seuffert Anm. 4 u. A. AM. v. Bülow Anm. 3, A. Förster a. a. SD.); gegen die eine Trennung oder Verbindung betreffenden Anordnungen findet nach dem Grundsätze deS g 567 keine Beschwerde statt, weil diese Fälle in dem Gesetze nicht besonders hevorgehoben sind, und der Anordnung stets eine mündliche Verhandlung hat vorausgehen müssen. (Vgl. OLG. Jena in S. A. 39 Nr. 247, RG 24 S. 367.) Dagegen können diese Anordnungen, wenn der Prozeß bezw. die Prozesse in Folge der Berufung gegen das Endurtheil in die zweite Instanz gelangen, unter Umständen auf Grund deS g 512 der Beurtheilung des Berufungsgerichts unterbreitet werden (RG. 24 S. 423). Letzteres kann alsdann nach seinem Ermessen für die Zukunft die Anordnung des ersten Richter- bestätigen oder aufheben, darf aber nicht, wenn es über die Zweckmäßigkeit der Anordnung anderer Anficht

12*

180

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 151.

§ 151. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Ehe nichtig ist, so hat das Gericht, wenn die Nichtigkeit nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, auf Antrag das Verfahren auszusetzen und, falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist, eine Frist zur Erhebung der Klage zu bestimmen. Ist die Nichtigkeitsklage erledigt obfr wird sie nicht vor dem Ablaufe der bestimmten Frist erhoben, so ist die Aufnahme des ausgesetzten Ver­ fahrens zulässig. *•*., e. I. 8 139 «df. L. E. u. E. M: 8 141»; «tffr. S. 92 f. ist als der erste Richter, die Sache aus Grund des § 539 an das Gericht erster Instanz zurück­ verweisen, weil das Verfahren dieserhalb keinesfalls an einem wesentlichen Mangel leidet. (Vgl. Endemann I S. 495. AM. theilweise Gaupp I S. 343, Petersen Nr. 2, Schollmeyer. Zwischenstreit S. 167 ff. u. A.) Vgl. hinsichtlich der Rechtsmittel gegen eine Trennung auf Grund des § 145 auch RG in I. W. 1888 S. 423 Nr. 3. 2) Wird die Aussetzung von Amtswegen ausgehoben, so sind die Parteien von Amtswegen zu laden (§ 214 Anm. 2, Mot. S. 159, Sarwey I 6.237; vgl. Planck 16.468, 523. A M. Petersen Nr. 4, Seufsert Anm. 4, Gaupp I 6. 343, Wilm. Levy Anm. 4, Fischer in Gruchot 25 6. 673); § 250 steht dem nicht entgegen (s. Kleiner I 6. 542 ff.).

88 151-155. 1) Der § 148, der die Aussetzung des Rechtsstreits zum Zwecke der Erledigung von Vorfragen dem Ermessen des Gerichts überläßt, genügt nicht in Fällen, in denen die Nichtig­ keit (8 151) oder Anfechtbarkeit (§ 152) einer Ehe, die Ehelichkeit eines Kindes (§ 153) oder — zwischen den Parteien — das Bestehen oder Nichtbestehen familienrechtlicher Verhält­ nisse (§ 154 Abs. 1, 2) in einem anhängigen Prozesse streitig wird. Gründe des öffentlichen Interesse (vgl. §§ 606 ff., 640 ff., Begr. 6. 126, 131; BGB. §§ 1329, 1341 Abs. 1, 1343 Abs. 2, 1596 Abs. 1, 3) erfordern, daß diese Fragen in einem besonderen, jenem Interesse Rechnung tragenden Verfahren zur Erledigung gelangen. Die Nov. bestimmt daher in den §§ 151—154, daß in diesen Fällen — abweichend von der Vorschrift des § 148 — der an­ hängige Rechtsstreit ausgesetzt werden muß („hat"), bis jene Fragen in dem von Grundsätzen des öffentlichen Rechts beherrschten Verfahren in Ehesachen bezw. in dem ihm nachgebildeten Verfahren der §§ 640 ff. entschieden sind. In den Fällen der §§ 151 (Nichtigkeit einer Ehe) und 154 (Bestehen oder Nichtbestehen familienrechtlicher Verhältnisse zwischen den Parteien) hat die Aussetzung auch dann zu geschehen, wenn über diese Vorfragen ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist. 2) Die Aussetzung erfolgt nur aus Antrag — anders in §§ 148, 149. Da aber jene Vorfragen regelmäßig nur im Wege der besonders gegebenen Klagen (BGB. §§ 1329, 1341 Abf. 1, 1343 Abs. 2, 1596 Abs. 1, 3) erledigt werden können, ist zur Herbeiführung einer Entscheidung jener Vorfragen die Aussetzung des anhängigen Rechtsstreits erforderlich; anderen­ falls bleiben sie in diesem Rechtsstreit unberücksichtigt (vgl. Mot. z. EG. d. BGB. 6. 74 § 139; Planck, BGB. IV Vordem. V vor § 1323). Einer Bestimmung, daß das Gericht den anhängigen Rechtsstreit von Amtswegen auszusetzen habe, bedurfte es daher nicht. 3) Zur Verhinderung von Verschleppungen gewährt § 155 dem Gericht in den Fällen der §§ 151—153 die Befugniß, auf Antrag der an dem anderweiten Rechtsstreit nicht theilnehmenden Partei die daS Verfahren aussetzende Anordnung unter gewissen Voraussetzungen wieder aufzuheben; für den Fall deS 8 154 bedurfte es dieser Vorschrift nicht, da der ander­ weite Rechtsstreit unter denselben Parteien sich vollzieht. 4) Ueber die Wirkung der Aussetzung s. § 249, über die Rechtsmittel gegen Anordnung oder Ablehnung der Aussetzung deS Verfahrens f. § 252.

Erster Titel. Mündliche Verhandlung. §§ 152, 153.

181

§ 152. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine im Wege der Anfechtungsklage angefochtene Ehe anfechtbar ist, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen. Ist der Rechtsstreit über die Anfechtungsklage erledigt, so findet die Auf­ nahme des ausgesetzten Verfahrens statt. «OH.,

E. II, e. HI: s 141b; vegr. S. 92 f.

§ 158. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob ein Kind, dessen Ehelichkeit im Wege der Anfechtungsklage angefochten worden ist, unehelich ist, so finden die Vorschriften des §. 152 ent­ sprechende Anwendung. «Sb., r.

u. 9. III: 9 141«; «egr. «. 92 f.

§ 151. 1) „ob eine Ehe nichtig ist" — Nichtigkeit einer Ehe liegt nur in den im BGB. §§ 1324—1328 gegebenen Fällen vor. Die Nichtigkeit kann regelmäßig nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden (BGB. § 1329; vgl. unten §§ 606, 629,631—637). Dieser Klage bedarf eS auch dann, wenn die für die Eheschließung vorgeschriebenen Formen nicht beobachtet sind; ausgenommen, wenn die Ehe nicht in da- Heiratsregister eingetragen ist (§ 1329 a. a. O.). Eine anderweite Geltendmachung der Nichtigkeit ist in den angegebenen Fällen auSgefchloffen, solange nicht die Ehe bereit« für nichtig erklärt oder — sei es durch Tod, Todeserklärung (s. BGB. § 1346 Abs. 2) oder Scheidung — aufgelöst ist (8 1329 a. a. O.). Ueber den Fall, daß unter den Parteien da- Bestehen ihrer Ehe streitig ist, s. unten § 154 u. 88 151—155 Anm. 3. „so hat — auf Antrag" — Durch die Bestimmungen „hat" und „Antrag" weicht 8 151 von den Vorschriften der 88 148, 149 ab. Aber wie in den Fällen der 88 148, 149 kann die Aussetzung nur auf Grund mündlicher Verhandlung geschehen, ohne welche die Frage, ob die Entscheidung des Rechtsstreits von der Vortrage abhängt, nicht geprüft werden kann. Vgl. 88 148, 149 Anm. 2. 2) „falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist" — Für die Aussetzung deS Rechtsstreits ist eS nicht erforderlich, daß die Nichtigkeitsklage bereits anhängig ist (vgl. Borbem. zu 88 151—155, 8 154). Wird die zur Erhebung der Nichtigkeitsklage bestimmte Frist nicht eingehalten, so kann der Gegner den ausgesetzten Prozeß aufnehmen (8 250). Vgl. 8 155 über die Befugniß deS Gerichts, die das Verfahren aussetzende Anordnung auf Antrag aufzuheben.

8 152. 1) „ob eine — Ehe anfechtbar ist" — Anfechtbar ist eine Ehe nur in den Fällen BGB. 88 1331—1335, 1350. Solange eine anfechtbare Ehe nicht für nichtig erklärt oder auf­ gelöst ist, kann die Anfechtung nur durch die Anfechtungsklage erfolgen (88 1341 Abs. 1, 1343 Abs. 2 u. unten 88 606 ff.). In diesen Fällen hat jedoch das Gericht — ander- al- in 88 151, 154 — das Verfahren auf Antrag (vgl. 8 151 Anm. 1) nur dann auszusetzen, wenn die Anfechtungsklage bereits anhängig ist („angefochtene Ehe"). 2) Ueber Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens f. 8 250, über Fälle, in denen zwischen den Parteien das Bestehen ihrer Ehe streitig ist, s. 8 154 und 88 151—155 Anm. 3.

§ 153. „ein Kind, dessen Ehelichkeit — angefochten ist" — Die Ehelichkeit eines Kindekann zu dessen Lebzeiten nur mit der Anfechtungsklage (BGB. 8 1596) angefochten werden, vor deren Erledigung die Unehelichkeit anderweit nicht geltend gemacht werden kann (Abs. 3 a. a. O ). Vgl. unter 88 641—643. Dem Antrage aus Aussetzung des Rechtsstreits ist nur stattzugeben, wenn die Anfechtungsklage bereits anhängig ist. Vgl. 8 152 Anm. 1, dessen Vorschriften ent­ sprechende Anwendung finden.

182

Erstes Buch. Mgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. §§ 154, 155.

§ 154. Wird im Laufe eines Rechtsstreits streitig, ob zwischen der Parteien eine Ehe bestehe oder nicht bestehe, und hängt von der Ent scheidung dieser Frage die Entscheidung des Rechtsstreits ab, so hadas Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen, bis der Streii über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe im Wege der Festste! lungsklage erledigt ist. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn int Lauf» eines Rechtsstreits streitig wird, ob zwischen den Parteien ein Eltern und Kindesverhältniß bestehe oder nicht bestehe oder ob der einer Partei die elterliche Gewalt über die andere zustehe oder nicht zustehe und von der Entscheidung dieser Fragen die Entscheidung des Rechts streits abhängt. ft*»., «. I: s 139 «Hs. 3, E. II 8 141a, «. III 8 14M; Begr. «. 92 f. § 155. In den Fällen der §§. 151—153 kann das Gericht auf An trag die Anordnung, durch welche das Verfahren ausgesetzt ist, auf heben, wenn die Betreibung des Rechtsstreits verzögert wird, welchem die Nichtigkeit oder die Anfechtung der Ehe oder die Anfechtung bei Ehelichkeil zum Gegenstände hat. ft*»., E. III: 8 141»; Begr. G. 9t f. 8 154. 1) Abs. 1: „ob zwischen den Parteien eine Ehe — bestehe" — Die Nov. ha auch diejenigen Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eine Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände haben, den Vorschriften über das Verfahrn in Ehesachen unterstellt (vgl. §§ 606, 617 Abs. 3, 622 Abs. 2, 629 Abs. 2, 633, 638), da de Herstellung des der wirklichen Rechtslage entsprechenden Zustandes im öfsentlichenJnteresst liegt (vgl. Begr. S. 126, 131, 134; s. auch §8 151 — 155 Anm. 1). Die int Laufe eine Prozesses zwischen den Parteien streitig werdende Frage, ob ihre, in Ansehung der Form QÜhtg Ehe zu Recht bestehe oder nicht, ist daher nicht in dem anhängigen, sondern in einem de sonderen Rechtsstteite auszutragen, in welchem der Verfügung der Parteien ein geringere Spielraum als im regelmäßigen Verfahren überlassen ist. Hierdurch wird eine einheitlich.' Feststellung aller durch das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien bedingtet Verhältnisse gesichert (vgl. Begr. S. 93). „so hat das Gericht — auszusetzen" — Entsprechend dem Falle der Nichtigkeitsklage (§ 151). mit der die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischet den Parteien eine innere Verwandtschaft hat (Begr. S. 134), muß dem Antrag auf AuSsetzun; des anhängigen Rechtsstreits auch dann entsprochen werden, wenn die Feststellungsklage noq nicht erhoben ist. Abweichend von § 151 bedarf es hier aber nicht der Bestimmung einer Frü zur Erhebung der Klage, da der Feststellungsstreit zwischen denselben Parteien sich vollzielt und daher die Wahrung von Interessen eines daran nicht Betheiligten - wie int § 151 —nick in Betracht kommt (vgl. 88 151—155 Anm. 3). 2) Abs. 2 bringt die Vorschrift des Abs. 1 über die Aussetzung eines anhängige Prozesses für diejenigen Fälle zur Anwendung, welche zufolge § 640 in einem dem Verfahret in Ehesachen entsprechend geordneten Verfahren zu erledigen sind. Die Aehnlichkeit der Rechts­ lage rechtfertigt die gleiche Behandlung (vgl. Begr. S. 134). Auch in den Fällen des Abs. I hat die Aussetzung die Anhängigkeit des Rechtsstreits über die für die Entscheidung maßgebend Frage nicht zur Voraussetzung; ebensowenig bedarf es hier der Bestimmung einer Frist zu Erhebung des anderweiten Rechtsstreits (vgl. Anm. 1 a. E.). § 155. 1) „In den Fällen der §§ 151 — 153" —, in denen die Interessen einer Partei n Betracht kommen, welche außerhalb des anderweiten, die Nichtigkeit oder die Anfechtung eine

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 156.

183

§ 156. (142.) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, welche geschlossen war, anordnen. «. Ent». 1 SÄ

Ent». I. I ISS. Ent». IL g 136. Ent», in. 8 186. «St. r. 136. Pest. «. SS.

Ehe oder die Anfechtung der Ehelichkeit betreffenden Rechtsstreits steht (vgl. dagegen § 154, Anm. 1 das. a. E. u. Anm. 2 das.), gewährt § 155 dem Gericht die Befugniß („kann" — vgl. §§ 151—155 Anm. 3 —), auf Antrag der in dem anderweiten Rechtsstreit nicht bethei­ ligten Partei die Anordnung, durch welche das Verfahren ausgesetzt ist, zur Vermeidung einer Ver­ schleppung des Prozesses aufzuheben. Statt eines hierauf gerichteten AnttageS kann die Partei auch in dem anderweiten Rechtsstreite gemäß § 69 in Verbindung mit §§ 629 Abs. 1, 643 als Streitgenosse — nach der Begr. S. 93 als Streitgenosse ihres Gegners; sie dürfte jedoch in dem anderweiten Rechtsstreite den gleichen Standpunkt wie im eigenen Prozeß vertreten und daher als Stteitgenosse der Partei, welche die Gültigkeit der Ehe vertheidigt (vgl. Planck, BGB. IV Borbem. V vor § 1323) — eintreten und so den Fortgang der Sache ihrerseits sichern. Auf diesen mit Weiterungen und Kosten verbundenen Weg ist aber die Partei nach § 155 nicht beschränkt, wenn ihr Prozeßgegner die Betreibung des anderweiten Rechtsstreit- verzögert. 2) „aufheben" — Wird die Anordnung der Aussetzung aufgehoben, so wird in dem auf­ genommenen Verfahren daS Vorbringen, welches zu der Aussetzung Anlaß gegeben hat nicht mehr berücksichtigt (Begr. S. 93).

8 156. 1) Bon dieser Befugniß ist Gebrauch zu machen, wenn sich bei der Berathung ergiebt, daß die Sache nicht vollständig erörtert, insbesondere das Fragerecht nicht genügend ausgeübt ist (vgl. Ude in Busch 10 S. 92 ff., §§ 136, 139). Infolge der Wiedereröffnung wird die geschlossene Verhandlung ihrem ganzen Umfange nach von Neuem eröffnet, so daß sich die neue Verhandlung „auch auf andere Punkte erstrecken kann, als welche zur Wiedereröffnung, den Anlaß gegeben haben" (Mot.), und Versäumtes nachgeholt werden kann. Ist die Vervoll­ ständigung beschloffen, so kann das Gericht nicht ohne diese deshalb zur Sache erkennen, well eine oder beide Parteien bei der Verkündung jenes Beschlusses nicht mehr anwesend waren (R8. 41 S. 377). Die neue Verhandlung ist zwar eine Fortsetzung der geschlossenen; gleichwohl aber kann in ihr gegen die Partei, welche früher bereits verhandelt hat, gehörige Verkündung des Termin- bezw. Ladung, sowie Wahrung der Ladung-frist vorausgesetzt (Anm. 2), nach § 332 beim Ausbleiben ein Bersäumnißurtheil erlassen werden (Seuffert Anu^. 1, A. Förster Anm. 2. Abw. Wilm. Levy Anm. 2). Andererseits darf die Wieder­ eröffnung nicht lediglich zu dem Zwecke erfolgen, um der erschienenen Partei ihr Recht auf Bersäumnißurtheil, welches sie durch die bereit- vollendet vorliegende Bersäumniß erworben hat, zu entziehen (vgl. auch Gaupp I S. 345, Planck I S. 510 N. 44, S. 514 u. II S. 356, Troll, Bersäumnißurtheil S. 15, Schwalbach im c. A. 66 S. 261). Ebenso ist sie behufBorbringung neuer Thatsachen oder Beweismittel oder darauf gestützter Anträge unzulässig (RG. 16 S. 417 u. in S. A. 41 Nr. 231, 42 Nr. 262, in Gruchot 39 S. 1132, in I. W. 1897 S. 79, 342, ob.LG. f. Bayern in S. A. 50 Nr. 210). — Beschwerde gegen die Anordnung (8 567) findet nicht statt (vgl. § 150 Anm. 1). 2) Der Beschluß ist zu verkünden. Er bedarf nicht der Begründung, ist auch im Urtheile nicht nothwendig zu erwähnen und kann zur Rechtfertigung eines Revisionsangriffes gegen letzteres nicht herangezogen werden, weil das Urtheil sich nur auf den in der mündlichen Ver­ handlung vorgettagenen Stteitstoff gründen kann (RG. in I. W. 1893 S. 126, 1894 S. 261). Zu dem neu anzusetzenden Termine bedarf es zwar nach § 218 der Ladung nicht, die Ladungs­ frist ist aber dennoch einzuhalten, weshalb, abgesehen von dem Einverständnisse der Parteien, nicht unmittelbar nach der Verkündung zur Fortsetzung der Verhandlung geschritten werden kann (vgl. § 218 Anm. 1, RG 41 S. 377, Planck I S. 514 N. 79. A.M. in letzterer Hinsicht Seuffert Anm. 1). Ist ausnahmsweise bei Verkündung jenes Beschluffes ein Ber-

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Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 157.

§ 157. (143.) Das Gericht kann Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen, denen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrage mangelt, den weiteren Vortrag untersagen. Das Gericht kann Bevollmächtigte und Beistände, welche das mündliche Ver­ handeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine Anfechtung dieser Anordnung findet nicht statt. Die Vorschriften der Abs. 1,2 finden auf Rechtsanwälte, die Vor­ schrift des Abs. 2 findet auf Personen, denen das mündliche Ver­ handeln vor Gericht durch eine seitens der Justizverwaltung ge­ troffene Anordnung gestattet ist, keine Anwendung. 9L Cntft. 6§ 188, 808- Ent». L § 136. «MW. II. 8 137. «nt». UL § 137. Mot. 6.136,137. vrot. «. 66, 687. - «08., «. UI: 8 143 B*f. 4; »egt. «. 93 f.; fftw.9. «. 63 ff ; 6t. v. 6.376 ff., 8099 ff. handlungslermin nicht verkündet, so ist letzterer von Amiswegen anzuberaumen, und sind die Parteien dazu von Amtswegen zu laden (vgl. § 214 Anm. 2 c, Wilm. Levy § 195 Anm. 1, Sarwey I S. 237; vgl. auch für einen ähnlichen Fall Planck I S. 468).

§ 157. 1) Abs. 1: Ueber die Folgen der Untersagung des Vortrags vgl. § 158 Anm. 4, 5, auch Sten. Ber. d. RT. 2. Leg.-Per. IV. Sess. 1876 S. 173 f. — Ist die Unfähigkeit der be­ treffenden Personen zum Vortrage gerichtskundig, so kann letzterer auch schon vor dem Beginn des Vortrags, aber nicht vor Beginn der mündlichen Verhandlung (s. Seufsert Anm. 3) untersagt werden. — Nicht hierher gehören die Fälle des GVG. §§ 187—189. 2) Abs. 2 bezweckt, den sog. Winkeladvokaten entgegenzutreten. „Geschäftsmäßig" ist im gewöhnlichen Sprachgebrauch genommen, so daß der Nachweis der Vergütung nicht geführt zu werden braucht (Mot.). Die Zurückweisung hängt vom Ermessen des Gerichts ab („kann"); dieses ist nicht zur Zurückweisung verpflichtet (A.M. Kleinfeller in Krit. V. 33 S. 367). Vgl. Anm. 5. Der Abs. 2 bezieht sich nur auf „das mündliche Verhandeln", nicht auf schriftliche Eingaben und Aussätze. Diese sind durch die Reichsgesetzgebung keinen Schranken unterworfen. Die Vornahme derartiger Geschäfte für Andere ist daher keine Anmaßung eines öffentlichen AmtS nach § 132 StGB., während sie auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen, welche die gewerbsmäßige Winkcladvokatur verbieten, strafbar sein kann (Rechtspr. d. RG- in Str.S. 3 S. 421). Vgl. jedoch Gew.O. § 35. 3) Abs. 1 u. 2 finden nach RAO. § 25 Abs. 3 keine Anwendung aus Stellvertreter von Rechtsanwälten, sowie aus die im Justizdienste befindlichen Rechtskundigen nach zwei­ jährigem Vorbereitungsdienste, wenn sie einen Rechtsanwalt, ohne als dessen Stellvertreter bestellt zu sein, in Fällen vertreten, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, oder wenn sie unter Beistand des Rechtsanwalts die Vertretung der Parteirechte übernehmen. Dagegen fallen die noch nicht zwei Jahre im Vorbereitungsdienste befindlichen Rechtskundigen unter den § 157. Indessen wird von einer geschästsmäßigen Vertretung (Abs. 2) nicht die Rede sein können, wenn und so lange sie als Vertreter eines Rechtsanwalts handeln. (Vgl. Sten. Ber. d. RT. 3. Leg.-Per. II. Sess. 1878 S. 1468; Meyer, RAO. 2. Aufl. S. 45 ff., Völk, RAO. S. 52 ff., Gaupp I S. 347 u. A.) Auch Gerichtsvollzieher unterliegen dem § 157; vgl. auch § 79 Anm. 2 a. E. 4) Abs. 3: Auch die Gegenpartei hat kein Recht, die Anordnung, durch welche die Zu­ rückweisung in den Fällen des Abs. 1 u. 2 abgelehnt wird, anzufechten (RG. in S. A. 53 Nr. 52). 5) Abs. 4 ist an Stelle der bisherigen Vorschrift: „Auf Rechtsanwälte finden die Vorschriften dieses Paragraphen keine Anwendung" durch die Nov. eingefügt, um eine thunlichft gleichmäßige Behandlung der f. g. Rechts­ konsulenten oder Geschäftsleute bei den verschiedenen Gerichten herbeizuführen. Die unbeschränkte und unanfechtbare Zurückweisungsbefugniß. die der Abs. 2 dem Richter gegenüber gewerbs-

Erster Titel. Mündliche Verhandlung. g 158.

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§ 158. (144.) Ist eine bei der Verhandlung betheiligte Person zur Aufrechthaltung der Ordnung von dem Orte der Verhandlung entfernt worden, so kann auf Antrag gegen sie in gleicher Weise verfahren werden, als wenn sie freiwillig sich entfernt hätte. Dasselbe gilt in den Fällen des vorhergehenden Paragraphen, sofern die Untersagung oder Zurückweisung bereits bei einer früheren Verhandlung geschehen war. tt. ent*. § 389. Ent*. L § 137. Ent*. II. 8138. Ent». HL 8138. «ot. v. 137. Prot. e. 66, 527. mäßigen Parteivertretern gewährt, hat bei der verschiedenartigen Handhabung seitens der einzelnen Gerichte mitunter zu Unbilligkeiten und Härten geführt und namentlich auch den Mißstand im Gefolge gehabt, daß der von einem Richter zurückgewiesene Vertreter vor einem anderen Richter ungehindert auftrat. Die neue Bestimmung schafft allerdings eine Unterscheidung zwischen „zugelaffenen und nicht zugelassenen Rechtskonsulenten" (Kom.-Ber. S. 54). Die „Gestattung" seitens der Justizverwaltung hat die Wirkung, daß die in Abs. 2 gegebene Zurückweisungsbefugniß des einzelnen Richters gegenüber dem zugelaffenen Parteivertreter bis auf weiterewegfüllt, gegenüber dem nicht zugelassenen ungeschmälert bestehen bleibt. Nur diejenigen, welchen nach g 35 GO. die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten polizeilich untersagt ist, hat auch im letzteren Falle der Richter zurückzuweisen (vgl. Kom.-B. S. 57, 64). „Justizverwaltung" — Der Landesjustizverwaltung ist es überlaffen, zu bestimmen, ob die Entscheidung über die Zulassungsgesuche von der Justizverwaltung der Centralinstanz, des Oberlandesgerichts- oder Landgerichtsbezirks erfolgen soll (vgl. Kom.-B. S. 57, 63.). Die Anordnung der Gestattung ist jederzeit widerruflich (vgl. Begr. S. 94; Kom.-B. S. 57, 63); auch kann der Richter bei der Justizverwaltung jederzeit auf Zurücknahme der Zulassung hinwirken (vgl. Kom.-B. S. 59). Ebenso kann die Zulassung örtlich und sachlich beschränkt werden (vgl. Begr. S. 94; Kom.-B. S. 59).

9

158.

1) „eine------- Person--------- entfernt worden" — f. § 178 GBG. 2) Ist eine Partei selbst oder deren Bevollmächtigter entfernt worden, so treten — sofern nicht eine Verlegung beschlossen wird („kann", Wach, Bortr. S. 156 ff.) — die Folgen der frei­ willigen Entfernung einer Partei bei der mündlichen Verhandlung ein, wie solche sich aus den Bestimmungen über das Bersäumnibverfahren (§§ 330 ff.) ergeben. Sie gestalten fich verschieden, je nachdem die entfernte Partei bereit- verhandelt hat oder nicht. „Unter der ersteren Voraussetzung ist sie nur mit demjenigen au-geschloffen. Wa­ ste noch nicht vorgebracht hat, wogegen da- von ihr Vorgebrachte zu berücksichtigen ist; das Urtheil ist kontradiktorisch. Findet eine Fortsetzung der Verhandlung statt, so kann die Partei das in dem früheren Verhandlungstermine noch nicht Vorgebrachte nachholen, so daß in diesem Falle ihre Entfernung Nachtheile in der Sache nur inso­ fern zur Folge hat, al- auf Grund de- bereits stattgehabten Verhandlungsterminerlassene Zwischenurtheile chrem Vorbringen Schranken setzen. Unter der letzteren Voraussetzung ist die Partei als nicht erschienen zu betrachten (§ 333), mithin gegen sie auf Antrag ein Versäumn! ßurtheil zu erlassen." (Mot.). Wann aber anzunehmen ist, daß die Partei verhandelt habe, ist Thatfrage (s. die Anm. zu § 333). 3) Wird eine andere bei der Verhandlung betheiligte Person als die Partei, nämlich ein Zeuge oder Sachverständiger, entfernt (Nordd. Prot. S. 311), so treten für die betreffende Person nachtheilige Folgen nur dann ein, wenn auch ihre freiwillige Entfernung einen Nachtheil für sie mit sich bringt, wie z. B. für einen Zeugen, wenn er sich vor Beendigung seiner Ver­ nehmung entfernt (vgl. § 380). Die Parteien können, wenn sie an der Anwesenheit der ent­ fernten Person ein Interesse haben, die Vertagung der Verhanölung beantragen. 4) Satz 2: Die Worte: „bei einer früheren Verhandlung" ergeben klar, daß die in § 158 ausgesprochenen Folgen nicht sofort in der Verhandlung, in welcher die Untersagung oder Zurückweisung erfolgte, eintreten können, vielmehr zunächst eine Vertagung angeordnet

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Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. §§ 159,160.

§ 159. (145.) Ueber die mündliche Verhandlung vor dem Gerichte ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält: 1. den Ort und den Tag der Verhandlung ; 2. die Namen der Richter, des Gerichtsschreibers und des etwa zugezogenen Dolmetschers; 3. die Bezeichnung des Rechtsstreits; 4. die Namen der erschienenen Parteien, gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände; 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Oeffentlichkeit ausgeschlossen ist. 9t. tmtm. SS 360, 361. E»tw. L 8 138. Lntw. n. S 139.

III. § 139. »dt. 6.137. Prot. 6. 65.

§ 160. (146.) Der Gang der Verhandlung ist nur im Allgemeinen an­ zugeben. Durch Aufnahme in das Protokoll sind festzustellen: werden muß — und zwar auch dann, wenn die Partei, deren Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen ist, im Termine persönlich anwesend ist, aber nicht verhandeln will (Gaupp I S. 347 N. 9). Ferner ist dabei offenbar vorausgesetzt, daß eine frühere Verhandlung, wenn auch nicht die zunächst vorhergehende, gerade wegen der Untersagung oder Zurück­ weisung vertagt war, wie solche- N. E. § 329 ausdrücklich ausspricht. Daß zufällig in irgend einer früheren Verhandlung eine Untersagung oder Zurückweisung derselben Person vor­ gekommen ist, genügt nicht. (Vgl. Seuffert Sinnt. 4, Gaupp I S. 348, Petersen Nr. 5, A. Förster Sinnt. 2a. A.M. Wilm. Levy Sinnt. 2, Endemann I S. 500.) — In Folge der Zurückweisung erlischt die dem Zurückgewiesenen ertheilte Vollmacht, z. B. in Betreff der Zustellungen, nicht (Petersen Nr. 4 u. SU. 5) Der Ungehorsam des bloßen Beistände- kann nach dessen prozessualer Stellung keine unmittelbaren Nachtheile für die Partei haben. Ist aber die Partei selbst oder ihr Bevollmächttgter trotz der Untersagung oder Zurückweisung in dem Termine, aus welchen vertagt wurde, wieder erschienen und wird die Untersagung oder Zurückweisung von Neuem ausge­ sprochen, so ist die Partei als nicht erschienen anzusehen und auf Antrag Versäumnißurtheil zu erlassen. 88 159-164. Literatur: H. Meyer in Gruchot 27 S. 303 ff. Ders.: Protokoll u. Urtheil im Civilu. Strasproz. Berlin, 1885 u. in Busch 21 S. 390 ff. Kleinseller. Die Funktionen des Vorsitzenden S. 68 ff. Flemming i. Sächs. Slrch. 8 S. 577 ff. Die Vorschriften der §§ 159—164 beziehen sich zunächst nur auf das über die münd­ liche Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte von dem Gericht-schreiber (§ 160 Sinnt. 7) aufzunehmende Protokoll (Sitzung-protokoll). § 159 führt die Förmlichkeiten auf, welche im Protokolle stets angegeben werden müssen. Vgl. StPL. §§ 272, 273. Die Nichtbeobachtung dieser Förmlichkeiten hat nicht ohne weiteres Ungültigkeit des Protokolls zur Folge; die Beweiskraft eines solchen mangelhaften Protokolls unterliegt dem Ermessen deGerichts (vgl. § 418 Sinnt. 1, 3, Gaupp I S. 350, Planck I S. 133, H. Meyer in Gruchot a. a. C. S. 307 u. Sl.). Besondere Bestimmungen hinsichtlich des durch das Sitzungs­ protokoll zu führenden Beweises bezw. Gegenbeweises s. in §§ 164, 314. 8 1«0 1) § 160 handelt davon, inwieweit der Inhalt der Verhandlung int Protokolle nieder­ gelegt werden soll. Der Slbs. 1 stellt die Regel aus, daß im allgemeinen eine geschichtliche Schllderung der Vorgänge in der Verhandlung zu geben sei. Der Abs. 2 enthält Einzelheiten welche, wenn sie vorgekommen sind, stets festgestellt werden müssen, also nicht bloß auf Antrag, sondern auch von Amt-wegen, abgesehen jedoch theilweise von Nr. 2 (vgl. Anm. 3).

Erster Titel. Mündliche Berhandluog. § 160.

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1. die Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der geltend gemachte Anspruch ganz oder theilweise erledigt wird; 2. die Anträge und Erklärungen, deren Feststellung vorgeschrieben ist; 3. die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen, sofern dieselben früher nicht abgehört waren oder von ihrer früheren Aussage abweichen; 4. das Ergebniß eines Augenscheins; 5. die En^cheidungen (Urtheile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, sofern sie nicht dem Protokolle schriftlich beigefügt sind; 6. die Verkündung der Entscheidungen. Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, welche dem Protokolle als Anlage beigefügt und als solche in demselben be­ zeichnet ist. , R. fei*. $ 368. Cat». L $ 189. «ah». II. 8 140. «ah». UI § 140. Mit. S. 28-85, 137. «wt w* DO - Dir DDO»

Eine Feststellung setzt in den Füllen der Nr. 1—4 — aber auch nur in diesen — Vorlesung bezw. Vorlegung zur Durchsicht an die Betheiligten und Genehmigung bezw. Angabe der gegen die Genehmigung erhobenen Einwendungen voraus (§ 162). 2) Abs. 2 Nr. 1: Nicht hierher gehören bloße „Geständnisse"; sie sind nach § 298 Abs. 2 nur auf Antrag festzustellen. Ueber den Unterschied zwischen „Anerkenntniß" und „Geständniß" vgl. die Anm. zu §§ 288—290, 307. „VerzichtLeistungen": s. § 306 Anm. 2, „Vergleiche": §§ 510 Abs. 2, 794 9fr. 1 und 2. Ueber gerichtliche Beurkundung von Vergleichen außerhalb deS Prozesses s. R.Ges. betr. fro. Grb. v. 17. Mai 1898 88 167 ff. Auch das Prozeßgericht ist, wenn die Vergleichsabreden über den Gegenstand des Rechtsstreits hinausgehen, insbesondere Erklärungen Dritter im Prozeffe selbst nicht betheiligter Personen umfassen, zur wirksamen Beurkundung des Vergleichs zuständigr soweit diese Abreden Bestandcheile des Prozeßvergleichs sind, insbesondere die Verpflichtungen deS Dritten sich als Gegenleistungen darstellen, von denen der Abschluß des Prozeßvergleichs ab­ hängig gemacht ist (vgl. § 794 Nr. 1; Kom.-B. 6. 65 f.; s. jedoch auch Eccius, D. Jurist. Zeit. 1898 S. 25). Die Feststellung der Anerkenntnisse und Verzichtleistungen muß — abweichend von den Anttägen — auch erfolgen, wenn sie in den vorbereitenden Schriftsätzen schon enthalten sind. Eine Spezialisirung deS Anerkenntniffes nach dem Grunde deS Anspruchs oder gar nach den einzelnen, ihn begründenden Thatsachen ist nicht erforderlich (Mathes in Busch 6 S. 177). 3) Nr. 2: Die Vorschriften darüber, inwieweit Anträge und Erklärungen festzu­ stellen sind, finden sich in §§ 297, 298, 350, 509. Vgl. auch § 607 Abs. 4. 3a) Nr. 4: Vgl. H. Meyer in Busch 21 S. 404 ff. Eine Augenscheinseinuahme durch das gesammte Gericht bedarf der Feststellung durch Protokoll nicht (RG. in S. A. 51 9fr. 294). 4) Nr. 5: Vgl. H. Meyer in Gruchot a. a. O. S. 321 ff., Wach, Vortr. S. 102. Ueber den Unterschied zwischen Urtheilen, Beschlüssen und Verfügungen vgl. die Vordem, zu Buch 2 Tit. 2, sowie die Anm. zu §§ 300, 329. 4a) 9fr. 6: vgl. § 164 Anm. 1. 5) Der Abs. 3, wonach Feststellungen auch durch Ueberreichung von Schriftsätzen als An­ lagen zum Sitzungsprotokoll erfolgen können, dient wesentlich zur Beschleunigung. Die über­ reichten Schriftsätze können formlos sein. Auch die vorbereitenden Schriftsätze können als Anlagen in diesem Sinne benutzt werden (Endemann I S. 508). In den Fällen der §§ 297, 298 ist diese Art der Feststellung die allein zulässige. (Vgl. RG. in Blum, Urth. u. Ann. 1 S. 199.] S. auch § 298 Anm. 3. 6) Die Aufnahme des Protokolls ist Sache des Gerichtsschreibers (Mot. S. 137), unter Aufficht des Vorsitzenden (§ 163); ein Diktiren seitens des Letzteren kann — abgesehen etwa von einzelnen Punkten, z. B. 9fr. 1, 5 — schon deshalb nicht stattfinden, wett darunter die mündliche Verhandlung erheblich leiden würde. Wird ausnahmsweise dikttrt, so hat dennoch

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Erste»

Buch.

Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. §§ 161, 162.

§ 161. (147.) Die Feststellung der Aussagen der Zeugen und Sachverstän digen kann unterbleiben, wenn die Vernehmung vor dem Prozeßgericht erfolgt und das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt. In diesem Falle ist in dem Protokolle nur zu bemerken, daß die Vernehmung stattgefunden habe. ft. E»tW. ( 363. E»tw. I. fi 140. E«tw. IL § 141. E»t«. III. 8 141. Mst. 6. 39-41, 187. Prft r. 36.

§ 162. (148.) Das Protokoll ist insoweit, als es die Nr. 1—4 des §. 160 betrifft, den Betheiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. In dem Protokolle ist zu bemerken, daß dies geschehen und die Genehmigung erfolgt sei oder welche Einwendungen erhoben sind. ft. »otto. 8 364. «ntw. I 8141. Entv. II. 8 142. fntto. III. 8 142. Mot. - Prot. 6. 66. der Gerrichtsschreiber nicht blindlings nachzuschreiben, sondern, wenn er gegen die Richtigkei' des Diktirten Bedenken trägt, diese geltend zu machen. Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorsitzendem und Gerichtsschreiber sind, wenn sie durch Besprechungen oder Nachfrage nicht aus­ geglichen werden können, im Protokolle (oder an dessen Rande) zu bemerken; insoweit entbehr' e» selbstverständlich der Beweiskraft. Bezüglich der Form der Protokollirung und der Frage, was (z. B. in Betteff des Ganges der Verhandlung) aufgenommen werden soll, ist der Gerichts schreiber den Weisungen des Vorsitzenden unbedingt unterworfen (H. Meyer. Prot. u. Urth S. 4ff., Planck I S. 129s.). Die Aufnahme während der Verhandlung ist zwar die Rege! (vgl. Nordd. Prot. S. 315), jedoch nur insoweit, als der Inhalt vorgelesen werden muß (§ 162), unbedingt nothwendig (so auch H. Meyer a. a. O. S. 2, 13. AM. Wilm. Levy § 145 Anm. 2, Seufsert Anm. 1, Planck I S. 142), und auch jene Vorlesung kann aus Grund der Auszeichnungen des Gerichtsschreibers, vorbehaltlich der späteren Abfassung des Protokollselbst, erfolgen (ob.LG. s. Bayern in S. A. 39 Nr. 141: dieses Urtheil geht jedoch zu weit, wenn eS dem § 162 überhaupt nur instruktionelle Bedeutung beimitzt). Vgl. § 162 Anm. 1. — Das Protokoll ist zu den Gerichtsakten (§ 299) zu nehmen. 8 161 § 161 enthält eine Einschränkung des § 160 Nr. 3. Die Protokollirung darf nur unter der doppelten Voraussetzung unterbleiben, datz die Vernehmung vor dem Prozetzgericht erfolg' (§ 355), und datz das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt (§§ 511, 513). Vernehmungen vor einem ersuchten oder beauftragten Richter (§§ 165, 375, 402) oder vor dem Prozetzgerichi erster Instanz und im amt-gerichtlichen Entmündigungsverfahren müssen daher stets zu Protokoll festgestellt werden. Ein Anttag, als dritte Voraussetzung hinzuzufügen, „daß die Fortsetzung der Verhandlung in der nämlichen Sitzung erfolgen kann" (s. Bayer. PL. Art. 419), wurde von der RTK. abgelehnt, nachdem von Seiten der Regierungen die Erwartung ausgesprochen war. daß auch ohne ausdrückliche Bestimmung bei Vertagung der Verhandlung die Protokollirung die Regel bilden werde. Vgl. StPO. § 271. S. auch unten § 285 Anm. 4, Planck I S. 182 N. 39, RG 14 S. 379, 386, 17 S. 344 u. in S. A. 50 Nr. 46. Jedenfalls dürfen Aussagen, deren Feststellung unterblieben ist, nur berücksichtigt werden, wenn sie vor den erkennenden Richtern abgegeben sind (RG. in I. W. 1897 S. 601). §

162.

Literatur: H. Meyer in Busch 21 S. 390ff. 1) Durch die Fassung („ist — vorzulesen — oder vorzulegen", „ist — zu bemerken") ist ausgedrückt, daß die Vorlesung (oder Vorlegung zur Durchsicht) und Genehmigung der betreffenden Theile des Protokolls — ebenso auch seiner Anlagen (H. Meyer im c. A. 78 S. 461 ff., jetzl auch Wilm. Levy § 146 Anm. 8) — wesentlich ist. Wird daher bei der Vorlesung der betreffende Satz (z. B. das Anerkenntniß) nicht genehmigt, so hat das Protokoll insoweit keine Beweiskraft (H. Meyer in Gruchot 27 S. 311, jetzt auch Wilm. Levy Anm. I). Andererseits gilt hier trotz der zwingenden Fassung nicht der Satz des § 164, dah die betreffenden Erklärungen

Erster Titel. Mündlich« Verhandlung. §§ 163, 164.

189

§ 163. (149.) Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichts­ schreiber zu unterschreiben. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Im Falle der Verhinderung des Amtsrichters genügt die Unterschrift des Gerichtsschreibers. ft. Catie. | 366. Cat». I | 148. Cat», u. $ 143. «tat», in. 6 143. R«t- - «hret C. 66.

§ 164. (150.) Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlungvor­ geschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt desselben ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. ft. Cat», t 366. Cat». L , 143. eat». U § 144. Calla. HL J 144. »et. - fttet.«. 66. nur durch das Protokoll bewiesen werden können.(Vgl. z. B. hinsichtlich des Verzichts RG10 S. 366, in Gruchot 42 S. 918, hinsichtlich des Anerkenntnisses ob.LG. f. Bayern in S. A. 41 Nr. 304, des Vergleichs RG in Gruchot 28 S. 1102. S. aber auch § 314.) Unzulässig ist eS jedoch, bei der Be weis Würdigung aus Grund deS § 286 Angaben der Zeugen und Sach­ verständigen oder Augenscheinsergebnisse zu berücksichtigen, welche in das Sitzungsprotokoll nicht ausgenommen oder nicht vorgelesen und genehmigt worden sind, mag es sich um Angaben u. s. w. handeln, welche den Inhalt deS Protokolls ergänzen oder gar ihm widersprechen, da erst durch die Vorlesung und Genehmigung die Beweisaufnahme ihren Abschluß findet (vgl. auch RG- 18 S. 418 u. in I. W. 1886 S. 347, Seuffert § 146 Anm. 3, Gaupp I S. 352). Ist in den Fällen des § 161 eine Protokollirung erfolgt, so dürfen auch hier nicht protokollirte Aussagen, selbst wenn sie nur ergänzenden Inhalts sind, nicht berücksichtigt werden, da das Protokoll — abgesehen etwa von einem in ihm gemachten Vorbehalte — als vollständig gelten muß (abw. RG. in I. W. a. a. O., Wilm. Levy 8 146 Anm. 4). Daß die Aussagen vorgelesen und genehmigt sind, kann aber auch aui andere Weise als durch das Protokoll bewiesen werden, da 9 164 hier keine Anwendung findet (§ 164 Anm. 1). Ist einem Zeugen u. s. w. die Aussage vorgelesen, erhebt er aber Einwendungen, so hat das Gericht nach seiner Ueberzeugung darüber zu entscheiden, ob der Zeuge die ihm vorgelesenen Angaben gemacht hat. Das Unterlassen der Rüge (9 295) hellt nicht den Mangel der Vorlesung und Genehmigung und kann auch nicht ohne weiteres, falls im Sipungsprotokoll die Beurkundung der Vorlesung und Genehmigung unter­ blieben ist, den Beweis der Vorlesung und Genehmigung ersetzen. (Vgl. Gaupp I S. 354 N. 2. A.M. RG 12 S. 136 — vgl. jedoch RG- 18 S. 418 —, Seuffert 9 148. Anm.) Laute- Diktiren des Protokolls seitens des Vorsitzenden steht der Vorlegung oder Vor­ lesung nicht gleich (so auch Wilm. Levy. A.M. Gaupp I S. 354). 2) „den Betheiligten- — d. h. in den Fällen des 9 160 Nr. 1, 2, 4 den Parteien (auch Nebenparteien), in denen der Nr. 3 den Zeugen bezw. Sachverständigen, nicht auch den Parteien. (H. Meyer, Prot. u. Urth. S. 14 f. A M. in letzterer Beziehung Seuffert.)

8 163. Die Unterschrift des Gerichtsschreibers ist unerläßlich; ist sie unterblieben und nicht nachzuholen, so hat das Protokoll keine Beweiskraft. Auch die Unterschrift des Vorsitzenden bedingt, wo sie nach 8 163 erforderlich, die Beweiskraft des Protokolls als einer öffentlichen Urkunde (vgl. 8 415; Gaupp I S. 355, H. Meyer in Gruchot 27 S. 306. A.M. Ende­ mann I S. 511). Die Unterschrift anderer Betheiligten, z. B. Zeugen, ist niemals erforderlich.

8 164. 1) Vermöge dieser dem franz. Recht entlehnten Bestimmung (vgl. auch StPO. 8 274 nebst Literatur dazu) ist namentlich ausgeschlossen, daß der Beweis der Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen — wesentlichen oder unwesentlichen (Rechtspr. d. RG- in StrS. 3 S. 586) — Förmlichkeiten [8 159, nicht auch 8 160 mit Ausnahme der 9fc. 6 (über Rr. 6 vgl. RG 16 S. 331 u. in I. W. 1887 S. 3, 4) — weiter Seuffert

190

Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. §§ 165, 166.

§ 165. (151.) Zu den Verhandlungen, welche außerhalb der Sitzung vor Amtsrichtern oder vor beauftragten oder ersuchten Richtern stattfinden, ist der Gerichtsschreiber gleichfalls zuzuziehen. 9t. Cat». 8 367. tat». L 6 144. tat».IL § 146. tat».UI. 8 145. Äst.6.138,139. tritt.56. Zweiter Titel. 2«ftr11ii»,e». I. Zustellungen auf Betreiben der Parteien. § 166. (152.) Die von den Parteien zu betreibenden Zustellungen erfolgen durch Gerichtsvollzieher. In dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann die Partei den Gerichtsvollzieher unter Vermittelung des Gerichtsschreibers des Prozeßgerichts mit der Zustellung beauftragen. Das Gleiche gilt für Anwaltsprozesse in Ansehung der Zustellungen, durch welche eine Nothfrist gewahrt werden soll.

ft tat». SS 860, 267, 862. tat». I § 146 tat». II. 8 146. tat». UL 11 8 146. Äst. 6.140-143. trat 6. 66, 57. - 91sI., t. HI: § 152, Begr. t. 94 f., Staat.«. S. 66 - 70. Anm. 1, der insbes. auch die §§ 297, 298 sowie die Beeidigung oder Nichtbeeidigung der Zeugen dem § 164 unterstellt, enger A. Förster Anm. 1] durch Berufung auf das Zeugniß der bei der Verhandlung betheiligten Personen, Richter, Gerichtsschreiber, Rechtsanwälte :c. geführt werde. DaS Sitzung-Protokoll liefert im Einklänge mit dem in § 418 Abs. 1 ausgesprochenen Grundsatz über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden vollen Beweis. 2) Der Gegenbeweis bezüglich der Förmlichkeiten ist, abweichend von § 418 Abs. 2, auf den Nachweis der vorsätzlichen, wenn auch nicht strafbaren Fälschung einschließlich der sog. intellektuellen Urkundenfälschung (vgl. StGB. §§ 267, 271, 348, Rechtspr. d. RG i. StrS. 3 S. 586, Seuffert Anm. 2. A M. H. Meyer in Gruchot 27 S. 323, der nur § 267 hierher rechnet) beschränkt. Dieser Nachweis kann durch alle überhaupt zulässigen Beweismittel erbracht werden. Ein besonderes Verjähren (C. de proc. art. 214 ff.) findet nicht statt. Rückfichtlich des sonstigen Inhalts finden aus das Sitzungsprotokoll die Vorschriften der §§ 415 ff. unbeschränkte Anwendung. Die Beweis- und Gegenbeweisbeschränkung des § 164 gilt, wenn es sich um Förmlichkeiten handelt, deren Beobachtung von Amtswegen zu berücksichtigen ist — was in den meisten Fällen zutrifft —, auch dann, wenn über die Beobachtung der Förmlichkeiten unter den Parteien kein Streit herrscht (gegen Seuffert Anm. 2b). Wegen des Verhältnisses zum Thatbestände s. § 314. 8 1«5 1) Ueber die außerhalb der Sitzung aufzunehmenden Protokolle enthält 8 165 nur die Vorschrift, daß der Gerichtsschreiber zuzuziehen ist. Man darf aber wohl annehmen, daß auf diese Protokolle die Vorschriften der §§ 159—164, soweit der Gegenstand es zuläßt, entsprechende Anwendung finden sollen (vgl. §§ 161, 288, H. Meyer, Prot. u. Urth. S. 8, 23 ff., Seuffert. Petersen. A.M. in Bezug auf § 165: v. Kries, Die Rechtsmittel u. s. w. S. 329, Wilm. Levy, Gaupp I S. 356). 2) Unter „beauftragter Richter" versteht die CPO. stets ein Mitglied des Gerichts selbst (deputatus collegii; über dessen Stellung zum Kollegium s. Wach I S. 326 ff.), unter „ersuchter Richter" ein anderes Gericht (Amtsgericht, § 158 GBG). 3) Ueber Protokolle der Gerichtsvollzieher vgl. § 762; über Protokolle der Gerichtsschreiber (vgl. z. B. § 78 Abs. 2) finden sich keine besonderen Vorschriften.

Zweiter Titel. Mot. S. 36, 37, 138—140, Begr. d. Nov. S. 94, Kom.-Ber. S. 66—70. Literatur: Wach in Krit. B. 14 S. 338 ff, 351 ff. und Bortr. S. 64 ff.; v. Canstein, Grundlagen des Civilprozesses S. 170 ff, 230 ff.; Fischer in Gruchot 25 S. 620 ff, 802 ff.

Zweiter Titel. Zustellungen. § 166.

191

Wieding 8. v. „Zustellung" im Rechtslexikon 3 S. 1477ff., Hellmanu, Lehrb. S. 166ff., «ach I S. 321 ff., Planck I S. 133ff., 390ff., 421 ff., Schmidt § 79, Fitting § 33, Birkmeyer, Grundriß S. 239ff. Wegen Verstöße gegen die Vorschriften über Zustellungen s. Fitting in Busch 11 S. 48 ff., Laug im c. A. 76 S. 265 ff., Bähr i. Jb. f. Dogm. 23 S. 358 ff., 24 S. 377 ff., v. Kräwel in Bödiker, Mag. 6 S. 182 ff. 1) In der Lehre von den Zustellungen vor allem tritt die grundsätzliche Stellung zu Tage, welche die CPO. hinfichtlich des sog. Prozeßbetriebes (der Einleitung und Fortführung des Rechtsstreits, der Geschäftsvermittelung unter den Parteien wie zwischen Gericht und Parteien und der Verwirklichung des Urtheils) einnimmt. Es stehen sich hier zwei Systeme schroff gegen­ über, das des gemeinrechtlichen und altpreußischen Prozesses einerseits, wonach die GeschäftsVermittelung und insbesondere das Zustellungsgeschäft in die Hände des Gerichts und der von diesem zu beauftragenden Beamten (Gerichtsboten, Gerichtsdiener u. s. w.) gelegt ist (Offi­ zialbetrieb durch die Gerichte), und das des rheinisch-französischen Prozesses andererseits, wonach die Geschäftsvermittelung ausschließlich den Parteien und den von diesen zu beauf­ tragenden und ihnen verantwortlichen, selbständigen Organen (Gerichtsvollzieher) obliegt (un­ mittelbarer Betrieb durch die Parteien, Passivität der Gerichte). Zwischen beiden hat die CPO. im Anschluß an Hann. PO., H. E. und N. E. einen Mittelweg eingeschlagen. Ihr System läßt sich als das eines „modifizirten Parteibetriebes" bezeichnen (gegen dieses System Seuffert in Busch 17 S. 278ff.; vgl. auch Bierhaus das. 15 S. 463 ff.). In der Hauptsache nämlich legt sie zwar, wie namentlich der an die Spitze gestellte § 166 «giebt, den Grundsatz des unmittelbaren Prozeßbetriebes durch die Parteien zu Grunde (vgl. N. E. § 235). Der Grundsatz «leidet aber, wie auch die Mot. hervorheben, sehr wesentliche Abänderungen, und zwar: I) hinsichtlich der Einleitung des Prozesses, indem bei der Einleitung eines Rechts­ streits bezw. einer Instanz der Vorsitzende des Gerichts durch Anb«aumung eines Ver­ handlungstermins mitzuwirken hat (vgl. §§ 216, 261, 340 Rr. 3, 495, 497, 518 Nr. 3, 553 Nr. 3, 585, 608, 653); II) hinsichtlich der Fortführung des Rechtsstreits bis zum EndurtheU, indem: a) das Gericht regelmäßig für sofortige Anberaumung der nothwendig werdenden fern«en Termine, sei es zur Fortsetzung der Verhandlung, sei es zur Beweisaufnahme vor dem Prozeß­ gerichte od« einem anderen Gerichte, Sorge trägt (vgl. §§ 136 Abs. 3, 310, 349, 351, 352, 358, 361—363, 370, 523, 557, 587) — im Gegensatz zum sogen. DesaisirungSprinzip deS stanz. RechtS; b) der beschlossene Beweis von Amtswegen auch beim Ausbleiben d« Parteien aufge­ nommen wird (§§ 367, 368); c) die Ladung der Zeugen und Sachverständigen sowie die Herbeischaffung von Urkunden, welche sich in dem Besitze einer andern Behörde befinden, auf Betteiben des Gerichts erfolgt (§§ 377, 402, 432); III) hinsichtlich der Zustellungen, indem: a) int Parteiprozesse allgemein und im Anwaltsprozesse in Ansehung der Zu­ stellungen, durch welche eine Nothstist gewahrt werden soll, die Partei den Aufttag zur Vor­ nahme der Zustellung durch Bermittelung des Gerichtsschreibers ertheilen kann (§ 166 Abs. 2) und hierfür sogar in Ermangelung einer gegentheiligen Erklärung eine Vermuthung spricht (88 168, 497, 501). b) die Ausführung der Zustellung int Auslande, an Exterritoriale und mittels öffentlicher Bekanntmachung von Amtswegen und ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers geschieht (88 199 ff., 203 ff.); c) nicht verkündete Beschlüsse und Verfügungen des Gerichts den Parteien von Amtswegen zugestellt werden (8 329);

192

Erstes Buch.

Allgem. Besttmmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 166.

d) Urtheile in Ehesachen (§ 625) den Parteien und Beschlüsse in Entmündigungs­ sachen (§§ 659, 660, 662, 678, 683, 685) dem Antragsteller u. s. w. von Amtswegen zugestellt werden; e) nach den §§ 829 Abs. 2 und 835 Abs. 3 der Gerichtsvollzieher nach der Zustellung eines Pfändungs- bezw. UeberweisungsbeschlusseS an den Drittschuldner den betr. Beschluß sofort (d. h. ohne daß er eines Auftrags des Gläubigers bedarf) dem Schuldner zu­ zustellen hat. Wegen der Zwangsvollstreckung s. d. allg. Bem. z. Buch 8 Abschn. 1. 2) Die Vorschriften der CPO. über Zustellungen finden auch im Konkursverfahren (KO. § 72) sowie in Strafsachen (StPO. § 37) Anwendung. 3) Daß die bestehenden Einrichtungen des Zustellungswesens unzulänglich seien, wurde in der RTK. f. d. Nov. (Kom.-B. S. 69) vom Reg.-Bertt. ausdrücklich anerkannt, doch wurde ein Anttag auf grundsätzliche Umgestaltung der Zustellungen aus Betreiben der Parteien, der namentlich in allen Fällen die Anrufung der Bermittelung des Gerichtsschreibers gestatten wollte, abgelehnt. In der RTK. werde darauf hingewiesen, daß über die Berbesserungsbedürftigkeit des Zustellungswesens, besonders in Bezug auf Vereinfachung und Verbilligung überall Einmüthigkeit herrsche, doch sei eine Umgestaltung ohne Eingriff in den prozessualen Hauptgrund­ satz des Parteibetriebes nicht möglich. Die Bemühungen zur Herbeiführung einer durchgreifenden Umgestaltung sind daher noch nicht abgeschlofien, und die Nov. ist im Wesentlichen dem Ent­ wurf (III) gefolgt, dessen grundsätzliche Richtung in der Begr. wie folgt ausgesprochen ist: „Bon dem Standpunkte des Entwurfs kann eine Beseitigung des Parteibetriebs und folgeweise eine durchgreifende Umgestaltung der darauf beruhenden ZustellungsVorschriften nicht in Frage kommen. Vielmehr handelt es sich nach dieser Richtung nur darum, gegenüber einzelnen als besonder- drückend empfundenen Mißständen Ab­ hülfe zu schaffen. Dagegen läßt sich für die Zustellung von Amtswegen im Anschluß an die Vorschriften des Ges. betr. die Gewerbegerichte eine wesentliche Vereinfachung erreichen. Der Uebersichtlichkeit halber giebt der Entwurf die Bestimmungen über die Zustellungen auf Betreiben der Parteien in zusammenhängender Reihenfolge und stellt im Anschluß hieran die für die Zustellungen von Amtswegen geltenden Abweichungen fest. Die hieraus sich ergebenden Fassungsänderungen im § 166 Abs. 1, § 170 Abs. 2, § 190 Abs. 4 und § 191 Nr. 2 bedürfen einer besonderen Erläuterung nicht." Dementsprechend ist jetzt der zweite Titel in zwei Abtheilungen eingetheilt: I. Zustellungen auf Betteiben der Parteien, II. Zustellungen von Amiswegen. Die erstere enthält die bisherigen Vorschriften mit verschiedenen Zusätzen und Verbesserungen (s. §§ 166, 168, 177, 179, 183, 185 187, 188, 191, 194, 204; vgl. auch Schmidt, Ergänz. S. 50). Die zweite Abtheilung ist neu, indem nur die Besttmmungcn der §§ 210, 212 Abs. 2 in den bisherigen §§ 156 Abs. 2, 173 Abs. 4 mitenthalten waren. §

166.

1) Die Zustellung (über deren Begriff vgl. § 170 Abs. 1) durch Gerichts Vollzieher ist an die Spitze gestellt. Daneben besteht jedoch als völlig gleichberechtigt die Zustellung durch die Post (§ 193 ff.). Die letztere Art der Zustellung ist erst in Folge eines BundesrathSbeschluffes nach dem Vorbilde Preußens u. A. in den Entwurf III aufgenommen. Daraus er­ klärt sich, daß die Zustellung durch Gerichtsvollzieher scheinbar die Regel, die durch die Post die Ausnahme bildet (in § 166 heißt es „erfolgen", in § 193 „können erfolgen"), während in Wirklichkeit beide gleiche Bedeutung haben (vgl. § 197). So ist das Verhältniß auch in den Mot. und der RTK. aufgefaßt (vgl. Prot. S. 430 f.). Vgl. § 196 Anm. 2. — Durch die Nov. sind in Abs. 1 die Worte „von den Parteien zu betreibenden" hinzugefügt, vgl. oben Vor­ dem. 3. Zustellungen durch andere Personen, z. B. Notare, sind in Prozeßsachen unzulässig, deSgl. Zustellungen durch den Telegraphen (Mot. S. 142, ob LG. f. Bayern in S. A. 51 Nr. 237; vgl. jedoch § 929 Anm. 2, RG. in S. A. 40 Nr. 82).

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 166.

193

Als befonberc Zustellungsformen kennt die CPL. die von Anwalt zu Anwalt (§ 198), mittels Ersuchens von Behörden (§§ 199—202), durch öffentliche Bekanntmachung (§§ 203—207). 2) Die Gerichtsvollzieher sind nach der Stellung, welche ihnen in diesem Titel — und namentlich in dem achten, von der Zwangsvollstreckung handelnden Buche (vgl. bes. § 753 Anm. 1) — angewiesen ist, öffentliche Beamte, welche in der Regel nicht nach den ihnen für den einzelnen Fall ertheilten Weisungen des Gerichts, sondern int unmittelbaren Austrage der Prozeßparteien nach den Borschristen des Gesetzes unter eigener Prüfung der Zulässigkeit des Auftrags und unter eigener Verantwortlichkeit gegen den Auftraggeber handeln. — Die nähere Regelung ihrer Dienst- und Geschäftsverhältnisse ist nach GBG. § 155 den Landesjustizverwal­ tungen bezw. deut Reichskanzler überlassen (vgl. das. Anm. 3). Hierher gehört auch die Zu­ ständigkeit der Gerichtsvollzieher: hinsichtlich der Zustellung durch die Post vgl. jedoch § 194 Anm. 2. Ein Mangel der Zuständigkeit begründet Ungültigkeit der Zustellung, kann aber nach § 295 getheilt werden (vgl. §§ 170—206 Anm. 1 Abs. 1; s. jedoch auch Abs. 2). Zur Beauftragung eines zuständigen GB. ist der von der Partei angegangene unzuständige GB. nicht ohne Weiteres berechtigt (A.M. Gaupp I S. 362, Wilm. Levy Anm. 2). — Denjenigen, welchem prozessualisch richtig zuzustellen ist (s. §§ 171, 173, 174, 176—179), ausfindig zu machen und zu bezeichnen, ist nicht Sache des Gerichtsvollziehers, sondern des Auftraggebers (Planck I S. 138, Gaupp I S. 370). Ob der Gerichtsvollzieher und das in Betracht kommende Prozeßgericht demselben oder ver­ schiedenen Bundesstaaten angehören, ist unerheblich (GBG. § 161). Wegen der Gebühren der Gerichtsvollzieher für Zustellungen f. GO. f. GB. §§ 2, 3, wegen der Auslagen §§ 13, 14 das. 3) Abs. 2: Die bisherige Bestimmung lautete: „In Anwaltsprozessen ist der Gerichtsvollzieher unmittelbar zu beauftragen, in anderen Prozessen nach der Wahl der Partei entweder unmittelbar oder unter Ber­ mittelung des Gerichtsschreibers des Prozeßgerichts." Satz 1: In dem Verfahren vor den Amtsgerichten ist jeder Partei die Wahl ge­ lassen, entweder den Gerichtsvollzieher unmittelbar mit der Zustellung zu beauftragen oder den Gerichtsschreiber (des Prozeß- oder Vollstreckungsgerichts) anzugehen, für die Zu­ stellung Sorge zu trogen. Hat die Partei dem Gerichtsschreiber nicht ausdrücklich erklärt, den ersten Weg einschlagen zu wollen, so ist nach § 168 anzunehmen, daß sie den zweiten Weg ge­ wählt habe. (Vgl auch §§ 497, 501.) Der Gerichtsschreiber hat alsdann seinerseits einett Gerichtsvollzieher mit der Zustellung zu beauftragen (§§ 166 Abs. 2, 168; GBG. § 162) oder unmittelbar die Post um Bewirkung der Zustellung zu ersuchen (§ 196 Anm. 2). Daß damit nicht die Befugniß der Partei hat bestritten werden sollen, den einen oder anderen Weg in bestimmter Weise vorzuschreiben, geht schon aus der in § 196 Anm. 2 a. E. enthaltenen Be­ merkung hervor (Wilm. Levy Anm. 4 a. E., Petersen Nr. 3 u. A.). Der Gericht-schreiber gilt in diesen Fällen gleichfalls als im Auftrage der Partei, nicht des Gerichts, handelnd (A.M. RG. 17 S. 391, Gaupp I S. 360). In manchen Fällen ist allerdings der Wille der Partei, eine Zustellung besorgen zu lassen, mit Nothwendigkeit vorauszusetzen (vgl. z. B. §§ 70, 73, 250, 689, 829, 750), weil erst die Zustellung der anderweit ausgedrückten Absicht Genüge leistet. Aber keineswegs ist dies stillschweigend trotz § 317 Abs. 1 für die Zustellung amtsgerichtlicher Urtheile überhaupt anzunehmen. fBgl. Kurlbaum in Gruchot 24 S. 62 ff. (gegen Meyer das. S. 50 ff.), Schmidt, Ergänz. S. 50, Wilm. Levy § 154 Anm. 2, Seusfert § 154 Anm. 2, v. Kräwel in Busch 3 8. 476 ff. u. A.j Wegen de- Mahnver­ fahrens f. § 693 Anm. 1. DaS Gleiche gilt nach deut neuen Satz 2 für Anwaltsprozesse in Ansehung der Zu­ stellungen, durch welche eine Nothsrist (§§ 339, 466, 516, 552, 577, 586, 958, 1044) gewahrt werden soll. Diese Borschrift steht in Verbindung mit §§ 168, 207 Abs. 2 und soll nach der Begr. verhüten, daß namentlich die Frist für Einspruch, Berufung und Revision durch BerStruckmann u. Koch, Civilprozeßordnung. 7. Stuft. 13

194

Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 166.

zögerung oder Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift nicht gewahrt wird. Im Anschluß an die bisherige Vorschrift des § 190 (alt) bestimmt deshalb § 207 Abs. 2 (s. das. Anm. 2), daß für die zur Wahrung einer Nothfrist erforderlichen Zustellungen, die unter Bermittelung des Gerichtsvollziehers erfolgen, die Wirkung der Zustellung mit der Einreichung des Schriftsatzes bei dem Gerichtsschreiber eintritt, wenn die Zustellung innerhalb zwei Wochen nach der Einreichung erfolgt. Die Begr. bemerkt: „Um diese Erleichterung allgemein verwerthbar zu machen, läßt § 166 Abs. 2 die Bermittelung des Gerichtsschreibers für Zustellungen, durch welche eine Nachfrist ge­ wahrt werden soll, in den Anwaltsprozessen ebenfalls zu; auf diese Zustellungen findet damit auch die Vorschrift des § 196 Anwendung, wonach der Gerichtsschreiber unmittelbar die Post um die Bewirkung ersuchen kann. Die Partei ist hiernach in der Lage, sich gegen die Versäumung der Nothfrist dadurch zu schützen, daß sie den Schristsatz innerhalb der Frist zur Terminsbestimmung einreicht. Allerdings muß noch die weitere Voraussetzung hinzukommen, daß die Zustellung demnächst vor Ablauf von 2 Wochen erfolgt. Diese Beschränkung erscheint um deswillen geboten, weil sonst die Partei für die Fälle, in denen unter Vermittelung des Gerichtsschreibers ein Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt wird, freie Hand hat, durch Weisungen an den letzteren die Ausführung der Zustellung beliebig hinzuziehen und damit zum Nachtheile des Gegners die Sache in der Schwebe zu erhalten. Gleichwohl sichert die Vorschrift der Partei wesentliche Vortheile, namentlich ist der Zeitraum von 2 Wochen ausgiebig genug, um die Verbesserung etwa vorgekonunener Verstöße im Wege recht­ zeitiger Wiederholung der Zustellung zu gestatten." Abgesehen hiervon ist in Anwaltsprozessen die unmittelbare «d. h. ohne Ver­ mittelung des Gerichtsschreibers geschehende) Beauftragung des Gerichtsvollziehers nothwendig. Dagegen unterliegt der Betrieb der Zustellung, insbesondere von Urtheilen, nicht dem An­ waltszwange und kann daher auch durch die Partei selbst oder einen anderen Vertreter erfolgen MG. 17 S. 392 wer. Civilst), 415, 24 S. 419, 30 S. 393, in I. W. 1837 S. 25, 255, in S. A. 38 Nr. 263; vgl. 88 78 Anm. 3, 170 Anm. 4, Wilm. Levh $ 74 Anm. 3, Seuffert § 74 Anm. 2, Gaupp I S. 206, 362, Planck II S. 124 N. 26 u. A. Abw. Wach I S. 608 vbd. mit S. 612, welcher verlangt, daß die Partei Namens des Anwalts zustellen lasse.) Sie kann jedoch nicht erfolgen, wenn das Verfahren nach § 244 unterbrochen ist RG in Gruchot 41 S. 1172). 4) Auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter als solches (vgl. jedoch 88 350 Anm. 2, 351 Anm. 3j findet die Zustellung unter Vermittelung des Ge­ richtsschreibers nicht Anwendung. (Gaupp I S. 362, Seusfert Anm. 3, Petersen, 4. Aust. Nr. 1 u. A. AM. Sarwey I S. 248, 273, Kleiner I S. 566, welche mit Unrecht unter „Anwaltsprozeß" bloß dasjenige Verfahren verstehen, für welches nach § 78 Abs. 1 An­ waltszwang bestehe.) Ter § 78 ergiebt nach der im Abs. 1 gegebenen Begriffsbestimmung deutlich, daß „Anwaltsprozeß" ein Prozeß tut Ganzen ist, in welchem sich die Parteien bind) einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten vertreten lassen müssen, und daß innerhalb dieses Anwaltsprozesses die Vorschrift des Abs. 2 eine Aus­ nahme bildet, keineswegs aber das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter — oder auch die vor dem Gerichtsschreiber vorzunehmenden Prozeßhandlungcn — im Gegensatz zum Anwaltsprozesse gedacht ist. Auch wo sonst der Ausdruck „Anwaltsprozeß" in der CPO. vorkommt (vgl. z. B. 88 87, 129 Abf. 1, 130 Nr. 6, 137 Abs. 4, 170 Abs. 2, 244; s. auch GBG. § 189 Abs. 2), umsaßt er dem ganzen Zusammenhange nach zugleich das im Laufe eines solchen Prozesses vorkommende Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter im Gegensatz zu dem Ausdruck „insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist" (vgl. z. B. 88 79, 83, 68, 90, 115 Nr. 3), welcher außer dem Verfahren vor den Amts­ gerichten auch dasjenige vor einem beauftragten oder ersuchten Richter in sich schließt. Zu der Annahme, daß von dieser durchgehenden Ausdrucksweise in 8 166 abgewichen sei, liegen hin­ reichende Gründe nicht vor. Insbesondere sprechen die Mot. (S. 144) nicht dafür.

Zweiter Diel.

Zustellungen.

§9 167, 168.

195

§ 167. (153.) Die mündliche Erklärung einer Partei genügt, um den Gerichts­ vollzieher zur Vornahme der Zustellung, den Gerichtsschreiber zur Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung zu ermächtigen. Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, so wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß dieselbe im Auftrage der Partei er­ folgt sei. R. Gut». 8 260. Entw. I. § 146. Glitt». II. § 147. Gell». HL 8 147. M»l. 6.144, 145. fteet. ®. 57.

§ 168. (154.) Insoweit eine Zustellung unter Vermittelung des Gerichts­ schreibers zulässig ist, hat dieser einen Gerichtsvollzieher mit der erforderlichen Zustellung zu beauftragen, sofern nicht die Partei erklärt hat, daß sie selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen wolle; in Anwaltsprozessen ist die Erklärung nur zu berücksichtigen, wenn sie in dem zuzustellenden Schriftsatz enthalten ist. W. Gntto. 88 261, 601. Guttu. I. 8 147. Gatt». II. § 148. Eutw. III. 8 148. Mot. 6.148. Prot S. 63, 64. - «ov., . Daß alle sonstigen landcsgesetzlichen Vorschriften über prozessuale Restitutionen, z. B. wegen Abwesenheit, Irr­ thums. durch die EPO. ausgehoben sind, betrachten die Mot. mit Recht als selbstverständlich. Vgl. EG. z. EPL. 8 14 Abs. 1. «A.M. Hellmann I S. 581.) 2) Der Abs. 2 bestimmt [tu Durchführung des in 8 85 ausgesprochenen Grundsatzes (vgl. Wach I S. 562 ff.-, jedoch int Widerspruch mit dem gem. Recht «Wetzell S. 679)], daß eine von einem Vertreter verschuldete Bersäutnung auch für die Partei selbst niemals als eine unverschuldete anzusehen ist «vgl. § 233 Anm. 2 a. E. u. BGB. 88 166, 278; so auch RG 3 S. 419, 439 u in S. A. 35 Nr. 182, 38 Nr. 270). Anders bei unverschuldeten Hinder­ nissen «vgl. § 235 Anm. 6). Bei grobem Verschulden können jedoch die dadurch entstandenen Kosten dem Vertreter (oder Bevollmächtigten» unmittelbar auferlegt werden (8 102). — Ueber den Begriff „Vertreter" vgl. 8 189 Anm. 1, RG in I. W. 1898 S. 350. Der Zustellungs­ beamte «Gerichtsvollzieher, Gerichtsdiener, Postbote it. s. w.) fällt nicht darunter (RG. 10 S. 362, Jastrow im c. A. 68 S. 371. AM. Frh. v. Welck in Gruchot 36 S. 538), auch nicht der die Zustellung vermittelnde Gerichtsschreiber (Gaupp I S. 443, Seusfert Anm. 3), wohl aber der Zustellungsbevollmächtigte (§ 174) [Seusfert, Gaupp I S 442, Petersen Nr. 3 u. A. A.M. Hellmann I S. 581], welcher in § 189 Abs. 2 besonders genannt ist.

Vierter Titel. Folgen d. Versäumung* Wiedereinsetzung in d. vorigen Stand. § 233.

251

§ 233. (211.) Einer Partei, welche durch Naturereignisse, oder andere un­ abwendbare Zufälle verhindert worden ist, eine Nothfrist einzuhalten, ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen. Hat eine Partei die Einspruchsfrist versäumt, so ist ihr die Wiedereinsetzung auch dann zu ertheilen, wenn sie von der Zustellung des Bersäumnißurtheils ohne ihr Verschulden keine Kenntniß erlangt hat. R. Cntw. 8 289. E,tw. I. - e«h». IL § 199. ent*, m. 6 204. «ot. 6. 171-178. Prot. 6. 75. 8 233 Literatur: Bolgiano S. 455 ff., Hellmann Lehrb. S. 791, Bunsen in Busch 5, S. 249 ff., v. Canstein das. 16 S. 1 ff., Ude in Gruchot 29 S. 799 ff., Hergenhahn das. 39 S. 332 ff., Fitting § 37, Schmidt, Lehrb. § 62. 1) Tie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum, prozessuale Restitution) ist beschränkt auf Versäumung von Noth fristen (vgl. d. allg. Bem. zu Titel 4) und innerhalb dieses Bereichs, abweichend vom gemeinen Prozesse (Wetzell S. 676 ff., Renaud S. 600 ff.), an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft, welche auf der einen Seite geeignet er­ scheinen, Schutz gegenj den besonders int gem. Recht hervorgetretenen Mißbrauch zu gewähren, ohne auf der andern Seite Abhülfe für diejenigen Fälle auszuschließen, in denen die Partei in Bezug auf die Versäumung kein Verschulden trifft und mithin die Versagung des RechtsbehelsS dem formellen Rechte aus Kosten des materiellen den Sieg verschaffen würde, wie solches namentlich nach dem Code de proc. und dem altpreußischen Rechte, welche eine Restitution gegen den Fristen­ ablauf gar nicht, auch nicht bei den Nothfristen, kennen, leicht der Fall sein kann. 2) Alleiniger Wiedereinsetzungsgrund ist — abgesehen von § 235 — ein unabwend­ barer Zufall, durch welchen die Partei bezw. ihr Vertreter (vgl. RG. 2 S. 424, Endemann I S. 616 u. A.) an der Jnnehaltung der Frist gehindert ist. „Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird —------- dem RestitutionSgrunde nach aus Naturereignisse und andere unabwendbare Zufälle (via major) eingeschränkt. - — Während der Begriff deS „Mangels an Verschulden" leicht einer laxen Interpretation ausgesetzt ist, hat das Erforderniß der vis major bereits auf dem Gebiete des Handelsrechts (HGB. Art. 395) Eingang und bestimmte Anwendung gefunden; durch die Beifügung des Beispiels „Naturereignisse" erhält die Recht­ sprechung einen ferneren festen Anhalt. Die sonach nur für ungewöhnliche Fälle Raum laffende Schranke" u. s. w. (Mot.). Hiernach wird man annehmen dürfen, daß — worauf auch schon der juristische Sprachgebrauch hinweist — „unabwendbarer Zufall" mit „höherer Gewalt" oder „vis mqor*‘ begrifflich übereinstimmt, und daß die Bedeutung, welche der Ausdruck „höhere Gewalt" im BGB. §§ 203, 701, 1996 und im HGB. § 456 (vgl. auch Ges. betr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe v. 25. Okt. 1867 § 16 (RGBl. S. 35), Postges. v. 28. Oft. 1871 § 11 Nr. 2 (RGBl. S. 347), Haftpslichtges. v. 7. Juni 1871 § 1] hat, hier gleichfalls zutrifft (vgl. RG. 2 S. 424, 426, 4 S. 383, S. A. 36 Nr. 180; Planck, BGB. I §203 Anm. I; Ude S. 780 ff.; Goldschmidt in s. Zeitschr. für HR Bd. 3 S. 86 ff., Bd. 16 S. 334 ff., Dernbnrg in Grünhut 11 S. 335 ff.. Exn er das. 10 S. 497 ff. (auch als Sonderabdruck: Der Begriff der höheren Gewalt. Wien 1883), Huber, Z. Begriff d. höheren Gewalt. Bern 1885, Haffner, Begriff der höheren Gewalt Zürich 1886, Gerth. T. Begriff d. Vis major. Berlin 1890, Stucki, Begriff der höheren Gewalt (u. darüber Bruckner in Strit. B. 36 S. 387 ff.),Baron im c. A. 76 S. 203 ff., v. Holländer, Vis major als Schranke der Haftung nach röm. R. Jena 1892, Stammler im sächs. Arch. 3 S. 65 ff., Stinzing, Über vis major im Zusammenhang mit periculum und Haftung im c. A. 81 S. 427 ff., Rümelin, Der Zufall im Recht. Freiburg 1896, Windscheid, Pand. II § 384 N. 6; ROHG. 2 S. 259; 8 S. 30, 163; 13 S. 71, RG. 1 S. 278, 11 S. 146, 14 S. 82, 21 S. 13, in I. W. 1888 S. 197, in S. A. 43 Nr. 96 (gegen d. Rechtsprechung d. RG. v. Canstein a. a. O.Y|. Insbesondere folgt daraus, was übrigenschon aus der Aufführung „anderer unabwendbarer Zufälle" neben „Naturereignissen"

252

Erste- Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 234.

§ 234. (212.) Die Wiedereinsetzung mutz innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hinderniß gehoben ist; sie kann durch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden. hervorgeht, daß der Zufall nicht bloß durch Naturgewalt, sondern auch durch Menschenhand herbeigeführt sein kann, wenn nur alle- gethan ist, was bei äußerster nach Lage der Sache ver­ nünftiger Weise zu erwartender Vorsicht gethan werden mußte, um das Geschehene zu verhindern; vgl. RG. 2 S. 426, 8 S. 375, 12 S. 375, 17 S. 389, in I. W. 1890 S. 178, 1893 S. 423, 1895 S. 223, 1896 S. 596 (aber auch 1899 3. 3 u. Gruchot 26 S. 123) (unbegründete Ver­ sagung des Armcnrechts], in S. A. 43 Nr. 231 ^unvorhergesehener frühzeitiger Büreauschluß], 45 Nr. 223, 48 Nr. 67, in I. W. 1888 S. 406, 1889 S. 18, 138, 1890 3. 151 (Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten; s. aber auch RG. 2 S. 424], 1891 S. 222, 1892 S. 461, 1893 з. 345, 382, 1894 S. 179, 1896 S. 228, 334 (unrichtige Briesabgabe], 1897 ©. 107 (nicht ordnungsmäßiger Geschäftsgang aus der Gerichtsschreiberei], 602, OLG. Braunschweig in Busch 7 S. 100, ob.LG. f. Bayern in S. A. 39 Nr. 249. Nicht jedes unver­ schuldete Hinderniß, sondern nur ein solches genügt, welches in äußeren unabwendbaren Ereignissen seinen Grund hat (Planck a. a. £.). Die bloße Abwesenheit alles Ver­ schuldens — wie nach H. E. § 205 — reicht daher zur Begründung der Wiedereinsetzung nicht au- (vgl. jedoch Abs. 2), noch weniger ein Rechtsirrthum. (Vgl. auch Ude 3. 785 s.» Ein Verschulden der Partei liegt übrigens schon darin, daß sie das, was sie zur Wahrung der Frist zu thun hat, bis zur letzten Stunde aufschiebt. In solchen Fällen können daher Ereignisse wie Verspätung eines Eisenbahnzuges, einer Beschlußfassung rc., keinen Wiedereinsetzungsgrund bilden (RG. 4 S. 385, 8 S. 375 u. in Blum, Urth. u. Ann. 2 S. 427; vgl. auch RG in I. W. 1893 S. 470, 1897 3. 342, 1898 3. 6, 155, 599). Ebensowenig bildet das Verschulden den Prozeßbevollmächti gten allein einen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. RG. 3 S. 421, 439, in 3. A. 44 Nr. 54, 47 Nr. 294, 48 Nr. 213 и. §§ 232 Anm. 2, 235 Anm. 7). Andererseits ist, wenn die Partei nichts versäumt hat, auch das Versehen des bestellten Armenanwalts genügend (RG. in Gruchot 29 3. 1078). 3) In A b s. 2 ist den unabwendbaren Zufällen der — unter Umständen ohnehin schon darunter zu begreifende — Fall gleichgestellt, wenn die Versäumung der Einspruchsfrist, welche nach § 339 zu den Nothfristen gehört, dadurch herbeigeführt wird, daß die säumige Partei chezw. ihr Vertreter; vgl. § 232 Abs. 2, OLG. München in Busch 6 3. 100ff.) von der Zustellung des Versäumnißurtheils ohne ihr «bezw. sein) Verschulden keine Kenntniß erlangt hat; vgl. RG. in I. W. 1895 3. 199 Nr. 6. Die Vorschrift dient zum Schutze des materiellen Rechts, weil nach dem Zustellungswesen der CPO., nach welchem nicht immer der Partei in Person zuzustellen ist. die Möglichkeit nicht ausgeschlossen bleibt, daß die Partei weder die Zu­ stellung der Klage noch die des Versäumnißurtheils erfährt (Nordd. Prot. 3.405, Mot. 3.86). Ob ein Verschulden vorliegt, hat das Gericht nach den Umständen des Falls frei zu würdigen (vgl. § 95, v. Böldcrndorff in Busch 2 S. 226 ff.: s. auch v. Kräwel das. 3 3. 450, SBi 1 m. Levy § 210 Anm. 3, OLG. München a. a. O. 3. 103 f ). Dem zunächst hier gemeinten Falle, wo die säumige Partei erst nach Ablauf der Ein­ spruchsfrist von der Zustellung des Versäumnißurtheils Kenntniß erhält, steht der Fall gleich, wo sie zwar innerhalb der Einspruchsfrist, aber so spät diese Kenntniß erhält, daß sie nicht mehr zeitig Einspruch erheben kann, während auf sonstige Fälle, wo sie bezw. ihr Vertreter (auch ihr Zustellungsbevollmächtigter) innerhalb jener Frist Kenntniß erlangt, die Regel des Abs. 1 anzuwenden ist (Seuffert Anm. 2, Petersen Nr. 6, Wilm. Levy Anm. 3). § 234 1) Die Frist ist keine Nothsrist, und gegen ihren Ablaus findet mithin nach § 233 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht statt (restitutio restitutionis non d&tur). (So

Vierter Titel. Folgen b. VersLmmmg. Wiedereinsetzung in d. vorigen Stand. § 235.

253

Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Nothfrist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. SL Cat*. | 3*2. Cat*. L - Cat*, n | 300. Cat*. HL l 305. Hat. C. 173. CteL G. 75, 70.

§ 235. (213.) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver­ säumung einer Nothfrist ist der Partei auf Antrag auch dann zu ertheilen, wenn spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Nothsrist das zur Wahrung derselben zuzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher oder, sofern die Zustellung unter Bermittelung des Gerichtsschreibers erfolgen soll, dem Gerichtsschreiber zum Zwecke der Zustellung übergeben ist. Das Gleiche gilt, wenn die Versäumung der Nothfrist da­ durch veranlaßt worden ist, daß das angefochtene Urtheil den Prozeßbevollmächtigten des Gegners unrichtig bezeichnet. In den Fällen des Abs. 1 muß die Wiedereinsetzung innerhalb einer einmonatigen Frist nach Ablauf der versäumten Nothfrist beantragt werden. 9t. cot». — Cttt». I. lt. II. - Cat», m. - «ot. - Prst. C. 65-69, 76. 111, 112, 123-125, 535, 536, 666. 168. CU*. C. 2, 3. - 9*0., C- HI: g 218; vegr. 6. 100; Ko«.'v. C. 77 f.

auch RG in I. W. 1893 S. 382, 1897 S. 4, Bolgiano S. 459, Gaupp I S. 446 u. A. A.M. Siebenhaar S. 228.] Anders H. E. § 207, N. E. § 292. Ueber die Hemmung des Laufs durch die Gerichtsferien vgl. § 223. Der Antrag kann auch vor Beginn der Frist gestellt werden (vgl. OLG. Hamburg in S. A. 39 Nr. 142). 2) Abs. 2: Die Frist beginnt, sobald die Partei im Stande ist. die Handlung vorzunehmen, bezw. im Falle des § 233 Abs. 2 Kenntniß von der Zustellung des VersäumnißurtheilS erlangt hat oder durch ihr eigenes Verschulden in Unkenntniß davon verblieben ist (vgl. RG. 6 S. 344). Auch dieser Zeitpunkt ist von dem Nachsuchenden glaubhaft zu machen (vgl. RG- 31 S. 400, § 236 Abs. 1 Nr. 2). Wird der Partei auf ihre Beschwerde das Armenrecht bewilligt, so ist mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses an den beigeordneten Rechtsanwalt das Hinderniß der Einlegung des Rechtsmittels in der Regel als gehoben anzusehen (RG. 41 S. 367). — Die Frist ist — abgesehen von den Nothfristen (vgl. § 251 Sinnt. 3) — die einzige Frist, welche nicht durch Vereinbarung der Parteien verlängert werden kann (vgl. § 224 Abs. 1). Wegen de- ver­ einbarten Stillstandes s. § 251 Sinnt. 3. 3) Die Bestimmung des Abs. 3 beruht, ebenso wie der Ausschluß der Wiedereinsetzung gegen den Slblaus der Frist (Abs. 1) und das Verbot der Verlängerung der Frist durch Verein­ barung der Parteien, auf dem Bestreben, dem Mißbrauche der Wiedereinsetzung vorzubeugen. Sowohl innere Gründe wie die absolute Fassung des Abs. 3 „sann — nicht mehr" tu Verbindung mit der Stellung hinter dem Abs. 2 sprechen dafür, daß auch die einjährige Frist des Abs. 3 durch Vereinbarung nicht verlängert werden kann (Seuffert Sinnt 3, Gaupp I S. 446, Petersen Nr. 2, Schwalbach im c. A. 66 S. 277 u. A. A.M. Hellmann I S. 385). Hieraus folgt aber nicht, daß ein Gleiches in dem besonderen Falle des § 235 Abs. 3 gilt. Vgl. 8 235 Sinnt. 6. 8 235. 1) Dem § 235 liegt die Erwägung zu Grunde, daß eine Partei, die spätestens ant dritten Tage vor Slblaus der Nothfrist das zu deren Wahrung zuzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher bezw. Gerichtsschreiber übergeben hat, ihrerseits alles zur Wahrung der Frist Erforderliche gethan habe, und daß deshalb ihr materielles Recht nicht unter dem Versehen der gedachten Person leiden dürfe. Der betreffende Fall ist mithin aus einem ähnlichen Grunde, wie der Fall des § 233 Abs. 2, einem unabwendbaren Zufalle gleichgestellt. Die Partei hat nicht alles zur Wahrung der Frist Erforderliche gethan, wenn der ertheilte Auftrag unvollständig war, z. B. nicht ersehen ließ, ob die Zustellung an den Gegner oder deffen Prozeßbevollmächtigten erfolgen sollte (RG. 16 S. 365; vgl. aber auch hinsichtlich einer zu Protokoll des Gericht--

254

Erste- Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

schreiberS erklärten Klage Busch 14 S. 487 u. andererseits das. 8 S. 516). § 235 hervorgerufenen Streitfragen erörtert B unsen a. a. £.]

§ 235.

(Einige der durch

Mit dem durch die Nov. eingefügten Abs. 2 des § 207, der die Möglichkeit gewährt, eine Nothfrist dadurch zu wahren, daß das zuzustellende Schriftstück noch am letzten Tage der Frist dem Gerichtsschreiber behufs Bermittelung der Zustellung übergeben wird, steht § 235 nicht int Widerspruch. Im § 207 Abs. 2, der einen Fall der Wahrung der Nothfrist betrifft, wird die Zustellung des Schriftsatzes innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Uebergabe an den Gerichtsschreiber vorausgesetzt, während § 235 die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Nothfrist ohne Rücksicht auf die Zustellung (t>gl. Anm. 4j gewährt (vgl. § 207 Anm. 2, Kom.-B. S. 78). 2) Die Vorschrift gilt für Anwaltsprozesse wie für amtsgerichtliche Prozesse. Sie gilt nicht hinsichtlich der Nothstist für die sofortige Beschwerde, weil diese nicht durch Zustellung eines Schriftsatzes gewahrt wird (§§ 569, 577; A. Förster Anm. 4, Ude a. a. £. S. 788 ff.). 3) „der Partei" — bezw. dem Vertreter (vgl. § 233 Anm. 2 u. 3). „wenn spätestens — der Nothfrist" — d. h. zwei volle Kalendertage müssen zwischen dem Tage der Uebergabe des Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher bezw. Gerichtsschreiber und dem Zeitpunkte (nicht Tage), an welchem die Nothsrist abläuft, liegen und daher dem Gerichtsvollzieher zur Zustellung frei bleiben [9U9. 7 S. 315 u. im D. RAnz. 1882 bes. Beil. 3 S. 4, S. A. 37 Nr. 255, Ude ei. a. £. S. 787 s., Wilm. Levy Anm. 2, Planck I S. 516 N. 93, Schmidt, Lehrb. § 62 N. 2b, A. Förster Anm. 2d ^welcher unsere Ansicht nicht richtig auffaßt); jetzt auch Fitting § 37 N. 17]. Hinsichtlich des Beweises des Zeit­ punkts der Uebergabe an den Gerichtsvollzieher bezw. Gerichtsschreiber vgl. § 169 Abs. 2 und Anm. dazu. Ein dem Gerichtsschreiber des Amtsgerichts zun: Zwecke richterlicher Terminsbestimmung und demnächstiger Zustellung übergebenes Schriftstück (vgl. § 216) ist erst mit dem Erlasse der Terminsbestimmung als dem Gerichtsschreiber zum Zwecke der Zustellung übergeben anzusehen (vgl. Jastrow in Busch 8 S. 299 ff., Planck II S. 592, A. Förster Anm. 2c. AM. Wilm. Levy Anm. 2 a. E., Gaupp I S. 447 N. 6). Vgl. jedoch auch § 207 Abs. 2. Eine Säumniß deS Vorsitzenden oder des Gerichtsschreibers steht der Wiedereinsetzung nach 8 233 nicht entgegen ,Alexander-Katz in Busch 7 S. 509). „das -- zuzustellende Schriftstück" — und zwar mit der erforderlichen Zahl von Abschriften (8 169 Abs. 1). sSo auch Gaupp I S. 447, Petersen Nr. 1, Wilm. Levy Anm. 2, Ude n. n. £. S. 791 u. A. Abw. Sarwey I S. 315. Allerdings schadet der Mangel der Uebergabe der Abschriften nicht, wenn der Gerichtsvollzieher die von ihm frei­ willig übernommene Anfertigung rechtzeitig ausführt; eine Bersäumniß in dieser Hinsicht hat aber der Auftraggeber zu vertreten. So auch Bunsen a. a. £. S. 254 ff., Seufsert Anm. 4.] „sofern — erfolgen soll" — ist eine von der Nov. mit Rücksicht auf Die neue Fassung des § 166 Abs. 2 eingefügte nur redaktionelle Aenderung des früheren Satzes: „insoweit die Zustellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers zulässig ist" 40 S. 362). Durch die positive Feststellung-klage entsteht gegenüber der negativen die Einredeber Rechtshängigkeit (Seuffert § 235 Anm. 3b, Wilm. Levy § 231 Anm. 4), aber nicht umgekehrt (A.M. Seuffert Anm. 3 c) — entsprechend der Einrede der Rechtskraft (vgl. § 322 Anm. 2). Auch wo die Leistungsklage gegenüber der Feststellung-klage die Einrede der Rechtshängigkeit begründet, ist aber in der ersteren Klage die letztere nicht ohne Weitere- als ein Mindere- enthalten (RG. in S. A. 38^Nr. 35, Förster a. a. O. S. 141. Vgl. jedoch Bähr, Urth. S. 154ff.). Auch ist es bei der negativen lFeststellungsklage nicht zulässig, eine engere als die beantragte Fassung im Urtheil au-zusprechen (RG. 14 S. 104). Die Urtheilsformel kann lauten: „Beklagter ist schuldig, anzuerkennen" (vgl. die Worte „aus Anerkennung einer Urkunde") oder: „ES wird festgestellt, daß" u. s. w. (vgl. Kroll 8. 56, Fitting § 48 N. i). Vorläufige Vollstreckbarkeit eines auf Grund de- § 256 ergangenen Urtheils findet, ab­ gesehen von den Fällen deS § 708 Nr. 1—3 und vom Kostenpunkte, der Natur der Sache nach nicht statt (vgl. §§ 704 Anm. 3, 708 Anm. 2; f. jedoch Gmelin, Vollstreckbarkeit nach ReichScivilpr. Tübingen 1898, S. 51 ff.). x

294 Zweites Buch. Berf. in erst Instanz. Erst. Abschn.

Berf. v. b. Landgerichten. § 257.

§ 257. Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegen­ leistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks, eines Wohnraums oder eines anderen Raumes an den Eintritt eines Kalender­ tags aeknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden. 9t#*. E. II. e. III: 8 *31»;

t. G. 103 f.; 8k#«.-B. e. 82 f.

11) Die Erhebung einer auf bloße positive Feststellung gerichteten Widerklage der negativen Feststellungsklage gegenüber ist zulässig (vgl. RG. in I. W. 1893 3. 425 Nr. 8); denn es besteht in diesem Falle keine Identität zwischen dem Gegenstände der Klage und der Widerklage (§ 33 Anm. 2), da in der Abweisung der negativen Feststellungsklage eine Ent­ scheidung, daß die positive, aus das Gegentheil gerichtete Fcststellungsklage begründet sei, nicht enthalten ist (vgl. § 3J'2 Anm. 3). (Vgl. auch Gaupp I 3. 510. A.M. Löning in Busch 4 S. 49, Weismann S. 122, Wcndt S. 37 st. u. A.) 88 257-259. Literatur: Förster-EcciuS, Pr. Privatr. 7. Aufl. I § 50, Mot. z. BGB. I S. 365 ff., Planck, BGB. I Vordem. S. 38, Stölzel, Schulung u. s. w. I 3. Aufl. S. 161 ff. In den §8 257—259 hat die Nov. Klagen auf künf tige Leistung (vgl. BGB. 88 843, 844, Haftpflichtgesetz in der Fassung vom 18. August 1896 sEG. z. BGB. Art. 42) 8 7) zugelassen, und zwar im Anschluß an die Feststellungsklage des 8 256. (Bgl. E. I d. BGB. 8 190: f. auch BGB. 8 291.) Gleichwohl haben diese Klagen nicht die rechtliche Natur der Feststellungsklage, sondert! die der Leistungsklage, bei der lediglich die Vollstreckung des Urtheils, entsprechend der künftigen Leistungspflicht, hinausgeschoben wird (vgl. 8 751). Mit Unrecht bezeichnet sie Schmidt (Lehrb Ergänz. 8 125) als „echte Fälle der Feststellungsklage", bei denen nur der Beweis des Feststellungs­ interesse (einer drohenden Benachthciligung) fortfalle (vgl. 8 254 Anm. 1). „Die Civilprozeßordnung enthält gegenwärtig keine Bestimmungen darüber, inwie­ weit wegen künftiger Leistungen nicht bloß auf Feststellung, sondern auf Bcrurtheilung geklagt werden kann. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, für solche Fälle, in denen das bürgerliche Recht eine Berurtheilung zu künftigen Leismngen gestattet, die Voraus­ setzungen zu regeln, unter denen aus einem solchen Urtheile die Zwangsvollstreckung zulässig ist (§8 664. 672 — jetzt 726, 751). Die geltenden Gesetze haben im All­ gemeinen die Regel festgehalten, daß die Berurtheilung zu einer Leistung erst dann erfolgen darf, wenn die Fälligkeit eingetreten ist. Doch hat in den Gebieten des gemeinen und des preußischen Rechtes die Entwickelung dahin geführt, daß in gewissen Grenzen auch eine Klage aus Berurtheilung jzu künftigen Leistungen gewährt wird. Ein praktisches Bedürfniß in dieser Richtung liegt namentlich bei den Dahrlehnsklagen und den Räumungsklagen vor. — Ist nach 88 257 bis 259 die Berurtheilung zu einer künftigen Leistung erfolgt, so kann der Schuldner sachliche Einwendungen nur noch im Wege der Klage gemäß § 767 geltend machen. Gegen etwaige sich hieraus ergebende Nachtheile gewährt hinreichenden Schutz die Vorschrift des 8 769, wonach das Prozeßgericht auf Antrag die Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen kann, bis über die Einwendung entschieden ist." (Begr.) Die vorzeitige Berurtheilung in diesen Fällen hat zur Folge, daß der Schuldner die ihm zwischen der Berurtheilung und der Erfullungszeit erwachsenden Einreden als solche verliert (vgl. 8 767), und daß der klagende Gläubiger vor Anderen einen Borsprung gewinnt (vgl. Kom.-B. S. tv3). Bei dem Rechtsbehels des Arrestes tritt nicht zwar die erstere, wohl aber die letztere Wirkung gleichfalls ein. (Bgl. Jastrow in D. Jur. Z. 1898 3. 32, Wach das. 3. 66, Gmetin, Vollstreckbarkeit nach Reichscivilpr., Tübingen 1898, S. 103.

8 257 1) 8 257 enthält eine Erweiterung der im preuß. Recht (AGL. I 28 88 4, 16) ausge­ bildeten Kündigungsklage. Räumungs- und Darlehnsklagen führen, wenn für ihre Er­ hebung der Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs abgewartet werden muß, nur verspätet zum

Erster Titel.

Verfahre» bi- -um Urtheil.

§ 258.

295

§ 258. Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlassung des Urtheils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. Rslu, E. ll. E. M: , 821b; fkflr. «. 102 f.; «Mm..«. G. 82 f. Erfolge. Um das berechtigte Interesse de- Klägers in dieser Richtung zu schützen, giebt ihm § 257 die Möglichkeit, schon vorher ein Urtheil auf Zahlung oder Räumung zu erwirken, das etwaige Streitpunkte, insbesondere über die Thatsache oder die Rechtzeitigkeit der Kündigung oder darüber, ob der Beklagte an einem bestimmten Kalendertage einem Räumungsanspruche zu genügen habe, im Boraus beseitigt und sofort mit dem Zeitpunkte der Fälligkeit die Zwangs­ vollstreckung gestattet. Jedoch muß nach § 751 bis zum Ablauf des Kalendertages, bis zu dessen Eintritt der Anspruch betagt ist, mit dem Beginn der Zwangsvollstreckung gewartet werden. Zu einer Anwendung deS § 721 Abs. 1 wird in den Fällen des § 257 in der Regel kein Anlab vorliegen (vgl. § 721 Anm. 1). „einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung"--Hierher gehören Geldforderungen auS einseitigen Verträgen, insbesondere DarlehnSsorderungen, sowie aus Verpflichtungsscheinen (vgl. HGB. § 363) und Wechseln. „Geldforderungen" sind Ansprüche aus Uebereignung einer bestimmten Quantität der gesetzlichen Zahlungsmittel und diese bestehen in der Währung des Deutschen Reichs (Endemann, Lehrb. d. bürg. R. I 8 121; vgl. oben § 108 Anm. 4). „an den Eintritt eines Kalendertag-" — Nur auf befristete, nicht auf bedingte Ansprüche findet § 257 Anwendung. Für die Miethe beweglicher Sachen gilt § 257 überhaupt nicht. 2) Hat der Beklagte zu der vorzeitigen Klage durch sein Verhalten keine Veranlassung gegeben und erkennt er den Anspruch sofort an, so fallen nach § 93 dem Kläger die Prozeßkosten zur Last. (A. M. Wach in D. Jur. Z. 1898 S. 66).

8 258. 1) § 258 enthält im Anschluß an die Rechtsprechung deS gemeinen, preußischen und französischen Rechts (vgl. RG in I. W. 1897 S. 146 und im Rhein. Arch. 86 II S. 85) die Bestimmung, daß bei wiederkehrenden Leistungen auch wegen der erst nach Erlassung deS Urtheils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden kann. Diese Vor­ schrift bat hauptsächlich den Zweck, einer fortdauernden Wiederholung von Recht-streitigkeiten, welche den gleichen Gegenstand betreffen, vorzubeugen (vgl. Begr. S. 104). Daß die Klage auch auf die in der Zeit von der Klagerhebung bi- zum Urtheil fällig werdenden Beträge mitgerichtet werden kann, ist als selbstverständlich im Gesetze nicht hervorgehoben; für diese Beträge würde übrigens auch die Vorschrift de- § 268 Nr. 2 eine genügende Abhülfe gewähren (vgl. Fitting -§ 47 Nr. 16 und unten § 267 Anm. 3). Wie der Ausdruck „Klage auf Künftige Entrichtung" und ebenso eine Vergleichung mit § 257 ergiebt, kann auch eine Klage lediglich auf künftig fällig werdende Beträge ohne Verbindung mit wenigstens einem bereits fälligen Betrag erhoben werden (A.M. Gmelin a. a. O. S. 104). „wiederkehrenden Lei st ungen" — Hierher gehören Unterhaltsrenten (BGB. 88 520, 618 Abs. 3, 843, 644, 845, 1578-1583, 1612, 1710, Haftpflichtgesetz in der Fassung vom 18. August 1896 sEG. z. BGB. Art. 42] 8 7), Leibrenten (BGB. 8 759 ff.), und zwar Geldrenten wie andere Renten (vgl. 8 760 Abs. 2 a. a. O.), Rentenschulden (BGB. 8 1199 ff.; vgl. EG. z. BGB. Art. 62), Mieth- und Pachtzinsen, auch Kapitalzinsen, insbe­ sondere DarlehnS-, Hypotheken-, Grundschuldzinsen, bei deren selbständiger Einklagung jedoch zu beachten ist, daß die Wiederkehr dieser Leistungen — abweichend von den Renten — an den Fortbestand der Hauptforderung geknüpft ist. Nur betagte, nicht bedingte Leistungen ge­ hören hierher, wie der Ausdruck „fällig werdenden" ergiebt. 2) Für die künftigen Alimentenbeträge und die unter BGB. 88 943, 844 fallenden Geld­ renten ist daS Urtheil nach § 708 Nr. 6 auch ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Rechtskraft, die auf die künftigen Leistungen sich erstreckt, steht der späteren Abänderung des

296

Zweite- Buch. Sers, in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. §§ 259,260.

§ 259. Klage aus künftige Leistung kann außer den Fällen der §§. 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgniß gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der recht­ zeitige» Leistung entziehen werde. *U»., e. ui: | iaic; Stsr. C. 101 (.; *•«..». «. 82 f.

§ 260. (232.) Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämmtliche Ansprüche das Prozeßgericht zuständig und dieselbe Prozeßart zulässig ist. R. Sette. | 108. Sette. I.J 211. Sette. II. — 9U*., E. II. t. III: 9 i*2; »e*r. E. 104.

i

219.

Sette. 111. 1 224. «et. S. 185,186. Pret. 6. 78.

Urtheils wegen wesentlicher Aenderungen der thatsächlichen Verhältnisse nicht entgegen (§ 323). Bgl. auch BGB. § 218 Abs. 2. Wegen Sicherheitsleistung s. § 324, wegen deS Beginne- der Zwangsvollstreckung s. § 751 Abs. 1. Bgl. auch § 850 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3. 3) Wegen der Prozeßkosten s. § 257 Anm. 2. §

259.

1) Ueber die Fälle der §§ 257 und 258 hinaus trägt § 259 den Anforderungen des Ver­ kehrs durch die allgemeine Vorschrift Rechnung, dag der Gläubiger aus künftige Leistungen stet- unter der dort angegebenen Voraussetzung einer gerechtfertigten Besorgnis zu klagen vermag, damit die Zwangsvollstreckung, wenn nöthig, sofort im Erfüllungszeitpunkt erfolgen kaun. Die Voraussetzung der gerechtfertigten Besorgniß, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde, wird namentlich daun als gegeben anzusehen sein, wenn der Schuldner die Verbindlichkeit schon, bevor sie fällig ist, ausdrücklich bestreitet (vgl. Begr. S. 104, Fitting § 47 N. 19). £b in sonstigen Umständen ein gerechtfertigter Grund zu erblicken ist, wird nach Lage des Einzelsalles zu beurtheilen sein: bevorstehende Zahlungsunfähigkeit ohne eine sie herbeiführende Thätigkeit de- Schuldners wird mit Rücksicht auf die Worte „entziehen werde" nicht für genügend zu erachten sein (vgl. § 917 Anm. 1). Die besonderen Voraussetzungen der Feststellungsklage (§ 256) sind hier nicht zu erfordern. Ob die Leistungen aus einseitigen oder gegenseitigen Verträgen (BGB. § 320) entspringen, ist einerlei; auch gehören nicht bloß befristete, sondern — abweichend von §§ 257, 258 — auch bedingte Ansprache hierher (vgl. §§ 257 Anm. 1, 258 Anm. 1, Schmidt, Lehrb. Ergänz. § 125c). 2) Die Vollstreckung des auf künftige Leistung ergangenen Urtheils darf nicht vor Eintritt der Leistungspflicht erfolgen. Auch die vollstreckbare Ausfertigung eines solchen Urtheils darf, wenn die Vollstreckung von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer Thatsache, z. B. einer Bedingung, abhängt, nur nach den Vorschriften der gz 726, 730, 731 ertheilt werden. Wegen der Beruriheilung zu einer Leistung Zug um Zug s. §§ 726 Abs. 2, 756, 765. 3) Wird die Voraussetzung einer gerechtfertigten Besorgniß int Sinne des § 259 vom Gerichte bejaht, so kann der Beklagte — abweichend von £§ 257, 258 — die Vorschrift deS § 91 nicht für sich anrufen. §

260

1) Der § 260 handelt von der objektiven Klagen Häufung: ^über die subjektive Klagenhänfung vgl. §§ 59 ff. 2) Die Zulässigkeit der objektiven Klagenhäufung ist an die doppelte Voraussetzung geknüpft, daß das Prozeßgcricht für sämmtliche Ansprüche sachlich und örtlich zuständig, und daß dieselbe Prozeßart für alle Ansprüche zulässig ist. Bgl. auch § 25. Auch bei einer eventuellen Klagenhäufung (vgl. Anm. 7) muß die Abweisung beider Klagen erfolgen, wenn das Gericht für die prinzipale nicht zuständig ist, ungeachtet der Zuständigkeit für die eventuelle, die nur nach einer Sachentscheidung über die Prinzipale geprüft werden darf (RG. in I. W. 1896 S. 396).

Erster Zite!.

Verfahren bi- zum Urtheil.

§ 260.

297

Die sachliche Zuständigkeit muß der Gattung nach für jeden einzelnen An­ spruch vorhanden sein (cS kann z. B. nicht bei einem Amtsgericht neben einer Klage auf Räumung einer Miethwohnung und einer Klage auf Zahlung einer Kaufschuld von 100 Mark eine Ehescheidungsklage (vgl. auch § 615 Abs. 2) oder bei einem Landgerichte neben einer Klage auf Rückgabe eines Darlehns von 500 Mark eine Klage wegen Wildschadens (GBG. § 23 9k. 2] erhoben werden); soweit aber die Zuständigkeit durch den Werth bedingt ist, werden alle An­ sprüche zusammengerechnet. Aus dem letzteren Grunde können mehrere Ansprüche, welche nicht einzeln, aber in ihrer Gesammtheit die für die Zuständigkeit der Landgerichte bestimmte Werthsumme erreichen, in einer Klage nur vor dem Landgerichte geltend gemacht werden (§ 5), während sie in getrennten Prozessen bei dem Amtsgericht anzubringen sind (vgl. darüber Fuchs in I. W. 11895 S. 32 ff.). Hiernach ist es selbstverständlich, dah die Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Klage nicht dadurch ausgeschloffen wird, daß dem Werthe nach der eine Anspruch vor die Amtsgerichte, der andere vor die Landgerichte gehört (vgl. Mot., N. E» § 196 Abs. 2, RG. in I. W. 1894 S. 573). Dagegen ist es unzulässig, eine sog. Bagatell­ sache (GBG. § 23 Nr. 1) mit einer Sache, die ohne Rücksicht auf den Werth vor die Land­ gerichte gehört, vor dem Landgerichte zu häufen (Planck I S. 40 N. 22). Hinsichtlich der Kammern für Handelssachen s. GBG. § 103 Anm. 1. Die örtliche Zuständigkeit kann für einzelne Ansprüche auch durch Vereinbarung oder durch einen Antrag nach § 36 9k. 2 u. 4 hergestellt werden. Besondere Prozeharten, welche die Möglichkeit der Klagenhäufung mit anderen nicht in dieser Prozehart zulässigen Rechtsstreitigkeiten au-schliehen, sind z. B. der Urkundenprozeh (88 592 ff.), das Verfahren in Ehesachen (88 606 ff.), über daS RechtSverhältnih zwischen Eltern und Kindern (88 640 ff.), in Entmündigungssachen (88 645 ff.), das Mahnverfahren (88 688 ff.), daS Aufgebotsverfahren (88 946 ff.). 3) ES ist auch eine Verbindung der subjektiven und der objektiven Klagenhäufung statthaft, einerlei, ob die objekttv gehäuften Klagen von sämmtlichen oder nur von einzelnen oder gegen einzelne Streitgenoffen erhoben werden (vgl. Hann. Prot. V S. 1468 f.). 4) Ueber das richterliche Trennung-recht bei gehäuften Klagen vgl. 8 145. Hat der Kläger unzulässiger Weise eine Verbindung vorgenommen, so muh (vgl. 8 295 Abs. 2), wenn die Unzulässigkeit auf der Ungleichartigkeit der erforderlichen Prozeharten beruht, da- Gericht — selbst von AmtSwegen — trennen und denjenigen Anspruch, welcher in der für ihn nicht zu­ lässigen Prozehart, z, B. Urkundenprozeh, Eheverfahren u. s. w. erhoben ist, in angebrachtem Mähe abweisen RG. 5 S. 165, Wilm. Levv Anm. 3, Seuffert Anm, 5, Gaupp I S. 505 u. A. AM. Petersen 9k. 11, OLG. Cöln in Busch 7 S. 101, welche lediglich eine getrennte Verhandlung anordnen wollen). Beruht die Unzulässigkeit auf der Unzuständigkeit des Gericht-, so ist, soweit eine ausschliehliche Zuständigkeit in Frage steht, von Amt-wegen» im Uebrigen auf Antrag diejenige Klage, bezüglich welcher die Unzuständigkeit vorhanden, abzuweisen. Vgl. 88 59, 60 Anm. 1 u. 3. 6) Der bisherige Abs. 2: „Die Besitzklage und die Klage, durch welche das Recht selbst geltend gemacht wird, können nicht in einer Klage verbunden werden" ist von der Rov. ge­ strichen. Ueber die Gesichtspunkte, die hierfür mahgebend waren, s. Begr. S. 104. Die hier­ nach zulässige Verbindung beider Klagen ändert aber nichts an der Vorschrift des BGB. 8 #63, wonach gegenüber dem Besitzanspruch (88 861, 862 das.) ein Recht zum Besitz oder zur Vor­ nahme der störenden Handlung nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden kann, dah die Entziehung oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei. 6) Nach Art. 52 des internal. Übereinkommens über den Eisenbahnftachwerkehr v. 14. Oft. 1890 (RGBl. 1892 S. 793) ist die Verbindung des Rückgriffsverfahrens mit dem Entschädigungs­ verfahren unzulässig. Vgl. 88 59, 60 Anm. 5, 145 ^Anm. 1. — Ueber die weiteren Beschränkungen der Klagenhäufung in Ehe-, Kindschafts- und Entmündigungssachen vgl. 88 615, 633, 640, 641

298 Zweites Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. § 260

667, 679, 684, 686. — Wegen Verbindung mehrerer Ansprüche in einem Zahlungsbefehle, s. § 688 Anm. 5. 7) Die eventuelle Klagenhäusung (Lämmert in Busch 16 S. 428ff, Petcrsen das. S. 493 ff, Eccius in Gruchot 33 S. 139 ff., 36 S. 142, Pfizer in Busch 21 S. 367 ff., des. 380 ff., H. Meyer das. 22 S. 32 ff.), d. h. die Verbindung einer eventuellen Klage (Klag­ anspruchs, Klagebegehrens) mit einer Prinzipalen — zu unterscheiden von der allerdings eng damit zusammenhängenden eventuellen Verbindung mehrerer Klagegründe oder Angriffsmittel (s. 88 145, 146 Sinnt. 2, RG in Gruchot 29 S. 421, Petersen a. a. O. S. 495 ff.; abw. SS Um. Levy Anm. 4 i. A.) — ist an sich zulässig (RG. [Der. Civilst 27 S. 365, Planck II § 87 S. 29). Selbstverständlich ist dies, wenn der Eventualantrag (als das Mindere) schon in dem Hauptantrag enthalten ist, sei es, daß er eine gleichartige Leistung von geringerer Größe oder den gleichen Gegenstand mit einer Maßgabe, z. B. Leistung unter einer Bedingung oder an einem späteren Tage betrifft (Eccius a. a. O. 33 S. 142, 36 S. 142, Petersen a. a. O. S. 505 ff.). Wie weit darüber hinaus die Verbindung zulässig, ist sehr bestritten. Nach der richtigeren (auch in der Praxis vorherrschenden) Ansicht nicht bloß dann, wenn aus demselben Klagegrund etwas Anderes gefordert wird (so Petersen a. a. O. S. 507 ff., Eccius a. a. O. 36 S. 143), sondern auch wenn der eventuelle abweichende Antrag aus einem anderen Klagegrunde beruht (z. B. in erster Reihe ist aus dem Kaufvertrag auf Zahlung des Kaufpreises geklagt, für den Fall aber, daß der Abschluß des Vertrages nicht erwiesen werden sollte, mit ber Bereicherungstlage (BGB. 8 812) auf Rückgabe der überlieferten Waare); vgl. auch LLG. Hamburg in S. A. 50 Nr. 128. Denn eine bedingte Klagerhebung, die prozessualisch unzulässig ist. liegt hier nicht vor; vielmehr werden beide Ansprüche unbedingt anhängig mit dem im materiellen Rechte begründeten Vorbehalte deS Klägers, daß er die Entscheidung über den eventuellen Anspruch nur für den Fall begehrt, daß der Prinzipale nicht zugesprochen wird. — Aber auch darin liegt kein Hinderniß der Verbindung, daß die Begründung der Klagansprüche mit einander in unvereinbarem Widersprüche steht (z. B. die Prinzipale Klage geht auf Erfüllung des Kaufvertrages, die eventuelle, für den Fall, daß der Vertrag auf den Einwand des Beklagten für nichtig erachtet würde, auf Rückgabe der überlieferten Sache). Denn die nöthige Bestimmt­ heit (§ 253 Nr. 2) mangelt auch dem eventuellen Klagebcgehren nicht, und der Widerspruch in den klägerischen Behauptungen kann nur dahin führen, diele deulnächst bei der Beweiswürdigung in ihrer Glaubwürdigkeit zu beeinträchtigen. Das Gleiche gilt, wenn bei gleichen Klaganträgen die Klagegründe auf unvereinbarem Widersprüche beruhen (so auch RG. in S. A. 42 Nr. 160; vgl. auch LLG. Cöln im Rhein. Arch. 87 I S. 47). Dabei richtet sich die Frage, ob mehrere Ansprüche gleichzeitig mit Erfolg erhoben werden können, selbstverständlich nach dem bürg. Recht (vgl. z. B. das Verhältniß der Wandelungs- und Minderungsklage — BGB. §§ 462, 465, Endemann, Lehrb. d. bürg. R. I § 161 Anm. 13, Klage auf Rückgewähr in Natur gegen den weiteren Erwerber einer Sache und aus Werthsersatz gegen den ersten Käufer bei dem Ansechtungsanspruch — RB im D. RAnz. 1891 bes. Beil. 1 S. 5 ff.) Dagegen liegt eine prozessualisch unzulässige und durch keinerlei praktisches Bedürfniß gerechtfertigte bedingte Klagerhebung vor, wenn der eventuelle Anspruch mit dem Prinzipalen nicht dergestalt im Zusammenhange steht, daß er für den Fall des Durchdringens mit dem Prinzipalen für den Kläger gegenstandslos wird (z. B. ein Darlehnsanspruch von 100 Mk. wird nur für den Fall erhoben, daß der Kläger mit einem Anspruch von 500 Mt. aus einem Miethsvertrage nicht obsiegt). [Wesentlich überein­ stimmend Seusfert Anm. 4; für mehr oder weniger größere Beschränkungen Wilm. Levy Anm. 4, Gaupp I S. 502, Lämmert S. 428 ff., OLG. Braunschweig in S. A. 42 Nr. 330 u. in Busch 7 S. 101 u. vor allem Petersen u Eccius a. a. D.] Nach gleichen Gesichtspunkten regelt sich die Verbindung mehrerer Klagen, welche in einem alternativen Verhältnisse zu einander stehen und denselben Zweck verfolgen (Kroll, Klage u. Einrede S. 226, Lämmert S. 436 f.). Hiervon verschieden ist der alternative Klagantrag in einer und derselben Klage mit einem Wahlrecht deS Beklagten (vgl. § 253 Anm. 6).

Erster Xitel.

Verfahren bi» zum Urtheil.

$ 261.

299

§ 261. (233.) Die Klageschrift ist zum Zwecke der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung bei dem Gerichtsschreiber des Prozeßgerichts ein­ zureichen. Zulässig ist ferner die sog. sukzessive Klagenhäusuug, d. h. die Verbindung zweier Klagen, von denen die eine zu der anderen im Verhältnisse der Präjudizial- oder vorbereitenden Klage steht, z. B. Klage auf Feststellung de» Bestehens der unehelichen Vaterschaft und Unterbaltsklage (8 644, BGB. § 1708, vgl. Bolgiano S. 103; s. dagegen unten § 640 Abs. 2). Fälle der sukzessiven Klagenhäufung enthält auch § 254. Das Verhältniß kann hierbei auch ein solches sein, daß die Verurtheilung in der zweiten Klage nur dann Bedeutung erhält, wenn der Berurtheilung zur ersten Klage vom Beklagten nicht Folge geleistet wird (wie bei der persönlichen Klage auf Zahlung u. der eventuellen Psandklage auf Herausgabe der Pfandstücke) svgl. auch RG. 10 S. 418, in I. W. 1895 S. 486 Nr. 36, Stölzel, Schulung u. s. w. I 3. Aufl. S. 365, 379, Petersen a. a. O. S. 505, Köhler im c. A. 80 S. 288 Anm. 2. AM. OLG. Hamburg in S. A. 47 Nr. 235]. Eine eventuelle Widerklage ist nicht zulässig (RG. 40 3. 331, OLG. Jena in S. A. 40 Nr. 159, Eccius a. a. L. 33 S. 144 ff., Petersen a. a. O. S. 517 ff., Wilm. Levy § 230 Anm. 2 a. E., Seufsert § 33 Amu. 5, Gaupp I S. 482 N. 31. Löning in Busch 4 S. 133 f., Pfizer a. a. O. S. 383. A.M. früh. Aufl.; vgl. auch RG. in I. W. 1887 S. 115, OLG. Cöln im Rhein. Arch. 93 I S. 166). Wohl aber kann die Widerklage aus Thatsachen gestützt werden, welche mit den zur Bekämpfung der Klage aufgestellten in Widerspruch stehen (s oben, Lämmer! S. 441 f.; abw. Löning a. a. O. Anm. 170, Petersen a. a. O. S. 519). Vgl. jedoch § 521 Anm. 1 (eventuelle Anschlußberufung). 8) Ein Gebot der objektiven Klagenhäusung ist der CPO. unbekannt. Auch ein (theilbarer) Anspruch kann daher in mehreren Theilklagen verfolgt werden, ohne daß daraus die Ein­ rede der Rechtshängigkeit, bezw. der rechtskräftig entschiedenen Sache oder der sachlichen Unzu­ ständigkeit der Gerichte, wenn der Gesammtwerth die amt-gerichtliche Zuständigkeit übersteigt, entsteht (Wilm. Levy §§ 215 Anm. 2, 293 Anm. 3, Wach I S. 373, unten § 322 Anm. 3, GBG. § 23 Anm. 2. A.M. Jmmler in Busch 11 S. 319 ff., Muscat das. 12 3. 335 ff., Linckelmann das. 17 S. 417 ff.). Ueber das richterliche Berbindungsrecht s. § 147, über die Zwischenseststellungsklage § 280 Anm. 5. 9) Eine Häufung einander widersprechender Einreden ist jedenSfallS gestattet, weil eine jede Einrede nur die Abweisung de- klägerischen Angriffs bezweckt (vgl. L. 5, 8 D. de ezcept. [44, 1]), und bei einer solchen Abwehr die eine Einrede zur anderen in da- Verhältniß der Eventualität tritt (vgl. RG. in I. W. 1893 3. 499, ob.LG. f. Bayern in 3. A. 51 Nr. 65). Aus gleichem Grunde kann daraus allein, daß der Beklagte eine mit dem Leugnen de- Klagegrundes nicht vereinbare Einrede geltend macht, nicht geschlossen werden, daß er den Klagegruud an sich zugestehe (qui excipit, non fatetur; RG in D. I. Ztg. 1883 3. 379; AM. Pfizer a. a. L. 3. 367 ff.). Indessen kann in beiden Beziehungen bei widersprechendem Verhalten des Beklagten zu seinen Ungunsten der Grundsatz der steten Beweiswürdigung (& 266) zur An­ wendung kommen (vgl. Anm. "«). Auch sind, wenn der Beklagte aus denselben Thatsachen, auf welche der Kläger seinen Anspruch stützt, eine Einrede herleitet, diese Thatsachen nach dem Grundsätze, daß die Partei dasjenige, was sie für sich behauptet, auch gegen sich gelten lassen muß (Planck I 3. 251 ff., 324 f.). als zugestanden anzusehen. (3. § 288 Anm. 4, OLG. Hamburg in 3. A. 50 Nr. 128, Förster (Eccius) I § 53 3. 272, Bayer, Vorl. 7. Ausl. 3. 361. EtwaS abw. Wetzell 3. 939 f. u. Bolgiano 3. 56, die eine Ausnahme machen, wenn die eine Handlung der anderen absolut widerstreitet. Vgl. auch 3. A. 8 Nr. 92, 13 Nr. 285, 21 Nr. 253, 33 Nr. 80, 164, OLG. Rostock das. 50 Nr. 9tf.)

8 261 1) Der § 261 enthält nur eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des § 216 auf die Klageschrift. Nach § 216 Abs. 2 ist daher beb Termin binnen 24 Stunden vom Vorsitzenden

300 Zweites Buch. Sers, in erst Instanz. Erst. Abschn. Sers. v. d. Landgerichten. § 262.

Der Termin soll nur soweit hinausgerückt werden, als es zur Wahrung der Einlassungsfrist geboten erscheint. Nach erfolgter Bestimmung des Termins hat der Kläger für die Zustellung der Klageschrift Sorge zu tragen. *. tmtm. | «8. tum. l | 818. 9U*. g 888; a#w.«e. G. 84, 91-108.

tum. n. g -so. tum. m.

g 885.

9Ut

«.

iss.

Pest. G.

78.



§ 262. (234.) Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen zu bestimmen. Die „Bestimmung deS Termins" ist ein lediglich formeller Akt des Borsitzenden; eine sachliche Prüfung der Klageschrift und eine Abweisung der Klage durch Serftigung findet — abgesehen von § 608 (vgl. auch §§ 658, 947; — nicht statt (Dgl. Nordd. Prot. S. 533, Hann. Prot. V S, 1470ff.). Freilich muß wirklich eine Klage vorliegen, nicht ein Schriftstück, welches sich nur als solches bezeichnet (vgl. Wach, Sortr. 3. 29 N. *), wogegen daS bloße Fehlen einzelner nothwendiger Bestandtheile der Klage, z. B. deS Klage­ grundes, die Anberaumung des Termins nicht hindert. 3. das Nähere in Zß 216 Anm. 3, 253 Anm. 8. Sollte die Bestimmung des Termins verweigert werden, so steht dem Kläger nach § 567 die Beschwerde zu. Wegen der Zustellung ohne vorangegangene Terminsbestimmung vgl. § 253 Anm. 7. (Ueber Veränderungen in der Zeit zwischen Einreichung und Zustellung der Klageschrift s. Waldstein in Gruchot 35 3. 616ff., Landsberg das. 36 3. 236ff., Staub in I. W. 1886 S. 211 (u. die Entgegnungen das. 3. 368ff.. 1889 3. 361), OLG. Hamburg in S. A. 44 Nr. 50, 46 Nr. 55; oben § 91 Anm. 1.] Eine Abschrift der Klageschrift ist nach § 133 auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. 2) Abs. 2: Im Entwurf der Nov. war in den §§ 312a—e für das landgerichtliche Verfahren im Einklänge mit ähnlichen Bestimmungen der österr. CPO. v. 1. August 1895 die Einrichtung eines BorterminS in Aussicht genommen, der bei unstreitigen Ansprüchen dem Kläger die möglichst schleunige Erlangung eines vollstreckbaren Titels und zugleich dem zur Anerkennung deS Anspruchs oder zu einem BergleichSabschlusie bereiten Beklagten die Kosten der Anwaltsbestellung ersparen sollte (Begr. 3. 112 ff.). Die Reichstagskommission hat diesen Vorschlag abgelehnt, zugleich aber dem auch ihrerseits anerkannten Bedürfniß einer beschleunigten Erledigung der landgerichtlichen Civilsachen insbesondere dadurch Rechnung getragen, daß in § 261 der Abs. 2 eingefügt und die Einlassungsfrist von einem Monat auf zwei Wochen (§§ 262, 520, 555) abgekürzt ist. (Vgl. Kom.-B. 8. 91 ff.; s. auch §§ 262 Anm. 2, 604 Abs. 2). Auf daS Verfahren vor den Amtsgerichten, in Ehe- und Kindschastssachen (§§ 508, 618 Abs. 1, 640 Abs. 1, 641 Abs. J) findet § 261 Abs. 2 keine Anwendung, wohl aber auf den Wechselprozeß (§ 604). „zur Wahrung der Eintassungsfrist" — Im Interesse möglichster Beschleunigung ist der Termin nicht weiter hinauszurücken. alS es die Wahrung der Einlassungsfrist erfordert; jedoch ist zu berücksichtigen, daß zwischen der Anberaumung und der Zustellung an den Beklagten noch ein oder mehrere Tage zu liegen pflegen und daß bei öffentlicher Zustellung (§ 206) eine weitere Frist hinzukommt. Vgl. auch § 26 2 Anm. 6. 3) Abs. 3: Durch wen und wie die Zustellung erfolgt, bestimmen die §§ 166—207. Daß die Zustellung an den Beklagten erfolgen muß. ist selbstverständlich. — Wegen Benach­ richtigung der Vorgesetzten bei Klagen gegen aktive Offiziere in Preußen s. d. allg. Vers, d. Just.-Min. v. 28. Febr. u. 24. April 1880 (JMBl. 8.41, 92). Andere Benachrichtigungen find nicht mehr erforderlich, wenngleich zuweilen, z. B. bei Klagen gegen Beamte, üblich. Sgl. auch allg. Vers. d. Justiz-Min. v. 10. Aug. 1881 (JMBl. 3. 163) u. 31. Oktober 1894 (JMBl. 3. 3"6). §

262.

1) Ueber den Begriff der Einla ssungsfrist vgl. § 217 Anm. 1. Die Wahrung dieser Frist ist bei bloßer Ergänzung oder Berichtigung des Klagegrundes oder Erweiterung des Klag-

Erster Titel,

«erfahr« btt -um Urtheil.

- 263.

301

liegen (Einlassungsfrist). In Meß- und Marktsachen beträgt die Einlassungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande voHunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu besttmmen.-

r.

9L Gut». M 404, «67. Gut». I | «IS. Gut». II. | Ml. Gut». IN. 8 M6. WUL «. 186,187. fhrtt. 78, 667-640. - 9t«. 8 984; 8t«u.-«. «. 84, 01-108.

§ 268. (235.) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen: 1. wenn während der Dauer der Rechtshängigkeit von einer Partei die Streit­ sache anderweit anhängig gemacht wird, so kann der Gegner die Einrede der Rechtshängigkeit erheben: anttags (§ 268 Nr. 1, 2) nicht erforderlich (vgl. § 132 Sinnt. 3, RG. 15 S. 392, 31 S. 391), wohl aber bei einem Klagenachttage, der die formell mangelhafte Klage ergänzt (s. § 253 Sinnt. 8; vgl. Wilm. Levy Sinnt. 1). 2) Abs. 1: Durch die Nov. ist die Frist von „«nein Monate" auf zwei Wochen abgekürzt (vgl. § 261 Sinnt. 2). Die eine gleiche Einlassungsfrist vorschreibende Bestimmung im GBG § 102 Slbs. 1 (Kammer für Handelssachen) ist daher gestrichen; ebenso sind mit Rücksicht auf die Abkürzung der Einlassungsfrist die §§ 244, 484, 519 (Frist für die Zustellung der Klage­ beantwortung rc.) aufgehoben (vgl. Kom.-B. S. 103). Ist die Einlassungsfrist nicht gewahrt, so kann vom Beklagt« Vertagung verlangt, gegen den nicht erschienenen Beklagten aber ein Bersäumnißurtheil nicht erlassen werden (§ 335 Nr. 2). Bei einer Vertagung wird die EinlassungSfrist selbstverständlich von Zustellung der Klageschrift bis zum zweiten Termin berechnet (so auch OLG. Dresden in Busch 6 S. 499); außerdem ist aber die Ladung-frist zu dem letzteren Termine zu wahren (vgl. §§ 335 Abs. 2, 218 Sinnt. 2). Dagegen kann umgekehrt, weil die Einlaffungsfrist lediglich zu Gunsten des Beklagten gesetzt ist, der ttotz nicht gewahrter EinlaffungSfrist erschienene Beklagte gegen dm nicht erschienenen Kläger auf Grund deS § 330 ein Bersäumnißurtheil beantragen. (Vgl. § 335 Aum. 3, Gaupp I S. 506 u. A. A.M. Endemann II 6. 20.) Vgl. auch § 337. 3) Ueber den Begriff der Meß- und Marktsachen vgl. § 30. Auch die Ladung-frist bettägt hier nur 24 Stund« (§ 217). — Eine kürzere Einlassung-frist findet ferner statt nach §§ 498, 604 Abs. 2. 4) Abs. 2: Auch wenn die Zustellung im Au-lande vorzunehmen ist, muh die Ein­ laffungsfrist mindestens zwei Wochm bettag«. Die Bestimmung durch den Borsitzmden hat nur die Bedeutung, daß die längere, von dem Vorfitzmd« festgesetzte Frist zwischm der Zu­ stellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlich« Verhandlung liegen muß. Vgl. auch § 339 Abs. 2. Eine Zustellung int Auslande ohne vorgängige richterliche Beftftnmung der EiulassungSfrist ist ungültig; eS ist jedoch § 295 Abs. 1 anwendbar (Gaupp I S. 506). Da- dem ftanzösifch« Recht entlehnte System der gesetzlichen Zusatzfristen bei Zustellungen im Aus­ lande (WO. Art. 78, 79) kennt die CPO. nicht. Bei öffentlichen Zustellungen tritt ein Monat der EinlassungSsrist hinzu (§ 206 Abs. 1). 5) Eine Abkürzung der EinlassungSftist kann sowohl in den Fällen des Abs. 1 wie in denen des Abs. 2 in Gemäßheit des § 226 erfolgen. 6) In den Fällen der §§ 272 Abs. 4, 320 Abs. 3, 325 Nr. 4 d. HGB. und der §§ 51 Abs. 4, 107 Abs. 1 d. Genoss.-Ges. v. 1. Mai 1889 (RGBl. 1898 S. 810) hat der Vorsitzende bezw. das Gericht von Slmtswegen, eventuell durch Vertagung, für die Wahrung der dort vor­ geschriebenen monatlichen Frist Sorge zu ttagen (vgl. Seuffert Sinnt. 5). § 263. Literatur: Schwalbach im c. A. 64 256 ff., Lippmann das. 65 S. 358 ff., 71 S. 291 ff., Schollmeyer, Kompens.-Einr. S. 8R., Wach in Gruchot 30 S. 769 ff., Linckel-

302 Zweites Buch. Verf. in erst. Instanz. Erst. Abfchn. Berf. v. d. Landgerichten. § 263. 2. die Zuständigkeit des Prozeßgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. ft. tat», r 19».

tat», i. 8 214.

tat». II. 8 222.

G. 79, 540-54$. — ftSS., t. ID: 8 2S5; «kgf. t. 10*f.

tat», m. 8 227.

Äst. G. 187-189.

ftrst.

mann in Bödiker, Mag. 7 8. 308ff., Fischer in d. Breslauer Festgabe s. R. v. Jhering. Berlin 1892.

8. 36ff., Petersen im sächs. Arch. 2 8. 139, Otcin, Urs. u. W. Proz. § 35,

Mandry-Geib 8. 273 ff, Planck I § 54, II § 104, Hellmann, Lehrb. § 69, Fitting 8 47 V, 8chmidt, Lehrb. §§ 67, 150. 1) Tie Erhebung der Klage (f. §§ 253, 261 Anm. 1) erzeugt den Zustand eines schwebenden (begonnenen aber noch

nicht

beendeten) Rechtsstreits,

welchen

das Gesetz

mit

„Rechtshängigkeit der Streitsache" (Litispendenz) bezeichnet. (Weismann, Hauptinterv. 8. 164, 8 tein a. a. £)., Fitting § 48 V, Wilm. Levy Anm. t wollen noch zwischen Rechtshängigkeit deS Anspruchs (oder der Streitsache) und Anhängigkeit des Rechtsstreites (oder der Klage) unterscheiden.] Dieser Zustand äußert sich wesentlich in der Gebundenheit der Parteien an die so dem Anspruch gegebene Gestalt und Richtung.

Die Entstehung der „konkreten Richter­

pflicht", worin 8chwalbach 8. 267 f. das Wesen der Rechtshängigkeit findet (vgl. auch Aschrott in Gruchot 28 8. 626, Löning in Busch 4 8. 135 Anm. 174, Planck II 8. 144), bedeutet, wie er selbst anerkennt, „bald mehr, bald weniger".

Man kann indessen zugeben, daß mit der

Rechtshängigkeit auch eine gewisse Gebundenheit des Gerichts eintritt.

Die Rechtshängigkeit

setzt, wie die Rechtskraft, Identität der Personen, des Gegenstandes und de- Rechtsgrundes voraus (vgl. RG. 26 Bgl. Anm. 3.

8. 367 u. in I. W. 1898 8. 387, 504, OLG. Hamburg in 8. A. 38 Nr. 272). Durch Nebenintervention des Hauptschuldners im Prozesse deS Bürgen wird

Rechtshängigkeit nicht begründet (RG. in 8. A. 39 Nr. 241). Die Klage auf einen Theil begründet gegenüber der Klage auf den Rest nicht die Einrede der Rechtshängigkeit (vgl. § 260 Anm. 6, § 322 Anm. 3, 4, woselbst auch Literalurangaben). Die Streitfrage, ob „an Stelle des Zweiseitigkeitsprinzips der alten litis contestatio das Prinzip einseitiger Prozeßbegründung" (durch die bloße Klagerhebung) gesetzt (Bülow im c. A. 62 8. 22, Löning a. a. O. 8. 135 Anm. 174, 8chwalbach 8. 256 f., v. Amsberg im c. A. 65 8. 103 Anm. 25 u. A.), oder ob noch immer die Streitbegründung von der Ein­ lassung (Litiskontestation des früheren RechtS) abhängig ist (Wach in Grünhut 7 8. 134 ff., Plüsz, Beitr. z. Theorie d. Klagerechts 8. 10, 130, 132 ff., Birkmeyer im c. A. 66 8. 22 ff., Endemann in Bödiker, Mag. 5 8. 157 ff. u. 91.), hat in der Hauptsache nur theoretische Be­ deutung.

Der größte Theil der Wirkungen der Streitbegründung schließt sich jedenfalls nach der

CPO. an die Klagerhebung (§§ 263,267; vgl. auch Man dry-Ge ib 8.277 ff.), während andere sich nach wie vor an die Einlassung knüpfen (f. Anm. 4, § 267 Anm. 2 u. 3).

(Daß die Erhebung

der Klage, wenn die Prozeßvoraussetzungen nicht vorliegen, nur Rechtshängigkeit, nicht das Prozeßverhältniß herstelle, erkennt auch Sch walbach S. 257 ff. an.] Wichtig für die Begründung jener Wirkungen ist der Begriff der durch die Klagerhebung eintretenden Einlassungspflicht deS Beklagten

(f. Wach

a. a. O. 8. 146 ff.,

Bortr.

8. 145 f. u. im c. ,91. 64 8. 212

Anm. 6, Birkmeyer a. a. O. 8. 24), an deren Stelle Bülow a. a. O. 8. 22 ff. ein bloßes Recht zur Einlassung annimmt (vgl. Schmidt § 67 I; s. auch §§ 138 Anm. 1, 331 Anm. 2). jLippmann a. a. O. 8. 371 ff., welchem sich Bülow anschließt, saßt die Rechtshängigkeit als denjenigen Zeitpunkt auf, vor welchem die beiderlei Wirkungen (Nr. 2 u. § 264) nicht eintreten können, und entfernt deshalb daraus den Begriff der Dauer ls. jedoch Sch ollmeyer, Kompens. 8. 9 Anm. 1 — „begründet" rc., Aschrott tu a. L. 8. 629 ff. u. unten 9lnm. 2).] Für die erst im Laufe des Prozesses erhobenen 9lnsprüche ist der Zeitpunkt der Geltend­ machung in der mündlichen Verhandlung entscheidend ff. § 281). Begriff und Wirkungen der Rechtshängigkeit sind nämlich ebensowenig, wie die der Rechtskraft, an die Form der Klage gebunden, sondern finden überall da 9lnwendung, wo ein „9lnspruch" zur richterlichen Ent­ scheidung (mit der Wirkung materieller Rechtskraft) gebracht wird, also auch auf Wider-

Erster Titel.

Verfahren bis zum Urtheil.

§ 263.

303

klagen (vgl. Löning a. a. O. S. 135 ff., 145, Schollmeyer a. a O. S. 14 ff. u. in Gruchot 31 S. 227 ff. u. A. A.M. Lippmann a. a. O. 65 S. 358 ff., 71 S. 359 ff.), Zwischenfeststellung-klagen und mittels Einrede geltend gemachte Gegenforderungen (vgl. Nordd. Prot. S. 571 f., 794, 823). Vgl. §§ 33, 280, 281, 302 Abs. 4, 320, 322 Abs. 2, 529 Abs. 2; §§ 145, 146 Anm. 2. (Die vorstehende Ansicht theilen außer den Mot.: OLG. Karlsruhe in S. A. 40 Nr. 317, Gaupp I S. 508, Wach, Bortr. S. 137 ff, Freuden­ stein, Rechtskraft S. 202 ff., Hellmann, Lehrb. S. 456 ff., Planck I S. 272, Fitting § 50 N. 19, Osann, Beitr. z. Behandl. d. Komp.-Einr. 1885 S. 23 ff., Wex in Gruchot 31 S. 248 ff. und jetzt auch Schollmeyer, Komp. S. 8 ff., 96 ff., 101 u. in Gruchot 31 S. 222 ff., welcher in seiner Schrift über den Zwischenstreit S. 20 ff. anderer Ansicht war; Oerker, KonkurSr. Grundbegriffe I S. 581 f. Bgl. auch Lippmann in Busch 13 S. 80 ff. u. Schmidt 8 155 a. E. Dagegen verneinen die Rechtshängigkeit durch Ausrechnung einer Gegenforderung: RG. 6 S. 422, 16 S. 375, 18 S. 408, 27 S. 299 (vgl. aber auch 15 S. 376, 421, 8 S. 364; in I. W. 1887 S. 352 — Verhältniß der Rechtshängigkeit zur Rechtskraft). OLG. Dresden im sächs. Arch. 6 S. 216, Petersen Nr. 2 u. 5 sowie in Busch 1 S. 93 ff., 4 S. 293 ff., in Gruchot 30 S. 1 ff., 31 S. 535 ff., welcher zu einer Rechtskraft ohne vorgängige Rechts­ hängigkeit gelangt, v. Bülow Anm. 4, Förster (Eccius) I § 51 8. 260, § 57 Anm. 59, 26 Um. Levy Anm. 2, A. Förster Anm. 2, Löning a. a. O. S. 48 Anm. 47, Schwalbach S. 2b9, Seuffert Anm. 2, Stölzel, Schulung u. f. w. II 2. Aufl. S. 116f., 140ff., Redlich in Busch 25 S. 376f.] Der durch die Nov. eingefügte Abs. 4 9 302 spricht für die Annahme der Rechtshängigkeit der Gegenforderung und die Aenderung de- Abs. 2 § 322 (Begr S. 108) steht nicht entgegen. Ebensowenig steht entgegen, daß nach BGB. die Auftechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Theile erfolgt (§ 388) und bewirkt, daß die sich deckenden Forderungen in demZeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Auftechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389). Die Vorschrift des BGB. § 209 Nr. 3, daß die Geltendmachung der Auftechnung des Anspruchs im Prozesse die Verjährung des AuftechnungSanspruchs unterbricht, spricht vielmehr für die Annahme der Rechtshängigkeit. (Bgl. Fitting 8 50 N. 19, K o h l e r in Busch 24 S. 25; s. jedoch auch P l a n ck, BGB. I § 209 Anm. 2 a, II § 388 Anm. 1il4, Petersen, 4. Aufl. 8 145 Nr. 13;Mot. zu E. I d.Nov. S. 73.) Der AuftechnungSeinwand wird in jedem Falle wenigsten-eventuell erhoben (vgl. auch Fitting 8 50 S. 215, Planck a. a O. 8 -09 Anm. 2 a). Der inneren Verschiedenheit wird durch die Möglichkeit der Aussetzung (s. unten Anm. 3) genügend Rechnung getragen. Die Wirkungen unter Nr. 2 (vgl. Scholl­ meyer, Komp. S. 102) und 8 264 (vgl. 8 268 Anm. 1 a. E.) paffen fteilich nicht auf Einreden. Im Mahnverfahren treten die — in 88 263, 264 aufgeführten — Wirkungen der Rechts­ hängigkeit mit der Zustellung des Zahlungsbefehls au den Schuldner ein (8 693; vgl. auch 8 695). — Die Klage im ordentlichen Prozeß begründet gegenüber der Klage im Urkunden­ prozeß die Einrede der Rechtshängigkeit und umgekehrt (Seuffert S. 324, Gaupp I S. 510 ii. A.). Ueber den Beweis dieser Einrede im Urkundenprozesse s RG. 27 S. 327, 8 595 Anm. 2. Für das Verhältniß der Feststellung-klage zur Klage im Urkundenprozeß gilt das in 8 256 Anm. 10 über da- Verhältniß der Feststellungsklage und der LeistungSklage im Allgemeinen Gesagte. — Durch Erwirkung des Arrestbefehls (oder einer einstweiligen Verfügung) wird zwar Rechtshängigkeit der Hauptsache nicht begründet (RG. 13 S. 363, 26 S. 407, Planck I S. 274 N. 18, Köhler, Prozeßrechtl. Forsch. S. 138, Peters, Strey in den vor 8 916 angef. Schriften S. 10, bez. S. 172; unten 8 930 Anm. 2); indessen sinder 8 263 doch insofern entsprechende Anwendung, als wegen des nämlichen Anspruchs auf den nämlichen Gegenstand nicht bei verschiedenen Gerichten Arrest beantragt werden kann (RG. 8 S. 356). — Durch Anmeldung der Forderung im Konkurse tritt Rechtshängigkeit nicht ein; eS wird aber die Verjährung unterbrochen (BGB. 8 209 Nr. 2, OLG. Dresden in Busch 6 S. 501). v 2) Die CPO. regelt nur die prozessnaleu Wirkungen der Rechtshängigkeit (vgl. 267).

304 Zweite- Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschv. Berf. v. b. Landgerichten. § 263.

Die Rechtshängigkeit dauert bis zum Eintritt der Rechtskraft (vgl. § 322) oder der anderweiten Beendigung deS Rechtsstreits (f. z. B. §§ 271, 306, 321 Abs. 2). Sie wird nicht dadurch aufgehoben, daß über einen in der Klageschrift enthaltenen Klagegrund in erster Instanz nicht verhandelt, vielmehr vom Kläger erklärt worden ist, er behalte sich diesen vor (RG. in I. W. 1893 S. 293; vgl. RG. in S. A. 47 Nr. 163, auch § 879 Anm. 4). Hinsichtlich des Mahnverfahrens s. §§ 697, 700, 701. 8) Nr. 1: Die Hauptwirkung besteht in der „Einrede der Rechtshängigkeit" (exceptio litis pendentis oder rei in Judicium deductae), welche den Grundsatz von der Unstatthastigkeit gleichzeitiger Verhandlung desselben Streiwerhältnifles in zwei Prozessen ver­ wirklicht (vgl. ROHG. 19 S. 417). Sie gehört zu den prozeßhindernden Einreden (§ 274 Nr. 4). Sachlich steht sie auf einer Linie mit der Einrede der Rechtskraft, deren Vor­ läuferin sie ist und deren Zweck sie sogar zuweilen dauernd erfüllt (vgl. RG. in Gruchot 28 S. 1136, OLG. Hamburg in S. A. 38 Nr. 272, Schollmeyer, Kompens. S. 10 u. in Gruchot 31 S. 224, Gerbaulet das. 30 S. 799, Schwalbach Renaud 3. 412 ff., Bolgiano Ges.Abh. S. 253 ff.. Planck I S. 253) ist grundsätzlich beseitigt (Mot.).

494

Zweite- Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschn.

Berf. v. d. Landgerichten. § 400.

§ 400. (365.) Der mit der Beweisaufnahme betraute Richter ist ermächtigt im Falle des Nichterscheinens oder der Zeugnißverweigerung die gesetzlichen Ver­ fügungen zu treffen, auch dieselben, soweit dieses überhaupt zulässig ist, selbst nach Erledigung des Auftrags wieder aufzuheben, über die Zulässigkeit einer dem Zeugen vorgelegten Frage vorläufig zu entscheiden und die nochmalige Vernehmung eines. Zeugen vorzunehmen. 9t. Eutw. 6 533.

Eatw. l. 8 835.

«utv. II. 8 346. E«tw. III. 8 252. «St. - Prot. €. 140.

„Die Aufnahme der Beweise geschieht auf Vorschlag des Beweisführers; es unter­ liegt daher, solange der Beweis noch nicht erhoben ist, dessen freier Disposition, auf den angebotenen Beweis zu verzichten; da aber der Gegner nicht gehindert ist, sich seinerseits der aufgegebenen Beweismittel zu bedienen, so ver­ einfacht und beschleunigt es das Verfahren, wenn der § 399 bestimmt, daß der Gegner, wenn der Verzicht ans den vorgeschlagenen Zeugen im Bernehmungstermin erfolgt, die Vernehmung des erschienenen Zeugen oder, wenn die Vernehmung bereits begonnen hat, die Fortsetzung derselben verlangen sann, und es macht in dieser Be­ ziehung keinen Unterschied, ob der Vernehmungstermin vor dem Prozeßgerichte oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter anberaumt war." (Mot.) Die Vorschrift „der Gegner — werde" beruht somit lediglich auf Zweckmäßigkeitsrücksichten. (A.M. z. Th. Siebenhaar 8. 398. > Vgl. v. C anst ein, Grundlagen S. 12 N. 6, v. Weveld, Augenschein 5. 46 N. 2; s. auch § 436. Der Verzicht, welcher einer Annahme seitens des Gegners mcht bedarf und daher auch in dessen Abwesenheit erfolgen kann (vgl. 8 367 Anm. 1), kann auch im Termine vor dem ersuchten oder beauftragten Richter erfolgen. Ob er schon vor dem Termin erklärt war, ist für die Befugniß deS Gegners gleichgültig, wenn der Zeuge dessenungeachtet seiner Verpflichtung gemäß im Termin erscheint. Das Gericht kann nur in Gemäßheit des in § 360 Anm. Gesagten aus Grund mündlicher Verhandlung die Ladung des Zeugen unterlassen (vgl. auch Gaupp I S. 749 s. u. A). Der Gegner ist, auch wenn er von der Befugniß des § 399 keinen Gebrauch macht, doch noch immer in der Lage, einen von der anderen Seite fallen gelassenen Zeugen seinerseits zur Abhörung zu bringen (Prot. 3. 140). Letzterer ist fein neuer Zeuge im Sinne deS § 374 (Wilm. Levy Anm. 2 it. A. A.M. Uebel I S. 342 Anm. 2). In der Berufungsinstanz kann der Zeuge, auf welchen in erster Instanz verzichtet worden ist, von neuem vorgeschlagen werden. In erster Instanz können der abermaligen Benennung seitens des Verzichtenden die §8 283 Abs. 2, 374 entgegengesetzt werden (vgl Gaupp I 3. 750 u. A.). 2) Ein Verzicht nach erfolgter Vernehmung kann auch beim Einverständnisse beider Parteien dem Gericht nicht die ihm nach § 286 zustehende Befugniß entziehen, das Ergebniß der Beweisaufnahme als gerichtSkundig zu benutzen ivgl. Hann. Prot. 3. 2125 ff., Gaupp I S. 749, Wilm. Levy Anm. l; s. auch § 286 Anm. 5), vorbehaltlich selbstverständlich des Rechts der Parteien, nicht bewiesene Thatsachen oder das Gegentheil bewiesener Thatsachen zu­ zugestehen. §

400.

1) Die Bestimmung erledigt den Zweifel, ob gewisse Befugnisse des betveiserhebenden Gerichts auch dem „mit der Beweisaufnahme betrauten", d. h. dem beauftragten oder ersuchten Richter (§§ 361—363, 365, 375) zustehen «vgl. R. E. § 533, StPO. § 69 Abs. 3). Es sind dies namentlich die Befugnisse zur Erzwingung des Zeugnisses durch Strafen und Vor­ führung bezw. Haft (§§ 380, 390), da der Zwang zur Ausführung des Auftrags gehört. Ueber die Rechtmäßigkeit der Weigerung hat ex nicht zu entscheiden (§§ 387 Abs. J, 3fc9). 2) „gesetzlichen Verfügungen zu treffen" — vgl. §§ 329 Anm. 1, 380 ff., 390; nicht bloß Anordnungen des Prozeßgerichts auszuführen (Wilm. Levy Anm. 1). „selbst nach Erledigung deS Auftrags wiederaufzuheben" — vgl. § 381. 8) „über die Zulässigkeit einer — Frage vorläufig zu entscheiden" — mag die Frage von dem Richter oder einer Partei oder deren Anwalt gestellt sein. Vgl. § 397

Achter Titel. Beweis durch Sachverständige. § 401.

495

§ 401. (366.) Jeder Zeuge hat nach Maßgabe der Gebührenordnung auf Entschädigung für Zeitversäumniß und, wenn sein Erscheinen eine Reise erforderlich macht, auf Erstattung der Kosten Anspruch, welche durch die Reise und den Aufent­ halt am Orte der Vernehmung verursacht werden. SL Gut». 63 507, 508. S. 140.

»MW. I. § SSO.

Achter Titel.

»Mw. II § S47.

«Mw. HL 8 S5S.

MM. 6. 257. Prst.

Leweis Lurch Sachverständige.

Abs. 1, 2; RG in I W. 1889 3. 20. Die endgültige Entscheidung gebührt dem Prozeßgerichte (§ 398 Abs. 2). Läßt der beauftragte oder ersuchte Richter die Frage zu, aber verweigert der Zeuge die Antwort unter Berufung auf einen Zeugnißverweigerungsgrund, so darf die Frage nicht weiter gestellt werden (§ 386). Ein Gleiche- gilt aber nicht, wenn der Gegner die Entscheidung des Prozeßgerichts verlangt. (So auch Gaupp I S. 751, Wilm. Levy Anm. 2, Seuffert Anm. d, Petersen Nr. 2 u. A. AM. Hellmann II 3. 256, Sarwey I 3. 531). Entsteht ein Streit über die Anwendung des § 393, so hat das Prozeßgericht zu entscheiden (Gaupp a. a. £).). 4) „und die nochmalige — vorzunehmen" — vgl. § 398. 5) Ueber die Beschwerde gegen Verfügungen des beauftragten oder ersuchten Richters vgl. § 576. Gegen die in Gemäßheit de- § 576 nachgesuchte Entscheidung deS Prozeßgerichtüber die Zulässigkeit einer Frage findet Beschwerde nicht statt (vgl. § 397 Anm. 3 vbd. mit § 576 Anm. 3; RG in 3. A. 44 Nr. 287, Seuffert a. a. £).). 8 401. 1) Eine ergänzende Bestimmung s. in GBG. § 166 Abs. 1, 2. Vgl. auch StPO. § 70. — Wegen Erstattung der Reisekosten vgl. RG. in I. W. 1899 S. 163 Nr. 7. 2) Die Ausführung des § 401 enthält die GO. f. Z. u. S. in der neuen Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 689), welche gewisse Mindest- und Höchstbeträge bestimmt und die Festsetzung dem Gerichte (vgl. OLG. Cöln im Rh. A. 94 I S. 179) bezw. dem Richter über­ weist, vor welchem die Verhandlung stattfindet (vorbehaltlich der Beschwerde), was eine vor­ läufige Berechnung durch den Gericht-schreiber nicht ausschließt (s. für Preußen Berf. v. 15. Juni 1883 — JMBl. S. 190). — Die Gebühren werden nur auf Verlangen gewährt. Der Anspruch ist binnen drei Monaten bei dem zuständigen Gericht anzubringen. Da- FestsetzungsVerfahren kann nicht durch eine Klage gegen den Fiskus umgangen werden (RG. in I. W. 1899 3. 75). Die Gebühr wird vorbehaltlich der Erstattung-pflicht der Parteien aus der StaatSfaffc bezahlt (vgl. GKG. § 79 Nr. 4), und zwar auS der Kaffe des vernehmenden GerichtS bezw. einer anderen öffentlichen Kaffe am Orte der Vernehmung (vgl. OLG. Nürnberg in Busch 6 3. 130). Wegen des Vorschüsse- s. § 379, GBG. § 166 Abs. 3. Auf den Vorschuß durch die Partei hat der Zeuge nicht zu warten (vgl. OLG. Nürnberg in 3. A. 39 9tr. 152). 3) Degen Veränderung de- Aufenthaltsortes nach der Ladung vgl. RG- in I. W. 1898 3. 388. Achter Titel. Literatur: Die ältere Literatur f. bei Walther im c. A. 26 3. 104 ff. AuS neuerer Zeit: Wach in Krit. B. 14 3. 333 ff. u. Bortr. 3. 77 ff., M. Lbermeyer, Die Lehre v. d. 3achverständigen im CP. München 1880 u. dazu v. Bölderndorff in Krit. B. 23 3. 364ff., Birkmeyer im Rechtslex. III 3. 512 ff. s. a. „Sachverständige", v. Canstein in Busch 2 3. 326 ff., Langenbeck das. 4 S. 489 ff., HeuSler im c. A. 62 3. 243 ff., Wendt das. 63 3. 269 ff., Endemann, Lehrb. 3. 781 ff.. Hellmann Lehrb. 3. 559 ff., Planck II § 122, Schmidt 3. 262 ff. u. § 89, Fi tting § 59, Stein, D. private Wissen d. Richters 3. 54ff., John, StPO. I 3. 514ff., Glaser, Handb. des Strasproz. I 3. 670ff. 1) Gemeinrechtlich besteht schon seit den Glossatoren eine lebhaft verhandelte Streit­ frage, ob die Sachverständigen als Richter bezw. Gehülfen des Richters oder als Beweis-

496

Zweites Buch. Berf. in erst Instanz

Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. § 401.

mittel, nämlich als Zeugen anzusehen sind. Unter den neueren Prozessualisten verwirft Betzell S. 528ff. am entschiedensten die von Manchen beliebte Unterscheidung wahrnehmen­ der und urtheilender Sachverständigen tRenaud S. 314, 426, 680ff.) und sieht in den Sachverständigen „HülsSorgane" l„Gehülfen") deS Richters mit urtheilender Thätigkeit, also „keine eigentlichen Beweismittel". Auch Heusler und Wen dt verweisen die Sachver­ ständigen ganz aus dem Gebiete des Beweises. Einzelne ältere Partikularrechte behandeln sie lediglich als Zeugen (vgl. Obermeyer S. 43 f., namentlich S. 54 ff., 71 ff.) Rur Zeugen sieht in den Sachverständigen noch heute v. Canstein S. 328ff.: ähnlich v. Bar, Das deutsche CPRecht S. 49, in v. Holtzendorfs, Encykl. 5. Ausl. S. 813 („Zeugen besonderer Qualifikation"), John das. S. 1010 u. v. 93ölbentbot*ff a. a. £.]. Bald der einen, bald der anderen Auf­ fassung folgte das prcuß. Prozeßrecht (vgl. R. Koch in Hinschius, Preuß. Anwalts-Ztg. 1*66 Nr. 46 f.). Der C. de proc. art. 362 ff. steht mehr aus dem Standpunkte der Gehülfen-Theorie. Das HGB. ivgl. jetzt §§ 438, 530, 552, 608, 709 ff.; trifft keine grundsätzliche Entscheidung (s. auch R. Koch in Busch A. f. HR. 17 S. CXLIV ff.; vgl. ROHG. 5 S. 142). Andere von Sachverständigen handelnde Reichsgesetze s. bei Seuffert Anm. 4 vor § 367, Gaupp I S. 756 Auf die neueren Prozeßordnungen und Entwürfe sind die Ansichten der neueren ge­ meinrechtlichen Schriftsteller von Einfluß gewesen. Wenngleich indessen oft die Ansicht, daß die Sachverständigen Gehülfen des Richters seien, als die richtige betont wird (vgl. Mot. z. P. E. S. 114, Nordd. Prot. S. 753), so erscheint der Sachverständigen-Beweis doch überall praktisch als eine dem Zeugenbeweise entsprechende Art des Beweises, wobei nur in Beziehung auf die Zuziehung von Sachverständigen überhaupt, ferner auf Auswahl und Zahl der Sach­ verständigen dem Gerichte weitgehende Befugnisse eingeräumt sind (H. E. §§ 351 ff., P. E. 88 501 ff., N. E. 88 536 ff.). 2- WaS die CPO. anlangt, so stellen sich die Mot. vollständig auf den Standpunkt der neueren Gehülfen-Theorie (namentlich Wetzell's): „Zur Beurtheilung streitiger Parteibehauptungen können besondere Kenntnisse er­ forderlich sein, deren Besitz nur durch eine aus dieselbe gerichtete spezielle wissenschaft­ liche Thätigkeit, durch technische oder gewerbemäßige Uebung erlangt werden kann, mtb welche daher dem Richter regelmäßig nicht beiwohnt. In solchen Fällen ist der Richter thatsächlich genöthigt, sich des Beiraths solcher Personen zu bedienen, welche jene Kenntnisse besitzen. Die Sachverständigen find Gehülfen deS Richters, indem sie demselben ein auf besondere Sachkenntnisse gestütztes Gutachten über feststehende oder als feststehend angenommene Thatsachen erstatten und — auch wenn sie bei Einnahme des Augenscheins als wahrnehmende oder darstellende Sachverständige fungirten — ein zur Borbereitung der richterlichen Entscheidung dienendes Urtheil abgeben. Dieses Prinzip ist in Berbindung mit dem Grundsätze der freien Beweiswürdigung für die Borschristen des Enttv. über den Sachverständigenbeweis maßgebend gewesen." Wenn das Gesetz dennoch von einem „Beweis durch Sachverständige" spricht und die Begutachtung durch Sachverständige als einen Abschnitt der Beweisaufnahme behandelt, so betrifft dies doch im Wesentlichen nur die Form des Bcrfahrens (in den 8§ 3, 287 wird die Begutachtung durch Sachverständige der „Beweisaufnahme" gegenüber gestellt). Die Regelung der einzelnen streitigen Punkte, welche das praktische Interesse der Streitfrage bilden, ist überall im Sinne der Gehülsenthcorie erfolgt (vgl. z. B. 88 401—406, 412). [3o auch RG in Gruchot 27 S. 1104, in I. W. 1891 S. 271, (Seuffert Anm. 2 vor 8 367, Petersen S. 734, Obermeyer S. 92ff. u. A. A.M. Hellmann, Lehrb. S. 559ff., Planck II S. 268s., 271 u. Birkmeyer S. 515, welche letzteren den Unterschied zwischen wahrnehmenden und urtheilenden Sachverständigen aufrecht erhalten.) Bon Anwendung der Begriffe „Beweis", „Beweismittel" (s. 88 359 Nr. 2, 487 Nr. 3) kann somit hier nur in einem uneigenllichen Sinne, etwa wie bezüglich der fremden Rechte rc. (8 293;, die Rede sein. Eine Berpflichtung zum Beweisantritt (formelle Beweislast — vgl. 8 56 Anm. 1) besteht rücksichtlich der durch Sachverständige aufzuklärenden Punkte nur, soweit dem Gerichte die Kenntniß nicht bereits bei­ wohnt oder nicht von ihm anderweit erreicht wird (s. § 403 Anm. 2). Auch ohne jeden Partei-

Achter Titel,

vetociS durch Sachverständige'

( 402, 403.

497

§ 402. (367.) Auf den Beweis durch Sachverständige finden die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Besttmmungen enthalten sind. ft. Ent*. | 616. S. 140.

Gut». I. 8 U7.

Emtw. II 8 148.

(Kutte. UL 6 154.

Mot. €. 257, 258.

Prot.

§ 403. (368.) Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte. ft tut». 6 517. Gutw. I. 8 188. satte. IL 8 149. Cntte. in. 8 155. Mot. 6. 258. Prot. 6. 140. Antrag kann und muß nach seinem pflichtmäßigen Ermessen das Gericht von AmtSwegen Sachverständige vernehmen (s. §§ 3, 144, 287, 372, 442) und Aeußerungen nicht ver­ nommener Sachverständigen als Hülfsmittel zur Würdigung abgegebener Gutachten benutzen zur angegebenen Zeit und am angegebenen Ort) ergangen sei. (vgl. Prot. S. 156; Wilm. Levy Anm.). 2) „von einer Behörde ausgestellten" — d. h. die von einer öffentlichen Be­ hörde (§ 415 Anm. 2), nicht auch die von einer Urkundsperson (§ 415 Anm. 3) ausgestellten Urkunden. 3) Hinsichtlich des Gegenbeweises gegen die formelle Beweisregel des § 417 gilt hier das Gleiche wie bei der Privaturkunde; er findet also nur als ein indirekter statt, welcher lediglich die materielle Beweiskraft berührt, z. B. daß ein bloßer Scherz vorliege (f: § 416 Anm. 1 a. E., Gaupp I S. 780, Seufsert Anm. 2 u. A.). Auch hinsichtlich des LrteS und der 33*

516

Zweites Buch. Verf. in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. § 418.

§ 418. (383.) Oeffentliche Urkunden, welche einen anderen als den in den §§. 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Thatsachen. Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Thatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken. Beruht das Zeugniß nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann Anwendung, wenn sich aus den Landesgesetzen ergiebt, daß die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist. «. Cutw. 6 569. 6. 152-164, lo6.

tzntw. I. 8 355.

Entw. II. § 364.

Entw. III. 8 370.

«ot. 6. 266.

Prot.

Zeit des Erlasses der Anordnung u. s. w. ist direkter Gegenbeweis nicht zulässig (Gaupp a. a. €., Planck II S. 228 N. 10 u. A. AM. Seuffert a. a. £., Hellmann. Lchrb. S. 536 f.).

§ 418 1) § 418 betrifft die Zeugnisse, welche nach Matzgabe der Reichs- und der Landes­ gesetzgebung von Kollegien oder einzelnen Beamten bczw. Urkundspersonen über Gegenstände ihres Geschäftskreises unter öffentlichem Glauben auszustellen sind (vgl. §§ 415—418 Anm. a. E.), z. B. die Sitzungsprotokolle (§§ 159 ff ), Zustellungsurkunden (§ 191), Protokolle der Gerichts­ vollzieher über Bollstreckungshandlungen (§ 762), Wechselproteste iWO. Art. 67 ff. », die Zeug­ nisse der Reichskonsuln (Ges. v. 6. Nov. 1867 § 15), Berichte der Postboten (Post-Ges. v. 28. £ft. 1871 § 47 — RGBl. S. 347), Standesrcgister und von den Standesbeamten ertheilten Auszüge (Ges. v. 6. Februar 1875 § 15), Kirchenbücher und Auszüge aus diesen (das. § 73; vgl. Rspr. d. RG. in Str. S. 5 8. 199 ff.); Handelsregister (HGB. §§ 8 ff.), Gütcrrechtsregister >BGB. §§ 1558 ff.) und die bezüglichen Zeugnisse (RGBL. v. 24. März 1897 §§ 33 ff ), Zeugnisse der Grundbuchrichter sRGBO. §§ 56 ff. (Hypothekenbrief)), Beglaubigung von Unterschriften (RGes. betr. frm. Gb. § 183) u. f. w. Gerichtliche Erbbejcheinigungen, welche ein Urtheil des Gerichts über die Erbeseigenschast enthalten sBGB. §§ 2353 ff. (Erbschein); Preutz. Ges. v. 12. März 1869], gehören nicht hierher, sondern unter § 417 (f. Pctcrsen Nr. 1 u. A. A M. A. Förster Anm. 1). — Die Geltung dieser Zeugnisse hängt viclsach mit dem bnrg. Rechte zusammen. Soweit nicht schon nach diesem (vgl. § 292) ihre Beweiskraft gesichert ist, wird ihnen hier iAbs. 1) aus­ drücklich (materielle) Beweiskraft beigelegt. Es handelt sich also im Wesentlichen um eine ergänzende Vorschrift (vgl. § 415 Anm. 1—3). Eine Urkunde kann auch theilweise unter § 415, theilweise unter § 417 oder 418 fallen. 2) „Oeffentliche Urkunden" — vgl. 8 415. — Ter Unterschied liegt lediglich in dem „anderen Inhalt", welcher immer auf den Begriff eines amtlichen Zeugnisses hinausgeht. In der Regel und nach der Natur des Zeugnisses beschränkt sich die Beweiskraft auf That­ sachen, welche von der Behörde oder Urkundsperson selbst wahrgenommen sind, weil nur diese Thatsachen von dem amtlichen Glauben gedeckt werden. Nicht darunter fallen Berichte der Behörden in Vertragsverhältnissen der Staatsverwaltung (RG. in D. I. Ztg. 1883 S. 527). Ausnahmsweise werden indessen in Abs. 3 diejenigen landesgesetzlichen Vor­ schriften aufrecht erhalten, wonach die Beweiskraft von der eigenen Wahrnehmung unabhängig gemacht ist, und dieser vielmehr andere amtliche Ermittelungen gleichgestellt sind (s. z. B. Bad. Ges. v. 21. Dez. 1859 sowie für Preußen A. Förster Anm. 2). Tie landesrechtlichen (durch das Ges. v. 6. Febr. 1875 aufgehobenen) Vorschriften über die Beurkundung des Personenstandes kommen noch für die Vergangenheit in Betracht. Vgl. Prot. S. 156, 160; EG. z. CPO. § 16 Nr. 1. Wegen reichsgesetzlicher Beweisregeln dieser Art s. EG. z. CPL. § 13 Anm. 2. Vgl. auch § 196 Anm. 3 und Bolgiano in Busch 24 S. 133f. 3) Abs. 2: Der Gegenbeweis gegen den Inhalt des Zeugnisses ist — anders als nach § 415 Abs. 2 — nur insoweit gestattet, als nicht die Landesgesetze Beschränkungen enthalten,

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden.

§ 419, 420.

517

§ 419. (384.) Inwiefern Durchstreichungen, Radirungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder theilweise auf­ heben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung. «. «Nt». 8 672. V. 156, 160.

§

420.

Ent». L I 357.

(385.)

Ent». II. § 365.

Ent». III. 8 371.

«ot. 6. 266, 267.

Pr-t.

Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Vorlegung der

Urkunde. «. Ent». 8 573. Ent». I. 8 358. Ent». II 8 366. Ent«. III 8 372. Mot. E. 267. Prot. E. 156. mit dieser Ausnahme aber ganz allgemein (direkt und indirekt. sowie durch alle Beweismittel, jedoch in direkter Weise nicht durch Eideszuschiebung — vgl. §§ 415 Anm. 7, 446 Anm. 2). Hauptsächlich war an den öffentlichen Glauben des Grundbuchs gedacht (vgl. Preuß. G. üb. d. Eigenthumserwerb v. 5. Mai 1872 §§ 9, 11, 38, 49, GBL. § 118 rc.), überhaupt an Vor­ schriften des bürg. Rechts, soweit diese nicht bereits durch § 16 Nr. 1 d. EG. z. CPO. (jetzt CPO. § 292) gedeckt wurden. Nach der Fassung des Abs. 2 („Landesgesetze") ist jedoch ein Unterschied, je nachdem die Bestimmung dem bürg. Recht oder anderen Rechtszweigen angehört, nicht zu machen (vgl. Schultze, Krit. B. 18 8. 239f.). Selbstverständlich bezieht sich die Zu­ lassung landesgesetzlicher Ausnahmen nickt auf solche Urkunden, deren Errichtung re ich Sgesetzlich geregelt und deren Bedeutung damit der Einwirkung der Landesgesetze entzogen ist (Seuffert Anm. 2 u. A. A.M. Hell mann, Lehrb. S. 536 wegen der allgemeinen Fassung des Abs. 2); für das neue Reichs-Grundbuchrccht ist daher diese Bestimmung nicht mehr von Bedeutung. Reichsgesetzliche Ausnahmen sind durch § 13 Abs. 1 d. EG. z. CPO. erhalten; vgl. z. B. RGes. v. 6. Febr. 1875 §§ 15, 85. 4) Ueber den Gegenbeweis gegen das Sitzungsprotokoll vgl. § 164, gegen den Thatbestand des Urtheils § 314. In den Fällen der §§ 191 (Zustellungsurkunde — f. RG. 6 S. 374) und 762 (Bollstreckungsprotokoll des Gerichtsvollziehers) ist der Gegenbeweis nicht be­ schränkt; auch für § 202 Abs. 2 gilt keine Ausnahme (s. das. Anm. 2). 8 419. Bei äußeren Mängeln der öffentlichen oder Privaturkunde, mögen sie bei Errichtung der Urkunde oder später entstanden sein, wird die freie richterliche Würdigung (§ 286) in gewissem Umfange wiederhergestellt (vgl. Planck II S. 223); sie erstreckt sich jedoch nur auf die Frage, welcher Einfluß den Mängeln hinsichtlich der Beweiskraft der ganzen Urkunde (bezw. dedurch die Mängel betroffenen Theils, wenn dieser unwesentlich — s. v. Canstein in Busch 2 S. 346) beizulegen ist; die Unverfälschtheit („bonitas instrumentr*4) * bedarf * gewisser­ maßen in solchen Fällen noch des Beweises (Wetzell S. 236), während sie sonst vermuthet wird. Wird daher bewiesen, daß die Durchftreichungen u. s. w. genehmigt sind, so kommt § 419 nicht mehr zur Anwendung (Bolgiano a. a. O. S. 145). Bgl. § 440 Abs. 2 (Weiter gehen im Widerspruch mit dem Wortlaut des § 419 („Inwiefern — Mängel — die Beweiskraft — aufheben oder mindern") RG. 29 S. 430, Seuffert Anm. 1, Gaupp I S. 782, Wilm. Levy Anm. 1, A. Förster Anm. 2, Peterfen Nr. 2 u. A, nach welchen bei äußeren Mängeln die §§ 415—418 ganz außer Anwendung bleiben.) Eine andere — nach dem bürg. Recht zu beantwortende — Frage ist, inwiefern eine Urkunde durch äußere Mängel die zu einer öffentlichen Urkunde erforderliche oder die dem Gebote der Schriftlichkeit einer Willenserkärung entsprechende Form verliert. 8 420. 1) Die verschiedenen Arten der Antretung des Urkundenbeweises (Dgl. § 282 Abs. 2, Planck II S. 257f., Fitting § 63) werden in den §§ 420, 421, 428, 432 je nach der Person desjenigen bestimmt, in dessen Händen sich die Urkunde befindet. 2) § 420 betrifft den regelmäßigen Fall, daß der Beweissührer selbst die Urkunde in Händen hat oder sie doch ohne Mitwirkung des Gerichts beschaffen kann (§ 432 Abs. 2).

518

Zweites Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. § 421.

§ 421. (386.) Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweis­ führers in den Händen des Gegners, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben. R. Ent». 8 674. Gut». I. 8 359. Ent». II. 8 367. Ent». 111. 8 373. «st. 6. 267. Prot. 6. 156. Die Vorlegung (Produktion 1, d. h. die Vorzeigung behuss sachgemäßer Einsicht und Durch­ sicht seitens des Gegners und des Gerichts, erfolgt den Grundsätzen der Mündlichkeit (§ 128) und der Beweisverbindung (§§ 278—285 Anm. 3) gemäß tu der mündlichen Berhandlung (§ 282). An die Vorlegung knüpft sich die Erklärungspflicht des Gegners nach § 439 (vgl RG in Gruchot 26 S. 124 f.). Bezeichnung der beweisenden Stellen ist nicht erforderlich (Siebenhaar S. 415 Anm.* Abw. Gaupp I 3. 7831, ebensowenig, abgesehen von §§ 80 Abs. 1, 443, Abgabe zu den Gerichtsakten. Unter den Voraussetzungen des § 434 genügt so­ gar das bloße Erbieten zur Vorlegung (vgl Wilm. Levy Anm. 1, Petersen 9h. 1, A. Förster Anm. 2 u. 91.: s. auch Planck II 3. 257). Ein Beweisbeschluß wird in der Reget nicht erforderlich sein. Vgl. §§ 359—362 und Schmidt 3. 493. Wegen der Vorbereitung des Urtundenbeweises vgl. die anweisenden Vorschriften der §§ Ul, 133-135. Wie die Beweisaufnahme hier erfolgt, ist nicht ausdrücklich bestimmt. Wegen des Mündlichkeitsgrundsatzes (§§ 128, 136 Abs. 3, 137 Abs. 2, 3, 285 Abs. 2) ist eS erforderlich, daß der Beweisführer alles dasjenige, was er von dem Inhalte der Urkunden in Betracht ge­ zogen haben will, mündlich vorträgt, worauf der Vorsitzende kraft seines Prozeßleitungs­ amts erforderlichen Falls aufmerksam zu machen hat (s. Planck 1 3 187, II 3. 258). (Vgl. § 137 Anm. 2; ferner RG in 3. A. 45 Nr. 133, in Gruchot 253. 1118, Wilm. Levy Anm. 1 u. A. Weniger streng giebt Vierhaus in Busch 5 3. 95 ff. jenen Satz nur in dem Sinne zu, daß die Umstände, welche durch die Urkunde bewiesen werden sollen, von den Parteien unter Bezugnahme auf die Urkunde mündlich vorzutragen sind; vgl. auch Wach, D. civilproz. Enquete (Busch 11, Beil) S. 75ff. A.M. v Kräwel das. 5 3. 175ff., der schon durch die Vorlegung den wörtlichen Inhalt der Urkunde als festgestellt einsieht; ferner v. Kries a. a O. 7 3. 114 ff., der mit Unrecht (vgl § 128Anm. 1) den Grundsatz der Mündlichkeit, welcher den Vortrag des Urkundeninhalts nicht verlange, von dem der Unmittel­ barkeit unterscheidet und den 91 ft der Beweisaufnahme ganz dem richterlichen Ermessen überläßt: ähnlich Fitting § 63 N. 16.] Vgl. auch § 434 Anm. 1. 3) Das Gericht kann auch von 9lmtswegcn die Vorlegung von Urkunden anordnen (§§ 142, 143;. Wegen Vorlegung der Handelsbücher und der Tagebücher der Handelsmäkler s. HGB. §§ 46, 102; wegen Bezeichnung bestimmter Stellen s. RG. 1 S. 423, Planck II 3. 257. iVgl. auch EG. z. EPL. § 13 Anm. 5 u. RG. in Gruchot 26 S. 1147.) 88 421-435. Liegen die Voraussetzungen des § 420 nicht vor, so geht der Vorlegung der Urkunde ein Editionsverfahren voraus. Die §§ 421—427 handeln von der Vorlegung durch den Gegner, die §§ 428—433 von der Vorlegung durch Dritte. Tie §§ 421 — 426 finden ent­ sprechende Anwendung bei der Schriftvergleichung (§ 441 Abs. 3). Die §§ 422, 423, 429 betreffen die Vorlegungspsli ch t: die übrigen §§ das Verfahren. § 421. 1) Das Borlegungsrecht ist zwar inhaltlich eine Inzidentklage. Prozessualisch aber ist das Borlegungsverfahren gegen den Prozeßgegner von der CPO. als ein Theil desHauptversahrens behandelt; cs beginnt also mit dem in der mündlichen Hauptverhandlung zu stellenden 9l nt rage (vgl. §§ 137, 282, 283), von dessen Vorbereitung das Gewöhnliche gilt (vgl. Nordd. Prot. S. 946 ff.). Der 9lntrag darf mit der Klage, Vernehmlassung re. ver­ bunden werden, ist aber selbstverständlich bei der mündlichen Verhandlung zu wiederholen (vgl.

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden.

519

§ 422.

§ 422. (387.) Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann. 9L Eni». 8 87». £nt». L 8 360. 6*1». U. 6 368. 6. 156, 553. - «eb.: E. IL 6. III. 8 387, vegr. 6. 115.

Ent», m. § 374.

M-t. S. 867.

Prst.

§§ 253 Abs. 4, 272 in Verbindung mit § 130 Nr. 5). Ueber die Erfordernisse deS Antrags vgl. § 424. Ueber das weitere Verfahren s. § 425. 2) Der bloße Nebenintervenient auf Seiten deS Gegners ist außer dem Falle deS % 69 als Dritter, nicht als Gegner anzusehen (vgl. § 449; Seuffert Anm. 1, Gaupp I S. 784, Petersen Nr. 2, Francke, Nebenparteien S. 107 u. A. AM. RG. in I. W. 1884 S. 135, A. Förster Anm. 1 u. A.); ebenso der Streitgenosse des Beweisführers mit Ausnahme der Fülle des § 62 und die aus dem Prozesse ausgeschiedene Partei (§§ 75, 76, 265. 266), sowie der gesetzliche Vertreter einer Partei (Seusfert Anm. 1 n. § 393 Anm. 1). Dagegen kann der Nebenintervenient (auch der regelmäßige) als Vertreter der Hauptpartei einen Vorlegung-antrag gegen den Gegner stellen und diesen Antrag sogar auf einen ihm zustehenden Vorlegungsanspruch gründen (Wach I S. 634, Gaupp I S. 784, Seuffert Anm. 1); der Antrag wird jedoch, abgesehen von § 69, unwirksam, sobald die Hauptpartei widerspricht (vgl § 67 Anm. 1); bei einem Borlegungsantrage des Beweisführers gegen den Nebenintewenienten selbst erscheint Letzterer wiederum als Dritter (Wilm. Levy § 394 Anm. 1, Petersen, Seuffert a. a. O. u. A.). 3) Der Antrag ist nur beschränkt zuläsfig in Ehe- u. Kindschastssachen und überhaupt nicht in Entmündigungssachen (§§ 617 Abs. 2, 3, 640, 641, 670, 679, 684, 686; vgl. § 670 Anm. 1) und im Urkundenprozeß (§ 595 Anm. 4). 8 422. Literatur: Demelius, Die Exhibitionspflicht. Graz 1872, Goldschmidt, Ueber EditionSpflicht *l s. w. in s. Z. f. HR. 29 S. 34! ff., Huggenberger, Pflicht z. Urk.-Edition, München 1889, Apt, Pflicht z. Urk.-Edition. 2. Aufl. Berlin 1892 u. dazu Reinhold in Busch 17 S. 419 ff., Klöppel in Gruchot 37 S. 447 ff., Bolgiano in Busch 24 S. 156 ff., Köhler im c. A. 79 S. 1 ff. u. (über das Recht an Briefen) im A. f. bürg. Recht 7 S. 111 ff.; Planck II § 119, Schmidt S. 493 ff., Fitting § 62, Hellmann, Lehrb. S. 543 ff.; s. auch die Sit. zu BGB. § 810. 1) Der bisherige § 387 lautete: „Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet: 1. wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Recht- die Heraus­ gabe der Urkunde oder deren Vorlegung auch außerhalb des ProzeffeS verlangen kann; 2. wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine für den Beweisführer und den Gegner gemeinschaftliche ist. AlS gemeinschaftlich gilt eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin beurkundet sind. AlS gemeinschaftlich gelten auch die über ein Rechtsgeschäft zwischen den Be­ theiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen Vermittler des Geschäfts gepflogenen schriftlichen Verhandlungen." 2) Ueber die neue Bestimmung bemerkt die Begründung: „Das BGB. (§ 810) hat die privatrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe einer Urkunde wesentlich erweitert. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitze befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Ein­ sicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem Anderen bestehendes Rechtsverhältniß beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem Anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Ver­ mittler gepflogen worden sind. Diese Vorschrift stimmt in der Hanptsache mit der besonderen Bestimmung der bisherigen Nr. 2 deS § 387 überein, und die legiere wird damit entbehrlich. Der Entwurf kann sich daher auf den der bisherigen Nr. 1

520

Zweites Buch.

Berf. in erst. Instanz.

Erst. Abschn.

Berf. v. d. Landgerichten.

§ 423.

§ 423. (388.) Der Gegner ist auch zur Vorlegung derjenigen in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, aus welche er im Prozesse zur Beweisentsprechenden Satz beschränken, daß der Gegner zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet ist, wenn der Beweissührer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Heraus­ gabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann. Neben dem § 81U BGB. kommen hier noch diejenigen Vorschriften in Betracht, vermöge welcher auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses (Eigenthum, Auftrag. Geschäftsführung. Gesell­ schaft u. s. w.) die Herausgabe einer Urkunde verlangt werden kann." 3) Hiernach

ist zunächst BGB. § 810 maßgebend,

der auch ohne

Rechtstitel auf die

Urkunde selbst den Anspruch auf Vorlegung („Gestattung der Einsicht", nicht Herausgabe) in den Fällen begründet, welche die CPO. früher in § 387 Nr. 2 als Gemeinschaftlichkeit der Urkunde bezeichnete (vgl. Linde in Z. f. Civilr. u. Proz. 1 8. 220, Renaud

8. 355, Köhler

8. 12 ff.,

Planck II S. 245 ff.;.

Bayer, Vortr. 8. 859,

8achlich ist keine erhebliche

Aenderung eingetreten 0'. auch 8euffert in Busch 22 8. 343 s., Schmidt 8. 495 N. 3). Es genügt, daß die Urkunde nur oder zugleich im Interesse des AntragstellerS,

wenn

auch nicht in dem des Gegners, errichtet ist (vgl. Wilm. Levy Anm. 3, 4, Scuffcrt Anm. 4a, Gaupp I 8. 786. A M. Goldschmidt 8. 389). Auch einseitig errichtete Urkunden können hierher gehören (vgl. RG. in 8. A. 37 Nr. 348; abw. Planck II 8. 248). Wesentlich ist andererseits nach BGB. § 810 („errichtet oder---------beurkundet ist"), daß die Voraus­ setzungen des Gesetzes — nicht aber auch die Absicht,

ein Beweismittel zu schaffen (vgl. Apt

8. 43 a. E, 44, auch Köhler 8. 23) — schon bei der Errichtung vorhanden waren (vgl. Goldschmidt 8. 393). Nicht hierher gehören daher bloße Selbstanszeichnungen in Hausbüchern u. dgl. (Köhler 8. 35 ff.;

f. auch RG

in I. W. 1894 8. 54),

wohl aber Quittungen,

die

der Antragsteller ausgestellt hat, oder die ihm ertheilt sind (vgl. Petersen Nr. 4d, 8cuffert Anm. 4b, v. Holzschuhcr, Theorie und Kasuistik, 3. Aufl. III 8. 1087, Planck II 8. 246, Huggenberger 8. 36, QLG. Jena in 8. A. 40 Nr. 206). dem Bevollmächtigten und

Auf die Verhandlungen zwischen

dem Machtgeber erstreckt sich die Vorlegungspslicht dagegen

mäßig nicht (Nordd. Prot. 8. 945, Köhler 8. 37, 8 cuffert Anm. 4 c, RG

regel­

in I. W. 1896

8. 73), auch nicht auf Auskunft, die streng vertraulich ertheilt ist (NG 35 8. 105). Unter BGB. § 810 fallen

auch

die Handclsbücher und

ähnliche Bücher

größerer

Anstalten, z. B. der Sparkassen, insoweit, als es sich um Eintragungen handelt, die sich auf den Antragsteller beziehen (vgl. RG. in 8. A. 38 Nr. 348, in Gruchot 30 8. 439, in I. W. 1894 8. 54.

A.M. Planck II 8. 249 f.; s. jedoch auch RO. in I. Z. f. Els.-Lothr. 24 8. 266).

Die §§ 45—47 d. HGB. sind daneben ausrcchterhalten (EG. z. CPO. § 13 Anm. 5), aber nicht ausschließlich maßgebend (vgl. RG. 20 8. 45, in 8. A. 53 Nr. 26; 8taAb HGB. 6. Aufl. § 45 Anm. 1, 2, 8 euffert Anm. 5a, Wilm. Levy Anm. 5, Gaupp I 8.787; s. auch RG in I. W. 1893 8. 184). Wegen der Tagebücher der Handels Maklers. HGB. § 102 und dazu Staub Anm.; wegen eröffneter Testamente BGB. § 2264. 4) Für die Fälle, in welchen auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses (auch Besitz und unerlaubte Handlungen, z. B. Diebstahl, können hier in Betracht kommen) die Vorweisung der Urkunde (event, die Herausgabe) beansprucht werden kann, ist ebenfalls das bürgerliche Recht entscheidend (vgl. z. B. BGB. §§ 402, 716, 952; ferner CPO. § 836 Abs. 3: HGB. §§ 118, 157, 166, 246, 267, 302, 338). 5) Die Partei ist zur Vorlegung vor dem Prozeßgerichte verpflichtet, auch wenn nach BGB. § 811 die Vorlegungspflicht an einem anderen Orte zu erfüllen ist (Wilm. Levy Anm. 2 a. E.), s. jedoch auch § 434; anders im Falle des § 429 (s. das. Anm. 2). 6) Die §§ 422, 423 (u. 429)

finden auf andere Sachen keine entsprechende Anwendung;

bezüglich dieser entscheidet ausschließlich das bürgerliche Recht. Vgl. § 371 Anm. 2, §§ 428— 433 Anm.; BGB. § 809. § 423. 1) Der g 423 handelt von der durch das Verhalten bedingten Borlegungspflicht.

des Gegners

(Vgl. § 134, Nordd. Prot. 8. 970.)

im Prozesse

Durch die Bezugnahme in

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden.

§ 424.

521

führung Bezug genommen hat, selbst wenn dieses nur in einem vorbereitenden Schriftsätze geschehen ist. «. «mtw. 8 756

S. 156, 553.

«et». I. § 36L

«»Iw. II. 8 369.

«atm. 111. § 375.

Mot. «. 267.

«rwt.

§ 424. (389.) Der Antrag soll enthalten: 1. die Bezeichnung der Urkunde; 2. die Bezeichnung der Thatsachen, welche durch die Urkunde bewiesen werden sollen: 3. die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; 4. die Angabe der Umstände, aus welche die Behauptung sich stützt, daß die Urkunde sich in dem Besitze des Gegners befindet; 5. die Bezeichnung des Grundes, welcher die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergiebt. Der Grund ist glaubhaft zu machen. «. «ntw. § 577. €. 156, 553.

«nt». I. § 362.

«nt». II. 8 370.

«nt». HI. § 376.

Mot. S. 268, 269.

Prot.

demselben Prozesse wird eine gewisse Gemeinschaftlichkeit hergestellt, aber nicht in dem Sinne, daß darauf nicht mehr einseitig verzichtet werden kann (vgl. § 436 Anm. 2). 2) „zur Beweisführung Bezug genommen" — Eine bloße Erwähnung genügt danach nicht; die Bezugnahme muß m der Bezeichnung als Beweismittel bestehen, sei es in der mündlichen Verhandlung (§ 282) oder in den vorbereitenden Schriftsätzen (§§ 131, 134). (Nordd. Prot. S. 271, Wilm. Levy Anm. 1, Reincke S. 435 u. A. A M. Seuffert Anm. 1, Planck II S. 250, Apt a. a. O. S. 22 ff., Köhler a. a. O. S. 1; vgl. auch RG 85 S. 109.) — Die Weigerung einer Partei, die ihr unter der Verpflichtung strengster Verschwiegen­ heit ertheilten schriftlichen Auskünfte, deren Aussteller sie nicht nennt, mitzutheilen, ist gerecht­ fertigt. 3) Ueber die Anwendbarkeit des § 423 gegen einen Nebenintervenienten, welcher auf eine Urkunde Bezug genommen hat, vgl. § 429 Anm. 1. Zur Vorlegung von Urkunden, auf welche eine Partei im Hauptprozefse Bezug genommen hat, ist sie dem Hauptintervenienten gegenüber nicht verpflichtet (vgl. § 65 Anm. 1 i. A., Pctersen Nr. 5. A.M. Fitting § 78 N. 10). § 424. 1) „Der Antrag soll enthalten" -- Ein Schriftsatz ist nicht unbedingt er­ forderlich. Der Antrag ist mündlich zu stellen und soll durch einen Schriftsatz nur vor­ bereitet werden. Dagegen sind bestimmte Erfordernisse des Antrags unbedingt vorge­ schrieben. Diese müssen in der mündlichen Verhandlung erfüllt werden, ehe dem Antrage statt­ gegeben werden kann. „Die Vorschrift ist — nicht bloß instruktionell, sondern imperativer Natur und hat nur deshalb die mildere Fassung erhalten müssen, weil der Antrag mittelst Schrift­ satzes nicht gestellt, sondern nur vorbereitet werden soll, mithin berücksichtigt werden mutz, wenn in der mündlichen Verhandlung den Erfordernissen des § 424 entsprochen wird." (M ot.) Bei dem regelmäßigen Sprachgebrauch der CPO. („soll" im Gegensatz von „muß") hätte freilich die Fassung deutlicher sein können. (Vgl. § 430 Anm. 2, Wilm. Levy Anm. 1, Pctersen Nr. 1 u. 21.; s. auch Fitting § 63 N. 4. ?l.M. Puchelt II S. 228.) Der Antrag braucht nicht verlesen zu werden (vgl. § 297 Anm. 1, Wilm. Levy Anm. 1 a. E., Seuffert Anm. 1 u. A. AM. Hellmann II S. 293). 2) Nr. 2, 3: Die Bezeichnung kann durch Beibringung einer Abschrift der Urkunde ge­ schehen (Dgl. 8 427). Tie allgemeine Inhaltsangabe wird häufig genügen (vgl. RG. in I. W 1894 S. 128 Nr. 44). Nr. 4: Die Bestimmung hat für den Gegner Werth, damit dieser sich, z. B. wenn ihm der Besitz nicht bekannt ist, gehörig erklären kann (vgl. Nordd. Prot. S. 947). Glaubhaft­ machung ist nicht erforderlich (s. Seuffert Anm. 5 u. A. A.M. Sieben haar S. 417).

522

Zweites Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten.

§ 425.

§ 425. (390.) Erachtet das Gericht die Thatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, für erheblich und den Antrag für begründet, so ordnet es, wenn der Gegner zugesteht, daß die Urftmbe sich in seinen Händen befinde, oder wenn der Gegner sich über den Antrag nicht erklärt, die Vorlegung der Urkunde an. m. e»«». $ 486. emt». > § -r«s. ent», u i 371. ent», m. j 377. «et. e. rss. »r#t. e. ise. 3) Nr. 5: Daß nur die Glaubhaftinachung des zu bezeichnenden Vorlegungsgrundes (§§ 422, 423) erfordert wird, entspricht dem Karakter der summaria cognitio (vgl. Nordd. Prot. S. 944 f.). Wegen der Bewcisauinahme gilt § 294 Abs. 2. Vgl. noch § 236 Anm. 2. — Ein besonderer Antrag aus Abnahme des Editionseides ist nicht erforderlich: er liegt von selbst in dem Vorlegnngsantrage (Mot.). 8 425. 1) Die Erklärungspflicht des Gegners des Antragstellers erstreckt sich auf alle zur Be­ gründung des Antrags (einschließlich der VorlegungspflichN dienenden Thatsachen (§ 138; vgl. Nordd. Prot. S. 949). Die Erklärung ist nach allgemeinen Grundsapen in der Hauptverhandlung bezw. den vorbereitenden Schriftsätzen abzugeben i§ 130 Nr. 5: N. E. § 584; Nordd. Prot. S. 948). Dem Zugeständnis steht die Berfänmniv („wenn — — nicht erklärt") gleich. Wegen späterer Versäumnis vgl. § 427. 2) Es genügt nicht, daß alle Erfordernisse des § 424 erfüllt sind; vielmehr nt u 6 außer­ dem die zu beweisende Thatsache (das. Nr. 2) erheblich sein. Wird vom Gegner lediglich die Erheblichkeit bestritten, so liegt ein Zwischenstreit nicht vor. Das Gericht hat, falls es die Erheblichkeit bejaht, die Vorlegung der Urkunde mittels Beweisbeschlusses anzuordnen, im Ber­ neinungssalle erst in den Gründen des Endurtheils sich hierüber auszusprechen. Steht dagegen die Erheblichkeit außer Frage, so kommt es darauf an, ob die Bor legungs­ pflicht bestritten ist. Ist dies nicht der Fall, so ergeht ebenfalls eine einfache richterliche An­ ordnung mittels Beweisbeschlnsses (§§ 358, 359, Wilm. Levy Anm. 1. AM. v. Bülow Anm. 2) und zwar entweder auf Vorlegung der Urkunde oder (im Falle des § 426) aus Ableistung des Editionseides ivgl. § 461 Anm. 3. A. Förster Anm. 2. A.M. Puchelt II S. 229 Anm. 4), ehe der Rechtsnachtheil des § 427 angewendet werden kann. Ist dagegen die Borlegungspslicht bestritten, so ist im Bejahungsfälle die Erlassung eines Zwischenurtheils er­ forderlich (vgl. Senfs ert Anm. Id: abw. Planck II S. 255, Wach, Vorn. 3. 122 f., Wilm. Levy Anm. 1, die ein Zmischeiim theil mir für zulässig, nicht für erforderlich halten,, welches auch die Eidesauflage umfassen kann: der besondere Bewcisbeschluß ist hier eine unnütze Weitläufigkeit (vgl. auch Wilm. Levy § 391 Anm. J, A. Förster g 391 Anm. 4, Gaupp I S. 791, Planck a. a. C. AM. Seuffert § 391 Anm. 1, Schmidt S. 498 N. 4); dabei ist das Gericht aber an die etwa in das Zwischenurtheil aufgenommene Entscheidung über die Erheblichkeit, welche nur die Natur eines Beweisbeschlusses hat, nicht gebunden und kann daher die Anordnung der Vorlegung der Urkunde oder die Beweisauslage wegen Unerheblichkeit wieder zurücknehmen (vgl. Seuffert § 390 Anm. 1 b a. E >. Auch in dem Falle, wenn der Gegner sich über den Antrag nicht erklärt, ergeht die richter­ liche Auflage nur auf Vorlegung der Urkunde (nicht zugleich wie nach P. E. £ 447 alternativ auf Ableistung des Editionseides >. und zwar, wenn über den Antrag in einem lediglich dafür bestimmten Termine verhandelt ist, durch Versäumnißzwischennrtheil (§ 347 Anm. 2, Seuffert Anm. 2, Gaupp I S. 790 a. E. a. A.t, entgegengesetztenfalls durch gewöhnliches Zwischenurtheil. Lhne Zwischenurtheil kann die Vorlegung nicht angeordnet werden, weil im Versäumnißfalle nicht die Vorlegungspflicht selbst, sondern nur die darauf bezüglichen Be­ hauptungen des Beweisführers als zugestanden gelten, und das Gericht daher, falls es die zu beweisenden Thatsachen für erheblich erachtet, über die Vorlegungspflicht entscheiden muß. An die in das Zwischenurtheil etwa aufgenommene Entscheidung über die Erheblichkeit ist das Gericht auch hier nicht gebunden.

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden.

§ 426.

523

§ 426. (391.) Bestreitet der Gegner, daß die Urkunde sich in seinem Besitze befinde, so hat er einen Eid dahin zu leisten: daß er nach sorgfältiger Nachforschung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die Urkunde in seinem Besitze sich nicht befinde, daß er die Urkunde nicht in der Absicht abhanden gebracht habe, deren Benutzung dem Be­ weisführer zu entziehen, daß er auch nicht wisse, wo die Urkunde sich befinde. Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Aenderung der vorstehenden Eidesnorm beschließen. Auf die Leistung des Eides durch Streitgenossen, gesetzliche Vertreter und die im §. 473 Abs. 2, 3 bezeichneten Personen finden die Vorschriften der §§. 472—474 entsprechende Anwendung. Hat eine öffentliche Behörde Urkunden vorzulegen, so wird der Eid von dem Beamten geleistet, welchem die Verwahrung der Urkunden übertragen ist. R. Entw. §6 579-582. Ent«. I. 8 364. Ent«. II. § 372. Orot. 6. 166, 157. - Wob.: E. III. § 391, «egr. S. 116.

Ent«. III. 8 378.

Mot. 6. 268, 269.

3) Die Abweisung des Borlegungsantrags, weil er den Formerfordernissen des § 424 nicht entspricht oder sachlich eine Borlegungspflicht nicht vorliegt, kann durch Zwischenuriheil oder auch erst im End urtheil erfolgen. Bgl. § 426 Anm. 5. 8 426. 1) Abs. 1: „Bestreitet — befinde" — In diesem Falle ergeht die Anordnung (§ 425 Anm. 2), welche erst mit dem Endurtheil angefochten werden kann, lediglich auf Ableistung des Editionseides, und zwar ohne besonderen hierauf gerichteten Antrag (RG in I. W. 1887 S. 272). sVgl. über diesen Eid (eine Art des Reinigungseides) Wetzetl S. 250 N. 108, Nenaud S. 359. Auch hier spricht Bülow (in der § 331 Anm. 2 angef. Abh. S. 65) nur von einer Berechtigung zur Bornahme der Prozeßhandlung. Dem widerspricht aber schon der Ausdruck („hat — zu leisten").) Ein anderweiter Beweis deS Besitzes widerstrebt dem summarischen Karakter des Verfahrens (f. § 424 Anm. 3; RG 16 S. 395, Bolgiano a. o. O. S. 158 f., Seuffert Anm. 2, Petersen Nr. 1 u. A. A M. Puchelt II S. 228 u. A.), desgl. ein anderweiter Beweis des Nichtbesitze-; auch § 468 Abs. 2 ist daher unanwendbar (Wilm. Levy Anm. 2 u. A.). 2) Die Norm deS Editionseides ist auS dem Wahrheit-- bezw. GlaubenSeide, dem Kalumnieneide und dem Nichtwissenseide gemischt (Bolgiano S. 159). Die Entwürfe ent­ schieden sich für die Form des (im Falle des § 459 Abs. 2 nur bedingt zugelassenen) Ueber­ zeugungseides, behielten jedoch „zur Erleichterung der Zwecke des EdiüonsverfahrenS" (Hann. Prot. VII S. 2491, XV S. 5571) den durch die Praxis und die neueren Prozeßgesetze und Entwürfe hineingetragenen Bestandtheil bei. daß „der Editionspflichtige auch nicht wisse, wo die Urkunde sich befinde" (vgl. § 683). Uebrigens ist die Norm deS § 426 Abs. 1, wie Abs. 2 klarstellt, nicht als unabänderliche Formel zu betrachten, sondern den Verhältnissen des FallS anzupasien (vgl. Prot. S. 157). „abhanden gebracht" — statt „sich entäußert" (Entw. I), um auch ein Verbrennen, Verschlucken u. dgl. einzuschließen (Wilm. Levy Anm. 2). 3) Abs. 3: „Streitgenossen" — vgl. § 61 Anm. 1. „gesetzliche Vertreter" — vgl. § 51 Anm. 2. „die in § 473 Abs. 2, 3 bezeichneten Personen" — diese Aenderung (bisher: „Minderjährige und Verschwender") ist durch die in § 473 eingetretene Erweiterung nothwendig geworden (vgl. das. Anm. 4). 4) Abs. 4: „öffentliche Behörde" — vgl. § 415 Anm. 2. Ob die Behörde Partei im engeren Sinne (s. § 17 Anm. 4) oder gesetzlicher Vertreter ist, kommt nicht in Betracht.

524

Zweites Buch. Berf. in erst. Instanz. Erst. Abschn. Berf. v. d. Landgerichten. §§ 427, 428.

§ 427. (392.) Kommt der Gegner der Anordnung, die Urkunde vorzulegen oder den Eid zu leisten, nicht nach, so ist, wenn der Beweisführer eine Abschrift der Urkunde beigebracht hat, diese Abschrift als richtig anzusehen. Ist eine Ab­ schrift der Urkunde nicht beigebracht, so können die Behauptungen des Beweis­ führers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen an­ genommen werden. 9L Getto. 8 587. 6. 157, 158.

Getto. I. § 365.

Entw. II. 8 373.

Getto. III. 8 379.

Mot. S. 269.

Prot.

§ 428. (393.) Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweissührers in den Händen eines Tritten, so erfolgt die Antretung des Sind mehrere Beamte ^Registratoren, Archivare :c.) bestellt, so müssen auf Verlangen in der Regel alle schwören. Die Behörde hat diese zu bezeichnen. Indessen wird § 474 entsprechend anzuwenden sein . 749-751. 6fern, Ber II. 8c§«^|kr. 4. Soff. 1876 «. 889, 870

§ 5. In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherr­ lichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Für vermögensrechtliche Ansprüche Dritter darf jedoch die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von der Einwilligung des Landesherrn ab­ hängig gemacht werden. DasGleiche gilt inAnsehung de r Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. 91. Gum. - «fttto. I. - Gum. II. 8 8. «nt». III. 8 8. «ot. 6. 686. Prot. «. 685, 751, 766-758. «rot. z. SB«. 6. 765-768. 174. Sitz«. 6.1. - Gut», b. E«. «ob. Art. II. «r. 1, Brgr. b. «ob. 6. 81.

deS Verfahrens vor den Gewerbegerichten, den Konsuln, den Kon sulargenchten und den Gerichten in den Schutzgebieten s. Anm. 2 vor § 495 CPO.

8 4. 1) Der von der RTK. v. 1875 aufgenommene § 4 richtete sich hauptsächlich gegen die in Elsaß-Lothringen damals noch bestehenden Bestimmungen des stanz. Rechtes, wonach gewisse bürger­ liche Rcchisstreitigkeiten, die an sich zur Zuständigkeit der Gerichte gehören (z. B. Streitigkeiten aus össentlichen Lieferungen oder aus der Verdingung öffentlicher Arbeiten), lediglich aus dem im Texte bezeichneten Grunde Verwaltungsbehörden überwiesen sind. Entscheidend ist, ob die Ausschließung deS Rechtswegs lediglich auf dem subjektiven Grunde der Parleistellung des FiskuS, der Gemeinde u. s. w. beruht. Landesgesetzliche Vor­ schriften, welche in gewissen Rechtsstreitigkeiten den Rechtsweg nicht bloß für oder gegen den Fiskus u. s. w., sondern für oder gegen Jedermann ausschließen, bleiben mithin unberührt, ebenso Vorschriften, nach denen derjenige, welcher gegen den Fiskus klagen will, vorher den Verwaltungs­ weg beschreiten muß (vgl. z. B. preuß. Ges. über d. Rechtsweg v. 24. Mai 1861 (GS. S. 241) § 2, bayer. AG. z. CPO. Art. 2], weil hier nur von einer Erschwerung, nicht einem Aus­ schlüsse des Rechtswegs die Rede ist (RG. 17, S. 416, in I. W. 1896 S. 424). Vgl. auch GAG. § 13 Anm. 3. Um dieses durch den Gegensatz „nach dem Gegenstände oder der Art deS Anspruchs" und „aus dem Grunde, weil als Partei" u. f. w. klarer aus­ zudrücken, hat die RTK. statt der früheren Fassung (Prot. z. GBG. S. 804) die jetzige gewählt. (Vgl. Sarwey, D. öffentliche Recht u. die BerwaltungSrechtspflege. Tübingen 1880. S. 299 s.) 2) Der § 4 enthält eine der wenigen in die Reichsjustizgesetze aufgenommenen Grenz­ bestimmungen zwischen Justiz und Verwaltung. Vgl. GBG. §13 Anm. 2, Komm.-Ber. z. GBG. S. 13 f.

8 5

1) Abs. 1: Wegen des ersten Satzes vgl. EG. z. GBG. § 5. In Betreff des Großherzogs von Hessen s. «@. 12 S. 417. — Während die in die CPO. selbst (§§ 219 Abs. 2, 375 Abs. 2, 479 Abs. 2, 482 Abs. 2) aufgenommenen Privilegien der Landesherren u. s. w. für alle deutschen Gerichte Geltung haben, können die hier vorbehaltenen, auf Haus­ versas sung oder Landesgesetz beruhenden Sonderrechte (vgl. z. B. CPO. § 12 Anm. 2) nur gegenüber den Gerichten desjenigen Bundesstaates, in welchem sie bestehen, Aner­ kennung beanspruchen, wie auch der Reg.-Bertreter in der RTK. v. 1875 anerkannte (Prot. S. 625, Planck I S. 45 u. alle Komm.; s. auch Seufsert in Busch 11 S. 193. A.M. Wach I S. 413).

1134

Einsührungsgesetz zur Civilprozeßordnung.

§ 6.

§ 6 Mit Zustimmung des Bundesraths kann durch Kaiserliche Verordnung bestimmt werden: 1. daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision nicht be­ gründe; 2. daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision be­ gründe. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erlassenen Verordnungen sind dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentreten zur Genehmigung vor­ zulegen. Dieselben treten, soweit der Reichstag die Genehmigung versagt,- für die am Tage des Reichstagsbeschlusses noch nicht anhängigen Prozesse außer Kraft. Die genehmigten Verordnungen können nur durch Reichsgesetz geändert oder auf­ gehoben werden. H. Entw. 751-754.

ernt» L - Entw. II. §8 4, 5. ffntto. IIL § 4. Mot. S. 320-322. Prot. S. «25-035.

Für Preußen vgl. wegen der Vertretung, insbesondere der Eidesleistung durch die für die Vermögensverwaltung der Landesherren u. s. w. bestehenden Behörden (als „gesetz­ liche Vertreter") § 2 deS m. z. CPO.. CPO. § 478 Anm. 2. In Betreff des ausschließ­ lichen dinglichen Gerichtsstandes und der Bertretungsbesugniß der preuß. Hofkammer s. RG. 41 6. 387. 2) Der zweite Satz ist von der RTK. v. 1875 aufgenommen worden, um die in einzelnen deutschen Staaten (Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Meiningen) damals noch bestehenden Beschränkungen des Rechtswegs bei Klagen gegen den Landesherrn zu beseitigen (Mot. z. GBG. S. 210 N. 1). Er bezieht sich nur auf Klagen Dritter, d. h. Nichtmitglieder der landesherrlichen Familien, und nur auf Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche (über diesen Begriff vgl. CPO. § 20 Anm. 2). HauS- und Landesgesetze, welche die Ansprüche der Mitglieder der landesherrlichen Familien unter einander betreffen, sowie solche, welche sich auf andere als vermögensrechtliche Ansprüche (z. B. Bolljährigkeitserklärungen, Ent­ mündigungen, eherechtliche Streitigkeiten u. s. w.) beziehen, bleiben mithin unberührt. Auch sind Bestimmungen, wonach einzelne Geschäfte zu ihrer Klagbarkeit der quasivormnndschaftlichen Genehmigung des Landesherrn bedürfen, nicht aufgehoben lDernburg IT § 177 N. 4). 3) Abs. 2 ist von dem EG. z. Nov. im Anschluß an das EG. z. BGB. Art. 57 Abs. 2 aufgenommen; vgl. EG. z. GBG. § 5, CPO. §§ 219 Abs. 2. 375 Abs. 2, 479 Abs. 2, 482 Abs. 2; EG. z. StPO. § 4, StPO. § 71 Abs. 1. Im Uebrigen sind für Standesherren alle civilprozessualen Sonderrechte beseitigt (vgl. EG. z. GBG. § 5 Anm. 5), insbesondere auch die Befugniß, den Eid durch einen Dritten schwören zu lassen (vgl. CPO. § 478 Anm. 2). S. jedoch EG. z. GBG. § 7.

8 «t 1) Der § 6 macht von dem in CPO. § 549 ausgestellten Grundsätze, daß — abgesehen von Reichsgesetzen — nur Perlepungen von Gesetzen, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinauserstreckt (CPO. § 549 Anm. 2, 4—6), die Revision begründen können, zwei Ausnahmen, von denen die eine eine Erweiterung, die andere eine Be­ schränkung der Zulässigkeit der Revision enthält. Diese Ausnahmen sollen zur Hebung der Zweifel und Schwierigkeiten dienen, welche mit einer strengen Durchführung des Grundsatzes verbunden sein würden. 2) Die „Kaiserliche Verordnung" (Reichsvers. Art. 17) ist am 28. Sept. 1879 er­ lassen (RGBl. S. 299) und vom Reichstag in seiner Sitzung vom 10. April 1880 mit Aus­ schluß des § 3 genehmigt worden (Bekanntmachung de- Reichskanzlers v. 11. April 1880 — RGBl. S. 102). Sie bestimmt:

Einführung-gesetz zur Eivilprozeßordmmg.

§ 6.

1135

§ 1. Die Revision kann vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen dieser Ver­ ordnung auf die Verletzung anderer Gesetze als derjenigen de- gemeinen oder französischen Recht- nur gestützt werden, wenn dieselben über den Bezirk de- Berufungsgerichts hinaus für den ganzen Umfang mindestens zweier deutscher Bundesstaaten oder zweier Provinzen Preußens oder einer preußischen Provinz und eines anderen Bundesstaats Geltung erlangt haben. § 2. Verletzung der Gesetze des gemeinen Rechts und der Gesetze des französischen Rechts, soweit letztere in anderen deutschen Ländern außer Elsaß-Lothringen Geltung erlangt haben, begründet die Revision, auch wenn der Geltungsbereich der einzelnen Bestimmung sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. § 3 (nicht genehmigt). Die Revision kann nicht gestützt werden auf die Verletzung von Gesetzen des Lehnrechts.

8 4. Die Revision kann nicht gestützt werden auf die Verletzung der französischen Gesetze über daS Enregistrement. den Stempel, die Hypotheken-, Transkriptions- und Gerichtsschreibereigebühren, sowie ähnliche Gefälle, welche durch die Enregistrementsverwaltung zu erheben sind. § 5. Die Revision kann auf die Verletzung derjenigen in der Mark Brandenburg Preußen, gellenden Gesetze, welche durch das Publikationspatent vom 5. Februar 1794 als Vor­ schriften der bisherigen subsidiarischen Rechte auftecht erhalten sind, nicht gestützt werden.

8 6. Soweit über die Revision vom Königlich bayerischen obersten Landesgerichte Bayern, zu entscheiden ist, findet die Bestimmung des §. 1 nicht Anwendung. Auf die Verletzung von Gesetze 1. des Koburger Landrechts, 2. des Recht- des BiSthumS Fulda, 3. des Gräflich Erbachschen Landrcchts, 4. des Rechts der Grafschaft Solms, 5. des Rechts deS Fürstenthums Löwenstein kann die Revision nicht gestützt werden. § 7. Die Revision wird begründet durch Verletzung des badischen LandrechtS, ein- Bade», schließlich der Zusatzartikel, der beiden Einführungsedikte vom 3. Februar und 22. Dezember 1809 und der unter XVIII des ersteren Einführung-edikts neben dem Landrecht aufrecht erhaltenen Vorschriften des bürgerlichen Recht-, sowie durch Verletzung derjenigen gesetzlichen Vorschriften, welche bestimmte Vor­ schriften der vorgedachten Gesetze ausdrücklich erläutern, ausdehnen, beschränken, ausheben oder ersetzen, endlich, soweit nicht schon die vorstehenden Bestimmungen Anwendung finden, durch Verletzung folgender Grohherzoglich badischer Gesetze: 1. des Gesetzes vom 6. März 1845, betreffend die privatrechtlichen Folgen von Verbrechen, 2. der Artikel 2, 3, 5 bis 8 deS Gesetzes vom 6. August 1862, betreffend die Ein­ führung des Deutschen Handelsgesetzbuchs, 3. des Gesetze- vom 9. Dezember 1875 zum Vollzug des ReichS-PersonenstandSgesetzes, 4. der Artikel 3, 4, 6 bis 11, 84, 92 deS Gesetzes vom 25. August 1876, be­ treffend die Benutzung und Instandhaltung der Gewässer, 5. des Gesetzes vom 6. Februar 1879, betreffend die Verwaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Notariats. Die vorstehenden Bestimmungen finden nicht Anwendung, soweit die bezeichneten Gesetze am 1. Oktober 1879 außer Kraft getreten find.

1136 Hessen.

Einführung-gesetz zur Civilprozegordnung.

§ 6.

8 8. Die Revision wird begründet durch Verletzung der folgenden Grobherzoglich hessischen Gesetze: 1. der Verordnung vom 28. August 1827, die vormundschaftlichen Verhältnisse in der Provinz Rheinheffen betreffend; 2. der Artikel 9 bis 11 des Gesetzes vom 17. September 1841, betreffend Ein­ führung des Strafgesetzbuchs und des §. 9 des Gesetzes vom 30. Dezember 1870, betreffend Einführung des Reichs-Strafgesetzbuchs; 3. des Gesetzes vom 6. Juni 1849, betreffend die Vereinfachung des Verfahrens bei der Eröffnung von Erbschaften, Theilungen. Versteigerungen, Rangordnungs­ und Distributionssachen in Rheinhessen.

§ 9. Die Revision wird begründet durch Verletzung der folgenden Grobherzoglich oldenburgischen Gesetze: 1. des revidirten Staatsgrundgesetzes vom 22. November 1852: 2. des revidirten CivilstaatSdienergesetzes vom 28. März 1867; 3. des für das Herzogthum Oldenburg erlassenen Gesetzes vom 3. April 1876, betreffend Eigenthumserwerb an Grundstücken und deren dingliche Belastung, sowie der für dasselbe Gebiet erlassenen Grundbuchordnung von demselben Tage. § 10. Die Revision wird begründet durch Verletzung des Herzoglich braunschweigischen Vraunschweig. Gesetzes vom 8. März 1878, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten und der Grundbuchordnung von demselben Tage. § 11. Die Revision wird begründet durch Verletzung der §§. 30, 41 und 54 des Hamburg. Hamburgischen Einführungsgesetzes zum Deutschen Handelsgesetzbuche vom 22. Dezember 1865. § 12. Die Revision wird begründet durch Verletzung der nachfolgenden in Elsabsaß-Lothringcn Lothringen geltenden Gesetze: 1. des Gesetzes vom 14. Juli 1819 über Aufhebung des droit d’aubaine (bulletin des lois VII. s6rie No. 6986); 2. des Gesetzes vom 29. April 1845 über Bewässerungen (bulletin des lois IX. serie No. 11951»; 3. des Gesetzes vom 11. Juni 1847 über die Bewässerungen (bulletin des lois IX. serie No. 13645); 4. des Gesetzes vom 10. Juni 1854 sur le libre ecoulement des eaux provenant du drainage (bulletin des lois XI. s6rie No. 1555); 5. des Gesetzes vom 23. März 1855 über die Transkription (bulletin des lois XL s6rie No. 2474); 6. des Berggesetzes vom 16. Dezember 1873 (Gesetzblatt für Elsab-Lothringen S. 397). § 13. Gesetz im Sinne dieser Verordnung ist jede Rechtsnorm. Urkundlich u. s. w. Diese Verordnung verliert mit dem Inkrafttreten des BGB., insbesondere mit dem Weg­ falle des gem. und sranz. Rechts, wesentlich an Bedeutung. Bei Anwendung der Vorschriften der Verordnung wird, wie in der Regelvorschrift des § 549 CPO. (vgl. das. Anm. 4), voraus­ gesetzt, dah die betreffende einzelne Bestimmung im Bezirke des Berufungsgerichts selbst gilt (RG. 6 S. 413, 8 S. 80, Seuffert, CPO. § 511 Anm. 3 c). Die entgegenstehende Ansicht (Fels, Revisionsrecht und Sonderrecht S. 72 ff.. Hellmann, Lehrb. S. 724 ff.) beruht auf einer gezwungenen Auslegung der Worte des § 2 „auch wenn — — hinaus erstreckt" sowie auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Abweichung von dem Grundsätze des § 549 und kann auch durch die Mot. nicht gerechtfertigt werden. Nicht aber ist § 1 der Verordnung (mit v. KrieS, D. Rechtsmittel u. s. w. wonach die Satzungen der auf Grund der §§ 57. 65 d. preuß. Ges. v. 1. April 1879 durch landesherrliche Verord­ nung errichteten öffcntlichen Wasjergenossenichasten Gesetze im Sinne des § 12 sin tu, Wach I § 15 S. 185 fi. 88 13-16. Die §§ 13—15 handeln von dem Einflüsse der CPL. auf die bisherigen prozeßrcchtlichen Vorschriften, und zwar § 13 auf diejenigen der Rcichsgcsetzc, die §§ 14, 15 aus diejenige» der LandeSgesetze. Daran schließen sich in $ 16 Bestimmungen über das Ver­ hältniß zu gewissen Vorschriften des bürgerlichen Rechts, von welchen cs zweifelhaft sein kann, ob sie nicht dem Prozeßrecht angehören, (lieber das Verhältniß des Prozeßrechts und Privatöechts zu einander im Allgemeinen s. Wach IS. 117 ff.) 8 13 1) Der Abs. 1 stellt den Grundsatz an die Spitze, daß die prozeßrechtlichen Vor­ schriften der Reichsgesetze durch die CPL. nicht berührt werden. Daß ein Gleiches bezüglich der materiell-rechtlichen Vorschriften des Reichsrechts gilt, ist als selbstverständlich anzusehen (vgl. auch RG- 1 S. 446, Gaupp II S. 694 u. 91.i. „Die prozeßrcchtlichen Bestimmungen der Rcichsgesetze, deren Zahl nicht unerheblich ist, lassen sich, in ihrem Verhältnisse zu den Vorschriften der CPO. aufgefaßt, in drei Kategorien zerlegen:

EiusühnmgSgesetz zur Civilprozeßorduung.

§ 13.

1143

1. Normen, welche mit den Vorschriften der CPO. übereinstimmen: 2. Normen, welche den Vorschriften der CPO. widersprechen: Normen, welche, in ein prozessuales Gewand gekleidet, materielles Recht

enthalten. Unleugbar wäre eS erwünscht, neben der CPO. die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze zu beseitigen, insoweit dieselben nicht ausdrücklich aufrechterhalten werden müssen: denn der praktische Bortheil, alle Prozeßrechtssätze in ein Gesetz zusammengestellt zu haben, ist nicht zu unterschätzen. Allein andererseits darf nicht übersehen werden, daß dieser Vortheil vorübergehender Natur ist, da die Weiter­ entwickelung des materiellen Rechts auch nach dem Inkrafttreten der CPO. zur Aus­ stellung neuer abweichender prozessualer Normen führen muß, ohne daß es in allen Fällen möglich sein wird, dieselben in ähnlicher Weise, wie es bei dem Strafgesetz­ buche --------------geschehen ist. in die CPO. einzufügen. Für die Entscheidung muß daher die Erwägung den AuSlchlag geben, daß die Aufrechterhaltung der prozeßrechtlichen Normen die Anwendung der Reichsgesetze nicht nur erleichtern, sondern auch deren richtige Anwendung sicherstellen wird. Der Richter ist dadurch der intrikaten Prüfung überhoben, ob die Normen der Kategorie snb 3 angehören, und kann die Normen sub 1 anwenden, ohne in jedem Falle untersuchen zu müssen, ob dieselben den Vorschriften der CPO. entsprechen." (Mot.) 2) Nach der Regel des Abs. 1 bleiben von prozeßrechtlichen Vorschriften der Neichsge setze (in dem in der Anm. 1 erläuterten weiteren, insbesondere auch Normen unter Nr. 3 das. umfassenden Sinne) z. B. 'bestehen: Ges., belr. die Aufhebung der Schuldhaft, v. 29. Mai 1868 (BGBl. S. 237) § 1 (vgl. § 918 Anm. 1); Ges. betr. die Beschlagnahme des Arbeits- und Dienstlohns, v. 21. Juni 1869 §§ 1—4a (vgl. CPO. § 850 Anm. 2); Gewerbe­ ordn. nach dem Texte v. 1. Juli 1883 (RGBl. E. 177) il v. 26. Juli 1697 (RGBl. S. 663) -§§ 11 (EG. z. BGB. Art. 36 Nr. I), 8la Nr. 4 (vgl. § 78 Abs. 2 d. Ges., bett. die Gewerbe­ gerichte v. 29. Juli 1890 - RGBl. S. 141), 86. 92b, 103g Abs. 2, 104g, 104h; WO. An. 17, 26, 46, 50, 51, 73, 41 in Verbindung mit 91; Ges. über die Abgaben von der Flößerei v. 1. Juni 1870 § 2 (BGBl. S. 312); NachdruckSges. ö. 11. Juni 1870 (BGBl. 6. 339) §§ 19, 29—31, 55; Hastpflichtges. v. 7. Juni 1671 (RGBl. S. 207) § 7 in der Fassung d. EG. z. BGB. Art. 42 Nr. UI; Militärpensionsges. v. 27. Juni 1871 (RGBl. S. 275) §§ 113—116; Postges. v. 28. Okt. 1871 (RGBl. S. 347) §§ 7, 8, 13, 20, 47; Rayonges. v. 21. Dez. 1871 (RGBl. S. 459) §§ 42, 45; Seemannsordn. v. 27. Dez. 1872 (RGBl. S. 409) 8 105; ReichSbeamtenges. v. 31. März 1873 (RGBl. S. 61) §§ 21, 22, 143, 144 mit Ausnahme des Abs. 4, 145, 147, 149—155; Aufgebotsges. v. 12. Mai 1873 (RGBl. S. 91) u. alle ReichScmleiheges., welche Bestimmungen über das Aufgebot enthalten (vgl. allg. Bem. 3 z. CPO. Buch 9); KriegSleistungsges. v. 13. Juni 1873 (RGBl. S. 129) § 34; Strandungsordn. v. 17. Mai 1874 (RGBl. S. 73) §§ 26—35, 38, 39, 44; Ges. Über die Beurkundung des Personenstandes u. d. Eheschließung v. 6. Febr. 1875 (RGBl. S. 23) §§ 76, 77, 78 Abs. 1 u. 2; Bankges. v. 14. März 1875 (RGBl. S. 177) §§ 50—52; Ges., bett. das Urheberrecht an Werken der bilden­ den Künste, v. 9. Jan. 1876 (RGBl. S. 4) § 16; Ges., bett. den Schutz der Photographien, v. 10. Jan. 1876 (RGBl. S. 10) §§ 9, 10; Ges., bett. das Urheberrecht an Mustern und Modellen, v. 11. Januar 1876 (RGBl. S. 11) §§ 14, 15; Ges. über die eingeschriebenen Hülss­ kassen v. 7. April 1876 (RGBl. S. 125) §§ 5, 10, 16—18. Prozessuale Vorschriften enthalten auch folgende nach der CPO. zu Stande gekommene Reichsgesetze: Ges., betr. die Beglaubigung öffentlicher Urkunden, v. 1. SDJai 1878 (RGBl. S. 89) § 2; Anfechtungsges. v. 21. Juni 1879 (RGBl. 1898 S. 709) § 13; Unfallversicherungsges. v. 6. Juli 1884 (RGBl. S. 69) §§ 9 Abs. 4, 23, 46-50. 63, 68; Ges. über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung v. 28. März 1885 (RGBl. S. 159) § 16 Abs. 3; Ges., betr. die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, v. 5. Mai 1886 (RGBl. S. 132) §§ 12, 13, 28, 50—54, 67, 68, 73, 103, 106, 107, 136; Ges., betr. die Erlverbs- u. Wirthschaftsgenossenschaften, v. 1. Mai 1889 (RGBl. 1898 S. 810) §§ 24, 37, 49 Abs. 2—4, (64), 91—111, 116, 122—124, 134;

1144

Einführungsgesetz zur Civilprozeßordnung.

§ 14.

§ 14. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Entscheidung in Gemäßheit des §. 3 nach Patentgesetz v. 7. April 1891 (RGBl. S. 79) §§12, 18 Abs. 1 (vgl. RS 6 S. 337; CPL. § 407 ff. Aum. 2), 32, 33, 38; Ges., bett. das Reichsschuldbuch, v. 31. Mai 1891 (RGBl. S. 321) §§ 7, 15; Ges., bett. den Schutz von Gebrauchsmustern, v. 1. Juni 1891 (RGBl. S. 290) §§ 12, 13 Abs. 2; Ges., bett. das Telegraphenwesen d. D. R., v. 6. April 1892 (RGBl. S. 467) § 13; Krankenversicherungsges. in d. Fassg. v. 10. April 1892 (RGBl. S 417) §§ 25, 35, 58, 64 i. A.. 65 Abs. 3, 72 Abs. 3, 73 Abs. 1, 76, 78; Ges. z. Schutze der Waarenbezeichnungen v. 12. Mai 1894 (RGBl. S. 441) §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 3, 11, 21, 23 Abs. 2: HGB. §§ 17 Abs. 2, 124, 161, 210, 320 Abs. 2, 37J, 488, 508; —126, 149, 493; — 45 (vgl. RG. 15 S. 379, RLHG. 2 S. 129), 46, 47, 102, 881; — 608, 609;522-525; 135, 462; 365; (vgl. §§ 269, 271, 272, 273, 298; s. auch CPO. Vorbem. 1 vor § 12;. [Ueber das Verhältniß des alten HGB. zur CPO. s. die den N. E. betreffende Abh. von R. Koch in Busch, Arch. 17 S. CXXI ff.] Vgl. auch das internal. Uebereinkommen über d. Eisenbahn­ frachtverkehr v. 14. Lkt. 1890 (RGBl. 1892 S. 793) Art. 23 Abs. 4, 5, Art. 27 Abs. 4, 5, Art. 28, 50-53, 55, 56. Ueber prozessuale Bestimmungen in Staatsverträgen s. RG. 24 S. 12, 26 S. 128 u. oben CPO. § 328 Anm. 7. 3) Der § 39 des Reichsmilitärgesetzes v. 2. Mai 1874 (RGBl. S. 45) ist unberührt geblieben; auch das BGB. § 9 und das EG. z. BGB. (vgl. Art. 32, 44, 45 das.) haben hieran nicht- geändert (vgl. Gaupp, 4. Aust. I S. 51; s. auch früh. Aufl., Wilm. Levy Anm. 2 9tr. 18, Wach I S. 408 R. 38 u. A. A.M. Sarwey 1 S. 33, Puchelt I S' 130, Lab and. StaatSr. d. D. Reichs 3. Aufl. II S. 685 N. 1). 4) Abs. 2 Nr. 1: Der § 2 deS Ges. v. 29. Mai 1868 ist durch § 918 der CPL. ersetzt. Vgl. das. §§ 916 Anm. 1, 918 Anm. 1. 5) Nr. 2: Die in den Art. 34-36, 37 Satz 2, 39, 77, 76. 79 Abs. 2, 486, 494. 889 des HGB. enthaltenen Vorschriften über Beweiskraft, die mit dem in § 286 der CPO. auf­ gestellten, allein maßgebenden Grundsätze der freien Beweiswürdigung nicht vereinbar waren, sind in das neue HGB. nicht mehr ausgenommen. Die Bestimmungen über Verklarung (HGB. §§ 522 ff.) sowie über die dort § 884 ausgeführten Belege finden auch aus Prozesse künftig Anwendung. 6) Nr. 3: Die hier bezeichnete Vorschrift des Hastpslichtgesetzes (RGBl. 3. 207) wird (wegen der Bezugnahme auf das Landes-Civilprozeßrecht) durch die §§286, 287 der CPL. ersetzt. 7) Nr. 4: § 14 des Postgesetzes (RGBl. S. 347) wird durch § 267 der CPO. ersetzt. Vgl. das. Anm. 1, Dernburg 5. Aufl. II § 206 N. 44. 8) Nr. 5 und 6 sind von der RTK. wegen der in den betreffenden Paragraphen ent­ haltenen Verweisung auf daS Landes-Civilprozeßrecht hier aufgenommen. «) Abs. 3: Art. 80 WO. ist durch EG. z. HGB. Art. 8 Nr. 2 aufgehoben. Wegen Unterbrechung der Verjährung vgl. übrigens BGB. § 209. An die Stelle der §§ 190, 254, 461 Abs. 2, 471 Abs. 2 CPO. sind die §§ 207, 281, 500 Abs. 2 das. getreten (vgl. Ges. v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 342) § 1 Abs. 2]. 10) Abs. 4: Die Art. 348, 365, 407 HGB. sind durch die §§ 379. 388, 437 des neuen HGB. ersetzt. Jedoch sind die Vorschriften, welche dort über Feststellung des Zustandes der Waare, bezw. des Kommissions- oder Frachtgutes enthalten waren, in die §§ des neuen HGB. nicht aufgenommen; vielmehr ist insoweit an ihre Stelle der durch die Nov. in die CPO. eingefügte § 488 getreten. Der § 448 CPO. hat jetzt die Bezeichnung § 486 das. 8 14 1) Der Abs. 1 stellt — im Gegensatze zu § 13 — als Regel auf, daß in den der CPO. unterliegenden bürgerlichen Recht-streitigkeiten die prozeßrechtlichen Vorschriften dev

Einführung-gesetz zur Eivilprozeßorduung.

g 14.

1145

den Vorschriften der Civilprozeßordnung zu erfolgen hat, außer Kraft, soweit nicht in der Civilprozeßordnung auf sie verwiesen oder soweit nicht bestimmt ist, daß sie nicht berührt werden. Außer Kraft treten insbesondere: 1. die Vorschriften über die bindende Kraft des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter; 2. die Vorschriften, welche in Ansehung gewisser Rechtsverhältnisse einzelne Arten von Beweismitteln ausschließen oder nur unter Beschränkungen zulassen; 3. die Vorschriften, nach welchen unter bestimmten Voraussetzungen eine That­ sache als mehr oder minder wahrscheinlich anzunehmen ist: 4. die Vorschriften über die Bewilligung von Moratorien, über die Urtheils­ fristen und über die Befugnisse des Gerichts, dem Schuldner bei der Verurtheilung Zahlungsfristen zu gewähren; 5. die Vorschriften, nach welchen eine Nebenforderung als aberkannt gilt, wenn über dieselbe nicht entschieden ist. R. «utw. 88 435, 463, 465. «ntw. I - Eutw. II. 8 10. 313-314, 334, 800, 891, 486. Prot. 6. 642-646.

Eutw. UI. 8 11.

Mot. 6. 109-301,808,

Landesgesetze — einschließlich derjenigen, welche GerichtSversassungsgrundsätze sind (Wach I S. J92) beseitigt sind. Darauf, ob sie sich in Prozeßgesetzen oder in anderen, das materielle Recht betreffenden Gesetzen befinden, kommt es nicht an (vgl. § 16 Anm. 5), wie andererseits materielles Recht, welches sich in LandeSprozeßgesetzen befindet, durch die CPO. nicht berührt wird (Wach IS. 191 ff.), sofern die letztere es nicht ausnahmsweise beseitigt (Wach I S. 118). Dagegen bleiben die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze bestehen für diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, auf welche nach § 3 b. EG. die CPO. überhaupt keine An­ wendung findet. Unter § 14 fallen auch die Prozeßstrafen, d. h. diejenigen Strafen, welche das Prozeß­ recht als solches wegen mißbräuchlicher Ausübung prozessualer Befugnisse festsetzt, im Gegen­ satze zu solchen, welche das Strafrecht oder Civilrecht an gewisse Thatbestände knüpft, die auch prozessuale sein können (Planck I S. 376, Gaupp H S. 698. Abw. L. Seusfert im c. A. 67 S. 323 ff., bes. 327). „soweit nicht — berührt werden" — z. B. CPO. §§ 418, 801, 871, 1006 Abs. 3, 1009 Abs. 3, 1023, 1024. sUeber das Verhältniß von Reichsrecht und Landesrecht im Civilprozeß im Allgemeinen s. Wach I S. 189 ff. u. Planck I S. 14. Ueber die fortdauernde Geltung der Preuß. AGO. s. Basch, Die AGO. für d. Preuß. Staaten 2. Aufl. Berlin 1884, besprochen in Gruchot 24 S. 779 ff., u. Vierhaus: AGO. s. d. preuß. Staaten vom 6. Juli 1793 u. Preuß. KO. vom 8. Mai 1855. Textausg. der noch gültigen Vorschriften mit Anm. u. Sachreg. Berlin und Leipzig 1883. Insbesondere über die Geltung des Th. III der AGO. s. VierhauS in Gruchot 27 S. 655 ff.]

2) Der Abs. 2. bezeichnet zur Hebung von Zweifeln gewiffe Vorschriften, deren Natur als prozeßrech tliche möglicherweise angefochten werden kann, ausdrücklich als aufgehoben. Der Ausdruck „insbesondere" weist darauf hin, daß es sich dabei nur um eine Anwendung des im Abs. 1 aufgestellten Grundsatzes handelt. 3) Nr. 1: Die Nr. 1 ist von der RTK. aufgenommen, weil innerhalb der letzteren eine Meinungsverschiedenheit darüber entstanden war, ob wie die Mot. (S. 213) annehmen, die Aushebung der betreffenden Vorschriften schon von selbst aus dem Prinzipe der freien Beweis­ würdigung (CPL. § 266) folge. Nach der Aufnahme des Satzes steht es fest, daß dem Civilricdter überlassen ist, „nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob die von dem Strafrichter festgestellten Thatsachen - Thatbestand und Thäterschaft — für wahr zu erachten seien." Selbst-

1146

EinführrmgSgesetz zur Civilprozeßordnung.

9 14.

verständlich kann er diese Ueberzeugung auch ohne Viederholung der Beweisaufnahme aus dem früheren Strafurtheil erlangen; er wird sie, wie die Mot. mit Recht hervorheben, sogar regel­ mäßig daraus gewinnen, wenn nicht für dessen Unrichtigkeit von den Parteien sehr gewichtige Gründe beigebracht werden. „Nur ansnahmsweise wird im Civitverfahren eine nochmalige Beweisaufnahme über die vom Strafrichter bereits als erwiesen angenommene Thatsache erforderlich sein." Bei erfolgter Freisprechung wegen ungenügenden Beweises wird der Civilrichter eher zu einer neuen Aufnahme des Beweises kommen, z. B. wenn neue Beweismittel vorgeschlagen sind. Bgl. CPO. §§ 286 Anm. 3, 580 Anm. 7, StPO. § 161, Brettner in Gruchot 33 L. 802 ff. [Sür den gleichen Grundsatz. Plen.-Beschl. des preuß. LT. v. !5. Dez. 1856 (Entsch.34 S. 19, Goltdammer, Arch. s. Stt.R. 5 S. 370 ff.), Bericht der Justizkomm. d. preuß. Abg.Hauses 1856 (Goldammer a. a. O. S. 344), die Hann. Prozeßkomm. (Hann. Prot. VI ®. 2063—2073, XV S. 5641 -5652), Planck, Gutachten s. d. 6. Jur.-Tag (Berh. 1 S. 3—44); der 7. D. Jur.-Tag (Berh. 2 S. 156 ff., 239). Abweichend: die franz. Doktrin u. Praxis (vgl. Aubry et Rau, Cours de droit civ. frang. Ed. 3 Tom. 6 p. 504, Ortolan, R6sum6 des 616ments de droit p6nal p. 317, 453 ff. Ed. Clunet, Iufluence de la cbose jugäe au criminel sur le civil. Paris 1885 p. 23), Preuß. StPO. v. 25. Juni 1867 § 10 (GS. S. 933 ff.), Bayer. PO. Art. 323, Württ. PO. Art. 7, Süchs. StPO. v. 1. Okt. 1868 Art. 449. P. E. § 273, N. E. § 462 u. s. w. In Deutschland war die Rechtsprechung früher schwankend. (Bgl. Gruchot 2 S. 354 ff., Förster (Eccius) I § 55 N. 9.)] Eine sachliche — wenngleich nicht formelle — Abweichung von dem Grundsatz enthalten die Unfallversicherungsges. v. 6. Juli 1884 (RGBl. S. 69; §§ 95, 96, v. 5. März 1886 (RGBl. S. 53) §§ 8, 12 u. s. w. (vgl. auch RG 33 S. 88, OLG. Hamburg in S. A. 46 M. 49.) 4) Nr. 2: Hierunter fallen vor allem (wenngleich itid)t allein; vgl. z. B. CPO. § 445 Anm. 6; die französisch-rechtlichen Bestimmungen über die Ausschließung und Beschränkung des Zeugeubeweises (C. civ. art. 1341—1348, 1353, 1715, 1716, 217 (RG. in I. W. 1893 S. 54]; vgl. auch Bayer. PO. Art. 399). — S. Näheres über die Nr. 2 bei Wach I S. 194 N. 12. Bgl. oben Anm. 1. [Ueber die gesetzgeberische Seite der viel erörterten Frage vgl. Hann. Prot. VII S. 2251 bis2300, XV3. 5703-5712, Nordd. Prot.S. 688 f., 759, 988 f., Planck in Krit.B.4 3. 259-265, Berh. d. 5. D. Jur.-Tags 1 8. 166 ff. (v. Hinschius, Gutachten), 2 S. 78. 60, 232—247.] 6) Nr. 3: ..wahrscheinlich" — Bgl. CPO. §§ 286 Anm. 3, 292; Wendt im e. A. 63 S. 291, Dernburg II § 97 N. 3. 6) Nr. 4: „Bewilligung von Moratorien" — Bgl. früh. Ausl. — Stundungen im Konkurse durch einen Mehrheitsbeschluß der Gläubiger gehören nicht hierher i. MC. §§ 173 ff.). Bgl. auch CG. z. KO. § 4. „Urtheilssristen" — vgl. 1. 7, 29, 31 D. de re jud. (42, 1), §§ 2, 3 J. de off. jud. , s- Württemberg AG. Art. 36—40.)

§ 21 1) Der Abs. 1 entspricht dem Abs. 1 des §. 18. Wegen des „anhängig gewordenen" vgl. 8 16 Anm. 2 und für Preußen 8 15 d. Ges. v. 31. März 1879. Hat der Gläubiger seinen aus das bisherige Prozeßgesetz gegründeten Antrag aus Zwangs­ vollstreckung zurückgezogen, so ist er nicht gehindert, einen neuen auf Grund der CPO. zu stellen. (Vgl. Seufsert Anm. 3 u. A.) 2) Der von der RTK. v. 1875 an die Stelle des in seinem ersten Theile selbstverständ­ lichen Abs. 2 des Entwurfs: „Von welchem Zeitpunkte an die Zwangsvollstreckung als anhängig anzusehen ist, bestimmt sich nach den bisherigen Prozeßgesetzen oder nach von der Landesgesetz­ gebung zu erlassenden Uebergangsbestimmungen." gesetzte Abs. 2 entspricht dem Abs. 2 des § 18. Für Preuß en ist von'diesem Vorbehalt iauch bezüglich der materiellrechtlichen Bestim­ mungen- in den 88 13—31 des Ges. v. 31. März 1879 (vgl. § 18 Anm. 3) ein umfassender Gebrauch gemacht worden. Wegen Bayern s. AG. z. CPO. Art. 230; wegen Württem­ berg s. AG. Art. 42—46; wegen Sachsen s. Ges. v. 12. März 1879 88 14 ff.

LtufühnmgSgrsetz zur