Die Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich, Erster Band: Nebst den auf den Civilprozeß bezüglichen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und den Einführungsgesetzen; in der Fassung vom 20. Mai 1898. Kommentar [8., umgearb. Aufl. Reprint 2018] 9783111650494, 9783111266954


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German Pages 815 [816] Year 1901

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur siebenten Auflage
Vorwort zur achten Auslage
Inhalt des ersten Bandes
Erklärung der wichtigsten Abküzungen
Einleitung
Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen
Erster Abschnitt. Gerichte
Zweiter Abschnitt. Parteien
Dritter Abschnitt. Verfahren
Zweites Buch. Verfahren in erster Instanz
Erster Abschnitt. Verfahren vor den Landgerichten
Zweiter Abschnitt. Verfahren vor den Amtsgerichte
Drittes Buch. Rechtsmittel
Erster Abschnitt. Berufung
Zweiter Abschnitt. Revision
Dritter Abschnitt. Beschwerde
Viertes Buch. Wiederaufnahme des Verfahrens
Fünftes Buch. Urkunden- und Wechselprozeß
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Die Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich, Erster Band: Nebst den auf den Civilprozeß bezüglichen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und den Einführungsgesetzen; in der Fassung vom 20. Mai 1898. Kommentar [8., umgearb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111650494, 9783111266954

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Cidilprizcßirdnnng für das

Deutsche Reich nebst

Len auf Leu Livilprozeß bezüglichen Sestimmnuge« Lea Gerichtsoerfassuugsgefetzes und den Liufvhrnugagefttzeu. In der Kaffuug vom 20. Mai 1808.

Kommentar von weiland

Dr. I. Struckmann,

Dr. R. Koch,

und

Wirklicher Geheimer Ober.Justizrath, Ober« Landesgericht-.Präfident,

Wirklicher Geheimer Rath, Präsident de- Reich-bank-Direktorium-,

unter Mitwirkung von

K. Rasch,

Dr. P. Koll,

Dr. G. Strulknnum,

Lberlande-gericht-ratb,

Landgericht-rath, Hülf-richter am Oberlande-gericht zu Cölu,

Amt-richter, Hülftarbeiter im Reich-jnsti-amt.

Achte, umgearbeitete Auflage. Erster Vaud.

Berlin 1901. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Vorwort ;ur ersten Auflage. Das Bedürfniß einer gemeinsamen Ordnung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten war bereits zu einer Zeit, als noch der Deutsche Bund das jetzt geeinigte Deutschland lose verband, ein tief empfundenes und veranlaßte dm Bundestag zur Niedersetzung einer Kommission in Hannover, welche freilich bei dem Fernbleibm Preußens von vomherein geringe Aussicht auf unmittelbar praktischen Erfolg bot. Der Entwurf dieser Kommission und ein inzwischm in Preußen ausgearbeiteter Entwurf lagen den Berathungen der demnächst vom Bundesrathe des Norddeutschen Bundes berufenen Kommission zu Grunde. In dem aus beinahe -reijährigm Berathungen hervorgegangmm Entwürfe der Norddeutschen Prozeßkommisfion traten nicht minder, als in jenem der Kommission zu Hannover die im Schooße derselben waltendm Gegensätze der verschiedenen Rechtsgebiete, welche man in zahlreichen Kompromiffm zu versöhnen gesucht hatte, deutlich zu Tage. Eine schärfere Ausprägung des diese Arbeitm beherrschenden Mündlichkeits- oder richtiger Unmittelbarkeitsprinzips zeigt der sodann im preußischen Justizministerium ausgearbeitete Entwurf. Wie dieser, im Wesentlichen auf dem Norddeutschen Entwürfe fußend, sich dessen Einzelarbeit in sorgfältiger Sichtung aneignete, so haben gerade die Einzelheiten in der dem­ nächst vom Bundesrathe des Deutschen Reichs berufenen SachverständigenKommission eine weitere Durchbildung erfahren. Der Kommissions-Entwurf ist wiederum in grundsätzlichen Punkten durch Beschlüsse des Bundes­ raths mehrfach modifizirt worden. In dieser neuen Gestalt wurde der Entwurf dem Reichstage vorgelegt, hierauf von der dazu erwählten Kommission des Reichstags im Einzelnen durchberathen und bei grundsätzlicher Billigung mit manchen Aenderungen im Einzelnen angenommen — Vorgänge, welche noch in frischem Gedächtnisse sind. Der Hinweis auf diese Marksteine in der Geschichte der Civilprozeßordnung genügt, um in sprechender Weise ein Wort der »Allgemeinen Begrünbung" des letzten Entwurfs zu bestätigen: »Die Herstellung eines Reichsprozeß­ rechts für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ist ein Werk von außerordentlicher Schwierigkeit/ Eine solche Entstehungsgeschichte und die dadurch bedingte Fülle der Materialien, noch mehr aber eine andere, innere Eigenschaft des Gesetzes,

rv

Vorwort.

welche in derselben »Begründung" mit den Worten gekennzeichnet wird: »Die neue Prozeßordnung erfordert einen Aufbau durch die Hand des Gesetzgebers vom Fundamente aus", ertoetfen die Nothwendigkeit eines Kommentars für das Verständniß der Civilprozeßordnung. Zumal im Gebiete des Preußischen Rechts wird das neue Gesetz mit seinen Prinzipien der Unmittelbarkeit und des selb­ ständigen Prozeßbetriebs dem PraMker zunächst fremdartig erscheinen und sich ihm nur durch eingehendes Studium erschließen. Die Herausgeber, welche dem großen Werke seit Jahren lebhaftes Interesse zugewendet haben und in dessen verschiedenen Stadien mehr oder weniger betheiligt gewesen sind, haben in dem vorliegenden Kommentar versucht, vor Allem dem Bedürfnisse der Praxis, mit besonderer Berücksichtigung jenes Rechtsgebiets sowie der gemeinrechtlichen Bezirke innerhalb Preußens, zu genügen. Der Schwerpunkt der Arbeit fällt daher nicht sowohl in eine wissenschaftliche Ergründung oder Beurtheilung der leitenden Grundsätze, wenngleich die Verbindung mit der Prozeßrechtswissenschast nicht verabsäumt ist; unsere Ziele waren vielmehr die Sichtung und Verarbeitung der Materialien, insonderheit der einschlagenden Stellen der Motive, jedoch unbeschadet unserer Selbständigkeit, ferner die Anknüpfung an das bestehende Recht und an die Praxis, namentlich in jenen Rechtsgebieten, der Nachweis des Zusammenhangs zerstreuter Bestimmungen, die Lösung naheliegender Zweifel, welche sich hauptsächlich bei Anwendung der Rechtsregel »Reichsrecht geht vor Landrecht" zahlreich er­ geben, kurz die Aufbietung aller Mittel zur theoretisch-praktischen Erläuterung eines Gesetzes, welches den großen Schritt in das Leben noch vor sich hat. Erst der weitere Lebensweg des Gesetzes wird auch unserem Kommentar, sofern er sich überhaupt als lebensfähig erweist, reicheren Stoff zuführen. Abgesehen von dem Einführungsgesetze waren die den Civilprozeß be­ treffenden Bestimmungen des Gerichtsvcrsassungsgesetzes und des zu diesem gehörigen Einführungsgesetzes, in ähnlicher Weise jedes für sich kommentirt, als unentbehrliche Ergänzung beizufügen. Eine kurzgefaßte historische Einleitung sowie ein ausführliches Sach­ register sollen mit der letzten Lieferung ausgegeben werden. So mögen denn die deutschen PraMker, für welche wir ein nützliches Hülfs­ mittel geschaffen zu haben hoffen, diesen Versuch mit Wohlwollen aufnehmen! Berlin im Februar 1877. Die Verfasser.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Noch vor dem 1. Oktober 1879 hat sich die Nothwendigkeit einer zweiten Auslage unseres Kommentars ergeben. Gesetzgebung und Wiffenschast find in­ zwischen vereint thätig gewesen, die mit jenem Tage anbrechende neue Periode

Borwort.

V

der deutschen Rechtspflege weiter vorzubereitm. Außer wichtigen Gesetzen, wie die Rechtsanwaltsordnung, das Gerichtskostengesetz u. s. w., waren daher die zahl­ reichen Kommentare zur Civilprozeßordiylng zu berücksichtigen, welche theils vollendet, theils ihrer Vollendung näher geführt worden find. Eine ganze Reihe von Streitstagen bereits begleitet die Civilprozeßordnung auf ihrem Wege in die Praxis. Neben zustimmenden Aeußerungen find wir im Einzelnen mancher Polemik begegnet. Dem gegenüber haben wir nicht bloß an den geeigneten Punkten Stellung genommen, sondern uns zugleich bemüht, wo es nöthig erschien, in gedrängter Kürze eine Uebersicht der streitenden Lehrmeinungen zu geben, um für eigene Ansichten Stützpunkte durch Bezugnahme aus hervorragende Arbeiten Anderer zu gewinnen. Noch mehr als bisher haben wir auch an die ältere Prozeßrechtswifsenschaft anzuknüpfen und so die vorgetragenen Sätze zu vertiefen gesucht. Zn der Hauptsache aber sind wir der in -er ersten Auflage befolgtm Methode einer kurzen, hauptsächlich für die Praxis bestimmten Erläuterung treu geblieben. Die Vielheit der Kommentare rechtfertigt sich ja am besten durch die Verschiedenheit der möglichen Wege zu dem einen Ziel, die richtige Anwendung eines Gesetzes zu sortiern, welches auf lange Zeit das Rechtsleben Deutschlands wesentlich beeinflussen wird. Berlin im Februar 1879. Die Verfaffer.

Vorwort zur siebenten Auflage.

Das Erscheinen einer siebenten Auflage des nun fast 23 Jahr alten Kom­ mentars fällt mit einem bedeutsamen Abschnitt unserer Rechtsentwickelung zu­ sammen und findet schon hierdurch allein ausreichende Rechtfertigung. Das am 1. Januar 1900 in Kraft tretende Bürgerliche Gesetzbuch hat bekanntlich eine große Zahl von Abändemngen der Civilprozeßordnung mit ihren Nebengesetzen hervorgerufen. Außer den mit dem bürgerlichen Recht unmittelbar zusammen­ hängenden Neuerungen hat die Gesetzgebung die Gelegenheit ergriffen, ohne An­ tastung der Grundlagen des Gesetzes eine Reihe von dringlichen Verbesserungen des Verfahrens einzuführen. Diese neuen, in dem Gesetze vom 17. Mai 1898 zahlreich enthaltenen Vorschriften bedurften der Erläuterung und organischen Ein­ fügung in den Körper des Kommentars. Daneben mußte das Bürgerliche Gesetz­ buch selbst anstatt des bis zum 1. Januar 1900 geltenden Rechts fortlaufend berücksichttgt werden. Zugleich ist das Ziel der früheren Auflagen weiter verfolgt, der Praxis ein thunlich vollständiges Auslegungsmaterial unter Benutzung der Ergebnisse der Rechtsprechung, namentlich des Reichsgerichts sowie aller wirklich bemerkenswerthen Literatur-Erscheinungen bis auf die neueste Zeit zu bieten.

VI

Borwort.

Trotz dieses sehr vermehrten Stoffes (statt der bisherigen 872 zählt die CPO. in der neuen Redaktion 1048 Paragraphen) ist der Umfang des Buchs nicht allzu­ sehr gewachsen, da manche älteren Ausführungen und Zitate weggelaffen werden konnten. Abermals find die eigenen Anfichten der Verfaffer nachgeprüft und in wichtigm Punkten berichtigt. Zu meinem Schmerze hat der mir in langjähriger gemeinsamer Arbeit eng verbundene Mitherausgeber, Oberlandesgerichts-Präfident Dr. Joh. Struckmann den Abschluß dieser Auflage nicht mehr erlebt. Die Hauptarbeit befand fich fteilich ohnehin in den von ihm selbst in der Praxis erprobten Händen der Herrm Landgerichtsrath Rasch und Landrichter Dr. Koll, welche dieselbe von Beginn an auf Bitte der durch ihre eigenen Amtsgeschäste allzusehr in Anspruch genommenen Herausgeber übernommen hatten. Aber dieselben haben doch im Wesentlichen unter der fortwährenden Leitung und Mitwirkung meines mit der Anwendung der CPO. in seltenem Grade vertrauten und in steter unablässiger Berührung bis ans Ende gebliebenen verewigten Freundes das Werk vollenden können. Wenn ich ihnm für ihre hingebende, erfolgreiche Mitarbeit meinen »ärmsten Dank auch an dieser Stelle ausspreche, so handle ich damit im Sinne des ausgezeichneten Mannes, deffen Geist in dieser Auflage wie in den früheren in gleichem Maße fortlebt. Das Werk in der vorliegenden neuen Gestalt, an der Schwelle des neuen Jahrhunderts in den Gebrauch der Berufsgenossen übergehen zu sehen, gereicht mir zu großer Genugthuung. Möge es fich neue Freunde zu den alten erwerben! Berlin im Oktober 1899. Dr. R. Koch.

Vorwort zur achten Auslage.

Daß so schnell wiederum das Bedürfniß einer neuen Auflage hervorgetreten, beweist, daß die am Schluß des letzten Vorworts ausgesprochene Hoffnung nicht ohne Erfüllung geblieben ist. Die Herausgeber, welchen zu meiner Freude der schon bei unserer sechsten Auflage thätig gewesene Sohn meines verewigten Freundes, Herr Amtsrichter Dr. G. Struckmann, hinzugetreten ist, haben sich be­ müht, den Fortschritten der Wissenschaft und Rechtsprechung wie der Gesetzgebung weiter zu folgen. Einzelne Abschnitte haben eine abermalige Umarbeitung erfahren. Aus diese Weise ist dafür Sorge getragen, daß der Kommentar, deffen Umfang ttotz mancher Kürzungen um etwa hundert Seiten gewachsen ist, nicht veraltet. Die Erweiterung des Umfanges hat die Theilung in 2 Bände nöthig gemacht. Berlin im Mai 1901. Dr. R. Koch.

Inhalt des erste» Bande». Einleitung

Seite XIII—XL

Cioilproxeßor-nung.

Erstes Buch. Allgemeine Vefttmmnngen. Erster Abschnitt. Gerichte. Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte................ §§ Zweiter Titel. Gerichtsstand ..................................................... „ Dritter Titel. Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte „ Vierter Titel. Ausschließung m Ablehnung der Gerichtspersonen „ Zweiter Abschnitt. Parteien. Erster Titel. Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit............................„ Zweiter Titel. Streitgenofsenschaft............................................ .... Dritter Titel. Betheiligung Dritter am Rechtsstreite . . . . „ Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände . . . . „ Fünfter Titel. Prozeßkosten............................................................. Sechster Titel. Sicherheitsleistung.............................................„ Siebenter Titel. Armenrecht........................................................ „ Dritter Abschnitt. Verfahren. Erster Titel. Mündliche Verhandlung.....................................„ Zweiter Titel. Zustellungen. I. Zustellungen auf Betteiben der Parteien........................ „ II. Zustellungen von Amtswegen „ Dritter Titel. Ladungen, Termine und Fristen......................... Vierter Titel. Folgen der Versäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand................................................................. „ Fünfter Titel. Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens „

1— 12— 38— 41—

11 Seite 37 „ 40 „ 49 „

1— 12 12-44 45—48 49-56

50— 58 59— 63 64— 77 78— 90 91—107 108—113 114—127

„ „ „ „ „ „ „

57—70 71-78 79-98 99-114 115-140 141—148 149—158

128—165



159—204

166—207 208—213 214—229

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205—249 250-251 252-266

230—238 239—252

„ „

267—277 278—295

„ „

296—394 394—455

Zweites Buch. verfahren in erster Instanz. Erster Abschnitt. Verfahren vor den Landgerichten. Erster Titel. Verfahren bis zum Urtheil.................................„ 253—299 Zweiter Titel. Urtheil................................................................. „ 300—329

vra

Inhalt.

Dritter Titel. Versäumnißurtheil............................................. Vierter Titel. Vorbereitendes Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen................ Fünfter Titel. Allgemeine Bestimmungen über die Beweisaufnähme.................................................................................. Sechster Titel. Beweis durch Augenschein............................ Siebenter Titel. Zeugenbeweis................................................. Achter Titel. Beweis durch Sachverständige............................ Neunter Titel. Beweis durch Urkunden................................. Zehnter Titel. Beweis durch Eid............................................. Elfter Titel. Verfahren bei der Abnahme von Eiden. . . . Zwölfter Titel. Sicherung des Beweises................................. Zweiter Abschnitt. Verfahren vor den Amtsgerichten................

§§ 330—347 Seite 455-478 „ 348—354



478—485

„ „ „ „ „ „ „ „ „

355—370 371—372 373—401 402-414 415—444 445—477 478—484 485—494 495—510

„ „ „ „ „ „ „ „ „

486-499 500-502 502—534 535-549 549-579 579—619 619—624 624—631 631-643

511-544 545—566 567-577

„ „ „

644-688 688—720 721—737

578-591



738-754

............................................. .... 592-605



755—775

Drittes Buch. «echtSmittel.

Erster Abschnitt. Berufung . Zweiter Abschnitt. Revision . Dritter Abschnitt. Beschwerde

Viertes Buch. Wiederaufnahme des Verfahrens.............................

Fünftes Buch. Urkunden- und Wechselprozeß

Erklärung der wichtigsten Abküyungen. A. Unter dem Texte. 1) Zum bisherigen Texte: N. (Sntm. — Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund. Berlin 1870. Entw. I. --- Entwurf einer deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung. Im Königl. Preuß. Justizministerium ausgearbeitet. Berlin 1871. Entw. II. — Entwurf einer Deutschen Civilprozeßordnung. Berlin 1872 (nach den Beschlüssen der Sachverstündigen-Kommisston). Entw. III. — Entwurf einer Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich. Berlin 1874 (nach den Beschlüssen des Bundesraths dem Reichstage vorgelegt). Mot. — Begründung des Entw. III (Drucksachen des Reichstags. 2. Legisl.-Per. 2. Session 1874—1875. Zu Nr. 6)**•) ). Prot. --- Protokolle der Justizkommisston des Deutschen Reichstags. Berlin 1876. Sitzung 161—174 ----- desgleichen"). 2) Zur Novelle: Nov. --- Gesetz, betr. Aenderungen der CPO., v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 256). E. I. — Entwurf eines Einfübrungsgefetzes z. BGB. Art. 1 i nebst Motiven (= Mot.). Amtl. Ausgabe. 1888. Berlin. I. Guttentag. E. II. — Zusammenstellung der aus Anlaß d. BGB. in Aussicht genommenen Aenderungen der CPO. Anlage II der Denkschrift zum Entw. eines BGB. (Drucksachen d. Reichstags 9. Legisl..Per. 4. Sefs. Nr. 87). E. III. -- Entw. eines Ges. betr. Aenderungen d. CPO. 1897. (Drucks, d. Reichstags. 9. Legisl.Per. 5. Sess. Nr. 61.) Begr. — Begründung des Entw. HI (Dmcks. d. Reichstags 9. Legisl.-Per. 5. Seff. Nr. 61)*). Kom. Ber. --- Bericht der 6. Kommission d. Reichstags. 1898. (Drucks, d. Reichstags. 9. Legisl.. Per. 5. Sess. Nr. 240.) Sten. Ber. — Stenographische Berichte über die Verhandlungen d. Reichstags in der 9. Legisl.Per. 5. Sess.

B. In den Anmerkungen: GDG. --- Gerichtsverfassungsgesetz

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I&-.SSSÄ

KO. — Konkursordnung J EG. z. GDG. — Einführungsgesetz z. GBG. EG. z. CPO. -„ z. CPO. EG. z. StPO. -„ z. StPO. RAO. — Rechtsanwaltsordnung GKG. ----- Gerichtskostengesetz GO. f. GD. = Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher GO. f. Z. u. S. — Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige GO. f. RA. = Gebührenordnung für Rechtsanwälte RTK. — Justiz-Kommisston des Reichstags. HGB. ---- Handelsgesetzbuch.

für das Deutsche Reich.

*) In den abgedruckten Stellen der Motive und der Begründung sind die Paragraphen bei Entwurfs in diejenigen bei Gesetzes umgewandelt. *•) Die Prot, dieser letzten Sitzungen sind mit besonderen Seitenzahlen gedruckt.

X

Erklärung der wichtigsten Abkürzungen.

WO. --- Allgemeine Deutsche Wechselordnung. StGB. — Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Preuß. AG. z. GVG. — Preußisches Ausführungsgesetz zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz. Preuß. AG. z. CPO. — Preußisches Ausführungsgefetz zur Deutschen Civilprozeßordnung. N. E. — Entw. einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund (s. oben unter A.). Nordd. Prot. = Protokolle der Norddeutschen Civilprozeß-Kommission. H. E. = Entw. einer allgem. Civilprozeßordn. f. d. Deutschen Staaten. Nach den von der Deutschen Civilprozeßkommisfion zu Hannover bei der zweiten und letzten Lesung gefaßten Beschlüssen. Hannover 1866. Hann. Prot. ---- Protokolle der Kommission zu Hannover. P. E. — Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für die Preuß. Staaten. Berlin 1864. Preuß. AGO. — Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. Preuß. ALR. = Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Hann. PO. — Allgemeine bürgerliche Prozeßordnung für das Königreich Hannover vom 8. November 1850. Bayer. PO. = Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern. München 1869. Württ. PO. — Civilprozeßordnung für das Königreich Württemberg vom 3. April 1866. Bad. PO. = Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogthum Baden vom 18. Mürz 1864. BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich v. 18. August 1896. EG. z. BGB. = Einführungsgesetz z. BGB. vom 18. August 1896. Mot. z. BGB. --- Motive zum 1. Entwurf des BGB. Amtliche Ausgabe. Berlin 1888. Prot. z. BGB. — Protokolle der Kommission f. d. 2. Lesung d. Entw. b. BGB. Berlin 1898. FGG. =» Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 (RGBl. S. 189). Preuß. FGG. — Preußisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 21. September 1899 (GS. S. 249). ZVG. — Ges. über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung v. 24. März 1897 (RGBl. S. 97). GBO. = Grundbuchordnung v. 24. März 1897 (RGBl. S. 139). Struckmann u. Koch, Preuß. AG. — I. Struckmann u. R. Koch, Die Preußischen Ausführungsgesetze zu den Reichsjustizgesetzen. Berlin 1879. I. Guttentag. Erg.-Heft. ---- Ergänzungsheft. Berlin 1881. I. Guttentag. Die Hand- und Lehrbücher von Wach, Planck, Wetzell (3. Aufl.) und Renaud (2. Aufl.), Fitting, Der Reichs-Civilprozeß. 10. Aufl. Berlin 1900, Schmidt, Lehrbuch d. D. Civilprozeßrechts (nebst Ergänzungsheft), Leipzig 1898, Bunfen, Lehrbuch d. D. Civilprozeßrechts, Berlin 1900, Bolgiano, Handbuch des Reichs-Civil-Prozeßrechts, Mandry.Geib, Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze. 4. Aufl. Freiburg 1898, sowie die Kommentare zur Civilprozeßordnung (siehe unten S. XXXVff.) sind meistens lediglich nach den Namen ihrer Verfasser in den neuesten Auflagen angeführt; desgl. die Lehrbücher des Preuß. Privatrechts von Förster (Eccius) 6. Aufl. und Dernburg Bd. 1 u. II in 5., Bd. III in 4. Aufl., sowie die das Bürgerliche Gesetzbuch betreffenden Kommentare von Planck, Biermann u. s. w., Staudinger, Rehbein, die Lehrbücher von Dernburg, Endemann, Cosack, Matthiaß, 6route und System d. Rechts d. BGB. von Zitelmann. Die römischen Ziffern bezeichnen die Bände. Das Lehrbuch von Hellmann ist zum Unterschiede von dessen Kommentar bezeichnet als „Hellmann, Lehrb." unter Angabe der Seite. v. Holtzendorff, Rechtslexikon. 3. Aufl. Leipzig 1881 — Rechtster.

Sammlungen von Rechtssprüchen. RG. — Entscheidungen des Reichsgerichts. Herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichts­ hofs und der Reichsanwaltschaft. Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen. Leipzig 1880 und ff. Verlag von Veit & Comp. RG. in StrS. — Entscheidungen rc. (wie vor). Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. Leipzig 1880 u. ff. Verlag von Veit & Comp. Rechtspr. d. RG. in StrS. --- Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts in Strafsachen. Herausgegeben von den Mitgliedern der Reichsanwaltschaft. Bd. 1—10. München u. Leipzig 1879—1888. R. Oldenbourg.

Erklärung der wichtigsten Abkürzungen.

XI

ROHG. — Entscheidungen des Bundes-, später Reichsoberhandelsgerichts. Herausgegeben von den Räthen des Gerichtshofs. Bd. 1—25. Stuttgart 1871—1880. gerb. Enke (Bd. 1—8 in 2. Ausl. 1872—1879). S. A. — I. A. Seuffert's Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den Deutschen Staaten. Herausgegeben von H. F. Schütt. München u. Leipzig. R. Oldenbourg. Rechtspr. — Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Civilrechts. Heraus­ gegeben von den Kammergerichtsräthen B. Mugdan u. R. Falkmann. Leipzig 1900 ii. f. Blum, Ann. = Annalen des Reichsgerichts. Samml. aller wichttgen Entscheidungen u. s. w. Unter Mitwirkung von K. Braun, herausgegeben von H. Blum. Leipzig 1880 u. ff. Blum, Urth. u. Ann. — Urtheile u. Annalen, herausgeg. v. Hans Blum. Berlin 1885, 1886. Mecke, Arch. = Archiv f. die civilrechtlichen Entsch. des Reichsgerichts für die gemeinrechtlichen Gebiete Deutschlands, herausgeg. v. G. Fenn er und H. Mecke. 3 Bde. Berlin 1880—1883. Entsch. d. OT. — Entscheidungen des Königl. Obertribunals, herausgegeben in amllichem Auftrage von den Obertribunals-Mitgliedern (zuletzt Sonnenschmidt, Clauswitz u. Hahn). Bd. 1—83. Berlin. Carl Heymann's Verlag. Striethorst, Arch. = Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des K. Obertribunals gelangt find. Herausgegeben u. red. von Th. Striethorst, Landgerichtsrath. Bd. 1—100. Berlin. I. Guttentag.

Zeitschriften: Busch — Zeitschrift für Deutschen Civilprozeß und das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Herausgegeben von H. Busch, jetzt von M. Schultzenstein u. F. Vierhaus. Berlin. Carl Heymann's Verlag. c. A. ----- Archiv für die civilistische Praxis. Jetzt herausgegeben von Franklin, Rümelin, Wendt, Bülow, Mandry, v. Kohlhaas. Freiburg i. B. u. Tübingen. I. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Gruchot --- Beiträge zur Erläuterung deS Deutschen (früher: des Preußischen) Rechts, in befonderer Beziehung auf das Preußische Recht, mit Einschluß des Handels- il Wechselrechts (früher mit dem Zusätze: durch Theorie und Praxis). Begründet von Dr. I. A. Gruchot. Jetzt herausgegeben von Rassow, Küntzel u. Eccius. Berlin. Franz Dahlen. Bödiker, Mag. — Bödiker, Magazin für das deutsche Recht der Gegenwart. Bd. 1—8. 1881 ii. ff. Hannover. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Sächs. A. — Sächs. Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß. Herausgegeben von Hoffmann, v. Sommerlatt u. Wulfert. Leipzig. Roßberasche Hof-Buchhandlung. I. W. — Juristische Wochenschrift. Organ des Deutschen Anwalt-Dereins, herausgegeben von S. Haenle und I. Johannfen, später A. Lüntzel, dann M. Kempner. Berlin

1872 ii. ff. D. I. Ztg. — Deutsche Juristenzeitung. Herausgegeben von Fr. Wallmann. Charlottenburg 1877 u. ff. und desgl. von Laband, Stenglein und Staub 1896 u. ff. Rh. A. — Archiv f. d. Civil- u. Criminalrecht der Rheinprovinz. Cöln, Pet. Schmitz Wwe. Kttt. V. — Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Freiburg t. B. I. C. B. Mohr.

Einleitung. i.

Seit dem vierzehnten Jahrhundert war in Deutschland mit dem Eindringen der fremden Rechte ait Stelle des alten öffentlichen und mündlichen Verfahrens vor Volksgerichten (Schöffengerichten)') unter dem Einffufse der italienischen Praxis ein dem kanonischen Prozesse nachgebildetes, heimliches und schrift­ liches Verfahren vor ständigen, zum Theil mit Rechtsaelehrten besetzten Gerichten in den Gerichtsgebrauch übergegangen'). Auf dieser Grundlage beruhte nament­ lich das Verfahren bei dem im Jahre 1495 zum Schutze des gleichzeitig ver­ kündeten ewigm Landfriedens errichteten Reichskammergerichts, welches, durch die Reichskammeraerichtsordnungen positiv geregelt, wiederum das Vorbild für zahlreiche Landes-Prozeßordnungen, zumal des südlichen und westlichen Deutsch­ lands, wurde'). Nicht bloß, um den immer lauter werdendm Klagen über die Langsamkeit des sich mühselig durch drei Instanzen hinschleppenden Prozesses zu begegnen, sondern auch vielfach angeregt und bestimmt durch die namentlich m Sachsen lebendige Opposition des einheimischen Rechtes'), untemahm der Jüngste Reichsabschied (von 1654) eine umfassende Reform des Civilprozeffes. Das Wichtigste war die Aushebung der alten »Positionen' oder »Artikel" (§§. 34, 37) und die Verschärfung oer sog. Eventualmaxime (§§. 37, 45ff.). Auch hinsichtlich des Beweises wurdm Bestimmungen getroffen, aus welchen die gemein­ rechtliche Anerkennung des im sächsischen Prozeß ausgebildeten Beweisinterlokuts erwachsen ist. Diese Reformen bildeten den Ausgangspunkt einer neuen Ent­ wickelung des Civilswozeßrechts. Bei aller logischen Folgerichtigkeit blieb jedoch das auf dem Jüngsten Reichs­ abschied fußende, von der Praxis und einer reichhaltigen Doktrin bis in die feinsten Einzelheiten ausgebildete, nunmehr rein schriftliche Verfahren äußerst langsam und schwerfällig und vermochte weitaus nicht den Ansprüchen der Rechtsuchenden zu genügen'). Auch die partikulären Prozeßordnungen, welchen fortan die gesetz1) Unger, D. altdeutsche Gerichtsverfassung. Göttingen 1842. Maurer, Gesch. des altdeutschen u. namentlich altbayr. Gerichtsverfahrens. Heidelberg 1824. v. Bethmann-Hollweg, D. Civilprozeß des gern. Rechts in geschichtlicher Entwickelung. IV. Bonn 1868. V 1 (1871). Planck, D. deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter. Braunschweig 1879. I S. 123ff., 133ff. Schultze, Privatrecht u. Prozeß in ihrer Wechselbeziehung. Freiburg u. Tübingen 1883. I S. 97 ff. 2) Mittermaier im c. A. 11 S. 124ff. 3) Wetzell S. 6, 7; v. Bar in v. Holtzendorff, Encykl. d. Rechtsw. 5. Ausl. S. 782. 4) Wetzell S. 22ff.; v. Bar a. a. O. 5) Eine treffende kurze Kritik des gemeinrechtl. Verfahrens s. bei Wach 1 S. 131 ff.

liche Fortbildung des Civilprozeffes zufiel'), suchten wohl im Einzelnen zu beffem, verharrtm jedoch in allen wesentlichen Punkten bei den Grundgedanken des gemeinen schriftlichen Prozeffes und konnten beffen Hauptmängeln somit nicht entgehen. Erst gegen das Ende des »origen Jahrhunderts zeigt sich mit dem all­ gemeinen Aufschwünge des geistigen Lebens in Deutschland auch auf diesem Gebiet eine frischere Bewegung, und es beginnt eine Reformperiode, die erst 1879 einen Abschluß gefunden hat. II. Einen eigenthümlichm Weg schlug die Reform des Civilprozeffes in Preußen ein. Friedrich der Große hatte darauf sogleich nach seinem Regierungsantritte sein Augenmerk gerichtet. Während aber das bald nach Ertheilung eines unbedingten Privilegium de non appellando et evocando (v. 31. Mai 1746) unterm 3. April 1748 als allgemeine Prozeßordnung für das ganze Land publizirte Projekt eines Codicis Fridericiani Pommeranici (von Cocceji) noch eine sehr nahe Verwandt­ schaft mit dem gemeinen Civilprozeßrecht aufweist'), liegt dem (von o. Garnier entworfenen) mittels Patents vom 26. April 1781 unter dem Titel „Corpus Juris Fridericianum. Erstes Buch von der Prozeßordnung' publizirten Gesetze (das Civilrecht sollte das zweite Buch bilden) und der revidirten zweiten Ausgabe dieses Gesetzes, der allgemeinen Gerichtsordnung vom 6. Juli 1793, ein von den Gmndsätzen des gemeinen Prozeßrechts abweichendes Prinzip, die sog. Jnquisitionsmaxime, zu Gmnde. Der Richter sollte, ohne an die Grundsätze von der Be­ weislast und an die Angaben der Parteien gebunden zu sein, von Amtswegen durch persönliches Verhandeln mit den Parteien oder deren Vertretern') die materielle Wahrheit ermitteln. Der Versuch entsprach nicht den anfänglich hoch gespannten Erwartungen. Das Jnstruktionsverfahren der Allgemeinen Ge­ richtsordnung erwies fich bald als schleppend und haltlos'). Die Gesetzgebung der Jahre 1833 und 1846") knüpfte daher, zuerst zögernd auf sachlich beschränktem Gebiete, nachher allgemein, durch Einführung der Verhandlungs- und der Eventualmaxime wieder an den gemeinen Prozeß an, nähette fich aber andererseits dem Grundsätze der Mündlichkeit, indem sie vem schrift­ lichen Vorverfahren eine mündliche Schlußverhandlung hinzufügte. Dieses Verfahren ist demnächst in den Jahren 1849, 1851 und 1867 auf gemeinrechtliche Gebiete ausgedehnt"). Die Grundzüge sind folgende"): Die Klage wird dem Gericht eingereicht, welches sie materiell und formell prüft. Ist nichts zu erinnern, so wird der Beklagte unter Benachrich6) Linde, Lehrb. des gem. deutschen Civ.-Proz. 7. Ausl. Bonn 1850. § 29. 7) Vgl. C. F. Koch, Preuß. Civilprozeß. 2. Ausg. Berlin 1855. S. 81, 101 ff. Freilich sollte der Prozeß mit einem mündlichen Vorverfahren vor dem Kollegium anfangen. 8) Der ursprüngliche Zwang zum persönlichen Erscheinen ist schon durch Verordnung v. 20. Sept. 1783 abgeschafft. 9) Vgl. Koch a. a. O. S. 106ff. Goetze, D. neueste Preuß. Civilprozeßgesetz v. 21. Juli 1846. Berlin 1846. S. 17. Mot. z. CPO. (Entw. III) S. 6. Abegg, Versuch einer Geschichte der Preuß. Civilprozeßgesetzgebung. Breslau 1848. 10) Verordn, v. 1. Juni 1833 (GS. ©.33) u. v. 21. Juli 1846 (GS. S. 291). 11) Verordn, v. 21. Juli 1849 (GS. S. 307),». 30. April 1851 (GS. S. 188) u. v. 24. Juni 1867 (GS. S. 885). 12) Vgl. Mot. z. CPO. S. 12. Eine Kritik dieses Verfahrens s. das. S. 13—15. Ueber den Gegensatz zur reinen Mündlichkeit u. gewisse Vorzüge beider Systeme s. auch Glaser, Ge­ sammelte Neinere Schriften. Men 1868. II S. 295ff.; Dernburg, Abhandlungen. Frankfürt a. M. 1849. S. 243ff.; v. Holzschuher, D. Rechtsweg. Nürnberg 1831.

Einleitung.

XV

tiguttg des Klägers zur Klagebeantwortung aufgefordert. Dieser kann nöthigenfalls noch Replik und Duplik folgen. Ist die Instruktion 'geschloffen, so erfolgt von Amtswegen Ladung beider Parteien in eine Sitzung des Gerichts. Hier giebt zunächst ein Mitglied eine Darstellung der Sachlage nach Maßgabe der Schriften bezw. Protokolle aus Grund eines schriftlichen Referats. Sodann werden beide Parteien zum Worte verstattet. Wie die Klage, so bestimmen auch die übrigen Schriften die Grenzen des Rechtsstreites. Thatsächliche Anführungen, die nicht in der dafür bestimmten Schrift enthalten find, gehen für die Instanz verloren. Anführungen des Gegners und von ihm produzirte Urkunden, worüber in dem nächsten Schriftsätze bezw. Protokoll eine Erklärung nicht erfolgt, gelten als zugestanden bezw. anerkannt. Die Antretung der Beweise kann mit den betreffenden Anführungen ver­ bunden werden. Sie muß spätestens in der mündlichen Verhandlung geschehen, oweit es sich nicht um eine Eideszuschiebung oder solche Beweismittel handelt, >ie sich erst aus der stattgefundenen Beweisaufnahme ergeben haben. Nach erfolgter Beweisaufnahme, welche das Gericht ebenfalls von Amtswegen bewirkt, werden die Parteien aufs Neue in die Audienz geladen unter der (nur monitorischen) Verwamung, daß angenommen werde, der Ausbleibende habe zur Unterstützung seiner Behauptungen und Anttäge nichts mehr anzuführen. Die Entscheidung ergeht alsdann nach Lage der Atten. Dieselben Grundsätze beherrschen die oberen Instanzen.

S

III.

Seit Anfang dieses Jahrhunderts hat auch der französische Prozeß des Code de procedure civile (1806) in Deutschland erheblichen Einfluß erlangt, da er, abgesehen von dm Umständen seiner Einführung, manchm von Alters her über­ lieferten germanischen Rechtsgedankm enthält und bei allen Mängeln doch in wesentlichen Punkten die Haupt-Nachtheile des gemeinrechtlichen Verfahrens ver­ meidet"); bis zum 1. Oktober 1879 ist er geltendes Recht in den linksrheinischen Gebietm Preußms sowie in Elsaß-Lothringen und in Rheinheffen geblieben"). Er steht in engem Zusammenhange mit der eigenthümlichen Gerichtsverfassung. Kollegialisch gestaltete Gerichtshöfe (die ordentlichen Gerichte) bestehen nur tn größeren Städten, daneben für Handelssachen ausschließlich mit Kaufleuten be­ setzte Handelsgerichte, im Uebrigen Friedensgerichte (Einzelrichter). Reben dm Gerichten steht die Staatsanwaltschaft (öffentliches Ministerium) als Aufsichts­ behörde für die gesammte Rechtspflege. Ihr fällt die Korrespondenz mit in- und ausländischen Behördm zu. Ihre Beamten müffm in jeder Sitzung des Gerichts gegenwärttg sein und darüber wachen, daß das Gesetz befolgt werde. Sie gebm mottvttte Gutachten ab und müssen in den vom Gesetze bezeichneten Fällm ihre Anträge stellen. Den Verkehr unter den Parteien besorgten theils die Anwälte, theils oie Gerichtsvollzieher, selbständige Beamte, welchen auch die Vollstreckung der Urtheile anheimfällt"). 13) Vgl. Wach I S. 135fr. 14) Auch die am 15. Dez. 1815 erlassene Handelsgerichtsordnung für Hamburg Art. 19 verordnet, daß die Sachen von den Parteien mündlich verhandelt werden, falls das Gericht nicht ein schriftliches Verfahren vorzieht (vgl. die Schrift: D. Errichtung des Handelsgerichts in Hamburg. Hamburg 1866). Ebenso wurde in der preuß. Provinz Posen durch die (später abgeschaffte) Verordn, v. 9. Febr. 1817 (GS. S. 37) ein im Wesentlichen mündliches Verfahren eingeführt. 15) Ueber die Geschichte u. das Wesen der franz. Gerichtsverfaffung s. Boitard, Betons de proc. civ. Ed. 12. Paris 1876. I p,3sqq.; Perrot, Verfassung, Zuständigkeit u. Verfahren

XVI

Einleitung.

Eine gerichtliche Prozeßleitung ist dem französischen Prozeß unkbekannt. An das Gericht gelangt eine Streitsache erst nach beendetem Schrifftwechsel. „Wenn der Beklagte auf die vom Kläger ohne Mitwirkung des Gerichts an ihn gerichtqtete Aufforderung einen Anwalt bestellt hat, so können zwischen den Parteien Schriftsätze (defenmse, reponse) gewechselt werden, welche dem Gerichte fremd bleiben. Ist dieser Schriftwechsel i er. ledigt oder als erledigt anzusehen, so hat der fleißigere Theil den Gegner in eine Gerichchts« sitzung zu laden, welche nicht zur mündlichen Verhandlung, vielmehr nur zur Einleitung d der. selben bestimmt ist. Die Einleitung der mündlichen Verhandlung erfolgt aber dadurch, d daß die Anwälte ihre motivirten Konklusionen (Gesuche und deren Begründung) verlesen und d die. selben bei dem Gerichte hinterlegen. Die Anwälte können im Verlaufe der mündlichen VDer. Handlung ihre motivirten Konklusionen ändern, müssen aber die Abänderungen schriftlich zizum Sitzungsprotokoll überreichen. Das Verlesen der motivierten Konklusionen ist ein sehr bedeutungsvoller Akt. Mit diesesem Akte wird die Sache dergestalt kontradiktorisch, daß kein Versäumnißurtheil ergehen kann, aiauch wenn der Anwalt in der zur mündlichen Verhandlung der Sache bestimmten Sitzung ninicht erscheint. Die Sache erscheint mit diesem Akte aber auch zur Entscheidung reif (en etat),), so daß die Urtheilsfällung durch eine in der Zwischenzeit in der Person der Partei oder ihlhres Anwalts eintretenden Aendenmg nicht gehindert roirb16)."

So liegt in den conclusions motivees ein sehr starkes schriftliches Grientetent, durch welches die mündliche Verhandlung (plaidoirie) unter Umständen sog>gar entbehrlich gemacht werden kann"). An die Konklusionen knüpft sich auch die mündliche Verhandlung, zu t der jede Partei die andere demnächst zu laden berechtigt ist. Jndcffen wurden sie l bei den meisten rheinischen Gerichten ohne die Begründung verlesen"). Die Beweisaufnahme verliert im französischen Prozesse durch die sisog. Formalisirung der Beweise (Beschränkung des Zeugenbeweises u. s. w.) an Bedeutumng. Wo eine Beweisaufnahme erforderlich wird, bildet sie einen getrennten Abschtynitt des Prozesses, dessen Betrieb ebenfalls den Parteien anheimfällt. Dieser Abschiynitt wird zwar durch ein nach Art des Urtheils mit Gründen versehenes Jnterlolokut von dem vorangegangenen Verfahren getrennt"); es bindet aber weder das Geriricht noch die Parteien; für letztere gilt keine Eventualmaxime. Nach erhobenem Beweise können die Parteien einander wieder zur müiündlichen Verhandlung laden, auf welche das Urtheil ergeht"). Während man am Rhein im Ganzen von der Vortrefflichkeit der in Forolge der französischen Zwischenreaierung überkommenen Einrichtungen überzeugt blvlieb, findet in Frankreich schon fett länger als 60 Jahren eine lebhafte Resormbewegtgung der Gerichte der preuß. Rheinprovinzen in bürg. Rechtssachen. Thl. 1. Trier 1842; Schlilink, Komm. über die franz. Civ.-Proz.-Ordn. 2. Aust. Bd. 1 Buch 1. Coblenz 1856. 16) So die Mot. z. CPO. S. 16. 17) Der Referent der belgischen Revisionskommission bezeugt, daß man sich in i einfachen Sachen auf die Vorlesung der Konklusionen und die Hinterlegung der Manualalakten (dossiers) statt der gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung des Streites zu u be­ schränken pflege — s. Revue de droit intern. 1870 II p. 221. Vgl. auch Schl in k a. a. a. O. Bd. 2 S. 558 in Verb. mit Bd. 1 S. 272 ff.;. P. E. §§ 241, 341, 342; weniger scharf Bcüayer. PO. §§ 229 ff. 18) Dgl. Mot. z. CPO. S. 17. 19) Vgl. Mot. z. CPO. S. 33; Schlink a. a. O. Bd. 2 S. 351 ff. 20) Vgl. Schlink a. o. O. Bd. 2 S. 368ff., 460sf.

XVII

Einleitung.

statt, welche freilich zu einer neuen Civilprozeßordnuna noch nicht geführt hat"). Eine scharfe Kritik des stanz. Prozesses enthüllen auch die Motive zur Genfer Prozeßordnung vom 29. September 1819") und die des Belgischen Entwurfes einer bürgerlichen Prozeßordnung"). Zn Deutschland fanden diese Vorgänge sorg­ fältige Beachtung (vgl. IV, V). IV. Mit dem Jahre 1850 beginnt, getragen von dem allgemeinen Verlangen nach Mündlichkeit und Oeffentlrchkeit, eine Reihe von Parttknlargesetzen, welche die Gedanken des französischen Prozesses vielfach in sich aufgenommen und mehr oder weniger mit denen des gemeinen Prozeßrechts zu verschmelzen gesucht habm"). Von besonderer Bedeutung ist die Bürgerliche Prozeßordnung des vor­ maligen Königreichs Hannover vom 8. November 1850“), welche wiederum in manchen Punkten auf die Genfer Prozeßordnung als Quelle zurückweist. „In der Hannoverschen Prozeßordnung ist der Versuch gemacht worden, ein Verfahren herzustellen, welches auf den Grundlagen des gemeinen deutschen Prozesse- das große steige« staltete Prozeßprinzip der Unmittelbarkeit der Verhandlung eine- Rechtsstreit- vor dem erkennen­ den Gerichte mit seinen Konsequenzen in sich aufnimmt. Fundammtal------- ist, daß das Hauptverfahren in zwei Abschnitte zerfällt, von dmm der erstere die Behauptungm der Partei«, der zweite dm Beweis der bestrittenen Behaupdmgm zum Gegenstände hat; daß diese beiden Abschnitte getrennt und gegen einander abgeschloffm werd« durch eine richt«, liche Verfügung, in welch« nach Prüfung des von den Parteim vorgelegten ProzeßstoffS diefm «öffnet wird, waS und von wem zu beweis« sei; daß diese richterliche Verfügung im Sinne des dmtschen Prozeßrechts ein Urtheil ist, unabänd«lich für die Instanz, in welch« sie «laffm wurde—)."

Das Verfahren leidet indessen an einer gewissen Zwiespältigkeit. Auf -er einen Seite hat es die freien gönnen des mündlichen Verfahrens in sich ausgenommen; traf der anderen Seite ist es vielfach in der Art des schriftlichen gebunden ”). Die Schriftsätze, welche der mündlichen Verhandlung vorausgehen, habm eine lediglich vorbereitende Bedmtung. Was von derm Inhalte nicht münd» 31) Unter den Reformschriftstellern find nammüich zu nmnm: Regnard, De Forgaeisation judiciaire et de la proc. civile en France. Paris 1855. Seligmann, Quelles sont au point de vue juridique et au point de vue philosophique les reformes dont notre proc. civ. est susceptible? Reims 1855. Raymond Bordeaux, Philosophie de la proc. civile. Paris 1857. Dgl. ferner: De la reforme du Code de proc. civile etc. Paris 1868. S. auch Leonhardt, Zur Reform des Civilproz. in Deutschland. Erster Beitrag. Hannover 1865. S. 85 ff. 22) Beliot, Loi sur la proced. civ. du canton de Gentive. II. Edit. Paris 1837. 23) Allard, Rapport, exposant les motifs du Projet. Doc. pari. Session 1869/70. Tit. 1 des Livre preliminaire (in 3 Kap. u. 56 Art.), von der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit in streitigen Reä)tssachen handelnd, ist als Gesetz vom 25. März 1876 publizirt. Dgl. Bormans, Code de proc. Beige. Commentaire legislatif et doctr. 2. ed. Bruxelles 1877. Supplement. Bruxelles 1878. 24) Dgl. die Aufsätze v. Mittermaier im c. A. S. 43—50; v. Arnold, D. Umge. staltung des Civilproz. in Deutschland. Nürnberg 1863. 25) Dgl. Leonhardt, D. bürg. Prozeßordn, und deren Nebengesetze. 4. Aust. Han. nover 1867. 26) Mot. CPO. S. 9. 27) DgL Dach I S. 140. Ctratfnaaa a. Koch, LivÜpro-eßo»««-. 8. «ifL L

n

lich vorgetragen ist, darf nicht berücksichtigt werden, und alles mündlich Verrhandelte ist zu berücksichtigen, auch wenn es nicht in den Schriftsätzen enthalten! ist. Andererseits ist die Eventualmaxime, welche innerhalb des ersten deer beiden Prozeßabschnitte nicht gilt, im Verhältnisse des einen Abschnitts zuvm anderen streng festgehalten, und die Versäumnißfolgen find in beiden Abschnitteen durchgreifend verschieden"). Der Prozeßbctrieb ist nicht in dem Umfange des französischen Prozessees den Anwälten und den Gerichtsvollziehern überlassen; vielmehr gelangt die Sachhe von vornherein durch Anberaumung eines Termins nach Erhebung der Klage iin die Hände des Gerichts, und auch tnt Laufe des Prozesses wird vielfach durch Um­ setzung der Termine von Amtswegen dafür Sorge getragen, daß — im Gegennsatze zu dem stanzösischen Desaisirungsprinzipe — die Sache möglichst beim Gerickht anhängig bleibe. Der Hannoversche Prozeß, welchem eine der stanzösischen in vielen Punkteen nachgebildete Gerichtsverfassung entspricht, erregte in Deutschland große Ausmertksamkeit"). Mehr gemeinrechtlichen Traditionen schließt sich die Braunschweigischhe Civilprozetzoronuna vom 19. März 1850 an. Die mündliche Verhandlung hoat hier, wie in dem Prozeßgesetze für Lübeck vom 28. April 1862, nur den Karaktter einer bloßm Schlußverhandlung"). Ein der ersteren nahestehender Versuch, böte Schriftlichkeit mit der Mündlichkeit zu verbinden, ist das Oldenburgischhe Prozeßgesetz vom 2. November 1857, welches im Vergleiche mit dem Hannoverschem Prozesse das Gebiet der Schriftlichkeit erweitert"). Entschieden auf dem Müntdlichkeitsprinzipe dagegen beruht die Badische Prozeßordnung vom 28. Märrz 1864"). In Bremen, wo vorübergehend, wie in Hamburg, französisches Reächt gegolten, in der Gerichtsordnung von 1820 aber nur die Privatladunä sich eerhalten hatte, wurde durch Verordnung vom 24. Mai 1864 ebenfalls die Mündliächkeit eingeführt. Auch die Württembergische Prozeßordnung vom 3. April 18638, die Oesterreichischen Entwürfe (1861, 1867 und 1876)”) und der (unvollendete) Großh. Hessische Entwurf (1867) sowie in manchen Punkten der Kgl. Sächsische Entwurf (1864) sind Mündlichkeitsordnungen, deren nahe Beziehungen zu dder bei ihrer Bearbeitung — allerdings theilweise nur als entferntere Queklle (s. unten V) — benutzten Hannoverschen Civilprozeßordnung nickt zu verkennten sind, während die Bayerische Civilprozeßordnung vom 29. April 1869 iim Zusammenhange mit der Rechtsentwickelung in der Rheinpfalz und der Preußische Entwurf von 1864 (s. unten V), wenigstens was die Gestaltung des Verfahreens anlangt, sich im Wesentlichen dem stanzösischen Prozeß angeschlossen haben. V. In die letzten Jahre des Deutschen Bundes fallen die offenbar durch doas Gelingen des Handelsgesetzbuchs (wie früher der Wechselordnung) angeregten We23) Vgl. Mot. z. CPO. S. 16, 19ff. 29) Vgl. c. A. 33 S. 119ff., 37 S. 442ff., 43 S. 314ff., 44 S. 100ff., 341 ff., 45 S. 277ff., 46 S. 48ff.; Planck in Ärit. V. 4 S. 242ff. 30) Vgl. Wach I S. 137ff. 31) Vgl. die Vordem, in der Ausgabe mit Erläut. von Becker. Oldenburg 1859; Wtach I S. 141. 32) Dgl. über die dortige Entwickelung v. Freydorf, Erläut. der Prozeyordn. Heiüdelberg 1867. S. 62ff. u. Wach I S. 141ff. 33) Den Letzteren vergleichen mit der CPO.: v. Bar in Grünhut, Zeitschr. 4 S. 5933ff., v. Canstein, D. rationellen Grundlagen des Civilproz. u. s. w. Men 1877, bes. S. 289ff.

mühungen des Bundes für das Zustandekommen einer gemeinsamen Civilprozeßordnung"). Auf dm Antrag von zehn deutschen Regierungm vom 17. Dezember 1859 trat zufolge der Bundesbeschlüffe vom 6. Februar und 17. Juli 1862 am 15. Sep­ tember dess. I. zu Hannover eine Kommission") behufs Ausarbeitung eines Entwurfs zusammen. Sie erledigte ihre Aufgabe kurz vor dem Zusammenbruche des Bundes. Die erste Lesung wurde am 25. Juli 1864 vollendet; die zweite (u. letzte) dauerte vom 17. Februar 1865 bis zum 24. März 1866. Die Hanno­ versche Prozeßordnung hatte der Berathung als Leitfaden gebient. Ein Kardinälpunkt derselben, das bindende Beweisinterlokut (s. oben IV), wurde indessen aus­ gegeben und dafür das System der sog. Bewcisverbindung (f. unten I S. 355f.) angenommen. Im Uebrigen wurden schließlich die Einleitungsformen der Hann. PO. gebilligt; auch die Eventualmaxime in gewisser Ausdehnung und die richter­ liche Prozeßleitung bei anhängigen Sachen, überhaupt die wichtigsten Grundsätze der Hann. PO. sind, allerdings mehr oder weniger verändert, beibehalten. Der Entwurf, der 689 Paragraphen enthält, verweist bei zahlreichen Punkten auf die Landesgesetzgebung und deutet damit auf die Unvollkommenheit einer nur internationalen Einigung hin"). Auf diesem, dem sog. Hannoverschen Entwürfe, welcher mittels Berichts vom 30. April 1866 der Bundesversammlung vorgelegt und von dieser durch Beschluß vom 19. Mai 1866 dem Ausschüsse für Errichtung eines Bundesgerichts überwiesen wurde, beruhen in den wesentlichsten Punkten die Badische und die Württembergische Civilprozeßordnung und der Hessische Entwurf (s. obm IV). In Preußen dagegen, welches sich bei der Kommission in Hannover nicht betheiligte, war man inzwischen selbständig vorgegangen. Schon durch den Allerh. Erlaß vom 25. Februar 1861 (JMBl. S. 42) hatte der König die Re­ vision des gesammten Civilprozeßrechts behufs Ausarbeitung einer gemeinsamen, wo möglich, für ganz Deutschland geeigneten CPO. angeordnet. Das Ergebniß 34) Näheres s. bei Hellweg im c. A. 61 S. 75ff. u. Wach I S. 141 ff. 35) In ihr waren vertreten: Oesterreich (Sektionschef Dr. Frhr. v. Rizy — Vorfitzender), Bayern (Oberstaatsanwalt v. Bomhard — Korreferent: in 2. Les. O.A.G.R. v. Pixis), Sachsen (O.A.G.R. Dr. Tauchnitz — Korreferent), Hannover (Oberjustizrath Dr. Leonhardt — Referent, später Obergerichtsrath Dr. Peterssen), Württemberg (O.Tr.R. Frhr. v. Sternenfels, später O.J.R. Frhr. v. Holzschuher), Baden (K.G.Dir. Dr. v. Stößer), Kurheffen (O.A.R. Dr. Büff), Großh. Hessen (Geh. R. Dr. Seitz), Mecklenburg-Schwerin (J.K.Dir. v. Scheve, später Staatsrath v. Amsberg), Holstein u. Lauenburg (A.G.Präs. Dr. Preußer, später O.A.R. Dr. Brinkmann), Nassau (Reg. Präs. Winter), S. Meiningen (Oberstaatsanwalt Dr. Albrecht, später A.G.Präs. Siebmann), Frankfurt (A.G.Präs. Dr. Nestle). Als Sekretäre fungirten die O.G.Aff. Peterssen (s. oben) imb Struckmann (der Mitverf. dieses Komm.).

36) Entw. erster Lesung mit Genehmigung der Kommission herausgeg. von den Sekretären* derselben G. R. Peterssen u. I. Struckmann. Hannover 1864; Entw. zweiter Lesung, mit Genehmigung der deutschen Bundesversamml. herausgeg. von dem Sekr. der Komm. I. Struckmann. Hannover 1866. Die Protokolle sind seit 1862 zu Hannover in einer amtlichen, jedoch nicht in den Buchhandel gelangten Ausgabe in 17 Bänden erschienen. Auszüge aus ihnen enthält: Winter, Erläuterungen zu d. Entw. einer allg. CPO. f. d. deutschen Bundesstaaten. Wiesbaden 1867. Kritiken des Entw. sind erschienen von Osterloh (Leipzig 1865), Nissen (Leipzig 1864), Meyersburg (Celle 1866), v. Bar (1867, 1868), Hinschius (1867) 11.21. Vgl. auch Leonhardt, Zur Reform des Civilproz. in Deutschland. Zweiter Beitrag. Hannover 1865 u. Wach a. a. O.

XX

Einleitung.

der Arbeiten einer zu diesem Zwecke berufenen Kommission") ist der im Jahre 1864 nebst Motiven veröffentlichte »Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preußischen Staat*. Das System schließt sich, wie bereits bemerkt (IV), dem französischen Prozeß an, obwohl in allen Materien auch das deutsche und das preußische Recht sowie die deutsche und die preußische Rechtswiffenschast sorgfältig benutzt und im Einzelnen zur Geltung gebracht worden find. Die Grundgedanken des stanz. Prozeffes aber, welche sich im Code de proc. (besonders bezüglich des materiellen Prozeßrechts) nur in Umriffen angedeutet finden, find hier mit großer Feinheit und Folgerichtigkeit entwickelt uno durchgeführt. Ebendeshalb begegnete der Entwurf einer lebhaften Opposition, aber auch in vielen Punnen der Zustimmung"). Die politischen Ereignisse des Jahres 1866 drängten indessen zu einer an­ deren Lösung. VI.

Das mit den politischen Einheitsbestrebungen in Deutschland von jeher verbundene Streben nach Einheit des Rechtes gelangte sogleich bei der Gründung des Norddeutschen Bundes in Art. 4 Nr. 13 der Bundesverfassung zum Ausdrucke, wonach »die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, L-trastecht, andels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren* der Beaufsichtigung eitens des Bundes und seiner Gesetzgebung unterworfen wurden. Eine der ersten Aufgaben der Bundesgesetzgebung war die Reform des Civilprozesses. Aus den Antrag Preußens vom 4. September 1867 wurde durch Beschluß des Bundes­ raths vom 2. Oktober und vom 10. Dezember 1867 zu diesem Zwecke eine Kommission berufen, deren Berathungen am 3. Januar 1868 in Berlin von dem Bundeskanzler eröffnet wurden und mit dem Ausbruche des stanzösischen Krieges in der 390. Sitzung vom 20. Juli 1870 ihre Endschaft erreichten "). Aus ihr ist der »Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund* hervorgegangen, welcher zuerst bruchstückweise, dann auch im Ganzen ver­ öffentlicht ist"). Als äußerer Leitfaden war der Hannoversche Entwurf »unter fortwährender und vollständiger Berücksichtigung der im Preuß. Entwürfe enthaltenen Bestim-

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37) Den Vorsitz führte der 2. Präs. des Obertr., Wirkt. Geh. Rath vr. Borne mann; Mitglieder waren: der spätere Wirkt. Geh. Rath vr. Pape, Oberstaatsanwalt vr. Oppenhoff und der spätere O.L.G.Prüs. Dr. Kühne. Als Schriftführer fungirten die GAss. Dr. Borne­ mann u. Makower. 38) Vgl. Leonhardt, Refonn. Zweiter Beitrag; v. Kräwel, Bedenken über das franz. Wesen rc. Leipzig 1865; Silberschlag in Preuß. Anw.-Ztg. 1865 Nr. 2, 6, 14,43; v. Wilmowski das. Nr. 3 rc.; Eccius das. Nr. 22; R. Koch (hauptsächlich gegen v. Kräwel) in D. Ger.-Ztg. 1866 Nr. 12, 43 u. in Schletter, Jahrb. Bd. 12 S. 134ff., auch in Gruchot 9 (1865) S. 191 ff. u. s. w. S. auch Hellweg a. a. O. S. 100ff., Wach I S. 148, 149. 39) Vorsitzender: der K. Preuß. Staatsminister vr. Leonhardt und in dessen BeHinderung der K. Preuß. Obertrib.-Vicepräs. Wirkt. Geh. Rath vr. Grimm. Mitglieder: O.Tr.R. Dr. Löwenberg; Geh. O.J.R. vr. Pape, Referent; O.A.G.R. vr. Tauchnitz; Geh.R. vr. Seitz [on dessen Stelle später: O.G.R. Auls>; Min.R. v. Amsberg, O.A.G.R. Prof. Dr. Endemann; O.G.Präs. Dr. Trieps (Braunschweig); O.A.G.R. Dr. Drechsler (Lübeck). Protokollführer: St.G.R. Koch (der Mitverf. dieses Komm.) und O.G.R. Droop. — Die Protokolle der Kommission (in 5 Bänden mit fortlaufenden Seitenzahlen) sind als Manüskript gedruckt (Berlin 1868—1870) und nicht im Buchhandel erschienen. 40) Berlin 1870. Verlag von R. v. Decker.

Einleitung.

XXI

mutigen4 zu Grunde gelegt worden. Auch innerlich hat der Entwurf» wenn man ihn mit den oben erwähnten Gesetzen und Entwürfen vergleicht, am meisten Ver­ wandtschaft mit dem H. E. (V), wenngleich er sich in wichtigm Punkten, z. B. hinichtlich der in beschränkterem Umfange beibehaltenen Eventualmaxime, derBeleutung des Thatbestandes im Urtheil und des Sitzungsprotokolls, der Auf­ astung des Rechtsmittels dritter Instanz (Nichtigkeitsbeschwerde) u. s. »., von hm wesentlich unterscheidet. Zudem ist der Umfang oes Nordd. Entw. fast doppelt o groß als der des H. E. (1178 Paragraphen gegen 689), thells weil die Regelung mehr ins Einzelne geht, theils weil die Vorbehalte für die Landesgesetzgebung auf das thunlich kleinste Maß eingeschränkt sind. An den Nordd. Entw. hat sich eine überaus reichhaltige Literatur angeknüpft, in der er von den verschiedensten Standpunkten aus im Ganzen oder im Einzelnen bekämpft, andererseits aber auch vertheidigt und mehr oder weniger bedingt zur Annahme als Gesetz empfohlen worden ist"). VII. Nach Beendigung des Krieges wurde die Civilprozeß-Reform, bei der gehört zu werden jetzt auch die süddeutschen Staaten Anspruch hatten, unverzüglich von neuem aufgenommen. Auf Gmnd des Att. 4 Nr. 13 der Verfassung des Deutschen Reichs vorn 16. Avril 1871, welcher die entsprechende Vorschrift der Verfassung des Norddeutschen Bundes (s. VI) wörtlich wiederholte"), wurde dem Bundesrathe bald Gelegenheit gegeben, sich mit dem Civilprozeßrechte zu be­ schäftigen. Im Preußischen Justizministerium nämlich war der Norddeutsche Entwurf (VI) einer Umarbeitung unterzogen worden. Der hieraus entstandene, im Jahre 1871 nebst Begründung veröffentlichte Entwnrf (»Entw. I4) weicht in wichtigen Puntten von dem Nordd. Entw. ab; so namentlich hinsichtlich der Zulaffmig eines Verfahrens zur Berichtigung des Thatbestandes"), der engerm Be­ grenzung des Eventualprinzips44) und in Verbindung hiermit einer Abschwächung der Wirkungen des Beweisschluffes44), endlich der Beseitigung der Berufung und Zulaffung einer »Revision4 und »Oberrevifion4 44). Soweit aber diese Grund­ sätze nicht in Frage kommen, sind die Bestimmungen des Nordd. Entw., wenn­ gleich vielfach (zum Theil mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene Gerichts­ verfassung) in abgekürzter Gestalt, im Wesentlichen beibehalten worden. Durch Beschluß des Bundesraths vom 8. Mai 1871 wurde nun abermals »zur definitiven Feststellnng des Entwurfs einer Prozeßordnung in bürgerlichen 41) Vgl. z. B. die betreffenden Schriften von Osterloh (Leipzig 1870), Plathner (Berlin 1870), Scheller (Berlin 1870), Gab (Berlin 1870), ».Mittelstadt (Berlin 1870), Philipp! (Elberfeld 1869), Hagen (Bonn 1869), Merenberg (Berlin 1869), Fuchs (Breslau 1869) rc., die Gutachten in den Verh. des 9. Juristentags Sb. II S. 3—359, die Abh. von v. Wilmowski in Behrend, Zeitschr. f. D. Gesetzgeb. Bd. 3 S. 163ff., Levy das. Sb. 3 S. 501 ff., Korn das. Sb. 4 S. 175ff., v. Bar das. Bd. 5 S.369ff., v.Kräwel das. Sb. 6 S. Iff., 161 ff., Sabarth das. Sb. 6 S. 35ff., R. Koch das. Sb. 3 S. 480ff., 708ff., Sb. 4 S. 16ff., 150ff.; v. Kräwel in Gruchot 14 S. Iff., 161 ff., 641 ff., Silberschlag das. S. 14ff., Medem das. S. 18ff., 189ff., 482ff. u. s. w. S. auch Wach I S. 149, 150. 42) RGBl. S. 63. Auch das Ges. vom 20. Dez. 1873 (RGBl. S. 379 — f. unten S.XXIX) hat bezüglich des gerichtlichen Verfahrens nichts darin geändert. 43) Vgl. Begründung S. 222 ff. 44) Das. S. 225 ff. 45) Das. S. 231 ff. 46) Das. S. 238ff., 245ff. Ueber die Grundsätze des Entw. s. auch Wach I S. 151, 152.

XXII

Einleitung.

Rechtsstreitigkeiten für das Deutsche Reich" eine Kommission von zehn Zuristen berufen, welche ihren Berathungen jenen vom Preuß. Justizminister aufgestellten Entw. in Verbindung mit dem Nordd. Entw. und den sonstigen einschlägigen legislativen Vorarbeiten zu Grunde legen sollte"). Sie berieth vom 7. @eptem6er 1871 bis zum 7. März 1872. Das Ergebniß war: Die dem Justizministerialentwurfe zu Grunde liegenden Grundsätze wurden von der Kommission im Wesentlichen an­ genommen; dagegen erfuhren die einzelnen Bestimmungen dieses Entwurfs ihrer Mehrzahl nach sowohl in sachlicher als auch in redaktioneller Beziehung Ab­ änderungen"). Der von der Kommission ausgestellte Entwurf") (.Entw. II") gelangte sodann wieder in den Bundes rath und ist hier mehrfach geändert. Die wichtigsten Aenderungen bestehen in der Aufnahme der Zustellung durch die Post (vgl. CPO. §§. 193ff.) und in der Wiedereinführung der Berufung an Stelle der Revision als Rechtsmittel gegen die in erster Instanz erlassenen Urtheile der Landgerichte (und der Handelsgerichte). „In Folge davon ist für die erste Instanz eine Präklusion des Beklagten mit nachträg­ lichem Vorbringen und für die Berufungsinstanz eine Verweisung nachträglichen Vorbringens zum besonderen Verfahren eingeführt sowie die Zulässigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Endurtheile erweitert^)."

In dieser ihm durch die Beschlüsse des Bundesraths gegebenen Gestalt endlich wurde der Entwurf (.Entw. III"), von einer .Begründung" begleitet"), mit den Entwürfen eines Gerichtsverfassungsgesetzes (s. unten IX) und einer Straf­ prozeßordnung sowie der Einführungsgesetze zu diesen Gesetzen dem Reichstag in der Herbstsesfion von 1874 vorgelegt. Die allgemeine Berathung (erste Lesung) der Gesetzentwürfe fand in den Sitzungen vom 24. bis 27. November 1874 statt"). Nachdem sie an eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen worden, erklärte sich der Reichstag auf Antrag des Abg. Dr. Laster in der Sitzung vom 27. November 1874 bereit, einem Gesetze zuzustimmen, welches die Kommission ermächtigte, zwischen dieser und der nächsten Session des Reichstages ihre Berathungen behufs Vorbereitung der 2. Lesung fortzusetzen"). Diese Ermächtigung ist sodann durch das Gesetz, betreffend die geschäftliche Behandlung des GVG. u. s. w., vom 23. Dezember 1874 (RGBl. S. 195) ertheilt worden. Da die Berathungen indessen bei dem Wiederzusammentritte des Reichstags am 29. Oktober 1875 noch nicht beendigt waren, so wurden die Mitglieder der Kommission (der sog. Reichs47) Vorsitzender: M. Preich. Staatsminister I)r. Le 0 nhardt, in dessen Vertretung Dr. Schmitt, K. Bayer. App.G.R. Mitglieder: Geh. O.J.R. Dr. Falk, Referent; O.Tr.R. v. Diepenbroick-Grüter (Berlin); App.G.R. Dr. Planck; R.A. Dr. Dorn; J.R. v. Wil mowski; Geh. J.R. Abeken, an dessen Stelle später K. Sächs. L.G.Präs. ttlcmni; M. Württ. O.Tr.R. v. >10 hlhaas; Großh. Bad. Min.R. Dr. (Gebhard; v. Amsberg (Referent nach Ausscheiden des Dr. Falk). Schriftführer: St.G.R. Hägens (1) u. Kr.G.R. Potenz. 48) Vgl. „Begründung" Vorwort S. Illrf-; Mot. z. CPO. S. 4; Wach I S. 152, wo in N. 4 die durch diesen Entw. hervorgerufene Literatur angegeben ist. (Sine erhebliche Aenderung bestand z. B. in der (Erweiterung der Revision auf die Auslegung von Urkunden (§ 479). Gegen diese s. R. Koch in Behrend, Zeitschr. f. D. Gesetzgeb. Bd. 6 S. 73ff. 49) Als Entw. einer Deutschen CPO. nebst dem Entw. eines Einf.-Gef. mit „Begründung" veröffentlicht im Verlage der K. Geh. Ober-Hof-Buchdruckerei (R. v. Decker). Berlin 1872. 50) So die Mot. z. CPO. S. 4. Vgl. auch Wach I S. 153. 51) Drucksachen des Reichstags Nr. 6. Hiernach wird in diesem Kommentar angeführt. Sämmtliche Entw. u. Mot. sind auch im Buchhandel erschienen. Berlin 1874 (bei Fr. Kortkampf). 52) Sten. Ber. des Reichstags 2. Legisl.-Per. II. Seff. 1874/75 S. 275—363. 53) Sten. Ber. a. a. O. S. 363 und Nr. 64 der Drucksachen.

Einleitung.

xxra

Kustizkommisfion—RTK.)") zunächst durch Akklamation zu Mitgliedem einer nach § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu bildenden Kommission gewählt und sodann die Befugniffe der Kommission durch Gesetz vom 1. Februar 1876 (RGBl. S. 15) nochmals verlängert “). Die Gesetzentwürfe find von der Kommission in zwei Lesungen -urchberathen. Ueber den Gang der Berathungen bemerkt der Bericht der RTK. z. GVG.: „Zuerst gelangten die CPO. und die StPO, sowie die auf die Handelsgerichte und das Verfahren vor denselben bezüglichen Theile des GVG. in erster Lesung zur Berathung. Die Komm, lehnte zwar die Handelsgerichte ab, trat jedoch auf den bezeugten Wunsch des Bundesraths für den Fall entgegengesehter Beschlußfassung des Reichstags eventuell in die Detailberathung des auf das Verfahren vor den Handelsgerichten bezüglichen Theiles der CPO. ein56). Demnächst wurden die CPO. in zweiter Lesung und hiernach das GVG. und sämmtliche Einführungsgesetze in erster Lesung durchberathen. Nach Vollendung der Berathung der CPO. in zweiter Lesung wurde dieselbe noch einmal auf Grund der abgegebenen Erklärungen des Bundesraths sowie zur Beschlußfassung über die von einigen bayerischen Mit­ gliedern der Komm., welche bei der zweiten Lesung abwesend gewesen waren, gestellten Antrüge wieder eröffnet, und gelangte erst dann die Berathung der CPO. zum Abschluß5^). Die zweite Lesung des GVG. und der StPO, sowie der Einf.-Gesetze erfolgte gleich­ falls, nachdem die Ergebniffe der ersten Lesung der Beschlußfasiung des Bundesraths unterlegen hatten.----------Die Kommission hat 160 Sitzungen gehalten. Die Berathung des GVG. und des EG. zu demselben hat einschließlich der eventuellen Berathung des handelsgerichtlichen Verfahrens in erster Lesung 36 Sitzungen, in zweiter Lesung 18 Sitzungen------- erfordert. Die Kommission ist versammelt gewesen am 26., 28., 30. und

54) Sten. Ber. des Reichstags 2. Legisl.-Per. III. Sesf. 1875/76 S. 13—16. 55) Die Komm, bestand aus folgenden Mitgliedern: Vorsitzender: Dr. Miquel, Oberbürgermeister (Osnabrück), Stellvertreter desselben: Dr. v. Schwarze, GeneralstaatSanwalt (Dresden); Schriftführer: Eyfoldt, Advokat (Pirna), Dr. Mayer, AppellationSgerichtsrath (Augsburg), Dr. Struckmann, Obertribunalsrath (Berlin), der Mitverf. dieses Komm., Thilo, Kreisgerichtsdirektor (Delitzsch). Fernere Mitglieder: Dr. Bähr, Obertrib.-Rath (Berlin), Becker, Oberappellationsger.-Rath (Oldenburg), Bernards, Landger.-Rath (DüffAdorf), v. Forcade de Biaix, Obertrib.Ztath (Berlin), Gaupp, Kreisger.-Rath (Ellwangen), Prof. Dr. v. Gneist (Berlin), Dr. Grimm, Rechtsanwalt (Karlsruhe), Hauck, Bezirksamtmann (Markt-Scheinfeld), Herz, Bezirksger.-Rath (Nürnberg), v. Jagow, Wirkt. Geh. Rath, OberPräsident (Potsdam), Klotz, Kreisger.-R. (Berlin), Krätzer, Appellationsger.-Rath (Paffau), Dr. Lasker, Rechtsanwalt (Berlin), Dr. Lieber (Camberg), Dr. v. Marquardfen, Professor (Erlangen), v. Puttkamer, Appellationsgerichtsrath (Colmar), Pfafferott, Oberamtsrichter (Liebenburg), Reichensperger, Obertribunals-Rath (Berlin), v. Schöning, Landrath (Pyritz) Dr. Dölk, Rechtsanwalt (Augsburg), Dr. Wolffson, Advokat (Hamburg), Dr. Zinn, Direktor der Landirrenanstalt, Geh. Sanitätsrath (Eberswalde). — An Stelle des ausgeschiedenen Abg. Grimm fungirte kurze Zeit der Abg. Dr. Blum (Heidelberg). — Als Protokollführer waren beigeordnet: die Gerichts-Assessoren Sydow (an dessen Stelle eine Zeit lang Kreisrichter ($ge), Ass. Dr. L. Seuffert (an dessen Stelle später Ass. Mettenleiter), Dr. Schreber. 56) Dgl. unten II S. 536. 57) Dieses Stadium ist später als „Revision der 2. Lesung" bezeichnet.

XXIV

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31. Januar 1875, vom 26. April bis zum 10. Juli 1875, vom 1. September 1875 bis zum 19. Februar 1876 und vom 2. Mai bis zum 3. Juli 187658). Die Redaktions-Kommission^) hat, soviel festgestellt worden, 85 Sitzungen gehabt. Nach Beendigung der zweiten Lesungen der Entwürfe beschloß die Komm., dem Reichstag über dieselben schriftliche Berichte erstatten zu lassen. Nach dem Beschluß der Komm. sollen diese Berichte jedoch keine erschöpfende und eingehende Begründung aller einzelnen Beschlüsse der Komm. enthalten, da diese in den gedruckten Protokollen niedergelegt ist60). Die Berichte sollen vielmehr nur eine erläuternde übersichtliche Darstellung der wichtigsten zur Erörterung gelangten Fragen und der wesentlichsten Differenzpunkte zwischen der Komm. und dem Bundesrath geben und dadurch das Verständniß der Ergebniffe der Berathungen dem Reichstage und dem deutschen Volke selbst erleichtern"6').

Soweit der Komm.-Bericht zum GVG. Die Berichte") mit einer Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse") wurden dem Reichstage bei Eröffnung der 4. Session Ende Oktober 1876 vor­ gelegt. Die ersteren waren zuvor in der Zeit vom 17. bis 28. Oktober (161. bis 165. Sitzung) endgiltig festgestellt worden, wobei man gleichzeitig eine Anzahl redaktioneller Abänderunasanträge erledigt hatte"). Das Ergebniß dieser Be, soweit sie neue Abänderungen enthielten, wurde in besonderen Nachträgen vähnten Zusammenstellung beigefügt.

K

56) Als Vertreter des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten nahmen an den Be. rathungen Theil: I. der CPO.: der Direktor im Reichskanzleramt, Wirk. Geh. Ober-Reg.-Rath v. Amsberg, der Kais. Geh. Ober-Reg.-Rath Hanauer, der Kais. Geh. Reg.-Rath Dr. Hägens, K. Preuß. Geh. Ober-Justiz-Rath Dr. Kurlbaum II, K. Preuß. Oberstlieut. v. Blume, K. Bayer. App.-Ger.-Rath Dr. Hauser, K. Württ. Min.-Rath Heß,K. Württ. Ob.-Trib.-Rath v. Kohlhaas, K. Süchs. Geh. Just.-Rath Held; II. des GVG.: die zu I genannten Mitglieder des Reichskanzleramts; die K. Preuß. Geh. Ober-Justiz-Räthe Dr. Kurlbaum II, v. Oehl. schläger und Schmidt, K. Preuß. Geh. Ob.-Reg.-Rath Dr. Forch, K. Bayer. Min.-Rath Loe, die bereits genannten Dr. Hauser, Heß u. Held, der Kais. Geh. Ob.-Postrath Dr. Fischer. Außerdem betheiligten sich der K. Preuß. Justizminister Dr. Leonhardt und der K. Bayer. Justizminister Dr. v. Fäustle an verschiedenen Sitzungen zu I und II. 59) Die Redaktions-Komm. bestand aus den Abg. Dr. Bähr, Becker, Dr. v. Schwarze, zu welchen in 2. Lesung noch die Abg. v. Forcade u. Klotz hinzutraten. An ihren Arbeiten nahmen regelmäßig die in der vorigen Amu. genannten Mitglieder des Reichskanzleramts sowie die Vertreter verschiedener Bundesregierungen Theil. — Hinsichtlich einzelner Fragen waren noch besondere Subkommissionen thätig (vgl. z. B. unten II S. 36, 536). 60) Vgl. unten XI. 61) Als Berichterstatter wurden gewählt: 1. für das GVG. und das EG. zu diesem der Abg. Miquel, als Korref. und Stellvertreter der Abg. Hauck; 3. für die CPO. und das EG. zu ihr der Abg. Becker und als Korref. und Stellvertreter der Abg. v. Forcade de Biaix. 62) Drucksachen des Reichstags. 2. Legisl.-Per. 4 Seff. 1876 Nr. 8, 9. Der Ber. über die CPO. (18 Seiten) hebt nach einigen allgemeinen Bemerkungen nur kurz einige Hauptgrundsätze und Vorschriften hervor, über welche vorzugsweise Meinungsverschiedenheit in der RTK. bestanden hatte, während der Ber. z. GVG. (82 Seiten) Titel für Titel einer Besprechung unterwirft. 63) Drucksachen Nr. 5, 6. 64) 6 zur CPO., 11 zum GVG. Vgl. Anl. A—C z. Prot, der 162. Sitzg.

Einleitung.

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Wie der Komm.-Ber. zur CPO. bezeugt, »hat eine große Mehrheit der Kommission allen wesentlichen, in sich zusammenhängenden und die Symmetrie des Ganzen bedingenden Bestimmungen zugestimmt, nicht bloß dm Grnndlagm, auf dmen der Nmbau des dmtschm Civuprozeffes errichtet ist, sondern auch die Konstruktion des ganzm Gebäudes, seiner Einrichtung im Innern, dm verschiedenen Arten des Verfahrens in erster Instanz, dem Verfahren in der Rechtsmittelinstanz u. s. w. bis zu dem dm Prozeß abschließenden Vollstreckungsversahren*. Nichtsdestoweniger waren von den 813 Paragraphm des Entwurfes 204, Zum großen Ähnle allndings nur in der Fassung, geändert, 27 gestrichen oder durch neue Paragraphen ersetzt und 44 Paragraphen hinzugefügt. Indessen be­ treffen alle diese Aenderungen, wie dn Bericht (S. 17) bemerkt, doch nur Ein­ zelheiten und verschwinden fast beim Blicke auf das Ganze. Am Wichtigsten ist die Einführung einer Revisionssumme (§ 546), die Umgestaltung des Ent­ mündigungsverfahrens (§§ 645 ff.) und die Beseitigung der Handelsgerichte (s. unten). Von viel erheblicherer Bedeutung waren die Aenderungsvorschläge, welche die RTK. zu 77 der 166 Paragraphen des Entwurfes des GVG. formulirt hatte. Auch sollten zwei vollständige Titel über das Richteramt und über die Rechtsanwaltschaft (vgl. untm ll S. 474 s.) neu aufgenommen werden. Ueberdies wurden zu dm Einführungs-Gesetzen Aenderungen und Er­ gänzungen beantragt. Die schon in der Sitzung des Reichstags vom 3. November 1876 seitens des Preuß. Justizministers angekündigte") Gesammtüberficht der Bedenken des Bundesraths gegen die Anträge der RTK. wurde dem Reichstage durch Schreiben von demselben Tage mitgetheilt"). Nach längerer Erörterung beschloß der Reichstag am 7. dess. Mts. aus Antrag des Abg. vr. Wehrenpfcnnig. sie der Justiz-Kommission, in welche die Abtheilungen die Mitglieder der llmK., nachdem deren Mandat erloschm war, aufs neue gewählt hatten*'), mit der Maßgabe zur Vorbereitung zu überweisen, daß die Kommission im Fortgang ihrer Berathurm einzelne ihr überwiesme Fragen auch ohne vorgängige Ent­ scheidung zur Plenarberathung des Reichstags zu verstellen berechtigt sei"). Die Kommission erledigte ihre Aufgabe vom 8. bis 14. November 1876**) und beschloß eine Anzahl Aenderungen der Entwürfe. So wurdm in Folge der Bedmkm des Bundesraths zu der EPO. bei 7 Paragraphen, zum EG. z. CPO. bei 1 Paragraphm sachliche, und außerdem noch 11 Fassungs-Äenderungen, zum GVG. 20 sachliche, zum EG. z. GVG. eine sachliche und außerdem 4 FaffungsAenderungen vorgeschlagen'*). Die zweite Berathung über die Justizgesetze wurde hiemächst am 17. dess. Mts. im Reichstage mit der Frage wegen Einsetzung von Handelsgerichten eröffnet (vgl. unten II S. 536)"). In der folgenden Sitzung (v. 18. dess. Mts.) beschloß der Reichstag nach Aussetzung der Berathung über den einzigen Abänderungsvorschlag") die Enbloc65) 66) 67) 68) 69) 70) 71) 72)

Sten. Ber. des. RT. 2. Legisl.-Per. 4. Sess. 1876 S. 16. Drucksachen Nr. 22. Sten. Ber. S. 30. Sten. Ber. S. 53-62. Prot, der 168.—174. Sitzung — ein jedes mit besonderen Seitenzahlen. Drucksachen Nr. 35, 36. Sten. Ber. S. 135—165. Es war der später zurückgezogene Antrag auf Streichung des § 157 Abs. 1 CPO.

XXVI

Einleitung.

annähme der CPO. nach den KommissionsvorschlSgen, und zwar, wie der Prä­ sident feststellte, „mit großer überwiegender Majorität, fast Einstimmigkeit""). Dagegen nahmen die Berathungen über das GVG. noch 6 Sitzungen (11.—16.) in Anspruch. Hauptgegenstände waren: die Voraussetzungen des Richteramts (s. unten II S. 474ff.), Die Gemeindegerichte (II S. 496), die Zulässigkeit des Rechts­ wegs (II S. 489ff.), die Zuständigkeit der Amtsgerichte (II S. 506ff.), die Zu­ ziehung von Hülssrichtern (II S. 524ff.), die Gerichtssprache (II S. 596ff.) u. s. w. Das Ergebniß war indeffen überall die Aufrechterhaltung der Beschlüffe der Kom­ mission"), bei welchen es auch hinsichtlich der Einführungsgesetze [3. B. in Bezug auf den Geltungstermin (II S. 612), die Verantwortlichkeit der Beamten (II S. 620ff.) u. s. to.] sein Bewenden behielt"). Noch vor Beginn der dritten Lesung ging nun dem Reichstag ein Schreiben -es Reichskanzlers vom 12. Dezember 1876 zu, wonach der Bundesrath zwar die zur CPO. uno deren EG., nicht aber auch die zum GVG. und dessen EG. (sowie zur StPO.) gefaßten Beschlüffe annahm, sondern dort 5 und beim EG. 3 Punkte als schlechthin unannehmbar bezeichnete"). Schon war überall die Besorgniß verbreitet, daß die Zustizgesetze in ent­ scheidender Stunde scheitem würden. Nach manchen Verhandlungen kam indeffen zwischen dem Bundesrath und der Majorität des RT.'eine Verständigung („Kom­ promiß") zu Stande, wonach jener verschiedene Bedenken ganz oder zum Theil aufgab, der RT. dagegen eine Reihe von Beschlüssen zweiter Lesung zurücknehmen oder modifiziren sollte. Die einzelnen Punkte wurden als Abänderungsantrag der Abgg. Miquel u. Gen. in den RT. gebracht"). Die am 18. Dezember 1876 begonnene dritte Berathung betraf zunächst das GVG. Namentlich führte die Frage wegen Gewährung von Gratifikationen und Remunerationen an Richter sowie die Frage wegen der Vertretung der Richter nochmals zu lebhafter Erörteruna. Auch auf die Einschaltung des Titels über die Rechtsanwaltschaft und auf die Frage der Gerichtssprache kam man zurück. Ab­ gesehen von einer Abänderung der §§ 69 und 187 des GVG. (II S. 524 f., 596 f.), wurden indeffen überall die Kommissionsvorschläge mit den Kompromißanträgen angenommen"). In dem betreffenden EG. wurde den Konipromißanträgen gemäß der Geltungstermin von dem Erlasse der Gebührenordnung (vgl. EG. z. CPO. § 2) abhängig gemacht (II S. 445 f.) und eine Aenderung des § 11 beschlossen (II S. 620 f.)"). Die CPO. wurde abermals im Ganzen ohne Berathung angenommen, und ebenso gelangte das EG. z. CPO. mit einer dem § 1 des EG. 3. GVG. ent­ sprechenden Abänderung zur Annahme"). Bei der Gesammtabstimmung am 21. Dezember 1876 erfolgte die Annahme des GVG. und des EG. hierzu nach Maßgabe der in dritter Berathung gefaßten Beschlüsse mit 194 Stimmen gegen 100 (mit Namensaufruf), die der StPO, mit 73) 2 tcn. Ber. S. 167—175. 74) Steil. Ber. S. 175—353. . 75) Das. S. 357—392. 76) Drucksachen Nr. 115. 77) Drucksachen Nr. 138. Ueber die beschichte und die innere Berechtigung des sog. Kompromisses vgl. Volk in Hirth, Ann. d. D. Reichs. 1877. 2. 450ff. Vgl. auch die An­ sprache das. S. 444 ff. 78) Sten. Ber. S. 849-920. 79) Sten. Ber. S. 921—936. 80) Sten. Ber. S. 999, 1000. Dgl. auch Wach I S. 153-155.

Einleitung.

XXVII

Stimmenmehrheit. Die CPO. und das EG. z. CPO. sowie die gleichfalls in einer Kommission von Sachverständigen vorbereitete, dem Reichstage zuerst im Januar, dann unverändert im November 1875 vorgelegte und in einer besonderen Kommission durchberathene Konkursordnung") wurden „mit ganz überwiegender Majorität, fast Einstimmigkeit* angenommen").

Nachdem auch der Bundesrath alsbald durch Beschluß vom 22. Dezember seine Zustimmung ertheilt hatte, sind das GVG. und das EG. z. GVG. unterm 27. Januar 1877 in Nr. 4 des RGBl. (S. 41 ff.), die CPO. und das EG. z. CPO. unterm HO. Januar 1877 in (der am 19. Februar 1877 ausge­ gebenen) Nr. 6 des RGBl. (S. 83 ff.) verkündet. Wir schließen diesen Abschnitt mit den denkwürdigen Watten, womit die Schluß-Thronrede des Kaisers die Bedeutung der Justizgesetze be­ zeichnete: „Durch die stattgehabte Verabschiedung der Justizgesetze ist die Sicher­ heit gegeben, daß in naher Zukunft die Rechtspflege in gmu Deutschland nach gleichen Normen gehandhabt, daß vor allen deutschen Gerichten nach denselben Vorschttsten verfahren werden wird. Wir sind dadurch dem Ziel der nationalen Rechtseinheit wesentlich näher gerückt. Die gemeinsame Rechtsentwicklung aber wird in der Nation das Be­ wußtsein der Zusammengehörigkeit stärken und der politischen Einheit Deutschlands einen inneren Halt geben, wie ihn keine frühere Periode unserer Geschichte aufweist*"). 1876

VIII.

Zwanzig Jahre ist die CPO. fast unverändett geblieben. Nur wurden durch Gesetz vom 30. April 1886 (RGBl. S. 130) dem bisherigen § 809 (jetzt § 929) der Abs. 3 hinzugefügt und durch Gesetz vom 29. März 1897 (RGBl. S. 159) Art. 2 dem Absätze 4 des bisherigen § 749 (jetzt § 850) eine veränderte Fassung gegeben (vgl. § 850 Anm. 12). Eine umfangreiche Aenderung und Ergänzung der CPO. wurde durch die Einführung des BGB. nothwendig. Das ($@. zum BGB. Art. 1 bestimmt, daß das BGB. am 1. Januar 1900 gleichzeitig mit einem Gesetze, bett. Aenderungen des GBG., der CPO. u. s. w. in Kraft tritt. Der Entwurf I des BGB. hatte die nothwendigm Ergänzungen der CPO., soweit sie zugleich matettellrechtlicher Natur waren, in das Gesetzbuch selbst (z. B. §§ 191, 192, 833,1088, 1113,1130 u. A. das.) und weitere Ergänzungen und Abänderungen in Att. 11 des Entwurfes des EG. zum BGB. aufgenommen (Entw. I d. Nov.). Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB. hat die wesentlich prozeffualen Be­ stimmungen aus dem BGB. selbst wieder beseitigt und nahm eine Äbändemng der CPO. durch besonderes Gesetz in Aussicht. Die Beschlüsse der Kommission wurden mit den in Att. 11 vorgesehenen Bestimmungen zu 220 Abänderungs­ vorschlägen zusammengefaßt und als Anlage II der Denkschrift zum Entw. des BGB. (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 4. Sefs. Nr. 87) veröffentlicht (Entw. II

81) Die äußere Entstehungsgeschichte der KO. s. in v. Sarwey, D. KO. für das D. Reich. 2. Stuft. Berlin 1882. S. XXXIII ff. 82) Sten. Der. S. 1003, 1004. 83) Sten. ©er. S. 1008. Ueber die äußere Geschichte der Justiz-Gesetze vgl. auch Ende­ mann in Hirth's Slnnalen 1869 Ep. 5ff., 1870 Sp. 15ff., 1872 Sp. 118ff., 143ff., 154ff., 1873 Sp. 331 ff., 1874 Sp. 413ff., 1875 Sp. I202ff., 1877 Sp. 646ff., Sydow in Schmoller, Jahrb. f. Gesetzgebung rc. 6 (1882) S. 12ff.

d. Nov.). Vorschläge zu Abänderungen der CPO. wurden auch der Denkschrift zu dem Entwürfe -es Reichsgesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung als Anlage 1 beigefügt (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 4. Sess. Nr. 607). Am 9. Dezember 1897 wurden dem Reichstage die Entwürfe 1. eines Ges., betr. Aenderungen des GVG. und der StPO., 2. eines Ges., betr. Aenderungen der CPO., 3. eines EG. zu dem Ges., betr. Aenderungen der CPO. nebst Begründung vorgelegt (Drucks. des RT. 9. Leg.-Per. 5. Sess. Nr. 61). Der Entwurf der Abänderung der CPO. (Entw. III o. Nov.) sieht neben den mit dem bürgerlichen Rechte in unmittelbarer Verbindung stehenden Neuerungen noch eine Reihe sonstiger Verbesserungen vor. Hierzu bemerkt die Begründung 5. 77: „Hierbei sind indessen im Wesentlichen nur solche Punkte berücksichtigt, in denen eine Reform auf Wruttb der bisherigen) Erfahrungen allgemein als dringend anerkannt wird und ohne Eingriffe in die Grundlagen des Gesetzes, damit aber auch ohne tiefgreifende Erörterungen -------durchgeführt werden kann. Demgemäß hat der Entwurf hauptsächlich solche Abänderungen Hergenommen, von denen sich durch Milderung des Formzwanges, durch Abkürzung von Fristen und in gewissem Umsang auch durch Beschränkung der Rechtsmittel eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie eine Verminderung und Verbilligung der Prozeffe er­ matten läßt. Bei der Revision des Entmündigungs- und des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist außerdem auf einen erhöhten Schutz der Persönlichkeit und der wirthschaftlichen Existenz Bedacht genommen. Mehrfache Anregungen haben der Reichsverwaltung Anlaß zu einer Prüfung der Frage gegeben, ob die Gestaltung des Prozesses ans Grund der geltenden Gesetzgebung weiterreichende Aenderungen erheische. Die Erwägungen darüber haben bis jetzt nicht zum Abschlüsse gebracht werden können. Ihre Fortführung muß von den Erfahrungen ab­ hängig bleiben, welche mit dem aus der gegenwärtigen Revision sich ergebenden Prozeßgange werden gemacht werden. Es wird wohl keinem Zweifel unterliegen, daß nicht die jetzige Zeit mit ihren so vielfachen Umgestaltungen des prozessualen und materiellen Rechtes sich für die Erledigung tief einschneidender Revisionsfragen eignet, daß die Aufgabe vielmehr erst unter ruhigeren Verhältnissen zu einer befriedigenden Lösung gebracht werden kann."

Durch Beschluß des Reichstags vom 14. Zanuar 1898 wurden die vorbezeichneteu Entwürfe zur Vorberathung der aus 21 Mitgliedern bestehenden VI. Kommission überwiesen, welche die Entwürfe in 24 Sitzungen einer zwei­ maligen Lesung unterzog. Am Schlüsse der ersten Lesung bestellte sie einen Re­ daktionsausschuß. Der von dem Abg. Rechtsanwalt Trimborn (Cöln) abgefaßte Bericht der Kommission (Drucks, des RT. 9. Leg.-Per. 5. Sess. Nr. 240) enthält als Anlage eine Gegenüberstellung der Vorlagen und der Beschlüsse der Kom­ mission. Aus der nicht unerheblichen Zahl der Aenderungen mag hier hervorge­ hoben werden, daß der in der Vorlage zur CPO. enthaltene neue Titel über den Vortermin §§ 312a bis 312d beseitigt wurde. Die im Entwürfe vorgeschlagene Erhöhung der Revisionssumme wurde von der Kommission im Wesentlichen bei­ behalten (vgl. Vordem. 5 vor § 545), jedoch vom Reichstag in der Sitzung vom 3. Mai 1898 abgelehnt (Steil. Der. S. 2118 ff.). Am 17. Mai 1898 (RGBl. S. 256) wurde das Gesetz, betr. Aenderungen der CPO., gewöhnlich als Novelle bezeichnet, nebst dem EG. zu diesem Gesetze (RGBl. S. 332) veröffentlicht. Die Bezeichnung der neuen Paragraphen erfolgte hierbei, entsprechend dem Entwurf, im Anschluß an die bisherigen Paragraphen ohne Aenderung der Nummemfolge, z. B. §§ 293 a—f, 836 a—ss. Auf Grund des gleichzeitig erlassenen Gesetzes, bett. die Ermächtigung des Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener Reichsgesetze (RGBl. S. 342), wurde

mittels Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 369) die CPO. in ihrer neuen Gestalt mit fortlaufender Nummemfolge der Paragraphen bekannt gemacht. Die Zahl der Paragraphen hat sich von 872 auf 1048 ver­ mehrt, obschon die ftüheren §§ 15, 17, 199, 238, 244, 484, 519, 588, 594, 658, 694, 755, 756, 849, in Wegfall gekommen find. Abgeändert find 207 Paragraphen. IX. Ueber das Verhältniß des Gessichtsverfassungsgesetzes zur CPO. ist noch Folgendes zu bemerken: Während der Hannoversche Entwurf (s. oben V) sich hinsichtlich der Ge­ richtsverfassung noch großer Zurückhaltung befleißigt hatte (vgl. §§ 2, 4, 57 ic.), wurden dem Nordd. Entw. (VI), den veränderten politischen Verhältnissen ent­ sprechend, »Vorbemerkungen* vorausgeschickt, wonach der Entwurf auf der Vor­ aussetzung beruhte, daß die Gerichtsverfassung nach Maßgabe gewisser demnächst entwickelter Grundsätze einheitlich geregelt werde, welche in Verbindung mit den einschlagenden Bestimmungen des Entwurfes selbst (§§ 9—11,15—21, 36 ic.) bereits manche Elemente des GVG., insbesondere der Tit. 2, 3, 5, 7—9, ent­ halten. Ueberdies war die Bahn selbständiger Reichsjustizeinrichtunaen schon durch die Einsetzung des Bundes- (später Reichs-) Oberhandelsgerichts, dessen Zu­ ständigkeit fort und fort erweitert wurde (s. unten II S. 618 Anm. 4), von oben herab beschritten. Der Ueberzeugung, daß die Reform des Civilprozeffes ohne ntiae reichsgesetzliche Regelung der Gerichtsverfassung unausführbar sei, gaben ie seit dem Jahre 1869 fast alljährlich im Reichstage wiederholten und an­ genommenen Anträge wegen Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Verfassung Ausdruck, wonach die Gesetzaebungsgewalt des Bundes bezw. Reichs sich auf das aesammte bürgerliche Recht, das Straftecht und das gerichtliche Verfahren einschließlich der Gerichtsorganisation erstrecken sollte. Wenn gleichwohl bei der erneuten Einbringung des Antrags im Jahre 1873 und in dem diesem Antrag entsprechenden Ges. vom 20. Dezember 1873, betr. die Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Verfassung des Deutschm Reichs (RGBl. S. 379), die Gerichtsorganisatton nicht mehr Erwähnung gefunden hat, so geschah dies nur, weil es als selbstverständlich galt, daß zur Ordnung des Verfahrens auch solche Anordnungen über die Gerichtsorganisation gehören, welche fich aus der Einrichtung des Verfahrens selbst als dessen naturgemäße und nothwendige Voraussetzung oder Ergänzung ergeben"). Inzwischen hatte der Bundesrath in seiner Sitzung vom 21. Februar 1870 beschlossen: »den Bundeskanzler zu ersuchen, den Entwurf eines Bundesgesetzes, be­ treffend die Gerichtsverfassung und die gerichtlichen Jnstituttonen aus­ arbeiten zu lassen/ Diesem Ersuchen entsprechend ließ der Reichskanzler am 12. November 1873 dem Bundesrathe 1. den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Einführung des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reiche für bürgerliche Rechtsstreittgkeiten und Straffachen, nebst Begründung,

a

84) Vgl. Mot. z. GVG. S. 1 u. die Rede des Abg. Meyer (Thorn) in RT.«Sitzung v. 25. Nov. 1874 (Sten. Ber. S. 320ff.). S. auch v. Canstein, Grundlagen S. 141 ff.; John, D. Strafprozeßordnung I S. 5ff.

2. den Entwurf eines Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reiche für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen nebst Begründung zugehen. Nachdem beide Entwürfe zunächst im Preußischen Justizministerium, so­ dann im Bundesrath einer vollständigen Umarbeitung unterzogen worden warm, wurden der 16 Titel und 166 Paragraphen enthaltende Entwurf eines Gerichtsverfassungsaesetzes und der 14 Paragraphen umfassende Entwurf eines Einführungs­ gesetzes nebst ausführlicher Begründung, gleichzeitig mit den Entwürfen der CPO. und StPO., dem Reichstage vorgelegt und haben von da ab die Schicksale dieser e getheilt (s. oben VII). Der Entwurf des GVG. ist aus den Berathungen TK. und des Reichstags selbst um einen Titel (Tit. 1— vgl. unten II S. 474 ft.) und 38 Paragraphen verstärkt hervorgegangen. Der Inhalt steht in enger Verbindung mit dem der Prozeßgesetze"). Zu den letzeren gehört auch die Konkursordnung nebst dem betreffenden Einf.-Gesetze (s. oben S. XXVII). Wie diese Gesetze einander ergänzen, so dienen sie auch wechselseitig zur Auslegung. Das GVG. enthält die gemeinsamen Grundlagen für die drei Prozeßordnungen, indem es die staatlichen Organe für deren Anwendung bestimmt. Der Karakter der Bestimmungen des GVG. ist hauptsächlich der von Normativ-Vorschriften für die Landesgesetzgebung und Landesjustizverwaltung, da die Justizhoheit grundsätzlich den einzelnen Bundesstaaten verblieben ist. Nur die oberste Instanz, das Reichsgericht (Tit. 9) einschließlich der Staatsanwaltschaft bei diesem (§ 143 Nr. 1) und des betreffenden Unterpersonals (§§ 154, 155), ist Reickseinrichtung. Alle übrigen Gerichte sind Landesbehörden. Aus diesem Grunde hat das Gesetz gewiffermaßen nur fragmentarischen Karakter. Man hat die Justizhoheit der Bundesstaaten nur soweit beschränkt, als es nothwendig war, um die gemeinsamen Prozedurordnungen ins Leben zu rufen"). Eine erhebliche Ergänzung dieses organisatorischen Theiles des GVG. bildet die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (RGBl. S. 177)"). Vgl. unten I S. 98 ff., II S. 475. Die Tit. 13—17 des GVG. regeln das Verfahren, soweit dies für alle drei Prozeßordnungen gemeinsam geschehen konnte (vgl. unten II S. 576). Das GVG. ist abgeändert worden durch Ges., betr. Abänderung des § 137 d. GVG., v. 17. März 1886 (RGBl. S. 61) und Ges., betr. die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, v. 5. April 1888 (RGBl. S. 133); das letzere Ges. betrifft die §§ 173—176, 195. Der § 12 EG. z. GVG. ist aufgehoben worden durch Ges. v. 12. Juni 1889 (RGBl. S. 95). Sodann find gleichzeitig mit dem Erlasse der Nov. z. CPO. (s. oben VIII) durch Ges., betr. Aenderungen d. GVG. und d. StPO., v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 252) Art. I acht Paragraphen des GVG. abgeändert; auf Gmnd d. Ges., betr. d. Ermächtigung d. Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener

»

85) Vgl die Mot. z. GVG. S. 2. 86) Vgl. besonders die Rede des Staatsministers Dr. Leonhardt bei der ersten Berathung im RT. — Sten. Ber. d. RT. 2. Legisl.-Per. 2. Sess. 1874/75 S. 276. Der Landesgesetzgebung verblieb hiernach noch eine ziemlich umfassende Thätigkeit auf diesem Gebiete. Vgl. z. B. das Preuß. AG. z. D. GVG. v. 25. April 1878 (GS. S. 230), abgeändert durch Ges. über frw. Gb. v. 21. Sept. 1899 (GS. S. 249) Art. 130. 87) Die äußere Geschichte d. RAO. s. bei Meyer, D. RAO. 2. Aufl. Berlin 1893. S. Iff.; -Volk, D. RAO. f. d. Deutsche Reich. Nördlingen 1879. S. Iff. S. auch Wach I S. 156 f.

Einleitung.

XXXI

Reichsgesetze, v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 342) wurde mittels Bekanntmachung v. 20. Mai 1898 (RGBl. S- 371) der neue Text des GBG. veröffentlicht. Durch Art. II des vorbezeichneten Ges. hat das EG. z. GBG. in den §§ 5, 9 u. 10 Aenderungen erfahren. X. Die CPO. ist nicht auf dem Boden eines einzelnen der in Deutschland geltenden Prozeßsystem erwachsen. Im schärfsten Gegensatze steht sie zum ge­ meinen Civilprozeß und, obwohl in geringerem Maße, zu dem preußischen Prozeßrechte, schon weil ihr die bindende Bedeutung der Schriftsätze und (ab­ gesehen von den sog. prozeßhindernden Einreden) das Eventualprinzip fremd sind. Vom gemeinen und hannoverschen Prozeß unterscheidet sie ferner die Abwesenheit des bindenden Beweisinterlokuts, von jenem auch der selb­ ständige Prozeßbetrieb der Parteien. Von manchen wesentlichen Grundsätzen des französischen Processes, wie der sog. Souveränetät der Gerichte, ist wenig, von anderen, wie der dem stanz. Rechte eigenthümlichen Behandlung des Ge­ ständnisses, der Beschränkung des Zeugenbeweises u. s. w., ist nichts in ihr zu finden, während der Grundsatz des selbständigen Prozeßbetriebs nur in erheblich abgeschwächter Gestalt aufgenommen ist. Zn manchen Punkten wiederum ins­ besondere hinsichtlich des ganzen sog. materiellen Prozeßrechts, lehnt sich die CPO. an das gemeine und an das diesem verwandte preußische Recht an. Sie hat Gedanken aller jener Systeme in sich aufgenommen und zu einem eigenartigen Ganzen ausgebildet. Ein Hauptziel war die Rückkehr zu einer natürlichen und einfacheren Gestalt des Verfahrens, die Abstreifung des Formalismus und der davon unzertrennlichen Beeinttächtigung des materiellen Rechtes"). In Verbindung hiermit steht eine bedeutende Vermehrung des dispofitiven Prozeßrechts"). An der Svitze der die CPO- beherrschenden Gmndsätze steht das Münd­ lichkeitsprinzip. Ihm an Bedeutung nahe kommen die Beweisverbindung, die Beseitigung der Eventualmaxime, die freie Beweiswürdigung, der selbständige Prozeßbetneb. Diese wie die übrigen Grundgedanken einzeln zu entwickeln, ist hier nicht der Ort"). Eine sich durch Klarheit sowie durch Knappheit der Form aus­ zeichnende Darstellung enthält die »Allgemeine Begründung* des Entwurfes, ins­ besondere in den §§ 4—15"). XI. Die Mittel zur Auslegung der CPO. find äußerst reichhaltig. Neben dem, was Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzes und der übrigen Justizzesetze, was Wiffenschast und Praxis des Prozeßrechts bieten, kommen ganz beonders die sog. Materialien in Betracht. Zm weiteren Sinne gehören hierzu >ie zahlreichen bei der Abfaffung berückfichtigten Prozeßgesetze uno Entwürfe, 88) „Alle wesentlichen Einrichtungen des neuen deutschen Prozesses sind geeignet, die Herrschaft des materiellen Rechts über bas Prozeßrecht zu fördern" (Komm.-Ber. der RTK. v. 1875 z. CPO. S. 2). 89) Vgl. Bülow, Dispos. Civilprozeßrecht. S. 22f. 90) Vgl. darüber die Anmerkungen z. CPO. an den geeigneten Stellen. 91) Eine nach der „Allg. Begründung" zusammengestellte Uebersicht der Gmndsätze s. bei Hellmann I S. 13ff. Vgl. auch v. Bar, Civilprozeßrecht. S. 5ff., Sydow a. a. O. S.34ff.

XXXII

Einleitung.

unter welchen -er Norddeutsche Entwurf und die betreffenden Berathunas­ protokolle (VI) wegen der Zeit der Abfaffung und ihres bedeutenden Einflußes aus dm Inhalt der CPO. besondere Beachtung beanspruchen dürfm. Zn engerem Sinne find darunter die vielfach mit den Mot. der Entw. I u. II überein­ stimmenden Motive (.Begründung*) -es Entw. III der CPO., die Motive oes Entw. zum GVG. u. oer Entwürfe zu den beiden Einführungs-Gesetzen **) und die Protokolle der RTK. v. 1875”) zu verstehen; die Plenarberathungcn des Reichstags haben fich nur auf wenige Punkte erstreckt (vgl. oben S. XXIIff.)”). Für die Novelle find außer den Mot. z. BGB. die Mot. z. Entw. d. EG. z. BGB. S. 70 ff., die Begründung d. Entw. III der Nov., der Kommifionsbericht d. RTK. f. d. Nov. und die Verhandlungen des Reichstags zu berücksichtigen. Die Zulässigkeit der Benutzung von Gesetzgebungsverhandlungen als Hülfs­ mittel der Gesetzausleaung ist bekanntlich streitig”). Neue Nahrung erhält diese Streitfrage aber gerade in der vorliegenden Anwendung durch die Aeußerungen, welche hmfichtlich der Motive im Reichstag und in der RTK. v. 1875 vom Regierungstisch aus gefallen find. So bemertte Staatsminister Dr. Leonhardt bei der ersten Berathung der Justizgesetze im Reichstage Folgendes: „Sämmtliche Gesetzentwürfe sind mit eingehenden Motiven begleitet. Ich hebe das her­ vor, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß die verbündeten Regierungen die Vertretung dieser Motive nicht übernehmen, weil eine Prüfung dieser Motive nicht einmal im Justizausschuß des Bundesraths, geschweige denn int Bundesrath stattgefunden hat, auch der Natur der Sache nach nicht wohl stattfinden konnte. Dieser Umstand dürfte jedoch für Ihre Berathung von besonderer Bedeutung kaum sein. Die Motive find von Männern, welche den Arbeiten sehr nahe standen, mit ebensoviel Sorgfalt als Einficht in die Verhältnisse geordnet worden; fie legen Ihnen die Mannigfaltigkeit der Rechtszustände dar, in welche die gesetzlichen Vorschriften reformirend eingreifen sollen, sie entwickeln vom legislativen Standpunkte das Für und Wider in Betreff der einzelnen Vorschriften und Grundsätze, sowie zwischen Grundsätzen einerseits und einzelnen Folgesätzen andererseits. Ich glaube, nt. H., daß diese Motive für

92) Sie sind fortlaufend unter dem Texte bei jedem Paragraphen der Gesetze angeführtund zwar nach den Drucksachen des RT. (2. Leg.-Per. 2. Sess. 1874/75 Nr. 6), nicht nach der bei Kortkampf in Berlin erschienenen Privatausgabe. 93) Auch diese Prot, find überall unter dem Texte angeführt, jedoch mit Ausnahme derjenigen Stellen, nach welchen bei der 2. Lesung oder deren Revision ein Paragraph ohne jede Bemerkung einfach angenommen ist. Auf die CPO. und das EG. z. CPO. beziehen sich die Prot, der Sitzungen Nr. 5-36, 81—88, 93, 94, 121, 123 Theil 2, 125-129, 130 Th. 2r 132 Th. 2, 139 Th. 2, 158 Th. 2, 161-164, 167-169, 173; auf das GVG. u. das EG. z. GVG. die Prot, der Sitzungen Nr. 89-92, 95-103, 104 Th. 1, 105-108, 109 Th. 1, 110—116, 117 Th. 1, 119, 120, 122 Th. 2, 123 Th. 1, 124, 131, 132 Th. 1, 133-138, 139 Th. 1, 140r 141, 142 Th. 2, 152 Th. 2, 155 Th. 2, 156 Th. 1, 158 Th. 2, 159 Th. 2, 3, 160 Th. 1 u. 2, 161—164, 167, 169—174. Vgl. übrigens unten S. XXXIV Anm. 103. 94) Bei den betreffenden Stellen sind die Sten. Ber. des RT. unter dem Texte der Gesetze angeführt. 95) Eine Uebersicht der umfangreichen Literatur s. bei Seuffert S. XX Anm. *} Peterfen in Hauser, Zeitschr. s. Reichs- und Landesrecht 5 (1881) S. 337ff. DerUnterschied ber verschiedenen Schattirungen ist im Ganzen nicht sehr bedeutend. In der Anwendung gestaltet fich die Benutzung der Vorarbeiten meistens in dem weiter unten auch von uns vertretenen Sinne.

Einleitung.

xxxra

Sie ein fast unentbehrliches Hülfsmittel sein werden, wenn Sie nämlich eine eingehende Prüfung der Gesetzentwürfe in einer verhültnißmätzig nicht zu langen Zeit vornehmen wollen" 9€).

Hiermit im Wesentlichen übereinstimmend äußerte sich der Direktor im Reichskanzleramte, v. Amsberg, in der RTK. v. 1875 auf die Interpellation eines Abgeordneten"). Von einer bindenden Bedeutung der Vorarbeitm hinsichtlich der Aus­ legung kann freilich nicht die Rede sein. Der Wille derer, wuche an dem Zu­ standekommen des Gesetzes mitgewirkt haben, ist nicht gleichbedeutend mit dem Willen des Gesetzgebers (tut konstitutionellen Staate: der gesetzgebenden Fak­ toren), und selbst von diesem reißt sich, wie Thöl bemerkt"), das Gesetz durch die Publikation los. (»Auf dieser Selbständigkeit beruht es, -aß das Gesetz einsichtiger sein kann, als die Gesetzgeber*.) Aber die Vorarbeiten nehmen doch unter allen Auslegungsmitteln die erste Stelle ein, weil sie in einem unmittel­ baren grundlegenden Verhältniffe zum Gesetze stehen"). Zu dem rein wissenschaftlichen tritt bei ihnen ein starres historisches Element der Auslegung. Alles dies gilt auch hinsichtlich der hier in Betracht kommenden Gruppen von Vorarbeiten. Als Regierungs-Motive im gewöhnlichen Sinne können allerdings die oben erwähnten »Begründungen* nicht, oder doch nur in eingeschränktem Maße angesehen werden. Die Verfassung des Deutschen Reichs bereitet der Abfaffung von solchen Motiven, zumal bet Gesetzentwürfen von dem Umfange der Fustizgeietze, ganz besondere Schwierigkeiten, da eine Abstimmung im Bundesrath über den Inhalt der Motive zu den dem Reichstage vorzulegenden Gesetzentwürfen nicht wohl denkbar ist. Alles, was gegen die Zuverlässigkeit von Motiven überhaupt zu sagen ist, spricht daher in noch höherem Grade geaen Mottve der vorliegenden Att. Gleichwohl geht die Bedeutung der Mot. z. CPO. materiell weit über die einer bloßen »Privatarbeit* l0°) hinaus. Denn sie find immerhin in der Werk­ stätte des Gesetzes gleichzeitig und im Zusammenhange mit der Abfaffung des Entwurfes oder doch unmittelbar nachher entstanden und von Kundigen in eminentem Sinne, welche an dm Vorberathungm theilgmommm habm oder sonst amtlich 96) Sten. Der. der RT. 2. Leg..Per. 2. Sess. 1874/75 S. 275, 276. 97) Sitzung der RTK. v. 10. Mai 1875 — Prot. S. 138, 139. 98) Thöl, Einl. in das D. Privatrecht § 60 S. 150. Vgl. auch v. Hahn, Komm. z. HGB. 3. Ausl. Einl. § 19 S. LXIlff. In noch schärferer Weise wird dieser Gesichtspunkt be­ ton! von Thibaut, Schaffrath, Schlesinger, Meyer in Gruchot 13 S. Iff., auch von Wach I S. 559ff., 282ff., der nicht einmal eine Vermuthung der Wahrheit hier gelten lassen will. u. A. 99) Goldschmidt, Handb. des HR., 2. Ausl. I S. 314. Etwas weiter gehen v. Mohl, Wächter u. A. Gegen Meyer a. a. O. wendet sich hauptsächlich Petersen a. a. O. S. 348ff., ferner Deutschmann in Gruchot 24 S. 805ff. u. Hellmann, behrb. S. 25. S. auch Dernbürg, Preuß. Privatr. I § 17 S. 34, Förster (Eccius) 1 § 12, Planck, Kommentar z. BGB. 23b. I, Einleitung S. 27f., u. die bei Petersen a. a. O. S. 366 Sinnt.**) angeführten Entsch. RG.u. ROHG., ferner RG.9 S. 76, 404, 22 S. 143 u. im Preuß. JMBl. 1886 S. 169 (ver. Civils.). 100) So der Abg. Lasker im RT. — Sten. Ber. a. a. O. S. 282. Vgl. dagegen Endemann I S. 29ff., Wach I S. 263 Sinnt. 17, 263 ff., welcher die Mot. aber nur als „Vor­ bereitung des Gesetzes" beachtet wissen will. in ktrickmLU» u. «och, Elvtlprozeßordmmg. 8. EefL I.

XXXIV

Einleitung.

Jahre hindurch mit der Sache befaßt waren, ausgearbeitet. Ihr innerer wissen­ schaftlicher Werth ist ferner ein sehr erheblicher""). Ueberdies bleibt die That­ sache von Bedeutung, daß die Motive unter Zustimmung des Bundesraths mit den Gesetzentwürfen selbst dem Reichstag überliefert, uno daß sie während der Berathungen in der RTK. im Einzelnen stets als wirkliche .Motive* im gewöhn­ lichen Sinne ohne Widerspruch der Reaierungsvertreter behandelt worden find, also immerhin auch äußerlich einen offiziellen Karakter bewahrt haben. Unter diesm Umständen haben fie nicht bloß durch die Benutzung bei der Berathung im RT. und in der RTK. v. 1875 — welche auch Staatsminister Leonhardt für zuläsfig erklärte — ihren Zweck erfüllt, fonbem werden auch fort und fort für die Auslegung das erste und werthvollste Hülfsmittel bilden, sobald Wortlaut und Zusammenhang einer Gesetzesvorschrift Zweifel übrig lassen. Namentlich wird dies da gelten müssen, wo die RTK. und der Reichstag ohne Erörterung die Vorlage genehmigt haben, da man im Ganzen davon ausgehen darf, daß dies im Sinne der Mot. geschehen sei. Auch nach der negativen Seite hin »erben die Mot. häufig zur Auffindung des richtigen Sinnes beitragen, also zur Begründung eines Schluffes aus dem Gegentheil, oder wenn es fich um eine nach den Mot. als selbstverständlich oder als ungeeignet nicht aufgenommene Be­ stimmung handelt""). In ähnlicher Weise dienen die Protokolle der RTK. der Auslegung der Justizgesetze. Bei denjenigen Bestimmungen, welche aus der Initiative der RTK. hervorgegängm find, vertreten sie oft geradezu die Stelle von Motiven. Dasselbe gilt von Aenderungen, Zusätzen, Streichungen (s. oben S. XXIII, XXIV). Aber auch da, wo Bestimmungen der Entwürfe ganz unverändert geblieben find, tragen die Erörtemngen der RTK., wie sie durch die Protokolle in authentischer Weise wiedergegeben werden""), zur Klarstellung des Sinnes des Gesetzes häufig in sehr beachtenswerther Weise bei. Allerdings ist nicht jede Aeußerung eines Kommissions­ mitglieds oder Regierungs-Kommissars über die Bedeutung einer Bestimmung, namentlich über die maßgebenden Grundsätze, wenn sie ohne Widerspruch anderer Mitglieder bezw. Regierungs-Kommissarien blieb, als für die Auslegung maß­ gebend zu betrachten. Dagegen ist es sehr bedeutungsvoll, wenn solchen Aeußerungen ausdrücklich von den Regierungs-Kommissarien oder von anderen Mitgliedern oer RTK. ohne Widerspruch zugestimmt wurde, zumal wenn darauf hin irgend eine Aenderung des Entwurfes erfolgt ist. Noch schlagender ist häufig (jedoch keineswegs immer) die Verwerfung von Verbefferungsanträgen. Alles kommt darauf an, 101) Vgl. Siebenhaar, Vorwort S. 2. 102) Dgl. Petersen S. 5 u. a.a.O. S. 367—369. Warum die Mot. hier in geringerem Grade von Gewichtsein sollen (s. Goldschmidt a.a.O.), ist nicht abzusehen. 103) Die Protokolle wurden nach ihrer Fertigstellung, wie der Vorsitzende der RTK. v. 1875 im RT. bemerkte, den Komm.-Mitgliedern zur Revision ihrer Ausführungen zugänglich gemacht. Erst nach erfolgter Revision wurden sie gedruckt und den Mitgliedern der RTK., allen Mitgliedern des RT. sowie den Bundesregierungen übersandt. Von einer amtlichen Deröffentlichung glaubte die RTK. sowohl aus sachlichen wie aus formellen Gründen absehen zu müssen (vgl. Sten. Ber. d. RTK. 2. Leg.-Per. 3. Session 1875/76 S. 13). Indessen sind die Verhandlungen der RTK. von Hahn, D.ges.Mater, zu den Reichsjustizgesetzen (unten S. XXXIX), veröffentlicht. Angeführt sind die Protokolle in dem Kommentar nach der amtlichen Aas. gäbe. Die Seitenzahlen laufen bei der CPO. bis S. 771, bei dem GVG. bis S. 776 (160. Sitzg.). Die Prot, der Sitzungen 161—174 sind ein jedes mit besonderen Seitenzahlen gedruckt.

XXXV

Einleitung.

au ermitteln, inwieweit durch die Protokolle ein Einverständniß aller Fak­

toren festgestellt wird'"). In besonderem Maße ist dies da der Fall, wo ein solches Emverständniß der RTK. unter ausdrücklicher oder stillschweigender Zu­ stimmung der Regierungsvertreter förmlich zu Protokoll gegeben wurde. Eine von den Protokollführern ausgearbeitete Zusammenstellung dieser (uneigcntlich) sog. .authentischen Interpretationen*'") von Kommisfionsbeschlüffen ist der RTK. in der 164. Sitzung vom 20. Oktober 1876 vorgelegt und von ihr aus­ drücklich genehmigt"").

Hinsichtlich der Redaktions-Kommission (s. oben S. XXIII) ist noch zu bemerken, daß deren Anttäge fortlaufend gedruckt dm übrigen Mitgliedem zu­ gestellt wurden. Erfolgte kein Widerspruch gegen die Richtigkeit, so galten sie als genehmigt, während im anderen Falle ein Plenarbeschluß der Kommission über die streitige Frage herbeigeführt wurde'"). Nicht immer also geben die Protokolle über die bei der Gelegenheit der Redaktton erfolgten, freilich meistens wenig bedmtsamen Aenderungen früherer Beschlüsse Auskunft. Diese Grundsätze finden auch auf die Begründung und den Kom­ missionsbericht zur Novelle Anwmdung. XII. Von der älteren prozeßrechtlichm Literatur find, abgesehen von zahlreichm Monographien, Abhandlungen, Sammlungen von Entscheidungen u. dgl. m., in dem Kommentar hauptsächlich benutzt: a) die gemeinrechtlichen Kompendien von Wetzell, Renaud und Endemann""), b) für den Preußischen Prozeß das Lehrbuch von C. F. Koch und dessen Kommentar zur Prozeßordnung (Allg. Ger.-Ordn. Th. I)1”), 104) Vgl. Peterfen S. 5 u. Endemann I S. 31 ff. (auch in Busch 4 S. 194ff.), wo diese Fragen mit besonderer Gründlichkeit erörtert find. Gegen eine zu weit gehende Schätzung von Aeußerungen der Reg.-Dertreter (als „authentische Interpretation") und Kwnmiffionsmitglieder vgl. Wach I S. 263ff. 105) Ueber die Mißverständlichkeit dieser Bezeichnung s. Wach I S. 265. Eine Eintheilung der verschiedenen Bestandtheile der Materialien nach ihrem Auslegung-werth ist sehr schwer durchführbar. (Dgl. auch Wach I S. 284.) 106) Anlagen J u. K zum Prot, der 164. Sitzg. (s. das. S. 1, 5—10). Diese wurden am Beschluß der RTK. gedruckt und unter die Mitglieder deS RT. vertheilt. (Gaupp 3. Aufl. S. XXVII will dieser förmlichen Genehmigung keine besondere Bedeutung beimeffen, ebenso Hellmann, Lehrb. S. 25.)

107) Dgl. Komm.-Ber. z. GDG. S. 2. 108) Dr. Georg Wilh. Wetzell, System des ordentl. Civilprozeffes. Dritte Aufl. Leipzig 1878. Verlag von Bernh. Tauchnitz. Dr. Achilles Renaud, Lehrb. des Gemeinen Deutschen Civilprozeßrechts mit Rückstcht am die neueren Civilprozeßgesetzgebungen. Der ordentl. Prozeß. Zweite Aufl. Leipzig u. Heidelberg 1873. C. F. Winter. Dr. W. Endemann, D. Deutsche Civilprozeßrecht. Heidelberg 1867, 1868. Bangel u. Schmitt. 109) Dr. C. F. Koch, D. Preußische Eivilprozeß. Zweite Ausgabe. Berlin 1855. I. Guttentag. Ders., Prozeßordnung nach ihrer heutigen Geltung. Sechste Aufl. Berlin 1871. I. Guttentag.

m*

c) hinsichtlich der Hann. PO. der Kommentar von Leonhardt""), d) für das Rheinische Recht der Kommentar von Schlink'"). Auch an die CPO. und das GVG. mit den Einf.-Gesctzen hat sich eine reichhaltige Literatur angeschlossen'"). Eine große Zahl von Bearbeitungen hat die Kommentarform'") gewählt. Hierunter find zu nennen: Dr. E. Siebenhaar, Vice-Präfident a. D., Kommentar zur Deutschen Civilprozeßordnung. Leipzig 1877. Fues' Verlag (R. Reisland). Dr. Julius Petersen, Reichsgerichtsrath, D. Civilprozeßord. f. das Deutsche Reich nebst Einf.-Ges. Erläutert — unter Mitwirkung des Landgerichts­ raths Dr. Anger — 4. Ausl. Lahr 1899—1901. Moritz Schauenburg. Dr. W. Endemann, D. Deutsche Civilprozeß. Berlin 1878, 1879. 3 Bde. Weidmann'sche Buchhandlung. D. Justizgesetzgebung des D. Rnchs. I. Abtheilung, III. Civilprozeßordnung. Kommentar von Dr. v. Sarwey, K. Württ. Staatsrath (später Staats­ minister). Berlin 1878/79. 2 Thle. Carl Heymanns Verlag"'). Dr. Lothar Seuffert, o. ö. Prof, der Rechte, Civilprozeßordnung f. das D. Reich nebst dem EG. v. 30. Jan. 1877. Erläutert. 7. Aust. München 1895. C. H. Beck. 8. Aust. Lief. 1 (bis § 256). München 1901. Dr. G. v. Wilmowski, Geh. Justizrath, u. M. Levy, Justizrath, RA. beim Kammerg. z. Berlin, CPO. u. GVG. s. das D. Reich nebst den EinfGesetzm. Mit Kommentar in Anmerkungen. 7. Aust. Berlin 1895. F. Bahlen. Dr. E. T. Puchelt, Reichs-Oberhandclsgerichts-Rath, D. Civilprozeßordnung f. das D. Reich. Leipzig 1877/78. 2 Bde. Roßberg. Dr. Fried. Hellmann, Civilprozeßordnung f. das D. Reich nebst Einführungsgesetzen. Erläutert. 3 Abtheilungen. Erlangen 1877/78. Palm u. Enke. Otto Kleiner, K. bayer. Landgerichtsprüfident. Kommentar zur CPO. f. das D. Reich. Würzburg 1878—1881. 3 Bde. A. Stüber. W. Hartmann, K. Preuß. Obertribunalsrath, D. Civilprozeßgesetze des D. Reichs. Als Komm. in Anmerkungen für den prakt. Gebrauch bearbeitet. Berlin 1879. Carl Heymanns Verlag. Uebel, K. bayer. Appell.-Ger.-Rath, Komm. der Civilprozeßordn. f. das D. Reich u. des EG. hierzu. Bamberg 1877/78. 2 Bde. Büchner. D. Reickscivilprozeßordnung, die bezüglichen Bestimmungen des GVG. u. der Einf.-Gesetze. Nach den Vorarbeiten oes weil. Oberger.-Direttor R. Rei­ necke herausgegeben vom Oberger.-Rath A. Bödiker. Hannover 1877. Helwingsche Hofbuchhandlung. Dr. L. Gaupp, 25. Civilprozeßordnung für das D. Reich nebst den auf den Civilprozeß bezüglichen Bestimmungen des Gerichtsverfaffungsgesetzes und den Einsührungsgesetzen. 4. Aufl., bearbeitet von Professor Dr. Stein. Freiburg i. B. 1901. Akad. Verlagsbuchh. v. I. B. C. Mohr (Paul Siebeck). L. Frhr. v. Bülow, Landgerichtspräsident, D. Civilprozeßordnung und ihre Nebengesetze. 2. Aufl. Hannover 1882. Hahn'sche Buchhandlung.

110) S. oben N. 25. 111) Dgl. oben N. 15. 112) Wegen der Anführung s. oben „Erklärung der wichtigsten Abkürzungen" unter B« 113) Ueber die KommeMarien-Literatur vgl. Wach I S. 177ff. 114) Das Mahnverfahren und das Zwangsvollstreckungsverfahren sind vom Kreisrichter Ege bearbeitet.

Einleitung.

XXXVII

Dr. A. Förster, Amtsrichter, D. CPO. f. das D. Reich nebst Einf.-Ges. unter des. Berückfichtigung des Preuß. ALR. erläutert. Grünberg 1884/1888. Friedr. Weiß Nachf. (Neue Aust, von A. Förster, Geh. Ober-Regierungsrath, und A. Engelmann, Oberlandcsgerichtsrath, im Drucke.) Reincke, Reichsgerichtsrath, D. Deutsche Civilprozeßordnung. Für das Studium und die Praxis erläutert. 4. Aufl. Berlin 1900. H. SB. Müller. R. Sydow, Direktor im Reichs-Postamt, u. L. Busch, Kammergerichtsrath, Crvilprozeßordnung (Fassung des Ges. v. 17. Mai 1898), 9. Aufl. Berlin 1901. I. Guttentag. Dr. Neukamp, Oberlandesgerichtsrath, D. Civilprozeßordnung. Göttingen 1900. Vandenhoeck u. Ruprecht. Zur Einführung in die CPO. dienen Vorträge und systematische ^Bearbeitungen. Hiervon find die bemerkenswerthesten: Dr. Adolf Wach, Prof, der Rechte, Vorttäge über die Reichs-CPO. 2. Aufl. Bonn 1896. Ad. Marcus. Dr. Herm. Fitting, Prof, der Rechte, Zur Einführung in die Reichsgerichtsversaffung und den Reichs-Civilprozeß. 5 Vorttäge. 2. Abdruck Berlin 1879. I. Guttentag. v. Wilmowski u. Levy, Zur prakt. Anwendung der Deutschen CPO. Dorttäge. Berlin 1879. Wernz, D. Deutsche CPO. Eine Einleitung in die Grundzüge der neuen CPO. Nördlingen 1877 (bes. Abdruck aus Hausers Zeitschr. 3 S. 333 ff.). Dr. R. Schmidt, Prof, der Rechte, Lehrbuch des D. Civilprozeßrechts, Leipzig 1898, und Ergänzung 1898 (bett. Aenderungen d. Nov. 1898). Dr. Herm. Fitting, Prof, der Rechte, D. Reichs-Civilprozeß. 10. Aufl. Berlin 1900. I. Guttentag. Bunsen, Oberamtsrichter in Rostock, Lehrbuch des D. Civilprozeßrechts, Berlin 1900. I. Guttentag. Engelmann, Oberlandesgettchtsrath, D. Dentsche Civilprozeß. Berlin 1901. Dr. L. v. Bar, Geh. Justtzrath u. Prof., D. Deutsche Civilprozeßrecht mit Rücksicht auf die Justizgesetze des D. Reichs in den Gmndzügm systemattsch dargestellt. Leipzig 1880. Duncker & Humblot. Hervorzuheben find ferner: Dr. Birkmeyer, Prof., Grundriß u. Materialien z. Vorlesungen über den ordentlichen Civilprozeß (als Manuskript gedruckt). Herm. Meyer, OLGRaty, Anleitung z. Prozeßpraxis in Beispielen an Rechts­ fällen. 5. Aufl. Berlin 1899. Fr. Vahlen. Friedrichs, Handbuch d. Prozeßpraxis. Berlin 1901. 2 Bde. Carl Heymann's Verlag. Willenbücher, Grundriß des Prozeß- und Zwangsvollstteckungsverfahrens. 2. Aufl. Berlin 1900. H. SB. Müller. Dr. Hellwig. Civilrechtsfälle. Freiburg 1891. I. C. B. Mohr. Ders., Anspruch und Klagrecht. Jena 1900. G. Fischer. Dr. I. Köhler, Prozeß als Rechtsverhältniß. Mannheim 1888. I. Bensheimer. Ders., Prozeßrechtl. Forschungen. Berlin 1889. H. W. Müller. Ders., Civilprozeffuale Rechtsaufgaben. Jena 1893. G. Fischer. Ders., Gesammelte Beittäge zum Civilvrozeß. Berlin 1894. Carl Heymann's Verlag. (Sammlung von Aussätzen, die zum größten Theil schon früher veröffentlicht find.) Dr. Adolf Stützet, Schulung für die civilistische Praxis, I. Theil 4. Aufl., II. Theil 2. Aufl. Berlin 1900 bezw. 1898.

XXXVIII

Einleitung.

Eine ausführliche vergleichende Darstellung des alten und neuen Prozeßrechts hinsichtlich der Hauptlehren enthält: Dr. Karl Bolgiano, Prof., Handbuch des Reichs-Civil-Prozeßrechts auf rationellen Grundlagen mit vergleichmder Darstellung des gemeinen Deut­ schen Civilprozeffes. Allgemeiner Theil. Stuttgart 1879. Ferd. Enke. Zu den Versuchen einer systematischen Bearbeitung gehören auch: Warmuth, Handbuch des Deutschen Civilprozeßrechts. Erster Band, den allgemeinen Theil enthaltend. Straßburg i/E. 1881. Heinrich ., Wach I S. 480 ff., Planck I S. 74 u. A.; vgl. Planck, BGB. III § 863 Anm. 4.] Der Gegenanspruch (nicht das Rechtsverhältniß, aus dem geklagt wird) muß von dem Klaganspruche verschieden sein. So ist z. B. eine Widerklage auf Ehescheidung auf Grund derselben Thatsachen zulässig, auf welche die Ehescheidungs-Klage gestützt ist (RG. in Gruchot 28 S. 1125; vgl. auch Wach I S. 481). Wegen der als negattve Feststellungsklage erhobenen Widerklage f. § 322 Anm. 2. Ungerechtfertigt ist die hauptsächlich auf die Stellung des § 33 in der Lehre vom Gerichtsstände gestützte Anficht Lünings S. 57 ff. ^welche von Hinschius im Rechtslex. 3 S. 1320, Brinkmann: Begründ, der Klagen I S. 27, Renaud in Busch 5 S. 53 Anm. 87, Köhler, Proz. als Rechtsv. S. 108, Gaupp Nr. I getheilt (vgl. auch RG. in I. W. 1900 S. 747), von Schmidt das. 4 S. 315 ff., Meyer das. 8 S. 453 ff., Lippmann im c. A. 65 S. 414, OLG. Celle in S. A. 37 Nr. 337, Petersen Nr. 5, Seuffert Anm. 3e, Wach I S. 281 u. A. bekämpft tohrb], daß hier nur eine Bedingung des Gerichtsstandes der Widerklage, nicht der Widerklage überhaupt aufgestellt sei. Beide Fragen sind nach der CPO. nicht zu trennen; der ganze Zweck der Widerklage ist ihre gemeinsame Verhandlung mit der Vorklage, nicht Schaffung eines neuen Gerichtsstandes für eine gettennt zu verhandelnde Klage. Auch die Mot. zu § 33 handeln nicht bloß von der Zuständigkeit der Widerklage und gelangen zu dem Schluffe: „Es erscheint daher gerechtferttgt, daß der Entwurf die Zulässigkeit der Widerklage von der Konnexität mit der Klage abhängig macht." (Dgl. noch das. S. 188.) Ueberdies würden im Gesetz alle Vorschriften über die Zulässigkeit der Widerklage — abgesehen von der Frage der Zuständigkeit — fehlen (vgl. hiermit N. E. §§ 206, 208 im Gegensatze zu § 67), wenn § 33 nur jene engere Bedeutung hätte. (S. auch Schollmeyer, Kompens. S. 156 Anm. 2.) Die Zulässigkeit der Widerklage ist stets (nicht bloß im Falle des Abs. 2) von Amts­ wegen zu prüfen, weil es sich dabei eben nicht bloß um den Gerichtsstand handelt und ein Konventtonalprozeß rücksichtlich der Prozeßformen unstatthaft ist. (OLG. Hamburg in Rechtfpr. 1 S. 178, Petersen Nr. 5. A.M. OLG. Karlsruhe in S. A. 45 Nr. 45 u. in Busch 7 S. 334,

40

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§ 34.

§ 34. (34.) Für Klagen der Prozeßbevollmächtigten, der Beistände, der Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen Gebühren und Aus­ lagen ist das Gericht des Hauptprozesses zustänoig. 9L ent». § 66. ent». I. § 33. ent». II. § 34. ent». III. § 34. «ot. G. 63, 64.

Prot. G. 13, 508.

OLG. Cöln im Rh. A. 93 I 102, Seuffert Anm. 3e, Wilm. Levy Anm. 1, Löning S. 86f., 167ff., 178ff., vgl jedoch auch S. 182; s. auch ob.LG. f. Bayern in S. A. 40 Nr. 150). 3) Die Geltendmachung der Widerklage ist bis zum Schlüsse derjenigen münd­ lichen Verhandlung erster Instanz zulässig, auf welche das Uttheil ergeht (vgl. §§ 278, 280, 506, 529). Die Zurücknahme der Hauptklage, wenn sie nicht bereits vor (mündlicher) An­ bringung der Widerklage erfolgt ist (RG. im D. RAnz. 1894 des. Beil. 5 S. 410, ob.LG. f. Bayern in S. A. 40 Nr. 239), hat auf den bereits begründeten Gerichtsstand der erhobenen Widerklage keinen Einfluß (§ 263 Nr. 2; nicht entgegenstehend RG. 22 S. 419. A.M. Seuffert Anm. 3a, der aber eine Vereinbarung dahin zuläßt, daß der Gerichtsstand der Widerklage durch die Zurücknahme der Vorklage nicht berührt werde). Freilich ist vorausgesetzt, daß zur Zeit der Erhebung der Widerklage die Sache noch rechtshängig ist (vgl. § 263 Anm. 8, Löning S. 39 ff., Wach I S. 476). Das Gleiche gilt von der richterlichen Trennung (vgl. § 145). Widerklage gegen Widerklage findet nicht statt. (So auch Gaupp Nr. II 5, Wilm. Levy Anm. 1, Hellmann, Lehrb. S. 452, Kroll S. 282f. u. A. A.M. Löning S. 79ff., Hinschius a. a. O. S. 132, A. Förster Anm. 6, Petersen Nr. II 12, Seuffert Anm. 4, Wach I S. 485ff., Bunsen a. a. O.) Daß nach § 280 der Sache nach etwas Aehnliches vorkommen kann (Planck I S. 74 Anm. 28), beweist nichts und kann keinesfalls gegenüber dem Wortlaute des § 33 und dem Bestreben der CPO., die Widerklage als ein der Einschränkung bedürfendes Angriffsmittel zu behandeln, ins Gewicht fallen. Die Widerklage kann nicht eventuell, d. h. für den Fall erhoben werden, daß der Klage stattgegeben wird [f. § 260 Anm. 7; vgl. jedoch § 521 Anm. 1 (eventuelle Anschlußberufung)). 4) Abs. 2: Die Fälle bezeichnet § 40 Abs. 2. In ihnen ist die Widerklage nur dann zulässig, wenn für diese das Gericht der Klage schon an sich zuständig bezw. ausschließlich zu­ ständig ist (s. Löning S. 98 s.). Anders die Widerklage des § 280 (vgl. das. Anm. 2). Andere Beschränkungen s. in §§ 595 Abs. 1, 615 Abs. 2, 633 Abs. 2, 640 Abs. 2, 641 Abs. 2, 667 Abs. 2, 679 Abs. 4, 684 Abs. 4, 686 Abs. 4 (s. Löning S. 42 ff.. 141 ff.). 5) Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts der Widerklage ist, abgesehen von § 506 und GVG. §§ 102 Abs. 2, 103 Abs. 2, 104 Abs. 2, 105 Abs. 1, nichts bestimmt. Aus dem Gegentheil und wegen der prozessualen Behandlung der Widerklage ist aber zu folgern, daß, abgesehen von den Fällen des Abs. 2, das für die Klage zuständige Landgericht auch für die Widerklage sachlich zuständig ist. (Vgl. auch § 5, Endemann I S. 230, Gaupp Nr. III 5, Löning S. 113ff. u. A.) Wegen der Widerklage gegen Exterritoriale s. GVG. § 20 Anm. 2. §34. 1) Ein Gerichtsstand des sachlichen Zusammenhanges zur Erleichterung der Klage — der einzige in btefeni Titel, abgesehen von § 25. Siehe ferner §§ 64, 135, 280, 387, 584, 603 Abs. 2, 771, 879, 893. - Vgl. im allg. Planck I S. 74 ff., Wetzell § 41 S. 505ff. 2) „Prozeßbevollmächtigten" s. §§ 78ff.; „Beistände" s. § 90; „Zustellungsbevollmüchtigten" s. §§ 174 ff.; „ Gerichtsvollzieher" f. §§ 166 ff., 753ff. Für Rechts­ anwälte und Gerichtsvollzieher besteht ein gesetzlicher Tarif (vgl. Tit. 5 Anm. 1). Wegen der Gebühren der Rechtsanwälte s. GO. f. RA. §§ 9ff.; wegen deren Auslagen §§ 76ff.; wegen Einforderung §§ 84—86. Die Einziehung erfolgt im ordentlichen Prozeßwege bezw. im Mahn­ verfahren (s. Mot. zu h 85 d. GO.) Ueber die Gebühren der Gerichtsvollzieher s. GO. f. GV. in der Fass, des Ges. v. 29. Juni 1881 u. 17. Mai 1898 §§ 2—12, wegen deren Aus-

Zweiter Titel.

Gerichtsstand.

§§ 35, 36.

41

§ 35. (35.) Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl. 9t «ntw. § 68. 53. Prot S. 13.

«rrtw. I. § 34.

E»tw. II. $ 35. Eutw. III. § 35. «ot. «. 51,

§ 36. (36.) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt durch das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung -es Richteramts rechtlich oder thatsächlich verhindert ist; 2. wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke un­ gewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; lagen das. §§ 13—17, wegen Einziehung das. §§ 18—21. Auch der Gerichtsvollzieher muß nöthigen» falls den gewöhnlichen Rechtsweg beschreiten. [3n Preußen erfolgt jedoch jetzt die Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren (Gerichtsvollzieherordn. v. 31. März 1900 — Just.M.Bl. S. 345 — §§ 60 Nr. 4, 66 Nr. 6).] — § 34 handelt selbstverständlich nur von den Klagen gegen den Auftraggeber, nicht von solchen wider den ersatzpflichtigen Gegner (vgl. § 104 Anm. 1). 3) „das Gericht des Hauptprozesses" — d. h. das Gericht erster Instanz (nicht nothwendig dieselbe' Kammer), bei dem also auch die Gebühren und Auslagen aus dem Ver. fahren der höheren Instanzen, und zwar auch wenn diese Gerichte nach § 587 im Widerauf. nahmeverfahren entschieden haben (RG. 29 S. 414, OLG. Bamberg in Busch 6 S. 442. A.M. Hellmann, Lehrb. S. 124), einzuklagen sind. Ein Antrag, dies ausdrücklich zu bestimmen, ist abgelehnt, weil es selbswerstündlich sei, daß man bei einem Berufungs. bezw. Revistonsgerichte keine Klage anhängig machen könne. Eine vorherige gerichtliche Festsetzung (vgl. §§ 101—107) ist nicht erforderlich. 4) Selbswerstündlich können nur die im Hauptprozeß (einschließlich des Zwangsvoll, streckungsverfahrens) entstandenen Gebühren und Auslagen in diesem Gerichtsstand eingeklagt werden, und zwar ohne Rücksicht auf die Art der Beendigung des Hauptprozefses. Uncrheblich ist auch die sachliche Zuständigkeit (nach dem Grundgedanken des Gesetzes). Auf den Betrag der Kosten und Auslagen kommt es daher trotz GVG. § 23 Nr. 1 nicht an. (Wach I S. 490 Anm. 9, Planck I S. 76, Petersen Nr. 1, Gaupp Nr. III, Wilm. Levy.) Die Kammern für Handelssachen (GVG. §§ 100 ff.) sind nicht ausgeschlossen; der Grundgedanke des Gesetzes (s. auch Mot. S. 13) trifft für sie ebenfalls zu. (Seuffert Anm. 4, A. Förster Anm. 2 u. A. A.M. Hellmann I S. 153.) Auf die im Konkursverfahren entstandenen Gebühren ist § 34 nicht auszudehnen (A. M. Seuffert Anm. 4). 5) Auch für die Erben der Prozeßbevollmächtigten u. s. w ist nach dem Grundgedanken der Gerichtsstand begründet. 6) Das Gericht des Hauptprozesses ist nicht auch umgekehrt für Klagen der Parteien gegen die Prozeßbevollmächtigten wegen zuviel erhaltenen Dorschuffes (auf Rechnungslegung rc.) oder zu viel gezahlter Gebühren und Auslagen zulässig. Zwar trifft auch hier der Grund­ gedanke zu, es fehlt aber an der erforderlichen Vorschrift. (S. auch Petersen Nr. 1, Seuffert Anm. 2, Gaupp Nr. II. A.M. v. Bülow Anm. 2.) 8 35. 1) „Unter mehreren zuständigen Gerichten" — 32 Anm. 4, 36 Anm. 4 bis 6, Wach I S. 512 ff. 2) Das Wahlrecht wird durch Erhebung der Klage 263 Nr. 1, 271, 926 Anm. 1 a. E. — Nordd. Prot. S. 62 s.). also die Prävention. Bei gleiä)zeitiger Klagerhebung hilft

vgl. §§ 12 Anm. 1, 17 Anm. 3, ausgeübt (f. §§ 4 Anm. 1, 253, Bei judicia duplieia entscheidet § 36 Nr. 5.

88 36, 37. Literatur: Schultzenstein in Busch 23 S. 58 ff. Die §§ 36, 37 bezeichnen die Fälle eines sog. außerordentlichen Gerichtsstandes — der Delegation (vgl. Wetzell § 35, Hellmann, Lehrb. S. 131 ff.), richtiger des Koni-

42

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§ 36.

3. »nenn mehrere Personen, welche bei verschiedenen Gerichten ihren allge­ meinen Gerichtsstand haben, als Streitaenofsen im allgemeinen Gerichts­ stände verklagt werden sollen nnd für oen Rechtsstreit ein gemeinschaft­ licher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; 4. wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstände erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; 5. wenn in einem Rechtsstreite verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zu­ ständig erklärt haben; 6. wenn verschiedene Gerichte, von welchen eines für den Rechtsstreit zu­ ständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. 9L Entw. §§ 31, 69, 70, 72. Entw. I. tz 35. Entw. II. § 36. Entw. III. § 36. Mot. «. 64, 65. Prot. ®. 13, 508. mifsoriums (28 a d) 1 S. 492) oder des höheren Auftrags (Planck 1 3. 82 ff.; vgl. Schultzenstein a. a. O. S. 73: Akt der Justizverwaltung) — und regeln das bezügliche Derfahren. Der gemeinsame Gesichtspunkt ist der eines von der Justizverwaltung zu lösenden Zweifels über das zuständige Gericht. Entsprechende Bestimmungen enthält d. preuß. AG. z. GVG. § 20. Durch Anwendung des § 36 kann unter Umständen eine Aenderung in dem an­ zuwendenden Rechte herbeigeführt werden (RG. in I. W. 1896 S. 413).

§ 36. 1) „des zuständigen Gerichts" — Ob das Bedürfniß der Bestimmung des zu­ ständigen Gerichts für einen erst zu erhebenden Prozeß oder in der höheren Instanz (s. NE. § 72) oder bei dem ersuchten Richter eintritt, ist für die 'Anwendbarkeit des § 36 unerheblich (RG. im Preuß. Just.-M.-Bl. 1900 3.411). Ein besonderer Hinweis, welches Gericht zu bestimmen sei, ist nicht gegeben. Indessen darf es als selbstverständlich betrachtet werden, daß in dem Falle Nr. 1 ein anderes gleichartiges Gericht im Bezirke des höheren Gerichts, in den einander gleichartigen Füllen Nr. 2—4 eines der verschiedenen Gerichte, in den Fällen Nr. 5 und 6 das für zuständig erachtete Gericht zu bestimmen ist. In bent Falle unter Nr. 1 findet also eigentlich die Beauftragung eines beliebigen anderen, dem beauftragenden untergeordneten Gerichts statt; in den anderen Fällen wird der Zweifel durch 'Auswahl unter den konkurrirenden untergeordneten Gerichten gelöst, in den Fällen 9tr. 5 und 6 sogar auf Gmnd einer wahren richterlichen Entscheidung über die Zuständigkeit. (So auch Wach I 3. 498, Planck 1 3. 87 b.) 2) „das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht" — Der N. E. § 70 'Abs. 1 beschränkt dies auf den Fall Nr. 1 und läßt in den anderen Fällen die Entscheidung „dem­ jenigen zunächst höheren Gerichte, zu dessen Bezirk die verschiedenen Gerichte gehören". Ein sachlicher Unterschied waltet indessen nach den Mot. 3. 65 nicht ob. Es muß eben ein für alle betheiligte Gerichte „höheres" Gericht sein. Daher ist es keine Ausnahme, daß die Be­ stimmung des zuständigen Gerichts unter den Gerichten verschiedener Bundesstaaten durch das Reichsgericht auch dann erfolgt, wenn in einem dieser Bundesstaaten ein oberstes Landeogericht für bürgerliche Rechtsstteitigkeiten errichtet ist (EG. z. EPO. § 9). Es folgt aber freilich aus dem Gegentheile, daß, wenn die verschiedenen Gerichte innerhalb der Bezirke Der» schiedener Oberlandesgerichte desselben Bundesstaats ihren Sitz haben, das oberste Landes­ gericht des letzteren die Bestimmung zu treffen hat, jedoch nicht in den nach § 8 Abs. 2 EG. z. GVG. dem Reichsgericht ausschließlich überwiesenen Sachen. — Dgl. auch FGG. § 5, EG. z. BGB. Art. 6. 3) Nr. 1: Vgl. StPO. § 15. — „das an sich zuständige Gericht" — bei mehreren konkurrirenden dasjenige, welches der Kläger anrufen will (Gaupp Nr. III, Wilm. Levy Amn. 2, Hellmann, Lehrb. 3. 132). Anders im Falle der Nr. 3. Die Fülle rechtlicher Verhinderung s. in § 41. Auch bei begründeter Ablehnung wegen Besorgniß der Befangen-

Zweiter Titel. Gerichtsstand. § 36.

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heit (§42) tritt eine rechtliche Verhinderung ein; ebenso wenn der Amtsrichter eines nur mit einem Richter besetzten Amtsgerichts als Zeuge zu vernehmen ist (RG. 44 S. 394 — Preutz. Just.-M.-Bl. 1900 S. 411). Das über die Ablehnung entscheidende höhere Gericht kann mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die Bestimmung des zuständigen Gerichts ohne besonderes Gesuch verbinden (Mot. S. 71, N. E. § 31). Ein Amtsgericht ist erst dann ver­ hindert, wenn dessen sämmtliche (abw. Wilm. Levy Anm. 2) Amtsrichter und auch die bei demselben Amtsgericht oder einem benachbarten Amtsgerichte durch die Justizverwaltung bestellten Vertreter behindert sind (GDG. § 22 Anm. 3, 4). Die Vertretung von Amts­ richtern durch Richter benachbarter Amtsgerichte erstreckt sich aber nach dem preuß. AG. z. GVG. § 24 nicht auf den Fall der rechtlichen Verhinderung. Ein Kollegialgericht ist ver­ hindert, wenn von den Richtern so viele verhindert sind, daß die zur Entscheidung berufene Kammer (Senat) auch unter Heranziehung der Mitglieder der anderen Civilkammern und der Strafkammern (Senate) oder der zu Stellvertretern bestimmten Mitglieder anderer Gerichte nicht vollzählig besetzt werden kann (vgl. RG. 16 S. 413). Dadurch, daß nach § 69 Abs. 1 GDG. durch eine erst zu erlassende Anordnung der Justizverwaltung Abhülfe geschaffen werden kann, wird die Anwendbarkeit des § 36 Ziff. 1 nicht ausgeschlossen (vgl. Gaupp § 45 Nr. I und unten § 45 Anm. 1). — Ein Beispiel thatsächlicher Verhinderung enthält § 245 (A.M. Löwe, Komm. zu StPO. 10. Aufl. § 15 Anm. 2 a). 4) Nr. 2: Ein Streit über die Grenzen (N. E. § 69 Nr. 2) ist nicht nothwendig. Es gehören hierher vielmehr nach den Mot. (vgl. Planck I S. 83 f.) alle Fälle, in denen das Gericht mit Rücksicht auf die thatsächlichen Umstände, die zu den Grenzen in Beziehung stehen, zweifelhaft wird, z. B. wenn die Grenze das Wohnhaus eines im Gerichtsstände des Wohn­ sitzes zu belangenden Beklagten durchschneidet, wenn die Verwaltung einer Gemeinde sowohl vom Gemeindehaus als von der Wohnung des Bürgermeisters aus geführt wird (§ 17) und beide Grundstücke in verschiedenen Gerichtsbezirken liegen. Fülle rechtlicher Ungewißheit fallen dagegen nicht unter Nr. 2 (vgl. Wach I S. 495 ff., der auch die obigen Fälle für unzutreffend erklärt). Die Nr. 2 sowenig wie Nr. 4 des §36 finden auf Gewerkschaften (f. § 17 Abs. 2) Anwendung, deren Grubenfeld sich über mehrere Gerichtsbezirke erstreckt; vielmehr ist der Gerichtsstand der Gewerkschaft bei jedem dieser Gerichte (nach § 35) begründet (s. RG. 32 S. 384). Vgl. auch §§ 17 Anm. 3, 32 Anm. 4, ZVG. § 2, Ges. betr. die Rheinschiffahrtsgerichte v. 8. März 1879 (GS. S. 129) § 8, wonach, falls die einen Civilanspruch begründende Handlung auf dem Strome stattgefunden hat, das Rheinschiffahrtsgericht des einen wie das des anderen Ufers zuständig ist. 5) Nr. 3: Das gemeinrechtliche formn continentiae causamm ex identitate fundamenti agendi personal! (Wetzell S. 464) im Gegensatze von Nr. 4: ex identitate—reali. Dgl. §§ 59, 60. Beispiel: Wenn Hauptschuldner und Bürge in derselben Klage beklagt werden (RG. 8 S. 367). Voraussetzung ist, daß weder als allgemeiner noch als besonderer Gerichtsstand ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand (z. B. § 603 Abs. 2) besteht (vgl. Nordd. Prot. S. 66 ff.); die Fassung ist nicht ganz deutlich (s. Petersen Nr. 7). Die Besttmmung ist auch zulässig, wenn für die Klage der allgemeine Gerichtsstand als ausschließlicher vorgeschrieben ist (RG. 34 S. 347, 39 S. 427). Ueber den Fall, daß noch weitere Streitgenoffen hinzutteten, vgl. ob. LG. f. Bayern in S. A. 54, Nr. 247. Dagegen ist sie auf den Fall der Zwangsvollstreckung gegen mehrere Schuldner (§ 828) nicht entsprechend anwendbar (RG. 44 S. 418, in S. A. 51 Nr. 77), wohl aber, wenn nach § 797 Abs. 5 mehrere Schuldner Klage zur Geltendmachung der den Anspruch selbst betteffenden Einwendungen erheben wollen (RG. 45 S. 391), sowie auf den Fall des Zahlungsbefehls gegen mehrere Personen (RG. 39 S. 425, wo die früher verttetene Auffassung — RG. 27 S. 404 — verlassen wird). Vgl. §§ 689 Anm. 2, 828 Anm. 2. 6) Nr. 4: „die Sache" — d. h. eine und dieselbe unbewegliche Sache oder eine Mehrheit unbeweglicher Sachen, die durch ein rechtliches Band verbunden sind, nicht etwa Sache

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§ 37.

§ 37. (37.) Die Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des zu­ ständigen Gerichts kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.

Eine Anfechtung des Beschlusses, welcher das zuständige Gericht bestimmt, findet nicht statt. 65.

9t. Eutw. §§ 71, 72. Gutw. I. § 36. E«1w. II. § 37. G«tw. III. § 37. «ot. «. 64, Prot. G. 12.

und Nebensache oder mehrere Sachen bei objektiver Klagenhäufung (Nordd. Prot. S. 67, RG. 25 S. 394, Wach I S. 496). Auch in diesem Falle hat Klager kein Wahlrecht. 7) Nr. 5: Der Fall des positiven Hompetenzkonflikts. Ein solcher kann namentlich bei den s. g. jud. duplicia vorkommen, aber auch bei Feststellungsklagen (§ 256), negatorischen und konfessorischen Klagen (Hellmann I 2. 158). Uebrigens ist es nothwendig, daß die (fontteU red)tskraftige) Entscheidung sich nur auf die Zuständigkeitsfrage (Verwerfung des Ein. wandes der Unzuständigkeit) erstreckt, da es anderenfalls der „Bestimmung eines zuständigen Gerichts" nid)t mehr bedarf. (Dgl. mzd) Gaupp Nr. lila, Wilm. Levy Anm. 5, Wad) I S. 497, Planck I S. 85 d.) Auf den Grund der Entscheidung kommt es aber nick)t an. Wird ein drittes Gerid)t von dem höheren Gerichte für zuständig erad)tet, so ist das Gesuch mit der Begründung abzuweisen, daß keines der angerufenen Gerichte zuständig sei (vgl. Schulhen. stein S. 81 Anm. 29). — Ueber Kompetenzkonstikte der Gerid)te mit anderen Behörden s. EG. z. CPO. § 15 Nr. 1; GDG. § 17 u. EG. z. GDG. § 17. 8) Nr. 6: Hier liegt ein Bedürfniß zur Bestimmung des zuständigen Gerid)ts nur dann vor, wenn eine der ergangenen Entscheidungen nothwendig unrid)tig ist. Nur in diesen! Falle besteht ein wahrer negativer Kompetenz konflikt. Kläger muß also darthun, daß das eine oder das andere Gerid)t zuständig ist. (Vgl. auch Sarwey I S. 82, Petersen Nr. 9d, Planck I S. 86 d. A.M. Endemann I S. 289; s. aud) Wach I S. 498 a.) Ist ein drittes Geridit zuständig, so hat der höhere Rid)ter das Gesuch abzuweisen (Gaupp Nr. III b, Schultzenstein S. 81 Anm. 30). Im Uebrigen ist auch hier Einheit des Rechtsstreits und rechtskräftiger Ausspnid) (also Abweisung der Klage wegen Unzuständigkeit — burd) End. urtheil) Bedingung. „Gerid)te" sind, wie in Nr. 5, so mtd) hier nur die ordentlid)en (GVG. § 12). 9) In den Fällen der Nr. 5 und 6 ist, obwohl § 36 in dem Titel vom Gerichtsstände steht, dod) bei der allgemeinen Fassung und dem Grundgedanken des Gesetzes die Anwendbarfeit and) bei sachlicher Zuständigkeit bezw. Unzuständigkeit anzunehmen, während die Fälle Nr. 1—4 der Natur der Sad)e nach nur die örtlid)e Zuständigkeit betreffen. (Wilm. Levy Anm. 1, Planck I S. 85 N. 23, Wad) I S. 497. A. M. Endemann I S. 285 Anm. 1, 288 Anm. 13, Sarwey 1 S. 81 f., A. Förster Anm. 4 zu Nr. 5, 6, Wieding im Rechtster. 3 S. 1475, Schultzenslein S. 74). Vgl. § 11 Anm. 1.

§ 37. 1) Abs. 1: „Gesuch" im Gegensatze zu einem — nothwendig in der mündliä)en Ver­ handlung zu erledigenden — „Antrage". Die Ausdrucksweise ist indessen md)t immer fest­ gehalten (s. § 645 Anm. 2; vgl. Fitting in Busd) 7 S. 229 ff., Lehrb. § 30 S. 102, § 44 S. 172 ff., Schultzenstein in Busd) 15 S. 411, Planck I § 71 S. 398ff., Gaupp § 128 Nr. II3). Ueber die Form des Gesud)s ist nid)ts bestimmt; der Anwaltszwang gilt hier nid)t, da das Gesuch fid) nicht an das Prozeßgerid)t wendet; es kattn somit fd)riftltd) eingereicht oder vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden (§§ 44 Anm. 1, 104, 118, 248, Gaupp Nr. I, Seuffert Anm. 1, Schultzenstein S. 78 Annt. 22, jetzt aud) Petersen Anm. 1 rc. A.M. Sarwey I S. 83). 2) „kann------- erfolgen" — vgl. htz 128 Anm. 4b, 133 Anm. 4, aud) § 329 Anm. 5. Die Anhörung des Gegners oder eines betheiligten Gegners (Nordd. Prot. S. 69) unterliegt dem Ermessen des angerufenen Gerichts. Vgl. § 128 Anm. 4 b.

Dritter Titel.

Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte.

Dritter Titel.

§ 38.

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Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte.

§ 38. (38.) Ein an sich unzuständiges Gericht erster Instanz wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig. 9L «nt«. §§ 76, 77. «nt». I. § 37. «ntw. II. § 38. «nt«. III. § 38. Mot. @. 63 —68. Prot. @. 13, 508, 509. Das Verfahren ist gebührenfrei — s. GKG. § 47 Nr. 3. Der Anwalt kann jedoch Gebühren fordern (GO. f. RA. §§ *23 Nr. 1, *29 Nr. 6). Wegen Erstattung dieser Kosten s. § 91. 3) Abs. *2 schließt die Anfechtung des Beschlusses aus, der das zuständige Gericht be» stimmt; insoweit ist der Beschluß des thatsächlich vorgeordneten Gerichts dem Be­ schwerdeverfahren entzogen. Dagegen ist der Auffassung, daß jene Bestimmung eine un­ abänderliche Norm für das bestimmte Gericht und die ihm übergeordneten Gerichte bilde (Nordd. Prot. S. 69, RG. in S. A. 40 Nr. *240; vgl. Sarwey 1 S. 83), nicht zu folgen; viel­ mehr ist anzunehmen, daß in dem späteren Prozeß insoweit, als das die Bestimmung tteffende Gericht überhaupt nicht ein im Jnstanzenzuge höheres Gericht war oder den Anträgen des Gesuchstellers nicht vollständig entsprochen ist oder aber nicht lediglich die Aus­ übung des Ermessens bei der-Auswahl in Frage steht, die Zuständigkeit von neuem Gegenstand der Erörterung und Entscheidung sein kann (Schultzenstein S. 104 ff.). Insbesondere ist der Einwand der Unzuständigkeit noch insoweit zulässig, als das bestimmende Gericht die Voraussetzungen der Zuständigkeit nicht zu prüfen hatte, z. B. im Falle des § 36 Ziff. 4 die Einrede, daß die Klage überhaupt nicht in den dinglichen Gerichtsstand gehöre (Seufsert Anm. 3, Gaupp Nr. 111; s. auch Schultzenstein S. 107 ff.). Die Zurückweisung, des Gesuchs unterliegt der Beschwerde (§ 567; Fitting in Busch 7 S. 25*2).

Dritter Titel. Literatur: Die in Anm. 1 u. § 1 Anm. 2, § 39 Anm. 1, 2 angef. Schriftsteller. Schmidt h 46. Bunsen h l3. Deybeck: Gerichtsstand der Vereinbarung in histor. u. dogmat. Darstellung, 1888. Menzinger: Gerichtsstand d. Vereinb. nach röm. 9L, 1888. Adam: Gerichtsstand d. Vereinb. usw., 1888. Krauß: Vereinb. über die Zuständigkeit, 1888. Köhler in Gruchot 30 S. 481 ff., 31 S. 276 ff., 481 ff. Wach in Grünhut 6 S. 515 ff., 593 ff., 7 S.130 ff. 1) Die CPO. läßt dem Patteiwillen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung gegenüber, welche an sich auch von Amtswegen zur Geltung zu bttngen ist (vgl. S. 1 Anm. 1), einen bedeutend weiteren Spielraum als das gemeine und das preuß. Recht [L. 14 D. de jurisd. (2, 1), Wetzell S. 481 ff., Renaud S. 103 ff., Planck I S. 78 ff., 88 ff., AGO. I 2 §§ 160 ff.]. Die Zuläsflgkeit der „Vereinbarung über die Zuständigkeit" („prorogatio fori“) bezieht sich sowohl auf die sachliche als auf die örtliche Unzuständigkeit, und zwar auch in den Fällen des GVG. § 23 Nr. 2 (s. das. Anm. 13). Der vertragsmäßige (gewillkürte) Gerichtsstand wird eben deshalb hier in besonderem Titel behandelt. Der Vertragsgrundsatz ist hier und in Uebereinsttmmung mit dem Texte in den Mot. so deutlich ausgedrückt, daß dem gegenüber die Folgen des allerdings nebenher wirksamen Präklusionsgrundsatzes, welchem eine größere innere Berechtigung nicht abzusprechen ist, zurücktteten müssen. sDie Frage hat eine umfassende Literatur, vorzugsweise in Anknüpfung an § 39, hervorgerufen. Lediglich der Präklusionsgnmdsatz liegt dem Tit. 3 zu Grunde nach der älteren Ansicht von Wach: Prinzip des gewillkürten Gerichtsstandes im c. A. 62 S. 273 ff. u. in Gruä)ot 24 S. 703 ff., sowie nach Bülow: Civilprozessualische Fiktionen u. Wahrheiten, int c. A. 6*2 S. 41 ff., Just das. 68 S. 276 ff., Köhler in Krit. D. 22 S. 391 ff., Planck I S. 88 ff. (vgl. auch S. 280 ff.), Seufsert § 39 Anm. 2. Im Ergebniß übereinstimmend ist Fitting, Lehrb. S. 40 ff., 56 ff., im c. A. 63 S. 222 ff. u. in Busch 6 S. 278 ff., 339 ff. ; jedoch rügt nach ihm der Gebrauch der sog. Einrede der Un­ zuständigkeit nicht die vorhandene Unzuständigkeit, sondern befreit von der an sich vorhandenen

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§ 38.

Zuständigkeit (vgl. oben S. 1 Anm. 2; „bedingte Unzuständigkeit"). Für den Vereinbarungs. grundsatz treten neben den anderen Kommentatoren (s. z. B. Endemann I S. 291, Gaupp § 39 Nr. I, Wilm. Levy § 39 Anm. 1, A. Förster S. 68 ff., rc.) ein: Petersen in Busch 3 S. 245 ff., Renaud das. 5 S. 1 ff., das. 13 ff., 83 ff.; Francke das. S. 463 ff., Hellmann, Lehrb. S. 126, Birkmeyer: das gegenseitige Verhältniß der §§ 38 ff. und § 247 — jetzt § 274 — Z. 1 u. Abs. 3 der CPO. 1881 S. 38 ff. u. in Busch 5 S. 124 ff. (hauptsächlich gegen v. Amsberg u. Leonhard, s. § 39 Anm. 2); und jetzt auch Wach I S. 501 ff., bes. N. 29 ; gegen dens. vgl. Birkmeyer in Mecklenb. Zeitschr. 6 S. 205 ff. Vgl. auch RG. 1 S. 438, 2 S. 409, v. Kräwel in Busch 2 S. 412 ff., 3 S. 451 u. § 39 Anm. 1, 2]. 2) Die Vereinbarung findet nur entweder vor Beginn des Rechtsstreits (§38\2lnm. 1) oder während der ersten Instanz und stets für diese statt. Vgl. EG. z. CPO. § 7 Anm. 3. Auch kann nicht die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Instanz (Oberlandesgericht oder Reichsgericht) vereinbart werden. 3) Die Einwilligung des zuständigen wie des an sich unzuständigen Gerichts ist nicht erforderlich, selbst nicht bei Vereinbarungen von Ausländern auf ein inländisches Gericht. Vgl. auch § 328 Anm. 2. Auf das Verhältniß der einzelnen Gerichtsabtheilungen zu einander sind die Bestimmungen dieses Titels nicht anwendbar. Vgl. hinsichtlich der Kammern f. Handelssachen GVG. §§ 103 Abs. 2, 104 Abs. 4, 105 Abs. 2.

§ 38. 1) Eine besondere Form der „ausdrücklichen" Vereinbarung ist nicht vorgeschrieben. Letztere kann daher z. B. in den vorbereitenden Schriftsätzen (Wach im c. A. 62 S. 391) und sogar — ohne Rücksicht auf das bürgerliche Recht — mündlich getroffen werden (anders § 1027). (Vgl. auch Dernburg I § 214 Anm. 2.) Eine „stillschweigende" Vereinbarung kann aus jeder schlüssigen Handlung gefolgert werden (s. z. B. RG. in I. W. 1894 S. 422 Nr. 6). Die sonstigen Erfordernisse einer gültigen Vereinbarung bestimmen sich nach dem bürgerlichen Rechte. Dieses entscheidet insbesondere auch über die Anfechtbarkeit wegen Irrthums (vgl. Just im c. A. 68 S. 279). Eine „stillschweigende Vereinbarung" über die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts ist dann nicht anzunehmen, wenn nach dem am Sitze des aus­ ländischen Gerichts geltenden Rechte dieses ausländische Gericht zuständig ist (RG. 37 S. 371 ii. in I. W. 1896 S. 301 Nr. 10). — Nach der allgemeinen Fassung des § 39 in Verbindung mit § 40 kann die Vereinbarung auch außergerichtlich, und zwar schon vor jedem Rechts­ streit, erfolgen; bei der ausdrücklichen wird dies sogar regelmäßig der Fall sein (vgl. Bülow, Disposit. Civilprozeßrecht S. 68 Anm. 41, Wach im c. A. 64 S. 219 N. 9). — Wegen der Klausel im Wechsel „zahlbar aller Orten" s. § 603 Anm. 2, wegen der Widerklage s. § 33 Anm. 2 a. E. 2) „der Parteien" — d. h. des Klägers und des Beklagten. „Daß die Prorogation auch für Nebenintervenienten und Litisdenunziaten bindend ist, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Diese Personen sind Nebenpersonen im Prozesse; ein Recht auf Verhandlung der Sache vor einem bestimmten Gericht steht ihnen nicht zu" (Mot. S. 68). 3) Der gewillkürte Gerichtsstand ist nicht nothwendig ein ausschließlicher. Die Ausschließlichkeit unterliegt freier Vereinbarung. Ist eine solche nicht getroffen, so schließt die Prorogation die Befugniß des Klägers nicht aus, trotzdem den an sich zuständigen Richter anzugehen. (Schwalbach im c. A. 64 S. 293 Anm. 54 u. Hellmann, Lehrb. S. 127 legen mit Unrecht der Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts prozessuale Wirkung überhaupt nicht bei; Kleinfeller in Krit. V. 35 S. 536 erachtet es umgekehrt für un­ zulässig, dem zuständigen Gerichte seine Zuständigkeit zu nehmen.) Indessen wird jene stärkere Bedeutung der Vereinbarung der Natur der Sache nach regelmäßig als gewollt anzusehen sein; eine Rechtsvermuthung besteht aber nicht (Wilm. Levy, Seuffert Anm. 2; vgl.

Dritter Titel.

Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte. § 39.

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§ SS. (39.) Stillschweigende Vereinbarung ist anzunehmen, wenn -er Be­ klagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich ver­ handelt hat. 9L Eutw. $ 76. Eutw. I. § 38.' Eutw. II. § 39. Eutw. III. § 39. «vt. S. 63 —68. Prot. S. 13. Dernburg a. a. O., Wach I S. 504 N. 36. Für Rechtsvermuthung Westerburg in Gruchot 21 S. 591, 25 S. 65 Anm. 33. Gegen die Annahme der Ausschließlichkeit OLG. Dresden in Busch 9 S. 314); Voraussetzung ist daher, daß die Vereinbarung einen Verzicht auf die sonstigen, gesetzlich begründeten Gerichtsstände ergiebt (RG. in S. A. 54 Nr. 248). Eine Vereinbarung ist auch dahin wirksam, daß ein gesetzlich gegebener Gerichtsstand mit Ausschluß anderer gesetzlich gegebener Gerichtsstände allein gelten solle (RG. in S. A. 49 Nr. 260). § 39. 1) § 39 behandelt einen Hauptfall der stillschweigenden Vereinbarung. Als solche gilt es („ist anzunehmen" — praesumtio Juris et de jure), wenn der Beklagte zur Hauptfache (f. § 271 Anm. 4) ohne Widerspruch gegen die Zuständigkeit mündlich verhandelt (§§ 274, 504 Anm. 1, 506 Anm. 2, 510 Anm. 5, RG. in I. W. 1900 S. 12). Wegen der Wirkung des Antrags des Beklagten auf Erlaß des Dersüumnißurtheils (§ 330) s. § 342 Anm. 1. § 39 wird jedoch durch § 274 ergänzt und näher bestimmt; die Ausnahme des § 274 Abs. 3 schützt daher auch gegen jene Annahme (s. Wach im c. A. 62 S. 382, Endemann I S. 294, Wilm. Levy Anm. 1, Fitting Lehrb. S. 57 N. 5 u. im c. A. 63 S. 227, v. Amsberg das. 65 S. 94 f., Just das. 68 S. 271 ff., Birkmeyer a. a. O. S. 9, Leonhard in Busch 4 S. 403 f., Francke das. 5 S. 470 f., Planck I S. 92 N. 25, Deybeck a. a. O. S. 168 ff. AM. Seuffert § 247 Anm. 11 iL in Busch 11 S. 194, Bülow, Civilpr. Fikt. S. 42 Anm. 38, 39, Peterfen Nr. III 24 u. in Busch 3 S. 250, Köhler im c. A. 70 S. 222, jetzt auch Wach I S. 507 sals Folge der Fiktion] u. Gaupp Nr. III). § 39 gilt auch für Widerklagen (RG. in I. W. 1899 S. 813. S. auch §§ 3 Anm. 1, 504 Anm. 2.) 2) Dagegen ist aus dem Nichterscheinen oder Nichtverhandeln des Beklagten im DerHandlungstermine (f. § 333, v. Amsberg a. a. O. S. 100) nicht auf eine stillschweigende Vereinbarung zu schließen. In diesem Falle, welchen § 39 gar nicht berührt, hat fich der unzuständige Richter vielmehr von Amtswegen für unzuständig zu erklären (§§ 331, 333). [6o auch RG. 1 S. 438, 2 S. 409; in eingehender, namentlich auch rechtsgeschichtlicher Be­ gründung v. Amsberg a. a. O. S. 58 ff., Peterfen Nr. III 22 sowie in Busch 2 S. 190 ff., 3 S. 251 ff., Gaupp Nr. II, Seuffert Anm. 3, A. Förster Anm. 1, Wieding im Rechtslex. 3 S. 1473, Birkmeyer a. a. O. S. 67 ff. (deffen Gründen aber nicht beizupflichten ist) u. in Busch 5 S. 124 ff., Bülow, Dispos. Civilprozeßrecht S. 32, Köhler in Krit. D. 22 S. 391 ff. u. im c. A. 70 S. 212 ff., 216 ff., Leonhard a. a. O. S. 403 ff. (vorzugsweise gegen Birkmeyer), Renaud in Busch 5 S. 42 f., Vierhaus das. S. 70 ff., Francke das. S. 471 ff., Just a. a. O. S. 292 ff. (gegen Birkmeyer S. 304 ff., Planck I S. 92, Deybeck a. a. O. S. 138 ff., jetzt auch Wach I S. 507 nach Aufgabe des Präklusionsgrundsatzes (vgl. Dortr. S. 317) u. A. A.M. Wach im c. A. 62 S. 386 ff. u. in Gruchot 24 S. 703 ff. (zustimmend auch Fitting Lehrb. S. 58 N. 6, sowie im c. A. 63 S. 229 ff. u. in Busch 6 S. 53 ff. ^dagegen wieder Birkmeyer das. 7 S. 474 Anm. 409, 487 ff.], Bolgiano in Busch 24 S. 173, Schwalbach im c. A. 64 S. 258 Anm. 4, Löning in Busch 4 S. 178 Anm. 138, John, Strafprozeßordn. Erlangen 1881. S. 201 Anm. 11) auf Grund des Präklusionsgrundsahes — s. die Vordem. 1 zu Tit. 3 — womit jedoch die Hervorhebung der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache in § 39 praktisch bedeutungslos und schwer vereinbar, ja § 39 überhaupt entbehrlich würde (vgl. v. Amsberg a. a. O. S. 77).] Unvereinbar mit der bestimmten Fassung des § 39 ist die Ansicht Renaud's a. a. O. S. 38 ff. (vgl. dagegen Fitting in Busch 6 S. 270 ff.; s. auch Hellmann, Lehrb. S. 126, Wach I S. 506 ff.).

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§§

40, 41.

§ 4V. (40.) Die Vereinbarung hat keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältniß und die aus demselben entspringenden Rechts­ streitigkeiten sich bezieht. Die Vereinbarung ist unzulässig, wenn der Rechtsstreit andere als ver­ mögensrechtliche Ansprüche betrifft, oder wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. 9t E«tw. §§ 76, 78. S. 65-68. Prot G. 13. Vierter Titel.

Entw. I. § 39.

Gntw. II. § 40.

Errtw. III. § 40.

Mot

Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersouen.

§ 41. (41.) Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Ge­ setzes ausgeschloffen: 3) Erfolgt die Abweisung wegen Unzuständigkeit nicht, so muß der Beklagte gegen das verurtheilende Erkenntniß rechtzeitig den Einspruch (oder die Berufung — § 513) einlegen, widrigenfalls das Urtheil in Rechtskraft übergeht. Ist der Einwand der Unzuständigkeit ohne Erfolg erhoben oder schuldlos versäumt, so kann darauf die Berufung oder Revision gegründet werden (§§ 528, 551 Nr. 4, 566). Wegen der Kosten im Falle erfolgreichen Einspruchs s. § 344 Anm. 2, Wach in Gruchot 24 S. 719. Ueber die Gebühren s. GKG. § 26 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2, GO. f. RA. § 20.

§ 40. 1) §40 bezeichnet die Fülle, in welchen die Vereinbarung unzulässig oder unwirksam ist. Abs. 1 verlangt einen gewissen begrenzten Inhalt der Vereinbarung. Ein Verttag z. B., wonach für alle Rechtsstteitigkeiten der Betheiligten ein Gerichtsstand bestimmt wird, ist ungülttg. Nicht nothwendig ist dagegen, daß die Vereinbarung sich nur auf den vorliegenden Rechtsstreit erftrecft. Es genügt vielmehr auch eine allgemeine, den Erfordernissen des Abs. 1 entsprechende Vereinbarung, z. B. in den Satzungen einer Gesellschaft (Nordd. Prot. S. 73). (91®. 36 S. 422.) Vgl. §§ 17 Abs. 3, 1026. Die Ausschließung einer ganzen Gattung von Gerichten, z. B. der Amtsgerichte, ist nicht unbedingt unzulässig, wohl aber der Ausschluß einer Gattung von Gcrichtsabtheilungen, z. B. der Miimmmt für Handelssachen (Gaupp § 38 Nr. 23; vgl. Anm. 3 vor § 38, auch ROHG. 23 S. 265). 2) Abs. 2: Nur in den Fällen, wo mehr oder weniger ein öffentliches Interesse ob­ waltet, ist die Dereinbanmg ausgeschlossen. „andere alö vermögensrechtliche Ansprüche" — vgl. § 20 Anm. 2. „ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet" — d. h. durch Gesetz, nicht durch Verttag, und zwar entweder örtlich, z. B. § 24 (vgl. § 12 Anm. 1) oder sachlich (GVG. § 70 Anm. 2) oder beides zugleich [§§ 606, 648, 665, 676, 679, 680, 684, 686, 689, 764, 802, 828, 919, 936 rc., 1005 Abs. 2; ZVG. § 1, KO. § 146 Abs. 2; Genossensch.-Ges. (RGBl. 1898 S. 810) §§ 112, 115 Abs. 2]. In dem ersten Falle kann aber in sachlicher, in dem zweiten in örtlicher Beziehung vereinbart werden; das „wenn" bedeutet hier: „insoweit" vgl. z. B. § 879 Anm. 5, A. Förster Anm. 2b u. A). Wegen §§ 924, 925 CPO. s. R®. 28 S. 362, 374, wegen der Konsulargerichtsbarkeit s. R®. in I. W. 1889 S. 484 Nr. 18, wegen der Streitig­ keiten, die nicht vor die ordentlichen Gerichte gehören, GVG. § 13 Anm. 10. 3) In den Fällen des §40 hat sich das Gericht von Amtswegen für unzuständig zu erklären. Vgl. aber § 280 Anm. 2. Wegen der Gebühren f. § 39 Anm. a. E.

Vierter TUel. 1) Don der Fähigkeit zum Richteramt an sich und der Ernennung der Richter handelt GVG. Tit. 1. Sind diese Vorschriften verletzt, so ist die Revision oder Nichttgkeitsklage

Starter Titel. Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. § 41.

49

1. in Sachen, in welchen er selbst Partei ist, oder in Ansehung welcher er zu einer Partei in dem Verhältnisse eines Mtberechtigten, Mitverpflichteten oder Regreßpflichtigen steht; 2. in Sachen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit welcher er in gerader Linie verwandt, ver­ schwägert oder durch Adovtion verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschast begründet ist, nicht mehr besteht; 4. in Sachen, in welchen er als Prozeßbevollmächtigter oder Beistand einer Pattei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Pattei auszutteten berechttgt ist oder gewesen ist; 5. in Sachen, in welchen er als Zeuge oder Sachverständiger vemommen ist; 6. in Sachen, in welchen er in einer früheren Instanz oder im schieds­ richterlichen Verfahren bei der Erlaffung der angefochtenen Entscheidung mitgewittt hat, sofern es sich nicht um die Thätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. «. Gut«. §§ 88, 83. Entw. 1. § 40. Entw. II. § 41. ®. 68—70. Prot. ®. 13, 509.

Entw. III. § 41. Mot.

begründet (CPO. §§ 551 Nr. 1, 579 Nr. 1). Für die Geltendmachung des auch in diesen Fällen selbstverständlich jeder Partei zustehenden Ablehnungsrechts sind die §§ 44 ff. entsprechend anzuwenden. (So auch Wilm. Levy S. 86, Wach I S. 334 N. 5, Planck I S. 115 a. E. AM. Seuffert Anm. 1 vor § 41.) Wegen des Falles, wenn eine zum Richteramt überhaupt nicht berufene Person das Urtheil erlaffen hat, s. § 579 Anm. 4. 2) Der vierte Titel behandelt nur die relative Behinderung (aus dem Verhältniffe zu der vorliegenden Sache nach ihrer persönlichen oder sachlichen Seite) und unterscheidet zwischen wirklicher Unfähigkeit oder Ausschließung kraft Gesetzes (judex inhabilis) und bloßer Ablehnbarkeit (Rekusabilitüt — judex suspectus; §42 Abs. 2). Die Bedeutung des Unter­ schieds liegt in der Wirkung. (Dgl. §§41 Anm. 1, 42 Anm. 1, 43, 48 Anm. 1.) Das Derfahren für beide Fälle ordnen die §§ 44—48. (VgL Hellmann, Lehrb. S. 180ff., Planck I S. 116 ff.) Die §§ 41—49 gelten für jedes durch die CPO. geregelte Verfahren, z. B. auch für daS Verfahren nach §§ 485 ff., die Zwangsvollstreckung, die gerichtliche Thätigkeit im schiedsrichterlichen Verfahren (vgl. Seuffert § 41 Anm. 2). Dgl. auch StPO. §§ 22—32. 3) Die Vorschriften der §§41—48 gelten auch für die Gerichtsfchreiber (§49) und Handelsrichter (GVG. § 116). Auch ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden (CPO. § 1032 Abs. 1). Gegenüber den Beamten der Staatsanwaltschaft (§§ 607, 634, 640, 641, 646, 675) gewährt die CPO. den Parteien kein Ablehnungsrecht. Vgl. Mot. S. 73. Wegen der Gerichtsvollzieher vgl. GVG. § 156. — Ueber die Ablehnung von Sach­ verständigen s. CPO. §406, von Dolmetschern GVG. § 193. § 4L 1) „kraft Gesetzes ausgeschlossen" — d. h. der Richter ist aus öffentlichen Rück­ sichten nicht befugt, in dem betreffenden Falle sein Amt auszuüben; er hat sich der Theilnähme zu enthalten, gleichviel ob er von einer der Parteien abgelehnt worden ist oder nicht. Eine Entscheidung des Gerichts ist in dem letzteren Falle nur erforderlich, wenn Zweifel darüber entstehen, ob die Voraussetzungen der Ausschließung vorliegen (§ 48), und beschränkt sich auf Lösung dieser Zweffel. Die Ablehnung wegen Ausschließung kann in jeder Lage des Struckmau» u. Koch, Stvtlprozeßord»mrg. 8. Butt. I. 4

50

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Gerichte.

§ 41.

Prozesses erfolgen (anders wegen Besorgniß der Befangenheit — § 43). Die Handlungen, bei denen ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat (Beweisaufnahme, Eidesleistungen rc.), sind ungülttg. Die Ungülttgkeit ist jeder Zeit von Amtswegen zu beachten. Die Entscheidungen, bei denen ein solcher Richter mitgewirkt hat, bestehen aber so lange fort, bis sie aufgehoben werden, was bei Urtheilen nur durch Rechtsmittel, Einspruch oder Nichtigkeitsklage (§§ 551 Nr. 2, 579 Nr. 2) geschehen kann (vgl. Seuffert Anm. 1, Wach I S. 335 N. 7, Hellmann, Lehrb. S. 182, Planck I S. 117, Löwe, Kommentar z. StPO. 10. Ausl. § 22 Anm. 2 a. A.M. Gaupp Nr. 1 3 u. A.). „in Sachen" — mit Rücksicht auf den gleichen Ausdruck unter Nr. 1—6 (vgl. be­ sonders Nr. 4—6) gleichbedeutend mit „im Prozeßverfahren" (vgl. Anm. 2 vor § 41 a. E.), so daß Dorprozesse, welche denselben Prozeßgegenstand betreffen — insbesondere bei Nr. 4 — nicht hierher gehören (A.M. Wach I S. 337 N. 14; vgl. auch Planck I S. 117 N. 8, Gaupp Nr. II i. A. u. zu Ziff. 4, 5). 2) Auf die Kenntniß deS Richters von dem Ausschließungsgrunde kommt es nicht an. 3) Nr. 1: „selbst Partei" — Haupt- oder Nebenpartei. Die bloße Stteitverkündung (§ 72) ohne Beitritt (§ 74) genügt nicht. „Mitberechtigten, Mitverpslichteten" — mitverpflichtet z. B. als Bürge, Mit­ glied der beklagten offenen Handelsgesellschaft oder Genossenschaft (RGes. v. 1. Mai 1889 i. d. Fassung v. 20. Mai 1898 - RGBl. S. 810 - §§ 105, 122, 128, 130, 131, 141). Indessen sind jene Begriffe im engeren Sinne zu verstehen. Mittelbares Interesse, z. B. Mitbetheiligung als Aktionär, falls es sich nicht um Individualrechte der Aktionäre handelt (s. ROHG. 15 S. 340, 18 S. 170), oder als Gemeindemitglied, kann nur nach § 42 als Ablehnungsgrund in Bettacht konnnen (Nordd. Prot. S. 98), ebenso die Mitgliedschaft einer beklagten Versorgungs­ anstalt (Verein) (RG. 7 S. 311) und wohl auch die Mitgliedschaft einer Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung (R.Ges. v. 20. April 1892 i. d. Fassung v. 20. Mai 1898 — RGBl. S. 846 —). In den Prozessen einer solchen Gesellschaft gegen den Empfänger rechtswidrig geleisteter Zahlungen (§31 a. a. O.) ist allerdings der Gesellschafter wegen seiner in Abs. 3 das. geregelten Haftung ausgeschlossen. Daß der Richter in den hier bezeichneten Verhältnissen zu beiden Parteien steht, wendet die Ausschließung nicht ab. 4) Nr. 2: „Ehefrau" — auch nach geschiedener oder aus Nichtigkeits- oder An­ fechtungsklage für nichtig erklärter, nicht aber bei nur scheinbarer Ehe. Das Verlöbnis; (§§ 383 Nr. 1, 384) kommt nur als Ablehnungsgrund in Betracht. 5) Nr. 3: Die Berechnung der Nähe der Verwandtschaft rc. richtet sich nach bürg. Rechte (BGB. §§ 1589, 1590), ebenso die Frage, inwieweit uneheliche Verwandtschaft rechtlich als Verwandtschaft gilt (vgl. Gaupp Nr. II zu Ziff. 3). Ein uneheliches Kind ist mit seiner Mutter und deren Verwandten (BGB. § 1705), nicht aber mit seinem Vater verwandt (§ 1589 Abs. 2 a. a. O.). Die durch nachfolgende Ehe oder Ehelichkeitserklärung Legitimirten haben die rechtliche Stellung ehelicher Kinder (BGB. §§ 1719, 1723, 1736) mit der in § 1737 das. hervorgehobenen Beschränkung. „durch Adoption" — s. BGB. §§ 1741 ff. „bis zum" — d. h. einschließlich dieser Grade. Verwandtschaft mit dem gesetzlichen Vertreter der Partei ist nicht Ausschließungsgrund (Gaupp Nr. II zu Ziff. 3. A.M. Wilm. Levy Anm. 4). 6) Nr. 4: Der gewesene und der gegenwärtige Prozeßbevollmächtigte (§§ 78—79), Beistand (§ 90) oder gesetzliche Vertreter (51) in derselben Sache; handelt es sich nur um einen Vorprozeß, so ist das Verhältniß nur Ablehnungsgrund. Dgl. Anm. 1 a. E. 7) Nr.j 5: „vernommen ist" — Der bloße Vorschlag genügt nicht. Der Richter kann also in die Lage kommen, über seine eigene Vernehmung zu beschließen (Prot. S. 771).

Vierter Titel.

Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. § 42.

51

§ 42. (42.) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in welchm er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt weroen. Wegen Besorgniß der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wmn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das Ablehnungsrecht steht in jedem Falle beidm Parteien zu. «. Entw. §§ 23, 24. ent». I. § 41. ent». II. § 42. ent». III. § 42. Mot. *. 70, 71. Prot. @. 13. Ist er aber vernommen, so ist es unerheblich, ob die Benennung etwa nur zum Zwecke der Ablehnung bewirkt ist. 8) Nr. 6: „bei der Erlassung" — also als Richter, nicht als Gerichtsschreiber (vgl. §§ 315, 316) oder Staatsanwalt. sWilm. Levy Anm. 7, Petersen Nr. 12d.] Die „Berkündüng gehört hier nicht zur Erlassung der Entscheidung (RG. 26 S. 383); vgl. tz 551 Ziff. 2: „bei der Entscheidung-------mitgewirkt hat". „der angefochtenen Entscheidung" — d. h. durch Rechtsmittel, also nicht durch Einspruch (§ 338 Anm. 3). Auf die Mitwirkung bei anderen richterlichen Handlungen, z. B. der Beweisaufnahme oder bei anderen Entscheidungen, z. B. der (rechtskräftigen) Zurückverweifung (§§ 538, 565), oder auf Arrestanträge oder bei der Entscheidung, gegen welche die Restitutionsoder Nichtigkeitsklage gerichtet ist, kommt es nicht an (vgl. RG. in I. W. 1895 S. 518); anders, wenn die Entscheidung, an welcher der Richter theilgenommen, als „Zwischenurtheil" zugleich mit dem Endurtheil angefochten ist (vgl. §§ 512, 548). „sofern — handelt" — Dieser Thätigkeit steht die frühere Mitwirkung nicht ent. gegen und umgekehrt. „beauftragten oder ersuchten Richters" — vgl. § 165 Anm. 2. Daß der Richter die angefochtene oder der Auslegung nach streitige Urkunde auf. genommen hat, kann nur als Ablehnungsgrund dienen (Nordd. Prot. S. 103 f.). 8 42. 1) Schließt sich der Richter in den Fällen des § 41 nicht selbst aus, so kann jede Partei ihn ablehnen. Außerdem aber ist es ein Parteien-Recht, „wegen Besorgniß der Befangen heit" den Richter abzulehnen. Die CPO. beschränkt sich auf den Ausdruck dieses in Abs. 2 noch näher e bestimmten Grundsatzes, ohne (mit dem N. E. § 23 rc. — z. B. das Ertheilen eines Rathes oder Gutachtens in der Sache rc.) einzelne Fälle aufzuzählen. Dgl. § 551 Nr. 2, 3. Die Ablehnung ist keine „prozeßhindernde Einrede", wie Bolgiano S. 49 meint (f. §§ 45, 46, 274, Anm. 3, Osterloh in Busch 3 S. 75). 2) Abs. 2: Nicht auf die Besorgniß der ablehnenden Partei, sondern darauf kommt es an, ob sachlich ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen (RG. in I. W. 1899 S. 87). Ein Ablehnungsgesuch, das, ohne ernstliche Um. stände anzuführen, fich offensichtlich als Mißbrauch — z. B. zur Verschleppung — darstellt, schließt die Mitwirkung der abgelehnten Richter nicht aus (RG. 44 S. 402). Die Theilnahme an dem Erlaß eines dieselbe Frage betreffenden Urtheils in einem anderen Rechtsstreit oder eine literarische, amtliche oder parlamentarische Aeußerung über die Rechtsfrage gehört nicht hierher (vgl. RG. in S. A. 36 Nr. 299; OLG. Zena das. 47 Nr. 84); ebensowenig in der Regel die Betheiligung an der beklagten Sparkasse oder Versorgungsanstalt mit Einlagen (RG. 7 S. 312). 3) Auch der Nebenintervenient darf ablehnen, sofern nicht die Hauptpartei dieses Recht bereits nach § 43 verloren hat (A.M. A. Förster Anm. 3) oder widerspricht (s. Petersen Nr. 7, Gaupp Nr. III, Seuffert Anm. 2. A.M. Hellmann I S. 176).

52

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Erster Abschnitt. Gerichte. §§ 43, 44.

§ 43. (43.) Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgniß der Be­ fangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung sich eingelassen oder Anträge gestellt hat. 71.

9t. Srrtw. $ 25. »rot. T. 43.

E«tw. I. § 42.

E»tw. II. § 43.

Entw. III. § 43.

Mot. G. 70,

§ 44. (44.) Das Ablehnungsaesuch ist bei dem Gerichte, welchem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. § 43. Das Parteirecht, den Richter wegen Besorgniß der Befangenheit abzulehnen, ist verzichtbar und geht daher auch durch Versäumung im Prozesse verloren. Dagegen kann ein gesetzlicher Ausschließungsgrund durch das Verhalten der Parteien nicht geheilt werden (RG. 44 S. 392). Ist der Ablehnungsgrund nicht rechtzeitig geltend gemacht, so muß später die Entschuldbarkeit der Versäumung glaubhaft gemacht werden (§ 44 Abs. 4). Die Revision und die Nichtigkeitsklage gegen die Sachentscheidung auf Grund der Theilnahme eines wegen Besorgniß der Befangenheit ablehnbaren Richters an der Entscheidung finden nur statt, wenn die Ablehnung erfolgt und für begründet erklärt war (§§ 46 Abs. 2, 551 Nr. 3, 579 Nr. 3). 2) „in eine Verhandlung" — gleichviel ob zur Hauptsache (wie tut § 39) oderunter Geltendmachung prozeßhindernder Einreden (§ 274). (Vgl. auch GVG. § 106 Anm. 1, Petersen §§ 43—46 Nr. 2 sowie in Busch 2 S. 167 ff., Bolgiano tut c. A. 76 S. 316 ff.) „sich eingelassen" — sei es als Beklagter oder als Kläger (A.M. Hellmann I S. 177), persönlich oder durch den Prozeßbevollmächtigten (RG. in I. W. 1900 S. 129). Der engere Sinn der Stteiteinlassung (Litiskontestation; vgl. § 253) ist hier mit dem Ausdrucke nicht ver­ knüpft (s. Birkmeyer tut c. A. 66 S. 47). Vgl. § 44 Abs. 4, Planck 11 S. 71 N. 22. „Anträge gestellt" — ohne Unterschied des Gegenstandes; auch ein bloßer Ver­ tagungsantrag gehört hierher (Seuffert Anm. 2a, Wilm. Levy Anm. 3, Wach I S 343ff., Planck I S. 394 u. 512. A M. Petersen a. a. O. Nr. 3 u. in Busch 2 S. 169, Fitting das. 7 S. 229ff., namentlich S. 253ff., welcher zwar in § 43 den Ausdruck „Anträge " in weitester, die „Gesuche" einschließender Bedeutung nimmt, aber gleichwohl den Vertagungsantrag aus­ schließen will, weil in dessen Stellung kein positiver Ausdruck des Vertrauens zu dem Richterliege), ebenso ein bloßer Derweisungsantrag nach § 106 GVG.; nicht aber der lediglich in Folge vereinbarter Aufhebung des Tennins (§ 227 Abs. 1) gestellte Antrag auf Ansetzung eines anderen Termins (RG. 36 S. 378), da hierin der Entscheidung des Gerichts nichts unterbreitet und daher ein stillschweigender Verzicht aus das Ablehnungsrecht nicht zu finden ist. Die bloße Zustellung der Klage oder die Einreichung einer Klagebeantwortung wirken hier noch nicht ausschließend. Auch die bloße Einreichung der Klage beim Amtsgerichte (§ 496) kann noch nicht als Antrag geltett und ebensowenig die Einreichung beim Gerichtsschreiber zur Terminsbestimmung im Anwaltsprozesse (§ 216). Es ist ein Antrag in der mündlichen Verhandlung gemeint (vgl. § 37 Anm. 1). (So Petersen a. a. O. Nr. 3, Wilm. Levy Anm. 3, Wach 1 S. .341 ff., der mit Recht die hier zu machende Unterscheidung zwischen „Gericht" und „Richter" hervorhebt. A.M. Puchelt I S. 210; vgl. RG. 44 S. 392.) In einem Verfahren ohne obligatorische mündliche Verhandlung ist die Ablehnung allerdings schon dann ausgeschlossen, wenn die Partei, obwohl ihr die Person des Richters und der Ablehnungsgrund bekannt war, bei diesem Richter schriftlich Anträge gestellt oder sich schriftlich eingelassen hat (Seuffert Anm. 3 b). §44. 1) Das Verfahren beginnt in einem „Gesuche" der Partei (f. § 37 Anm. 1), das auch in Anwaltsprozeflen (§ 78) schriftlich bei Gericht eingereicht oder vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden kann (RG. 36 S. 363). Vgl. GVG. § 154.

Vierter Titel.

Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. § 45.

53

Der Ablehmmgsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eibesstatt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaft­ machung kann auf das Zeugniß des abgelehnten Richters Bezug genommen werden. Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Wird ein Richter, bei welchem die Partei in eine Verhandlung sich einge­ lassen oder Anträge gestellt hat, wegen Bcsorgniß der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, -aß der Ablehnungsgrund erst spater entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. «. entto. §§ 26, 27. E«tw. I. § 43. @nt». II. § 44. @nt». III. § 44. Mot. S. 71. Prot. G. 13, 14, 510. — Rov. § 44; Korn.-«. S. 86, Kom.-Beschl. § 44. § 45. (45.) Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, welchem der Abgelehnte angehört; wenn dasselbe durch Ausscheiden des abgelehnten Mit­ gliedes beschlußunfähig wird, das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht. Wird ein Amtsrichter abgelehnt, sö entscheidet das Landgericht. Einer Ent­ scheidung bedarf es nicht, wenn der Amtsrichter das Ablehnungsgefuch für be­ gründet Hält.

«. Gntw. §§ 88, 89. G. 71. Prot. 6/13, 14.

Gntw. I. § 44.

Entw. II. § 45. Entw. III. § 45. Mot.

2) Im Abs. 2 hat die RTK. v. 1898 an Stelle der Worte „der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen" im Anschluß an § 294 die jetzige Fassung gewählt. Auf die Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes finden die Vorschriften des § 294 Anwendung; nur die Verficherung an Eidesstatt ist ausgeschlossen. — Der auf den Kalumnieneid zurückzuführende sog. Perhorrescenzeid (Wetzell S. 422, Planck I S. 120 N. 30) ist abgeschafft. Dagegen ist die Glaubhaftmachung dadurch erleichtert, daß sie durch Bezugnahme auf das Zeugniß des Richters („Zeugniß" nicht im technischen Sinne, sondern als „dienstliche Erklärung" zu verstehen — vgl. Prot. z. StPO. S. 1129s.) erfolgen kann und dieser auch ohne solche Bezugnähme auf Verlangen des Gerichts (Gaupp Nr. II) zur dienstlichen Aeußerung verpflichtet ist. Vgl. StPO. § 26. 3) Bei der nach Abs. 4 erforderlichen Glaubhaftmachung ist die eidesstattliche Verficherung der Partei als Mittel nicht^ausgeschloffen (Nordd. Prot. S. 2328, Mot. S. 71).

8 45. 1) Abs. 1: „das Gericht — angehört" — d. h. die Kammer oder der Senat, welcher in der Sache zu entscheiden hat. „wenn dasselbe — beschlußunfähig wird" — Dies ist nicht der Fall, solange noch ein Dertteter (wenngleich unter den Mitgliedern anderer Kammern, z. B. der Sttafkammern, oder sogar anderer Gerichte) vorhanden ist (vgl. GVG. §§ 22 Anm. 4, 62, 65—67, 69, Preuß. AG. z. GVG. § 38 ; RG. 16 S. 413). Dagegen liegt Beschlußunfähigkeit vor, wenn nur nach § 69 Abs. 1 GVG. durch die Justtzverwaltung Abhülfe geschaffen werden kann (s. oben § 36 Anm. 2 a. E.). Wegen offensichtlich mißbräuchlicher Ablehnung s. § 42 Anm. 2. 2) Abs. 2: Der Amtsrichter (§ 44 Abs. 1) hat das Gesuch dem Landgerichte zur Ent­ scheidung vorzulegen, sofern er es nicht für begründet hält (Anm. 3). Das Landgericht hat, auch wenn eine Entscheidung nicht erforderlich ist (Anm. 3), daS zuständige Gericht zu bestimmen, sofern nicht ein Stellvertreter bei demselben Amtsgerichte (Preuß. AG. z. GVG. § 24) vorhanden ist, welchem die Verhandlung des Rechtsstteits ohne Weiteres überlassen werden darf. Vgl. § 46 Anm. 2. (So auch Gaupp Nr. II, Petersen §§ 43-46 Nr. II u. A. A.M. Puchelt I S. 215, 218.) 3) Hält der Amtsrichter die Ablehnung für begründet, so ersetzt dies den Beschluß, durch welchen das. Gesuch für begründet erklärt wird. Die Zustimmung des Dertteters außer der des

54

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Erster Abschnitt. Gerichte. §§ 46, 47.

§ 46. (46.) Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch kann ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch weichen das Gesuch für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch für un­ begründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt. -r. Gut«. §§ 30, 31. Gut«. I. § 45. Hut«. II. § 46. Eutw. III. § 46. T. 71. Prot. S. 13, 14, 510, 511.

Mot.

§ 47. (47.) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungs­ gesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, welche keinen Aufschub gestatten. N. Eutw. § 33. Eutw. I. § 46. Eutw. II. § 47. Prot. T. 14.

Eutw. III. § 47. Mot. 3. 7L.

Amtsrichters ist nicht erforderlich. Jener tritt vielmehr ohne Weiteres anstatt des abgelehnten Richters ein. 4) Wegen gleichzeitiger Bestimmung des zuständigen Gerichts s. §. 36 Anm. 3. 5) Das Verfahren ist gebührenfrei (GKG. § 47 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 2). Vgl. jedoch GO. f. RA. §§ 23 Nr. 1, 22 Nr. 6. Die außergerichtlichen Kosten gehören, wenn die Ablehnung Erfolg hatte, zu den der unterliegenden Partei zur Last fallenden Prozeßkosten. (So auch Seuffert § 46 Anm. 3, Gaupp § 46 Nr. III.)

§46. 1) Abs. 1: Dgl. §§ 128 Anm. 4b, 133 Anm. 4. Abs. 2: Es ist davon ausgegangen, doch der Gegner des Ablehnenden an der Ableh­ nung kein Interesse habe, „da prinzipiell alle Richter zur Entscheidung des Rechtsstteits gleich befähigt find". Daher findet gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch für begründet erklärt wird, kein Rechtsmittel statt, und zwar auch dann nicht, wenn der Beschluß eine Bestimmung über das zuständige Gericht zur Folge hat (§ 36). 2) Von dem gleichen Grundgedanken aus kann das Ablehnungsgesuch „auch kurzer Hand dadurch erledigt werden, daß der abgelehnte Richter ausscheidet und ohne Weiteres ein anderer Richter für ihn eintritt (HE. § 38)." (Mot. 3. 72.) Ein förmlicher Beschluß ist in diesem Falle nicht erforderlich (Seuffert § 45 Anm. 1, Gaupp § 45 Nr. I a. E., Wach I 3. 344. A.M. Hellmann 1 3. 180). Selbstverständlich muß der eintretende Richter ein anderes Mitglied der Kammer oder der bestellte Stellvertreter sein. Vgl. GVG. § 62 Anm. 3 und oben § 45 Anm. 1—3. Hinsichtlich der von dem zurücktretenden Richter vorgenommenen Handlungen gilt dasselbe, als wenn das Ablehnungsgesuch durch Beschluß für begründet erklärt wäre (3eusfert § 45 Anm. 1; unten § 47). 3) „sofortige Beschwerde" — Dieses Rechtsmittel, welches an eine Nachfrist gebunden ist (§ 577), sichert gegen Verschleppung des Rechtsstreits. Es steht nach allgemeinen Grund­ sätzen nur dem Anttagsteller zu. Es findet auch statt, wenn das Gesuch aus Grund des § 43 zurückgewiesen wird (Wach I S. 344). Vgl. § 47 Anm. a. E. Die Beschwerde unterliegt, wenn der RechtSstteit, in dem sie erhoben, beim Amtsgericht anhängig ist oder war, nach § 569 Abs. 2 nicht dem Anwaltszwange (RG. in 3. A. 50 Nr. 276).

§47. Im Interesse des Prozeßgegners ist der wegen Besorgniß der Befangenheit oder eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes (Planck I 3.121 N. 37, 3eufsert Anm. 1. A.M. Gaupp Nr. I) abgelehnte Richter verpflichtet, Handlungen, die keinen Aufschub gestatten, vorzunehmen und zwar auch ohne besonderen Antrag; er soll aber auch nur solche vornehmen. Ob der wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält oder nicht, ist gleichgültig. Dagegen darf ein Richter, der sich selbst für ausgeschlossen erachtet, nach § 41 auch unaufschiebbare Handlungen nicht vornehmen (Planck a. a. O., Seufiert Anm. 2). Da § 47 nur eine Anweisung für den Richter enthält, so sind, falls das Ablehnungs-

Viert« Titel.

Ausschließung und Ablehnung her Gerichtspersonen.

§§ 48, 49.

55

§ 48. (48.) Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältniffe Anzeige macht, welches ferne Ab­ lehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter traft Gesetzes ausgeschlossen sei. Die Entscheidung erfolgt ohne vorgängiges Gehör der Parteien. 9t. «utw. § 34.

73.

ent». I. § 47. ent». II. § 48. ent». III. § 48. Mot. 2. 7t,

Prot. 2. 14, 511.

§ 49. (49.) Die Bestimmungen dieses Titels finden auf den Gerichts­ schreiber entsprechende Anwendung; die Entscheidung erfolgt durch das Gericht, bei welchem der Gerichtsschreiber angestellt ist. 9t. Entw. § 35. Entw. 1. § 48. Entw. II. § 49. Prot. 3. 14.

Entw. III. § 49. Mot. G. 73.

Gesuch Erfolg hat, auch die von dem Richter vorgenonimenen unaufschiebbaren Handlungen ungültig; und zwar sind bei erfolgreicher Ablehnung wegen Besorgniß der Befangenheit ungültig (im Sinne der Anm. 1 zu tz 41) schon die nach Anbringung des Gesuchs (§ 44), nicht erst die nach Erledigung des Gesuchs vorgenommenen Handlungen (die §§ 551 Nr. 3, 579 Nr. 3 wollen in den Worten „und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war," auf die sich Gaupp a. a. O. für die entgegengesetzte Meinung beruft, die Frage, von welchem Zeitpunkt an die Ungültigkeit eintritt, nicht regeln). — Gegen den Beschluß des Gerichts, vor der Ent­ scheidung über das Ablehnungsgesuch in die mündliche Verhandlung wegen Unauffchiebbarkeit einzutreten, findet Beschwerde nicht'statt (RG. in S.'A. 46 Nr. 218).

§48. 1) Auch ohne (rechtzeitiges) Gesuch einer Partei kann eine Entscheidung über die Beseitigung eines Richters ergehen, wenn dieser (sei es ein Mitglied des Kollegialgerichts oder ein Amtsrichter) sie selbst in Anregung bringt, wozu er jederzeit befugt ist. (Vgl. Dierhaus in Gruchot 27 S. 672.) Eine Verpflichtung hierzu wollte ihm die RTK. v. 1875 nicht auferlegen, auch ihm nicht zumuthen, sich ausdrücklich darüber zu äußern, ob er seine Ablehnung für gerechtfertigt halte oder nicht (daher ist in 2. Lesung die frühere Fassung „ein Richter aber dafür hält, daß seine Ablehnung gerechtfertigt sein würde" von der RTK. geändert; § 44 Abs. 3 kommt jedoch auch hier zur Anwendung). Ist das Verhältniß der Art, daß es nur die Ablehnung wegen Besorgniß der Befangenheit rechtfertigen würde (§42), so ist die Anzeige des Richters selbst (abgesehen von einem Parteigesuche) der einzige Weg. In den Fällen des § 41 dagegen kann die Entscheidung auch von den anderen Richtern angeregt werden (.wenn aus anderer Veranlaffung Zweifel entstehen"). 2) Abs. 2: In allen Fällen ist eine Entscheidung (wenngleich kein förmlicher Be­ schluß — f. § 46 Anm. 2) des zuständigen Gerichts erforderlich. Die Parteien werden zwar nicht gehört; aber so wenig wie die bloße Versicherung des Richters, daß Ablehnungsgründe vorliegen, ohne Anführung solcher Gründe genügt, ebensowenig ist die Anzeige des Grundes seitens des Richters allein maßgebend, wenngleich von erheblichem Gewichte (f. § 44 Abs. 2, 3). 3) Eine Beschwerde gegen die Entscheidung findet nicht statt, da sie nicht ausdrück­ lich gestattet ist (§ 567) und die entsprechende Anwendung von § 46 Abs. 2 schon deshalb sich verbietet, weil hier ein Gesuch der Partei die Voraussetzung bildet (vgl. Seuffert Anm. 2, Stirn. Levy Anm. 3). § 47 findet auch im Falle des § 48 entsprechende Anwendung (Seuffert Änm. 3).

§49. § 49 erklärt sich aus der den Verrichtungen des Gerichtsschreibers beiwohnenden wichtigen Bedeutung. § 41 Nr. 1—5 sind unmittelbar anwendbar; dagegen ist ein Gerichts-

56

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. § 50.

Zweiter Abschnitt.

Parteien. Erster Titel.

ParteifLhigkeit. ProzeßfShigkeit.

§ 50. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann verklagt werden; in dem Rechtsstreite hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins. II,

III; § 49bj Bc£t.

85}

31 ff*$

2096f»}

Prot. z. »««. VI. S. 806 ff., 639. schreibet nicht ausgeschlossen, der in einer früheren Instanz als Richter mitgewirkt hat (wie auch umgekehrt). (So auch Wach I S. 346. A.M. Petersen Nr. 2, Gaupp Nr. I, Seuffert Anm. 1.) Verwandtschaft des Richters und des Gerichtsschreibers ist nicht als Ausschließungs­ grund aufgenommen. Die Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen oder abgelehnten Gerichtsschreibers bewirkt zwar an sich Ungültigkeit der betreffenden Handlungen, begründet aber weder absolut Revision noch Nichtigkeitsklage [§§ 551 Nr. 2, 3; 579 Nr. 2, 3 — „ein Richter"; s. auch RG. in StrS. 13 S. 76, Petersen a. a. O.). (A.M. Kleiner I S. 269.)

Zweiter Abschnitt. Der Ausdruck „Parteien" ist hier in einem weiteren Sinne genommen, indem er nicht bloß die eigentlichen Prozeßparteien (Hauptparteien: Kläger, Beklagter), sondern auch am Rechtsstreite betheiligte Dritte (Nebenparteien) umfaßt. (Vgl. Renaud S. 109, Hellmann, Lehrb. 0/224, Wach I S. 518 ff.)

Erster Titel. Der früheren Ueberschrift „Prozeßsühigkeit" ist durch die Nov. „Parteifähigkeit" mit Rücksicht auf den neu aufgenommenen § 50 vorangestellt (Prot. z. BGB. VI S. 640).

§50. Literatur: Wach, Dortr. S. 80 u. Handb. I 0. 519ff., Planck I § 43 S. 209ff., Schmidt § 30III, Fitting §23, Bunsen §22, Stegemann in Busch 17 S. 326ff., Petersen das. 18 S. lff., Bunsen das. 26 S. 271 ff., Fuchs in Gruchot 38 S. 241 ff. 1) Abs. 1 bringt einen bestehenden und durch die Natur der Sache bedingten Grundsatz zum Ausdrucke (vgl. Petersen Nr. 1, Schmidt, Lehrb. Ergänz. § 30). Parteifähigkeit (vgl. N. E. § 79, RG. 32 S. 175, LG. Metz in Busch 20 S. 486), d. i. die Fähigkeit aktiv und passiv Prozeßsubjekt zu sein (s. § 17 Anm. 1), besitzt allgemein jeder, der rechts­ fähig ist. Der Mangel der Parteifähigkeit ist gleich dem der Prozeßfähigkeit von Amtswegen zu berücksichtigen, die Rüge daher jederzeit zulässig (Plant I § 218), und zwar jetzt auch im Wege der prozeßhindernden Einrede (§§ 56, 274). — Die Parteifühigkeit muß z. Z. der Klag­ erhebung schon vorhanden sein (RG. in Gruchot 35 S. 1187, OLG. Nürnberg in Busch 18 S. 140); doch kann bei nachträglich erlangter Parteifähigkeit der ursprüngliche Mangel durch Genehmigung geheilt werden. Ueber Mitglieder religiöser Orden s. EG. z. BGB. Art. 55, 87. Ueber Behörden vgl. Bunsen S. 276f., über den Staatsanwalt in den nach §§ 632, 634, 666 geführten Prozessen das. S. 277 u. Petersen Vordem. II 9 vor § 50. Ueber Ausländer s. Bunsen S. 279 f. 2) „rechtsfähig" — sind außer dem Menschen, dessen Rechtsfähigkeit mit Vollendung der Geburt beginnt (BGB. § 1) — auch der ausnahmsweise anerkannte Jnteressenschutz der Leibesfrucht [f. BGB. §§ 844 Abs. 2 Satz 2, 1912, 1923 Abs. 2, 2043 Abs. 1, 2108, 2176 (vgl. hierzu § 2178)] gewährt insoweit Rechtsfähigkeit; vgl. Petersen Nr. 1 —, die juristischen Per-

Erster Titel.

Parteifähigkeit.

Prozeßfähigkeit.

§ 51.

57

§ 51. (50.) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Ver­ tretung nicht prozeßfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Nothwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozeßfuhrung bestimmt sich nach den Vorschriften -es bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten. «. G»tw. § 80. Eutw. I. § 49. -77. Prot. S. 23, 511, 512.

Errtw. II. § 50.

Entw. III. § 50^«ot. S. 73

fönen, die durch das BGB. (§§ 21 ff., 89), durch sonstige Reichsgesetze (s. oben § 17 Anm. 1) oder Landesgesetze (vgl. EG. z. BGB. Art. 86, 163) als solche anerkannt sind. (Planck, BGB. Vordem, zu § 21; Cosack, Lehrb. d. D. bürg. R. I §§ 28ff.; Endemann BGB. 1 §§ 43ff., Bimsen S. 273f.). Daneben ist einzelnen Personenvereinigungen durch besondere Gesetzesvorschrift zwar nicht Rechtsfähigkeit allgemein, aber doch Parteifähigkeit beigelegt — z. B. offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften; s. oben § 17 Anm. 1; A M. Petersen Nr. I. — 3) Abs. 2 gewährt den nicht rechtsfähigen Vereinen (vgl. BGB. § 54) allgemein die passive Parteifähigkeit; ein gegen den Verein ergangenes Urtheil genügt zur Zwangsvoll, streckung in das Vereinsvernrögen (§ 73^; vgl. das. Anm.). Der in der RTK. v. 1898 viel. fach geäußerte Wunsch, den Vereinen volle — auch aktive — Parteifähigkeit zu verleihen, ist gegenüber der Stellungnahme des Regierungsvertreters fallen gelaffen; dagegen ist über die Tragweite des Abs. 2 als einstimmige Auffassung der Kommission ausdrücklich festgestellt worden: „daß der Umfang der Parteirechte des im Rechtsstreit als Beklagter zugelaffenen Vereins durch § 50 möglichst weit hat bemeffen werden sollen; — daß insbesondere der Ausdruck „Rechtsstreit" in diesem Paragraphen im weitesten Sinne zu verstehen ist, derart, daß die Widerklage, die Verweisung zum besonderen Verfahren, der Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 302, 717 u. s. w., sowie die Klage aus § 578, ferner die Einwendungen in der Zwangsvollstreckungsinstanz, namentlich die Klage aus § 767, endlich die Kostenbeitreibung — alle als Elemente desselben Rechtsstreites anzusehen find" (Kom.B. S. 32). Dieser Auffassung, mit der die Begr. des Entwurfes (S. 85) übereinstimmt, ist auch im Reichstage nicht widersprochen (vgl. Derhdl. 97/98 S. 2096), so daß die Parteifähigkeit verklagter Vereine in der angegebenen Ausdehnung anzuerkennen sein wird (Petersen Nr. 3, Bunfen S. 275f.; vgl. jedoch Schmidt a. a. £).). Für sie ist daher auch die Befugniß zur Zwangsvollstreckung aus der ihrer Widerklage stattgebenden Entscheidung anzuerkennen (Petersen Nr. 3). Dagegen können im Uebrigen Klagen nur von den einzelnen Mitgliedern erhoben werden. Der Vorstand des Vereins hat in dem Rechtsstreite die Stellung eines gesetzlichen Dertreters (§51; Petersen Nr. 3), soweit die Dertretungsmacht des Vorstandes nicht durch die Satzung beschränkt ist (vgl. BGB. § 26 Abs. 2). Ein Dritter, mit dem ein Mitglied eines nicht rechtsfähigen Vereins im Namen des letzteren ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, hat die doppelte Möglichkeit, nach CPO. § 50 gegen den Verein oder nach BGB. § 54 Satz 2 gegen den Handelnden persönlich vorzugehen (Prot. z. BGB. VI S. 209). 8 51. Literatur: Barazetti: Zur Lehre v. d. Prozeßfähigkeit. 1885, Fuchs in Gruchot 29 S. 590ff., 753ff., 38 S. 241 ff., 548ff., Levy das. 37 S. 173fr., Thiele das. 39 S. 601 ff., Linckelmann in Busch 9 S. 215ff., Pfizer das. 13 S. 156ff., Bunfen das. 26 S. 281 ff., Wach! § 47f., Planck I §44, Hellmann, Lehrb. § 52f., Fitting §24, Kroll, Klage und Einrede S. 94ff., Schmidt § 30, Bunsen § 23. 1) „Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen" — Prozeßfähigkeit legitima persona standi in judicio), m. a. W. die Fähigkeit einer Partei (s. § 50 Anm. 1),

58

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 51.

ihren Prozeß selbst oder durch einen von ihr selbst bestellten Bevollmächtigten zu führen (Wetzell S. 91ff., RG. 13 S. 331, Wach I S. 532ff., der übrigens mit Recht hervorhebt, daß nach § 79 der Begriff auch die Fähigkeit, für Andere prozessualisch zu handeln, umfaßt), also eine Seite der Geschäftsfähigkeit.

Die ProzeßfÜhigkeit überläßt die CPO.

grundsätzlich — abgesehen von §§ 52—55, 473, 612, 641 Abs. *2; vgl. auch § 664 Abs. 2 — dem bürg. Rechte. Der Ausdruck „bürgerliches Recht" ist gleichbedeutend mit „materielles Recht", „so daß es gleichgültig bleibt,

in welchem Gesetzbuch, ob im Civilrecht oder in der Prozeß­

ordnung oder anderen Ortes, sich derartig? Vorschriften vorfinden" (Mot. z. EG. z. CPO. S. 488, Wach I S. 118, Pfizer Gruchot 34 S. 855).

Aus dem

BGB. kommen hier die §§ 104 ff. —

vgl. §§ 6, 1896 das. u. EG. z. BGB. Art. 7, 8, 155, 156 - in Betracht. Entscheidend ist — wie für die Geschäftsfähigkeit einer Person überhaupt — das Recht des Staates, dem die Person angehört (EG. z. BGB. Art. 7); hiervon macht aber unten § 55 zu Gunsten des inländischen Rechtes eine wichtige Ausnahme. (Dgl. Savigny, Syst. d. RR. Bd. 8 S. 134ff., Bolgiano S. 116, Windfcheid-Kipp, Paud. I § 35 Anm. 1 u. *2, Wach I S. 121 ff., 547.) Wegen ausländischer Aktiengesellschaften, bei denen übrigens Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit (gesetzliche Vertretung) nicht zu verwechseln ist, s. § 17 Anm. 1, Entsch. d. preuß. OT. 20 S. 326, Gruchot 21 S. 617, ROHG. 22 S. 147ff.; wegen ausländischer Versiche­ rungsgesellschaften s. RG. 6 S. 134 ff. (wo Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit venvechselt wird).

Ueber die Prozeßfähigkeit hat Mangels einer Entmündigung das Prozeßgericht

zu entscheiden (RG. 16 S. 234, 30 S. 184, in S.A. 51 Nr. 89). Nicht jede prozeßfähige Partei besitzt auch die Fähigkeit, persönlich vor Gericht Hand­ lungen vorzunehmen — jus postulandi (vgl. Wach I S. 606 ff., Bolgiano S. 114, 125), „Gerichtsstandsfühigkeit" in diesem Sinne —; letztere ist durch den Anwaltszwang (h 78) beschränkt. Andererseits muß der Bevollmächtigte prozeßfähig sein (h 79). 2) „gesetzliche Vertreter" — ein wichtiger Vlunstausdruck der CPO. für die durch das Gesetz bestimmten Vertreter prozeßunfähiger und ausnahmsweise auch prozeßfähiger Per­ sonen (s. § 52 Anm. 3; vgl. § 53 ; s. auch Bunsen S. 289 t.).

Die M o t. bemerken:

„Alle nicht prozeßfähigen Parteien werden tut Prozesse durch „gesetzliche Vertreter" vertreten. Wer int konkreten Falle der gesetzliche Vertreter der nicht prozeßfähigen Partei ist, bestinnnt nach § 51 das bürgerliche Recht." Das Gesetz ergänzt oder ersetzt hier im letzten Grunde Wahl und Auftrag des Vertretenen, wenngleich dabei Wahlakte der betheiligtett physischen Personen vorkomttten. (Vgl. Wach 1 S. 586ff.) Die Entscheidung der Frage, ob ein Prozeß zu führen, und die prozessuale Ver­ tretung selbst sind in

diesen Fällen Bestandtheile der dem „gesetzlichen Vertreter" zustehenden

Vermögensverwaltung (Wetzell S. 86 ff., Wach I S. 540ff., Planck I S. 221 ff.). Der gesetzliche Vertreter hat int Allgemeitten, ttttd soweit nichts Abweichendes verordnet ist, die Befugnisse und Pflichten einer Partei (Mot. S. 77). Er kann daher die Partei nicht in einem Prozesse vertreten, in welchem er selbst Gegenpartei ist (RG. 7 S. 404). Wo ferner von „Partei" ohne weitere Unterscheidung hinsichtlich der Vornahme von Prozeßhandlungen die Rede ist, ist im Falle der Prozeßunfähigkeit der eigentlichen Partei in der Regel deren gesetzlicher Ver­ treter gemeint.

Folgen des Grundsatzes enthalten

die §§ 86, 171, 232, 241, 246, 426, 471,

473, 474, 477, 586; vgl. auch § 807 Anm. 4. Neben der Partei ist des gesetzlichen Vertreters zuweilen besonders gedacht, z. B. in §§ 130 Nr. 1, 159 Nr. 4, 171, 313 Nr. 1, 586 Abs. 3. Auch sonst bedeutet „Partei" zuweilen nicht zugleich den gesetzlichen Vertreter einer prozeßunfähigen Partei, z. B. in § 239 (s.Endemann I S. 314 und Wach I S. 288). Int Allgemeinen bildet „gesetz­ licher Vertreter, gesetzliche Vertretung" den Gegensatz zu bloßer Bevollmächtigung (vgl. tz 274 Anm. 9).

Der Ausdruck „nach

beide (tztz 551 Anm. 6, 579 Nr. 4). —

Vorschrift der Gesetze vertreten"

umfaßt aber

Mehrere gesetzliche Vertreter einer prozeßunfähigen

Partei gelten nicht als Streitgenossen (s. § 59 Anm. 1); inwiefern sie zusammen handeln

Erster Titel.

Parteifähigkeit.

Pwzeßfähigkeit.

§ 52.

59

§ 52. (51.) Eine Person ist insoweit prozeßfähig, als sie sich durch Ver­ träge verpflichten kann. Die Prozeßfähigkeit einer Frau wird dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt. 9t. Entw. §§ 81—84. G»tw. I. § 50. Entw. II. § 51. Entw. III. § 52. Mot. 8. 73—77. Prot. 8. 23. — Stov., E. II, G. III: § 51; Begr. lG. Berlin in Rechtspr. 1 2. 138, Brettner in D. Jur.-Z. 1898 S. 343; Ecciuo in Grnchot 42 2.253, Weismann in Busch 26 2. 17 r., Bunsen das. 2. 294 N. 281, Wach das. 27 2. 1 ff., Thon das. S. 374 ff., Hell mann in Mrit. V. 42 2.60, Fitting §50 N. 5, Dernburg, Bürg. R. II § 125 III, Gaupp Nr. IIb; vgl. Xtohler in Busch 20 2. 20, 24 2. 18, Raddatz im sächs. A. K» 2. 217 ff. A. M. Planck, BGB. II § 388 Anm. 1, 2iber, Eomp. n. Aufrechn. 1899 2. 113; Berolzheimer in I. W. 18!»9 2. 649, Auerbach das. 694, Otto im sächs. A. 8 2.729, Petzold in Grnchot 44 2.845, >tnhlenbeck, BGB. § 388 Anm. 1, Rudorfs u. 2chäser, Reichscivilrecht 2. 67; s. ailch Fvrtsch im sächs. A. 7 2. 401 ii. in Grnchot 42 2. 226, Petersen §§ 81 Anm. 6, 145 Anm. 12, Reincke § 145 Anm. V H 2, Mot. z. BGB. II 2. 106). Die Aufrechnun g s e r kl ä rnng im vorbereitenden 2chriftsatz ist im Zweifel lediglich prozessualer Akt und daher mir die Ankündigung ihrer Geltendmachung für die mündliche Verhandlung (vgl. Wach a. a.'O. 2. 15, Weismann in Busch 26 2. 19 f., Thon das. 27 2.374 und unten § 129 Anm. 1). „Wiederaufnahme des Verfahrens" — vgl. §§ 578 ff. „Zwangsvollstreckung" — auch wenn die Prvzeßhandlnng im Gewand einer >Nage auftritt oder durch die Klage einer der Parteien oder eines Dritten veranlaßt wird (z. B. §§ 731, 766—774, 785, 805). [2o auch bezüglich des § 771 alle Comment., Wach I 2. 575 Anm. 24, Boß im c. A. 61 2. 279 ff. A.M. Petersen in Busch 9 2. 362 ff., der nicht berück, sichtigt, daß dieser Znterventionsprozeß durch die Zwangsvollstreckung veranlaßt wird, und die im P. E. § 102 und N. E. § 134 sich findenden Worte „unter den Parteien" hier absichtlich weggelassen sind. Die besondere Vorschrift wegen der Hauptintervention (§ 64) im § 82 war nothwendig, weil diese nicht durch die Vollstreckung veranlaßt wird und § 81 auf sie daher nicht paßt; endlich erwähnen die Mot. zwar nicht zu § 81, wohl aber zu §82 ausdrücklich, daß die Vollmacht für den Hauptprozeß sich auf den Znterventionsprozeß des § 771 erstrecken solle, was, wenn es auch nicht völlig zutreffend ist, doch jedenfalls die — innerlich gerecht

Vierter Titel.

Prozeßbevollmächtigte und Beistände.

§ 81.

105

fertigte — Absicht des Gesetzgebers, die Vollmacht so weit zu erstrecken, wie bei der Hauptintervention, erkennen (flfei] Dasselbe gilt bei einer Widerspruchsklage nach § 878 (OLG. Hamburg in S. A. 39 Nr. 277) und im Arrestverfahren (RG. in IW. 1899 2.813; vgl. § 82 Anm. 2). Ist das Vollstreckungsgericht von dem Prozeßgerichte verschieden, so genügt die Bezugnahme auf die bei den Akten des letzteren befindliche Vollmacht (vgl. Seuffert § 76 Anm. 4, Wilm. Levy Anm. 3; s. aber auch KG. Berlin im Rh. A. 95 II S. 59 betr. Zmmobiliarzwangsvollstreckung). Ans einen nachfolgenden Konkurs erstreckt sich die Vollmacht nicht ohne Weiteres (Wach I 2. 515 N. 24, Wilm. Levy Anni. 3, Petersen Nr. 7; jetzt auch Gaupp Nr. II a. A.M. Seuffert Anni. 2, Köhler, Prozeß als Rechtsv. § 39). „Vertreters" — b. h. Unterbevollmächtigten für einzelne Tennine oder Prozeßhandlangen oder für die ganze Instanz (§ 178) oder den ganzen Prozeß (vgl. § 78 Anm. 2, RAO. § 27 Abs. 2) im Gegensatz eines in unmittelbares Verhältniß zur Partei tretenden „Bevoll­ mächtigten", welchen er nur für die höheren Instanzen bestellen darf (vgl. RG. 22 2. 397). Kür die untere Instanz bleibt er trotz der Übertragung immer Prozeßbevollmächtigter; daher geschehen an ihn nach § 176 alle Zustellungen (RG. 11 S. 370, in S. A. 40 Nr. 61 u. in Gruchot 29 2. 1057, 30 2. 1108, 31 S. 1160, 33 2. 1176, ob.LG. f. Bayern in 2. A. 51 Nr. 62, Wach 1 2. 571, jetzt auch Petersen Nr. 4 a. A.M. Wilm. Levy Anm. 4, A. Förster Anm. 2e, Puchelt I 2.300); sein Tod bewirkt die Unterbrechung des Verfahrens (§ 244) und Erlöschen der Befugnisse des Unterbevollmächtigten. (Vgl. auch RG. 11 2. 368, 14 2. 333. A.M. Wilm. Levy a. a. O. u. § 221 Anm. 2.) Zur Betreibung von Zustellungen ist auch der Unterbevollmüchtigte befugt (RG. in Gnrchot 30 2. 1108). — Auch wenn die Partei den ursprünglichen Bevollmächtigten ennächtigte, einen Unterbevollnlächtigten mit einer Vollmacht im gesetzlichen Unifange zu bestellen, wird dieser nicht als Prozeßbevollmächtigter im 2hme der §§ 81, 176, sondern nur als „Vertreter" oder „Bevollmächtigter für die höheren Instanzen" angesehen werden können (vgl. hierzu Busch 17 2. 231). — Wegen des Erfordernisses der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für den Unterbevollmächtigten im Anwaltsprozesse f. §78 Anm. 2. Nur die Prozeßvollmacht ermächtigt zur Bestellung eines Vertreters; ob auch eine Generalvollmacht oder die Vollmacht zu einzelnen Prozeßhandlungen (§ 83 Abs. 2), bestimmt sich nach bürg. Rechte (BGB. § 646; vgl. Petersen Nr. 3). Wegeil der Gebühren s. GO. f. RA. §§ 42, 43. Im Falle des § 25 Abs. 3 d. RAO. fiiim der Rechtsanwalt Gebühren fordern (vgl. § 91 Anm. 4). Ein Rechtsanwalt, welcher an der Ausübung seines Berufs zeitweise verhindert oder von seinem Wohnsitz abwesend ist, kann nach RAO. §§ 25, 29 einen Stellvertreter erhalten, der ihn alsdann auch für dieselbe Instanz ganz als Bevollmächtigter ersetzt, und an welchen insbesondere gültig zugestellt wird. Auch zur Zuschiebung, Annahme, Zurückschiebung und Erlassung von Eiden (§§451 ff., 464) ist der Bevollmächtigte befugt. Dagegen muß die Ableistung des Eides vom Schwur­ pflichtigen in Person geschehen (§ 478). Zahlungen für den Vollmachtgeber — abgesehen von den Kosten — darf der Bevoll­ mächtigte nicht in Euipfang nehinen, da die Erfüllung der streitigen Verpflichtung außerhalb des Rechtsstreits liegt (Hann. PO. § 72 u. M o t. dazii, P. E. § 99). „Verzichtleistuttg auf den Streitgegenstand" — selbstverständlich auch zur Zu­ rücknahme der Klage (§271), des Einspruchs oder eines Rechtsmittels (§§ 346, 514, 515, 566); vgl. § 83 Anm. 2. „Vergleich" — dieser muß sich selbstverständlich ans den Gegenstand des Rechtsstreits beschränken (Petersen Nr. 9, Seuffert Anm. 3c u. A. A.M. Hellmann I 2. 284), was aber nach dem Begriffe des Vergleichs nicht ausschließt, daß der Bevollmächtigte Entsagungen oder Anerkennungen hinsichtlich des Prozeßgegenstandeo gegen das Versprechen einer Geldsumme oder anderer vertretbarer Leistungen erklären oder annehmen kann (BGB. § 779; Wilm. Levy Anm. 5, 2. A. 35 Nr. 119, 36 Nr. 38). Der Vergleich darf auch schon vor Anhängig.

106 Erstes Buch. Allgem. Besttmmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. §§ 82, 83.

§ 82. (78.) Die Vollmacht für den Hauptprozeß umfaßt die Vollmacht für das eine Hauptintervention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende Bewahren. R. E»tw. $$ 99, 7*8, 738." Entw. I. $ 76. Mot. L. 104, ROS. Prot. L. 31.

Entw. II. § 76.

Errtw. III. § 76.

§ 83. (79.) Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung machnng des Prozesses abgeschlossen werden (RG. in I. W. is;>4 2. 11)4). Dagegen ist der Bevollmächtigte nicht besngt, zwecks Herbeiführung eines Bergleichs Dritten gegenüber namens des Machtgebers Verbindlichkeiten zn übernehmen (RG. in 2. A. 48 Nr. 34). „A«erkennnng" — vgl. § 307, im (Gegensatze zn (Geständnissen (§§ 85, 288 ff.). „Einpfangnahlne — Mosten" — vollends also zum Antrag auf Feststellung dieser Mosten nach £§ 104 ff. 3) 2oweit der Prozehbevollmächtigte bei den (Berichten der höheren Instanzen zu­ gelassen ist ($ 78 Anm. 2), darf er auch vor diesen auftreten, falls die Partei nicht einen neuen Bevollmächtigten dafür bestellt hat. Ist er nicht zugelassen, so ist er doch zur Bestellung eines Bevollmächtigten besngt (s. oben Anm. 2) und letzterer ist wiederum, da er nicht Vertreter des Prozehbevollinächtigten der unteren Instanz ist, in Monkurrenz mit diesen! zur Bestellung eines Bevollmächtigten für die nächst höhere Instanz befugt (3euffert Anm. 31»;. Wegen des nach §§ 338, 371), 383 bestellten Vertreters s. NG. 21 2. 331), §§ so Anm. 1, 338 Amn. I. Die Vollmacht des Prozehbevollmächtigten der unteren Instanz erlischt nicht mit Erlah und Zustellung des Endnrtheils, fviibmi bleibt noch später wirksam, z. B. für die Zwangsvollstreckung, und ist nur so lange imb so weit anher Mrast, als die Prozehthätigkeit eines für die höhere Instanz bestellten Prozehbevollmächtigten Play greift (RG. 8 2. 337, 424). Wegen des Umfanges der Befugnisse eines Prozehbevvllmächtigten der höheren Instanz s. tz 171) Anm. 2. 4) Für die Vorschnh- und Oiebührenleistnng haftet der Anwalt nur, wenn er die Haftung für die Partei übernommen hat (s. prenh. Iust.-Min.-V. v. 28. Jan. 1880 — IMBl. 2. 103). §82.

1> „Die Vollmacht für den Hanptprozeh" — aber nicht nmgetehrt umsaht die Vollmacht für das einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahret! 1)13 ff.i die für den Hanptprozeh; denn, wenn jene dem Hanptprozesfe vorangehen, handelt es sich um dringliche Mahregeln, welche an sich vorübergehender Natur und ineistens nicht vor dein Oierichte des Hauptprozesses zu betreiben sind; ein Rückschlnh auf die Wahl derselben Vertreter für den Hanptprozeh ist daher nicht gerechtfertigt. Die Zustellung einer im Hauptprozeh erwirkten einstweiligen Verfügung an den (Gegner selbst, statt an seinen Prozehbevollmächtigten, ist un­ wirksam (RG. 15 2. 428 und in I. W. 18!Mi 2 230; vgl. jedoch RG. 45 2. 334 n. nuten § 178 Anm. 2). 2) Die Vorschrift des § 82 bildet eine (durch den inneren Zusammenhang gerechtfertigte — vgl. Busch 12 2. 41)7, RG. 39 2. 4Hi; s. auch § 178 Anm. 1) Ausnahme von der Regel, dah die Prozehvollmacht zur Führung von neuen Prozessen nicht ermächtigt, welche ans dem Prozesse, für den die Vollmacht ertheilt ist, hervorgehen (P. E. § 102, Nordd. Prot. 2. 213). Vgl. jedoch § 81 Anm. 2 in Betreff der Zwangsvollstreckung. Für die Nebeninterventivn (§§ 33 ff-) ist das (Gleiche selbstverständlich, d. h. gegenüber einer solchen in dem Hauptprozesse, für welchen die Vollmacht ertheilt ist, nicht für die Nebenintervention in einem anderen Prozesse (vgl 2arwey I 2. 155). — Z 82 kommt auch zur Anwendung, wenn die Partei ohne Mit­ wirkung ihres Prozehbevollmächtigten das .Arrestversahren u. s. w. einleitete (vgl. 2eufsert).

§83. 1) Ein wichtiger Grundsatz kehrt hier wieder (vgl. §54), der der unbeschräukbaren gesetz­ lichen Legitimation. Man mag in dieser absoluten Natur der Prozehvollmacht einen Nest des

Vierter Titel.

Prozetzbevollmächtigte und Beistände.

107

§ 84.

die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streit« gegenjtanb oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspmchs Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Voll­ macht für einzelne Prozeßhandlungen ertheilt werden. R. Eutt». § 136. (Butin. I. § 77. E. 105. Prot. @. 31, 33.

(Bet». II. § 77.

Ent». III. § 77.

Mot.

§ 84. (80.) Mehrere Bevollmächtigte find berechtigt, sowohl gemeinschaft­ lich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmung der Voll­ macht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung. «. Eut«. § 7. Prot. Z. 33.

Ent». I. § 78.

Ent». II. § 78. Ent». III. § 78.

Mot. Z. 105.

dominium litis (vgl. ISiibenmim, Lehrb. 3. 297 ff., 302 An in. 44; s. dagegen Planck I 3. 221)

oder die entsprechende Anwendung handelsrechtlicher (Grundsätze (HGB. §§ f>0, 126, 151, 161, 235, 21)8, 320) erblicken, jedenfalls vereinfacht sie das Verfahren mtb erhöht die 3icherheit des Gegners. Im Verhältnisse zwischen Machtgeber mtb Bevollmächtigten ist jede Beschränkung gestattet; die Unbeschränkbarkeit gilt nur „dem Gegner gegenüber"; für ihn gelten die Beschränkungen als nicht geschrieben, ohne die Vollmacht im Ganzen ungültig zu machen. Welche Folgen detn Machtgeber gegenüber eilte Ueberschreitung der VoUntacht nach sich zieht, beurtheilt sich nach bürg. Rechte. Die CPO. hat sich grundsätzlich enthalten, die innere 3eite des Dollmachtvertrags zu regeln (f. § 87 Anm. 1, Vordem, vor § 78, Planck I 3. 230 a. (5.).

2) (Sitte Ausnahme von der Regel bilden die in Abf. 1 bezeichneten Handlungen (f. §81 Anm. 1), nicht bloße Zurücknahme der Klage (§271), eines Rechtsmittels oder Klag änderung. In Bezug auf den sog. Parteiprozeß in weiterem 3inne (s. §§71) Anm. 1, 166 Anm. 4, 3enffert Anm. 4 u. A. A.M. Puchelt I 3. 303) kann nach Abs. 2 eine Voll­ macht für einzelne Prozeßhandlungen allerdings unbeschränkt ertheilt werden; allein damit ist tticht gesagt, daß bei der allgemein zur Prozeßfühntng ertnüchtigenden Vollmacht hier einzelite Prozeßhandlungen attsgeschlossen werden dürfen (s. Nordd. Prot. 3. 214, Wach I 3. 578 2(11111. 30 u. die meisten Komm.). — Wegen der Bestellung eines „Vertreters" s. § 81 Anm. 2. 3) (Line Verpflichtung deü Machtgebers, den Gegner von der in die Vollmacht aufgenommenen Einschränkung noch besonders in Kenntniß zu fetzen, läßt sich aus dem Gesetze nicht enveisen; es ist 3ache des Gegners, wenn er sicher gehen will, sich die Vollmacht vor­ zeigen zu lassen (vgl. fast alle Komm., Planck I 3. 233 Anm. 50. A M. Puchelt I 3. 302 Anm. 4, OLG. Kiel in 3. A. 40 Nr. 57). Dagegen hat der Gegner nachträglichen Beschrüttkungen nicht nachzuforschen (Wach! 3.578 Anm. 32, Planck I 3. 233 f.). Andererseits genügt auch die Mittheilung von der Einschränkung an den Gegner ohne ihre Aufnahme in die Vollmacht. 4) Abs. 2: Ans die hier erörterte „Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen" sinden die §§ 80, 84—81), nicht aber die §§ 81, 82 Anwendung.

§84» 1) 3ah 1 sichert (nach den Mot.) die rasche, energische Durchführung des Prozesses (ähnlich HGB. §§ 125, 161 Abf. 2, 320 Abf. 2); er gilt auch für 3onderbevollmächtigte im Umfang ihrer Vertretungsbefugniß (Ganpp § 83 Nr. 111). Die mehreren Bevollmächtigten stehen dem Gegner zwar gleichberechtigt gegenüber; hieraus folgt aber nicht, daß, wenn sie einander widersprechen, ihre Erklärungen sich gegenseitig aufheben; vielmehr bindet ein Zugeständniß oder ein Verzicht, welchen auch nur einer von ihnen dem Gegner erklärt, die übrigen und kann nicht — abgesehen von bett Voraussetzungen des § 290 — widerrufen werden. (3o auch 3arwey I 3. 158, Wach I 3. 580. A.M. bei „gleichzeitiger" Erklärung, die aber wohl selten vorkommen wird, Wilm. Levy Annt. 1, A. Förster Anm. 2, Gaupp Nr. II, allgentein Puchelt I

108

Erstes Buch. AUgem. Bestinmmngen. Zweiter Abschnitt. Parteien. § 85.

§ 85. (81.) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhandiungen sind für die Partei in cfleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen thatsächlichen Erkläningen, insoweit nicht dieselben von der miterschienenen Partei sofort wider­ rufen oder berichtigt werden. 106.

R. «ntw. § 138. «nt». I. § 79. «ntw. II. § 79. Entw. III. § 79. Mot. ®. 105, Prot. Z. 38.

Z. 304 u. Petersen Nr. 3, die auf § 286 uenueifen.)

Ueber Zustellungen f. §§ 176 Amu. I, HU Amu. 2 zu Nr. 3. 2) Zatz 2 enthalt eilte Fortentwicklung beo in §83 mioflebnuften (Grundsatzes, und zwar ohne Beschränkung auf den Anwaltsprozes; (s. auch §§171 Abs. 3, 181) Abs. I). Die Klausel „sainint und sonders" ist dem (Gegner gegenüber unwirksam, dessen Ztellnng nicht durch willkürliche Wahl mehrerer Bevollmächtigter erschwert werden soll (vgl. §83 Amu. 1). 3) Hinsichtlich der Handelsgesellschafter kann fein Zweifel bestehen, das; bereit Befugnisse als gesetzliche Vertreter (§ 62 Amu. 2), insbesondere auch ihre Beschränkung aus „(SefmtutiH Vertretung" (H(^B. §125 Abs. 2, s. auch Abs. 3 das.) durch § 84 nicht berührt werden. In Betreff der Gesammt-Prokuristen verbleibt eti bei H(>>B. §48 Abs. 2 (vgl. (SW. z. (5PD. § 13; Mot.). Zie können stets nur gemeinschaftlich handeln; dies bezieht sich ebensowohl auf den (Partei-)Prozes; als auf andere (Geschäfte (vgl. Wach I Z. 57 U u. A.). 4) Wegen der (Gebühren s. f. ?1tA. §2 u. in Betreff der Erstattung EPD. § r»l Abs. 2.

§85. 1) Der (Grundsatz der nn mittel baren Z teiln er t re tun Uage nur „wie angebracht" abgewiesen werden; das Urtheil ist auf den Namen des falsus proc. zu stellen (A.M. Ulbricht S. 69 u. A.) und dieser in die Kosten zu venirtheilen (Petersen Nr. 2, Zensiert Anm. 4, Wilm. Levy Anm. 1, Ulbricht S. 69 ff. u. A. A.M. Gaupp Nr. III B, Planck ii. A.; s. § 56 Anm. 1). In welchem Zeitpunkte des Verfahrens das Gericht die Berücksichtigung eintreten lassen muß, ist nicht vorgeschrieben. Zur Verhütung zweckloser VerHandlungen wird es aber sogleich bei der ersten Verhandlung geschehen müssen (vgl. auch §§ 139 Abs. 2, 355 Nr. 1). Auch das Landgericht als Berufungsinstanz hat einen Mangel in der Vollmacht I. Instanz von Amtswegen zu berücksichtigen (vgl. Ulbricht S. 77 f.). Die Terminsbestimmung kann wegen Mangels der Vollmacht nicht versagt werden (§ 216 Anm. 3). Wegen einstweiliger Zulassung unlegitimirter Bevollmächttgter s. § 89. 5) „insoweit — nicht geboten ist" — vgl. §§ 79 Anm. 1, 166 Anm. 4. Gegen die Beschränkung der Bestimmung auf den Parteiprozeß im engeren Sinne spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch ihr Zweck, da bei den betreffenden Prozeßhandlungen nicht bloß Rechts­ anwälte als Vertreter in Bettacht kommen. (Vgl. OLG. Cöln im Rh. A. 93 I S. 188, Seuffert Anm. 2, Sarway I S. 163, A. Förster Anm. 5, Petersen Nr. 3, Gaupp Nr. II u. A.) Es ist daher auch bei der Anbringung des Kostenfestsetzungsgesuchs (§§ 104 Abs. 2, 78 Abs. 2), bei dem Verfahren vor dem Vollstteckungsgericht oder vor dem beaufttagten oder ersuchten Richter (§ 78 Abs. 2) der Nachweis der Vollmacht von Amtswegen zu erfordern; auch der Anwalt, der für seine Partei ein Gesuch um Bewilligung des Armenrechts stellt, muß eine Vollmacht vorlegen (RG. in I. W. 1897 S. 342). Ist oder war der Prozeß selbst bei einem Amtsgericht anhängig, so genügt es, wenn das Prozeßgericht, welches ja die Vollmacht von Amtswegen prüfen und zu den Gerichtsakten nehmen mußte, den Prozeßbevollmüchttgten im Urtheile, Sitzungsprotokolle u. dgl. als solchen bezeichnet hat, während dieses bei einem nichtamtSgerichtlichen Prozesse nicht genügen kann. (Vgl. auch Eccius in Gruchot 33 S. 138. A M. hinsichtlich des Kostenfestsetzungsgesuchs KG. Berlin in Busch US. 107, die Praxis der rhein. Gerichte, anscheinend RG. in Bolze I S. 350; vgl. auch Willenbücher, Kostenfestsetzungsverfahren 5. Aust. S. 13, unten § 104 Anm. 2). Im Uebrigen ist im Anwaltsprozesse die Prüfung des Vollmachtspunktes den Rechtsanwälten mit Rücksicht auf die in ihrer Befähigung und Stellung liegende Gewähr überlassen (vgl. auch H. E. § 105, Hann. Prot. IV S. 1023—1045, 1128—1131). Das Gericht hat also im Anwaltsprozeß — abgesehen von §§ 613, 640, 641 — einen Rechtsanwalt, der für eine Partei auftritt, so lange als Prozeß, bevollmächttgten zu behandeln, als nicht von der Gegenpartei der Mangel der Vollmacht gerügt wird (und zwar auch dann, wenn die in § 83 Abs. 1 aufgeführten Prozeßhandlungen in Frage stehen. — A.M. Eccius a. a. O. S. 139). Dies gilt (im Interesse der Einfachheit und Schleunigkeit des Verfahrens) auch dann, wenn die Partei keine Gelegenheit zur Rüge hatte, z. B. in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (anders N. E. § 140 Abs. 2, Hann. PO. § 74, H. E. § 105). Auch bei der Frage, ob die Berufung formgerecht eingelegt ist, hat

112

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. § 89.

§ 89. (85.) Handelt Jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozeßführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurtheil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. 3ft zu der Zeit. zu welcher das Endurtheil erlassen wird, die Ge­ nehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozeß­ führung Zugelassene zum Ersätze der dem Gegner in Folge der Zu­ lassung erwachsenen Kosten zu verurtheilen; auch hat er dem Gegner die in Folge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen. Die Partei muß die Prozeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht ertheilt oder wenn sie die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. #t. @nt». §§ 141—143. Ent«. I. § 83. Ent«. II. § 83. Ent«. III. § 83. ®tot. 2. 109, 110. Prot. 2. 33, 517. — Rov.. E. II, E. III: § 85; «cgr. 2. 87f. Prot. ,. S@fi. II. 2. 671 ff.. VI. 2. 647.

das Oberlandesgericht die Vollmacht der Rechtsanwälte I. Instanz nicht von Amtswegen zu pnifen (RG. in S. A. 47 Nr. 154). 8 89. 1) Abs. 1: „Jemand" — d. h. eine Person, die überhaupt als Bevollmächtigter auftreten darf (§§ 78, 79). „Vermuthete Vollmacht" (Hann. PO. $ 86) ist nicht erforderlich. 2) „als Geschäftsführer — Vollmacht" — Die beiden Fälle des wirklichen Be­ vollmächtigten, der keine Vollmacht beigebracht hat, und des Geschäftsführers ohne Auftrag (BGB. §§ 677 ff.) sind im Abs. 1, wo nur das Verhältniß zum Gegner in Betracht kommt, gleich behandelt. (5s genügt, daß der Erschienene als Vertreter auftritt. (5ine Bescheinigung des ertheilten Auftrags oder der wahrscheinlichen Genehmigung (Hann. PO. § 75) ist nicht er­ forderlich. Vorausgesetzt ist selbstverständlich, daß der Vertreter selbst oder der Gegner oder im Parteiprozeß (im weiteren 2iime) das Gericht auf den Mangel der Vollmacht anfmerksanl gemacht hat. 3) „kann — einstweilen zugelassen werden" — An stelle aller gesetzlichen Be­ dingungen (z. B. der Gefahr im Verzug in § 56 Abs. 2) tritt das (5rmessen des Gerichts sowohl bezüglich der Zulassung überhaupt und deren Dauer („einstweilen") als bezüglich der Sicherheitsleistung. letztere ist keine cautio judicatum solvi oder de rato, sondeni erstreckt sich mir auf die Verpflichtung znm (5li'atze von „kosten und Schäden". Ueber die Sicherheitsmittel s. § 108, BGB. §§ 232 ff. Die Zulassung ermächtigt den Vertreter „zur wirksamen Vornahme aller Prozeßhandlnngen" — also and) zum Vergleiche, Verzicht und Anerkenntnis; (A.M. Wilm. Levy § 77 Anm. 6) — „verpflichtet den Gegner zur Verhandlung des Rechts­ streits mit dem zugelassenen Vertreter und ermöglicht die vorläufige Verhandlung des Prozesses bis zur Fällung des (5ndnrtheils" (Mot.). (5m Beispiel liefert die Zulassung eines Konsuls als Vertreter feines Heimathsstaats oder von dessen Angehörigen (RG. 14 2. 430). 4) Die Bestimmung im Latze 2 stimmt, mit § 56 Abs. 2 überein. Im Falle der Zu­ lassung ist jedesmal, ehe das (5ndurtheil erlassen (nicht „beantragt", wie nach H. (5. § 336) werden kann, eine Frist zur Einholung der Genehmigung zu bestimmen, welche zweckmäßiger Weise in dem Verfahren, das überhaupt mündliche Verhandlung erfordert, mit Ansehung eines neuen Verhandlungstermins zu verbinden ist (vgl. Schneider im c. A. 66 2. 279, Seuffert Anm. 1). Inzwischen kann das Gericht verhandeln lassen, auch Beschlüsse, insbesondere Beweisbesck)lüsse, und Zwischenurtheile (§ 303) erlassen (vgl. jedoch wegen der selbständig an­ fechtbaren Zwischenurtheile § 56 Anm. 3). Daß das (5ndurtheil (vgl. § 300 Anm. 2, Ulbncht S. 101 ff.) nicht vor unbenutztem Ablaufe der Frist — deren Erneuerung zulässig ist; vgl. § 56 Anm. 3 a. E. — erlassen werden darf, dient zur Sicherung des Gegners.

113

Vierter Dtel. Prozeßbevollmächttgte und Beistände. § 89.

Streitig find die Folgen des fruchtlosen Ablaufs der Frist. Kür daS Recht-verhältniß des Gegners zum Vertreter ist durch die Nov. der gesperrt gedruckte Satz hinzugefügt, wonach dem Gegner gegenüber die Berurtheilung des einstweilen Zugelassenen in die Kosten und seine Haftung zum Schadensersatz eintritt (vgl. §§ 717 Abs. 2, 945). Wie die Begr. (S. 88) heworhebt, ist hiermit die Haftung nach BGB. § 179, die an eine vorsätzlich und wider besseres Wissen unternommene Prozeßführung geknüpft sein würde, zu Gunsten des Prozeßgegners erweitert. Die Berurtheilung in die Kosten hat, wie die Fassung ergiebt, in dem Derfahren selbst zu erfolgen (vgl. Begr. S. 88); gegen diese Entscheidung im Kostenpunkte steht dem einstweilen Zugelassenen nach § 99 Abs. 3 die sofortige Beschwerde zu (Petersen Nr. 3). Dagegen wird derAnspruch auf Schadensersatz in besonderem Verfahren zu erheben sein; dies läßt sich sowohl aus der Fassung des Gesetzes, das die Schadensersatzpflicht in einem besonderen Latze ausspricht und hiermit die selbständige — materiellrechtliche — Natur dieser Verpflichtung zum Ausdrucke bringt, wie auch durch Schluß aus dem Gegentheile daraus herleiten, daß in den Fällen der §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2 die Geltendmachung des Schadensersatzes in dem anhängigen Rechtsstreit ausdrücklich zugelassen wird (Gaupp Nr. IV 1 b, Petersen Nr. 3). — Für das Rechtsverhältniß des Gegners zur vertretenen Partei gilt bei frucht« losem Ablaufe der Frist die Annahme, daß die Genehmigung versagt sei, und es wird in diesem Falle die Partei als nicht erschienen behandelt. Sie unterliegt daher dem Versäumnißverfahren (§§330 ff.). Abweichende Anschauungen wurden in der RTK. v. 1875 entwickelt. Die Ausführung der Mot. trifft zu, insoweit der Vertreter des Beklagten ohne Auftrag oder Vollmacht handelt. Ist aber der Vertreter des Klägers in dieser Lage, und schon die Klage ohne Vollmacht angestellt, so kann so wenig wie in den Fällen des §56 (vgl. §§56 Anm. 1, 88 Anm. 4) ein Dersäumnißnrtheil gegen den Kläger erlassen werden, mit welchem ein Prozeßrechtsverhältniß gar nicht entstanden ist; vielmehr kann nur ein die Klage „roie angebracht" abweisendes (kontradiktorisches) Urtheil erfolgen, wobei nach Maßgabe de- Zu« satzes der Nov. der vollmachtlose klägerische Vertreter in die Kosten zu verurtheilen ist fvgl. Seuffert Anm. 1, Stirn. Levy §84 Anm. 1, Wach I S. 602 ff., Planck II S. 89 f., Pfizer in Busch 13 S. 180, Weizsäcker das. 27 S. 49 ff., Ulbricht S. 119. A.M. Petersen Nr. 2, A. Förster § 84 Anm. 4, Hellmann in Busch 27 S. 261 ff. u. A. Just im c. A. 68 S. 323 will, wenn die Klage von einem unlegitimirten Vertreter angestellt ist, überhaupt kein Urtheil erlassen, sondern das Verfahren einstellen (s. auch Hellmann a. a. O. S. 288); vgl. aber § 56 Anm. 1]. Anderwenn die Klage von dem richtigen Vertreter angestellt ist und der falsus proc. in der münd« lichen Verhandlung auftritt. Wegen vollmachtloser Vertretung in der RechtSmittelinstanz f. Wach I S. 694 ff., Seuffert § 84 Anm. 4, Gaupp § 88 Nr. III C, Ulbricht S. 120; wegen deLaufes der Rechtsmittelfristen Ulbricht S. 89 f., § 551 Anm. 6. Das Verfäumnißurtheil kann, selbst wenn ein entsprechender Anttag für den Fall der Versäumung der Frist bereits in der früheren mündlichen Verhandlung gestellt war, nach Ab­ lauf der Frist nicht ohne weitere mündliche Verhandlung erlassen werden (§ 56 Anm. 3). Der Ablauf der Frist bewirkt übrigens niemals die Ausschließung der betteffenden Legitimation (RG. 14 S. 433, 30 S. 398 u. in S. A. 39 Nr. 335, § 56 Anm. 3). Wird die Genehmigung beigebracht, so utuß sie zum Gegenstände der mündlichen Verhandlung gemacht werden (Endeumtut I S. 387, Schneider a. a. O. S. 282, Wach I S. 596). Ueber den zwischen der einen Partei und dem angeblichen Vertteter der anderen Qefdrosselten Vergleich vgl. Schneider a. a. O. S. 278 ff., Ulbricht S. 105 ff. 5) Abs. 2: Gegenüber der (nach Abs. 1) vertretenen Partei deckt auch die mündliche Vollmacht und die stillschweigende Genehmigung den Mangel — vgl. auch §§ 551 Nr. 5, 579 Nr. 4. Als stillschweigende Genehmigung gilt regelmäßig (nicht nothwendig; s. Wach I S. 598 Anm. 11, jetzt auch Stirn. Levy Anm. 4) die nachttägliche Vollmachtsertheilung, jedoch tticht ohne Weiteres die persönliche Fortführung des Prozesses, insbesondere die Einlegung eineRechtsmittels; f. § 88 Anm. 2; es kommt vielmehr auf die Umstände an (Petersen Nr. 4 a. E., •ttatfmaie u. Koch, Etvilpro-eßordaua-. «. Aast. L

8

114

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§§ 90, 9l.

§ 90. (86.) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Partei mit jeder vrozeßsähigen Person als Beistand erscheinen. Das von dem Beistände Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird. N. Gntw. §§ 147,148. Gntw. I. § 84. G. 110, 111. Prot. G. SS.

Entw. II. § 84.

Fünfter Titel.

Gntw. III. § 84.

Mot.

Prozetzkoften.

§ 91. (87.) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit dieUlbricht S. 109 f.). Selbstverständlich kann der Gegner gleichwohl nach § 80 schriftliche Vollmacht fordern. Die Genehmigung ist ein einseitiges, der Annahme nicht bedürfendes Rechtsgeschäft. Auch der Gegner muß die genehmigten Prozeßhandlungen gegen sich gelten lassen (Ulbricht (E. 113 ff.). Wegen der Zulässigkeit theilweiser Genehmigung s. Wach l S. 599 ff., Ulbricht S. Ulf. (abtu. Ganpp Nr. IV 2); § 83 Abs. 1 gil^nur für die Vollmacht. Wegen der rückwirkenden Kraft der Genehmigung vgl. OLG. Cassel in e. A. 47 Nr. 95. Die Vorschrift des Abs. 2 kommt auch dem Vertreter ohne Auftrag (nach Endemann I 3. 317 f. diesen! sogar unmittelbar und zunächst) zu Statten (vgl. RG. in D. I. Ztg. 1883 S. 526). Im Uebrigen ist sein Rechtsverhältniß zu bem von ihm Vertretenen nach bürg. Rechte zu beurtheilen (vgl. § 83 Sinnt. 1, Wach I S. 594). § 90.

1) Um den Pateien „die möglichste Freiheit in der Rechtsverfolgung zu gewähren", ist in beschränkter Weise die Beistandschaft (Advokatur) aufgenommen (s. Wetzell S. 58 ff., Renaud S. 157 ff., Endemann, Lehrb. § 92, Planck I S. 240 ff.). Nicht unter § 90 fallen RAO. §§ 25 Abs. 3, 27 Abs. 2. „Insoweit nicht geboten ist" — vgl. §§79 Anm. 1, 166 Anm. 4. (A.M. Ende­ mann I S. 389, welcher den Anwaltsprozeß schlechthin ausschließt.) „eine Partei" — oder ihr gesetzlicher Vertreter, aber nicht ein Prozeßbevollmächtigter (vgl. § 137 Anm. 3, Seuffert Anm. 1, jetzt auch Ganpp Nr. I). Anders RAO. §§25 Abs. 3 a. E., 27 Abs. 2. „mit jeder prozeßfühigen Person" — Die Fähigkeit zur Beistandschaft ist lediglich durch Prozeßfähigkeit bedingt. Vgl. auch § 79 Anm. 2. Die Zulaffnng eines Rechts­ anwalts bei irgend einem Gerichte berechtigt zum Auftreten als Beistand bei jede in Gerichte (RAO. § 26; Ausnahme das. § 100 Abs. 2). Die Gebühren der Rechtsanwälte sind die gleichen wie für die Vertretung (GO. f. RA. § 4). — Beschränkungen hinsichtlich der Gerichts­ vollzieher enthält die Preuß. GVO. v. 31. März 1900 (ZMBl. S. 345) § 15 Nr. 3. Eine Ausnahme von Abs. 1 s. in § 610 Abs. 1. 2) Der Beistand tritt neben („mit") der Partei auf, weshalb er keiner weiteren Legitimation bedarf; dennoch kann in der Beistandschaft eine Verttetung enthalten sein. Seine Erklärungen jeder Art („das Vorgetragene") gelten als die der Partei mit der gleichen Beschränkung, wie nach §85 („insoweit" u. s. w.) Geständnisse und andere thatsächliche Er­ klärungen. Auch für die Ausschließung eines Beistandes gilt das Gleiche wie für den Bevollmächtigten (§ 157). In Betreff des Kostenersatzes für Beistände fragt es sich, ob der Beistand im Sinne des § 91 Abs. 1 nothwendig war — s. Mot. S. 112. War der Beistand ein Rechtsanwalt, so findet § 91 Abs. 2 Anwendung.

Fünfter Titel. Literatur: Francke in Busch 6 S. 64 ff., H. Meyer das. 7 S. 281 ff., Pfizer in Gruchot 30 S. 98 ff., 31 S. 593 ff., Waldner, Die Lehre v. d. Prozeßkosten nach österr.

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 91.

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selben nach freiem Ermessen des Gerichts znr zweckentsprechenden Rechtsverfolaung oder Rechtsvertheidiaung nothwmdig warm. Die Kostenerstattung umfaßt auch die Entschädigung des Gegners für die durch nothwendige Reisen oder durch die nothwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitverfäumniß; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung. Die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei find in allen Prozessen zu erstatten, Reisekostm eines auswärttgm Rechtsanwalts je­ doch nur insoweit, als die Zuziehung nach dem Ermessen des Gerichts zur zweck­ entsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte find nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. «. «Mt». § 149. Gut«. I. § 8$. Gut«. II. § 85. Gut«. III. § 85. Mot. ». 111, 11t. Prot. ®. 33, 518, 660. — 91»»., G. III: § 87; Bcgr. @. 88; »o«.-». «. 35 ff. Prozeß- u. Privat-R. mit Berückficht, der D. CPO. Wien 1883, Köhler, Der Prozeß als Rechtsverhältniß S. 80 ff., Birkmeyer, Grundriß §§ 76 ff., Planck! §69, Fitting §§ 128 dis 130, Schmidt §§ 160 ff., Bunsen § 34. Eine Zusammenstellung v. Entscheid, über d. GKG. enthält Birkmeyer, Entsch. d. Deutschen Gerichte z. GKG. Wismar 1883. Vgl. auch Busch 17 S. 232 f., Geißler in I. W. 1892 S. 437 ff. 1) Die Prozeßkosten zerfallen in Gebühren, d. i. Vergütung der Thätigkeit deS Gerichts oder der int Prozesse thätigen Beamten, Rechtsanwälte, und Auslagen (des Gerichts, der bezeichneten Personen oder der Parteien selbst). Die CPO. regelt nur die wechselseitigen Rechtsverhältnisse der Parteien in Betreff der Prozeßkosten. „Die Rechte der Staatskasie (des Justizfiskus) und der von den Parteien im Prozesse in Anspruch genommenen Beamten wegen der Sporteln und Gebühren stehen hier außer Frage und find besonderer gesetzlicher Regelung vorbehalten" (Mot.). Demgemäß find ergangen: ' a) das Gerichtskostengesetz v. 18. Juni 1878 (RGBl. S. 141), welches, auf dem Pauschgebührensystem beruhend, in den §§81—97 die Vorschriften über die Zahlung von Kostenvorschüffen und der Kosten selbst enthält; vgl. Gef. v. 29. Juni 1881 (RGBl. S. 178) it. EG. z. Nov. Art. IV; s. auch RGBl. 1898 S. 659 (neue Fassung). b) die Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher v. 24. Juni 1878 (RGBl. S. 166); vgl. insbes. §§ 18—21; vgl. Ges. v. 29. Juni 1881 (RGBl. S. 178) u. EG. zu Nov. Art. V ; s. auch RGBl. 1898 S. 683 (neue Faffung). c) die Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige v. 30. Juni 1878 (RGBl. S. 173) ; vgl. insbes. §§ 16, 17; ergänzt durch Ges., betr. die Ergänzung des § 14 d. GO. f. Z. u. S., v. 11. Juni 1890 (RGBl. S. 73); vgl. EG. z. Nov. Art. VI u. RGBl. 1898 3. 689 (neue Faffung). (Ueber diese Gesetze s. Pfafferoth, Gerichtskostenwesen. 7. Aufl. Berlin 1899; Rittmann, D. Deutsch. G. K.-Gesetze, 2. Aufl. Mannheim 1900). d) die Gebührenordnung für Rechtsanwälte v. 7. Juli 1879 (RGBl. S. 176) (vgl. darüber u. A. Fr. Meyer: Die GO. f. RA. 3. Aust. Berlin 1899; Völk, OG. f. RA. Rördlingen 1879; Pfafferoth: Handb. f. d. Anwaltsgebührenwesen. 5. Aufl. Berlin 1891 u. GO. f. RA. 2. Aufl. Berlin 1900; H. Walter: D. GO. s. RA. mit Komm. 3. Aufl. Berlin 1895; berf.: D. Rechtsanwaltsgebühren in Preußen rc. mit Komm. Berlin 1885; Willenbücher: Das Kostenfestsetzungsverfahren u. die D. GO. f. RA. 5. Aufl. Berlin 1900). Einige Bestimmungen über Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte finden fich aber auch in der

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Erstes Buch.

Ällgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien. § 91.

RAO. §§ 32, 38. Auf das Rechtsverhältniß der Parteien unter einander bezieht sich § 18 Abs. 5 das.; s. auch oben § 34 Anm. 2; vgl. EG. z. Nov. Art. VH u. RGBl. 1898 ©. 692. S. auch Preuß. AG. z. GKG. rc. v. 10. März 1879 (GS. S. 145) und AG. zu GO. f. RA v. 2. Febr. 1880 (GS. S. 43); Preuß. Gerichtskostengefetz vom 25. Juni 1895 in der Fassung der Bekanntm. v. 6. Ott. 1899 (G.S. S. 326) und Ges., betr. die landesgesetzt. Vorschriften über die Gebühren der Rechtsanwälte und der Gerichtsvollzieher, v. 27. Sept. 1899 (GS. S. 381); Mügel, Preuß. Kostengesetze, 3. Aust. Berlin 1900. Wegen Einziehung der Gerichtskosten s. Verordn., betr. d. Derwaltungsverfahren wegen Beitreibung von Geldbetrügen, v. 15. Nov. 1899 (GS. S. 545). 2) Der vorliegende Titel enthält nur die Hauptgrundsütze. In engem Zusammenhange mit ihm stehen die Titel 6 und 7. Zahlreiche Sonderbestimmungen sind wegen des Zusammenhanges mit anderen Vorschriften in der CPO. zerstreut — vgl. §§ 75, 89, 197, 238 Abs. 3, 278 Abs. 2, 283 Abs. 2 344 (Versäumniß); §§ 271 Abs. 3, 515 Abs. 3, 566 (Zurücknähme von Klagen und Rechtsmitteln); §§379, 380, 401, 409, 413'(Zeugen und Sachverständige); § 506 Abs. 2 (Verweisung von Amtswegen an das Landgericht); § 600 Abs. 2 (Urkunden- itnb Wechselprozeß); §§ 637, 658, 673, 677, 679, 682, 684, 685, 686 (Ehe- und Entmündigungsverfahren); §§ 692, 698, 699 (Mahnverfahren); §§ 766, 788, 803, 818, 874, 885, 887, 911 (Zwangsvollstreckung). 3) Die §§ 91—102 ordnen die Verpflichtung zur Tragung der Kosten, §§ 103—107 das Verfahren der Festsetzung des Kostenbetrags. § 91 enthält den Hauptgrundsatz, § 92 einige Folgerungen daraus; die §§ 93—98 bringen Ausnahmen; § 99 handelt von der Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt, § 100 von Streitgenossen, § 101 von der Nebenintervention, § 102 von der Kostenpflicht gewisser nicht als Partei bei dem Rechtsstreite betheiligter Personen. 4) Der Gerichtstage gegenüber ist derjenige der Schuldner, welchem durch gerichtliche (wenngleich nicht rechtsttüftige) Entscheidung die Mosten auferlegt sind, oder welcher sie durch eine vor dem Gericht abgegebene oder diesem mitgetheilte Erklärung übernommen hat, in letzterem Falle jedoch jede Partei wenigstens zur Hälfte; die Haftung des Antragstellers tritt nur hülfsweise ein (GKG. §§ 86, 88, 89 u. Mot. S. 97 ff.). Im Falle der KostenAufrechnung (Vergleichung — § 92 Abs. 1) trägt jeder Theil die Hälfte der Gerichtskosten (Satz 2 das.). Eine gerichtliche Klage gegen die Einziehung festgesetzter Gerichtskosten durch die Gerichtskafle ist unzulässig (RG. in S. A. 51 Nr. 132). — Die Bestimmungen des bürg. Rechtes über die Verpflichtung Dritter zur Kostenzahlung sind unberührt geblieben (s. GKG. § 92). Ueber Haftung des Ehemanns oder Vaters für die Prozeßkosten von Frau u. Kindern s. BGB. §§ 1387 Nr. 1, 1412 Abs. 2, 1415 Nr. 3, 1416, 1460 Abs. 2, 1464, 1535 Nr. 2, 1536 Nr. 4, 1654, oben § 52 Anm. 2. Schuldner der Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers ist bei Geschäften, die von Amtswegen angeordnet werden, die Staatskasse, sonst der Aufttaggeber (GO. s. GV. § 19). Für Preußen vgl. jedoch Gerichtsvollzieherord. v. 31.Märzl900 (JMBl. S.345) §22 Nr.2. 5) In jeder Instanz hat der Anttagsteller einen der höchsttnöglichen Gebühr gleich, kommenden Gebührenvorschuß an die Staatskasse zu zahlen; außerdem sind baare Auslagen bei jedem Anttage, der solche erforderlich macht, von dem Antragsteller vorzu­ schießen (GKG. §§ 81, 84, 85, 90). 3it gewissen Fällen kann von der Leistung des Vorschusses die Vornahme einer Handlung abhängig gemacht werden (CPO. §§ 379, 402, 911, 934). Der Gerichtsvollzieher ist zum Verlangen eines Vorschusses stets berechtigt, sofern nicht das Geschäft von Amtswegen angeordnet oder für eine zum Armenrechte zugelassene Person (s. § 115 Nr. 3) auszuführen ist (GO. f. GV. § 18). Der Rechtsanwalt kann von seinem Auftraggeber angemessenen Vorschuß fordern (GO. f. RA. § 84, RAO. § 38). Vgl. auch oben §34 Amn. 2. Eine Verpflichtung zum Kostenvorschusse dem Prozeßgegner gegenüber ist der CPO. nicht bekannt. Wo nach BGB. der Mann gegenüber der Frau

Fünfter Titel.

Prozeßkosten.

§ 91.

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ober der Vater gegenüber betn Ätnbe für bte Prozeßkosten haftet (s. oben Amn. 4), ist hierin bte Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenvorschusses, auch in gegenseitigen Prozessen, enthalten (vgl. unten § 627 Anm. 7). 6) Ueber bte Gebührenfreiheit beim Verfahren vor ben Landesgerichten unb vor bem Reichsgerichte s. GKG. § 98, Derorbn. betr. bte Gebührenfreiheit in bem Verfahren vor b. Reichsgericht, vom 24. Dez. 1883 (RGBl. 1884 S. 1). Sie bezieht sich nicht auf bte betören Auslagen, gür Preußen vgl. bas oben Anm. 1 angef. Gerichtskostenges. §§ 7—9 unb Mügel a. a. O. Anm. zu §§ 7—9. 7) Die Bestimmungen ber §§ 91 ff. fmb für bte Frage, in welchem Umfange bte von einem auslänbischen Gerichte zur Tragung bet Kosten verurtheilte (beutsche) Partei bte dem Gegner erwachsenen Kosten zn erstatten habe, auch nicht entsprechenb anwenbbar (OLG. Dresden im Sächs. A. 3 S. 365). 8) Die Vorschriften der CPO. über die Prozeßkosten find zum Theil in das Preuß. Ges. über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 21. Sept. 1899 (GS. S. 249) Art. 9 ff. übernommen. § 91. 1) Abs. 1: Die CPO. geht von dem G.nmdsatz aus, daß daS Unterliegen in der Hauptsache als Rechtsfolge die Verantwortlichkeit für die Prozeßkosten nach sich ziehe. Es erübrigt, dafür als Quelle eine besondere „Sponsion" aufzusuchen (Wetzell S. 562 f.). Die Kostenerstattungspflicht ist eine eigenthümliche prozeßrechtliche Verbindlichkeit, die auch nicht auf den Gedanken der Strafe oder auf die allgemeine Verpflichtung zum Ersätze widerrechtlich verursachten Schadens (so nach Bad. PO. § 169), sondern lediglich auf die Thalfache des Unterliegens im Prozesse zurückzuführen ist (vgl. auch Bolgiano S. 167, 170ff., Francke a. a. O. S. 64 ff., 73 ff., H. Meyer a. a. O. S. 282 ff., Planck I S. 379, R«. 8 S. 18; s. jedoch auch RG. in S. A. 39 Nr. 107, Pfizer in Gruchot 30 S. 98 ff.). Der Satz, daß die unterliegende Partei die Prozeßkosten zu tragen hat, ist jedoch keine ausnahmslose Prozeßvorfchrift — vgl. § 93 —, so nicht bei verfrühter Klagerhebung, wenn die Fälligkeit vor deut Urtheil eintritt (RG. in Beil. z. Reichsanz. 1894 S. 29, OLG. Marienwerber in S. A. 55 Nr. 40); vgl. § 257 Anm. 2. Wenn in ber Hauptsache keine Entscheidung zu fällen ist, weil ber Beklagte nach Erhebtmg der Klage den Kläger befriedigt ober klaglos gestellt hat, während die Parteien noch über die Kostenpflicht stteiten, so ist über letztere nicht anders zu entscheiden, als ob der Klaganttag nicht erledigt worden wäre, also in entsprechender Anwendung der §§ 91, 93, 94, 99 Abs. 3 (vgl. § 308). War die Klage schon vor der Zustellung, wenn auch nach der Einreichung zttr Terminsbestimmung durch Befriedigung des Klägers erledigt, so kann Letzterer den Prozeß wegen der Kosten nicht fortsetzen, weil der Rechtsstteit in der Hauptsache gar nicht zur Ent­ stehung gekomtnen ist; ob er — im besonderen Prozeß — Entschädigung wegen der vor der Befriedigung entstandenen Kosten verlangen kann, entscheidet fich nach bürg. Rechte (vgl. Waldstein in Gruchot 25 S. 616 ff., Landsberg das. 36 S. 241 ff., Gaupp Nr. II, Wilm. Levy Anm. 1. A.M. Staub in I. W. 1886 S. 211 ff., Linckelmann das. 1884 S. 264, OLG. Hamburg in S. A. 49 Nr. 124) ; jedenfalls entbehrt der Kostettanspruch, soweit er fich auf die Vorschriften der CPO. gründet, der eigenen Selbständigkeit (OLG. Celle in S. A. 56 Nr. 36). Vgl. § 262 Anm. 1 Abs. 2. Ueber die Kostenpflicht ist auch ohne Anttag spätestens im Endurtheile zu erkennen (§§ 308 Abs. 2, 321; vgl. auch § 101 Anm. 1 a. E.). Theilurtheile über den KostenpunN sind zulässig und, wenn ein Theilurtheil in der Hauptsache ergeht, sogar erforderlich; mindestens bedarf es eines Vorbehalts (vgl. § 301 Anm. 3). Ebenso kann — allerdings nicht auf Grund des § 91 (vgl. RG. 13 S. 413, in I. W. 1890 S. 255, 1895 S. 6 Nr. 10 u. in Gruchot 34 S. 1159) — über den Kostenpunkt, soweit es sich nicht um die erst später entstehenden Kosten

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 91.

handelt (vgl. H. Meyer a. a. O. 3. 290), int Zwischenurtheile (§303) entschieden werden (s. §§ 95 Anm. 1, 96 Anm. 2, 303 Anm. 1; § 99 steht nicht entgegen). ^Dgl. Endemann I 2. 392, Fitting § 130 N. 25, 26, A. Förster Anm. 2, § 91 Anm. 3 u. A.; s. noch §§95 Anm. 1, 96 Anm. 1. A M. Schollmeyer, Zwischenstreit 3. 16 ff., Wilm. Levy Anm. 1.] Wegen der Kosten im Nrkundenprozesse vgl. §§ 599 Anm. 4 a. E., 600 Anm. 4, wegen der Kosten des Arrestverfahrens s. § 922 Anm. 2, wegen der Kosten des Sühneversahrens s. § 510 Anm. 6. 2) Der Gegenstand der Verbindlichkeit ist die Tragung der Kosten des Rechtsstreits. Dahin gehören die der unterliegenden Partei selbst erwachsenen oder in Folge der Ent. scheidung erwachsenen (s. Anm. 1) Kosten und „insbesondere" die Erstattung der Kosten des Gegners, von welcher auch das Armenrecht nicht befreit (§117). Die bisher streitige Frage, ob zu den erstattungsfähigen Kosten auch die Entschädigung für Zeitaufwand gehört (vgl. 6. Allst.), ist durch den gesperrt gedruckten Zusatz der Nov. im bejahenden Sinne ent. schieden, jedoch mit der Begrenzung, daß nur die Zeitversäurnniß für nothwendige Reisen und für die nothwendige Wahrnehmung von Tenninen vergütet wird lmd die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften der GO. für Zeugen unb Sachverständige v. 30. Juni 1878 (§§ 2, 5) Anwendung finden. Andere Schadensersatzansprüche können nur in besonderen Prozessen verfolgt roerbcn. Die Erstattung setzt nicht nothwendig — abgesehen von dem dem Gerichte geschuldeten Gebührenvorschnsse; vgl. OLG. Hamburg in S. A. 43 Nr. 150, RG. das. 47 Nr. 293 — die vorgängige Bezahlung seitens des Gegners voraus; der betreffende Einwand wäre eine exceptio de jure t.ertii (s. § 104 21 tun. 1, 2, Endemann I S. 391, Sanvey l S. 182, Petersen Nr. 2, H. Meyer: Wie liguidirt man die Prozeßkosten? S. 12. A M. Wilm. Levy vor §87 Anin. 2). Der Bevollmächtigte, welcher als solcher zur Entpfangnahme der zu erstattenden Kosten ermächtigt ist (§ 81), wird in dieser Art um bequemsten befriedigt, wenngleich er außer betn Falle des § 124 die Verpflichtung nicht in eigenem Namen geltend machen darf (§308 9(imt. 3); der eigentliche Gläubiger bleibt stets die Partei. Hiusichtlich der Entstehung der Kosten kommt es nur darauf an, ob die Kosten un­ mittelbar und allein durch den Rechtsstreit hervorgerufen sind (vgl. § 104 Anm. 1 a. E., Vordem. 3 zu § 485); unerheblich ist, ob sie au das Gericht oder einen anderen Berechtigten zu zahlen waren (gerichtliche bezw. außergerichtliche 'Kosten). Eine Aufzählung dieser Kosten giebt H. Meyer in Busch 7 S. 285 ff. Unter Umständett kötnten dahin auch Gebühren für Gutachten, welche die Partei vor Erhebung der Klage eingeholt hat, gehören (RG. in S. A. 47 Nr. 155, in I. W. 1897 S. 303, 542, 1898 S. 45, ob.LG. f. Bayern in 3. A. .50 Nr. 125; vgl. jedoch auch RG. 37 3.49 u. in I. W. 1896 3. 584). Die Kosten eines vorausge­ gangenen Arrestverfahrens oder einer einstweiligen Verfügung fallen nur darunter, wenn es besonders ansgesprochen ist. (Sv anet) OLG. Dresden in Busch 6 3. 535, RG. in 3. A. 53 Nr. 134, Seuffert § 802 Anm. 5 a. E. A.M. OLG. Hamburg in 3. A. 53 Nr. 49, Wilm. Levy Anm. 1, H. Meyer a. a. O. 3. 286). Vgl. § 104 Anm. 1. Nicht dahin gehören die Kosten des Gesuchs um Bewilligung des Armenrechts (RG. in 3. A. 45 Nr. 130, in I. W. 1896 3. 410; f. jedoch RG. in I. W. 1886 3. 145, Wilm. Levy Anm. 1), die Gebühr des Rechtsanwalts für Empfangnahme der Hauptschuld (s. RG. in I. W. 1886 3. 230, 1889 3. 168, in 3. A. 45 Nr. 219, in Gruchot 34 3. 762, Stegemann in Busch 7 3. 358 ff., H. Meyer a. a. O. 3. 285, OLG. Hamburg in 3. A. 39 Nr. 47. A.M. OLG. Gelle in Busch 7 3.359), Auslagen für den sog. Patentanwalt (RG. in Blum, Urth. ii. Ann. 1 3. 108), Kosten eines außergerichtlichen Vorverfahrens (KG. Berlin in Busch 13 3.365) u. s. w.; wohl aber die Kosten des Sühneversuchs in Ehesachen (RG. 45 3. 367). Wegen der Kosten einer bloß angekündigten Widerklage s. Lämmert in Busch 17 3. 476 ff., RG. in I. W. 1887 3. 42, 1895 3. 198 n. in Gruchot 43 3. 1236; vgl. aber auch Willenbücher a. a. O. S. 108 Nr. 2. Wegen der Kosten eines vorangegangenen Mahnyer-

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 91.

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fahrens s. § 698 (vgl. Busch *26 S. 157 — Mahnbriefe des Rechtsanwalts); der ZwangsVollstreckung § 788; der Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnisse Vordem. 3 zu § 485. 3) sachlich begrenzt ist die Verpstichtung durch die in jedem einzelnen Falle, und zwar hinsichtlich jeder einzelnen Prozeßhandlung (OLG. Kiel in S. A. 40 Nr. 243), nach freiem Ermessen zu lösende Frage nach der Nothwendigkeit (s. z. B. §§ 61 Sinnt. 1, 74 Sinnt. 6, 78 Slum. 1, 90 Sinnt. 2); maßgebend ist dabei der Zeitpunkt, in welchent die die Kostett veranlassenden Handlungen vorgenommen werdeit, nicht der des schließlichen Urtheils (Senffert Sinnt. 2). Dieser Grundsatz wird besonders bedeutungsvoll bei Häufung von Beweismitteln (indessen kann auch eine doppelt berechnete Beweisgebühr erstattungsfähig sein — vgl. GO. f. RA. §§ 0, 13 Abs. 4, RG. in Blum, Urth. u. Sinn. 1 S. 30), bei öfterem Wechsel in den Gegenständett der Zwangsvollstreckung (vgl. § 843), bei der Frage der Derurtheilung in die durch Streitverkündung deS Gegners erwachsenen Kosten (vgl. § 74 Slnin. 6). Er gilt auch in Betreff der einzelnen von einem Rechtsanwälte vorgenommenen Prozeßhandlungen, z. B. Reisen zu Beweisaufnahme.Terminen, unbeschadet des Abs. 2 [so RG. 13 S. 312 (vgl. 26 S. 378), Willenbücher a. a. O. S. 23; s. jedoch auch RG. in I. W. 1898 S. 540 il 659 (Kosten für die Wahntehmung auswärtiger Beweiütermine durch die Partei selbst oder einen ParteiVertreter sind regelmäßig erstattungsfähig), S. 598 (Zuziehung zum Schwurtermin), 1899 S. 223 (wonach die durch Wahntehmung eines auswärtigen Beweistermins seitens des Prozeß, bevollmächtigten entstehenden Kosten nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten der Vertretmtg durch einen am Orte der Beweisaufnahme wohnenden Anwalt nicht übersteigen)). Sind Mehrkosten dadurch entstattden, daß der Kläger zwei Forderungen gegen beit Beklagten in zwei statt in einem Prozeß einklagt, so ist die Erstattungsfühigkeit der Mehrkosten Thatfrage (RG. in S. A. 47 Nr. 227). Zuweilen ist der Gnmdsatz unmittelbar im Gesetz angewendet; s. § 197. Beschränkungen: Abs. 2, § 95. Nur die sachlich zweckentsprechenden Kosten sind erstattungofähig; Zweifelhaftigkeit einer Rechtsfrage genügt nicht (RG. 32 S. 387). Wegeit der Kosten eines im Kostenfestsetzuitgsverfahren zugezogenen Rechnungssachverständigen s. RG. in I. W. 1898 S. 598; vgl. § 105 Abs. 2. Nur soweit die Entscheidung die Kostenpflicht betrifft (s. §§ 91 Abs. 1, 92—97, 100, 101), hat sie durch Urtheil zu erfolgen (vgl. Sinnt. 1); die Entscheidung über den Betrag der hiernach sich ergebenden Kosten und insbesondere über die Nothwendigkeit der einzelnen Kosten int Sinne des §91 erfolgt in dem Festsetzungsverfahren der §§ 104—107; s. jedoch § 103. (Vgl. Jastrow in Busch 9 S. 395 ff.) 4) Abs. 2: Das freie Ermessen des Gerichts wird hier in Betreff der Anwaltskosten — im Parteiprozesse wie int Anwaltsprozesse — beschränkt. Auch dort gelten die Anwaltskosten von Rechtswegen als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendig (RG. in I. W. 1889 S. 171, 1895 S. 262); vgl. jedoch § 129 Sinnt. 3 a. E. Im Anwaltsprozeß ist ein Unterschied unstatthaft, ob eine einzelne Prozeßhandlung (§ 78 Abs. 2) von der Partei selbst vorgenomnten werdett durfte oder nicht (RG. in I. W. 1891 S. 4, vgl. jedoch RG. 26 S. 378). Nur hinsichtlich der Reisekosten eines aus­ wärtigen, d. h. nicht am Sitze des Prozeßgerichts wohnhaften (RG. 13 S. 312) Anwalts (s. GO. f. RA. §§ 78—83) ist diese Frage wiederum nach freiem Ermessen zu prüfen, und zwar nicht bloß im Allgemeinen wegen der Zuziehung, sondern auch wegen der zu den einzelnen Terminen (RG. 8 S. 314, OLG. Zena in S. A. 40 Nr. 243). Auch fällt nach beut Wortlaut und beut Zwecke des Gesetzes unter das richterliche Ermessen nicht bloß die Frage, ob die Zuziehung eines auswärtigen, sondern auch, ob die Zuziehung eines Rechts­ anwalts überhaupt in diesem Prozesse nothwendig war. (So alle Komm., Struckmann in Busch 10 S. 350 ff. und die herrschende Praxis. Sl.M. Rödenbeck in Busch 9 S. 232 ff.). Eine (von Rödeitbeck a. a. O. S. 238 ff. willkürlich bei Seite geschobene) Sonderbestimmung hinsichtlich der nicht ant Orte des Kollegialgerichts wohneitdett, bei letzterem zugelassenen Rechtsanwälte enthält die RAO. § 18 Abs. 5 (vgl. auch § 37 das., RG. 14 S. 177 u. Struckmann

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Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Patteim. § 91.

a. o. O. S. 356 ff.). Aus die Gebühren und Auslagen der das. § 25 Abs. 3 bezeichneten Vertreter (Referendare in inehr als zweijährigem Vorbereitungsdienste) findet, wie auch in der betreffenden RTKomm. festgestellt worden ist (s. Dölk, RAO. S. 53, Fr. Meyer, RAO. 2. Auft. S. 46 f.), § 91 Abs. 2 der CPO. Anwendung [Pr. Just.M.Bl. 1883 S. 102 ff., RG. 10 S. 379, 15 S. 433, in S. A. 40 Nr. 145 u. in Blum,Urth. u. Ann. 1 S. 206, OLG. Hamburg in S. A. 38 Nr. 260, Kiel das. 41 Nr. 218 I.A.M. RG. 14 S. 393, 21 S. 349 (ver. Civils.), 31 S. 425 u. in Gruchot 34 S. 1103, OLG.Caffel in S. A. 48 Nr. 60, Oldenbürg das. 51 Nr. 54 (die ein Derttetungsverhältniß nach RAO. § 25 Abs. 1, 2 voraussetzen)]; dagegen nicht auf andere Vertteter (Rechtsnnkundige oder Referendare in weniger als zwei­ jährigem Vorbereitungsdienste — weder tut Anwalts- noch im Parteiprozesse) [RG. in 2. A. 39 Nr. 240, 40 Nr. 144, Harnier in Busch 7 S. 531 ff.]. Ob (tut Parteiprozeß) Auslagen für einen nicht rechtskundigen Vertteter zu erstatten sind, hängt von der Sachlage ab (vgl. A. Förster Anm. 5 a. E., Bozi in Busch 15 S. 503 ff.). Bei dem Betrieb eigener Angelegenheiten kann der Rechtsanwalt von dem zur Erstattung der Kosten des Verfahrens verpstichteten Gegner Gebühren und Auslagen bis zu dem Betrage fordern, in welchen: er Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte (GO. f. RA. § 7). „in allen Prozessen" — also auch tut Mahnverfahren. 5) Eine besondere Vorschrift enthält Satz 2 hinsichtlich der Kosten der Bestellung mehrerer Rechtsanwälte, mögen sie gleichzeitig (§ 84; vgl. auch GO. f. RA. § 2) oder nach einander, in der mündlichen Verhandlung oder als bloße Korrespondenz-Mandatare (für den Verkehr mit dein Prozeßbevollmächtigten — GO. f. RA. § 44) [91(9. 9 S. 356 n. in S. A. 43 Nr. 224, auch 39 Nr. 138, in Z. W. 1895 S. 357, OLG. Jena das. 40 Nr. 255], thätig sein. 6) „als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen" — Aus diesem Gesichtspunkte sind die Kosten eines zweiten Rechtsanwalts insoweit von dem Gegner zu er­ statten, als dadurch Reisekosten des Prozeßbevollmächtigten (Walter in I W. 1886 2. 186 ff. iL RG. das. 1890 S. 180) oder der Partei, z. B. behufs Aufklärung des entfernt wohnenden Anwalts am Prozeßgericht, erspart werden (vgl. die in Anm. 5 angeführten Urtheile sowie RG. 15 S. 402, in S. A. 41 Nr. 296 u. in I. W. 1887 2. 351, 1888 S. 393, 1890 S. 110, 1891 S. 466, 1897 S. 106, 1898 S. 278).

7) „oder als — mußte" — Fälle eines nothwendigen Wechsels sind Tod, Aufgabe oder Zurücknahme der Zulassung, Verlust der Fähigkeit zur Ausübung der Anwaltschaft (RAO. § 24; s. RG. in S. A. 50 Nr. 44, 45), Wohnsitzveränderung des Bevollmächtigten (vgl. Hergenhahn in Busch 17 S. 133 ff.), Nothwendigkeit der Bestellung eines zweiten Rechtsanwalts für Handlungen bei einem anderen Gericht, oder wenn der bei dein Amtsgericht an­ hängige Rechtsstreit in Folge einer Widerklage nach § 506 an das Landgericht verwiesen und der bei jenem Gerichte zugezogene Rechtsanwalt bei den: letzteren nicht zugelassen ist (RG. 22 S. 432, 26 S. 418 u. in I. W. 1898 S. 278), dagegen nicht der Fall, wo eine Partei zu­ nächst einen beim Prozeßgerichte nicht zugelassenen und sodann eilten bei letzterem zugelassenen Rechtsanwalt annimmt, oder wo der Prozeßbevollmüchtigte als Zeuge benannt und vernommen wird (RG. im Sächs. A. 8 S. 71; ob auch Kündigung, wird sich nach den Umständen ent­ scheiden (RG. 15 S. 399, in S. A. 45 Nr. 129, 52 Nr. 49, in I. W. 1898 S. 278 9ir. 3, 1899 S. 365, OLG. Jena in S. A. 42 Nr. 54, Cassel das. 48 Nr. 137, Hamburg das. 55 S. 100). Ebenso verhält es sich mit Krankheit des Rechtsanwalts; ohne besondere Untstände hat die Partei die Ausübung der Anwaltsthätigkeit durch einen Vertreter geschehen zu lassen (RG. 44 S. 427). Hinsichtlich der Stteitgenossen s. §§ 61 Anm. 1, 100 Anm. 2 ; RG. 39 S. 383 u. in I. W. 1893 S. 444.

Fünfter LttL Prozetzkosten. $ SS.

121

§ 92. (88.) Wenn jede Partei theils obfieat, theils unterliegt, so find die Kosten gegen einander aufzuheben oder verhältnismäßig zu theilen. Sind die Kosten gegen einander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. Das Gericht kann der einen Partei die gesammten Prozeßkosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei eine verhältnismäßig geringfügige war und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, oder wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittelung durch Sachverständige oder von einer gegenseittgen Berech­ nung abhängig war. R. Gntw. § 150. Entw. I. $ 86. G«tw. II. § 86. Grrtw. 111. § 86. Prot. Z. 33, 708, 703. - Nov., «. III: § 88; »egr. r. 88.

Mot.

r. 118, 113.

8 92. 1) Abs. 1: Die zwingende Vorschrift ist eine Folge des in § 91 Abs. 1 enthaltenen Grundsatzes. „theils obsiegt, theils unterliegt" — wenn auch erst in letzter Instanz (s. § 97 1). Auch Nebenforderungen, z. B. Zinsen, können hierbei in Anschlag gebracht werden (RG. in I. W. 1888 S. 177). Ein theilweises Unterliegen ist auch dann anzunehmen, wenn die Partei nur mit einem eventuellen Antrage durchdringt oder in der Hauptsache obstegt, aber hinsichtlich der Widerklage unterliegt (Z 322 Abs. 1; 91(5. in S. A. 47 Nr. 228, OLG. Cöln im Rh. A. 951 S. 170, Endemann I S. 395, Löning in Busch 4 S. 152 Anm. 196, H. Meyer das. 7 S. 296); dagegen nicht bei Erfolglosigkeit eines Angriffs, oder Vertheidigungö. mittels; in diesem Falle ist nur § 96 anwendbar (RG. in S. A. 38 Nr. 171). 9(11111.

2) „gegen einander aufzuheben" — d. h. jeder Theil trügt die von ihm auf. gewendeten oder aufzuwendenden Kosten ohne Ersatzanspruch selbst (sog. „Vergleichung" oder „Kompensation der Kosten"; s. Bayer. PO. Art. 109, Hann. PO. §47, Preuß. AGO. I 23 §§ 3, 4). In diesem Falle trägt, wie die Nov. in Satz 2 zur Beseitigung der in der Rechtsprechung hervorgetretenen Zweifel ausdrücklich hinzugefügt hat, jeder Theil die Hälfte der Gerichtskosten. 3) „oder verhältnißmäßig zu theilen" — Wenn es dem Gericht angemessen erscheint, so kann es, wie die Mot. hervorheben, statt der „Konrpensation" eine „Repartition" der Kosten eintreten lassen; entweder so, daß einer Partei eine bestimmte Summe (pars quanta) und der Rest der anderen Partei auferlegt wird, oder so, daß von der Gesammtsnmme der beiden Theilen erwachsenden Prozeßkosten jedem Theile eine bestimmte Quote zur Last fällt. Auch ist nicht ausgeschlossen, die Quoten- oder Quantentheilung oder die Dertheilung und die Kompensation mit einander zu verbinden, also z. B. der einen Pattei einen aliquoten Theil der Prozeßkosten des Gegners zur Erstattung aufzuerlegen und im Uebrigen die Kosten beider Theile zu vergleichen. Bei der Wahl der einen oder anderen Theilungsatt ist nicht bloß das Verhältniß der erstrittenen Beträge, sondern auch das Verhalten der Patteien maßgebend, so­ weit dieses auf die Entstehung der Kosten von Einfluß gewesen (vgl. H. Meyer a. a. O. S. 294 ff.). Die Kosten der Klage und der Widerklage dürfen aber nicht gesondett werden, da diese nicht „einzelnes Angriffsmittel" im Sinne des §96 sind (RG. in S. A. 41 Nr. 61, 47 Nr. 228, in Z. W. 1897 S. 106 Nr. 5; vgl. § 96 Anm. 1); auch nicht die Kosten der Berufung und der Anschließung (vgl. §97 Anm. 1). Ebenso ist die Abzweigung der gegen oder für einen Streitgenossen entstandenen Kosten zu vermeiden (RG. 39 S. 383, 41 S. 399 li. in I. W. 1900 3.411). Entscheidungen dieser Art würden im Kostenfestsetzungsverfahren zu unlöslichen Schwierigkeiten führen. Die auf Grund des § 92 getroffene Entscheidung bezieht sich auch auf die außergerichtlichen Kosten (s. § 106), wenn nicht das Gegentheil bestimmt ist.

122

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. § 93.

§ 93. (89.) Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. «. G»tw. § 195. Gut». I. § 87. r. 113, 114. Prot. r. 33, 518, 519.

Hntw. II. § 87.

Entw. III. § 87.

Mot.

Die vorstehenden Grundsätze sind auch bei einer Mostenentscheidung tut Theilurtheil anwendbar (Altvater in Busch 10 2. 256 ff.). 4) Abs. 2: Zwei Abweichungen von deut Grundsätze, die eine wegen Geringfügigkeit der Mehrfordentng (vgl. RG. 42 2. 85) zur Vermeidung unverhältnisrmäfiiger Weiterungen, die andere in Fällen, in denen die Mehrfordernng kaum zu vermeiden war (vgl. z. B. § 287). Der zweite Fall setzt eine zuvorige Verweigerung der Berechnung nicht nothwendig voraus (Gaupp Nr. II, Dilm. Levy Anm. 3, Petersen Nr. 5, V\ Meyer a. a. C. 2. 298. A.M. 2euffert Anm. 2, 2arwey I 2. 171). Die Vorschrift ettthält (anders als Abs. 1) nur eine Befugnis; des Richters („kann"). 5) Wegen Anwendung des § 92 auf die Rechts mittel in stanzen f. § 97 Antu. 1. §93. Literatur: Gerlach in Busch 20 2. 154 ff., Reinhold das. 21 2. 34 ff., Holder das. 22 2. 1 ff. 1) Ter 2atz enthält eine mehr scheinbare Ausnahme von deut Grundsätze des § 91, da ein sachlicher 2treit der Parteien ltnb ein eigentliches Unterliegen des Beklagten hier nicht stattfindet (s. Renand 2. 737, H. Meyer a. a. C. 2. 291). Cb die Mlage unter der Voraus­ setzung des § 93 (vgl. Antu. 2) ohne vorausgegangene Rechtsverletzung überhaupt begründet ist, bestimmt sich, soweit nicht §§ 256—258 entscheiden (s. §§256 Anm. 6, 257 Anm. 2; vgl. auch § 259 Anm. 3), nach bürg. Rechte (s. Petenen Nr. 2, Endemann I 2. 397, Planck I 2. 333, Förster in Busch 8 2. 146 ff. A.M. Rocholl das. 2. 355 ff., der eine wirkliche Aus­ nahme annimmt). Andere Fälle f. in §§ 75, 76, 77, 94; MC. § 11 Abs. 2. — § 93 rechtfertigt es auch, dem Mläger unter Umständen einen entsprechenden Theil der Mosten aufzuerlegen (vgl. Wilm. Veoi) Anm. 1). — Ein Antrag des Beklagten ist nicht erforderlich. 2) „durch sein Verhalten zur Erhebung der Mlage Veranlassung gegeben" — z. B. durch Bestreiten, Berühmen, Verzug (rnora), Vorenthalten der 2treitsache. Vgl. § 75, § 256 Anm. 6; RCHG. 14 2. 30. 2. A. 33 Nr. 78, 116. Ans das Verhalten seit der Hlagerhebung (bis zur Anerkennitng) komntt es nicht an (Gaupp Nr. 112, Planck I 2. 382; jetzt and) Petenen Nr. 3). „Darüber, ob tut einzelnen Falle der Beklagte durch sein Verhalten zur Mlage Veranlassung gegeben hat oder nid)t, ist vom Gericht nach den be­ treffenden Behauptungeit des Klägers in der Mlagesdirist bezw. int Termine zur mündlichen Verhandlung zu entsckieiden." (Mot.) Es kommt dabei ganz auf die Vaste des einzelnen Falles an, wobei allerdings and) das bürg. Reä)t zu berücksick)tigen ist H. Meyer a. a. C. 2. 293, 2euffert Annt. 1, Wad) I 2. 20 Anm. 18, 3- W. 1888 2. 402 (Interventiottsprozefi)^. 3) Dem „sofort", b. h. in der ersten Verhandlung ohne vorgangiges Bestreiteit (sobald tirtd) 2tellung der Parteianträge der Beklagte das Wort erhält — vgl. § 307, C2G. Braunschweig in 2. A. 38 Nr. 262, H. Meyer a. a. C. 2. 292, 2enffert Anm. 2, A. Förster Anm. 2d. A.M. Pudielt I 2.323, der eine Anerkennung in der Mlagebeantwortnng verlangt) abgegebeneit Anerkenntnis; (§ 307) steht die Versäumnis» des Verhandlungstermins nid)t gleich. Die Entwürfe enthielten zwar einett Zusatz, der diese Gleidistellttttg auösprach; die RTM. v. 1875 lehnte den 2atz jedod) ab. Int Falle des Versäuntnißurtheils tritt daher tmbedingt die Regel des § 91 Abs. 1 ein. (2o and) 2euffert Anm. 3 tt. A.; vgl. Petersen Nr. 3. A.M. Uebel 1 2. 101.) Ein thatsächliches Anerkenntniß (Erfüllung oder Ersüllnngsbereitschast) ist tticht er.

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 94.

123

§ 94. Macht der Kläger einen auf ihn übergegangenen Anspruch aeltend, ohne daß er vor der Erhebung der Klage Dem Beklagten de» Üeberyang mitgetheilt und auf Verlangen nachgewiesen hat, so fallen ihm die Prozeßkosten insoweit zur Last, als sie dadurch entstanden sind, daß -er Beklagte durch die Unterlassung der Mittheilung oder des Nachweises veranlaßt worden ist, den Anspruch zu bestreiten. «•»., E. II, «. III: § 89a; »tgt. 8. 88 f.; Prot. 384, 641.

»»«. V. 8. 1*9, VI. 8. 3SS,

forderlich (Planck 1 2. 333, (Smipp a. a. £\, Gerlach a. a. O. S. 154 ff., Reinhold a. a. £. 2. 34 ff. A M. Wach I 2. 20 Anm. 18, Wilm. Levy Anm. 3). Ueber Fälle, in denen der Beklagte den Anspruch anerkennt ltitb bitrd) Aufrechnung erfüllt, vgl. Weismann in Busch *26 2» 36, Pfizer das. 2. 43 ff. § 03 ist aus Ehe- und Entmündigungöklagen bei der Unwirksamkeit eines Anerkenntnisses nicht anwendbar (Gaupp Nr. II 1 a. E., Wilm. Levy Anm. 3 a. E.; vgl. jedoch KG. Berlin in Rechtspr. 1 S. 343). Wegen sonstiger Familienstands klagen s. Gaupp a. a. O. 4) Der § 33 findet auf das Kostenfestsetzungsverfahren der §§ 104 ff. — nicht aber auf die Kostensestsehung nach § 103; vgl. GKG. §38 Nr. 1 — entsprechende Anwendung, sodaß die Kosten der Festsetzung vom Antragsteller zu tragen sind, wenn sich der Gegner vorher erboten hat, sie ohne gerichtliche Festsetzung zu zahlen (RG. 14 2. 3*20, in 2. A. 38 Nr. 340, Seuffert § 99 Anm. 3). Dagegen ist eine vorherige Zahlungsaufforderung an den Schuldner oder Zustellung einer Kostenrechnung nicht erforderlich (OLG. Braunschweig in S. A. 4o Nr. 220, Cassel in Busch 16 S. 151 a. E., Breslau in d. Z. d. Anw.-K. in Naumburg 1895 S. 4, Blankmeister in Bödiker, Mag. 8 2. 312 ff., Hergenhahn in Busch 17 S. 116 ff., Wilm. Levy §99 Anm. 3 a. E. A.M. Schneider in Bödiker, Mag. 7 S. 218 ff., Rödenbeck in Busch 13 2. 361 ff., OLG. Kiel in S. A. 41 Nr. 227).

§94. 1) § 94, den die Nov. eingefügt hat, enthält eine Erweiterung des im § 93 ausgesprochenen Grundsatzes für den Fall, daß der Kläger einen auf ihn übergegangenen Anspruch geltend macht (vgl. dagegen Gaupp Nr. I). In Fällen dieser Art kann der Schuldner erwarten, daß ihm vor derKlagerhebung der Uebergang mitgetheilt und auf Verlangen nachgewiesen wird (vgl. BGB. § 410). Hat der Kläger dies nnterlaffen, so fallen ihm die durch ein Bestreiten des Beklagten entstandenen Kosten, insbesondere auch die Kosten eines angeordneten BeweisVerfahrens zur Last, da dem Beklagten nicht zugemuthet werden kann, daß er den eingeklagten Anspnich unter Verzicht aus den Nachweis des Ueberganges ohne Weiteres anerkennt (vgl. Begr. S. 88 f.). 2) „Uebergang — nachgewiesen hat" — beim Erwerb unter Lebenden wie von TodeSwegen, durch Rechtsgeschäft wie kraft Gesetzes. Im Falle deö Rechtsgeschäfts hat nach BGB. § 410 der neue Gläubiger dem Schuldner eine Abtretungsurkunde vorzulegen, sofern nicht der bisherige Gläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat. Wegen des Erbscheins s. BGB. §§ 2333 ff. „insoweit zur Last" — Sind durch das Bestreiten der Aktivlegitimation keine besonderen Kosten entstanden — z. B., wenn der Klagansprnch auch sonst bestritten und eine besondere Beweisaufnahme nicht erfolgt ist —, so ist § 94 nicht anwendbar (Gaupp Nr. UI). „durch die Unterlassung------ veranlaßt worden ist" — Der Beklagte, der von dem Uebergange zwar nicht bitrd) den Kläger, aber auf andere Weise Kenntniß erlangt hat, kann sich auf § 94 wegen mangelnden ursächlichen Zusammenhanges nicht berufen (Gaupp Nr. 11b u. c).

124

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. | 95.

§ 95. (90.) Die Partei, welche einen Termin oder eine Frist versäumt, oder die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung, die An­ beraumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung oder die Verlängerung einer Frist durch ihr Verschulden veranlaßt, hat die dadurch verursachten Kosten zu tragen. «. «Nt». §§ 15$, 153. «nt». I. § 88. «nt». II. § 88. «nt». III. § 88. «et.

S. 114.

Prot. ®. 33.

§ 95. 1) Die §§95, 96, 97 Abs. 2 umfassen die Falle der fort- Kosten-Separation, in denen ohne Rücksicht auf das schließliche Unterliegen der einen oder anderen Partei über die durch einzelne Prozeßhandlungen oder Unterlassungen schuldbar oder zwecklos ver­ anlaßten Kosten durch das erkennende Gericht entschieden wird. In diesen Fällen (wie in dem des § 93) hat die Partei, der solche Kosten zur Vnft fallen, nicht bloß keinen Erstattungsanspruch, sondern auch die Verpftichtung zur (Erstattung der Kosten des in der Hauptsache unterliegenden Gegners (s. § 91 Anm. 2). Vgl. anch Mot. z. GKG. S. 68. § 95 enthält die Fälle einer schuldbaren Verzögerung. Als solche gilt ohne Weiteres die Versäumung eines Termins oder einer Frist. Vgl. § 344. In den anderen Fällen ist das Verschulden besonders festzustellen. Unter den Voraussetzungen des § 95 ist die Kostenpfticht unbedingt („hat"). Anders im § 278 Abs. 2 („kann auferlegen"). Vgl. auch § 279. Diese Vorschrift ist an sich ein wirksames Mittel gegen Prozeßverschleppungen (vgl. z. B. §§ 129 Anm. 2, 132 Anm. 1, 272 Anm. 3), hat aber in Folge des dem GKG. zu Grunde liegenden Panschsystems, nach welchem in vielen Fällen durch die Versäumung u. s. w. besondere Kosten nicht verursacht werden, den größten Theil ihrer praktischen Bedeutung ver­ loren (vgl. Wach, Die Civilprozeß-Enquete S. 34 f.). Zur Ergänzung hat GKG. § 48 eine Art Prozeßstrafe eingeführt (Wach, Dortr. S. 17). [lieber die Anwendbarkeit des § 48 vgl. Wach, Die Civilprozeß-Enquete 2. 34 ff., Barkhausen in Busch 12 2. 321 ff., I. W. 1888 2. 77; RG. 22 S. 429 n. in I. W. 1888 2. 21, 197, KG. Berlin in Busch 12 2. 169, OLG. Hamburg in 2. A. 43 Nr. 294; über die Beschwerde gegen den ablehnenden Bescheid f. 9M9« 32 2. 392.] Macht das Gericht von der darin enthaltenen Be fügn iß keinen Gebrauch, so bezieht sich §95 nur auf die sonst verursachten Kosten. Die Entscheidung kann und wird in der Regel sofort durch Zwischenurtheil, sonst im Endurtheil erfolgen (vgl. § 91 Anm. 1). Daß der Kostenpunkt in der Regel Zubehör der Hauptsache ist, schließt in Füllen wie hier die Möglichkeit eines Zwischenurtheils nicht ans. Dieses bleibt stets mit dein Endurtheil anfechtbar (§ 512 Anm. 1). [2o auch Brettner in Busch 1 2. 255. A.M. Schollmeyer, Zwischenstreit 2. 16 ff., Wilm. Levy Anm. 4 a. E., andererseits H. Meyer a. a. O. H. 301, Gaupp Nr. I, Petersen §§ 95, 96 Nr. 2, Planck I 2. 386, Seuffert § 87 Anm. 4, welche einen Beschluß für ausreichend erachten, obwohl dieser nach § 318 stets abänderlich sein ivi'trbe.] Ein Antrag ist nicht erforderlich. 2) Die CPO. unterscheidet zwischen Verlegung eines Termins, Vertagung einer Verhandlung und Anberaumung eines Tennins zur Fortsetzung der Verhandlung (vgl. §§ 227, 228). Eine Verlegung findet statt, wenn vor dem Verhandlungstermin an dessen Stelle ein neuer Termin anberaumt wird; eine Vertagung, wenn in dem angesetzten Verhandlnngstennine nach Aufruf der Sache die Verhandlung aus einen andern Tag verschoben wird, in der Art, daß in dein späteren Termine die in dem ersten etwa schon begonnenen Vortrüge zu wiederholen sind, und Alles von neuem verhandelt werden muß (abw. Seuffert § 206 Anm. 1); eine Fortsetznng, wenn in dem Verhandlungstermine die Fortsetzung der bereits begonnenen, aber aus äußeren Gründen, z. B. wegen vorgerückter Tageszeit, abgebrochenen Verhandlung auf einen neuen Tag bestimmt wird, in der Art, daß das in der ersten Sitzung verhandelte auch für die zweite seine Bedeutung haben soll (Hann. Prot. I S. 225 ff., V S. 1725 ff., XV S. 5429 ff. Gegen die strenge Scheidung der Begriffe Barkhausen a. a. O.

ftfaifttr XtM.

$ Jd.

125

- 96« (91.) Die Kosten eine- ohne Erfolg gebliebenen Anartffs- oder Bertheidiaungsmittels können der Partei auferlegt werden, welche oasselbe geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. «. Ent». § 154. Ent». I. § 89. i. 114. Prot. i. 33.

Ent». II. § 89.

Ent». III. § 89.

9M.

S. 324 ff.; vgl. auch Fitting S. 135f., Planck I S. 512). Ist die Verhandlung ausgesetzt (§§ 148, 149) oder durch eine Beweisaufnahme unterbrochen (§ 370), so kann jedoch gleichfalls eine Fortsetzung der Verhandlung beschlossen werden (Wilm. Levy § 206 Kirnt. 1). Vgl. GKG. §§ 48, 94 Nr. 3. 3) „Verlängerung der Frist" — vgl. tztz 224, 225. Die Abkürzung ist nicht gleichgestellt. §96. 1) Die Verwerfung einzelner „Angriffs, oder Vertheidigungsmittel" rechtfertigt an sich noch nicht die Ausscheidung der dadurch veranlaßten Kosten zu basten der obstegenden Partei. Daher ist dem Richter hier — abweichend von § 95 — nur gestattet, je nach der Lage des Falles die Kostenausscheidung (s. § 95 Kirnt. 1), nicht eine Theilung nach Quoten (vgl. RG. im RAnz. 1882 bes. Bell. 10 S. 6) oder eine Aufhebung der Kosten gegen einander (vgl. RE. in S. A. 38 Nr. 171) auszusprechen. Es fragt fich stets, inwiefern das unerhebliche Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung dienen konnte (§ 91). Indessen ist dies nicht nothwendig maßgebend. (A.M. Sarwey I S. 174 f., dessen hauptsächlich aus der.Entstehungsgeschichte geschöpfte Gründe gegen jene, auf die Mot. gestützte Auffassung nicht entscheidend find.) Der Begriff „Angriffs, und Vertheidigung-mittel" ist hier im weitesten Sinne aufzufaffen, einschließlich der Beweismittel und Beweiseinreden (f. §§ 145, 146 Kittn. 2). [So auch Peterfen §§ 95, 96 Nr. 8, Seuffert Anm. 3, Hinfchius im Rechtslex. I S. 110, Wach I S. 290, Planck I S. 383, Fitting § 130 N. 10, Schultzenstein in Gruchot 37 S. 239; vgl. WeiSmann in Busch 26 S. 36, der auch das Leugnen des Klaggrundes hierher rechnet. A.M. H. Meyer a. a. O. S. 305, welcher die Beweismittel und Beweiseinreden ausschließt, obwohl hinstchllich ihrer, z. B. bei Benennung vieler unnöthiger Zeugen, § 96 von besonderer prakttscher Bedeutung ist.] Den Gegensatz bilden die Rechtsmittel (vgl. §§ 97, 145 Kirnt. 2). Richt hierher gehört die Widerklage (vgl. § 92 Anm. 1, RE. in S. A. 41 Nr. 61, 47 Nr. 228 und in I. W. 1891 S. 198, Löntng in Busch 4 S. 152 Kirnt. 126, Wach I S. 389 ff., Fitting § 130 R. 10, A. Förster Anm. 2); fie entspricht der Klage, nicht der „Klagebeantwortung" (wie Schollmeyer, Zwischenstreit S. 46 annimmt). „der Partei — geltend gemacht hat" — unter dieser Voraussetzung also auch einem einzelnen Streitgenoffen (§ 100 handelt nur von unterliegenden Streitgenoffen). 2) Die Entscheidung kann in dem Endurtheil oder sofort in dem Zwischenurtheil, in welchem über das Angriffs, oder Vertheidigungsmittel entschieden wird (§ 303), ergehen (vgl. § 91 Anm. 1, H. Meyer a. a. O. S. 306, A. Förster Kirnt. 3, auch RG. 13 S. 413 a. E. u. in Gruchot 34 S. 1147. A.M. RG. das. 29 S. 1065, v. Bülow § 87 Kirnt. 7 u. in Gruchot 22 S. 709, 714). Ein Antrag ist nicht erforderlich. Erfolgt die Entscheidung in einem Zwischen, urtheile, das in Ansehung der Rechtsmittel als Endurtheil gilt (vgl. z. B. § 275 Abs. 2), so ist auch diese Entscheidung sofort der Rechtskraft fähig (OLG. München in Busch 6 S. 104). Wegen des Zwischenurtheils nach § 304 vgl. das. Kirnt. 1. 3) Es fehlt jede ausdrückliche Bestimmung über die Kosten eines Zwischenstreits (§303 Anm. Id); indessen dürste § 96 entsprechende Anwendung finden. (A.M. H. Meyer a. a. O. S. 306 u. in Busch 17 S. 462 f., welcher stets § 91 anwenden will.)

126

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. § B7.

§ 97. (92.) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, welche dasselbe eingelegt hat. Die Kosten der Berufungsinstanz können der obsiegenden Partei ganz oder theilweise auferlegt werden, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, welches sie nach freiem Ermessen des Gerichts in erster Instanz geltend zu machen im Stande war. Die Kosten der Revisionsinstanz in Rechtsstreittgkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes aus­ schließlich zuständig sind, hat auch im Falle des Obfiegens die Reichs- oder die Staatskasse zu tragen, wenn der Werth des Stteitgegenstandes die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt und der Vertreter des Reichs oder des Staates die Revision eingelegt hat. R. Gutw. § 155. Entw. I. $ 90. Entw. II. § 90. Errtw. III. § 90. G. 114, 115. Prot. T. 33, 660, 661. Prot. z. «««. Z. 360, 361, 618.

Mot.

§97. Literatur: H. Meyer in Busch 7 S. 318ff., 13 S. 331 ff., Marcus das. 12 S. 222, Planck I S. 386 f. 1) Abs. 1: Die Bestimmung ist gewissermaßen eine Folge des dem § 91 zu Grunde liegenden Gedankens, indem das erfolglos angewendete Rechtsmittel (s. Anm. 1 zu Buch 3) wie eine abgewiesene Klage behandelt wird. (A.M. H. Meyer a. a. O. 7 S. 316 ff.) Es wird also namentlich auch der Fall getroffen, wenn das Rechtsmittel von einer in der früheren Jnstanz theilweise unterlegenen Partei eingelegt war. Der Abweisung steht hier die Zurücknähme und der Verzicht (§§ 514, 515) gleich. Als ohne Erfolg eingelegt kann in entsprechender Anwendung des § 92 Ws. 2 das Rechtsmittel auch angesehen werden, wenn der Erfolg ein verhültnißmüßig geringfügiger war oder von der Ausmittelung durch Sachverständige abhing (RG. in I. W. 1895 S. 538). Im Uebrigen hat die CPO. davon Abstand genommen, für die mannigfachen, bezüglich der Rechtsmittel möglichen Verwickelungen Bestimmungen zn treffen, sondern, abgesehen von Abs. 2 und 3, alles stillschweigend der Anwendung jenes Grundsatzes überlassen. Wird also in Folge des eingelegten Rechtsmittels eine gänzliche Aenderung des früheren Urtheils erreicht, so sind die sämmtlichen Kosten des Rechtsstteits in allen In­ stanzen dem Unterliegenden aufzuerlegen, während bei theilweiser Abänderung § 92 zur AnWendung kommt. sA.M. H. Meyer a. a. O. 7 S. 321 ff., 13 S. 331, welcher — entgegen dem Grundgedanken des § 97 Abs. 1, den Mot. u. den meisten Komm.; vgl. Altvater in Busch 10 S. 261, Planck l S. 386, RG. 4 S. 365 — §92 nur bezüglich des Endergebnisses des ganzen Rechtsstreits für anwendbar hält.) Der § 92 kann allerdings auch in der Weise zur Anwendung kommen, daß, soweit das Rechtsmittel zurückgewiesen wird, der entsprechende Theil der Kosten der betteffenden Partei sofort auferlegt, soweit aber dem Rechtsmittel stattgegeben wird, der entsprechende Theil vom Ausgange der Hauptsache abhängig gemacht wird. Denn mit der Sachentscheidung fällt auch die Kostenentscheidung des abgeänderten Urtheils; die Kosten aller Instanzen zusammengenommen stellen eine einheitliche Aufwendung dar, welche durch die Geltendmachung des erstrittenen Rechtes erfordert wurde (s. OLG. Dresden im Süchs. Arch. I S. 424). Bei einer Zurückweisung in die untere Instanz (§§ 538, 539, 565) ist, abgesehen von dem Falle des § 92, die Entscheidung über den Kostenpunkt von dem Ausfalle der Hauptsache abhängig zu machen. (Vgl. § 565 Anm. 8, Gaupp Nr. III, Petersen Nr. 4, H. Meyer a. a. O. 7 S. 320. A.M. Endemann II S. 482.) Die Kosten der Anschließung (§ 521) werden nicht besonders berechnet, sondern nach dem Werthe, welcher sich bei Zusammenrechnung der beiderseittgen Beschwerdewerthe (s. GKG. § 11) ergiebt (RG. in S. A. 40 Nr. 152). Die Anschließung füllt unter den Begriff des Rechtsmittels im Sinne des §97 Abs. 1; es können daher bei Zurückweisung der. Berufung und

ftibtfttr ttid. Hrozetzkosten. $

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§ 98. (93.) Die Kostm eines abaesibloffenea Vergleichs find als gegen einander avsgchoben anzusehm, wenn nicht die Parteien eia Anderes vereinbart haben. Dasselbe gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist. «. «et». § 378. «nt». I. § 91. «et». II. § 91. «et». III. § 91. Wtet. «. IIS. Prot. «. 33. her Anschließrmg nicht ohne Weiteres dem Berufungskläger als der im Wesentlichen unter» liegenden Partei die sämmtlichen Kosten der Berufungsinstanz auferlegt werden (RG. 44 S. 375). Ueber den Kostenpunkt bei Entscheidungen in der Beschwerdeinstanz s. Altvater im v. A. 63 S. 431 ff.; vgl. auch RG. 4 S. 365 u. Meyer a. a. O. 7 S. 321; abweichend I. W. 1888 S. 360 ff. und die dort angef. Entscheidungen. Bei Werthfestsetzungen, bei denen der andere Theil nicht Prozeßgegner ist, können diesen in der Beschwerdeinstanz keine Kosten treffen (RG. m I. W. 1898 S. 153). Legt der Rechtsanwalt aus eigenem Rechte (GO. f. RA. § 12) Beschwerde ein, so sind im Falle der Erfolglosigkeit ihm, nicht seiner Partei, die Kosten der Beschwerde aufzuerlegen (RG. in I. W. 1886 S. 42, 1891 S. 634); etwaige Zweifel, ob die Beschwerde im Namen der Partei oder des Rechtsanwalts eingelegt ist, sind durch Befragen des Letzteren aufzuklären (RG. in S. A. 54 Nr. 177; vgl. § 573 Anm. 2). Für den Einspruch, welcher nicht zu den Rechtsmitteln gehört, gilt die besondere Vor» schrift des § 344. 2) Abs. 2: Dieser Fall freigestellter Kostenausscheidung in dem Falle, wenn die Be» rufung (oder Anschließung) auf Grund eines neuen (thatsächlichen) Vorbringens — mit Ein» schluß der Beweismittel, auch der Eideszuschiebung. A.M. in letzterer Hinficht Marcus S. 227; s. dagegen Meyer a. a. O. 13 S. 335 ff. — mit Erfolg eingelegt ist (s. § 95 Anm. 1), steht auf gleichem Boden mit § 278 Abs. 2 (Marcus S. 224). Der Grundsatz gilt nach dem Wort» laut („obsiegende Partei") wie nach dem Grunde des Gesetzes nicht nur in Betreff des Berufungsklägers, sondern auch des Berufungsbeklagten (H. Meyer a. a. O. 13 S. 333 ff., Seuffert Anm. 2. A.M. Marcus S. 224 ff., Hellmann, Lehrb. S. 278). Auch wenn die Partei die Neuheit in erster Instanz hätte vorbringen können, kann das Gericht es bei dem Grundsätze des § 91 belassen. War der betteffende Umstand in erster Instanz von AmtSwegen zu be» rücksichtigen, so greift Abs. 2 überhaupt nicht Platz (Bolgiano S. 176 Anm. 5, Petersen Nr. 6). „nach freiem Ermessen" — Eine Beweiserhebung ist auSgefchloffen; vgl. -3. 3) Abs. 3 beschränkt stch auf die Revisionsinstanz, in welcher ein neue- Vorbringen im Sinne des Abs. 2 nicht -uläsfig ist (§§ 549, 561). Er beruht auf einem zu § 70 GVG. gestellten Antrage des Abg. Bähr, welcher ausführte, daß es unbillig sei, durch die hnfiskalischen Interesse erfolgte Zulassung der Revision (s. § 547 Nr. 2) die Kosten der mit dem FiSkus im Prozesse befangenen Partei zu vermehren. „Rechtsstreitigkeiten — zuständig sind" — vgl. GVG. § 70 Anm. 2—8.

8 98* 1) Die Kostenvergleichung tritt ohne Weiteres als Folge des — gerichttich oder außergerichtlich — in einem anhängigen Rechtsstteite (Planck I S. 300 Anm. 1) abgeschloffenen Vergleichs ein, soweit die Parteien nicht etwas Abweichendes vereinbart haben. Vgl. §§ 160 Nr. 1, 296, 510, 794 Nr. 1 u. 2; GKG. §§ 21, 23, 101, GO. f. RA. § 13 Abs.1 Nr. 3, § 18. In Betreff der Gerichtskasse s. d. allg. Bem. zu Tit. 5 unter 4. Wegen des hier zwischen den „Kosten eines abgeschloffenen Vergleichs" und den „Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstteits" gemachten Unterschieds schließt die verttagSmäßige Uebernahme der letzteren Kosten die Uebernahme der ersteren nicht ohne Weiteres in fich (RG. in I. W. 1893 S. 196, 1894 S. 181). „gegen einander aufgehoben." — Auch hier trügt jeder Theil die Hälfte der gericht­ lichen Kosten (§ 92 Abs. 1).

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Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. $ 99.

§ 99. (94.) Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. 3ft die Hauvtsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurtheilung erledigt, so kann die Entscheidung über den Kostenpunkt selbständig angefochten werden. Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt sofortige Beschwerde statt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören. «. «ut«. § 156. «utw. I. § 92. Eutw. ir. § 92. «nt». III. § 92. Mot. r. 115, 116.

Prot. @. 33, 519. — «»»., «. III: § 94; «rgr. Z. 89; Nom.-«. Z. 39f.

2) „über dieselben — ist" — d. h. durch Entscheidung in der Hauptsache. Vgl. auch § 271 Abs. 3. 8 99.

Literatur: Birkmeyer, Zur Lehre v. Berfüumnißurtheil S. 34 ff., Rechtfälle S. 34, 71 ff. u. in Meckl. Zeitschr. 1 S. 320ff., Seuffert in Mrit. V. 26 S. 487ff., v. Kräwel in Busch 4 S. 259 f., Scherer das. 5 S. 484 f., Francke das. 6 S. 80, Brettner in Bödiker, Mag. 3 S. 211 ff., Oppenheim in Gruchot 27 S.716ff., Simonson in D. Jur. Z. 1900 S. 387f., Planck I S. 387 ff. 1) Die Bestimmung beruht auf der Erfahrung, daß es schwer ist, die Entscheidung über den Kostenpunkt, d. h. über die Kostenpflicht (anders § 105) zu prüfen, ohne auf die Sache selbst einzugehen; sie verhütet, daß in höherer Instanz ein Urtheil über den Kostenpunkt ergeht, durch welches die nicht mehr zu beseitigende Vorentscheidung für sachlich unrichtig erklärt wird. Eine Entscheidung in der Hauptsache liegt auch vor, wenn beantragt wird, die gegenstandslos gewordene Klage für erledigt zu erklären (RG. 15 S. 424, 20 S. 430, 33 S. 383 u. in I. W. 1888 S. 422, 1896 S. 370, OLG. Marienwerder in Busch 21 S. 77; vgl. auch RG. 16 S. 323, in Gruchot 31 S. 1154 u. in I. W. 1892 S. 236 Nr. 4, 1893 S. 93, 1894 S. 279, jedoch auch das. 1894 S. 117 Nr. 1, 1899 S. 366); nicht jedoch dann, wenn lediglich die über­ einstimmende Erklärung der Parteien zum Ausspruche gelangt (RG. in I. W. 1900 S. 493, 586). Auch bildet „Hauptsache" hier nicht den Gegensatz zu den prozeßhindeniden Einreden (wie iit §§ 274, 275), sondern nur zum „Kostenpunkt" (RG. 23 S. 341). [itfll. auch RG. in S. A. 46 Nr. 290]. Für den Begriff der „Entscheidung über den Kostenpunkt" ist der Unterschied zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten unerheblich (RG. in I. W. 1899 S. 606 Nr. 3). 2) Von welcher Seite das Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt ist, ist unerheblich.

Hatte eine Partei es ergriffen, so kann sich der Gegner auch lediglich wegen des Kosten­ punktes anschließen (§§ 521, 556, vgl. RG. in I. W. 1886 S. 245, 1891 S. 7 f., 1894 S. 81 Nr. 7, 279 Nr. 6, 1898 S. 115, OLG. Hamburg in S. A. 47 Nr. 224, Wilm. Levy Anm. 1, Gaupp Nr. 112, Planck I S. 387). Schließt er sich nicht an, so würde freilich die Kostenentscheidung nur, soweit sie ihm günstig ist, der Nachpnifung des höheren Gerichts mit der Hauptsache anheimfallen (vgl. § 97 Anm. 1). Denn die Grundsätze von der Rechts­ kraft gelten auch von der (ein stillschweigendes Zubehör des Anspruchs bildenden) Kostenpflicht (§§ 308, 322, 525, 536, 559). Jedoch hat der höhere Richter, falls er in der Hauptsache ab­ ändernd oder aufhebend erkennt, auch über die Kosten der früheren Instanz von Amtswegen zu entscheiden, weil in diesem Falle die Grundlage der Kostenentscheidung de§ Unterrichters und damit diese selbst zerstört ist (Planck I S. 387, Seuffert Anm. 3 a. E.). Auf den Einspruch ist § 99 nicht anzuwenden (§ 340 Nr. 3 steht nicht entgegen; so auch RG. 13 S. 327, Wilm. Levy Anm. 1); wohl aber auf die Beschwerde (s. RG. 6 S. 339, in S. A. 36 Nr. 80 u. in I. W. 1887 S. 351, 1896 S. 30, 1898 S. 370, OLG. Cöln im

Fünfter Titel.

Prozeßkosten.

§ 99.

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Rh. A. 90 I S. 80, Francke S. 90), ferner auf Kosten im Zwangsvollstreckungsverfahren, weil die allgemeinen Forschriften der §§ 91—103 auch auf diese Anwendung finden, soweit nicht besondere Bestimmungen entgegenstehen (RG. in S. A. 43 Nr. 153, OLG. Celle in S. A. 51 Nr. 339, Petersen Nr. 3. A.M. ob.LG. f. Bayern in S. A. 39 Nr. 338). In Betreff der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens s. RG. in I. W. 1897 S. 542, OLG. Hamburg in S. A. 53 Nr. 187 u. in D. I. Z. 1899 S. 240. Auch in Patentsachen kommt § 99 zur Anwendung (RG. 6 S. 341. A.M. RG. in I. W. 1890 S. 410, Seuffert Anm. 5, Wilm. Levy Anm. 1 a. E., Gaupp Nr. III, Petersen Nr. 3).

3) „eingelegt" — Es genügt nicht, wie es nach dem Wortlaute scheint, der formale Einlegungsakt (§§ 518, 553): sondern es kommt darauf an, daß eine sachliche Aufhebung der Vorentscheidung bezweckt wird. Da aber die in der Rechtsmittelschrift enthaltenen Anttäge nur vorbereitender Natur, die in der mündlichen Verhandlung gestellten dagegen maßgebend find (s. § 519), so ist auch hier für die Frage, ob lediglich der Kostenpunkt angefochten ist, der Anttag in der mündlichen Verhandlung maßgebend (vgl. RG. 6 S. 339, 435, 20 S. 430, 27 S. 366. 407, in I. W. 1889 S. 65, 129, 1893 S. 93, 1896 S. 70 Nr. 6 u. in S. A. 44 Nr. 225, Seuffert Anm. 3, Wilm. Levy Anm. 1. Sehr weit in Annahme eines sachlichen In. teresses geht RG. 29 S. 379). Ein vorher angekündigter, mündlich aber nicht gestellter oder zurückgezogener Anttag bleibt außer Betracht (nicht entgegenstehend RG. in I. W. 1888 S. 422). Angleichen ist die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels als nicht geschehen anzusehen (RG. 13 S. 395, 20 S. 330, 27 S. 366, 31 S. 44, in I. W. 1893 S. 537). Andererseits wird aber ein in der Hauptsache und mithin auch hinfichtlich des Kostenpunktes rechtzeittg eingelegtes Rechtsmittel nicht schon dadurch unwirksam, daß der Rechtsstteit nach Einlegung deRechtsmittels durch Handlungen des Gegners (z. B. Zahlung, Verzicht) oder durch zufällige äußere Umstände (z. B. Zeitablauf) fich thatsächlich erledigt (RG. 18 S. 418, 20 S. 430, 27 S. 407, 33 S. 383, in I. W. 1888 S. 422, 1891 S. 221, 1893 S. 8, 1895 S. 198, OLG. Dresden in S. A. 50 Nr. 133 — vgl. dagegen RG. das. N. 215 —, Seuffert Anm. 3a; vgl. auch RG. 15 S. 407). Ein Gleiches gilt, wenn der Anspruch zur Hauptsache zwar vor der Einlegung des Rechtsmittels erloschen war, der Rechtsmittelkläger das Erlöschen aber bestreitet (RG. 27 S. 365. in Gruchot 39 S. 151). 4) Abs. 2 ist von der Nov. auf Grund eines Beschluffes der RTK. hinzugefügt, um eine in der Praxis empfundene Härte der Wirkung des Abs. 1 für den Fall des Anerkenntnißurtheils zu beseitigen. In Ehesachen ist Abs. 2 zufolge § 617 Abs. 1 nicht anwendbar. „selbständig angefochten" — mit dem gegen das Urtheil an fich zulässigen Recht-mittel, nicht mit der Beschwerde, da die hier hauptsächlich in Bettacht kommende Frage, ob der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlaffung gegeben habe (vgl. §§ 93, 94), oft ohne Erörterung der Sache selbst nicht entschieden werden kann (vgl. Kom.D. S. 39). Die selbständige Anfechtung der von den Landgerichten in der Berufungsinstanz erlassenen Anerkenntnißurtheile wegen des Kostenpunktes ist hiernach ausgeschlossen, die Anfechtung der Anerkenntnißurtheile der Oberlandesgerichte nur dann zulässig, wenn das Urtheil in der Hauptsache an fich der Revision unterliegen würde (Gaupp Nr. IV, Petersen Nr. 7). 5) In Abs. 3 hat die Nov. in Fällen, in denen die Hauptsache nicht durch Entscheidung (Abs. 1 u. 2), sondern durch Vergleich, Zurücknahme der Klage, Zahlung rc. erledigt und deshalb über die Kosten allein erkannt wird, die selbständige Anfechtung der Kostenent­ scheidung zugelassen, die bisher mit Rücksicht auf die Vorschrift des Abs. 1 nach der herrschenden Ansicht für unanfechtbar galt (s. 6. Aufl. Anm. 1). Ein den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien entsprechender Ausspruch, daß der Rechtsstteit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde, steht der Anwendung des Abs. 3 nicht entgegen, da jener Ausspruch eine zur Haupssache ergangene Entscheidung des Gerichts nicht enthält (RG. in I. W. 1900 S. 586; vgl. oben Anm. 1 u. § 300 Anm. 2). Hierher gehört auch der Fall, wo die Hauptparteien fich Gtrudmeen n. Koch, Livll-rojeßordoung. 8. Enfl. L 9

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

$ 100.

§ 1VV. (95.) Besteht der unterliegende Theil aus mehreren Personen, so hasten dieselben für die Kostenerstattung nach Kopstheilen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Betheiligung am Rechtsstreite kann nach dem Ermessen -es Gerichts die Betheiligung zum Maßstabe genommen werden. Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so find die übrigen Streitgenoffen für die durch dasselbe ver­ anlaßten Kosten nicht verhaftet. Werden mehrere Beklagte als Gesammtschuldner verurtheilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Abs. 3, als Gesammtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung aus die im Abs. 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt. 9t. Errtw. § 157. Entw. I. § 93. Entw. II. § 93. Eutw. III. $ 93. Mot. «. 116, 117. Prot. S. 33, 34, 519, 530. — Nov., E. III: § 95; Begr. S. 89; Prot. -. «G«. VI. S. 647, 786. vergleichen, ohne die Kosten des Nebenintervenienten zu berücksichtigen, und nun hierüber Kostenentscheidung ergeht (vgl. RG. im Sächs. A. 9 S. 70); nicht aber der Fall, wo über die Kosten der Nebenintervention ein Ergänzungsurtheil ergeht (RG. in I. W. 1900 S. 521). „Entscheidung über den Kostenpunkt" — Wenn gegen die Entscheidung in der Sache ein Rechtsmittel nicht zulässig sein würde sz. B. im Falle eines Urtheils des Landgerichts in der Berufungsinstanz, im Falle mangelnder Revisionssumme in der Hauptsache (RG. in I. W. 1900 S. 586), soweit nicht der Fall der weiteren Beschwerde vorliegt (RG. das. S. 647)], ist gegen die allein den Kostenpunkt betreffende Entscheidung die sofortige Beschwerde unzulässig. Der § 99 setzt, wie der Abs. 1 ergiebt, eine an sich anfechtbare Ent­ scheidung voraus und bestimmt in Abs. 2 und 3, wann unter dieser Voraussetzung lediglich wegen des Kostenpunktes die Anfechtung zugelassen werden soll. (Vgl. RG. in D. I. Z. 1900 S. 231, in S. A. 55 Nr. 32, in I. W. 1900 S. 493, 586, 714. A. M. Gaupp Nr. IV, Petersen Nr. 8, früh. Aust.) Erfolgt die Kostenentscheidung durch Versäumnißurtheil, so ist nur Einspruch zulässig (vgl. D. I. Z. 1900 2. 183). Ueber Beschränkungen der Beschwerde gegen die in Betreff der Prozeß kosten erlassenen Entscheidungen s. §§ 567 Abs. 2, 568 Abs. 3, über sofortige Beschwerde s. § 577. Aus den Entscheidungen findet die Zwangs­ vollstreckung gemäß § 794 Nr. 3 statt (vgl. das. Anm. 3). „Vor------ hören" — abweichend von dem (Grundsätze, daß das Beschwerdegericht befugt, aber nicht verpflichtet ist, vor der Entscheidung den Gegner zu hören (§ 573).

§ 100. 1) „Besteht — aus mehreren Personen" — Gemeint sind, wie die Mot. hervor­ heben, nur die Fälle der Streitgenossenschaft (§§ 59, 60). Ob die Verbindung auf dem Willen der Parteien oder ans Gerichtsbeschluß (§ 147) beruht, ist nicht von Erheblichkeit (Petersen Nr. 1, H. Meyer a. a. O. 7 2. 326, Seuffert Anm. 1; s. auch RG. 5 S. 356, 6 S. 416, in I. W. 1896 2. 687, 1898 2. 74; jetzt auch Gaupp Nr. I. A.M. Wilm. Levy Amn. 1 ii. § 138 Anm. 1). Den Gegensatz der Streitgenossen bilden z. B. die Hanptpartei und der Nebenintervenient (vgl. auch § 101 Abs. 2). Auch mehrere gesetzliche Vertreter derselben Partei sind keine Streitgenossen. Für die Fälle der Streitgenossenschast gelten im Allgemeinen die §§ 91—98 ebenfalls. § 100 trifft besondere Bestimmung für den Fall, das; die Streitgenossen unterliegen. Die Vorschrift ist aber nicht bloß int Falle des reinen Unterliegens (§91; vgl. auch § 101 Abs. 1), sondern überhaupt anzuwenden, wenn mehrere Streitgenossen alle Kosten oder einen Theil zu tragen haben (s. z. B. RG. in I. W. 1893 S. 422, 1896 S. 686). Unerheblich ist auch, ob der eine Streitgenosse durch Versäumnißurtheil, der andere durch kontradiktorisches Urtheil verurtheilt ist (RG. in S. A. 43 Nr. 227). Daaeaen kommt § 100

Fünfter Titel.

Prozeßkosten.

§ 100.

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nicht zur Anwendung bei den nur von einem Streitgenoffen veranlaßten Kosten im Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. § 788, P. E. §§ 114 Abs. 2, 1360). Ueberhaupt gelangt auch hier, abgesehen von § 62, überall der Grundsatz des § 61 zur Geltung (s. Abs. 3). 2) Nur für die Erstattung der den mehreren Streitgenoffen gemeinschaftlich auferlegten Kosten wird hier ein besonderer Grundsatz aufgestellt („haften — für die Kosten­ erstattung"), welcher erst in dem Festsetzungsverfahren (§§ 103 ff.) zur Geltung gelangt, und zwar ist die Kopftheilung als Regel gewählt (f. GKG. § 91), theils der Beschleunigung und Vereinfachung wegen, theils weil die verschiedene Betheiligung häufig auf ungleichartigen Rechten beruht, z. B. bei einer gegen den Eigenthümer und den Nießbraucher einer Sache gemeinsam angestellten dinglichen Klage. Daraus ist aber nicht (mit Endemann 1 S. 404) zu folgen;, daß für einen unbeitreiblichen Kopftheil die mehreren Streitgenoffen wiederum nach Kopftheilen harten. — Nur bei „erheblicher" Verschiedenheit der Betheiligung (sei es an dem Streitgegenstand oder an der Prozeßführung — Sarwey I S. 178 u. A. A M. Siebenhaar S. 149) soll diese als Maßstab dienen können; geringfügige oder schwer zu ermittelnde Unterschiede werden also nicht zu beachten sein (vgl. Mot. z. P. E. § 1350). Die anderen Ausnahmen enthalten Abs. 3 u. 4. — Der Festsetzungsbeschluß muß ziffermäßig den Betrag feststellen, zu welchem jeder der Genossen die Kosten zu tragen hat (OLG. Augsbürg in Busch 19 S. 446); jedoch nur im Verhältnisie zum Gegner, da § 100 sowie die §§ 103—106 auf das Verhältniß der Streitgenoffen unter einander keine Anwendung finden (RG. in I. W. 1895 S. 383). Ueber den umgekehrten Fall der gemeinsamen Erstattungs-Berechtigung ist nichts bestimmt; es entscheiden also die allgemeinen Regeln (vgl. auch RG. 31 S. 406). Ueber den Fall, daß der eine Streitgenoffe in die Kosten verurtheilt, dagegen gegenüber dem anderen Streitgenoffen der Gegner in die Kosten verurtheilt ist, vgl. RG. 39 S. 383, 41 S. 399, in S. A. 47 Nr. 63, in I. W. 1893 S. 13 (Anwaltsgebühren), 1894 S. 453, 1896 S. 686, 1897 S. 185, 342 Nr. 5, OLG. Cöln am Rh. A. 95 I S. 9, Willenbücher, Kostenfestsetzungsverf. 5. Aufl. S. 35 ff., Wilnl. Levy § 98 Anm. 1 a. E., Gaupp § 95 Ar. II; vgl. auch Radlauer in Busch 26 S. 442ff. Zu vermeiden ist die Derurtheilung in die „besonders entstandenen Kosten" (RG. 39 S. 383). 3) Abs. 3: Der Satz entspricht dem Grundsätze des § 61. „Angriffs, oder Vertheidigungsmittel" — im weitesten Sinne (vgl. §§ 68 Anm. 3, 96 Anm. 1, §§ 145, 146 Anm. 2, Wach I S. 290). Die Bestimmung ist auch bezüglich der Versäumniffe einzelner Streitgenoflen entsprechend anzuwenden. — Scheidet ein Streitgenoffe früher aus dem Prozeß aus, so find die bis zum Ausscheiden erwachsenen Kosten gesondert von den späteren zu vertheilen (vgl. auch RG. in Gruchot 43 S. 1221; H. Meyer a. a. O. 7 S. 326). 4) Abs. 4 der Nov. ersetzt den früheren Absatz 4: „Durch die Bestimmungen dieses Paragraphen wird eine nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts begründete Verpflichtung, wegen der Kosten solidarisch zu haften, nicht berührt." Die neue Faflung hat die bisherige Streitfrage (s. 6. Aufl.) in Uebereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG. 15 S. 381, 30 S. 341) dahin entschieden, daß mehrere Beklagte, die nach den Vorschriften des bürg. Rechtes als Gesammtschuldner verurtheilt werden, hiennit ohne Weiteres auch für die Kostenerstattung als Gesammtschuldner haften, soweit nicht Kosten in Frage fontmen, die ausschließlich durch das Verhalten eines der Beklagten (Abs. 3) entstanden sind. Auf die letzteren Kosten erstreckt sich die Gesammthaft nach Satz 2 des Abs. 4 nur, wenn dies durch besondere Vorschrift des bürg. Rechtes vorgesehen ist, wie im Falle der Bürgschaft (BGB. § 767 Abs. 2). Auf das Verhältniß der Streitgenoffen unter einander findet der Abs. 4 keine AnWendung (Petersen Nr. 6).

132

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. §§ 101, 102.

§ 101. (96.) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit derelbe nach den Bestimmungen der §§. 91—98 die Kosten des Rechts­ treits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen. Gilt der Nebenintervenient als Streitgenoffe der Hauptpartei (§. 69), so find die Vorschriften des §. 100 maßgebend. 9t* E»tw. § 158« E»tw. I. § 94« G«tw. II. § 94« E«tw. III. § 94« G. 117, 118. Prot. G. 34. — Nov. § 96; «om.-v. 40 f.

Mot.

§ 102. (97.) Gerichtsschreiber, gesetzliche Vertreter, Rechtsanwälte und andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzicher können durch das Prozeßgericht §101.

Literatur: Francke in Busch 27 2. 294. 1) In Abs. 1 hat die Nov. auf Grund eines Beschlusies der RTK. den früheren Abs. 1: „Die Bestimmungen der §§ 87—93 finden auch auf die durch eine Nebenintervention ver­ ursachten Kosten Anwendung" ersetzt, um die durch die bisherige Fassung veranlaßten Zweifel (s. 6. Aufl. Anm. 1) zu beseitigen. Der Nebenintervenient, der im Prozesse sein eigenes Inter­ esse verfolgt, hat an fich die Kosten der Nebenintervention selbst zu tragen, also nament­ lich im Verhältnisse zur Hauptpartei, sofern er nicht deren Streitgenoffe ist (Abs. 2 u. § 69), im Verhältnisse zum Gegner dann, wenn diesem die Prozeßkosten nicht zur Last fallen. Nur soweit der Gegner der Hauptpartei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, find diesem auch die Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen. Dieser Erstattungsanspruch ist nicht auf diejenigen Kosten beschränkt, welche der Hauptpartei durch die Handlungen des Nebeninter­ venienten erspart sind; einen hierauf gerichteten Antrag hat die RTK. von 1875 abgelehnt (s. 6. Aust. Anm. 1). Der Umfang der durch eine Nebenintervention verursachten erstattungsfähigen Kosten, zu denen auch die des Zulassungsverfahrens (tz 71) gehören, bestimmt flch vielmehr nach § 91; insbesondere fallen darunter die Kosten der Vertretung durch einen besonderen Rechtsanwalt (vgl. RG. 13 S. 433. A.M. OLG. Hamburg in S. A. 40 Nr. 244). „aufzuerlegen" — Hiermit wird gegenüber der bisherigen Fassung klargestellt, daß es über die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten in der Entscheidung eines be­ sonderen Ausspruchs bedarf, der nöthigenfalls auf Antrag nach § 321 zu ergänzen ist. Dieser besondere Ausspmch (vgl. Württ. PO. Art. 144 Abs. 1; RG. 13 S. 433, 15 S. 419, in 2. A. 49 Nr. 201 u. in I. W. 1889 S. 500 Nr. 2 a. E., 1897 S. 303) ist für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs (§ 104) erforderlich. Ist die Intervention für unzulässig erklärt, so hat der Intervenient bie Mosten des Zwischenstreits zu tragen (vgl. Wilm. Levy Anm. 1, H. Meyer a. a. O. 7 2. 327). Er hat auch die Kosten eines ohne Beteiligung der Hauptpartei erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (RG. in I. W. 1900 S. 438). 2) Aus den beitretenden Dritten bei der Streitverkündung (§ 74) wie auf den Be­ nannten (hh 76, 77) findet, wie auch die Mot. hervorheben, § 101 ohne Weiteres Anwendung, weil § 74 den beitretenden Dritten als Nebenintervenienten bezeichnet und §§ 76, 77 die Benennung als eine Art der Streitverkündung behandeln. Vgl. §§ 74 Anm. 6, 76 Anm. 8. Besondere Bestimmungen enthält § 75. Der auf eine Streitverkündung hin nicht beitretende Dritte hat die Kosten einer — völlig überflüssigen — Erklärung, daß er nicht bei trete, aber jede Regreßpflicht ablehne, selbst zu tragen (vgl. § 74 Anm. 6). §

102.

1) In den Entwürfen fand sich eine solche der benachtheiligten Partei rasch und ohne Kosten zu ihrem Rechte verhelfende Besttmmung (vgl. auch C. de proc. art 132, Hann. PO.

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 103.

133

auch von Amtsweaen zur Tragung derjenigen Kosten verurtheilt werden, welche sie durch grobes Verfchuldm veranlaßt haben. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist der Betheiligte zu hören. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. 9t. ent». § 160. ent». I, II, III. Mot. 2. 119, 120. Prot. @. 34, 35, 520,

661-663.

§ 103. Zm Verfahren vor den Amtsgerichten kann der Betrag der zu erstattenden Prozeßkosten, wenn er sofort zu ermitteln ist, in dem Urtheile festgesetzt werden. Gegen diese Festsetzung findet aus­ schließlich die sofortige Beschwerde statt. § 47) nicht. Die RTK. v. 1875 nahm einen bezüglichen Antrag in zweiter Lesung unter Verwerfung der beantragten Ausdehnung auf die dem Prozeßgerichte dienstlich unterworfenen Richter an. 2) Hiernach entwickelt sich ein Zwischen streit gegen eine nicht zu den Parteien gehörige Person (f. auch §§ 135, 380, 390, 402, 409). Die Derurtheilung kann zu Gunsten des Prozeß, gegners wie des Auftraggebers erfolgen. Die „Kosten" umfassen auch die Gebühr des GKG. § 48 (Wach, D. RCPO. u. die Praxis S. 31. A.M. OLG. Dresden in Süchs. Ann. 5 S. 60), dagegen nicht die Kosten eines früheren Verfahrens (OLG. Dresden in S. A. 44 Nr. 217). Materiell ist „grobes Verschulden" (im Sinne des bürg. Rechtes; vgl. BGB. §§ 276, 277) Bedingung, z. B. Versäumung von Terminen, unrichtige Zustellung, Einlegung der Be. schwerde trotz ausdrücklichen Verbots (vgl. R8. in S. A. 37 Nr. 250) oder in einer nach fest, stehender — dem Rechtsanwälte bekannter — Rechtsprechung unzulässigen Form (RG. in I. W. 1899 S. 740); wegen schuldhafter Einlegung einer unbegründeten Beschwerde s. RG. in I. W. 1898 S. 279, 413; s. auch RG. das. 1900 S. 646, wonach bei Einlegung einer aus. sichtslosen Beschwerde selbst das ausdrückliche Verlangen der Partei die Anwendung des § 102 nicht ausschließt. Soweit nach Civilrecht Ansprüche wegen leichteren Verschuldens oder auf weitergehenden Schadenersatz bestehen, bleiben diese unberührt; auch das Disziplinarverfahren besteht daneben (Gaupp Nr. I, Seuffert Anm. 1). Das „Prozeßgericht" ist nicht nothwendig das Gericht erster Instanz (vgl. § 118 Anm. 1); aber seine Befugniß beschränkt sich auf das Verfahren der betreffenden Instanz (vgl. RG. 4 S. 429). Wegen des Verfahrens s. § 128 Anm. 4 b. Die Entscheidung (Beschluß) ist zu verkünden oder beiden Parteien ^imb dem Dritten von Amtswegen zuzustellen (§ 329 Abs. 3); sie ist vorläufig vollstreckbar (§ 794 Nr. 3). Die „sofortige Beschwerde" (vgl. § 577) steht nur dem Veruttheilten zu, nicht auch dem Anttagsteller, welcher kein Recht auf eine Entscheidung hat (Gaupp Nr. III, Fitting in Busch 7 S. 245, Stint. Levy Anm. 3, Petersen Nr. 7, RG. in S. A. 51 Nr. 60). Das Verfahren ist gebührenfrei (GKG. § 47 Abs. 1 Nr. 5; vgl. jedoch das. Abs. 2, 3 u. GO. f. RA. §§ 23 Nr. 1, 29 Nr. 6). 3) Bei Verschuldung des Gerichts oder schuldloser Unkenntniß der Verhültniffe bezw. Unwissenheit auf Seiten einer Partei können die Gerichtsgebühren (auch rechtskräfttg auferlegte — RG. in S. A. 47 Nr. 150) niedergeschlagen oder erlassen werden (GKG. § 6). 4) Nach § 82 des Preuß. AG. z. GVG. sind die Bestimmungen, nach welchen Gerichts, beamte zum Ersätze von Schäden und Kosten im Aufsichtsweg angehalten werden können, aufgehoben, während die besonderen Vorschriften über die Feststellung und den Ersatz der Kassendefekte unberühtt bleiben. (Dgl. Verordn, v. 24. Jan. 1844, Zuständigkeitsgesetz v. 1. Aug. 1883 §§ 17 Nr. 5, 32 Nr. 5). § 103. 1) § 103 ist im Anschluß an § 49 Nr. 4 des Ges., bett. die Gewerbegerichte, v. 29. Juli 1890 durch die Nov. eingefügt, um die mit dem besonderen Festsetzungsverfahren (§§ 104—106)

134

Erstes Buch.

Allgern. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 104.

Im Uebrigen erfolgt die Festsetzung der zu erstattenden Prozeß­ kosten im besonderen Verfahren nach Maßgabe der §§. 104—106. Nov.» E. III: § 97a; Begr. T. 89 f.; Som.-B. L. 41 f.

§ 1V4. (98.) Der Anspruch auf Erstattung der Prozeßkosten kann nur auf Grund eines aut Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Das Gesuch um Festsetzung des zu erstattenden Bettags ist bei dem Gericht erster Instanz anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt verbundenen Weiterungen und Kosten für den amtsgerichtlichen Prozeß zu vernieiden. Auf das Verfahren vor der am Sitze des Amtsgerichts errichteten Kammer für Handelssachen findet § 103 keine Anwendung; ein in der RTK. gestellter Antrag, § 103 auf daö Verfahren vor beit Kammern für Handelssachen auszudehnen, wurde abgelehnt (Kom.-B. S. 41). £b das Amtsgericht von der Befugniß des § 103 („kann") Gebrauch machen will, unterliegt seinem freien Ermessen. „wenn — zu ermitteln ist" — auf Grund einer Rechnungsaufstellung der Partei und Vorlegung der Belege (vgl. §§ 104 Abs. 2, 105 Abs. 3). Es bedarf einer Prüfung der einzelnen Ansätze, soweit sie der Gegner nicht anerkennt, von Amtswegen, worauf schon der Ausdruck „ermitteln" hinweist; insoweit tteten also im Versäumnißverfahren die eigentlichen Folgen der Dersäumniß (§§ 330, 331) nicht ein (vgl. Kom.-B. S. 42, Schultzenstein in Busch 24 S. 477, Petersen Nr. 2. A M. Sydow-Busch Anm. 2, die sich mit Unrecht auf den Kom.-B. berufen; vgl. auch Gaupp Nr ll d). Soweit die Kosten nicht sofort zu ermitteln waren, ist ein nachttägliches Festsetzungsverfahren (§§ 104—106) zulässig (vgl. Kom.-B. a. a. O.; Petersen Nr. 2).

2) „ausschließlich die sofortige Beschwerde" — (§ 577) wie beim besonderen Kostenfestsetzungsbeschlusse (§ 105 Abs. 4); wie bei dem letzteren kann das Gericht, dessen Ent­ scheidung angefochten wird, der sofortigen Beschwerde in diesem Falle selbst abhelfen (§577 Abs. 3). Auch wenn ein Rechtsmittel oder der Einspruch in der Hauptsache eingelegt wird, kann eine Abänderung der Kostenfestsetzung, welche einen selbständigen Theil des Urtheils bildet, nur mittels der sofortigen Beschwerde herbeigeführt werden (Petersen Nr. 3), die übrigens der Beschränkung des § 99 Abs. 1 nicht unterliegt, da unter „Kostenpunkt" dort die Kostenpflicht, nicht der Kostenbetrag zu verstehen ist (vgl. Begr. S. 90). Die Ent­ scheidung auf die sofortige Beschwerde erfolgt durch Beschluß; hieran ändert der Umstand nichts, daß die angefochtene Festsetzung einen Bestandtheil des Urtheils bildet (Petersen a. a. £.). Auf die weitere sofortige Beschwerde finden §§ 567 Abs. 2, 568 Abs. 2, 3, 4 Anwendung. Zufolge §§ 572, 794 Nr. 3 ist die Kostenfestsetzung im Urtheile vollstreckbar. Soweit in Folge des in der Hauptsache eingelegten Rechtsmittels die Entscheidung über die Kosten Pflicht geändert wird, kommt mit dem Urtheile selbst auch die Kostenfestsetzung in Wegfall (Petersen a. a. £.); gleichwohl erlangt der nunmehr Obsiegende den im Wege der Zwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung gezahlten Kostenbetrag nicht in dem von ihm nach §§ 104 ff. einzu­ leitenden Kostenfestsetzungsverfahren zurück, vgl. § 105 Anm. 4 a. E.; im Falle des Einspruchs kann er jedoch auch in dem das Versüumnißurtheil aufhebenden Erkenntnisse (§ 343) des Amts­ gerichts durch sofortige Kostenfestsetzung (§ 103) die Rückerstattung erlangen, soweit er nicht nach § 344 mit den Kosten seiner Dersäumniß belastet bleibt (vgl. §§ 302 Abs. 4, 541 Abs. 2, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2); ebenso kann er allgemein in Fällen des vorläufig vollstreckbaren Urtheils nach § 717 Abs. 2 in dem dieses aufhebenden oder abändernden Urtheile die Rück­ erstattung erlangen (vgl. RG. in I. W. 1897 S. 464). 8104. Literatur zu §§ 104, 105: Willenbücher, Kostenfestsetzungsverfahren 5. Aust. 1900, H. Meyer; Wie liquidirt man die Prozeßkosten gegen den Gegner? Berlin, 1880, v. Kräwel

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 104.

135

werden. Die Kostenberechnung, die zur Mittheilung an dm Geaner bestimmte Abschrift derselbm und die zur Rechtferttgung der einzelnm Ansätze dimendm Belege find beizufügen. «. E»tw. §§ 161, 162. E«tw. I. § SS. Sntw. II. § 95. Entw. III. § 95. «ol. Prot. G. 35.

Z. 118, 119.

in Busch 2 S. 418 ff., Frank das. 3 S. 434 ff., Schmidt (Celle) das. 4 S. 47 ff., Francke das. S. 83 ff., Struckmann das. S. 408 ff., Völckers das. 11 S. 169 ff., Schneider im c. A. 66 S. 283 ff. u. in Bödiker, Mag. 7 S. 218, Haas in Gruchot 31 S. 598ff., 34 S. 869 ff., Hergenhahn in Bödiker, Mag. 8 S. 309 ff. u. in Busch 17 S. 110 ff., Planck I S. 389 f., Fitting S. 706 ff. u. in Busch 17 S. 123, Bunsen S. 175f., Wolfs, Das Verhältniß der Werthfestsetzung zu der Kostensestsetzung im c. A. 86 S. 339. 1) Das Endurtheil, das Zwischenurtheil (s. §§ 91 Sinnt. 1 u. 3, 96 Sinnt. 2) oder die nachträgliche Entscheidung (§321) entscheidet, soweit nicht § 103 zutrifft, nur über die KostenPflicht. Die gerichtliche Festsetzung des dem Prozeßgegner zu erstattenden Betrags ist nach dem Vorbilde der preußischen Praxis gestaltet, wie^fich diese auf Grund des § 281 23 AGO. ausgebildet hat. (Dgl. auch Hann. PO. §§50 ff., RS. S S. 392, 30 S. 340.) Eine selbständige KlaUe auf Erstattung von Prozeßkosten ist unstatthaft (vgl. § 308 Anm. 3 ; Petersen Nr. 1). Auch eine Aufrechnung mit Prozeßkosten kann, sofern fle nicht anerkannt werden, nur nach deren gerichtlicher Festsetzung geschehen. Die Grundlage für die Festsetzung ist ausschließlich ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel mit Einschluß der vorläufig vollstteckbaren Endurtheile (vgl. §§ 704, 708-711, 722, 723, 794, 801 — RG. in I. W. 1896 S. 687 Nr. 6 a. E., Urth. in Busch 3 S. 143, 186, 6 S. 104, 481, Petersen Nr. 4, Seuffert Anm. 3. A.M. Frank S. 434 ff., Francke S. 77 ff.). Dies ist von besonderer Bedeutung in den Fällen der §§ 271 (s. das. Sinnt. 6), 515. Auch ein Urtheil, dessen vorläufige Vollstreck­ barkeit von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt (§§ 710, 713), genügt (OLG. Dresden in Busch 7 S. 96, Jena in S. A. 40 Nr. 245); jedoch ist in dem Beschluß oder in der Vollstreckungsklausel die Abhängigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit von der Sicherheitsleistung zu erwähnen (Seuffert Anm. 3, Wilm. Levy, Sinnt. 1; OLG. Karlsruhe il Naumburg in Z. der Anw.-K. in Naumburg 1896 S. 109; vgl. auch RG. in S. SL 47 Nr. 157). Auch der Arrestbefehl kann ein Titel zur Feststellung sein, sofern darin dem Arrest, beklagten die Kosten ausdrücklich auferlegt find (vgl. §§ 91 Sinnt. 2, 922 Anm. 2). Andererseits werden die Kosten des vorausgegangenen Arrestverfahrens durch die Derurtheilung in der Hauptsache zur Erstattung der Kosten des.Rechtsstreits nicht getroffen (OLG. Dresden in Busch 6 S. 535; vgl. RG. in I. W. 1899 S. 695 wegen der Kosten einer einstw. Ver. fügung), sofern fle nicht durch letztere ausdrücklich einbegriffen find (OLG. Dresden im Süchs. 31. 1 S. 616, Cöln im Rh. A. 91 I S. 84; vgl. §§ 91 Sinnt. 2, 922 Sinnt. 2). Nach der neuen Fassung des § 794 Abs. 1 Nr. 1 findet das Kostenfestsetzungsverfahren auch für und gegen den am Vergleiche theilnehmenden Dritten statt. — Zu den nach § 104 festzusetzenden Kosten gehört nicht der Vorschuß, den der Mann seiner Frau zur Führung eines Ehescheidungs. Prozesses hat leisten müssen (RG. in I. W. 1895 S. 163). — Bloße Wahrscheinlichkeit der eingettetenen Rechtskraft (Frank a. a. O.) genügt nicht, obschon der Beweis der Rechtskraft nicht nothwendig durch eine vollstreckbare Ausfertigung (§§ 724, 797 Abs. 1 u. 2) zu führen ist (s. OLG. Celle in Busch 3 S. 437 f., H. Meyer S. 5) und es also auch nicht der vorherigen Zustellung bedarf (Seuffert Sinnt. 3, Willenbücher S. 7 s. u. 31.). Der Unterschied, welchen Frank zwischen der Feststellung des Bettags und der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs machen will, ist nicht haltbar. Unbegründete Unterschiede zwischen vollstteckbaren und zur Vollstteckung geeigneten Titeln macht Schneider a. a. O.; daß die Vollstteckung aus einem Titel, der sie erst nach Ablauf eines bestimmten Termins oder nach Leistung einer Sicherheit zuläßt, nicht früher erfolgen kann, ist selbstverständlich. Ein rechtskräfttges Zwischen-

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 104.

urtheil, welches in Ansehung der Rechtsmittel als Endurtheil gilt, gewährt, wenn es über die Kosten entscheidet (vgl. § 96 Anm. 2), einen Titel zur Zwangsvollstreckung rückfichtlich der Kosten (OLG. München in Busch 6 S. 104). Ein besonderes Festsetzungsverfahren fällt, abgesehen von § 103, weg hinsichtlich der Kosten des Mahnverfahrens (§§692,699) und der Zwangsvollstreckung (§788) einschließlich der Rechtsanwaltsgebühren (Mot. z. GO. f. RA. §85). Vgl. bezüglich der letzteren RG. tm RAnz. 1880 bes. Beil. 5 S. 1. Indessen ist, wenn die ^Beitreibung nach § 788 unterblieben ist, die nachttägliche Festsetzung nach § 104 nicht unzulässig (§ 768 Anm. 1 a. E.). Die Festsetzung der Kosten der Prozeßbevollmächttgten u. s. w. gegenüber dem Auftraggeber kann nur im Wege der Klage (§ 34) oder des Mahnverfahrens (§§ 688 ff.) erfolgen (s. auch GO. f. RA. § 86); ebensowenig gehören die Ersatzansprüche, die ein Streitgenosfe gegenüber dem anderen hat (s. § 100), hierher (RG. in I. W. 1895 S. 383). Wegen der Wegegebühren und Reisekosten der Parteien und der Empsangsgebühren der Anwälte vgl. § 91 Abs. 1 u. Anm. 2 das.

2) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist auch für die Festsetzung der Kosten der höheren Instanzen ausschließlich das Gericht erster Instanz zuständig, sei es auch die Kammer für Handelssachen. [Eine Ausnahme s. in § 59 d. Ges., bett. d. Gewerbegerichte, v. 29. Juli 1890 (RGBl. S. 141), wonach das Gesuch um Festsetzung der Kosten zweiter Instanz beim Land­ gericht anzubringen, mithin auch zu erledigen ist.] Das Verfahren soll nach den Mot. in jedem Prozesse nur einmal erfolgen, so daß die Kosten sämmtlicher Instanzen, und zwar auch die gerichtlichen (OLG. Jena in S. A. 39 Nr. 245), gleichzeittg zur Feststellung zu bringen sind; jedoch ist dies nicht geradezu vorgeschrieben; es gilt nur der gewöhnliche Rechts­ nachtheil für jede Nachliquidatton (s. unten). Vgl. auch § 943 Anm. 3. Das Verfahren ist thunlichst einfach und rasch (ohne bestimmte Frist — abgesehen von § 106). Der Ausdruck „kann nur" beweist, daß eine Festsetzung auf Grund konttadiktorischer Verhandlung in der Hauptsache (Hann. PO. § 51) selbst mit Zustimmung beider Parteien un­ zulässig ist (Struckmann S. 414. A.M. Völkers S. 175 ff., theilweise auch Francke S. 79); vgl. jedoch § 103. Das Gesuch unterliegt auch im Anwaltsprozesse nicht dem Anwaltszwange (§ 78 Abs. 2); aber nur dies ist davon befreit, nicht das Verfahren, weil § 78 Abs. 2 nur „einzelne Prozeßhandlungen" davon ausnimmt (vgl. RG. 9 S. 390, in I. W. 1899 S. 277, Petersen Nr. 6. A M. Planck I S. 389 N. 89, Seuffert Anm. 4), und noch weniger die gegen den Festsetzungsbeschluß erhobene Beschwerde (vgl. § 569), weil Satz 1 des § 104 Abs. 2 nur von einem beim Gericht erster Instanz anzubringenden Gesuche redet [9t®. 7 S. 403 u. in I. W. 1887 S. 353, 1890 S. 25. 1891 S. 246, 1896 S. 355 (Kosten im Zwangsvollstteckungsver-' fahren), 1899 S. 71, 277, 740]. Vgl. § 105 Anm. 3. Es ist daher im Anwaltsprozeß abge­ sehen von dem Gesuche (s. §88 Anm. 5), der Vollmachtsmangel im Kostenfestsetzungsver­ fahren nicht von Amtswegen zu berücksichtigen (RG. 9 S. 392, KG. Berlin in Busch 11 S. 106). Die Abschrift der Kostenberechnung für den Gegner ist zur Ausübung des Beschwerde­ rechts (§ 105 Abs. 3), und da unter Umstanden der Festsetzungsbeschluß erst nach mündlicher Verhandlung ergeht, zur Vorbereitung nothwendig. Die Belege brauchen nur in Urschrift beigefügt zu werden. — Der Grundsatz des § 308 gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren (RG. 35 S. 427). Eine Nachliquidation von Kosten ist nicht ausgeschlossen, auch wenn sie zu venneiden war [RG. (verein. Civils.) 27 S. 402. A.M. RG. 25 S. 408 u. (in Patentsachen) in I. W. 1895 S. 6]; die Kosten der Festsetzung fallen aber alsdann dem Antragsteller zur Last, sofern schon früher die Einreichung des Gesuchs möglich war (vgl. §§91, 106).

3) Ueber das Kostenfestsetzungsversahren nach dem Tode einer Partei s. Anm. 3 vor § 239. 4) Ueber Anwendung des § 104 im schiedsrichterlichen Verfahren s. § 1040 Anm. 2.

Fünfter Titel. Prozeßkosten. § 105.

§ 105. (99.) Die Entscheidung über gängige mündliche Verhandlung erfolgen. Das Gericht kann sich bei der des Gerichtsschreibers bedienen. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes macht ist. Gegen den Festsetzungsbeschluß findet

137

das Festsetzungsgesuch kann ohne vor­ Prüfung des Gesuchs der Hülfe genügt, daß derselbe glaubhaft ge­ sofortige Beschwerde statt.

S. «nt». § 163. E«t». I. § 96. Ent«. II. § 96. Ent«. III. § 96. Mot. ®. 118, 119. Prot. ®. 35. — See. § 99, Nom.-B. ®. 48 ff.; ®t. ». ®. 8097 f. §105. 1) Abs. 1: In der Regel genügt das schriftliche Verfahren. Das Gericht kann den Beschluß sofort auf das Gesuch erlaffen, aber auch den Gegner zuvor unter Mittheilung der Berechnung zur Erklärung in bestimmter Frist auffordern oder mündliche Verhandlung anordnen. Vgl. §§ 37 Anm. 1, 128 Sinnt. 1 b. Der durch die Nov. eingefügte Abs. 2 beruht auf einem Beschluffe der RTK. und bezweckt, dem Richter bei der Kostenfestsetzung das Prüsungsgeschäft zu erleichtern. Der Umfang der Mitwirkung des Gerichtsfchreibers ist nicht bestimmt; sie wird sich auf die rechnerischen Bestandtheile der eingereichten Kostenaufstellung, z. B. Beträge der Anwaltgebühren, Schreibgebühren, Portoauslagen, zu beschränken haben, während die Anwendbarkeit der Ge­ bührensätze, die Nothwendigkeit, z. B. der Reise zur Aufklärung des ProzeßbevoÜmLchtigten, der Zuziehung eines sog. Korrespondenzmandatars, der Prüfung des Richters vorzubehalten ist. Das Ergebniß der Prüfung des Gerichtsschreibers darf er, wie von den Vertretern der Reichsund der preuß. Justizverwaltung unter Zustimmung der Kommission und des Reichstags hervorgehoben wurde, „ohne eigene materielle Nachprüfung seiner Entscheidung zu Grunde legen. Seine Verantwortung besteht nur darin, daß er die geeigneten Bestandtheile des Kostenfestsetzungsgefuchs dem Gerichtsschreiber überlaffe und die äußere Ordnungsmüßigkeit der Erledigung des Auftrags nachprüfe" (Kom.B. S. 46; SE. ©. 2097 f.; Petersen Nr. 2; s. auch Hagen in Gruchot 43 S. 841 ff.). Der Gerichtsschreiber wird als solcher, nicht als Sachverständiger, thätig und kann daher Sachverständigengebühren nicht verlangen (Petersen a. a. O.). 2) Abs. 3: Statt des Beweises begnügt sich die CPO. zur Rechtferttgung der einzelnen Ansätze mit der Glaubhaftmachung (§294) deS gemachten Aufwandes oder deffen Nothwendigkeit (§§ 91, 197, RAO. § 18 Abs. 5, GO. f. RA. § 94). Der Nachweis der erfolgten Berichttgung ist nicht erforderlich (vgl. §91 Anm. 2; s. in Betreff der Ansprüche Dritter auch § 124, GO. f. RA. § 85). 3) Abs. 4: Der Festsetzungsbeschluß ist nach Maßgabe des § 329 zu verkünden, bezw. zuzustellen. Die Zustellung erfolgt an beide Parteien (vgl. §329 Anm. 4; RG. im RAnz. 1883 bes. Beil. 10 S. 9, H. Meyer a. a. O. S. 18, Petersen Nr. 4, Wilm. Levy Anm. 1», Seuffert Anm. 2, Willenbücher a. a. O. S. 45 f., v. Kräwel in Busch 3 S. 480. Präs, des OLG. Naumburg das. 4 S. 256, Fitting das. 10 S. 10. A.M. OLG. Naumburg das. 2 S. 419, Francke das. 6 S. 89). Dafür spricht, abgesehen von den allgemeinen, in § 329 Anm. 4 erörterten Gründen, hier besonders die Vorschrift, daß die zur Mittheilung an den Gegner bestimmte Abschrift der Kostenberechnung beizufügen ist, welche nur bei einer Zustellung von Amtswegen an beide Parteien Sinn hat. Die Zustellung erfolgt an den Bevollmächtigten der ersten Instanz (§ 176, RG.^9 S. 392, Seuffert Anm. 2). Der Beschluß bedarf zur Zwangsvollstteckung der Dollstteckungsklausel (§§ 794 Nr. 3, 795, 724). Der Antrag auf ihre Ertheilung kann mit dem Festsetzungsgesuche verbunden werden; die Ertheilung setzt die vorgängige Zustellung des nicht verkündeten Beschlufles an den Kostenschuldner nicht voraus (vgl. Wilm. Levy Anm. 3, Petersen Nr. 4). Die Zwangsvollstteckung darf nur beginnen, wenn der

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Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt. Parteien. §

105.

Kostenfestsetzungsbeschluß mindestens einen Tag vorher zugestellt ist (§ 798). — Wegen Bescheinigung der Rechtskraft von Kostenfeststellungsbeschlüffen s. § 706 Anm. 4. Gegen den Festsetzungsbeschluß steht beiden Theilen sofortige Beschwerde (§ 577) mit den aus §§ 567 Abs. 2 und 568 Abs. 3 u. 4 sich ergebenden Beschränkungen und mit der Maßgabe zu, daß in diesem Falle der sofortigen Beschwerde das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abhelfen kann (§ 577 Abs. 3; vgl. § 103 Anm. 2). Die sofortige Beschwerde ist auch, da § 321 sich nur auf Urtheile bezieht, geboten, um die Entscheidung wegen übersehener Posten herbeizuführen (RG. in S. A. 42 Nr. 75) oder um eine andere Entscheidung über die Höhe des Stteitwerths zu erwirken. Nach der nicht unbedenklichen Ansicht des RG. in Gruchot 42 S. 1173 hat das Beschwerdegericht auch die nicht be­ mängelten Posten der Kostenrechnung zu prüfen; für den Fall beiderseitiger Kostenrechnungen, von denen nur eine angefochten ist, s. § 106 Anm. 2 a. E. u. RG. in I. W. 1899 S. 159. — Eine neue Festsetzung des Stteitwerths im Laufe des Kostenfestsetzungsverfahrens ist zu berückstchttgen (RG. in I. W. 1891 S. 306, 1895 S. 6); wegen der erst nach der Kostenfestsetzung ergehenden Werthfestsetzung s. § 107. Von den Anwälten hat nur der Armenanwalt Be­ schwerde aus eigenem Rechte (RG. 9 S. 389 ff., in S. A. 51 Nr. 134). Gegen den das Festsetzungsgesuch zurückweisenden Beschluß ist nach § 567 die ein­ fache Beschwerde zulässig (RG. 6 S. 390, in Gruchot 43 S. 212, in I. W. 1899 S. 335, 1900 S. 469, OLG. Cassel in Busch 14 S. 149). 4) Einwendungen gegen die Kostenpflicht gehören nicht in das Kostenfestsetzungs­ verfahren, sondern sind, wenn sie erst später entstanden sind, z. B. durch Zahlung der Kosten im Zwangsvollstteckungsverfahren, Aufrechnung mit anderen Forderungen (vgl. darüber Krihning in Busch 12 S. 269 ff.) u. s. w., nach Maßgabe des § 767 zu erledigen. (Die gegentheilige im Gebiete der Hann. PO. besonders von Leonhardt, CPO. S. 55 u. im neuen Mag. f. Hann. R. I S. 387 vertheidigte Ansicht beruhte auf abweichenden Bestimmungen. Vgl. Struckmann a. a. O. S. 408 ff.). sSo auch RG. 13 S. 360, in S. A. 47 Nr. 230 u. in I. W. 1892 S. 11, 93, OLG. Cöln im Rh. A. 87 I S. 204, Hamburg in S. A. 39 Nr. 271; vgl. auch RG. in I. W. 1896 S. 203, 1897 S. 207, Seuffert Anm. 1, Gaupp Nr. III 7, Petersen Nr. 1, Wilm. Levy Anm. 2, A. Förster § 98 Anm. 3, Kulemann im c. A. 68 S. 427 ff., OLG. Jena in S. A. 37 Nr. 252, ob.LG. f. Bayern das. 42 Nr. 155, Herzog in I. W. 1886 S. 178 ff., Haas in Gruchot 34 S. 868. A.M. Schmidt a. a. O. S. 47, Francke a. a. O. S. 84 ff., Völckers a. a. O. S. 169 ff., Wolff in Striethorst's Arch. 86 S. 347 ff., und bezüglich des ZahlungSeinwandes auch RG. in S. A. 47 Nr. 156, OLG. Karlsruhe das. 55 Nr. 167]. Auch können Kosten, die auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urtheils (§§ 541 Abs. 2, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2) gezahlt sind, nicht im Festsetzungsverfahren zurückgefordert werden (RG. in S. A. 47 Nr. 247, in I. W. 1896 S. 203, 1897 S. 464), ebensowenig die auf Grund eines später abgeänderten Festsetzungsbeschlusses gezahlten Kosten (OLG. Cassel in S. A. 47 Nr. 301); vgl. § 103 Anm. 2.

5) Die zu erstattenden Kosten des Festsetzungsverfahrens, hinsichtlich welcher nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 91 ff.) in dem Festsetzungsbeschlusse zu entscheiden ist (vgl. Wilm. Levy Amn. 3, RG. in S. A. 38 Nr. 340 u. in I. W. 1898 S. 598, OLG. Kiel in S. A. 41 Nr. 227, Oldenburg das. 53 Nr. 50, Cassel in Busch 16 S. 150), werden in diesem selbst festgesetzt, soweit dies beantragt wird und die erforderlichen Unterlagen (§§ 104 Abs. 2, 105 Abs. 3) beschafft werden (vgl. H. Meyer in Busch 7 S. 319 ff.). Einer ausdrücklichen Verurtheilung in die Kosten des Festsetzungsvenahrens bedarf es nicht, da diese Kosten an sich in den Kosten des Rechtsstreits mitbegriffen sind (Wilm. Levy Anm. 3. A.M. Haas in Gruchot 31 S. 598 ff.). Sind jedoch mehr Kosten gefordert, als festgestellt werden, so ist der hierdurch veranlaßte Mehrbettag der für das Festsetzungöverfahren zu erhebenden Kosten (GKG. § 38 Nr. 1) nach CPO. § 92 (vgl. § 106 letzter Satz) in dem Kostenfestsetzungsbeschlusse dem

Fünfter Titel.

Prozeßkosten.

§ 106.

139

§ 106. (100.) Sind die Prozeßkosten ganz oder theilweise nach Quoten vertheilt, so hat die Partei dm Gegner vor Anbringung des Festsetzunasgefuchs aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer einwöchigen Frist bei dem Gerichte einzureichen. Rach fruchtlosem Ablaufe der Frist erfolgt die Ent­ scheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner hastet für die Mehrkosten, welche durch das nachträgliche Verfahren entstehen. «. «nt«. § 164. «nt«. I. § 97. «nt«. II. § 97. «ntw. III. § 97. Mot. «. 119. Prot. G. 35. Antragsteller zur Last zu legen, weil er nicht durch zweckentsprechende Rechtsverfolgung (§ 91) veranlaßt ist (vgl. OLG. Cassel in S. A. 47 Nr. 62). Auch gegenüber der Pflicht zur Tragung der Kosten des Festsetzungsverfahrens haben Einwendungen, welche nicht auf den allgemeinen Grundsätzen der §§ 91 ff. beruhen (z. B. die der Zahlung), keinen Raum (s. Anm. 4. A.M. Haas in Gruchot 34 S. 879 ff.). — Wegen Anwendung des § 93 auf die Kosten des Festsetzungsverfahrens s. § 93 Anm. 4. Die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde sind vom Gegner zu erstatten (vgl. RG. in S. A. 39 Nr. 53, auch 47 Nr. 293, Altvater im c. A. 63 S. 431 ff.); die einer erfolglosen fallen dem Beschwerdeführer nach § 97 Abs. 1 zur Last. 6) Hinsichtlich der Gebühren s. GKG. (Ges. v. 17. Mai 1898) §§38 Nr. 1, 39, GO. f. RA. §§ 23 Nr. 1, 30 Nr. 3.

§106. Literatur: Böhner in Busch 27 S. 151 ff. 1) „Sind — nach Quoten vertheilt" — d. h. die Kosten beider Theile, so daß auf beiden Seiten Erstattungsansprüche entstehen (s. § 92 Anm. 3). Hier bedarf es der gleichzeitigen Vorlegung aller Kostenrechnungen. — Die Quotisirung bezieht sich regelmäßig auch auf die Kosten des Festsetzungsverfahrens (vgl. § 105 Anm. 5. A.M. Haas in Gruchot 31 S. 603 ff.). — Auf zeitlich vertheilte Prozeßkosten bezieht sich § 106 nicht sRG. 19 S. 430, OLG. Cöln im Rh. A. 91 I S. 96; vgl. RG. in I. W. 1897 S. 50 (Festsetzung in einem Beschluß ohne Dertheilung nach Quoten im Falle gleichzeitiger Einreichung der Kostenrechnungen)). 2) „hat — aufzufordern" — Die Aufforderung ist formlos und bedarf nicht der Mitwirkung des Gerichts, welchem erst bei Anbringung des Festsetzungsgesuchs der Ablauf der Frist nachzuweisen ist. Befolgt die Partei diese gesetzliche Anweisung nicht, so hat das Gericht das Festsetzungsgesuch als unzulässig zurückzuweisen (RG. in I. W. 1885 S. 157; Willenbücher a. a. O. S. 43). Ist dagegen die Aufforderung fruchtlos ergangen, was von der die Festsetzung beantragenden Partei nachzuweisen ist (s. OLG. Dresden in Busch 6 S. 482), so treten nach Ablauf der Frist die für den Gegner in Satz 2 und 3 bestimmten Nachtheile ein. Die Vollstreckung des (ersten) Festsetzungsbeschluffes insbesondere wird alsdann durch das nachträgliche Verfahren, für welches übrigens die Vorschriften der §§ 104, 105 gelten, nicht auf­ gehalten (Nordd. Prot. S. 2190), soweit nicht die Aufrechnung mit Erfolg geltend gemacht wird (§§ 767 ff., Petersen Nr. 1, Gaupp Nr. II, OLG. Jena in S. A. 37 Nr. 252 u. A.). Der Schlußsatz des § 106 steht im Einklänge mit § 95 ; vgl. auch § 104 Anm. 2.

Wegen

der Festsetzung der „Mehrkosten" s. § 105 Anm. 5. Im Beschwerdeverfahren ist der Beschwerderichter nicht befugt, auch die nicht an­ gegriffene Kostenberechnung des Beschwerdeführers nachzuprüfen (RG. 33 S. 391; vgl. § 105 Anm. 3).

140 Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen. Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§§ 107, 108.

§ 107. Ergeht nach der Kostenfestsetzuna eine Entscheidung, durch welche der Werth des Streitgegenstandes festgesetzt wird, so ist, falls diese Entscheidung von der Werthsberechnung abweicht, welche der Kostenfestsetzung zu Grunde liegt, auf Antrag die Kostensestsetzung entsprechend abzuändern. Ueoer den Antrag entscheidet das Gericht erster Instanz. Der Antrag ist binnen der Frist von einem Monate bei dem Gericht anzubringen; er kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung und, wenn es einer solchen nicht bedarf, mit der Verkündung des den Werth des Streitgegenstandes festsetzenden Beschlusses. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhand­ lung erfolgen. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Nov.» E. III: § 100a; Begr. S. SO. Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 108. (101.) Die Bestellung einer prozessualischen Sicherheit ist, sofern nicht die Parteien ein Anderes vereinbart haben oder dieses Gesetz eine nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmende Sicherheit zuläßt, durch Hinter­ legung von Geld oder solchen Werthpapieren zu bewirkm, welche nach §. 234 Abs. 1, 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind oder nach richterlichem Ermessen eine genügende Deckung gewähren. §107. 1) § 107, den die Nov. eingefügt hat, gewährt die Möglichkeit, auch die rechtskräftige Kostenfestsetzung entsprechend dem nachträglich festgesetzten Streitwerthe zu be­ richtigen, was bisher ausgeschlossen war (vgl. RG. 20 S. 408). „eine Entscheidung" — einerlei, ob sie auf Grund des § 3 CPO. oder des § 16 (MG., vor oder nach Rechtskraft der Kostenfestsetzung ergeht, ob sie den Streitwerth höher oder niedriger bemißt, als bei der Kostenfestsetzung angenommen war, ob bereits vor der Kostenfestsetzung eine sönnliche Festsetzung des Streitwerths stattgefunden hatte oder nicht (vgl. Begr. S. 90). Eine mehrfache Aenderung in der Festsetzung des Streitwerths kann auch eine mehrfache Anwendung des § 107 zur Folge haben (vgl. Petersen Nr. 1). Auch das lediglich mit der Kostenfestsetzung befaßte Besch werd ege richt ist zur Erlassung eines Beschlusses über den Streitwerth befugt (RG. — Der. Civilf. — 44 S. 403). „auf Antrag" — Der Antrag unterliegt dem Anwalts zwange nicht, da er nach Abs. 2 zu Protokoll des Gerichtsschreibers erklärt werden kann (§ 78 Abs 2). „Gericht erster Instanz" — auch, wenn die Kostenfestsetzung in der Beschwerdeinstanz stattgefunden hat (Gmlpp Nr. II, Petersen Nr. 2). Die abändernde Entscheidung hat sich darauf zu beschränken, die festgesetzten Gerichtskosten und Gebühren denr nachträglich festgesetzten Streitwerth anzupassen — „entsprechend abzuändern" — (Petersen Nr. 1). 2) Ist die Frist des Abs. 2 abgelaufen, so kann eine Abänderung der Kostenfestsetzung dann noch herbeigeführt werden, wenn gegen die Kostenfestsehung noch die sofortige Beschwerde (§ 105 Abs. 4) zulässig ist (Petersen Nr. 2). Sechster Titel. Literatur: Böhm, Handbuch des Rechtshülfeverfahrens. Erlangen 1886. S. 88ff., Cohn in Gruchot 32 S. 574 ff., Drucker in I. W. 1887 S. 184 ff., Oertmann im c. A. 79 S. 244 ff., Planck I S. 368 ff., Schmidt § 166, Fitting § 131, Bunsen §35.

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 108.

141

Die Vorschriften des §. 234 Abs. 2 und des §. 235 -es Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. 9t. Ent«. § 165. Snt«. I. § 98. Ent«. II. § 98. Ent«. III. § 98. Mot. E. 120, 121. Prot. 9. 37, 38. — Nov. § 101; Ronr.-V. S. 47. Hinsichtlich der „prozessualischen Sicherheiten", welche nach den Vorschriften der CPO. die eine Partei gegen die ihr aus der Prozeßführung der anderen erwachsenden Nachtheile sichern sollen (vgl. Wetzell S. 315 ff., Renaud S. 136 ff., andererseits Bülow im c. A. 62 S. 68), enthält die CPO. allgemeine Bestimmungen in §§ 108, 109, welche in Betreff des Konkursverwalters entsprechend anzuwenden sind (KO. §§ 72, 78). Im Uebrigen regelt der Tit. 6 nur diejenige Sicherheit, welche ein Ausländer für die Prozeß kosten zu bestellen hat (§§ 110—113). Ueber den gleichfalls den Zweck der Sicherheitsleistung verfolgenden, dem Gericht oder Rechtsanwälte zu bestellenden Kostenvorschuß vgl. Vordem. 5 z. Tit. 5; s. auch RG. in S. A. 49 Nr. 193. Einzelne Fälle der Sicherheitsleistung s. in §§ 89, 707, 710, 713, 719, 732, 769, 771, 890, 921, 923, 925, 927, 936, 939. Vgl. auch StPO. §419 u. HGB. §§ 269 Abs. 9, 272 Abs. 3. Der Fiskus ist als Prozeßpartei von der Sicherheitsleistung nicht frei, auch wenn die Hinterlegungsstelle eine fiskalische Behörde ist, der Fiskus also nur bei sich selbst hinterlegen (§ 108) kann (vgl. Seligmann in Gruchot 34 S. 328 ff.).

§108. 1) § 108 bestimmt, welche Sicherheitsmittel bei prozeffualen Sicherheiten zulässig sind. Die Nov. hat die materiell-rechtlichen Bestimmungen des BGB. §§ 234, 235 auf die prozessuale Sicherheit angewendet und daher die bisherigen Worte „in baarem Gelde" durch die Worte „von Geld" ersetzt sowie die übrigen gesperrt gedruckten Worte eingefügt. 2) „oder — zuläßt" — wie in den Fällen der §§ 921, 925, 927. (Dgl. auch HGB. §§ 269 Abs. 3, 272 Abs. 3, KO. § 78). Anders in dem Falle des § 112 („Höhe"). 3) „Hinterlegung" — bei Gericht oder einer andern landesgesetzlich (vgl. EG. z. BGB. Art. 145) zur Annahme von Sicherheitsleistungen berechtigten Stelle [f. z. B. Preuß. Hinterlegungsordn. v. 14. März 1879 (GS. S. 249) in der Fassung der AG. z. BGB. Art. 84 §§1,2,93 („Hinterlegungsstelle"); §§70ff. (in dringenden Fällen beim Amtsgerichte; vgl. Alst.-M.-D. v. 26. Dez. 1899 — JMBl. S. 870 —); f. auch §§ 87, 87 a, 88; wegen anderer Staaten s. Verh. d. 13. D. Juristentags I S. 86 ff., II S. 348 ff., 435 ff.]. Ueber das durch die Hinterlegung begründete Rechtsverhältniß ist in der CPO. (u. KO.) nichts bestimmt. ES entscheidet also das bürgerliche Recht. Nach BGB. § 233 erwirbt der Berechtigte mit der Hinterlegung ein Pfandrecht, das nach KO. §§ 48, 49 Nr. 2 im Konkurs ein AbsonderungSrecht gewährt (vgl. RG. 12 S. 222). Dgl. § 804 Anm. 6. Andere Pfänder oder Bürgen sind nur gestattet, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder eine nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmende Sicherheit zugelassen ist (vgl. Fitting § 131 N. 3 u. oben Anm. 2). Die Bestellung der Sicherheit wird erzwungen durch Nichtzulassung zum Gebrauche des betteffenden Rechtsbehelfs int Falle der Nichtbestellung (Planck I S. 374 f.; vgl. § 274 Nr. 5). Die Einziehung der Sicherheit kann nur im Wege der Zwangsvollstteckung (vgl. §§ 815 Abs. 1, 821, 829, 835, 847, 857) auf Grund eines vollstteckbaren Titels erfolgen (vgl. Wilm. Levy Anm, 5; s. auch Gaupp § 109 Nr. I). 4) „Geld" — ist an ^sich nicht bloß geprägtes und nicht bloß solches (inländisches) Geld, welches von Jedermann zu jedem Bettag in Zahlung genommen werden muß, sondern es gehören dahin, so weit sie im Verkehr als „Geld" behandelt werden und damit wirkliche Zahlung — nicht Hingabe an Zahlungsstatt — geleistet werden kann, alle Münzen, alles

142

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§

108.

Papiergeld, alle Banknoten des Zn- und Auslandes (vgl. Mandry-Geib S. 217 ff., Dernburg, Preuß. Privatr. II § 32; R. Koch in Endemann's Handb. d. D. HR. rc. II S. 113 ff. u. in Bekker u. Fischer, Beitr. z. Entw. e. bürg. GB. Heft 4 S. 2 ff., 8 ff., Gierke in Goldschmidt, Z. f. HR. 29 S. 253). Inwiefern diese Zahlungsmittel sich jedoch zur Hinterlegung nach § 108 eignen, hängt von der Einrichtung des Hinterlegungswesens bezw. der Willenserklärung der Hinter­ legungsstelle ab. Es kommt darauf an, daß der Betrag der Sicherheit, wie er von dem Gerichte (§112) oder dem Gesetze bestimmt ist, nach bewirkter Hinterlegung vorhanden ist und erforderlichenfalls eingezogen werden kann. „Geld" sind also diejenigen Zahlungsmittel, welche als solches hinterlegt werden können. (Vgl. R. Koch in Busch 3 S. 363 ff. Zustimmend Petersen Nr. 2, Seuffert Anm. 2. Aehnlich Wilm. Levy Anm. 4, A. Förster Anm. 2 a. Enger Endemann I S. 412 ff.; s. auch Planck, BGB. I § 233 Anm. 2.) Nach der Preuß. Hinterleg.-O. § 11 kann „Geld" in der Regel nur in Zahlungsmitteln hinterlegt werden, welche bei den Staatskassen in Zahlung anzunehmen sind (sog. Kassenkurs haben); nicht kastenmäßiges Geld ist zunächst in kastenmäßiges Hinzusetzen. 5) „oder solchen Werthpapieren" — Nach BGB. § 234 Abs. 1 u. 3 sind als Werth­ papiere zur Sicherheitsleistung nur Jnhaberpapiere und mit Blankoindossament versehene Orderpapiere geeignet, wenn sie einen Kurswerth haben und einer Gattung ange­ hören, in der Mündelgeld angelegt werden darf (vgl. § 1807 Nr. 2—4 a. a. £).), und zwar nur in Höhe von drei Viertheilen des Kurswerths. Jnhaberpapiere sind sowohl die Schuldver­ schreibungen auf den Inhaber (BGB. §§ 793 ff.) wie die Aktien auf den Inhaber, nicht aber die sog. Legitimationspapiere des § 808 das. (Planck, BGB. I § 234 Anm. 1); vgl. auch HGB. § 363. Die mithinterlegten Zins-, Renten-, Gewinnantheil- und Erneuerungsscheine unterliegen bem Pfandrechte (s. oben Annl. 3). Ueber den Anspruch des Hinterlegers auf Herausgabe der fälligen Zinsscheine rc. s. Planck a. a. O. Anm. 3. — Abgesehen von diesen gesetzlich zur Sicherheits­ leistung geeigneten Werthpapieren ist das Ennessen des Gerichts hinsichtlich der Deckungsfähigkeit nicht beschränkt; es ist also auch nicht erforderlich, daß die Werthpapiere einen Kurswerth haben oder mündelsicher sind. Dagegen erstreckt sich das Ennessen nicht auf die Frage, ob ein Papier als „Werthpapier" anzusehen ist. (So auch Eohn a. a. O. S. 595. A.M. Endemann I S. 414, A. Förster Anm. 2 b.) Ueber diesen technischen Begriff s. Makower, HGB. 12. Aufl. § 1 Anm. 111 Cid, § 179 Anm. IV h, Goldschmidt, Handb. d. HR. 2. Ausl., I 1 S. 550 ff., Endemann, HR. 4. Ausl. S. 368 ff., Gareis, HR. 6. Aufl. S. 770 ff.; Eohn a. a. O. S. 295 ff.; R. Koch in Bekker u. Fischer u. s. w. S. 4, Brunner tit Endemann's Handbuch II S. 140 ff. u. int Rechtster. III S. 1309 ff. („Werthpapier ist eine Urkunde über ein Privatrecht, dessen Verwerthung durch die Jnnehabung der Urkunde privattechtlich bedingt ist.") Das Kennzeichen ist ein selbständiger Vermögenswerth der Schrift (im Gegensatz eines bloßen Beweiswerths) [f. auch Petersen Nr. 2, Gaupp Nr. II b, Seuffert Anm. 2, R. Koch in Busch 3 S. 380 ff., Keyßner in Goldschmidt, Z. f. HR. 27 S. 326, RG. 8 S. 374 (zu § 87 d. GO. f. RA.), 14 S 99, 16 S. 87, 171]. Papiere ans Namen, z. B. Hypothekenbriefe, Grundschuldbriefe, die auch die Mot. nennen (Preuß. Hinterleg.-O. § 88), Rentenschuldbriefe oder außer Kurs gesetzte Jnhaberpapiere (§ 823) sind nicht ausgeschlossen; ebensowenig ausländische Werthpapiere. 6) Daß bei nachträglichem Sinken des Werthes der hinterlegten Papiere eine Ver­ stärkung der Sicherheit gefordert werden kann (N. E. § 165 Abs. 2), ist nur für die Prozeß­ kostensicherheit ausdrücklich bestimmt (§ 112 Abs. 3), dürste jedoch auch auf andere prozessuale Sicherheiten entsprechend anzuwenden sein (Sarwey I S. 185; vgl. BGB. § 240). — Die in das Urtheil nicht aufgenommene Bestimmung über die Art der Sicherheitsleistung kann nach­ ttäglich durch Beschluß getroffen werden (OLG. Marienwerder in Busch 17 S. 154 Anm. 1. Meyer das. S. 153; s. auch RG. in I. W. 1896 S. 70); wegen der Höhe vgl. § 112 Amn. 1. 7) Ueber Hinterlegung von Geld s. Preuß. Hinterleg.-O. §§ 7 ff., von Werthpapieren auf Inhaber oder mit Inhaberklausel §§ 36 ff., von Namenspapieren ohne Inhaberklausel §§ 87, 87 a, 88.

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 109.

143

§ 109. Ist die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung weg­ gefallen, so hat auf Antrag das Gericht, welches oie Bestellung der Sicherheit angeordnet oder zugelassen hat, eine Frist zu bestimmen, binnen welcher ihm die Partei, zu deren Gunsten die Sicherheit ge­ leistet ist, die Einwilligung in die Rückgabe der Sicherheit zu er­ klären oder die Erhebung der Klage wegen ihrer Ansprüche nachzu­ weisen hat. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht auf Antrag die Rückgabe der Sicherheit anzuordnen, wenn nicht inzwischen die Erhebung der Klage nachgewiesen ist. Die Anträge und die Einwilligung in die Rückgabe der Sicher­ heit können vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt weroen. Die Entscheidungen können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch welchen der im Abs. 1 vorgesehene Antrag abgelehnt wird, steht dem Antragsteller, gegen die im Abs. 2 bezeichnete Entscheidung steht beiden Theilen die sofortige Be­ schwerde zu. Rov., E. III: § 101a; «egr. S. 90 f. 8) Nach Abs. 2 sind die Vorschriften des BGB. § 234 Abs. 2 über die Mithinterlegung von Zinöscheinen rc. (s. oben Amn. 5) und § 235 über den Umtausch des hinterlegten Geldes gegen geeignete Werthpapiere, der hinterlegten Werthpapiere gegen andere geeignete Werthpapiere oder gegen Geld entsprechend anzuwenden. Diese Befugniß zum Umtausche setzt jedoch voraus, daß die Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Werthpapieren geleistet ist. Zur Wahl einer andern Art der Sicherheitsleistung als durch Geld oder Werthpapiere ist der Hinterleger nicht berechtigt (vgl. Planck, BGB. I § 235 Anm.).

§109. 1) Der durch die Nov. eingefügte § 109 beseitigt die bisherigen Zweifel darüber, wie im Verhältnisse der Parteien zu einander die Rückgabe der Sicherheit nach Wegfall ihrer Veranlassung mit Wirkung gegen die Hinterlegungsstelle herbeizuführen ist. Durch die hier gegebenen Vorschriften wird aber die Befugniß der Hinterlegungsstelle, nach Maßgabe der für fie geltenden Bestimmungen die Sicherheit ohne gerichtliche Anordnung zurückzugeben, nicht berührt (Begr. S. 91; Petersen Nr. 2). 2) „Veranlassung" — vgl. KG. Berlin in Rechtspr. 1 S. 294. „Das Gericht, welches — hat" — Nur in Fällen des Arrestes und der einst, weiligen Verfügung ist das Gericht der Hauptsache ausschließlich zuständig, wenn die Hauptsache anhängig ist oder anhängig gewesen ist (§ 943 Abs. 2). „eine Frist" — Eine Verlängerung der Frist nach § 224Abs. 2, 3 ist zulässig (Begr. S. 91; Petersen Nr. 2); sie ist keine Nothfrist (§ 223 Abs. 3), so daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattfindet (§ 233). — Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht in den Fällen der gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urtheile (§§ 710, 713); hier genügt die Vorlegung des Zeugnisses über die inzwischen eingetretene Rechtskraft zur AnOrdnung der Rückgabe der von dem Gläubiger geleisteten Sicherheit (§ 715). 3) Abs. 4. Die sofortige Beschwerde hat in den Fällen des § 109 nach § 572 Abs. 1 aufschiebende Wirkung; dies ist jedoch nur von Bedeutung für die Entscheidungen nach Abs. 2, durch welche die Rückgabe der Sicherheit angeordnet wird. Mit Rücksicht auf die Nach. theile, die aus der Vollstreckung dieses Beschlusses der Partei entstehen können, zu deren Gunsten die Sicherheit geleistet wurde, ist hier der Beschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt (Begr. S. 91). 4) Wegen der Gebühren s. GKG. § 38 Nr. 2. Wegen der Anwaltsgebühr vgl. RG. in Gruchot 44 S. 207.

144

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§ 110.

§ HO. (102.) Ausländer, welche als Kläger auftreten, haben dem Be­ klagten aus dessen Verlangen wegen der Prozeßkosten Sicherheit zu leisten. Diese Verpflichtung tritt nicht ein: 1. wenn nach den Gesetzen des Staates, welchem der Kläger angehött, ein Deutscher in gleichem Falle zur Sicherheitsleistung nicht verpflichtet ist; 2. im Urkunden- oder Wechselprozeffe; 3. bei Widerklagen; 4. bei Klagen, welche in Folge einer öffentlichen Aufforderung angestellt werden; 5. bei Klagen aus Rechten, welche im Grundbuch eingettagen find. 9t. Entw. § 166. Gutw. I. §. 99. Entw. Is. § 99. Grrtw. III. § 99. Mot. S. 181, 188. Prot. G. 38. — Nov. Nom.-V. T. 49. §110.

Literatur: Köppers, Zusammenstellg. der in den einzelnen ausländ. Staaten geltenden Bestimmungen über d. Verpflichtung des Klägers zur Sicherheitsleistung für d. Prozeßkosten^ über d. Gewährung des Armenrechts an Ausländer u. s. w. Berlin 1891; Drucker in I. 2Ö. 1887 S. 164; Leske u. Löwenfeld, Rechtsverfolgung int internat. Verkehr, 1895, I S. 750ff.; Bunsen § 36. 1) Abs. 1: „Ausländer" — niemals Inländer, auch wenn sie im Auslande wohnen (s. auch RG. 36 S. 393, OLG. Celle in S. A 37 Nr. 149), oder wenn eine im Ausland ihren Sitz habende Personenvereinigung von Inländern klagt (RG. 36 S. 393 u. in I. W. 1898 S. 30); Ausländer aber auch dann, wenn sie int Jnlande Grundbesitz haben. Vgl. § 12 Anm. 3. Die Eigenschaft als Ausländer ist nöthigenfalls zu beweisen. (Dgl. auch StPO. §§ 414, 419.) Durch das intern. Abkommen vom 14. Nov. 1896 (RGBl. 1899 S. 285) Art. 11 ist der Ausländervorschuß fast gänzlich beseitigt (vgl. unten Anm. 3 Abs. 3). „als Kläger" — Dahin gehören auch Rechtsnachfolger, Hattptintervenienten, einzelne Streitgenossen und Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers, da sie nach § 101 für die Kosten haften, und zwar diese nicht bloß (Hellmann I S. 350, Endemann I S. 415 u. Francke, Nebenparteien S. 112) int Falle des §69 (OLG. Karlsruhe in S. A. 40 Nr. 246, Petersen §§ 110, 111 Nr. 3, Wilm. Levy Anm. 2, Gaupp Nr. I, Seuffert Anm. 2 u. A.). Kläger ist auch der Restitutions- und der Nichtigkeitskläger (§§ 578 ff.), der Kläger aus §§ 722, 723 (Francke in Busch 10 S. 104), nicht der Berufungs- oder Revisionskläger (f. Bl. f. Rechtspflege in Thüringen rc. Bd. 8 S. 105, Seuffert a. a. O., Gaupp a. a. O. Abs. 2, RG. 31 S. 385 — wo zugleich die Verpflichtung des Berufungs- und Revisionsklägers, der Gerichtskasse nach GKG. § 85 eine Sicherheit zu leisten, verneint wird — vgl. unten Anm. 3 a. E., OLG. Brauuschweig in S. A. 44 Nr. 52, Cöln in Busch 7 S. 97, Francke das. 4 S. 524 ff. A.M. v. Kräwel das. S. 257), der Antragsteller im Verfahren zur Sicherung des Beweises und im Ent­ mündigungsverfahren, und ebensowenig der Antragsteller im Mahnverfahren (§ 688), solange dieses nicht in den gewöhnlichen Prozeß übergeht (§ 696). 2) „dem Beklagten auf dessen Verlangen" — Die Kautionspflicht tritt nur auf Antrag des (ausländischen oder inländischen) Beklagten in Wirksamkeit, nicht auch auf Antrag der auf Seite des Beklagten auftretenden Nebenintervenienten wegen seiner Kosten (§ 101), dessen Rechtslage hier von der des Beklagten verschieden ist, da der Eintritt von seinem Belieben abhängt. (S. auch Seuffert Anm. 3, A. Förster Anm. lc. A.M. Sarwey I S. 186, Böhm a. a. O. S. 190, Francke, Nebenpart. S. 113, 117, welche ihm im Falle des § 69, Wilm. Levy Anm. 2, die ihm stetö das Recht, Sicherheit zu fordern, beilegen wollen.) Die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten gehört zu den Prozeß hindern den, ist also in der Regel (§§111, 112 Abs. 3, 274 Abs. 3) vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache (in erster Instanz) anzubringen (§ 274 Abs. 2 Nr. 5). Ausnahmen: §§ 504, 528, 566. 3) Abs. 2: „Diese Verpflichtung tritt nicht ein" — Das Gericht hat also von Amtswegen darauf zu achten, ob einer der Ausnahmefülle vorliegt.

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 110.

146

Nr. 1: Der Nr. 1 liegt -war, wie auch die Mot. hervorheben, der Gedanke der Gegenfeitigkeit oder Vergeltung (Reziprozität oder Retorsion) zu Grunde (Wach I S. 22). Sie ist aber nicht (wie Fuld in Busch 10 S. 257 ff. u. v. Schrutka-Rechtenstamm das. 11 S. 286 ff. annehmen; s. auch OLG. Cöln im Rh. A. 95 I S. 52) dahin aufzufassen, daß die Sicherheits­ leistung gegen Ausländer nur zuläsfig sei, wenn der betreffende auswärtige Staat Sicherheit wegen Prozetzkosten gegen Ausländer, insbesondere Deutsche als solche, nicht auch, wenn er sie — wie z. B. Oesterreich (vgl. Böhm a. a. O. S. 101) — gleichmäßig gegen seine eigenen Angehörigen und gegen Ausländer verlange. Diese einschränkende Auslegung, nach welcher Ausländer in Deutschland besser gestellt sein könnten als im eigenen Lande, widerstreitet dem Wortlaute des Gesetzes („in gleichem Falle") wie dem Zwecke, die Inländer gegen die Weitläufigkeiten der Wiedererlangung der Prozeßkosten von Ausländern wenigstens eben so weit zu schützen, als das Ausland selbst einen solchen Schutz gewährt. Vgl. auch GKG. § 85 Abs. 2 Nr. 1. (So auch KG. Berlin in Z. d. Anwaltsk. in Naumburg 1895 S. 3, OLG. Breslau das., Hamburg in S. A. 44 Nr. 218, Cöln im Rh. A. 81 II S. 49, v. Bar, Inter. Privatrecht, 2. Aufl. Bd. 2 S. 394, Seuffert Amn. 4, Gaupp Nr. IV, ©ihn. Levy Anm 5. A. M. RG. 39 S. 406 - vgl. jedoch auch RG. 38 S. 403.) Zur Gegenseitigkeit gehört ferner nicht — wie ein von der RTK. v. 1875 abgelehnter Antrag nach § 166 Nr. 1 d. N. E. wollte —, daß in dem Staate des Klägers die den Kostenpunkt betreffenden Entscheidungen des deutschen Gerichts vollstreckt werden. (Mot. S. 121.) „nach den Gesetzen" — Weiter ist die Fassung in den §§ 114 Abs. 2, 328 Nr. 5. Als „Gesetz" gilt indessen auch ein Staatsvertrag (EG. z. CPO. § 12, Seuffert Amn. 4, Sarwey 1 S. 187 u. A.), nicht ein bloßer usus fori (wie Uebel I S. 114 meint). Solche Staatsverträge find vom D. Reiche bezüglich der zum Armenrechte Zugelassenen (vgl. § 114 Anm. 4) abgeschlossen mit Belgien am 18. Oktbr. 1878 (RGBl. 1879 S. 316), mit Luxemburg am 12. Juni 1879 (ebendas. S. 318), mit Frankreich am 20. Febr. 1880 (RGBl. 1881 S. 81), mitOesterreich.Ungarn am 9. Mai 1886 (RGBl. 1887 S. 120), s.OLG. Cöln im Rh. A. 88 I S. 45. Ueber die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Angehörigen deS D. Reichs, Rußlands und Oesterreichs s. Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 30. Sept. u. 23. Dez. 1897 (RGBl. S. 775 u. 792). Insbesondere s. intern. Abkommen vom 14. Nov. 1896 — sog. Haag'er Vertrag — (RGBl. 1899 S. 285), welches zwischen Belgien, Frankreich, Luxemburg, Portugal, Spanien, Italien, Niederlande, Schweden-Norwegen, Schweiz, Deutsch, land, Oesterreich. Ungarn, Dänemark, Rumänien, Skrßland zunächst auf fünf Jahre, vom 27. April 1899 ab, getroffen ist, Art. 11—13 nebst Zusatzprot. zu Art. 11 (vgl. ««. in I. W. 1899 S. 484). Außerdem ist in vielen Handelsverträgen die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen im Rechtsverkehr auf die Dauer des Vertrags bestimmt (f. die einzeln« — jedoch dem Wortlaute nach verschied«« — Verträge bei Wilm. Levy Anm. 5, S«ffert Anm. 4), woraus, wie S«ffert Anm. 4m wohl mit Recht annimmt (vgl. auch RG. in I. W. 1895 S. 83 Nr. 7, Z. d. Anw.-K. in Naumburg 1896 S. 113), sich für die Dauer deS Vertrags allgemein die Befreiung von der Kautionspflicht «giebt. Nach Art. 56 Abs. 2 des internat. Uebereinkommens über dm Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oft. 1890 (RGBl. 1892 S. 793) kann bei Klag«, welche auf Grund des internat. Frachtverkehrs erhob« werden, keine Sicherstellung für die Prozeßkost« verlangt werd«. Vgl. auch den Vertrag mit Italien v. 6. Dez. 1891 (RGBl. 1892 S. 97) Art. 3 Abs. 2. Die Befreiungsgründe Nr. 2 und 5 beruhen nach d« Mot. auf der Schleunigkeit dieser Prozeßarten (§§ 592, 800). Geht der Urkundenprozeß in das ordentliche Verfahr« über (§ 596), so füllt der Befreiungsgrund weg (vgl. § 111). So auch § 541. In Nr. 5 find durch die Nov. an Stelle der bisherigen Worte „Ansprüchen, welche in das Grund- oder Hypothekenbuch einer deutschen Behörde" mit Rücksicht auf das BGB. §§ 873 ff. und die GBO. die gesperrt« Worte gesetzt. Ein in RTK. f. d. Nov. gestellter Antrag, dm im Grundbuch eingetrag«« Recht« die „Ansprüche, für die eine Vormerkung im Grundbuch eingetrag« ist," Struck»»»» n. Koch, Ttvilprozeßord»»»-. a, CafL L 10

146 Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Parteien.

§§ 111, 112.

§ 111. (103.) Der Beklagte kann auch dann Sicherheitsleistung verlangen, wenn im Lause des Rechtsstreits der Kläger die Eigenschaft eines Deutschen ver­ liert oder die Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicherheits­ leistung befreit war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. ft. «nt». § 167. Ent». I. «nt». II. § 100. Ent». III. § 100. «tot. «. irr.

«ret. «. 38.

§ 112. (1040 Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gerichte nach freiem Ermessen festgesetzt. Bei der Festsetzung ist derjenige Betraa der Prozeßkosten zu Grunde zu legen, welchen der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die dem Beklagten durch eine Widerklage erwachsenden Kosten find hierbei nicht zu be­ rücksichtigen. Ergiebt fich im Laufe des Rechtsstreits, daß die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann der Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, fofmt nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenm Anspruchs unbefttitten ist. ft. «nt». § 168. Ent». I. § 100. «.!»». Prot. ». 38.

Ent». II. 6 101.

Ent». III. § 101. Mot.

gleichzustellen, wurde abgelehnt, weil der auf der Schleunigkeit des Verfahrens beruhende Grund hier nicht zutreffe (Kom.B. S. 49). Die Ausnahmen Nr. 3 (§ 33), 4 (s. § 946) rechtfertigen sich dadurch, daß die Erhebung dieser Magen durch einen Angriff des Beklagten veranlaßt ist. Vgl. jedoch § 112 Abs. 2. — Als sechster Befreiungsgrund tritt die Zulaffung zum Armenrechte (§115 Nr. 2) hinzu. Vgl. § 114 Abs. 2. 3) Ueber den Kostenvorschuß der klagenden Ausländer an die Gerichtskasse s. GKG. § 85 Abs. 1. Er ist von einem beklagten Ausländer, welcher ein Rechtsmittel einlegt, nicht zu leisten (R8. 31 S. 385). Der Gegenpartei steht wegen Ablehnung des Antrags auf Leistung dieses Porschufles keine Beschwerde zu (RG. in Z. W. 1894 S. 10). §111. 1) „tut Vmist des Rechtsstreits" — hier also gemäß § 274 Abs. 3 (s. § 110 Anm. 2) auch nach Einlassung auf die Mage. Wann der Beklagte in diesen Fällen die Sicherheit zu verlangen hat, hängt vom Eintritte seiner Wissenschaft ab (s. N. E. § 167). Er kann auf Grund des § 275 die Fortsetzung der Verhandlung verweigeni und abgesonderte Entscheidung fordern (Osterloh in Busch 3 S. 78). „die Eigenschaft eines Deutschen verliert" — vgl. Ges. v. 1. Juni 1870 (BGBl. S. 355), §§ 13 ff., EG. z. BGB. Art. 41 Nr. II ff. Das Gleiche gilt, wenn an Stelle des in­ ländischen Klägers ein Ausländer, z. B. als Erbe, in den Prozeß eintritt. „oder — wegfällt" — nur in den Fällen § 110 Nr. 1, 2. 2) „unbestritten" — Dies trifft nicht zu, wenn gegen die an sich unstreitige Klagesordenmg eine Aufrechnung geltend gemacht ist.

§ 112. 1) Abs. 1: Daß der Antrag auf eine bestimmte Summe zu richten ist (N. E. § 168 Abs. 1), ist nicht vorgeschrieben und kann auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen gefolgert werden (s. Sarwey I S. 188, Gaupp Nr. I, Böhm a. a. O. S. 97 u. A.). Das Gericht der betreffenden Instanz entscheidet nach mündlicher Verhandlung durch Zwischen urtheil (OLG. Eöln im Rh. A. 89 I S. 76), welches unter gewissen Voraussetzungen in Betreff der Rechtsmittel als Endurtheil gilt (275), nicht durch Beschluß (RG. 33 S. 431). Gegen die Entscheidung

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

§ 113.

147

§ 113. (105.) Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheit-» leistung eine Frist zu bestimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leinen fei. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dasselbe zu verwerfen. ft. ent». § 169. Gut». I. § 101. Gut». II. I 10*. Gut». III. § 10*. Mut. e. nt, 1*3. Prot. @. 38, 39, 5*3, 5*4, 78*, 783.

ist die Beschwerde unzulässig (RG. a. a. £.). Das „freie Ermessen" hinsichtlich der Höhe (vgl. § 108 Amn. 2) ist nur durch die Bestimmung in Abs. 2 beschränkt. Eine besondere Beweisaufnahme ist nicht zulässig (vgl. § 97 Anm. 2). . 2) Abs. 2: „der Prozeßkosten" — nicht bloß der Kosten der ersten Instanz, damit nicht in den höheren Instanzen eine Wiederholung (nach Abs. 3) erforderlich werde (s. Wilm. Vetn) Anm. 2, OLG. Cöln a. a. O.). 3) Abs. 3: „Ergiebt sich — hinreicht" — sei es in Folge einer zu niedrigen Deranschlagung der Prozeßkosten durch das Gericht — wobei auch die schon vor dem Antrag auf Erhöhung entstandenen, bisher ungedeckten Kosten zu berücksichtigen sind (RG. in S. A. 41 Nr. 63; 51 Nr. 21) — oder weil die geleistete Sicherheit im Werthe gesunken ist (s. § 108 Anm. 6). Im umgekehrten Falle darf aber keine Ermäßigung der Sicherheit verlangt werden. 4) „sofern nicht — unbestritten ist" — wie im Falle des § 111. 5) Wenn im Laufe des Rechtsstreits die Voraussetzung der Kautionspflicht wegfällt, so kann der Kläger selbstverständlich die Aufhebung der Sicherheitsleistung beantragen (vgl. Böhm a. a. O. S. 94 Anm. 19, OLG. Cöln a. a. O.). Das Gericht entscheidet hierüber nach mündlicher Verhandlung durch Zwischen, oder Endurtheil (vgl. Anm. 1). 8U3. 1) „eine Frist zu bestimmen" — durch Beschluß, der in gewöhnlicher Weise zu verkünden oder zuzustellen ist (§ 329), oder bei Streit über die Verpflichtung zur Sicherheit, leistung in dem Zwischenurtheile selbst (vgl. § 112 Anm. 1, Osterloh in Busch 3 S. 79). Die (richterliche) Frist ist keine Nothfrist (s. § 223 Abs. 3); es giebt also auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233). Sie beginnt mit der Verkündung des Beschlusses oder ZwischenUrtheils (§§ 112 Anm. 1, 221, 329 Abs. 1). Das Verfahren ruht, bis nach Ablauf der Frist oder Leistung der Sicherheit von neuem — und zwar zur Verhandlung über die Hauptsache — geladen wird, falls der Beklagte nicht schon vorher verhandeln will (vgl. §§ 274 Abs. 2 Nr. 5, 275 Abs. 1). - Vgl. HGB. § 269 Abs. 3. 2) Die Entwürfe waren strenger; es sollte darauf ankommen, ob die Sicherheit inner, halb der Frist geleistet ist. Nach einem von der RTK. v. 1875 angenommenen Antrage dagegen kann der Kläger die Sicherheit auch nach Ablauf der Frist noch so lange leisten, als nicht über den betreffenden Antrag des Beklagten eine Entscheidung erfolgt ist (RG. 24 S. 429). Dgl. §§ 109 Abs. 2, 951; s. auch §§ 56 Abs. 2, 89 Abs. 1. 3) Ueber die Wirkungen der Zurücknahme der Klage s. § 271 Abs. 3. In der Rechtsmittelinstanz ist für den Fall, daß der Kläger das Rechtsmittel ergriffen hat, der Nachtheil stärker; das angegriffene Urtheil wird alsdann reckstskrüftig, da der Prozeß nicht in der Schwebe bleiben darf, sondern auf den Antrag des zur Betreibung des Rechtsstreits berechtigten Beklagten zu Ende geführt werden muß (vgl. §§ 515, 566). Es erlischt also auch die Anschließung des Beklagten (tz 522 ; A.M. Siebenhaar S. 158, Kleiner I S. 459). Hat der Beklagte das Rechtsmittel ergriffen, so kann nur die Klage für zurückgenommen erklärt werden, wenn der Kläger eine in höherer Instanz angeordnete Sicherheit nicht geleistet hat; die etwaige Anschließung des Klägers ist zu venvetfev (vgl. auch Wilm. öepy Anm. 4, A. 10»

148

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Zweiter Abschnitt.

Siebenter Titel.

Parteien.

§ 114.

Armeurecht.

§ 114. (106.) Wer außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie nothwendigen Unterhalts die Kosten -es Prozesses zu bestreiten, hat auf Bewilligung des Armenrechts Anspruch, wenn die beabsichtigte Rechts­ verfolgung oder Rechtsvertheidigung nicht muthwillig oder aussichtslos erscheint. Ausländer haben auf das Armenrecht nur insoweit Anspruch, als die Gegen­ seitigkeit verbürgt ist. ft. Gntw. §§ 170, 171.

Entw. 1. § 108.

Entw. II. § 103.

Entw. III. § 103.

VtoU S. 183, 184. Prot. S. 39—41. Förster Anm. 2 b, Petersen Nr. 4 u. A.; A.M. in Betreff der Anfchließung Seuffert Anm. 3 u. Gaupp Nr. II B a). Die Entscheidung ist ein En du rt heil (OLG. Braunschweig in S. A. 44 Nr. 58). Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln folgt den allgemeinen Gnmdsätzen. Beim Nichterscheinen des Klägers ist ein Versäumnißurtheil in der Sache selbst nach § 330 (absolutio ab actione) zulässig. Beantragt aber der Beklagte nur die Folgen der mangelnden Sicherheitsleistung auszusprechen, so ist konttadiktorisches Urtheil hierüber (abs. ab instantia) zu erlassen (Wach in Gruchot 36 S. 15 ff., Seuffert Anm. 3; vgl. auch Böhm a. a. O. S. 99. A.M. RG. 24 S. 433, Wilm. Levy Anm. 2). Statt des in Satz 2 bestimmten Nachtheils unter Fortsetzung des Verfahrens die Zwangsvollstreckung der Sicherheitsauflage zu erwirken (Endemann, Lehrb. S. 488, 490), ist nicht zulässig. Siebenter Titel Literatur: Wetzell §30, Renaud§232, Planck§38, Fitting §132, Schmidt § 166H, Bunsen §37, Linde inZ.f.Civilr.u. Prozeß 1 (£.57ff., Albrecht das. S. 89ff., Goldschmidt, Zur Reform der Armenrechtspflege, Berlin 1899, Schott, Armenrecht d. D. CPO., Jena 1900. 1) In Frankreich erst im Jahre 1851 gesetzlich geregelt, ist das Armenrecht in Deutsch­ land aus dem röm. und kanon. Rechte fortentwickelt (Wetzell S. 328 f., Renaud S. 750 f., Planck I S. 168 ff.). Die CPO. hat es in hergebrachter Weise aufgenommen. Um armen Parteien den Rechtsschutz nicht zu versagen, wird ihnen bedingungsweise (§114) einstweilen (§ 125), unbeschadet der Rechte des Gegners (§ 117), ein Recht auf unentgeltliche Prozeßführung (§115) eingeräumt. Es gilt auch für das Verfahren, welches sich nicht in den Formen der Klage bewegt, z. B. §§ 485 ff., 609 ff., 645 ff., 688 ff., 946 ff., 1025 ff., soweit darin von einer Mitwirkung der Gerichte die Rede ist. Vgl. auch StPO. §§414, 419, FGG. §14, Preuß. Ges. üb. d. freiw. Gerichtsb. Art. 1 u. Preuß. GKG. § 17. 2) Das Verfahren regeln die §§ 118, 119, die Entziehung des Armenrechts § 121, das Erlöschen § 122. Das Rechtsverhältniß des Gegners betreffen die §§ 117, 120, 123, 124. Von der Nachzahlung handelt § 125. Allgemeine Vorschriften über das Verfahren enthalten auch die §§ 126, 127. §114. 1) Abs. 1: „Wer — bestreiten" — Nicht gänzliches Unvermögen wird verlangt. Das Gericht hat zu ermessen, was ohne Beeinttächtigung des nothwendigen Unterhalts entbehrt werden kann (§ 118 Abs. 2). Führt der Vater als gesetzlicher Vertteter den Prozeß, so ist seine Verpflichtung zur Bestteitung von Prozeßkosten aus den Einkünften des verwalteten Ver­ mögens oder aus eigenem Vermögen (vgl. BGB. § 1654) nicht außer Bettacht zu lasten (vgl. Petersen Nr. 2 u. A.). Im Uebrigen ist es aber nicht erheblich, ob unterhaltspflichtige Angehörige vorhanden find (s. Prot. S. 41, OLG. Nürnberg in Busch 6 S. 127, A. Förster Anm. 1 a, Seuffert Anm. 1). Ueber Versagung des Armenrechts bei einer vorgeschobenen Person vgl. OLG. Stuttgart in S. A. 54 Nr. 250 u. unten Anm. 4 a. E.

Siebenter Titel. Armenrecht.

§ 114.

149

2) Die vorstehende Bestimmung des objektiven Erfordernisses der Armuth bezieht sich nur auf physische Personen. (So auch RG. 33 S. 366, Franke in Busch 6 S. 91 ff., Sturm in Gruchot30 S. 829 ff., fast alle Komment. A.M. KG. Berlin in Busch 13 S. 368, Schott S. 52 ff. iL dagegen Bunsen in Busch 28 S. 201). Sie trifft auch nicht den Konkursverwalter (RG. a. a. O.. OLG. Cöln im Rh. A. 88 I S. 70, Colmar in Busch 7 S. 97, Kiel in S. A. 39 Nr. 54) oder Handelsgesellschaften (OLG. Dresden in S. A. 50 Nr. 278; vgl. jedoch RG. in I. W. 1898 S. 386). Dagegen kann einer Leibesfrucht (BGB. § 1912) in der Person ihres Pflegers das Armenrecht ertheilt werden (vgl. RG. in I. W. 1894 S. 82). „Inwieweit ein Recht der juristischen Personen auf Gebührenfreiheit anzuerkennen, wird in der CPO. nicht bestimmt" (Mot.). Die betreffenden landesgefetzlichen Vorschriften sind aufrecht erhalten. Vgl. Vordem. 6 zu § 91. Reichsgesetzlich find befreit das Reich in dem Verfahren vor den Landesgerichten, die Bundesstaaten in dem Verfahren vor dem Reichsgerichte. Für letzteres kann die Befreiung auch durch Kais. Verordnung mit Zustimmung des Bundesrathö gewährt werden. Dgl. GKG. § 98, Verordn, v. 24. Dez. 1883 (RGBl. 1884 S. 1). 3) „wenn — erscheint" — Diese Einschränkung ist auf Antrag des Abg. Struckmann nach Vorgang der meisten neueren Prozeßgesetze und Entwürfe von der RTK. v. 1875 aufgenommen, um Gerichte, Anwälte und wohlhabende Parteien nicht der Willkür Prozeßsüchtiger Armen auszusetzen (s. auch RAO. § 33). Sie führt zu einer sachlichen Vorprüfung der Klage durch das Prozeßgericht (§ 118 Abs. 3), die indessen einer anderen Kammer als der in der Hauptsache entscheidenden übertragen werden kann. Eine Abweichung enthält § 119 Abs. 2. „Völlig" vor „aussichtslos" ist in zweiter Lesung gestrichen, um das frag­ liche Erforderniß nicht allzusehr — bis zur Annahme des Gegentheils von dem, was der Kläger behaupte — zu verschärfen. Es genügt, wenn die Haltlofigkeit des von dem Rach* suchenden eingenommenen Rechtsstandpunktes von vornherein auf der Hand liegt. (S. auch RG. 4 S. 416, OLG. Breslau in S. A. 51 Nr. 136, München in Busch 3 S. 163). Die Aussichtslofigkeit bezieht sich auch auf prozessuale Gründe, z. B. Unzuständigkeit des Gerichts (Fortenbach in Busch 21 S. 500. Abw. Gaupp § 118 Nr. I, der sie nur annimmt, wenn ein anderes Gericht ausschließlich zuständig ist). In Eheprozessen ist dem Beklagten wegen Ausfichtslofigkeit seiner Vertheidigung das Armenrecht nicht zu versagen (OLG. Dresden das. 6 S. 487). Für eine bereits erledigte Instanz findet wegen des vorbezeichneten Erfordernisses die Bewilligung nicht mehr statt (RG. 2 S. 378 u. in I. W. 1888 S. 285, 1892 S. 369, 1895 S. 323, 1898 S. 569). 4) Abs. 2: Ob die Verbürgung der Gegenseitigkeit in internationalen Verträgen oder in ausländischen Gesetzen enthalten ist, fällt nicht in's Gewicht, wie der Vertreter der Regierungen in der RTK. v. 1875 bemerkte. Letzteres ist z. B. in Italien der Fall (f. Bek. des Reichskanzlers v. 1. Oft. 1879 — RGBl. S. 312). Verträge jener Art s. in $ 110 Anm. 3, insbesondere das dort erwähnte intern. Abkommen v. 14. Nov. 1896 (RGBl. 1899 Anm. 3. Ob der Gegner des Armen zu hören, hängt von der Vage der Sache ab; in der Regel wird kein Grund dazu vorliegen. Er hat daher auch kein Beschwerderecht (vgl. § 127). „kann — entschieden werden" — vgl. § 128 Anin. 4b. Wegen der Ladung f. § 133 Anm. 4. Ueber Verkündung und Zustellung des Beschlusses j. § 329. Das Verfahren ist gebührenfrei (GKG. § 47 9lr. 2). Vgl. jedoch GO. f. RA. tztz 23 Nr. 1, 29 Nr. 6.

8 127. 1) „Beschluß" — vgl. § 329 Amn. 1. Diese Eigenschaft behält die Entscheidung auch dann, wenn sie unrichtiger Weise mit dem Urtheil in der Sache selbst verbunden wird; die „arme" Partei würde sonst unter Uinständen jedes Rechtsmittels beraubt werden (vgl. auch Wilin. Vevy Anm. 1, Seuffert Anm. A.M. ob.LG. f. Bayern in S. A. 39 Nr. 260). „fein Rechtsmittel" — Denn der Gegner hat nach §§ 117, 124 kein Interesse an der Versagung des Armenrechts (Mot.). Auch gegen den die Entziehung des Armenrechts oder den die Verurtheilung zur Nachzahlung der gestundeten Beträge verweigernden Beschluß findet ein Rechtsmittel nicht statt (RG. 20 S. 417, OLG. Eüln im Rh. A. 84 I S. 237); die Fälle stehen dem der Bewilligung des Armenrechts gleich. Wegen der Beschwerde des bei­ geordneten Rechtsanwalts s. § 113 Anm. 4 u. RG. in I. W. 1900 S. 129 Nr. 2. 2) Daß dem Armen, und zwar, abgesehen von GKG. § 4, nur diesem trotz § 120 (vgl. RG. in Gruchot 28 S. 1133, 33 S. 1186, Petersen Nr. 3, Seuffert Anm. ii. A. A.M. Endemann I S. 433), in den übrigen Fällen die Beschwerde gestattet ist, entspricht der sach­ lichen Bedeuttmg dieser Beschlüsse. Wegen des Stteitwerths der Beschwerde vgl. RG. in Sächs. A. 9 S. 398.

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung. § 128.

159

Dritter Abschnitt.

Verfahren. Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 128. (119.) Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gerichte ist eine münoliche. «. Eutw. § 303. Eutw. I. § 113. G, 11—22, 138. Vrot. G. 42.

Eutw. II. § 115.

Eutw. III. § 115.

Mot.

^Dritter Abschnitt. 1) Der unter den „allgemeinen Bestimmungen" (Buch 1) stehende dritte Abschnitt giebt die allgemeinen, auf alle Theile und Arten des Verfahrens einschließlich des Zwangsvollstreckungsverfahrens anwendbaren Grundsätze über das Prozeßverfahren, während Buch 2 bis 10 die besonderen Vorschriften über das Verfahren in den einzelnen Instanzen vor den verschiedenen Gerichten und bei den einzelnen Prozeßakten enthalten. 2) Ein von diesen allgemeinen, sowie von den besonderen Vorschriften der folgenden Bücher abweichender, auf Vereinbarung der Parteien beruhender sog. Konventionalprozeß ist nicht statthaft (vgl. L. 38 D. de pactis (2, 14) „jus publicum privatorum pactis mutari non polest“; s. auch L. 45 § 1 D. de reg. jur. (50, 17), L. 7 § 16 de pactis (2, 14), L. 13 C. de testam. (6, 23)]; hinsichtlich des schiedsrichterlichen Verfahrens s. jedoch § 1034 Abs. 2. (Vgl. z. B. 9t®. in Blum, Urth. u. Ann. 1 S. 117.) Aber auch im Bereiche des Civllprozeffes giebt es zahlreiche Rechtsregeln, welche der Verfügung der Betheiligten erntn weiten Spiel­ raum lassen („dispositives Civilprozeßrecht"; vgl. Bülow im c. A. 64 S. 1 ff., des. S. 69ff., 93 ff., s. auch Hellmann, Lehrb. S. 5 ff., Planck I S. 18, Köhler in Gruchot 31 S. 276 ff., bes. 297 ff., 481 ff., Hänel. Deutsch. Staatsrecht I §27, 9t@. in S. A.40 Nr. 233). Bei der Anwendung der CPO. ist stets zu prüfen, ob es fich um eine solche oder um eine zwingende Vorschrift handelt. Auf Vorschriften «der ersteren Art beziehen fich die allgemeinen Bestimmungen in §§ 274 Abs. 3, 295 Abs. 1. Ausdrücklich lassen eine Vereinbarung zu die §§ 38—40, 224 Abs. 1, 227 Abs. 1, 251 Abs. 1, 264, 269, 271 Abs. 1, 404 Abs. 4, 450. Ueber „Beweisverträge" s. §§ 286 Anm. 5, 287 Aum. 8 u. Bülowa. a. O. S. 62 ff. In Betreff der sog. Verhandlungsmaxime s. § 139 Anm. 2 u. Bülowa. a. O. S. 23 Anm. 16; Hinsichtlich des „Offizialverfahrens" vgl. Birkmeyer in Busch 7 S. 155 ff., 375 ff. Die zahl­ reichen Vorschriften, welche dem Richter an Stelle des „Formzwanges" ein gewiffeS Ermessen gestatten, z. B. bei der Terminsbestimmung, der Verbindung und Trennung ver­ schiedener Ansprüche, führt Cosack (in Jurist. Abh., Festgabe f. G. Deseler, Berlin 1885 S. 95ff.) auf eine „Elastizitäts-.Marime" zurück. Erster Titel. Der die allgemeinen Grundsätze über die „mündlid)e Verhandlung" umfassende erste Titel stellt in § 128 den Grundsatz der Mündlick)keit auf, handelt in den §§ 129—135 von der Vorbereitung für die mündlid)e Verhandlung, giebt in den §§ 136—158 die grundlegenden Bestimmungen über die mündliche Verhandlung selbst und schließt in den §§ 159—165 mit den Vorschriften über die Protokollirung der Verhandlungen. § 128. 1) Der § 128 enthält einen Kernpunkt der CPO., indem er den Grundsatz der Mündlich'keit der Verhandlung ausspricht, welche gleichzeitig deren Unmittelbarkeit bedingt. (Insofern fehlt es an einem praktischen Unterschiede beider. A.M. v. Canstein, Grundlagen

160

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 128.

S. 76, 94 ff., woselbst umfassende Literaturangaben, Goldenring in Busch 14 S. 59.) Dieser Grundsatz bildet, wenn auch nicht das letzte Ziel, doch das wichtigste Mittel der großen Reform­ bewegung, welche in der CPO. ihren Abschluß findet. sVgl. Einl. II ff.; Leonhardt im Mag. für Hann. Recht N. F. 1 S. 25 ff.; ders.: Zur Reform des Civilproz. 1 S. 56 ff.; Verh. d. 9. D. Juristentags 2 S. 4 ff., 148 ff., 221 ff., 3 S. 247 ff.; s. auch H. Meyer in Gruchot 28 S. 707ff., Wach, Dortr. S. 1 ff., Hellmann, Lehrb. S. 199 ff., Planck I § 40, 72, Fitting § 28. Gegen die Mündlichkeit wendet fich Sonnenschmidt in Busch 2 S. 208 ff., gegen ihn Vierhaus das. S. 375 ff., gegen Beide v. tiräto el das. 3 S. 452 ff., 4 S. 246 ff. u. in I. f. Dogm. 24 S. 441 ff., 25 S. 355 ff. Großentheils ungerechtfertigte Angriffe auf den Grundsatz der Münd­ lichkeit im Gegensatze zum schriftlichen Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung enthält die zuerst in d. I. f. Dogm. 23 S. 339 ff. erschienene Schrift von O. Bähr: D. deutsche Civilprozeß in prost Bethätigung. Jena 1885, u. ders.: Noch ein Wort z. deutsch. CPO. Jena 1886, sowie ders.: Die Prozeßenquete des Prof. Wach 1888. Gegen ihn vgl. Francke in Busch 9 S. 508 ff., Wach: Die RCPO. u. d. Praxis. Festprogramm. Leipzig 1886 u. in Busch 12 S. 172* Henrici in d. I. f. Dogm. 24 S. 3 Anm. 1, Lippmann im c. A. 70 S. 82 ff., Jäckel in Gruchot 30 S. 649 ff.; Goldenring in Busch 14 S. 52 ff. Dgl. auch Wach: Die civilproz. Enquete, Erg..Heft zu Busch 11 S. 68 ff., Koffka in Gruchot 31 S. 145 ff. u. in D. Jurist. Z. 1897 S. 53, Meyer in Gruchot 31 S. 834 ff., Fischer im c. A. 70 S. 358 f., Peterfen: Ueber mündl. u. schrift Verf. im CP. Leipzig 1882, Hofmann in Gruchot 38 S. 816 ff.] Der Grundsatz des § 128 ist in der CPO. nicht bloß im Gegensatze zum preußischen Prozesie, sondern auch in er­ heblicher Abweichung von dem System des rheinisch-franzöfischen Prozeffes mit großer Folgerichttgkeit durchgeführt. „Die schriftlichen Parteianttäge, welche der mündlichen Verhandlung vorausgehen und nach dem Gesetze den Charakter mottvirter Konklusionen an fich ttagen, verfolgen den Zweck, die bevorstehende mündliche Verhandlung vorzubereiten, einen geordneten Verlauf derselben und deren vollständige Durchführung zu befördern; dagegen wirken sie sachlich in einer den Inhalt der mündlichen Verhandlung bestimmenden Weise nicht ein. Die Parteien treten vor ein unbefangenes Gericht; dieses erfährt nicht durch ein Referat, wie der Rechtsstteit in bestimmten und feststehenden Grenzen sich entwickelt hat, fleht vielmehr vor Augen, wie der Rechtsstteit fich entwickelt und seine Grenzen erhält. — Aus dem Verhältnisse der Schriftsätze, welche der mündlichen Ver­ handlung vorausgehen, zu dieser selbst, folgt, wenigstens als Regel, zweierlei: zuerst, daß das Gericht alles zu berücksichtigen hat, was ihm mündlich vorgetragen wird, wenngleich es in den vorbereitenden Schriftsätzen nicht angeführt worden ist; zweitens aber umgekehrt, daß das Gericht ein thatsächliches Vorbringen, welches in den vorbereitenden Schriftsätzen enthalten ist, den Gegenstand der mündlichen Verhandlung aber nicht gebildet hat, nicht berücksichtigen darf. In dieser zweiten Folge liegt für eine jede Partei ein sehr entschiedener sachlicher Zwang, den Rechtsstreit, und zwar vollständig, mündlich zu verhandeln." (Mot. S. 15f.) Von der zweiten dieser in den Mot. hervorgehobenen Folgen hat das Gesetz eine Aus­ nahme nicht gestattet, weder in der Art des rheinischen Verfahrens, wonach dasjenige, was in den bei Gericht hinterlegten motivirten Konklusionen enthalten ist (s. RG. 36 S. 195), auch dann als vorgebracht gilt, wenn es in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt ist, noch in der Att, daß ein vom Gericht einseitig und ohne die Möglichkeit eines von den Patteien zu beanttagenden Berichtigungsverfahrens festgestelltes Sachverhältniß die Grundlage einer späteren gerichtlichen Entscheidung bilden kann (vgl. § 320). Dagegen ist von der ersten jener Folgen eine Ausnahme insofern zugelassen, als eine Abänderung der Antrüge (petita), möge diese in einer Stellung neuer oder in einer Veränderung der bereits gestellten Anträge bestehen, in der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigt werden soll, wenn sie nicht nachttäglich zum Sitzungsprotokolle festgestellt wird [§ 297; vgl. auch §§ 37 Anm. 1, 139 Anm. 1—3 (richterliches Fragerecht), 420 Anm. 2]. aus.

2) Der Grundsatz der Mündlichkeit schließt aber keineswegs den Gebrauch der Schrift Erhebliche schriftliche Bestandtheile enthält der Prozeß vielmehr in dem über die münd-

Erster Titel.

Mündliche VechanLlung. § 128.

161

liche Verhandlung aufzunehmenden Protokolle (§§ 159 ff.) und in dem Thatbestände (§§ 313 ff). Außerdem kann bezw. soll der mündlichen Verhandlung ein Schriftwechsel unter den Parteien vorausgehen. Dieser hat jedoch nur die Bedeutung, die mündliche Verhandlung vorzubereiten (vgl. d. Mot. in Amn. 1). Nur eine scheinbare Ausnahme von dem Grundsätze der Mündlichkeit ist eS, wenn einzelne Schriftsätze neben ihrer allgemeinen Bedeutung für eine bestimmte mündliche Verhandlung noch eine besondere wesentliche Bedeutung für die durch ihre Zustellung erfolgende Einleitung oder Erneuerung einer Instanz haben, z. B. Klageschriften, Einspruchs, schriften, Berusungsschristen, Revisionsschriften (§§ 253, 263, 340, 518, 553 u. s. w.), ferner auch die eine Nebenintervention oder Streitverkündung enthaltenden Schriften (§§ 70, 72), Berichtigungs. und Ergänzungsanträge (§§ 320, 321) u. s. w. Diese Schriftsätze (Planck I S. 424 ff. nennt sie „Erklärungsschriftsätze") haben eine doppelte Natur; sie sind theils bestimmend, theils vorbereitend. Diese Doppelnatur hat das Gesetz in der Art hervortreten lassen, daß hinsichtlich der wesentlichen Bestandtheile des Schriftsatzes das zwingende „muß", hinsichtlich der unwesentlichen Bestandtheile aber das anweisende „soll" gebraucht wird (vgl. Mot. S. 22). [ßinc bedenkliche Begriffsbestimmung und Eintheilung der Schriftsätze s. bei P. Alexander-Katz: Schriftsätze und Anwaltszwang, 1883 S. 5 ff. Wach I S. 297 ff. (vgl. auch Heilbut im c. A. 69 S. 331 ff., Fitting in Busch 11 S. 25 ff.) sucht auszuführen, daß der obige Sprachgebrauch weder einheitlich fei, noch das „sollen" stets den „instrukttonellen" Sinn habe.) Vgl. § 129 Amn. 1. 3) Eine als selbstverständlich nicht ausdrücklich hervorgehobene Folge deS Grundsatzes der Mündlichkeit ist die, daß die mündliche Verhandlung die ausschließliche Grundlage für die richterliche Entscheidung bildet (N. E. § 303; wegen Verletzung dieses Grundsatzes s. RG. 4 S. 379, in S. A. 41 Nr. 229; vgl. §§ 286 Anm. 1, 137 Sinnt. 2, 420 Amn. 2, 551 Sinnt. 7 a. E.), sowie ferner, daß, wenn im Laufe einer mündlichen Verhandlung ein Wechsel im Richterpersonal eintritt oder wenn ein Richter erklärt, daß ein für die Beurthellung des Rechtsstreits wesentticher Theil der Verhandlung seiner Erinnerung entschwunden sei, die münd­ liche Verhandlung von neuem beginnen muß (s. § 309 u. Mot. S. 21), also eine „Fortsetzung der Verhandlung" (§§ 95, 136 Abs. 3, 228, 332, 370 Abs. 2) nicht stattfinden kann (vgl. § 95 Sinnt. 2, H. Meyer in Gruchot 28 S. 709 ff.). Von jenem Grundsätze getten auch keine Ausnahmen in den Füllen mündlicher Verhandlung nach einer Beweisaufnahme vor dem braus, kragten oder ersuchten Richter (vgl. § 285 Anm. 1) und in der Berufungsinstanz (vgl. §§ 525 Anm. 2, 526 Anm. 1), wohl aber nach dem vorbereitenden Verfahren (vgl. § 353 Anm. 1). Dgl. auch § 285 Amn. 4. 4) Der Grundsatz der Mündlichkeit, so scharf er seiner inneren Bedeutung nach im Gesetz auch durchgeführt wird, beherrscht dem äußeren Umfange nach nicht das ganze Prozeß­ verfahren. (Vgl. Birkmeyer, Grundriß § 27.) In dieser Beziehung zieht, wie auch die Mot. heworheben, der § 128 zwei Schranken: a) Der Grundsatz findet nur Anwendung auf die Prozeßparteien. Ausgeschloffen find damit Zwischenstreitigkeiten (Jnzidentstteitpuntte), die im Laufe des ProzefleS zwischen einer Partei oder auch beiden Parteien einerseits und einer dritten Person, -. B. dem Nebenintervenienten, einem Zeugen oder dem Rechtsanwälte der Gegenpartei, anderersettS entstehen. Soll der Grundsatz der Mündlichkeit ausnahmsweise auch für derarttge Zwischenstteittgkeiten gelten, so ist besonders hervorgehoben, daß sie nur nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden seien (vgl. z. B. §§ 71, 135 Abs. 2). Auf Zwischenstreitigkeiten zwischen den Parteien selbst (vgl. § 303 Sinnt. Id) findet dagegen der Grundsatz regelmäßig Anwendung (vgl. z. B. §§ 239 Abs. 4, 320, 321, 714, 716, 722 u. s. w. Ausnahmen: §§ 921, 926 Abs. 1, 937). [Vgl. Schollmeyer, Zwifchenstreit S. 90 Anm. 2, Seuffert Sinnt. 5, Fault, Ueber d. Begriff u. d. prakt. Bedeutung des Zwffchenstretts. Schwerin 1893 S. 22 ff.] Struckma»» e. Koch, Elvilprozeßoidmrng. 8. EnjL I.

16*2

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 138,

Ebenso ist die Beweisaufnahme als solche, insbesondere die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, ein Att, welcher sich zwischen dem Richter und einer anderen Person vollzieht, keine Parteienverhandlung, wenngleich sie von einer solchen begleitet sein kann, und unterliegt daher nicht mit Nothwendigkeit dem Grundsätze der Mündlichkeit (vgl. §§ 355, 567 Abs. 1, 381, 411; s. auch Bolgiano S. 72 s.). Dgl. § 355 Amn. 1. b) Der Grundsatz gilt nur für die Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte, d. h. für die eigenlliche Verhandlung vor dem zur Urtheilsfüllung berufenen Gerichte (vgl. auch GVG. § 137 Abs. 3, 5). Ausgeschlossen sind damit alle Prozeßakte, welche zwar zwischen den Parteien, aber nicht vor dem Gerichte, sondern vor dem Gerichtsschreiber oder dem Zustellungsbeamten vor sich gehen, desgleichen alle diejenigen, in welchen zwar das Gericht thätig wird, aber mehr administrativ als prozessualisch, wie solches namentlich in der Zwangs­ vollstreckungsinstanz häufig vorkommt (vgl. §§ 764, 872 ff., 891), ferner alle Handlungen vor einem beauftragten oder ersuchten Richter, vor dem Vorsitzenden (§§ 216, 226, 730, 733), endlich diejenigen, in welchen eine richterliche Entscheidung auf einseitigen Antrag einer Partei zu treffen ist oder doch getroffen werden kann, z. B. bei der Bestimmung des zuständigen Richters (§ 37), bei der Ablehnung eines Richters (§§ 44 ff.), bei Bewilligung des Armenrechts (§ 126), bei Zustellungen (§ 177 Abs. 2), bei Abkürzung oder Verlängerung von Fristen, Aus­ setzung des Verfahrens, Sicherung des Beweises, Beschwerden, Arresten und einstweiligen Ver­ fügungen (vgl. §§ 225, 248, 490, 573 (vgl. RG. in I. W. 1889 S. 169 Nr. 10), 921, 937, 947]. sNoch weiter geht RG-16 S. 411 n. in I. W. 1886 S. 444, 1887 S. 270; dagegen mit Recht Planck I S. 469 i. A., Gaupp Nr. II N. 10, sowie theilweise RG. in D. RAnz. 1894 bes. Beil. 5 S. 388; vgl. §§ 148 Anm. 6, 355 Anm. 1, 479 Anm. 2.] In Fällen der letzteren Art kann übrigens eine mündliche Verhandlung (freigestellte oder sog. fakultative mündliche Verhandlung — vgl. Hoffmann in Gruchot 24 S. 730 ff., Fischer das. 25 S. 643 ff., Hellmann, Lehrb. S. 659 ff.) stattfinden; es ist nicht ausgeschlossen, „daß das Gericht nach Lage des einzelnen Falls entweder der Gegenpartei Gelegenheit giebt, sich zu Protokoll oder mittels eines Schriftsatzes zu erklären, oder erst entscheidet, nachdem eine mündliche Verhandlung ausnahmsweise angeordnet ist." (Mot.) Der Hunstausdruck dafür in der EPO. ist: „Die Entscheidung (über das Gesuch, den Antrag u. s. w.) kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen." [9iid)t zu verwechseln mit „ohne vorgängiges Gehör des Gegners" (vgl. z. B. §§ 102, 225 Anm. 1, 226, 891), das auch schriftlich erfolgen kann — Grundsatz des wechselseitigen Gehörs oder der Zweiseitigkeit (Bolgiano S. 37, Fitting S. 94 ff., Hellmann, Lehrb. S. 287, Planck I S. 245 ff.). Dgl. auch § 573 Anm. 1.] Jener Ausdruck ist bezeichnender als der im W. E. gebrauchte: „Entscheidung in berathender Sitzung." Ordnet in derartigen Fällen das Gericht eine mündliche Verhandlung an, so hat es nach § 329 Abs. 3 von Amtswegen den Parteien den Beschluß bekannt zu machen. In Betreff der Terminsbestimmung und Ladung ist eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen nicht vorgeschrieben. Es gilt also auch hier der Parteibetrieb (). §§ 133 Anm. 4, 214 Anm. 2 c). Ladet die Partei ohne vorgängigen Beschluß des Gerichts nach § 214 zu einer mündlichen Verhandlung (vgl. § 214 Anm. 2), so muß zwar der Vorsitzende einen Termin an­ beraumen (vgl. § 216 Anm. 3, Fortenbach in Busch 8 S. 153 ff. A.M. Seuffert Anm. 6e, Eccius in Gruchot 29 3.18f.); das Gericht kann trotzdem beschließen, daß der betteffende Punkt ohne mündliche Verhandlung entschieden werden solle, und den Antragsteller in die durch Ladung verursachten Mehrkosten verurtheilen (Fortenbach a. a. O. S. 158 ff.). Im Uebrigen finden auf die freigestellte mündliche Verhandlung, die doch im Gesetze, wie sich aus dem Gegensatze „kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen" ergiebt, als münd­ liche Verhandlung angesehen wird, dieselben Grundsätze Anwendung wie auf die nothwendige (s. auch Fischer a. a. O. S. 651 ff., A. Förster Anm. 3d. A.M. theilweise Wilm. Levy vor

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 128.

163

119 S. 214, Seuffert Anm. 6, Wach, Vortr. S. 132 f., Hoffmann a. a. O. S. 730 ff. il Hellmann, Lehrb. S. 662 ff., welche jener nur die Bedeutung eines vom Gerichte für zweckmäßig erachteten Aufklärungsmittels beilegen und daher auch die Berücksichtigung des nicht mündlich vorgebrachten Aktenstoffs gestatten); insbesondere die Vorschriften der §§ 129—165 u. des GDG. §§ 177 ff. (so auch Seuffert a. a. O.) und die Bestimmung über die Ladungsfrist (§ 217), da eine Ausnahme im Gesetze nirgends gemacht ist und, wenn einmal die mündliche Verhandlung ausnahmsweise für nothwendig erachtet wird, auch dem Gegner die nöthige Zeit zur Vorbereitung gelassen werden muß (A.M. in letzterer Hinsicht Hoffmann a. a. O. S. 711 u. Wilm. Levy a. a. O.; s. dagegen Fischer a. a. O. S. 683 Anm. 48). Auch § 251 Abs. 2 findet Anwendung. Ebenso bringt es der Begriff der mündlichen Verhandlung mit sich, daß für diese im landgerichtlichen Verfahren auch der Anwaltszwang besteht und zwar auch dann, wenn er für das vorhergehende Gesuch nicht besteht, und daß mithin eine Partei selbst in dem anberaumten Sennine nicht gehört werden darf, keinesfalls aber solches «Gehör beanspruchen kann. (Dgl. Gaupp § 119 Nr. V L 2, Hellmann a. a. O. S. 663; oben § 104 Anm. 2; abw. Seuffert S. 168, Hoffmann a. a. O. S. 741 ff.) Dagegen ist es allerdings zulässig, daß das Gericht von bem (prozeßleitenden) Beschlusse, durch welchen die mündliche Verhandlung anberaumt ist, nachträglich wieder abgeht (vgl. § 318 Anm. 1) und die Entscheidung ohne vorgängige mündliche Verhandlung, jedoch nach Anhörung der einen oder anderen Partei in Person trifft (s. auch Hoffmann a. a. O. S. 744). Ein eigentliches Beweisverfahren, insbesondere das Beweismittel des Eides, ist nicht allgemein, sondern nur je nach der Beschaffenheit der einzelnen Anwendungsfälle ausgeschloffen. (A.M. Hellmann a. a. O. S. 664.) Wegen der Fonn der Entscheidungen s. § 329 Anm. 1; über die Möglichkeit eines Versäumnißurtheils s. § 347 Anm. 4.

§

Ein vollständiges Verzeichniß der Fälle s. bei Seuffert Anm. 6, Hoffmann a. a. O. S. 370 ff. u. Ä.; vgl. auch v. Bülow in Gruchot 22 S. 128 ff. 5) Dagegen wird das Dersäumnißverfahren (§§ 330 jf.) vom Grundsätze der Münd­ lichkeit beherrscht; denn, wenngleich die Verhandlung darin nur eine einseittge ist, so sollte doch nach der Absicht des Gesetzes eine zweiseitige Verhandlung stattfinden; die Einseittgkeit ist bloß durch den Willen der ausgebliebenen Partei hervorgerufen worden. Die Mot. (S. 20f.) soffen das Ergebniß treffend dahinlzusammen: „Demgemäß bleibt als durch den Grundsatz der Mündlichkeit beherrscht nur dasjenige Parteiverfahren übrig, welches als ein gleichzeitiges sich darstellt, mag das­ selbe nun wirklich gleichzeittg sein oder nach der Jntentton des Gesetzgebers gleichzeittg sein sollen (Dersäumnißverfahren). Diesen Gedanken kann man auch so ausdrücken: dasjenige Verfahren, welches als eigentliche Verhandlung zwischen den streitenden Parteien sich karakteristrt, beruht auf dem Grundsätze der Mündlichkeit. Spricht der Gesetzgeber diesen Gedanken in dem Gesetze als einen allgemeinen aus, so werden die einzelnen Anordnungen im Sinne desselben auszulegen sein. Hiewon wird auch der Gesetzgeber ausgehen müssen, wenngleich es sich empfehlen wird, in Fällen, wo es zweifelhaft sein kann, ob ein Verfahren als ein gleichzeitiges vom Gesetzgeber gedacht sei, ausdrücklich auszusprechen, daß die Entscheidung nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu erlassen sei." Vgl. auch RG. im D. RAnz. 1883 bes. Beil. 3 S. 6. 6) Dem in H. E. § 132 und N. E. tz 304 ausgesprochenen Satze, daß alle Prozeß. Handlungen, die eine Partei während der mündlichen Verhandlung bis zu deren Schluffe vornimmt, als ein Ganzes anzusehen sind, hat die CPO. keinen besonderen Ausdruck gegeben. Die Mot. (S. 25) äußern sich, nachdem sie entwickelt haben, daß, während der schriftliche Prozeß sich in fest bestimmten Stadien (Klage, Vernehmlassung, Replik u. s. w.) bewege, eine mündliche Verhandlung — abgesehen von dem richterlichen Trennungsrechte — nicht in Stadien zerlegt, noch für diese eine feste Reihenfolge festgesetzt werden könne, hierüber folgendermaßen: 11*

164

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 129.

§ 129. (120.) Zn Anwaltsprozeffen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet; die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat Rechtsnachtheile in der Sache selbst nicht zur Folge. In anderen Prozessen können vorbereitende Schriftsätze gewechselt werden. R. Entw. §§ 188, 664. E»1w. I. § 113. Mot. G. 138, 139. Prot. L. 43.

Entw. II. § 116.

Eutw. III. § 116.

„Es liegt jedoch ein SebümttB nicht vor, einen solchen dottrinären Satz dein Gesetze einzuverleiben, weil die Konstruktion des Verfahrens ihn ergeben muß. Auch kommt hinzu, daß der Satz in seiner Allgemeinheit insofern Mißverständnissen aus­ gesetzt ist, als er dahin verstanden werden kann und verstanden worden ist, daß auch Dispositionsakte, gerichtliche Geständnisse, sowie die Annahme und Zurückschiebung zugeschobener Eide im weiteren Verlaufe einer bestimmten Verhandlung zurückgezogen werden könnten. — Diejenige mündliche Verhandlung, welche der Urtheilsfällung unmittelbar voraufgeht, stellt sich demgemäß prinzipiell als die entscheidende dar." S. das Nähere in § 285 Anm. 1. Hieraus ergiebt sich folgerichtig die Abschaffung der Eventualmaxime (§§ 278—285 Anm. 2), der Grundsatz der Beweis verbin düng (das. Anm.3) und die weittragende Wirkung des Versäumnißurtheils (§ 332 Anm. 1—3). Andererseits fehlt es nicht an Mitteln, der in Folge dessen wegen Häufung des Prozeßstoffs drohenden Verwirrung entgegenzuwirken (vgl. §§ 129 Anm. 2, 145, 146 Anm. 1, 278 Anm. 4, 279 Anm. 1, 283 Anm. 4, 301, 302, 374, 402, 433). §129.

1) Die §§ 129—135 enthalten allgemeine Bestimmungen über die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, insbesondere durch vorbereitende Schriftsätze. (Vgl. Wach in Krit. V. 14 S. 584 ff. u. Dortt. S. 15 ff., Planck I S. 186, 421 ff., II S. 127 ff., Birkmeyer: Grundriß S. 153 ff., P. Alexander-Katz. Schriftsätze und Amtszwang.) — Ueber das Verhältniß der vorbereitenden Schriftsätze zu der mündlichen Verhandlung vgl. § 128 Anm. 1, 2, § 139 Anm. 2. Ob die Erklärung der Aufrechnung im vorbereitenden Schriftsätze nur als Ankündigung oder als Vollzug der Aufrechnung anzusehen ist, ist streitig (vgl. Weismann in Busch 26 S. 19 f., Wach das. 28 S. 15); in der Regel wird sie nach der Natur der Schriftsätze nur als Ankündigung anzusehen sein. Vgl. § 81 Anm. 2. 2) In Anwaltsprozessen (§78) ist die Vorbereitung durch Schriftsätze, und zwar insoweit, als überhaupt eine mündliche Verhandlung stattfindet (vgl. § 128 Anm. 4), nothwendig. Die Nichtmittheilung eines Schriftsatzes hat jedoch niemals sachliche Nachtheile zur Folge, also namentlich nicht den Eintritt des Versäumnißverfahrens; vielmehr kann nur, insbesondere, wenn der Gegner in Folge der Nichtmittheilung außer Stande ist, sich aus das bei der mündlichen Verhandlung Vorgebrachte zu erklären, iiad; § 95 eine Verurtheilung des Säumigen in die Kosten der nothwendig werdenden Vertagung eintreten und nach GKG. § 48 die be­ sondere Erhebung einer Gebühr (von 3/io bis zum vollen Betrage des § 8) für die verursachte weitere Verhandlung beschlosien werden (eine Art Prozeßstrafe — vgl. Wach, Vortr. S. 18; RG. 22 S. 429, OLG. Stuttgart in Busch 8 S. 512 ff.). Vgl. §§ 95 Anm. 1 u. 2, 335 Nr. 3.

3) In anderen, d. h. amtsgerichtlichen Prozessen ist der Wechsel vorbereitender Schriftsätze ganz von dem Belieben der Parteien abhängig. Die Nichtmittheilung kann mithin auch dann einer Partei nicht als Verschulden angerechnet werden, wenn in Folge dessen der Gegner nicht im Stande ist, auf ihr mündliches Vorbringen eine Erklärung abzugeben und deshalb eine Vertagung erfolgen muß. (Wilm. Levy Anm.3, Petersen Nr. 3, A. Förster Anm.3. A.M. Endemann I S. 453 f.) Andererseits können aber auch, da das Gesetz die Zustellung vorbereitender Schriftsätze im amtsgerichtlichen Verfahren nicht für rmstatthaft erklärt, die durch diese Schriftsätze verursachten Kosten nicht unbedingt für überflüssige, vom Gegner im Falle des Unterliegens niemals zu ersetzende angesehen werden; vielmehr wird das Gericht in Gemäßheit der allgemeinen in § 91 gegebenen Vorschrift nach freiem Ermessen zu beurtheilen haben, ob

Erster Titel. Mündliche Berhandlung. § 130.

165

§ 130. (121.) Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer geschlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Partetnellung; die Bezeichnung deGerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen be­ absichtigt; 3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden thatsächlichen Verhältniffc; 4. die Erklämng über die thatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, welcher sich die Partei zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. in Anwaltsprozefsen die Unterschrift des Anwalts, in anderen Prozeffen die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen, welcher für dieselbe als Bevollmächtigter oder als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt. ». e»tw. 5§ 184, 186, 18». Gut». I. * 114. E»tw. II. § 117. fl»»!. «. 19, 88, 189, 130. Prot. «. 48, 43.

@at». III. § 117.

sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ober Rechtsvertheidigung nothwendig waren. Dies bezieht sich auch auf Schreibgebühren des Rechtsanwalts (GO. f. RA. § 46), da der Abs. 2 des § 91 nur von Gebühren für Schriftsätze zu verstehen ist, welche nach Ws. 1 überhaupt für nothwendig zu erachten sind. (So auch Seuffert Anm. 2 u. 3, Gaupp Nr. III, Petersen Nr. 3, A. Förster a. a. O., H. Meyer: Wie liquidirt man die Prozeßkosten gegen den Gegner? S. 16. A M. .pellmann I S. 401 Anm. 3, Wilm. Levy a. a. O. u. § 87 Anm. 5.)

8130. 1) Der Ausdruck „sollen" zeigt an (vgl. § 138 Anm. 2), daß die hier gegebenen Borschriften nicht zwingend sind; sie sollen bewirken, daß die Parteien gehörig vorbereitet in die mündliche Verhandlung eintreten, und sollen dadurch einen raschen und geordneten Verlauf der letzteren sichern, zugleich auch in Verbindung mit der Vorschrift, daß eine Wschrift auf der Gerichtsschreiberei des Prozeßgerichts vor dem Verhandlungstermine niederzulegen ist (§ 133), eine sachgemäße Leitung des Verfahrens ermöglichen (vgl. § 139 Anm. 2). 2) Diesem Zwecke entsprechend sollen die Schriftsätze nach Form wie Inhalt auf das Wesentliche sich beschränken. „Die Bedeutung derselben, wie sie von dem Gesetzgeber gedacht ist, würde völlig verkannt, wenn in dieselben Alles, waS in chatfächlicher Beziehung vorgebracht werden kann, ohne Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesenllichen Thatsachen auf. genommen und der Sachverhalt nicht in gedrängter Kürze------- dargestellt, oder wenn dieselben mit Rechtsausführungen belastet würden" (Mot. S. 139). Eine kurze Andeutung der maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte widerspricht hiernach nicht dem Geiste des Gesetzes und kann unter Umständen zweckmäßig, in den höheren Jirstanzen selbst nothwendig sein. (Dgl. Petersen Nr. 6, Sarwey I S. 211 u. A. A.M. Siebenhaar S. 173). 3) Nr. 1: Außer der Firma sind danach bei Aktiengesellschaften, Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften auch der Vorstand zu bezeichnen. Dagegen genügt bei offenen Handelsgesellschaften, bei Kommanditgesellschaften — auch bei Kommanditgesellschaften auf Aktien (HGB. § 320 Abs. 2) — die Angabe der Firma, da die vertretungsberechtigten Gesellschafter nicht als gesetzliche Vertreter anzusehen sind (vgl. OLG. Cöln im Rh. A. 83 I S. 209, u. in Rechtspr. 1 S. 149, Gaupp §50 Nr. III; s. auch oben §§ 57 Anm. 2, 62 Anm. 2 Abs. 6). Ebenso bedarf es beim Einzelkaufmanne nur der Angabe der Firma (HGB. § 17 Abs. 2; s. jedoch Petersen Nr. 4). Vgl. §§ 253 Anm. 3, 690 Anm. 2. Sind die gesetzlichen Vertreter Behörden (z. B. Magistrat), so bedarf es der Benennung der einzelnen Beamten nicht.

166

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren. § 131.

§ 131. (122.) Dem vorbereitenden Schriftsätze find die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf welche in dem Schriftsätze Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Bei­ fügung eines Auszugs, welcher den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Um­ fange, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Erbieten, Einficht zu gewähren. Ä. «nt«. § 191. Ent«. I. § 116. L. 130. Prot. L. 43.

«et». II. § 118.

Ent«. III. § 118. Mot.

Nr. 2: vgl. § 137 Anm. 1. Beispiele s. in §§ 253 Nr. 2, 268 Nr. 2. Nr. 3: Die Bestimmung ist innerlich verwandt mit bem Erfordernisse der Angabe „des Grundes des erhobenen Anspruchs" für die Klageschrift in § 253 Nr. 2 (s. das. Anm. 4). Daß letzteres wegen des bestimmenden Inhalts der Klageschrift zwingend („muß") vor­ geschrieben ist, beweist keinen wesentlichen Unterschied (wie Petersen in Busch 3 S. 409 ff. behauptet). Dgl. oben Anm. 1. Daß der rechtliche Bestandtheil bei der Angabe des Klage­ grundes stärker als bei bloß vorbereitenden Schriftsätzen hervortritt (vgl. oben Anm. 2), ergiebt sich aus dem Wesen der Klage. 4) Nr. 5: — eine Folge des Grundsatzes der Beweisverbindung (§§ 278—285 Anm. 3). 5) Nr. 6: vgl. §§ 78, 79, 89, 216 Anm. 3, 253 Anm. 10; Schriftsätze der Partei, welche die Unterschrift des Anwalts nicht tragen, dürfen nach dem Grundsätze des § 78 (vgl. § 78 Anm. 1 u. 3) nicht berücksichtigt werden. fSo auch Wach I S. 611, Vortr. S. 82; vgl. RG. 27 S. 406 nebst Anführ., 31 S. 375, in J.W. 1900 S. 469 (die nicht handschriftliche, sog. fakstmilirte Unterschrift genügt nicht). A.M. Alexander-Katz a. a. O. S. 11 f., 64 ff., der wegen des „sollen" den Anwaltszwang auf die Schriftsätze nicht ausdehnt; s. auch Pfizer in Busch 20 S. 163 ff.] Etwaige Mängel in der Unterschrift unterfallen der freien richterlichen Würdigung (RG. 27 S. 406). Die Unterschrift der Partei oder des Bevollmächtigten im Parteiprozeß ist nicht unbedingt nothwendig; eo ist Sache des Gegners, bei deren Fehlen die Echtheit zu be­ mängeln. Vgl. jedoch wegen der Ladungen § 216 Anm. 3. 6) Aus das im Laufe des Rechtsstreits in einem irüheren Schriftsatz oder mündlich Vorgebrachte kann in einem späteren Schriftsätze Bezug Genommen werden. (Vgl. Mot. S. 129 f.) §131. Diese Vorschrift steht nicht mit dem Gnmdsatze der Beweisverbindung (vgl. § 130 Anm. 4), sondern mit der Bestimmung des § 420 über die Antretung des Urkundenbeweises im Zu­ sammenhange. Soll der Gegner in der mündlichen Verhandlung sich auf die Urkunde erklären können, so muß er vorher von ihrem Inhalte Kenntniß haben. Vgl. auch §§ 588 Abs. 2, 593. Voraussetzung bei § 131 ist, daß die Partei in dem Schriftsatz auf die Urkunde Bezug ge­ nommen hat, und daß sich die Urkunde in ihrem Besitze befindet. Wenn in § 131 auch von einer Beifügung der Urkunde in „Urschrift" die Rede ist, so hat dieses darin seinen Grund, daß nach § 190 dem Zustellungsbeamten zugleich die Urschrift des vorbereitenden Schriftsatzes zu übergeben ist und dieser Urschrift von der Partei nach ihrer Wahl die Urschrift oder eine weitere Abschrift der Urkunde soll beigefügt werden sönnen. Diese Urschrift der Urkunde erhält aber stets die Partei mit der Urschrift des vorbereitenden Schriftsatzes zurück (Prot. S. 43). Bei fremdsprachigen Urkunden braucht den Schriftsätzen eine Uebersetzung nicht beigefügt zu werden (Gaupp Nr. I; s. § 142 Abs. 3). Wegen der Vollmacht s. § 80, insbes. Anm. 2, 4. Auch auf die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Urkunden über die Legitimation eines gesetzlichen Vertreters findet § 131 Anwendung (Wilm. Levy Anm. 1). Wegen der Handels-

Erst« Titel. Mündliche Verhandlung.

§§ 132, 133.

167

§ 132. (123.) Der vorbereitende Schriftsatz, welcher neue Thatsachen oder ein anderes neues Vorbringen entbält, ist mindestens eine Woche, wenn er einen Zwischenstreit betrifft, mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zu­ zustellen. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher eine Gegenerklärung auf neues Vor­ bringen enthält, ist mindestens drei Tage vor -er mündlichen Verhandlung zu­ zustellen. Die Zustellung einer schriftlichen Gegenerklärung ist nicht erforderlich, wenn es sich um einen Zwischenstreit handelt. «. ®ntto. §§ 192, 418. ent». I. § 117. ent». II. § 119. ent». III. § 119. Mot. 8.130, 131. Prot. 2. 43. § 133. (124.) Die Parteien haben Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze schreiberei niederzulegen. Diese Niederlegung erfolgt zugleich wenn eine Terminsbestimmung oder wenn

eine für das Prozeßgericht bestimmte und der Anlagen auf der Gerichts­ mit der Ueberreichung der Urschrift, die Zustellung unter Vermittelung des

bücher s. EG. z. CPO. § 13 Sinnt. 5. — Wegen Nichtbefolgung der Vorschrift des § 131 s. § 132 Sinnt. 1. Vgl. auch § 137 Sinnt. 2 a. E., § 420 Sinnt. 2. Abs. 3: „von bedeutendem Umfange" — Diese Voraussetzung liegt auch vor, wenn mehrere kleine Urkunden zusammen von bedeutendem Umfange smd (RG. in Gruchot 42 S. 1175). §132. 1) Was in § 129 Sinnt. 2 über die Folgen der gänzlichen Unterlassung der Mittheilung eines vorbereitenden Schriftsatzes gesagt ist, gilt selbstverständlich ebenso, wenn die Mittheilung nicht zeitig erfolgte, oder wenn die in den §§ 131, 133, 134 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung getroffenen Vorschriften nicht beachtet wurden. Eine aus die Vertagung der mündlichen Verhandlung bezügliche Vorschrift (N. E. § 306) ist mit Rücksicht auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 227, 228 für überflüssig erachtet worden, da die Unterlassung der rechtzeitigen Mittheilung eines Schriftsatzes u. f. w. den für den DertagungSantrag erforderlichen „erheblichen Grund" (§ 224 Abf. 2) abgeben kann (Mot. S. 131; RG. 36 S. 400). In amtsgerichtlichen Prozessen ist selbstverständlich die Einhaltung der Fristen so wenig nothwendig wie die Einreichung von Schriftsätzen überhaupt. (So auch Wilm. Levy Sinnt. 1, Fitting S. 154. A.M. v. Bülow Sinnt. 4; vgl. § 129 Sinnt. 3.) 2) Die in § 132 festgesetzten Fristen find sämmtlich Mindestfristen. Sie können jedoch nach § 226 abgekürzt werden. Sie haben ferner nur für diejenigen Schriftsätze Be­ deutung, für deren Zustellung nicht im Gesetze besondere Fristen bestimmt find. Dieses ist in Betreff der wichtigsten Schriftsätze der Fall (s. §§ 262, 498, 520, 555, 585, 604 Abs. 2). Dgl. auch § 272, RG. 31 S. 378 u. in I. W. 1895 S. 381. 3) Unter „anderes neues Vorbringen" sind namentlich neue Beweismittel, ferner auch Klagerweiterungen (RE. 15 S. 392) zu verstehen, nicht aber bloße Rechtsausführungen. sSo auch Petersen Nr. 2, A. Förster Sinnt. 1 u. St. A.M. Seuffert Sinnt. 3, Wilm. Levy Sinnt. 1 („nicht absolut auszuschließen") u. A.; vgl. auch Gaupp Nr. I.] 4) „Zwischenstreit" — unter den Parteien oder mit Dritten (vgl. tztz 303 Sinnt. 1, 347 Abs. 2). Die Bestimmung des § 132 bezieht sich aber selbstverständlich nur auf solche Zwischenstreitigkeiten, welche überhaupt ^mündlich verhandelt werden. Vgl. § 128 Sinnt. 4a. §133. 1) Die in der RTK. v. 1875 erst nach langen Verhandlungen gebilligte Vorschrift, welche sich in den meisten neueren auf dem Grundsätze der Mündlichkeit beruhenden Prozeßordnungen, nicht aber im rheinssch-franzöfischen Verfahren findet, hat den Zweck, dem Vorsitzenden

168

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 133.

Gerichtsfchreibers erwirkt werden soll, andernfalls sofort nach erfolgter Zustellung des Schriftsatzes. «. Eutw. — G»tw. I. § 118. Eutw. II. h 120. Gntw. III. § 120. «ot. G. 120. »rot. U. 43—47, 40, 50, 524, 525, 663. Gelegenheit zur Vorbereitung zu geben und dadurch eine sachgemäße Leitung der Verhandlung zu sichern. Auch die anderen Richter sind von der Benutzung der Schriftsätze nicht ausgeschloffen. Ein Anttag auf nothwendige Bestellung eines Berichterstatters neben dem Vorsitzenden ist zwar von der RTK. abgelehnt, damit ist aber nicht ausgefchloffen, daß ein Berichterstatter, und zwar noch vor der Verhandlung, bestellt werden kann. Vgl. GVG. §§ 139 Abs. 2, 199. Eine derartige Bestellung ist keineswegs mit dem Grundsätze der Münd­ lichkeit unvereinbar, sofern der Berichterstatter nur nicht mit einer fest abgeschlossenen Ansicht oder gar einem fertigen Urtheilsentwurf in die Verhandlung eintritt, vielmehr seine Kenntniß der Atten lediglich benutzt, um sich auf die bei der Verhandlung voraussichtlich vorkommenden Streitfragen vorzubereiten. Eine solche Vorbereitung kann in weitläufigen und juristisch schwierigen Sachen von großem Werthe sein. Die Bestellung eines Berichterstatters, wie sie in der hannoverschen Praxis regelmäßig geschah, bildet denn auch, besonders in den Ländern des früheren schriftlichen Verfahrens, die Regel. (Dgl. v. Krümel in Busch 3 S. 458, 4 S. 249, Wengler: Der Thatbestand u. s. w. Erlangen 1884. S. 174, Seuffert Anm. 4, Gaupp Nr. I, A. Förster Anm. 2, besonders Dähr: D. deutsche Civilproz. in prost. Bethätigung S. 26 ff., Wach: D. RCPO. u. d. Praxis S. 17 ff., 26 ff., ders.: D. civilpr. Enquete S. 46 ff., Francke in Busch 9 S. 514 ff. Gegen Bestellung eines Berichterstatters Goldenring in Busch 14 S. 73 ff., auch Wilm. Levy § 127 Anm. 1, Lippmann im c. A. 70 S. 106. Im anderen Sinne (bei § 136) hält Endemann I S. 467 die Bestellung eines „Referenten" für zulässig. Dgl. dagegen GVG. § 68 Anm. 1.] Wird die Vorschrift des § 133 nicht beobachtet, so kann das Gericht, wenn es dafür hält, daß die Niederlegung der Vorbereitung wegen erforderlich gewesen wäre, von Amtswegen auf Kosten der säumigen Partei die Verhandlung vertagen. Vgl. § 132 Anm. 1. (So auch RB. in J.W. 1899 S. 674 Nr. 2, Gaupp Nr. III, Wilm. Levy Anm. 1, Petersen Nr. 3, Seuffert Anm. 3, Francke a. a. O. S. 513 a. E., Lippmann a. a. O. S. 89, Jäckel in Gruchot 30 S. 673 ; vgl. auch Wach, D. civilpr. Enquete S. 42 ff. A.M. Wach, Dortr. S. 31 ff., A. Förster Anm. 3, Hellmann, Lehrb. S. 294, 415, die zwar eine Vertagung nach § 228, aber nicht mit der Folge des § 90 bezw. § 48 d. GKG. für zulässig halten, Goldenring a. a. O. S. 87 Anm. 47, der jedes Vertagungsrecht verwirft ; vgl. auch RB. in I. W. 1895 S. 507.) Die niedergelegten Schriftsätze sind zu Prozeßakten zu sammeln. Vgl. § 299 Anm. 1. 2) „Abschrift" — Beglaubigte Abschrift (§ 170) ist nicht erforderlich. „Anlagen" — sind namentlich die dem Schriftsätze beigefügten Urkunden (vgl. § 131). 3) Abs. 2: Ueber Erwirkung einer Terminsbestimmung vgl. § 216; über Zu­ stellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers §§ 166, 168; in diesen Fällen muß die Urschrift des Schriftsatzes auf der Gerichtsschreiberei niedergelegt werden, was in anderen Füllen bei Zustellung von Schriftsätzen nicht erforderlich ist (§ 132). 4) Der § 133 bezieht sich nur aus die vorbereitenden Schriftsätze, nicht auf Anträge und Gesuche, über welche die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann (vgl. § 128 Anm. 4d); diese find überhaupt nur in einer, für das Gericht bestimmten Urschrift bei diesem einzureichen. (So auch Hoffmann in Gruchot 23 S. 738, Gaupp Nr. II.) Beschließt das Gericht ausnahmsweise mündliche Verhandlung, so ist dieser Beschluß nach § 329 Abs. 3 beiden Theilen von Amtswegen zuzustellen (§§ 208 ff.); der Antragsteller hat aber alsdann in Gemäßheit der §§ 214, 216 die Ladung zu bewirken. sSo auch Fischer in Gruchot 25 S. 629, 643, 647 ff., 651, H. Meyer: Zustellung S. 16 und in Busch 9 S. 347. A. Förster § 119 Anm. 3d, Wilm. Levy Anm. 1. A M. Fitting § 44 N. 16, Wach, Vortt. S. 64, Hoffmann a. o. O.

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung. §§ 134, 135.

169

§ 134. (125.) Me Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, ver­ pflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie in einem vor­ bereitenden Schriftsätze Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der GerichtSschrerberei niederzulegen und den Gegner von der Riederlegung zu benachrichtigen. Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann aus Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden. M. Errtw. § 193. Entw. I. § 119. L. 130. Prot. T. 50.

Eutw. II. § Ul.

Eutw. III. § 121.

«ot.

§ 135. (126.) Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mittheilung von Ur­ kunden von Hand zu Hand aeaen Empfangsbescheinigung zu bewirken. Giebt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach vorgängiger mündlicher Ver­ handlung zur unverzüglichen Zurückgabe zu verurtheilen. S. 739, Weizsäcker in Krit. V. 24 S. 588, Fortenbach in Busch 8 S. 154, die unter Berufung auf § 329 Abs. 3 eine Ladung von Amtswegen erfordern, obwohl diese Gesetzesstelle nur die Zustellung des Beschlusses an die Parteien von Amtswegen vorschreibt (§ 329 Anm. 4). Eine bloße Zustellung von Amtswegen (ohne Ladung) vertheidigen Krech in Gruchot 26 S. 263ff., Eccius das. 29 S. 19 N. 22, Gaupp § 128 Nr. V B 1, Seuffert § 119 Anm. 6«; vgl. Hellmann, Lehrb. S. 664, aber auch S. 300. Wenn Seuffert bemerkt, daß für die Fälle der §§ 102, 126 (soweit es sich um Entziehung des Armenrechts oder um Nachzahlung handelt) und § 319 der Parteibetrieb nicht paffe, so ist dies an fich richtig. Aber abgesehen davon, daß in diesen Fällen das Gericht kaum je von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung Gebrauch machen wird, würde hier eine Zustellung von Amtswegen um deswillen zulässig sein, weil es fich um von AmtSwegen zu erlaffende Beschlüsse handelt.^ Dgl. auch §§ 128 Anm. 4 b, 150 Anm. 2, 214 Anm. 2. §134. 1) Abs. 1: Die Vorschrift (f. C. de proc. art. 188) dient zur Beschleunigung des Derfahrens; eben deshalb ist sie auch nicht auf den AnwaltSprozeß beschränkt (Hann. Prot. I S. 279 ff.). Wie nach § 131 die vorherige Mittheilung einer Abschrift die Erklärung über den Inhalt, so soll hier die Niederlegung der Urschrift auf der Gerichtsschreiberei (des Prozeßgerichts) die Erklärung über die Echtheit dem Gegner in der mündlichen Verhandlung ermög­ lichen. — Die Niederlegung hat aber nur bei rechtzeittger Aufforderung von Seiten des Gegners zu geschehen. Die Rechtzeitigkeit bestimmt fich nach den Umstünden des einzelnen Falles. Aufforderung und Benachrichttgung find an keine Form gebunden (vgl. § 170 Anm. 3). §134 bezieht fich auch auf Vollmachten (§ 80 Anm. 2, Gaupp Nr. I, Seuffert Anm. 1). 2) Abs. 2: Die dreitägige Frist ist von der erfolgten Benachrichttgung (Abs. 1) an zu berechnen. Läßt der Gegner fie unbenutzt verstreichen, so treffen ihn zwar keine Nachtheile zur Sache; er kann aber demnächst nicht um deswillen, weil ihm die Einsicht der Urkunde nicht rechtzeittg gewährt sei, Vertagung beanspruchen und kann nach § 95 in die durch die unnöthige Aufforderung zur Niederlegung veranlaßten Kosten verurtheilt werden. (Seuffert Anm. 4 u. A.) — Der Vorsitzende kann die dreitägige oder die von ihm bestimmte Frist nachträglich verlängern oder abkürzen (vgl. Fitting § 39 N. 7). §135. x 1) Im § 135 wird ein leichteres Mittel für die Mittheilung von Urkunden gewährt, als die Niederlegung auf der Gerichtsschreiberei. Wesentliche Bedeutung hat daS nach Abs. 2 gegen

170

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 136.

Gegen das Zwischenurtheil findet sofortige Beschwerde statt. tt. htz 194, 615 Rr. 3, 630, § 133. ölet. Z. 130. Prot. P. 50.

«nt». I. § 130.

«et». II. § 133. «utw. III.

§ 136. (127.) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Ver­ handlung. Er ertheilt das Wort und kann es demjenigen, welcher seinen Anordnungen nicht Folge leistet, entziehen. Er hat Sorge zu tragen, daß die Sache erschöpfende Erörterung finde und die Verhandlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde; erforderlichenfalls hat er die Sitzung zur Fortsetzung der Verhandlung sofort zu bestimmen. Er schließt die Verhandlung, wenn nach Anficht des Gerichts die Sache voll­ ständig erörtert ist, und verkündet die Urtheile und Beschlüffe des Gerichts. «. Entw. § 307. E«tw. I. § 131. ». 131. Prot. Z. 50.

E»tw. II. § 133.

@ntto. III. § 133.

Mot.

den mit der Rückgabe säumigen Anwalt eintretende schleunige Verfahren. Auch in amtogericht. lichen Prozessen kann nach Wortlaut und Grund des Gesetzes zwischen Rechtsanwälten von diesem Mittel Gebrauch gemacht werden (vgl. auch § 198). An den ständigen Zustellungsbevollmächtigten eines am Litze des Gerichts nicht wohnhaften Rechtsanwalts (RAO. § 19) kann die Mittheilung einer Urkunde von Hand zu Hand nicht erfolgen, weil dieser nur für die Zustellung bestellt ist. Vgl. § 198 Anm. 1. 2) Das Verfahren gegen den mit der Rückgabe säumigen Rechtsanwalt wird als ein Zwischen streit mit einem Dritten behandelt, ist aber ausnahmsweise ein mündliches (vgl. § 128 Anm. 4). „Zwischenurtheil" ist der gebräuchliche Ausdruck für ein Urtheil, das einen Zwischenstreit, sei es einer Partei gegen einen Dritten (vgl. auch §§ 71, 387) oder der Parteien unter einander (§ 303), beendet. Daß dagegen nicht die Berufung, sondern die sofortige Be­ schwerde (§ 577) stattfindet, hat darin seinen Grund, daß nach dem Rechtsmittelaufbau der CPO. überhaupt alle Entscheidungen, welche einen Ltreit zwischen den Parteien und dritten Personen betreffen, dem Gebiete der Beschwerde anheimfallen (vgl. Mot. L. 39 n. § 567 Anm. 1). Das Urtheil ist nach § 794 Nr. 3 sofort vollstreckbar; die Beschwerde hat hier keine aufschiebende Wirkung (§ 572); die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 883. Wegen des Versäumnißverfahrens f. § 347 Anm. 5. — Das Verfahren ist gebührenfrei (G>iG. § 47 Nr. 6); vgl. jedoch GO. f. RA. §§ 23 Nr. 1, 29 Nr. 6. „binnen der bestimmten Frist" — nämlich der vom Gesetze (§134 Abs. 2) bestinlmten dreitägigen oder vom Vorsitzenden auf Antrag verlängerten oder abgekürzten Frist; der niederlegende Rechtsanwalt selbst hat die Frist nicht zu bestimmen (A.M. Petersen Nr. 2, Wilm. Levy Anm. 2, Leuffert Amu. 3 u. A.), kann sie aber selbstverständlich verlängern. (Vgl. auch P. E. § 327, N. E. § 194, Gaupp Nr. II, A. Förster Anm. 2.) 3) Der § 135 hat nur prozessuale Bedeutung und berührt das Verhältniß zwischen dem Anwalt und der eigenen Partei nicht, insbesondere auch nicht die Frage, ob ein Anwalt, der in Gemäßheit des § 135 dem Gegner eine Urkunde in Urschrift mittheilt, bei Verlust der Ur­ kunde seiner Partei haftet. (So auch Petersen Nr. 4, Wilm. Veot) Anm. 1; vgl. Gaupp Nr. 111. S. auch Prot. L. 50.)

§§ 136-158. 1) Die §§ 136—158 handeln von der mündlichen Verhandlung selbst, § 136 in Verbindung mit den §§ 139, 140 insbesondere von dem Prvzeßleitungsamte des Vor­ sitzenden, die §§ 141—158 dagegen von Befugnissen, die allein dem Gerichte zustehen. Wegen der Sitzungspolizei vgl. GVG. §§ 177 ff. Indessen fehlt es an einer grundsätzlichen Abgrenzung der beiderseitigen Befugnisse (vgl. Wach, Vortr. S. 104 ff.). [Ueber die Sach- und

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 137.

171

§ 137. (128.) Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, daß die Parteien ihre Anträge stellen. Prozeßleitung vgl. Übe in Busch 5 S. 503 ff.; s. auch Krümel das. 6 S. 173, Hellmann, Lehrb. S. 206 ff., 298 ff., Planck I § 74 und die unten zu den einzelnen Paragraphen, insbes. zu §§ 136, 139 u. bei Birkmeyer, Grundriß S. 256 f. angef. Literatur.^ 2) Der Vorsitzende sowohl wie das Gericht haben die ihnen hier eingeräumten Besugniffe, wie sich aus deren Zwecke von selbst ergiebt, auch von Amtswegen auszuüben; ein Widerspruch mit der Verhandlungsmaxime liegt darin nicht. Dgl. §§ 139 Anm. 2, 142—144. 3) Die Verhandlung und Entscheidung über die Prozeß- und Sachleitung ist gebühren­ frei (GKG. § 47 Nr. 1); vgl. jedoch GO. f. RA. §§ 23 Nr. 1, 29 Nr. 6. §136. Literatur: Kleinfeller, Die Funktionen des Vorsitzenden u. sein Verhältniß zum Gerichte. München 1885; dazu Meyer in Busch 9 S. 529. (K. faßt den Vorsitzenden staatsrechtlich als ein selbständiges Organ neben dem Gericht aus; indessen habe er bei der materiellen Prozeßleitung nur die Initiative. Vgl. gegen jenen Vordersatz: Wach, Vortr. S. 106 u. Handbuch I S. 236 ff., Planck I S. 154 ff., A. Förster Anm. 1 a. E.) Dgl. Bem. 1 vor § 136, Planck II § 96, sowie die Literatur zu § 139 u. zu StPO. § 237. 1) Die Befugnisse des Vorsitzenden find theils formeller Natur (Eröffnung und Schließung der Verhandlung, Ertheilung und Entziehung des Wortes, Bestimmung einer Sitzung zur Fortsetzung der Verhandlung, Verkündung der Urtheile und Beschlüsse); theils beziehen sie sich auf die Behandlung der Sache selbst, wie namentlich die Sorge dafür, daß die Sache erschöpfende Erörterung finde (vgl. § 139, R8. in Str.S. 9 S. 310, Rechtspr. in Str.S. 5 S. 653). Der Vorsitzende darf seine Befugnisse in ihrer Gesammtheit nicht auf einen anderen Richter übertragen (GVG. § 68 Anm. 2). 2) Welcher Richter unter den Vorsitzenden zu verstehen ist, s. in GDG. §§ 61, 109, 110, 119, 121, 126, 133, 22 (bei den Amtsgerichten der Amtsrichter). Besondere Vorschriften über die Prozeßleitung bei den Amtsgerichten enthalten noch die §§ 503 und 507. 3) Abs. 2: Die Entziehung des Wortes hat Ungehorsam gegen die Anordnungen des Vorsitzenden znr Voraussetzung und kann gegen alle bei der Verhandlung betheiligten Personen (Parteien, Anwälte, Bevollmächtigte, Beistände, Zeugen und Sachverständige, nicht aber gegen die beisitzenden Richter; vgl. §§ 139 Anm. 7, 140 Anm. 5, 396 Anm. 2. A M. Wilm. Levy Anm. 2) erfolgen. Sie ist unabhängig von der Untersagung des weiteren Vortrags im Sinne des § 157 (Petersen Nr. 4) und von den in §§ 177 ff. d. GVG. vorgesehenen Maßregeln. Wegen der Folgen der Entziehung des Wortes für die Partei gilt das § 158 Anm. 1 u. 2 Gesagte auch hier (vgl. Seuffert Anm. 3b, Wilm. Levy Anm. 2, Übe a. a. O. S. 306 ff., Planck II S. 86 f. u. A. A.M. Wach, Vortr. S. 71, A. Förster Anm. 4c). 4) Abs. 4: Der Schluß der Verhandlung, welcher für die Frage der Versüumniß von großer Bedeutung ist (vgl. z. B. §§ 138 Anm. 1, 220, 231, 278, 283, 330 ff.), hat streng, genommen durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden zu erfolgen. Ist diese unter­ blieben, so kann jedoch aus schlüssigen Handlungen, wie dem Verkünden des Urtheils oder eines anderen Termins zur Verkündung des Urtheils, die Schließung gefolgert werden. Ob in dem Abtreten des Gerichts zur Berathung die Schließung liegt, ist Thatfrage; in der Regel wird es der Fall sein. (Vgl. auch Planck I S. 513 f., II S. 86, Gaupp Nr. IV, Petersen Nr. 3 u. A., Busch 11 S. 331.) § 137. 1) Abs. 1: „Anträge" sind die petita, nicht auch, wie bei den conclusions motivees des franz. Rechtes, die zu deren Begründung dienenden thatsächlichen Anführungen (vgl. § 130

172

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 137.

Die Vorträge der Parteien find in freier Rede zu halten; fie haben das Streitverhültniß in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen. Eine Bezugnahme aus Schriftstücke statt mündlicher Verhandlung ist unzuläsfig. Die Vorlesung von Schriftstücken findet nur insoweit statt, als es auf den wörtlichen Inhalt derselben ankommt. Zn Anwaltsprozeffen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf An­ trag das Wort zu gestatten. ft. «nt». | 309. Ent». I. §§ 131, 133. «tet. ®. 98. 131. Prot. ®. 50.

Ent». II.

134.

ent». III. § 184.

Nr. 2 ii.3). Um der Auslegung entgegenzutreten, als ob auch die letzteren unter den Au. trägen mitinbegriffen seien, beschloß die RTK. v. 1875 in § 130 die in den früheren Entwürfen unter einer Nummer vereinigten Nr. 2 u. 3 zu sondern (Prot. S. 43). — In Anwalts Prozessen müssen die Anttäge durch Verlesung gestellt werden (h 297). Bei nur fortgesetzter mündlicher Verhandlung (vgl. § 128 Anm. 3) kommt Abs. 1 nicht zur Anwendung (so auch RG. 31 S. 423). „eingeleitet" — vgl. § 333 Anm. 1. Soweit beide Theile einander widersprechende Anträge gestellt haben, gilt die Verhandlung hinsichtlich der Gebühren als kontradiktorisch Irit. V. 27 S. 472 ff., Fischer im c. A. 70 S. 341 ff. u. A.] Besondere Formen der Geltendmachung von „Allsprüchen" s. in §§ 104 Abs. 2, 106, 688 ff., 751. b) Von den „Ansprüchen" wesentlich verschieden sind die zur Begründung oder Be­ kämpfung der Ansprüche dienenden einzelnen Rechtsbehelfe, welche die CPO., obschon in schwankendem Sprachgebrauch, unter dem Namen „Angriffs- nitb Vertheidigungsmittel" zusammenfaßt (§§ 33, 67, 68, 96, 100, 278, 279, 350 Abs. 1, 354 Abs. 2, 529 Abs. 1, 540 Abs. 1, 541 Abs. 1). Der Begnff umschließt an sich Alles, was die Parteien zur Durchführung ihrer Absichten anführen, also Klagegründe (auch den eventuellen im Verhältnisse zum Prinzipalen — RG. [t>er. Civilsen.] 27 S. 390 f.; vgl. ferner Petersen in Busch 16 S. 495 ff. u. unten § 260 Anm. 7), Einreden, Repliken, Dupliken, selbst die — an sich einen eigenen Rechtsstreit bildende (vgl. Löning in Busch 4 S. 22 ff., Schollmeyer Zwischenstreit S. 47, 49) — Wider­ klage in Folge ihrer eigenthümlichen prozeffualen Behandlung, aber auch bloße Thatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden (vgl. §§ 67, 68, 529 Abs. 1), obwohl die Beweismittel

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

5 145.

185

mb Beweiseinreden zuweilen besonders neben den „Angriffs- und Dertheidigungsmitteln" genannt werden (§§ 278, 279 im Vergleiche mit §§ 282, 283, 350 Nr. 3, 354 Abs. 2); zuweilen werden selbst Rechtsmittel darunter begriffen (s. § 68 Anm. 3). Mgl. auch Hinschius im Rechtslex. I s. v. „Angriffs- und Vertheidigungsmittel", Osterloh in Busch 3 S. 47, H. Meyer das. 7 3. 303, Lippmann a. a. O. S. 426, Wach I S. 289 ff., Fitting S. 107 f., Gaupp § 146 Nr. 1; abw. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 21 ff., Planck I S. 413 N. 36, der die Prozeßhindernden Einreden nicht zu den Dertheidigungsmitteln rechnet, Wilm. Levy § 137 Anm. 1.] Die Angriffs- und Vertheidigungsmittel (jedoch mit Ausnahme des Klagegrundes) bilden die beweglichen Bestandtheile des Prozesses, wie die Ansprüche deffen festen Stoff (§§ 278, 529). Unter den Angriffs- und Vertheidigungsmitteln sind besonders hervorgehoben die „selb­ ständigen Angriffs- und Vertheidigungsmittel". Die in § 146 gewühlten Beispiele zeigen, daß darunter Anführungen von einer gewiffen Geschlossenheit verstanden sind (im Gegensatze der sog. Hülssthatsachen des N. E. § 394), die eine besondere von dem übrigen Prozeßstoff unabhängige rechtliche Wirkung, sei es für den Anspruch des Anführenden oder gegenüber dem gegnerischen Ansprüche, zu äußern bestimmt find (vgl. Planck I S. 415). Es gehören dahin z. B. die Sachlegittmatton oder andere Prüjudizialpunkte (Nordd. Prot. S. 297, Planck I S. 528, II 0. 113b, Brückner in Busch 5 S. 420, auch RG. 11 S. 117 a. E. A.M. Hoffmann a. a. O. S. 199), aber auch der Einwand der Zahlung, des Verzichts (vgl. § 289), sowie mehrere auf denselben Anspruch bezügliche Klagegründe oder Erwerbsgründe. In diesen Fällen ist die Selbständigkeit der Art, daß flch der daraus entstehende Streitpunkt zwar nicht, wie einzelne Ansprüche, zu einem getrennten Prozesse (§ 145 Abs. 1, 2), wohl aber zu einer gettennten Verhandlung (§§ 145 Abs. 3, 146) und zur Entscheidung durch Zwischenurtheil (§§ 303, 461; vgl. auch § 302) eignet. Ebendeshalb tritt der — feinem Wesen nach nur relattve — Begriff in einen gewiffen Gegensatz zur Klage und Widerklage, über welche nur durch Endurtheil zu entscheiden ist. ^Wesentlich übereinstimmend: Sarwey I S. 231 f.r Wach I S. 291 ff. u. Vortr. S. 38, 112, Fitting S. 107 f., Hinschius a. a. O., Schollmeyer, Zwischenstteit lompens. S. 130 ff. Dieses findet auch gegen­ über der Mage einer Konkursmasse (vgl. .st£. § 54) statt (RG. im D. RAnz. 1884 lief. Beil. 7 S. 9). Ueber die Voraussetzung des mangelnden rechtlichen Zusammenhanges f. unten Anm. 4. Entspricht eine erhobene Widerklage nicht den Erfordernissen des § 33, so ist sie nicht in einen getrennten Prozeß zu verweisen, sondern abzuweisen (RG. in Z. W. 1888 S. 177). 3) Abs. 3: „Aufrechnung einer Gegenforderng" — s. BGB. §§ 387 ff. Das Zurückbehaltungsrecht (BGB. §§ 273f.) gehört nicht hierher, selbst wenn es auf einer mit der Mage nicht in rechtlichem Zusammenhange stehenden Forderung (vgl. z. B. HGB. §§ 369 ff.) beruht, weil es nicht, wie die Aufrechnung, einen der Rechtskraft fähigen Anspruch darstellt (§ 322 Abs. 2, RG. 8 S. 364, 15 S. 421, in S. A. 51 Nr. 61, Gaupp Nr. Via, Wilm. Levy Anm. 2, Seuffert Anm. 3b a. E., vgl. § 529 Anm. 6, Petersen Nr. 15. Vgl. übrigens auch OLG. Hamburg in S. A. 46 Nr. 143). „Gegenforderung" bedingt einen zur Aufrechnung ge­ eigneten Anspruch (BGB. § 387; Planck, BGB. 11 § 387 Anm. lc). Ueber Fülle, in beneit die Aufrechnung ausgeschlossen oder beschränkt ist, s. BGB. §§ 393—395. Der Umstand, daß

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 146.

187

§ 146. (137.) Das Gericht kann anordnen, daß bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Vertheidigungsmitteln nach §§ 388, 389 a. a. O. die Aufrechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Theile, und zwar mit der Wirkung erfolgt, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeit. Punkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten find, steht der Trennungsbefugniß nicht entgegen (vgl. Kom.B. S. 52 u. 87 ff.). Nicht hierher gehört die Replik der Aufrechnung — die übrigens nach BGB. nur in der Richtung möglich ist, daß die in Aufrechnung gebrachte Gegenforderung bereits durch eine frühere Aufrechnung erloschen sei (vgl. Weismann in Busch 26 S.23f.) —, auch nicht eine Gegenforderung, die zur Begründung einer negativen Feststellungsklage dient (RG. in I. W. 1889 S. 40), wohl aber eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung, die dem Beklagten gegen einen Dritten, z. B. den Rechtsvorgänger des Klägers zusteht (so auch RG. 27 5. 296, jetzt auch Seuffert Anm. 5 a. E.). Vgl. BGB. §§ 770 Abs. 2, 1137. 4) Sowohl im Abs. 2 wie im Abs. 3 ist die Trennungsbefugniß auf den Fall, daß der Gegenanspruch oder die Gegenforderung mit dem Klageanspruche nicht in rechtlichem Zu­ sammenhange (vgl. §§ 147, 302) steht, d. h. daß nicht Haupt- und Gegenanspruch aus demselben Rechtsverhültniß entspringen, beschränkt, weil beim Vorhandensein eines solchen ZusammenHanges eine zutreffende Entscheidung nur abgegeben werden kann, wenn ein und dasselbe Urtheil das Rechtsverhältniß seinem ganzen streitigen Umfange nach zusammenfaßt und regelt (vgl. RG. 16 S. 372, 30 S. 275 u. in I. W. 1891 S. 330, 1899 S. 3). Bei zweiseitigen Verträgen kann daher eine getrennte Verhandlung der Klage und des aus dem Vertrage selbst entspringenden Gegenanspruchs nach § 145 Abs. 2 u. 3 niemals stattfinden, ebensowenig im Falle des § 280 (Oertmann in Busch 22 S. 72 ff.), während selbstverständlich eine Trennung nach § 146 zulässig ist. (Vgl. auch RG. in I. W. 1888 S. 286.) Bloße Gleichheit des Gegenstand es (wie in § 33 — s. das. Anm. 2) ist hier nicht genügend (RG. in I. W. 1893 S. 14, Petersen Nr. 10, Gaupp Nr. VI d, Wilm. Levy S. 239 u. A. A.M. Löning a. a. O. S. 91 ff.) und ebensowenig bloße Aufrechnungsfähigkeit (Endemann 1 S. 486). 5) Die Wirkungen der eingetretenen Rechtshängigkeit werden durch die erfolgte Trennung nicht berührt. Es bedarf keiner neuen Einleitungsformen für die Geltendmachung der Widerklage oder Gegenforderung; auch durch den Aufrechnungseinwand wird Rechtshängigkeit begründet. Vgl. §§ 145, 146 Anm. 2, 263 Anm. 4, 281, 302 Abs. 4, 322 Abs. 2. Ueber die Widerklage ist ohne Weiteres int getrennten Prozesse zu entscheiden (vgl. 6. Aufl. Anm. 5); in Betreff der Aufrechnung bleibt, spfern über die Klage Entscheidung ergeht, der Rechtsstreit anhängig (§ 302 Abs. 4). In diesem Falle wird über den Aufrechnungs­ einwand im weiteren Verfahren durch Endurtheil entschieden (§ 302 Abs. 4). Ist dagegen der Aufrechnungseinwand vor der Klageforderung zur Entscheidung reif, so kann über ersteren nur ein Zwischenurtheil ergehen (§ 303). Die Verweisung der Widerklage in einen getrennten Prozeß oder der Gegenforderung zur getrennten Verhandlung kann auch in höherer Instanz erfolgen (Petersen Nr. 2. A.M. RG. 28 S. 414 u. in I. W. 1893 S. 501); die getrennten Prozesse oder Verhandlungen bleiben dann beide in der höheren Instanz anhängig (so auch Gaupp Nr. VI f.). 6) Eine Folge der Vorschrift des § 145 Abs. 3 ist die Bestimmung des § 302, daß die Trennung auch nach dem Schlüsse der Verhandlung — durch Dorbehaltsurtheil — er­ folgen kann. Nach Schluß der Verhandlung ist eine Verweisung der Gegenforderung zur ge­ trennten Verhandlung nicht mehr zulässig (vgl. RG. 24 S. 423). Vgl. § 302. 7) Bei Trennung der Prozesse sind die Gerichtögebühren für jeden Prozeß besonders zn berechnen (GKG. § 11); vgl. RG. in I. W. 1899 S. 696. §146. 1) Die Trennung der Verhandlungen ändert selbstverständlich nichts in der Rechts­ hängigkeit. Sie kann ein Zwischenurtheil (§ 303), aber auch ein Endurtheil (§ 300) zur Folge

188

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 147.

(Klagegründen, Einreden, Repliken rc.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zu beschränken sei. 9t. Entw. § 317. Eat«. I. § 130. ». 134, 135. Prot. *. 55.

«bitw. II. § 131.

Ent». III. § 131. Mot.

§ 147. (138.) Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozeffe derselben oder verschiedener Patteien zum Zwecke der gleichzeitigen Ver­ handlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, welche den Gegenstand dieser Prozeffe bilden, in rechtlichem Zusammenhange stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. 9t. Ent«. § 318. Eat«. I. § 131. L. 80, 136. Prot. S. 55.

Ent«. II. § 133.

Ent«. III. § 133. Mot.

haben. Ersteres setzt übrigens md)t nothwendig eine stattgefundene Trennung der Verhandlungen voraus (§ 303). — Ueber die Unzulässigkeit eines Verfäumnißzwischenurtheils s. § 347 Anm. 3. 2) Die Trennung ist mit Rücksicht auf den Grund der Lorschrist auch dann zulässig, wenn einem Angriffsmittel nur ein Vertheidigungsmittel gegenübersteht. (Bgl. Seuffert Anm. 2, Gaupp Rr. II, Schepers a. a. C. S. 763, Sx Rkeyer in Busch 7 S. 306 u. A.) 3) Rach Beendigung der Verhandlung über die zunächst zur Verhandlung bestimmten Punkte — sei es durch Zwischen- oder Theilurtheil oder auf andere Weise (z. B. durch Ver­ gleich) — hat der Vorsitzende, abgesehen von den Fällen, in denen erst nach eingetretener Rechtskraft eines Urtheils weiter verhandelt werden kann (§§ 275, 304), von Amtswegen Termin zur Verhandlung der ausgesetzten Punkte anzuordnen (§ 136 Abs. 3, Schepers a. a. O. S. 874f.; anders bei getrennten Prozessen — §§ 145 Abs. 1 u. 2, 146 Anm. 1 a. E.). Es kann aber auch durch stillschweigenden Uebergang zur Verhandlung der übrigen Streitpunkte die Einheit der Verhandlung wieder hergestellt werden.

§147Literatur: K a tz in Busch 28 S. 63 ff. 1) Der Trennungsbefugnis; entspricht auf der anderen Seite die Befugnis; des Gerichts, bei ihm anhängige, im Wege der Klage oder Widerklage erhobene Prozesse derselben oderverschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Vorallssetzung ist, das; die den Gegenstand der Prozesse bildenden Ansprüche entweder einen rechtlichen Zusammenhang haben oder eine Klagenhäufung zulassen. Ersterer hat hier dieselbe Bedeutung wie in § 145 (f. das. Anm. 4, Petersen Rr. 2, Gaupp Rr. I 2 a, Seuffert Anm. 1). Ueber die Erfordernisse der Klagenhäufung s. §§ 59, 60, 260. Die Verbindung kaun noch in der höheren Instanz erfolgen (vgl. Schollmeyer, Kompens.-Einrede S. 169, 172). Besondere Bestimmungen enthalten §.959, HGB. §§ 272 Abs. 2, 320 Abs. 3, Genoss.-Ges. v. 1. Mai 1889 (RGBl. 1898 S. 810) §§ 51 Abs. 3, 112 Abs. 1, 114, 129 Abs. 3. Auch bei verschiedenen timimtmt (Senaten) desselben Gerichts anhängige Prozesse können mit einander verbunden werden. Die Voraussetzungen der Zuständigkeit der tiomntent für Handelssachen sind jedoch tut GVG. so bestimmt festgestellt, daß deren Durchbrechung itti Wege der Verbindung nach § 147 nicht zulässig erscheint. (So auch Seuffert Anm. 3, Gaupp Rr. I 1, Keyßner in Goldschmidt, Z. f. HR. 25 S. 483 Anm. 123. AM. Hellmann I S. 442; zweifel­ haft Ude in Busch 5 S. 331.) Vgl. jedoch für Fälle des § 272 Abs. 2 HGB. Seuffert Anm. 6 ttnd etwas abweichend Gaupp Rr. I 3. 2) Die Wirkung der Verbindung besteht in der „gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung" der Prozesse. Von dem Zeitpunkte der Verbindung an wird also, wie auch die Mot. hervorheben, eine objektive oder subjektive Klagenhäufung von Amtswegen angeordnet, und es treten bei der letzteren die ntehreren Personen in das Verhältniß von Streitgenossen zu einander (vgl. §§ 59, 60 Anm. 3). sRG. 5 S. 354, 6 S. 416, in Gruchot 28

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 148.

189

§ 148. (139.) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder mm Theil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines RechtsverhLltniffes abhängt, welches den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Ver­ handlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung oer Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. 9t. Eutw. § 319. Entw. I. § 132. S. 136. Prot. T. 55.

Entw. II. § 133.

Entw. III. § 133.

Mot.

2. 991, Petersen Nr. 5, Seuffert Anm. 5, A. Förster Anm. 4, jetzt auch Gaupp Nr. III. A M. Katz S. 64, Wilm/Levy Anm. 1, welche, auf den Wortlaut des § 147 und hauptsächlich des § 300 Abs. 2 gestützt, nur eine äußere Vereinigung annehmen.^ 3) Die prozessuale Form, in welcher die Verbindung ausgeführt wird, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Die Verhandlung des Prozesses, in welchem die Verbindung beschlossen wird, ist, sofern nicht in beiden Prozessen Termin auf denselben Tag angesetzt ist, zu vertagen, und zu dem neuen Termine, welcher in dem die Verbindung verkündenden Be­ schlusse (vgl. über die Frage der Anfechtbarkeit der über die Verbindung ergehenden Beschlüsse § 150 Anm. 1) sofort anzusetzen ist, hat die betreibende Partei die Gegenpartei auch in den anderen Prozessen bezw. die Parteien der anderen Prozesse (für welche § 218 hier nicht wirksam ist) zu laden. Rücksichtlich des letzteren Falles bietet § 63 einen zutreffenden Anhalt. (A.M. Wilm. Levy Anm. 2, die hier stets eine Offizialthütigkeit des Gerichts eintreten lassen.) 4) Nach erfolgter Verbindung sind die Gerichtsgebühren (Entscheidungs-, Beweisgebühr), die Anwaltskosten wie die Revistonssumme nach dem zusammengerechneten Gegenstände beider Prozeffe zu bemessen (§ 5, GKG. §§ 9, 11; s. auch RG. 5 2. 356, in 3. A. 54 Nr. 178, in I. W. 1900 S. 510, ob.LG. f. Bayern in S. A. 39 Nr. 264). Dgl. § 546 Anm. 3, § 5 Anm. 1. Die Verbindung hat aber keine rückwirkende Kraft (RG. 44 2. 419).

§8 148, 149. 1) Die §§ 148 u. 149 handeln von der Befugniß des Gerichts, eine Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Verfahrens auszusehen. Dieses andere Verfahren kann entweder ein civilprozessuales oder ein Verfahren von einer Verwaltungsbehörde oder ein Strafverfahren sein. In den beiden ersten Fällen (§ 148) ist Voraussetzung, daß für die Entscheidung des auszusetzenden Rechtsstreits das vor dem anderen Gerichte oder der Verwaltungsbehörde festzustellende Rechtsverhältniß einen Präjudizialpunkt (Vorfrage) bildet (vgl. darüber Löning in Busch 4 S. 53 ff.); in dem letzteren Falle (§ 149), daß sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Entscheidung von Einfluß ist. — Vgl. §§ 151—154, StPO. § 261. 2) Die Aussetzung kann von Amtswegen wie auf Antrag der Parteien erfolgen. Sie folgt den allgemeinen Regeln von der Aussetzung des Verfahrens (vgl. § 252 Anm. 1); die Wirkungen bestimmen sich daher nach § 249. Wegen der Anfechtung s. § 252, RG. 18 S. 186. Die Aussetzung erfordert mündliche Verhandlung (RG. 40 2. 373; vgl. RG. 29 2. 383; s. auch §§128 Anm. 4 b, 151 Anm. 1 a. E., 248 Anm. 1). Verzögert sich die Erledigung des anderen Rechtsstreits, des Verwaltungs- oder Strafverfahrens zu sehr, so kann das Gericht nach § 150 die angeordnete Aussetzung wieder aufheben, geeignetenfalls nach zuvoriger An­ drohung an eine der Parteien, binnen bestimmter Frist die Herbeiführung der Vorentscheidung zu erwirken. In der Revistonsinstanz sind nach der Natur des Rechtsmittels die §§ 148, 149 nicht anwendbar (RG. 11 S. 266 und in S. A. 49 Nr. 204).

§148. 1) Bildet die Vorfrage (Klagegrund oder Grund einer Einrede; f. RG. in 2. A. 48 Nr. 288) den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits, so kann die Aussetzung nur erfolgen,

190

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 148.

wenn dieser bereits, sei es vor einem staatlichen ober einem Schiedsgerichte (RG. in Z. W. 1-002.390, OLG. Jena in S. A. 42 Nr. 61, Hohler in Gruchot 31 2. 293 Sinnt. 31, Levy das. 37 S. 186) an­ hängig ist (Hergenhahn u. OLG. Cassel in Busch 15 2. 32 ff.).

Ob ein präjudizielles Rechtsver-

hültniß vorliegt, entscheidet lediglich das bürgerliche Recht (s. z. B. RG. 37 S. 373). Eine bloße Gleichheit der Rechtsfrage genügt nicht fOLG. Dresden in S. A. 42 Nr. 60; als Beispiele eines nicht präjudiziellen Rechtsverhältnisses vgl. ferner RG. in 2. A. 43 Nr. 228 (Zurück­ behaltungseinrede eines Nebenintervenienten), 47 Nr. 158, 53 Nr. 254 (gleichzeitige Anhängig­ keit desselben

Anspruchs gegen

eine

andere Person) u. in I. W. 1897 2. 342, 367].

Daß

eine Entscheidung in dem anderen Rechtsstteite für die Parteien des auszusetzenden Rechtsstteits Rechtskraft begründe, ist nicht nothwendig (eeuffert Sinnt. 1; vgl. auch oben § 66 Amu. 2). Sluch genügt es, wettn das im Streite befangene Recht (z. B. ein Erziehungsrecht) durch den anderen Rechtsstreit nur für die Zukunft in Frage gestellt wird (vgl. RG. in Blum, Urth. tt. Amt. 2 S. 102; vgl. auch §§ 257—259). Insbesondere gehören hierher solche Fälle, in denen die Feststellungsklage des § 256 oder die präjudizielle Zwischenklage oder Zwischenwider­ klage des § 280 in einem andern Prozeß erhoben worden,

oder in denen derselbe Klagantrag

in verschiedenen Prozessen auf verschiedene Klagegründe gestützt ist (vgl. RG. 27 2. 390 [oer. Civils.]). Anders, wenn der jetzt erhobene Anspruch selbst bereits anderweit anhängig ist; alsdann ist die Klage

nach § 263 auf Grund

der Einrede der Rechtshängigkeit abzuweisen

(s. Prot. 2. 542 f., RG. 3 2. 401, 16 S. 369, OLG. Cüln tut Rh. A. 95 I 2. 81). Wird die Einrede der Rechtshängigkeit nicht erhoben, so gehen beide Prozesse neben einander her; § 148 giebt in diesem Falle keine Slussetzungsbefugniß (2euffert Slnm. 1; vgl. § 263 Sinnt. 3 a. E., 2chollmeyer,

Kompens.

S. 46 f.

Sl.M.

Pierhaus

in Busch 5

2.

74, Wilm. Levy Sinnt. 1,

Planck I 2. 94 f., 273, 275 ff., der aber je nach Umstanden eine stillschweigende Uebereinkunst der Parteien, den früherett Rechtsstreit fallen zu lassen, annimmt). Ueber den Fall, daß einer Klage, die einen bereits tut Wege einer Aufrechnung erhobenen Slnspruch geltend tttacht, die Einrede der Rechtshängigkeit oder dem Slufrechnungseinwande die Replik der Rechtshängigkeit entgegengesetzt wird, s. § 263 das. 50 Nr. 127.

Sinnt. 3; vgl.

auch RG. in

Fn allen Fällen, in welchen die Vorfrage bildet,

hängt die

Slussetzttng

lediglich

uont

den

2.

Sl. 49 Nr. 203, OLG. Hamburg

Gegenstand eines anderett Rechtsstreits

Ermessen

des

Gerichts ab („kann").

fDgl.

2chollmeyer, Zwischenstreit 2. 35.] Fst die Möglichkeit, daß widersprechende Entscheidungen über dasselbe Rechtsverhältnis; ergehen, nur eine entfernte und andererseits die Aussetzung für eine Partei voraussichtlich von schweren Nachtheilen, so ist die Slussetzung nicht angemessett

(RG.

in I. W. 1900 2. 49). Indessen kann sie zuweilen aus anderett Gründen nothwendig feilt, z. B. BGB. § 1329 u. unten §§ 151—154. Erfolgt die Sittssetzung nicht, so bleiben die in den beiden Prozessen ergehenden Etttscheidmtgen

ttnabhängig

neben einander bestehen (vgl.

auch Endemann I 2. 493, Planck I 2. 96). Erfolgt die Slussetzung, so ist die Entscheidmtg im Borprozesse für den ausgesetzten Prozeß nur bindend, falls sie für die Parteien des aus­ gesetzten Prozesses Rechtskraft begrüitdet (Seuffert Sinnt. 1). Der § 148 wird auch entsprechende Anwendung in Fällen finden, in denen zufolge eines Theilurtheils der Prozeß theils in erster,

theils in zweiter Instanz anhängig ist; der Richter

erster Instanz kann alsdann, wenn die Etttscheidung zweiter Instanz für den in erster anhängig gebliebenen Theil präjudiziell ist, das Verfahren erster Instanz bis zur Entscheidung in der Berufungsinstanz aussetzen (vgl. Lüning in Busch 4

2.

165 N. 219).

2) Ist die Vorfrage von einer Verwaltungsbehörde festzustellen, so kann die Aussehung auch erfolgen, wenn das Verfahren vor letzterer noch nicht anhängig ist (vgl. OLG. Oldenburg in 2. SL 48 Nr. 139). Ob eine solche Vorfrage vorliegt, hängt im Allgemeinen vom Venvaitungsrechte der gesetzgebung

ab.

einzelnen Bundesstaaten, in

einzelnen Füllen von der Reichs­

Fälle der letzteren Art s. in §§ 39—42 d. Rayonges.

v. 21. Dez. 1871

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 149.

191

§ 149* (140.) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Ent­ scheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. 9t. E«1W. § 320.

Entw. I. § 133.

Gntw. II. § 134.

Gntw. III. § 134.

»tot.

Z. 136. PtpU Z. 55. (RGBl. 5. 459), §§ 150, 155 d. Reichsbeamtenges. v. 31. März 1873 (RGBl. 3. 61, RS. 12 3.70), §115 d. Militärpensionsges. v. 27. Juni 1871 (RGBl. S. 275) — vgl. RGes. v. 14. Januar 1894 § 6 Abs. 2, RGes. v. 13. Juni 1895 § 13 —, §§ 36—40 d. Strandungs-O. v. 17. Mai 1874 (RGBl. S. 73, RG. 5 S. 89, 7 3. 64), §§ 104, 106 d. Seemanns-O. v. 27. Dez. 1872 (RGBl. 3. 409), Krank.-Vers.-Ges. in der Fass, des Ges. v. 10. April 1892 § 58 (RGBl. 3. 379, 417) u. s. n>., Fülle der ersten Art s. in § 5 ds preuß. Ges., betr. d. Erweiterung b. Rechtsweges, v. 24. Mai 1861 (GS. S. 241), § 23 des preuß. Pensionsges. v. 27. März 1872 (GS. S. 268) - vgl. Ges. v. 30. April 1884 (GS. S. 126) — u. s. ro. (Dgl. Klöppel in Gruchot 36 S. 723.) Ist, wie solches vorkommt (s. die obigen Fälle), zugleich vorgeschrieben, daß die Vorfrage nur von der Verwaltungsbehörde festgestellt werden kann, und liegt dem Kläger die Einholung dieser Entscheidung ob, ehe geklagt werden darf, so tritt nicht Aus. setzung der Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung jener Frage ein (vgl. Gaupp Nr. IIB), sondern die Klage ist wegen zeitweiliger Unzulässigkeit des Rechtswegs zur Zeit zurückzuweisen (Seuffert Anm. 2, Stint. Levy a. a. O., Petersen Nr. 8, A. Förster Anm. 1 a. E. it. A.). Vgl. auch RG. 2 S. 63. Im Uebrigen hängt auch hier die Aussetzung vom Ermessen des Gerichts ab. (Vgl. namentlich Hauser in s. Z. f. Reichs, u. Landesrecht 4 S. 257 ff., 293; s. auch Wach I S. 87 Anm. 22, Schollmeyer, Kompens. S. 47 Anm. 1.) Erfolgt die Aus. setzung, so ist — abgesehen von besonderen Vorschriften der Reichs- und Landesgesetze — das Gericht nicht an die Entscheidung der Verwaltungsbehörde gebunden, ebensowenig im utngekehrten Falle die letztere an die Entscheidung des Gerichts. Unter den „Verwaltungsbehörden" sind hier — im Gegensatze zu § 17 GVG. — die Verwaltungsgerichte mitbegriffenß der betreffende Zusatz daselbst beruht auf einem Beschlusse der RTK. v. 1875, aus welchem keine weiteren Schlüffe gezogen werden dürfen (ebenso Endemann I S. 494, Petersen Nr. 9 u. A.). Nicht hierher gehören dagegen die zur Ent­ scheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Justiz und Verwaltung berufenen Behörden (Sarwey I S. 234. A M. Endemann I S. 494). Dgl. z. B. Preuß. Verordn, v. 1. Aug. 1879 §7 (GS. S. 573). Segen Aussetzung mit Rücksicht auf ein beim Patentamte schwebendes Nichtigkeitsverfahren s. RG. in I. S. 1899 S. 573. 3) In beiden Arten von Füllen ist es gleichgültig, ob die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder nur zum Theil von der Vorfrage abhängt; unter der letzteren Voraussetzung wird häufig eine Trennung (§§ 145, 146J angezeigt sein (RG. 24 S. 382). 4) Auch ein Urkundenprozeß kann nach § 148 ausgesetzt werden (RG. in A S. 1899 3. 740, Petersen Nr. 2, Stirn. Levy Anm. 3. A.M. OLG. Dresden in Busch 7 S. 98, OLG. Cöln im Rh. A. 95 1 S. 40 - vgl. RG. das. 76 III S. 83 Stein Urk.-Proz. S. 170 ff. Vgl. § 149 Antu. 1), nicht aber lediglich auf Grund von Einwendungen, die in dieser Prozeß, art nach § 595 unzulässig sind (RG. in I. S. 1898 3. 68). Andererseits ist der Fortgang der Sache im ordentlichen Verfahren durch den Eintritt der Rechtskraft des den Vorbehalt der Rechte enthaltenden Urtheils nicht bedingt (RG. in Gruchot 44 S. 457). Unter § 148 fällt auch der eine einstweilige Verfügung betreffende Rechtsstreit (RG. in I. S. 1890 3.45; vgl. das. 1898 3. 4). 3. jedoch auch § 600 Anm. 3. §149. 1) In den Fällen des § 149 ist die Aussetzung stets freigestellt, da nach EG. z. CPO. § 14 die Entscheidung des Strafrichters den Civilrichter niemals bindet; weil letzterer aber

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Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 150.

§ 150. (141.) Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. -r. Ent». § 320. ent». I. § 134. S. 136. Prot. $. 55.

Ent». II. § 135.

Ent». III. § 135. «ot.

thatsächlich sich meist nach ihr richten wird (vgl. das. Anm. 3), so wird sich die Aussetzung in der Regel empfehlen. § 149 ist auch im Urkundenprozeß anwendbar. (RG. 13 S. 377, Stein a. a. O. S. 171; vgl. auch § 148 Anm. 4.) 2) „sich — ergiebt" — Dies ist auch der Fall, wenn dem Civilgerichte der Verdacht nach Eröffnung des Sttafverfahrens entsteht, nicht bloß — wie Endemann I S. 495 meint — wenn vor Eröffnung des Sttafverfahrens dessen Ausgang sich als erheblich für einen Civilprozeß herausstellt (vgl. Petersen Nr. 10, Sarwey I S. 235 f.). „im Laufe eines Rechtsstreits"-------d. h. solange in dem Rechtsstteite noch nicht rechtsttüfttg erkannt ist, da nur bis 311 diesem Zeitpunkte die Ermittelungen im Sttafverfahren (abgesehen von § 578) Einfluß auf die Entscheidung haben können. Liegt aber nur ein — wenngleich rechtskräftiges — bedingtes Endurtheil vor, so kann mit Rücksicht auf § 470 eine Aussetzung zulässig sein (RG. 35 S. 416, Wilm. Levy Anm. 1. A.M. Kühnas in Busch 9 S. 279 ff.; vgl. auch Hergenhahn das. 15 S. 34 ff.). Aus dem obigen Grunde findet auch in der Revisionsinstanz eine Aussetzung nicht statt (RG. 11 S. 365, in I. W. 1895 S. 326). 3) „der Verdacht einer strafbaren Handlung" — sei es gegen eine Pattei, einen sonst Betheiligten, z. B. Zeugen, oder auch einen beim Prozesse nicht Betheiligten (z. B. wegen Urkundenfälschung). Vgl. RG. 15 S. 427. 4) „von Einfluß" — Die Ermittelung der strafbaren Handlung (z. B. eines Mein­ eids) muß, wenngleich nur mittelbar (z. B. wegen der Zulässigkeit eines Zeugen), für die Ent­ scheidung des Rechtsstteits erheblich sein. 5) „Erledigung des Strafverfahrens" — vgl. StPO. §§ 168 ff., 196, 203, 259, 431 ff. Die Wiederaufnahme des Eivilverfahreno findet auch von Amtswegen statt (vgl. § 150). Daß die Erledigung nahe bevorstehe, ist nicht Voraussetzung (RG. in I. W. 1897 S. 529 Nr. 3). §15«. 1) Weil die fraglichen Anordnungen lediglict) prozeßl eiten der N atu r sind, können sie von dem Gerichte selbst zurückgenommen werden, die eine Trennung (§§ 145, 146) oder Ver­ bindung (§ 147) betreffenden nur auf Wnuib mündlicher Verhandlung (s. auch Schollmeyer, Kompens. S. 168, RG. 24 S. 367), die eine Aussetzung betreffenden (§§ 148, 149) auch auf Grund einer Beschlußfassung ohne zuvottge mündliche Verhandlung, mag die Beschlußfassung von Amts­ wegen oder auf Parteiantrag (A.M. Gaupp 5tr. II 2, Planck I S. 324) geschehen, mit schrift­ licher Zustellung nach § 329 Abs. 3 (s. § 248 Abs. 2, §§ 142-144 Anm. 1, RG. 29 S. 383, Wilm. Levy Anm. 4, Petersen Nr. 4, Seuffert Anm. 4; vgl. aber §§ 148, 149 Anm. 2 u. § 151 Anm. 1 a. E. A.M. A. Förster Anm. 1 c.). Aufhebung des Trennungsbeschlusses kann selbst­ verständlich nicht erfolgen, wenn die getrennten Prozesse bei verschiedenen Gettchten oder in verschiedenen Instanzen anhängig find. Außerdem findet gegen die Aufhebung der Aussetzung sofortige Beschwerde, gegen die Ablehnung der Aufhebung einfache Beschwerde statt (§ 252, Seuffert Anm. 4 u. A. A.M. v. Bülow Anm. 3, A. Förster a. a. O.); gegen die eine Trennung oder Verbindung betteffenden Anordnungen findet nach dem Grundsätze des § 567 keine Beschwerde statt, weil diese Fälle in dem Gesetze nicht besonders hervorgehoben sind und der Anordnung stets eine mündliche Verhandlung hat vorausgehen müssen. (Vgl. OLG. Jena in S. A. 39 Nr. 247, RG. 24 S. 367.) Dagegen können diese Anordnungen, wenn der Prozeß oder die Prozeffe in Folge der Berufung gegen das Enduttheil in die zweite Instanz gelangen, unter Umstünden

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 151.

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§ 151. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Ehe nichtig ist, so hat das Gericht, wenn die Nichtigkeit nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, auf Antrag das Verfahren auszusetzen und, falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist, eine Frist zur Erhebung der Klage zu bestimmen. Ist die Nichtigkeitsklage erledigt oder wird sie nicht vor dem Ablaufe der bestimmten Frist erhoben, so ist die Aufnahme des ausgesetzten Ver­ fahrens zulässig. Rov., E. I: § 139 «bs. r, E. 11., G. III: § 141a; «egr. r. 92 f.; Mot. z. S«. z. B«B. L. 74; Prot. z. «G«. V. Z. 134, VI. L. 647 f., 787 ff.

auf Grund des § 512 der Beurtheilung des Berufungsgerichts unterbreitet werden (RG. 24 3. 423). Letzteres kann alsdann nach seinem Ermessen für die Zukunft die Anordnung des ersten Richters bestätigen oder aufheben, darf aber nicht, wenn es über die Zweckmäßigkeit der Anordnung anderer Ansicht ist als der erste Richter, die Sache auf Grund des § 539 an das Gericht erster Instanz zurückverweisen, weil das Verfahren dieserhalb keinesfalls an einem wesentlichen Mangel leidet. (Vgl. Endemann I S. 495. A.M. theilweise Gaupp Nr. I, Schollmeyer, Zwischenstreit S. 167 ff. u. A.) Vgl. hinsichtlich der Rechtsmittel gegen eine Trennung auf Gnmd des § 145 auch RG. in I. W. 1888 S. 423 Nr. 3. 2) Wird die Aussetzung von Amtswegen aufgehoben, so sind die Parteien von Amts­ wegen zu laden (§ 214 Amn. 2, Mot. S. 159, Sarwey I S. 237; vgl. Planck 1 S. 468, 523. A.M. Petersen Nr. 4, Seuffert Anm. 4, Gaupp Nr. II, Bilm. Levy Anm. 4, Fischer in Gruchot 25 3. 673) ; § 250 steht dem nicht entgegen (f. Kleiner I S. 542 ff.).

SS 151-155. 1) Der § 148, der die Aussetzung des Rechtsstreits zum Zwecke der Erledigung von Vorfragen dem Ermessen des Gerichts überläßt, genügt nicht in Fällen, in denen die Nichtig­ keit (§ 151) oder Anfechtbarkeit (§ 152) einer Ehe, die Ehelichkeit eines Kindes (§ 153) oder — zwischen den Parteien — das Bestehen oder Nichtbeftehen familienrechtlicher Verhältnisse (§ 154 Abs. 1, 2) in einem anhängigen Prozefle streitig wird. Gründe deö öffentlichen Interesses (vgl. §§606 ff., 640 ff., Begr. S. 126, 131; BGB. §§ 1329, 1341 Abs. 1, 1343 Abs. 2, 1596 Abs. 1, 3) erfordern, daß diese Fragen in einem besonderen, jenem Interesse Rechnung tragenden Verfahren zur Erledigung gelangen. Die Nov. bestimmt daher in den §§ 151—154, daß in diesen Füllen der anhängige Rechtsstreit ausgesetzt werden muß („hat"), bis jene Fragen in dem von Grundsätzen des öffentlichen Rechtes beherrschten Verfahren in Ehesachen oder in dem ihm nachgebildeten Verfahren der §§ 640 ff. entschieden sind. In den Fällen der §§ 151 (Nichtigkeit einer Ehe) und 154 (Bestehen oder Nichtbestehen familienrechtlicher Derhältniffe zwischen den Parteien) hat die Aussetzung auch dann zu geschehen, wenn über diese Vorfragen ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist. 2) Die Aussetzung erfolgt nur auf Antrag; dem gestellten Antrage muß entsprochen werden — anders in §§ 148, 149. Da aber jene Vorfragen regelmäßig nur int Wege der besonders gegebenen Klagert (BGB. §§ 1329, 1341 Abs. 1, 1343 Abs. 2, 1596 Abs. 1, 3) er­ ledigt werden können, ist zur Herbeiführung einer Entscheidung jener Vorfragen die Aussetzung des anhängigen Rechtsstreits erforderlich; anderenfalls bleiben sie in biefem Rechtsstreit un­ berücksichtigt (vgl. Mot. zu EG. d. BGB. S. 74 § 139; Planck, BGB. IV Vordem. V vor § 1323). Einer Bestimmung, daß das Gericht den anhängigen Rechtsstreit von Amtswegen auszusetzen habe, bedurfte es daher nicht. 3) Zur Verhinderung von Verschleppungen gewährt § 155 dem Gericht in beit Fällen der §§ 151—153 die Befugnis;, auf Antrag die das Verfahren aussetzende Anordnung unter gewissen Voraussetzungen wieder aufzuheben. Für den Fall des § 154 bedurfte es dieser Vor­ schrift nicht. Denn hier vollzieht sich der Rechtsstreit unter denselben Parteien, während in Struckma»» n. Koch, Tivilprvjeßoidaung. 8. ÄejL I. 13

194

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 152.

§ 152. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine im Wege der Anfechtungsklage angefochtene Ehe anfechtbar ist, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen. Ist der Rechtsstreit über die Anfechtungsklage erledigt, so findet die Auf­ nahme des ausgesetzten Verfahrens statt. Sie»., «. II., «. III. § 141b; Segt. *. 92 f.; Mot. , «««. V. Z. 134, VI. 647 f., 787 ff,

E«.

««». Z. 74; Prot.

den Füllen der §§ 151 — 153 keine der Parteien des Hauptprozesses in dem anderen Prozesse betheiligt zu sein braucht (vgl. Prot. z. BGB. VI S. 788). 4) Ueber die Wirkung der Aussetzung s. § ‘249, über die Rechtsmittel gegen Anordnung oder Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens s. § 252. § 151.

1) „ob eine Ehe nichtig ist" — Nichtigkeit einer Ehe liegt nur in den im BGB. §§ 1324—1328 bestimmten Füllen vor. Die Nichtigkeit kann regelmäßig nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden (BGB. § 1329; vgl. unten §§ 606, 629, 631—637). Dieser Klage bedarf es auch dann, wenn die für die Eheschließung vorgeschriebenen Formen nicht beobachtet sind; ausgenommen, wenn die Ehe nicht in das Heirathsregister eingetragen ist (§ 1329 a. a. O.). Eine anderweite Geltendmachung der Nichtigkeit ist in den angegebenen Füllen ausgeschlossen, solange nicht die Ehe bereits für nichtig erklärt oder — sei es durch Tod (s. § 628), Todeserklärung (s. BGB. § 1348 Abs. 2) oder Scheidung — aufgelöst ist (§ 1329 a. a. £>.); die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (BGB. § 1575) gehört nicht hierher. Ueber den Fall, daß unter den Parteien das Bestehen ihrer Ehe streitig ist, s. unten § 154 u. §§ 151 — 155 Sinnt. 3. „so hat — auf Antrag" — Durch die Bestimmungen „hat" und „auf Antrag" weicht § 151 von den Vorschriften der §§ 148, 149 ab. Aber wie in den Fällen der §§ 148, 149 kann die Aussetzung nur auf Grund mündlicher Verhandlung geschehen, ohne welche die Frage, ob die Entscheidung des Rechtsstreits von der Vorfrage abhängt, nicht geprüft werden kann (Gaupp Nr. II). Dgl. §§ 148, 149 Anm. 2. Bei schon anhängiger Nichtigkeits­ klage kann das Gericht nach § 148 auch von Amtswegen aussehen (Gaupp Nr. II, Petersen Nr. 2). 2) „falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist" — Für die Aussetzung des Rechtsstreits ist es nicht erforderlich, daß die Nichtigkeitsklage bereits anhängig ist (vgl. §§ 151—155 Anm. 1, § 154). Wird die zur Erhebung der Nichtigkeitsklage bestimmte Frist nicht eingehalten, so kann der Gegner den ausgesetzten Prozeß aufnehmen (§ 250). Vgl. § 155 über die Befugnis; des Gerichts, die das Verfahren aussetzende Anordnung auf Antrag aufzuheben. 3) Erfolgt die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens, ohne daß die Ehe ffir nichtig erklärt oder die Nichtigkeitsklage in der festgesetzten Frist erhoben ist (Anm. 2), so ist in betn weiteren Verfahren die Ehe als gültig zu behandeln. Nur in den Ausnahmefällen, in denen es der Nichtigkeitsklage nicht bedarf (vgl. Anm. 1), kann das Gericht über die Nichtigfeit frei entscheiden (Gaupp Nr. V u. oben §§ 151—155 Anm. 2). 4) DaS auf die Nichtigkeitsklage ergehende Urtheil wirkt nach Maßgabe des § 629 für und gegen Alle. § 152.

1) „ob eine — Ehe anfechtbar ist" — Anfechtbar ist eine Ehe nur in den Füllen des BGB. §§ 1331—1335, 1350. Solange eine anfechtbare Ehe nicht für nichtig erklärt oder aufgelöst ist, kann die Anfechtung nur durch die Anfechtungsklage erfolgen (§§ 1341 Abs. 1, 1343 Abs. 2 u. unten §§ 606 ff.). In diesen Fällen hat jedoch das Gericht — anders als in

Erster Titel.

Mündlich« Verhandlung. §§ 153, 154.

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§ 153. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob ein Kind. dessen Ehelichkeit im Wege der Anfechtungsklage angefochten worden ist, unehelich ist, so finden die Vorschriften des §. 152 ent­ sprechende Anwendung. «ov., E. II., E. III: § 141c; Vegr. G. 92 f.; Mot. z. EG. z. VGV. T. 74; Prot, z. «G«. V. G. 134; VI. E. 647 f., 787 ff.

§ 154. Wird im Laufe eines Rechtsstreits streitig, ob zwischen den Parteien eine Ehe bestehe oder nicht bestehe, und hängt von der Entscheiduna dieser Frage die Entscheidung des Rechtsstreits ab, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen, bis der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe im Wege der Feststellungsklaae erledigt ist. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung^ wenn im Laufe eines Rechtsstreits streitig wird, ob zwischen den Parteien ein Elternund Kindesverhältniß bestehe oder nickt bestehe oder ob der einen Partei die elterliche Gewalt über die andere zustehe oder nicht zustehe, und von der Entscheidung dieser Fragen die Entscheidung des Rechts­ streits abhängt. «ov., E. I: § 139 «bs. 3, E. II. $ 141a, E. III. § 141 d; «egr. E. 92 f.; Mol. z. EG. z. »G«. G. 74; Prot. z. «G«. V. «. 134, VI. G. 647 f., 787. §§ 151, 154 — das Verfahren auf Antrag (vgl. § 151 Kirnt. 1) nur dann auszusetzen, wenn die Anfechtungsklage bereits anhängig ist („angefochtene Ehe"). Nicht erforderlich ist, daß die angefochtene Ehe gerade zwischen den Parteien des auszusetzenden Verfahrens besteht (Gaupp Nr. II a. A.M. Petersen Nr. 3; vgl. §§ 151—155 Anm. 3). „Ist der Rechtsstreit - erledigt" - vgl. §§ 628, 629, BGB. § 1341 Abs. 2. Wird der Rechtsstreit über die Anfechtungsklage durch den Tod eines Ehegatten erledigt (§ 628), so kann das Gericht in dem aufgenommenen Verfahren über die Frage der Anfechtbarkeit der inzwischen aufgelösten Ehe frei entscheiden (Gaupp Nr. III). 2) Ueber Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens s. § 250, über Fälle, in denen zwischen den Parteien das Bestehen ihrer Ehe streitig ist, s. h 154 und §§ 151—155 Anm. 3.

8153. „ein Kind, dessen Ehelichkeit — angefochten ist" — Die Ehelichkett eines Kindes kann zu dessen Lebzeiten nur mit der Anfechtungsklage (BGB. § 1596) angefochten werden, vor deren Erledigung die Unehelichkeit anderweit nicht geltend gemacht werden kann (Abs. 3 a. a. O.). Vgl. unten §§ 641—643. Dem Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits ist nur stattzugeben, wenn die Anfechtungsklage bereits anhängig ist. Dgl. § 152 Anm. 1, dessen Vorschriften entsprechende Anwendung finden. Sttrbt das Kind vor Erledigung der Anfechtungsklage, so kann das Gericht in dem aufgenommenen Verfahren über die Frage der Ehelichkeit frei entscheiden.

§154. 1) Abs. 1: „ob zwischen den Parteien eine Ehe — bestehe" — Die Nov. hat auch diejenigen Rechtsstteitigkeiten, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände haben, den Vorschriften über das Derfahren in Ehesachen unterstellt (vgl. §§ 606, 617 Abs. 3, 622 Abs. 2, 629 Abs. 2, 633, 638), da die Herstellung des der wirklichen Rechtslage entsprechenden Zustandes im öffenllichen Interesse liegt (vgl.Begr. S. 126, 131, 134; s. auch §§ 151—155 Anm. 1 u.Vordem.5 u.7 vor § 606). Die im Laufe eines Prozesses zwischen den Patteien streitig werdende Frage, ob ihre, in Ansehung 13*

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Erstes Buch. Allgem. Bestiulnumgen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 155.

155. In den Fällen der §§. 151—153 kann das Gericht auf An­ trag die Anordnung, durch welche das Verfahren ausgesetzt ist, auf­ heben, wenn die Betreibung des Rechtsstreits verzögert wird, welcher die Nichtigkeit oder die Anfechtung der Ehe oder die Anfechtung der Ehelichkeit zum Gegenstände hat. Ro».. E. III: § 141a; ««gr. Z. 92 f.; Prot. z. »«». VI. Z. 648, 787 ff.

der Form gültige Ehe zu Recht bestehe ober nicht, ist daher nicht in dem anhängigen, sondern in einem besonderen Rechtsstreit aufzutragen, in welchem der Verfügung der Parteien ein geringerer Spielraum als im regelmäßigen Verfahren überlassen ist. Hierdurch wird eine einheitliche Feststellung aller durch das Bestehen oder Richtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien bedingten Verhältnisse gesichert (vgl. Begr. 2. 93). „so hat das Gericht — auszusetzen" — Entsprechend dem Falle der Nichtigkeitsklage (§ 151), mit der die Mlnfle ans Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien eine innere Verwandtschaft hat (Begr. 2. 134), muß dem Antrag auf Aussetzung des anhängigen Rechtsstreits auch dann entsprochen werden, wenn die Feststellungs­ klage noch nicht erhoben ist (Gaupp Nr. I). Abweichend von § 151 bedarf es hier aber nicht der Bestimmung einer Frist zur Erhebung einer Klage, da sich der FeststeUungsstreit zwischen denselben Parteien vollzieht und daher die Wahnmg von Interessen eines daran nicht Be­ theiligten — wie im § 151 — nicht in Betracht foimiit (vgl. §§ 151—155 Anm. 3). 2) Abs. 2 bringt die Vorschrift des Abs. 1 über die Aussetzung eines anhängigen Pro­ zesses für diejenigen Fälle zur Anwendung, welche zufolge § 640 in einem dem Verfahren in Ehesachen entsprechend geordneten Verfahren zu erledigen sind. Die Aehnlichkeit der Rechts­ lage rechtfertigt die gleiche Behandlung (vgl. Begr. 2. 134). Auch in den Fällen des Abs. 2 hat die Aussetzung die Anhängigkeit des Rechtsstreits über die für die Entscheidung maßgebende Frage nicht zur Voraussetzung; ebensowenig bedarf es hier der Bestimmung einer Frist zur Erhebung des anderweiten Rechtsstreits (vgl. Anm. I a. E.). § 155. 1) „In den Fällen der $$ 151 — 153" in denen die Interessen einer Partei in Betracht kommen, welche außerhalb des anderweiten, die Nichtigkeit oder die Anfechtung einer Ehe oder die Anfechtung der Ehelichkeit betreffenden Rechtsstreits steht (vgl. dagegen Z 154 Anm. 1 das. a. E. u. Anm. 2 das.), gewährt § 155 dem Gerichte die Befugnis; („kann" — vgl. tztz 151—155 Anm. 3), auf Antrag (vgl. Petersen Nr. 2) die Anordnung, durch welche das Verfahren ausgesetzt ist, zur Vermeidung einer Verschleppung des Prozesses aufzuheben. Statt eines hierauf gerichteten Antrags kann die Pattei and) in dem anderen Rechtsstreite gemäß § 69 in Verbindung mit $$ 629 Abs. 1, 643 als 2treitgenosse — nach der Begr. S. 93 li. Petersen Nr. 1 als Streitgenosse ihres (Gegners; sie dürfte jedoch in dem anderen Rechtsstreite den gleichen Standpunkt wie im eigenen Prozesse vertreten und daher als Streitgenosse der Partei, welche die (Gültigkeit der Ehe vertheidigt (vgl. Planck, BGB. IV Vordem. V vor § 1323, Gaupp Nr. I u. II) — eintreten und so den Fortgang der Sache ihrerseits sicheni (vgl. auch Prot. z. BGB. VI 2. 648.. Auf diesen mir 'Weiterungen und Motten verbundenen Weg ist aber die Partei nach § 155 nicht beschränkt, wenn ihr Prozeßgegner die Betreibung des anderweiten Rechtsstreits verzögert. Der § 150, der dem (Bericht eine weitergehende Befugnis; zur Wiederaufhebung der angeordneten Aussetzung gewährt, findet in den Fällen der ZZ 151 — 153 ebensowenig wie in dem Falle des $ 154 Anwendung (Petenen Nr. 3 n. das. t? 154 Nr. 1). 2) „aufheben" — Wird die Anordnung der Aussetzung aufgehoben, so wird in dem aufgenonimenen Verfahren das Vorbringen, welches zu der Aussetzung Anlaß gegeben hat, nicht mehr berücksichtigt (Begr. 2. 93); es ist somit die Rechtsbeständigkeit der Ehe oder die Ehelichkeit des Kindes zu unterstellen (Gaupp Nr. II; vgl. §§ 151 — 155 Anm. 2, 151 Anm. 3).

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§§ 156, 157.

197

§ 156. (142.) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, welche geschloffen war, anordnen. R. Gntw. § 322. Entw. I. § 135. 2* 136. ^rot. 6. 55.

Entw. IT. § 136. Eutw. Ili. § 136. «ot.

§ 157. (143.) Das Gericht kann Parteien, Bevollmächtigten und Bei­ ständen, denen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrage mangelt, den weiteren Vor­ trag untersagen. 3) Gegen den Beschluß, welcher auf den nach § 155 gestellten Antrag ergeht, findet nach Maßgabe des § 252 das Rechtsmittel der Beschwerde oder der sofortigen Beschwerde statt (Petersen Nr. 3). §156. 1) Von dieser Befugniß ist Gebrauch zu machen, wenn fich bei der Berathung ergiebt, das; die Sache nicht vollständig erörtert, insbesondere das Fragerecht nicht genügend ausgeübt ist (vgl. Ude in Busch 10 S. 92 ff., §§ 136, 139). Infolge der Wiedereröffnung wird die geschlossene Verhandlung ihrem ganzen Umfange nach von neuem eröffnet, so daß fich die neue Verhandlung „auch auf andere Punkte erstrecken kann, als welche zur Wiedereröffnung den Anlaß gegeben haben" (Mot.), und Versäumtes nachgeholt werden kann. Ist die Vervollständigung beschlossen, so kann das Gericht nicht ohne diese deshalb zur Sache erkennen, well eine oder beide Parteien bei der Verkündung jenes Beschluffes nicht mehr anwesend warm (RG. 41 S. 377). Die neue Verhandlung ist zwar eine Fortsetzung der geschlossenen, gleichwohl aber kann in ihr gegen die Partei, welche früher bereits verhandelt hat, gehörige Verkündung des Termins oder Ladung, sowie Wahrung der Ladungsfrist vorausgesetzt (Amn. 2), nach § 332 beim Ausbleiben ein Versäumnißurtheil erfassen werben (Seuffert Anm. 1, A. Förster Anm. 2. Abw. Wilm. Levy Anm. 2). Andererseits darf die Wiedereröffnung nicht lediglich zu dem Zwecke erfolgen, um der erschienenen Partei ihr Recht auf Versäumnißurthell, welches sie durch die bereits vollendet vorliegende Versäumniß erworben hat, zu entziehen (vgl. auch Gaupp Nr. III, Planck I S. 510 N. 44, S. 514 u. II S. 356, Troll, Versäumnißurtheir S. 15, Schwalbach im c. A. 66 S. 261). Ebenso ist sie behufs Vorbringung neuer Thatsachen oder Beweismittel oder darauf gestützter Anttüge unzulüsstg (R8.16 S. 417 u. in S. A. 41 Nr. 231, 42 Nr. 262, in Gruchot 39 S. 1132, in I. SB. 1897 S. 79, 342, ob.LG. f. Bayem in S. A. 50 Nr. 210). — Beschwerde gegen die Anordnung (§ 567) findet nicht statt (vgl. § 150 Anm. 1). 2) Der Beschluß ist zu verkünden. Er bedarf nicht der Begründung, ist auch im Ur­ theile nicht nothwendig zu erwähnen und kann zur Rechtferttgung eines RevifionSangriffs gegm dieses nicht herangezogen werden, well das Uttheil fich nur auf den in der mündlichm Ver­ handlung vorgettagenen Stteitstoff gründen kann (R8. in I. SB. 1893 S. 126, 1894 S. 261). Zu denl neu anzusetzendm Termine bedarf es zwar nach § 218 der Ladung nicht, die Ladung-fvift ist aber dennoch einzuhalten, weshalb, abgesehen von dem Einverständniffe der Parteim, nicht unmittelbar nach der Verkündung zur Fortsetzung der Verhandlung geschritten werben kann (vgl. § 218 Anm 1, RG. 41 S. 377, Planck I S. 514 N. 79. A.M. in letzterer Hinsicht Seuffert Annr. 1). Zst ausnahmsweise bei Verkündung jenes Beschluffes ein Verhandlungs­ termin nicht verkündet, so ist dieser von Amtswegen anzuberaumen; die Patteien find alsdann von Amtswegen zu faden (vgl. § 214 Anm. 2 c, Wilm. Levy § 195 Anm. 1, Sarwey I S. 237; vgl. auch für einen ähnlichen Fall Planck I S. 468). §157. 1) Abs. 1: Ueber die Folgen der Untersagung des Vortrags vgl. § 158 Anm. 4, 5 auch Sten. Ber. d. RT. 2. Leg.-Per. IV. Seff. 1876 S. 173 f. — Ist die Unfähigkeit der betteffenden Personen zum Dorttage gerichtskundig, so kann letzterer auch schon vor dem Beginne des Vor-

198

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 157.

Das Gericht kann Bevollmächtigte und Beistände, welche das mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine Anfechtung dieser Anordnung findet nicht statt. Die Vorschriften der Abs. 1, 2 finden auf Rechtsanwälte, die Vorschrift des Abs. 2 findet auf Personen, denen das mündliche Ver­ handeln vor Gericht durch eine seitens der Justizverwaltung getroffene Anordnung gestattet ist, keine Anwendung. W. «utw. §§ 138, 308. «Btt». I. § 136. «ett». II. !} 137. «Btt». III. § 137. 0t»t. e. 136,137. Prot. «. 55, 587. — 9t»»., «. III: § 143 «bs. 4; «cgr. Z. 93 f.; «om.-». «. 53 ff.; «t. ». L 375 ff., 3099 ff. trags, aber nicht vor Beginn der mündlichen Verhandlung (s. Seuffert Anm. 3), untersagt werden. — Nicht hierher gehören die Fälle der GVG. §§ 187—189. 2) Abs. 2 bezweckt, den sog. Winkeladvokaten entgegenzutreten. „Geschäftsmäßig" ist im gewöhnlichen Sprachgebrauche genommen, so daß der Nachweis der Vergütung nicht geführt zu werden braucht (Mot.). Die Zurückweisung hängt vom Ermessen des Gerichts ab („kann"); dieses ist nicht zur Zurückweisung verpflichtet (A.M. Kleinseller in Krit. V. 33 S. 367). Vgl. Anm. 5. Der Abs. 2 bezieht sich nur auf „das mündliche Verhandeln", nicht auf schriftliche Eingaben und Aufsätze. Diese sind durch die Reichsgesetzgebung keinen Schranken unter­ worfen. Die Vornahme derartiger Geschäfte für Andere ist daher keine Anmaßung eines öffent­ lichen Amtes nach § 132 StGB., während sie auf Grund landesgesehlicher Bestimmungen, welche die gewerbsmäßige Winkeladvokatur verbieten, strafbar sein kann (Rechtspr. d. RG. in Str.S. 3 S. 121). Vgl. jedoch Gew O. § 35. 3) Abs. 1 u. 2 finden nach RAO. § 25 Abs. 3 keine Anwendung auf Stellvertreter von Rechtsanwälten, sowie auf die im Justizdienste befindlichen Rechtskundigen nach zwei­ jährigem Vorbereitungsdienste, wenn sie einen Rechtsanwalt, ohne als dessen Stellvertreter bestellt zu sein, in Fällen vertreten, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, oder wenn sie unter Beistand des Rechtsanwalts die Vertretung der Parteirechte übernehmen. Dagegen fallen die noch nicht zwei Jahre im Vorbereitungsdienste befindlichen Rechtskundigen unter den § 157. Indessen wird von einer geschäftsmäßigen Vertretung (Abs. 2) nicht die Rede sein können, wenn und so lange sie als Vertreter eines Rechtsanwalts handeln. (Dgl. Sten. Ber. d. RT. 3. 9eg.-Per. II. Sess. 1878 2. 1468; Meyer, RAO. 2. Ausl. S.45ff., Dölk, RAO. S. 52 ff., Gaupp Nr. IV u. A.) Auch Gerichtsvollzieher unterliegen dem § 157; vgl. auch § 79 Anm. 2 a. (f.

4) Abs. 3: Auch die Gegenpartei hat kein Recht, die Anordnung anzufechten, durch welche die Zurückweisung in den Fällen des Abs. 1 u. 2 abgelehnt wird (RG. in 2. A. 53 Nr. 52). 5) Abs. 4 ist an Stelle der bisherigen Vorschrift: „Auf Rechtsanwälte finden die Vorschriften dieses Paragraphen keine Anwendung" durch die Nov. eingefügt, um eine thun l ich st gleichmäßige Behandlung der f. g. Rechts­ konsulenten oder Geschäftsleute — in Preußen „Prozeßagenten" genannt; s. weiter unten — bei den verschiedenen Gerichten herbeizuführen. Die unbeschränkte und unanfechtbare Zurückweisungsbefugniß, die der Abs. 2 dem Richter gegenüber gewerbsmäßigen Parteivertretern gewährt, hat bei der verschiedenartigen Handhabung seitens der einzelnen Gerichte mitunter zu Unbilligkeiten und Härten geführt und namentlich auch den Mißstand im Gefolge gehabt, daß der von einem Richter zurückgewiesene Vertreter vor einem anderen Richter ungehindert auftrat. Die neue Bestimmung schafft allerdings eine Unterscheidung zwischen „zugelassenen und nicht zugelassenen Rechtskonsulenten" (Kom.-Ber. S. 54). Die „Gestattung" seitens der Justizverwaltung hat die Wirkung, daß die in Abs. 2 gegebene Zurückweisungsbefugniß des einzelnen

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung. § 158.

199

§ 158. (144.) Ist eine bei der Verhandlung betheiligte Person zur Aufrechthaltung der Ordnung von dem Orte oer Verhandlung entfernt worden, so kann auf Antrag gegen fie in gleicher Weise verfahren werben, als wenn sie frei» willig sich entfernt hätte. Dasselbe gilt in den Fällen des vorhergehenden Para­ graphen, sofern die Untersagung ober Zurückweisung bereits bei einer früheren Verhandlung geschehen war. 9t. Errtw. § 329. Eutw. I. § 137. L. 137. Prot. G. 55, 527.

G»tw. II. § 138.

Eutw. III. § 138.

«ot.

Richters gegenüber dem zugelassenen Parteivertreter bis auf Weiteres wegfällt, gegenüber dem nicht zugelassenen ungeschmälert bestehen bleibt. Nur diejenigen, welchen nach § 35 GO. die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten polizeilich untersagt ist, hat auch im letzteren Falle der Richter zurückzuweisen (vgl. Kom.-B. S. 57, 64). „Justizverwaltung" — Der Landesjustizverwaltung ist es überlasten, zu bestimmen, ob die Entscheidung über die Zulaffungsgesuche von der Justizverwaltung der Centralinstanz, des Oberlandesgerichts, oder Landgerichtsbezirks erfolgen soll (vgl. Kom..B. S. 57, 63). Für Preußen s. Just.-M.-V. v. 25. Sept. 1899 (JMBl. S. 272), wonach die Zulassung von Prozeßagenten durch den Landgerichtspräfidenten erfolgt; für Bayern s. Bekanntm. v. 4. Januar 1900 (JMBl. S. 115). Vgl. auch Böhm in I. W. 1899 S. 724 f. Die Anordnung der Gestattung ist jederzeit widerruflich (vgl. Begr. S. 94; Kom.-B. 5. 57, 63); auch kann der Richter bei der Justizverwaltung jederzeit auf die Rücknahme der Zulaffung hinwirken (vgl. Kom.-B. S. 59). Ebenso kann die Zulassung örtlich und sachlich beschränkt werden (vgl. Begr. S. 94; Kom.-B. S. 59).

§158. 1) „eine-------Person---------entfernt worden" — f. § 178 GVG. 2) Ist eine Partei selbst oder deren Bevollmächtigter entfernt worden, so treten — sofern nicht eine Verlegung beschlossen wird („kann", Wach, Vortr. S. 156 ff.) — die Folgen der freiwilligen Entfernung einer Partei bei der mündlichen Verhandlung ein, wie solche fich aus den Bestimmungen über daS Dersäumnißverfahren (§§ 330 ff.) ergeben. Sie gestalten fich verschieden, je nachdem die entfernte Partei bereits verhandelt hat oder nicht. „Unter der ersteren Voraussetzung ist fie nur mit demjenigen ausgeschlossen, was fie noch nicht vorgebracht hat, wogegen das von ihr Vorgebrachte zu berücksichtigen ist; das Urtheil ist konttadiktorssch. Findet eine Fortsetzung der Verhandlung statt, so kann die Partei das in dem früheren Verhandlungstermine noch nicht Vorgebrachte nachholen, so daß in diesem Falle ihre Entfernung Nachcheile in der Sache nur insofern zur Folge hat, als auf Grund des bereits stattgehabten Verhandlungtermins erlassene Zwischenurtheile ihrem Vorbringen Schranken setzen. Unter der letzteren Voraussetzung ist die Partei als nicht erschienen zu betrachten (§ 333), mithin gegen sie auf Antrag ein Versäumnißurtheil zu erlassen." (Mot.) Wann aber anzunehmen ist, daß die Partei verhandelt habe, ist Thatfrage (s. die Anm. zu § 333). 3) Wird eine andere bei der Verhandlung betheiligte Person als die Partei, nämlich ein Zeuge oder Sachverständiger, entfernt (Nordd. Prot. S. 311), so treten für die betreffende Person nachtheilige Folgen nur dann ein, wenn auch ihre freiwillige Entfernung einen Nachtheil für sie mit sich bringt, z. B. für einen Zeugen, wenn er sich vor Beendigung seiner Vernehmung entfernt (vgl. § 380). Die Parteien können, wenn sie an der Anwesenheit der entfernten Person ein Interesse haben, die Vertagung der Verhandlung beantragen. 4) Sah 2: Die Worte: „bei einer früheren Verhandlung" ergeben klar, daß die in § 158 ausgesprochenen Folgen nicht sofort in der Verhandlung, in welcher die Untersagung oder Zurückweisung erfolgte, eintreten können, vielmehr zunächst eine Vertagung angeordnet

200 Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt. Verfahren.

§§ 159, 160.

§ 159. (145.) Ueber die mündliche Verhandlung vor dem Gerichte ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält: 1. den Ort und den Tag der Verhandlung; 2. die Namen der Richter, des Gerichtsschreibers und des etwa zugezogenen Dolmetschers; 3. die Bezeichnung des Rechtsstreits; 4. die Namen der erschienenen Parteien, gesetzlichen Vertreter, Bevollmäch­ tigten und Beistände; 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Oeffentlichkeit ausge­ schloffen ist. 9t. @ntto. §§ 360, 361. Entw. I. § 138. Mot. ®. 137. Prot. 55.

«utw. II. § 139. Eutw. III. $ 139.

§ 160. (146.) Der Gang der Verhandlung ist nur im Allgemeinen an­ zugeben. werden muß — und zwar auch dann, wenn die Partei, deren Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen ist, im Termine persönlich anwesend ist, aber nicht verhandeln will. Ferner ist dabei offenbar vorausgesetzt, daß eine frühere Verhandlung, wenn auch nicht die zunächst vorhergehende, gerade wegen der Untersagung oder Zurückweisung vertagt war, wie solches N. (5. § 329 ausdrücklich ausspricht. Daß zufällig in irgend einer früheren Verhandlung eine Untersagung oder Zurückweisung derselben Person vorgekommen ist, genügt nicht. (Vgl. Seuffert Amn. 4, Wcuipp Nr. II, Petersen Nr. 5, A. Förster Anm. ‘2a. A.M. Wilm. Levy Anm. 2, Endemann I 2. '>00.) — Zn Folge der Zurückweisung erlischt die dem Zurückgewiesenen ertheilte Vollmacht, z. B. in Betreff der Zustellungen, nicht (Petersen Nr. 4 u. A.). 5) Der Ungehorsam des bloßen Beistandes kann nach dessen prozessualer Stellung keine unmittelbaren Nachtheile für die Partei haben. Ist aber die Partei selbst oder ihr Bevollmächtigter trotz der Untersagung oder Zurückweisung in dem Termin, auf welchen ver­ tagt wurde, wieder erschienen und wird die Untersagung oder Zunickweisung von neuem aus­ gesprochen, so ist die Partei als nicht erschienen anzusehen und auf Antrag Versäumnißurtheil zu erlassen. §§ 159-164.

Literatur: H. Meyer in (Neinfeller, Die Funktionen des Vorsitzenden 2. 68 ff., Flemming im 2ächs. A. 8 2. 577 ff. Die Vorschriften der $§ 159—164 beziehen sich zunächst nur auf das über die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte von dem Gerichtsschreiber (§ 160 Anm. 7) aufzunehmende Protokoll (Sitzungsprotokoll). § 159 führt die Förmlichkeiten auf, die im Protokolle stets angegeben werden müssen. Vgl. StPO. §§ 272, 273. Die Nicht­ beobachtung dieser Förmlichkeiten hat nicht ohne Weiteres Ungültigkeit des Protokolls zur Folge; die Beweiskraft eines solchen mangelhaften Protokolls unterliegt dem Ermessen des Gerichts (vgl. § 418 Anm. 1, 3, Gaupp Nr. IV, Planck I 2. 133, ,n. Meyer in Gruchot a. a. O. S. 307 u. A.). Besondere Bestimmungen hinsichtlich des durch das Sitzungsprotokoll zu führenden Beweises und Gegenbeweises s. in §§ 164, 314. §160.

1) § 160 handelt davon, inwieweit der Inhalt der Verhandlung im Protokolle niedergelegt werden soll. Der Abs. 1 stellt die Regel auf, daß im Allgemeinen eine geschichtliche

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 160.

201

Durch Aufnahme in das Protokoll find festzustellen: 1. die Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der geltend gemachte Anspruch ganz oder theilweise erledigt wird; 2. die Anträge und Erklärungen, deren Feststellung vorgeschrieben ist; 3. die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen, sofern dieselben früher nicht abgehört waren oder von ihrer früheren Aussage abweichen; 4. das Ergebniß eines Augenscheins; 5. die Entscheidungen (Urtheile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, sofern fie nicht dem Protokolle schriftlich beigefügt sind; 6. die Verkündung der Entscheidungen. Der Ausnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, welche dem Protokolle als Anlage beigefügt und als solche in demselben be­ zeichnet ist. N. Eutw. § 362» Eutw. I. § 139» Eutw. II. § 140» T. 22-25, 137. »rot. G. 55 -57, 665.

Eutw. III. § 140»

Mot.

Schilderung der Vorgänge in der Verhandlung zu geben sei. Der Abs. 2 enthält Einzelheiten, welche, wenn sie vorgekommen sind, stets festgestellt werden müssen, also nicht bloß auf Antrag, sondern auch von Amtswegen, abgesehen jedoch theilweise von Nr. 2 (vgl. Anm. 3). Eine Feststellung setzt in den Fällen der Nr. 1—4 — aber auch nur in diesen — Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht an die Betheiligten und Genehmigung bezw. Angabe der gegen die Genehmigung erhobenen Einwendungen voraus (§ 162). 2) Abs. 2 Nr. 1: Nicht hierher gehören bloße „Geständnisse"; sie sind nach § 298 Abs. 2 nur auf Antrag festzustellen. Ueber den Unterschied zwischen „Anerkenntniß" und „Geständniß" vgl. die Anm. zu §§ 288—290, 307. „Verzichtleistungen": s. § 306 Anm. 2, „Vergleiche": §§ 510 Abs. 2, 794 Nr. 1 und 2. Ueber gerichtliche Beurkundung von Dergleichen außerhalb des Prozesses s. FGG. §§ 167 ff. Auch das Prozeßgericht ist, wenn die Vergleichsabreden über den Gegenstand des Rechtsstreits hinausgehen, insbesondere Erklärungen dritter im Prozesse selbst nicht betheiligter Personen umfassen, zur wirksamen Beurkundung des Vergleichs zuständig, soweit diese Abreden Bestandtheile des Prozeßvergleichs sind, insbesondere die Verpflichtungen des Dritten sich als Gegenleistungen darstellen, von denen der Abschluß des Prozeßvergleichs abhängig gemacht ist (vgl. § 794 Nr. 1 u. das. Anm. 1; Korn.-B. S. 65 f.; s. jedoch auch Eccius, D. % Z. 1893 S. 25). Die Feststellung der Anerkenntnisie und Verzichtleistungen muß — abweichend von den Antrügen — auch erfolgen, wenn sie in den vorbereitenden Schriftsätzen schon enthalten sind. Eine Spezialiflrung des Anerkenntnisses nach dem Grunde des Anspruchs oder gar nach den einzelnen, ihn begründenden Thatsachen ist nicht erforderlich (Mathes in Busch 8 S. 177). 3) Nr. 2: Die Vorschriften darüber, inwieweit Anträge und Erklärungen festzustellen sind, finden sich in §§ 297, 298, 350, 509. Dgl. auch § 607 Abs. 4. 3a) Nr. 4: Vgl. H. Meyer in Busch 21 S. 404 ff. Eine Augenscheinseinnahme durch das gesamnite Gericht bedarf der Feststellung durch Protokoll nicht (RG. in S. A. 51 Nr. 294). 4) Nr. 5: Vgl. H. Meyer in Gruchot a. a. £. S. 321 ff.. Wach, Vortr. S. 102. Ueber den Unterschied zwischen Urtheilen, Beschlüssen und Verfügungen vgl. die Vordem, zu Buch 2 Zit. 2, sowie die Anm. zu §§ 300, 329. 4a) Nr. 6: vgl. § 164 Anm. 1. 5) Der Abs. 3, wonach Feststellungen auch durch Ueberreichung von Schriftsätzen als Anlagen zum Sitzungsprotokoll erfolgen können, dient wesentlich zur Beschleunigung. Die überreichten Schriftsätze können formlos sein. Auch die vorbereitenden Schriftsätze können als

202

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt. Verfahren.

§§

161, 162.

§ 161. (147.) Die Feststellung der Aussagen der Zeugen und Sachverstän­ digen kann unterbleiben, wenn die Vernehmung vor dem Prozeßgcricht erfolgt und das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt. In diesem Falle ist in dem Protokolle nur zu bemerken, daß die Vemehmung stattgefunden habe. ft. Eutw. § 363. «»t». I. § 140. -L. 39-41, 187. Prot. @. 56.

E«tw. II. § 141. ®»t». III. § 141. «tot.

§ 162. (148.) Das Protokoll ist insoweit, als es die Nr. 1—4 des §. 160 betrifft, den Betheiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. In dem Anlagen in diesem Sinne benutzt werden (Endemann I 2. 508). In den Fällen der §§ 297, 298 ist diese Art der Feststellung die allein zulässige. sDgl. RG. in Blum, Urth. u. Ann. 1 2. 199.] S. auch § 298 Sinnt. 3. 6) Die Aufnahme des Protokolls ist Sache des Gerichtsschreibers (Mot. S. 137) unter Aufsicht des Borsttzenden (§ 163); ein Diktireu seitens des Letzteren kann — abgesehen etwa von einzelnen Puntten, z. B. Nr. 1,5 — schon deshalb nicht stattfinden, weil darunter die mündliche Verhandlung erheblich leiden würde. Wird ausnahmsweise diktirt, so hat dennoch der Gerichtsschreiber nicht blindlings nachzuschreiben, sondern, wenn er gegen die Richtigkeit des Diktirten Bedenken trügt, diese geltend zu machen. Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorsitzendem und Gerichtsschreiber sind, wenn sie durch Besprechungen oder Nachfrage nicht ausgeglichen werden können, int Protokoll (oder an dessen Rande) zu bemerken; insoweit ent­ behrt es selbstverständlich der Beweiskraft. In Betteff der Fonn der Protokollirung und der Frage, was (z. B. in Betreff des Ganges der Verhandlung) aufgenommen werden soll, ist der Gerichtsschreiber den Weisungen des Vorsitzenden unbedingt unterworfen (H. Meyer, Prot. u. Urth. 2. 4 ff., Planck 1 S. 129 f.). Die Aufnahme während der Verhandlung ist zwar die Regel (vgl. Nordd. Prot. 2. 315), jedoch nur insoweit, als der Inhalt vorgelesen werden muß (§ 162), unbedingt nothwendig (so auch H. Meyer a. a. £. S. 2, 13. A.M. Wilm. Levy § 145 Sinnt. 2, Seuffert Sinnt. 1, Planck I S. 142), und auch jene Vorlesung kann auf Grund der Aufzeichnungen des Gerichtsschreibers, vorbehaltlich der späteren Abfassung des Protokolls selbst, erfolgen (ob.LG. f. Bayertt in S. A. 39 Nr. 141; dieses Urtheil geht jedoch zu weit, wenn es dem § 162 überhaupt nur die Bedeutung einer Ordnungsvorschrift beimißt; vgl. Petersen Nr. 4). Vgl. auch § 162 Sinnt. 1. — Das Protokoll ist zu den Gerichtsatten (§ 299) zu nehmen.

§ 161. § 161 enthält eine Einschränkung des § 160 Nr. 3. Die Protokollirung darf nur unter der doppelten Voraussetzung unterbleiben, daß die Vernehmung vor dem Prozeßgericht erfolgt (§ 355) und daß das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt (§§511, 513). Vernehmungen vor einem ersuchten oder beauftragten Richter (§§ 165, 375, 402) oder vor dem Prozeßgericht erster Instanz und int amtsgerichtlichen Entmündigungsverfahren müssen daher stets zu Proto­ koll festgestellt werden. Ein Slntrag, als dritte Voraussetzung hinzuzufügen, „daß die Fort­ setzung der Verhandlung in der nämlichen Sitzung erfolgen kann" (s. Bayer. PO. Slrt. 419), wurde von der RTK. v. 1875 abgelehnt, nachdem von Seiten der Regierungen die Erwartttng ausgesprochen war, daß auch ohne ausdrückliche Bestimmung bei Vertagung der Verhandlung die Protokollirung die Regel bilden werde. Vgl. StPO. §271. S. auch nuten § 285 Slnrn. 4, Planck I S. 182 N. 39, RG. 14 S. 379, 386, 17 S. 344 u. in S. A. 50 Nr. 46. Jedenfalls dürfen Aussagen, deren Feststelluttg unterblieben ist, nur berücksichtigt werden, wenn sie vor den erkennenden Richtern abgegeben sind (RG. in > W. 1897 2. 601). § 162. Literatur: H. Meyer in Busch 21 S. 390 ff. 1) Durch die Fassung („ist — vorzulesen — oder vorzulegen", „ist — zu bemerken") ist ausgedrückt, daß die Vorlesung (oder Vorlegung zur Durchsicht) und Genehmigung der

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung.

§ 163.

203

Protokolle ist zu bemerken, daß dies geschehen und die Genehmigung erfolgt sei oder welche Einwendungen erhoben find. 91. E»tw. § 364. Entw. I. § 141. Entw. II. § 142. Entw. III. § 142. «ot. — Prot. S. 56.

§ 163. (149.) Das Protokoll ist von dem Vorfihenden und dem Gerichts­ schreiber zu unterschreiben. Ist der Vorfitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beifitzende Richter. Im Falle der Verhinderung des Amtsrichters genügt die Unteychrist des Gerichtsschreibers. 9t. Ent«. § 365. — Prot. E. 56.

Entw. I. § 142.

Entw. II. § 143.

Entw. III. § 143. Mot.

betreffenden Theile des Protokolls — ebenso auch seiner Anlagen (H. Meyer im c. A. 78 3. 461 ff., jetzt auch Wilm. Levy § 146 Anm. 8) — wesentlich ist. Wird daher bei der Vorlesung der betreffende Satz (z. B. das Anerkenntnis nicht genehmigt, so hat das Protokoll insoweit keine Beweiskraft (H. Meyer in Gruchot 27 S. 311, jetzt auch Wilm. Levy Anm. 1). Andererseits gilt hier trotz der zwingenden Fassung nicht der Satz des § 164, daß die betreffenden Erklärungen nur durch das Protokoll bewiesen werden können. (Vgl. z. B. hinsichtlich des Verzichts RG. 10 S. 366, in Gruchot 42 S. 918, hinsichtlich des Anerkenntnisses ob.LG. f. Bayern in S. A. 41 Nr. 304, des Vergleichs RE. in Gruchot 28 S. 1102. S. aber auch § 314.) Unzulässig ist es jedoch, bei der Beweiswürdigung auf Grund des § 286 Angaben der Zeugen und Sachverständigen oder Augenscheinsergebnisse zu berücksichtigen, welche in das Sitzungsprotokoll nicht aufgenommen oder nicht vorgelesen und genehmigt worden find, mag es sich um Angaben u. s. w. handeln, welche den Inhalt des Protokolls ergänzen oder gar ihm widersprechen, da erst durch die Vorlesung und Genehmigung die Beweisaufnahme ihren Abschluß findet (vgl. auch R«. 13 S. 418 u. in I. W. 1886 S. 347, Seuffert § 146 Anm. 3). Ist in den Füllen des § 161 eine Protokollirung erfolgt, so dürfen auch hier nicht protokollirte Aussagen, selbst wenn sie nur ergänzenden Inhalts sind, nicht berücksichtigt werden, da daS Protokoll — abgesehen etwa von einem in ihm gemachten Vorbehalt — als vollständig gelten muß (abw. RE. in I. W. a. a. O., Wilm. Levy § 146 Anm. 4). Daß die Aussagen vorgelesen und genehmigt sind, kann aber auch auf andere Weise als durch das Protokoll bewiesen werden, da § 164 hier keine Anwendung findet (§ 164 Anm. 1). Ist einem Zeugen u. s. w. die Aussage vorgelesen, erhebt er aber Einwendungen, so hat das Gericht nach seiner Ueberzeugung darüber zu entscheiden, ob der Zeuge die ihm vorgelesenen Angaben gemacht hat. Das Unterlassen der Rüge (§ 295) heilt nicht den Mangel der Vorlesung und Genehmigung und kann auch nicht ohne Weiteres, falls im Sitzungsprotokolle die Beurkundung der Vorlesung und Ge­ nehmigung unterblieben ist, den Beweis der Vorlesung und Genehmigung ersetzey. (A.M. RG. 12 S. 136 — vgl. jedoch RG. 13 S. 418 —, Gaupp N. 3, Petersen Nr. 3, Seuffert § 148 Anm.). Lautes Diktiren des Protokolls seitens des Vorsitzenden steht der Vorlegung oder Vorlesung nicht gleich (Wilm. Levy, Petersen; jetzt auch Gaupp N. 4). 2) „den Betheiligten" — d. h. in den Fällen des § 160 Nr. 1, 2, 4 den Parteien (auch Nebenparteien), in denen der Nr. 3 den Zeugen oder Sachverständigen, nicht auch den Parteien. (H. Meyer, Prot. u. Urth. S. 14 s. A.M. in letzterer Beziehung Seuffert). §163. Die Unterschrift des Gerichtsschreibers ist unerläßlich; ist sie unterblieben und nicht nachzuholen, so hat das Protokoll keine Beweiskraft. Auch die Unterschrift des Vorsitzenden bedingt, wo sie nach § 163 erforderlich, die Beweiskraft des Protokolls als einer öffentlichen

204 Erstes Buch. Allgeni. Bestinimungen. Dritter Abschnitt. Verführen. §§ 164, 165.

§ 164. (150.) Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gram lese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt desselben ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

«

R. E»tw. § 366. ^rot. 56*

Entw. I. § 143. Entw. II. § 144. Entw. III. § 144. Mot. —

§ 165. (151.) Zu den Verhandlungen, welche außerhalb der Sitzung vor Amtsrichtern oder vor beauftragten oder ersuchten Richtem stattfinden, ist der Gerichtsschreiber gleichfalls zuzuziehen. «. Entw. § 367. Entw. I. § 144. ®. 138, 139. Prot. @. 56.

Entw. II. § 145.

Entw. III. § 145. Mot.

Urkunde (vgl. § 41 .v; Wmipp Nr. Il, ö. Meyer in CSrucpot 27 2. 306. A.M. (5ndemann l 2. 511). Die Unterschrift anderer Betheiligter, z. B. Zeugen, ist niemals erforderlich.

8164. 1) Vermöge dieser dem franz. Rechte entlehnten Bestimmung (vgl. auch 2tPO. § 274 nebst Literatur dazu) ist namentlich ausgeschlossen, daß der Beweis der Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen — wesentlichen oder unwesentlichen (Rechtspr. d. RG. in 2tr2. 3 2. 586) — Förmlichkeiten [§ 159, nicht auch § 160 mit Ausnahme der Nr. 6 (über Nr. 6 vgl. RG. 16 2. 331 und in Z. W. 1887 2. 3, 4) — weiter 2euffert Sinnt. 1, der insbes. auch die §$ 297, 298 sowie die Beeidigung oder Nichtbeeidigung der Zeugen dem § 164 unterstellt, enger A. Förster Anm. 1] durch Berufung auf das Zeugniß der bei der Ver­ handlung betheiligten Personen, Richter, Oierichtsschreiber, Rechtsanwälte re. geführt werde. Das 2itzungsprotokoll liefert im Einklänge mit dem in § 418 Abs. 1 ausgesprochenen Grund­ satz über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden vollen Beweis. 2) Der Gegenbeweis bezüglich der Fönnlichkeiten ist, abweichend von § 418 Abs. 2, auf den Nachweis der vorsätzlichen, wenn auch nicht strafbaren Fälschung einschließlich der sog. intellektuellen Urkundenfälschung (vgl. 2tGB. §§ 267, 271, 348, Rechtspr. d. RG. i. 2tr2. 3 2. 586, 2euffert Anm. 2. A.M. .v>. Meyer in Gruchot 27 2. 323, der nur § 267 hierher rechnet) beschränkt. Dieser Nachweis kann durch alle überhaupt zulässigen Beweismittel erbracht werden. (51 it besonderes Verfahren (C. de proc. art. 214 ff.) findet nicht statt. Rücksichtlich des sonstigen Inhalte finden aus das 2itzungsprotokoll die Vonchriften der §§ 415 ff. unbe­ schränkte Anwendung. Die Beweis- und Gegenbeweisbeschränkung des § 164 gilt, wenn es sich um Förmlich­ keiten handelt, deren Beobachtung von Amtswegen zu berücksichtigen ist — was in den meisten Fällen zutrifft —, auch dann, wenn über die Beobachtung der Förmlichkeiten unter den Parteien kein 2treit herrscht (gegen 2euffert Anm. 2h). Wegen des Verhältnisses zum Thatbestände s. § 314.

§165. 1).Ueber die außerhalb der 2itzung aufzunehmenden Protokolle enthält § 165 nur die Vorschrift, daß der Gerichtsschreiber zuzuziehen ist. Man darf aber wohl annehmen, daß auf diese Protokolle die Vorschriften der §§ 159—164, soweit der Gegenstand es zuläßt, ent­ sprechende Anwendung finden sollen (vgl. §§ 161, 288, H. Meyer, Prot. u. Urth. 2.8, 23 ff., 2euffert, Petersen. A.M. in Bezug auf Z 165: v. Kries, Die Rechtsmittel u. s. w. 2.329, Wilm. Levy, Gaupp). 2) Unter „beauftragter Richter" versteht die CPO. stets ein Mitglied des Gerichts selbst (dcputatus collegii; über dessen 2telluug ,311111 Kollegium s. Wach l 2. 328 ff.), unter „ersuä)ter Richter" ein anderes Gericht (Amtsgericht, § 158 GVG.). 3) Ueber Protokolle der Gerichtsvollzieher vgl. § 762; über Protokolle der Gerichts­ schreiber (vgl. z. B. § 78 Abs. 2) finden sich keine besonderen Vorschriften.

Zweiter Titel.

Zustellungen.

Zweiter Titel. I.

§ 166.

205

Zustellungen.

Zustellungen auf Betreiben der Parteien.

§ 166. (152.) Die von den Parteien zu betreibenden Zustellungen erfolgen durch Gerichtsvollzieher. In dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann die Partei den Gerichtsvollzieher unter Vermittelung des Gerichtsschreibers des Prozeßgerichts mit der Zustellung beauftragen. Das Gleiche gilt für Anwaltsprozesse in Ansehung der Zustellungen, durch welche eine Nothfrist gewahrt werden soll. 9t. Entw. 350, 357, 363. Entw. I. § 145. Entw. IT. § 146. Ent«, lll. § 146. Mot. @. 140—143. Prot. S. 56, 57. — Stov., «. III. § 153, Begr. ®. 94 f.; *om.=B. ®. 66-70. Zweiter Titel. Mot. £. 36, 37, 138—140, Begr. d. No». S. 94, Äom.-Ber. S. 66-70, 3 t'en. Ber. S. 2114—2117. Literatur: Wach in Krit. D. 14 3. 338 ff., 351 ff. und Vortr. S. 64 ff.; v. Canstein, Grundlagen des Civilproz. 3. 170ff., 230 ff.; Fischer in Gruchot 25 S. 620 ff., 802 ff., Wieding 8. v. „Zustellung" im Rechtslex. 3 S. 1477 ff., Hellmann, Lehrb. 3. 166 ff., Wach I 3. 321 ff., Planck 1 S. 133 ff., 390 ff., 421 ff.. Schmidt §79, Fitting §33, Simsen §72, Birkmeyer, Grundriß S. 239 ff. Wegen Verstöße gegen die Vorschriften über Zustellungen s. Fitting in Busch 11 3. 48 ff., Lang im c. A. 76 S. 265 ff., Bähr im Jb. f. Dogm. 23 S. 358 ff., 24 S. 377 ff., v. Kräwel in Bödiker, Mag. 6 S. 182 ff. Dgl. auch Preuß. Gesch.« Anw. f. d. Gerichtsvollzieher §§ 17 ff. 1) In der Lehre von den Zustellungen vor allem tritt die grundsätzliche Stellung zu Tage, welche die CPO. hinsichtlich des sog. Prozeßbetriebs (der Einleitung und Fortführung des Rechtsstreits, der Geschäftsvermittelung unter den Parteien wie zwischen Gericht und Parteien und der Denvirklichung des Urtheils) einnimmt. Es stehen sich hier zwei Systeme schroff gegenüber, das des gemeinrechtlichen und altpreußischen Prozesses einerseits, wonach die Geschäftsvermittelung und insbesondere das Zustellungsgeschäft in die Hände des Gerichts und der von diesem zu beauftragenden Beamten (Gerichtsboten, Gerichtsdiener u. s. w.) gelegt ist (Offizialbetrieb durch die Gerichte), und das des rheinisch-franzöflschen Pro­ zesses andererseits, wonach die Geschäftsvermittelung ausschließlich den Parteien und den von diesen zu beauftragenden und ihnen verantwortlichen, selbständigen Organen (Gerichtsvollzieher) obliegt (unmittelbarer Betrieb durch die Parteien, Passivität der Gerichte). Zwischen beiden hat die CPO. im Anschluß an Hann. PO., H. E. und N. E. einen Mittel« weg eingeschlagen. Ihr System läßt sich als das eines „modisizirten Parteibetriebs" bezeichnen (gegen dieses System Seuffert in Busch 17 3. 278 ff.; vgl. auch Vierhaus das. 15 S. 463 ff.). In der Hauptsache nämlich legt sie zwar, wie namentlich der an die Spitze gestellte § 166 ergiebt, den Grundsatz des unmittelbaren Prozeßbetriebs durch die Parteien zu Grunde (vgl. N. E. § 235). Der Grundsatz erleidet aber, wie auch die Mot. hervorheben, sehr wesentliche Abänderungen, und zwar: I) hinsichtlich der Einleitung des Prozesses, indem bei der Einleitung eines Rechts, streits und einer Instanz der Vorsitzende des Gerichts durch Anberaumung eines DerHandlungstermins mitzuwirken hat (vgl. §§ 216, 261, 340 Nr. 3, 495, 497, 518 Nr. 3, 553 Nr. 3, 585, 608, 653); II) hinsichtlich der Fortführung des Rechtsstreits bis zum Endurtheil,.indem: a) das Gericht regelmäßig für sofortige Anberaumung der nothwendig werdenden ferneren Termine, sei es zur Fortsetzung der Verhandlung, sei es zur Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht oder einem anderen Gerichte, Sorge trägt (vgl. §§ 136 Abs. 3, 310, 349, 351,

•JOG

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 166.

352, 358, 361—363, 370, 5*23, 557, 587) — int Gegensatze zum sogen. Desaisirungsprinzipe des franz. Rechtes; b) der beschlossene Beweis von Amtswegen auch beim Ausbleiben der Parteien aufge­ nommen wird (§§ 367, 368); c) die Ladung der Zeugen und Lachverständigen sowie die Herbeischaffung von Ur­ kunden, welche sich in dem Besitz einer andern Behörde befinden, auf Betteiben des Gerichts erfolgt (§§ 377, 402, 432); III) hinsichtlich der Zustellnngen, indem: a) im Parteiprozeß allgemein und im AnwaltsProzeß in Ansehung der Zustellungen, durch welche eine Nothfrist gewahrt werden soll, die Partei den Aufttag zur Vornahme der Zustellung durch Vermittelung des Gerichtsschreibers ertheilen kann (§ 166 Abs. 2) und hierfür sogar in Ermangelung einer gegentheiligen Erklänmg eine Vermuthung spricht (§§ 168, 497, 501), b) die Aus führn ng der Zustellting im Ausland, an Exterritoriale und mittels öffentlicher Bekanntmachung von Amtswegen und ohne Mitwirkung des Gerichtsvoll, ziehers geschieht (§§ 199 ff., 203 ff.) ; c) nicht verkündete Beschlüsse und Verfügungen des Gerichts den Parteien von Amtswegen zugestellt werden (§ 329); d) Urtheile in Ehe- und Kindschaftsfachen (§§ 625, 640, 641) den Parteien und Beschlüsse in Entmündigungssachen (§§ 659, 660, 662, 678, 683, 685) dem Antragsteller u. s. w. von Amtswegen zugestellt werden; e) nach den §§ 829 Abs. 2 und 835 Abs. 3 der Gerichtsvollzieher nach der Zustellung eines Pfändungs- bezw. Ueberweisungsbeschlusses an den Drittschuldner den bett. Beschluß sofort (d. h. ohne daß es eines Aufttags des Gläubigers bedarf) dem Schuldner zuzustellen hat. Wegen der Zwangsvollstreckung s. d. allg. Bem. z. Buch 8 Abschn. 1. 2) Die Vorschriften der EPO. über Zustellungen finden auch im Konkursverfahren (KO. §72) und in Strafsachen (StPO. §37) sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (IGG. § 16 Abs. 2; Preuß. FGG. Art. 1) Anwendung. Vgl. auch BGB. § 132 und dazu Planck I § 132 Anm. 2. 3) Daß die bestehenden Einrichtungen des Zustellungswesens unzulänglich seien, wurde in der RTK. s. d. 9ioo. (Kom.-B. S. 69) vom Reg.-Dertr. ausdrücklich anerkannt, doch wurde ein Anttag auf grundsätzliche Umgestaltung der Zustellungen auf Betteiben der Parteien, der namentlich in allen Fällen die Anrufung der Vermittelung des Gerichtsschreibers gestatten wollte, abgelehnt. Zn der RTK. wurde darauf hingewiesen, daß über die Derbesserungsbedürftigkeit des Zustellungswesens, besonders in Bezug auf Vereinfachung und Verbilligung, überall Eininüthigkeit herrsche, doch sei eine Untgestaltung ohne Eingriff in den prozessualen Hauptgrundsah des Parteibettiebs nicht möglich. Die Bemühungen zur Herbeifühnmg einer durchgreifenden Umgestaltung sind daher noch nicht abgeschlossen, und die Nov. ist im Wesentlichen dem Entwürfe (III) gefolgt, dessen grundsätzliche Richtung in der Begr. wie folgt ausgesprochen ist: „Von dem Standpunkte des Entwurfs kann eine Beseitigung des Parteibetriebs und folgeweise eine durchgreifende Umgestaltung der darauf beruhenden Zustellungs­ vorschriften nicht in Frage kommen. Vielmehr handelt es sich nach dieser Richtung nur darum, gegenüber einzelnen als besonders drückend empfundenen Mißstünden Ab­ hülfe zu schaffen. Dagegen läßt sich für die Zustellung von Amtswegen int Anschluß an die Vorschriften des Ges., bett. die Gewerbegerichte, eine wesentliche Vereinfachung erreichen. Der Übersichtlichkeit halber giebt der Entwurf die Be­ stimmungen über die Zustellungen auf Betteiben der Parteien in zusammenhängender Reihenfolge und stellt im Anschluß hieran die für die Zustellungen von Amtswegen geltenden Abweichungen fest."

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 166.

207

Dementsprechend ist jetzt der zweite Titel in zwei Abschnitte eingetheilt: I. Zustellungen auf Betreiben der Parteien, II. Zustellungen von Amtswegen. Der erstere enthält die bisherigen Vorschriften mit verschiedenen Zusätzen und Verbesserungen (f. §§ 166, 168, 177, 179, 183, 185, 187, 188, 191, 194, 198, 203, 204, 207; vgl. auch Schmidt, Ergänz. S. 50). Der zweite Abschnitt ist neu, indem nur die Bestimmungen der §§210, 212 Abs. 2 in den bisherigen §§ 156 Abs. 2, 173 Abs. 4 mitenthalten waren.

§166. 1) Die Zustellung (über deren Begriff vgl. § 170 Abs. 1) durch Gerichtsvollzieher ist an die Spitze gestellt. Daneben besteht jedoch als völlig gleichberechtigt die Zustellung durch die Post (§§ 193 ff.). Diese Art der Zustellung ist erst in Folge eines Bundesrathsbefchlusses nach dem Vorbilde Preußens u. A. in den Entwurf III aufgenommen. Daraus erklärt sich, daß die Zustellung durch Gerichtsvollzieher scheinbar die Regel, die durch die Post die Ausnähme bildet (in § 166 heißt es „erfolgen", in § 193 „können erfolgen"), während in Wirklichkeit beide gleiche Bedeutung haben (vgl. § 197). So ist das Verhältniß auch in den Mot. und der RTK. v. 1875 aufgefaßt (s. Prot. S. 430 f.). Vgl. § 196 Anm. 2. — Durch die Rov. sind in Abs. 1 die Worte „von den Parteien zu betreibenden" hinzugefügt (vgl. oben Vorbem. 3). Zustellungen durch andere Personen, z. B. Notare, sind in Prozeßsachen unzulässig, desgl. Zustellungen durch den Telegraphen (Mot. S. 142, ob.LG. f. Bayern in S. A. 51 Nr. 237; vgl. jedoch § 929 Anm. 2, RG. in S. A. 40 Nr. 82). In Sachen der fteiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. noch für Preußen die Vorschrift des FGG. Art. 31 Abs. 2, durch welche übrigens auf die Zustellung durch Notare die Dorfchrssten der CPO. über die Zustellung, insbesondere über die Ersatzzustellung, nicht ausgedehnt find. Als besondere Zustellungsformen kennt die CPO. die von Anwalt zu Anwalt (§ 198), mittels Ersuchens von Behörden (§§ 199—202), durch öffentliche Bekanntmachung (§§ 203—207). 2) Die Gerichtsvollzieher sind nach der Stellung, welche ihnen in diesem Titel — und namentlich in dem achten, von der Zwangsvollstreckung handelnden Buche (vgl. bef. § 753 Anm. 1) — angewiesen ist, öffentliche Beamte, welche in der Regel nicht nach den ihnen für den einzelnen Fall ertheilten Weisungen des Gerichts, sondern im unmittelbaren Auftrage der Prozeßparteien nach den Vorschriften des Gesetzes unter eigener Prüfung der Zulässigkeit des Auftrags und unter eigener Verantwortlichkeit gegenüber dem Auftraggeber handeln. — Die nähere Regelung ihrer Dienst, und Geschästsverhältnisse ist nach GVG. § 155 den LandesjustizVerwaltungen bezw. dem Reichskanzler überlassen (vgl. das. Anm. 3). Hierher gehört auch die Zuständigkeit der Gerichtsvollzieher; hinsichtlich der Zustellung durch die Post vgl. jedoch § 194 Anm. 2. Ein Mangel der Zuständigkeit begründet Ungülttgkeit der Zustellung, kann aber nach § 295 geheilt werden (vgl. §§ 170—206 Anm. 1 Abs. 1; s. jedoch auch Abs. 2). Zur Beaufttagung eines zuständigen GV. ist der von der Partei angegangene unzuständige GD. nicht ohne Weiteres berechttgt (A.M. Gaupp Nr. I, Wilm. Levy Anm. 2). — Denjenigen, welchem prozessualisch richttg zuzustellen ist (s. §§ 171, 173, 174, 176—179), ausfindig zu machen und zu bezeichnen, ist nicht Sache des Gerichtsvollziehers, sondern des Aufttaggebers (Planck I S. 138, Gaupp § 171 Nr. IV). Ob der Gerichtsvollzieher und das in Bettacht kommende Prozeßgericht demselben oderverschiedenen Bundesstaaten angehören, ist unerheblich (GVG. § 161). Wegen der Gebühren der Gerichtsvollzieher für Zustellungen s. GO. f. GV. §§ 2, 3, wegen der Auslagen §§ 13, 14 das. 3) Abs. 2: Die bisherige Bestimmung lautete: „In Anwaltsprozeffen ist der Gerichtsvollzieher unnrittelbar zu beauftragen, in anderen Prozessen nach der Wahl der Partei entweder unmittelbar oder unter DerMittelung des Äerichtsschreibers des Prozeßgerichts."

*208

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 166.

Latz 1: In dein Verfahren vor den Amtsgerichten ist jeder Partei die Wahl gelassen, entweder den (Gerichtsvollzieher unmittelbar mit der Zustellung zu beauftragen oder den Gerichtsschreiber (des Prozeß- oder Vollstreckungsgerichts) anzugehen, für die Zu. stellung 2orge zu tragen. Hat die Partei denr Gerichtsschreiber nicht ausdrücklich erklärt, den ersten Weg einschlagen zu wollen, so ist nach § 168 anzunehmen, daß sie den zweiten Weg gewühlt habe. (Vgl. auch §§ 497, 501.) Der Gerichtsschreiber hat alsdann seinerseits einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung zu beauftragen (§§ 166 Abs. 2, 168; GVG. § 162) oder unmittelbar die Post um Bewirkung der Zustellung zu ersuchen (§ 196 Anm. 2). Die Partei hat nicht die Befugniß, den einen oder anderen Weg in bestimmter Weise vorzuschreiben (RG. in I. W. 1900 2. 178 f. A.M. früh. Auf!., Wilm. Veot) Anm. 4 a. ($., Petersen Nr. 3 u. A.). Der Gerichtsschreiber gilt in diesen Fällen nicht als Beauftragter der Partei, sondern als Organ der Behörde (RG. a. a. O. u. 17 2. 391, Gaupp Vorbem. V vor § 166, Reincke S. 188. A M. früh. Ausl., Petersen, Wilm. '2evy a. a. O.). In manchen Fällen ist der Wille der Partei, eine Zustellung besorgen zu lassen, mit Nothwendigkeit vorauszusetzen (vgl. z. B. §§ 70, 73, 250, 689, 829, 750), weil erst die Zustellung der anderweit ausgedrückten Absicht Genüge leistet. Aber keineswegs ist dies stillschweigend trotz § 317 Abs. 1 für die Zustellung amtsgericht­ licher Urtheile überhaupt anzunehmen. [Vgl. Kurlbaum in Gruchot 24 2. 62 ff. (gegen Meyer das. 2. 50 ff.), v. Nräwel in Busch 3 2. 476 ff., 2chmidt, Ergänz. 2. 50, Wilm. Levy § 154 Anm. 2, Petersen § 497 'Nr. 2, 2euffert §J154 Anm. 2 u. A/j Wegen des Mahnverfahrens s. § 693 Anm. 1. Das Gleiche gilt nach dem neuen 2atze 2 für Anwaltsprozesse in Ansehung der Zu­ stellungen, durch welche eine Nothfrist (§§ 339, 516, 552, 586, 958, 1044) gewahrt werden soll. Diese Vorschrift steht in Verbindung mit §§ 168, 207 Abs. 2 und soll nach der Begr. verhüten, daß mmieiitlid) die Frist für Einspruch, Berufung und Revision durch Verzögerung oder Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift nicht gewahrt wird. Zm Anschluß an die bisherige Vorschrift des § 190 (alt) bestimmt deshalb § 207 Abs. 2 (s. das. Anm. 2), daß für die zur Wahrung einer Nothsrist erforderlichen Zustellungen, die unter Vermittelung des Ge­ richtsvollziehers erfolgen, die Wirkung der Zustellung mit der Einreichung des 2chriftsahes bei dem Gerichtsschreiber eintritt, wenn die Zustellung innerhalb zwei Wochen nach der Einreichung erfolgt. Die Begr. bemerkt: „Um diese Erleichterung allgemein verwerthbar zu machen, läßt § 166 Abs. 2 die Vermittelung des Gerichtsschreibers für Zustellungen, durch welche eine Nothfrist ge­ wahrt werden soll, in den Anwaltsprozessen ebenfalls zu; auf diese Zustellungen findet damit auch die Vorschrift des § 196 Anwendung, wonach der Gerichtsschreiber unmittelbar die Post um Bewirkung ersuchen kann. Tie Partei ist hiernach in der Lage, sich gegen die VeHäumung der Nothfrist dadurch zu schützen, daß sie den 2chriftsatz innerhalb der Frist zur Terminsbestimmung einreicht. Allerdings muß noch die weitere Voraussetzung hinzukommen, das; die Zustellung demnächst vor Ablauf von zwei Wochen erfolgt. Diese Beschränkung erscheint um deswillen ge­ boten, weil sonst die Partei für die Fälle, in denen unter Vermittelung des Gerichts­ schreibers ein Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt wird, freie Hand hat, durch Weisungen an den letzteren die Ausführung der Zustellung beliebig hinzuziehen und damit zum Nachtheile des Gegners die Lache in der Lchwebe zu erhalten. Gleichwohl sichert die Volffchrift der Partei wesentliche Vortheile, namentlich ist der Zeitraum von 2 Wochen ausgiebig genug, um die Verbesserung etwa vorgekommener Verstöße im Wege rechtzeitiger Wiederholung der Zustellung zu gestatten." Abgesehen hiervon ist in Auwaltsprozessen die unmittelbare (d. h. ohne Ver­ mittelung des Gerichtsschreibers geschehende) Beauftragung des Gerichtsvollziehers noth­ wendig. Dagegen unterliegt der Betrieb der Zustellung (mit Einschluß der Beglaubigung), insbesondere von NAHeilen, nicht dem Anwaltszwang und kann daher auch durch die Partei selbst oder einen anderen Vertreter erfolgen [91(9.17 2.392 (ver. Eivils.), 415, 24 2.419, 30 2. 393, in I. W. 1887 2. 25, 255, 1900 2. 850, in Gruchot 44 2. 453, in 2. A. 38 Nr. 263; vgl. §§ 78

Zweiter Titel. Zustellungen. § 167.

209

§ 167. (153.) Die mündliche Erklärung einer Partei genügt, um den Gerichtsvollzieher zur Bornahme der Zustellung, den Gcrichtsschreiber zur Beauf­ tragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung zu ermächtigen.

Ist eine Zustellung ourch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, so wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß dieselbe im Aufträge der Partei er­ folgt sei. 9t. «ntw. § «60. «ntw. I. § 146.

Z. 144, 145. Prot. @. 57.

Sntw. II. § 147. «nt». III. § 147. «N-t.

Anm. 3, 170 Anm. 4, Planck II S. 124 N. 26, Wilm. Levy § 74 Anm. 3, Seuffert § 74 Anm. 2, Gaupp Nr. II u. § 78 N. 13 u. A. Abw. Wach I S. 608 vbd. mit S. 612, welcher verlangt, daß die Partei Namens des Anwalts zustellen lasse.] Sie kann jedoch nicht erfolgen, wenn das Verfahren nach § 244 unterbrochen ist (RG. in Gruchot 41 S. 1172). Die Beglaubigung der Terminsbestimmung kann außer durch den betreibenden An­ walt (OLG. Breslau in Rechtspr. 1 S. 17. A.M. Petersen § 168 Nr. 1) durch den GerichtsVollzieher (s. Preuß. Gefch.-O. f. d. Gerichtsschr. d. AG. § 14 Nr. 5, d. Land- u. Oberlandger. § 13 Nr. f>; GA. f. d. GV. § 21 Nr. 3) oder durch den Gerichtsschreiber erfolgen (RG. 45 S. 415, 3. W. 1900 S. 564; Gaupp § 170 Nr. III. Vgl. auch Winterfeld in I. W. 1899 S. 648, Junck das. S. 724. A.M. Meyer in D.J.Ztg. 1898 S. 509 und hiergegen Neukamp das. 1899 S. 58), der int Falle des § 196 zur Beglaubigung verpflichtet ist (RG. in D.J.Ztg. 1900 S. 95). Die Uebertragung der Terminsbestimmung auf die für den Beklagten bestimmte Abschrift hat der Gerichtsschreiber zu bewirken (RG. in Gruchot 44 S. 1164). 4) Auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter als solches (vgl. jedoch §§ 350 Anm. 2, 351 Anm. 3) findet die Zustellung unter Vermittelung des Ge­ richtsschreibers nicht Anwendung. (Gaupp Nr. II, Seuffert Anm. 3, Petersen Nr. 2 u. A. A.M. Sarwey I S. 248, 273, Kleiner I S. 566, welche mit Unrecht unter „Anwaltsprozeß" bloß dasjenige Verfahren verstehen, für welches nach § 78 Abs. 1 Anwaltszwang bestehe.) Der § 78 ergiebt nach der im Abs. 1 gegebenen Begriffsbestimmung deutlich, daß „Anwaltsprozeß" ein Prozeß im Ganzen ist, in welchem stch die Parteien durch einen bei dem Prozeßgerichte zugelaffenen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten vertreten lassen müssen, und daß inner­ halb dieses Anwaltsprozeffes die Vorschrift des Abs. 2 eine Ausnahme bildet, keineswegs aber das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter — oder auch die vor dem Gerichtsschreiber vorzunehmenden Prozeßhandlungen — im Gegensatze zum Anwaltsprozesse gedacht ist. Auch wo sonst der Ausdruck „Anwaltsprozeß" in der CPO. vorkommt (vgl. z. B§§ 87, 129 Abs. 1, 130 Nr. 6, 137 Abs. 4, 170 Abs. 2, 244; s. au$ GDG. § 189 Abs. 2), umfaßt er dem ganzen Zusammenhange nach zugleich das im Laufe eines solchen Prozesses vorkommende Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter im Gegensatze zu dem Ausdruck „insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist" (vgl. z. B. §§ 79, 83, 88, 90, 115 Nr. 3), welcher außer dem Verfahren vor den Amtsgerichten auch das­ jenige vor einem beauftragten oder ersuchten Richter in fich schließt. Zu der Annahme, daß von dieser durchgehenden Ausdrucksweise in § 166 abgewichen fei, liegen hinreichende Gründe nicht vor. Insbesondere sprechen die Mot. (S. 144) nicht dafür. §167. 1) Der Abs. 1 hat das Verhältniß zwischen der auftraggebenden Partei und dem Gerichtsvollzieher sowie dem Gerichtsschreiber vor Augen. In dieser Beziehung genügt ein mündlicher oder auch ein stillschweigend ertheilter (Preuß. GA. f. d. GD. § 5, Petersen Nr. 1, Gaupp Nr. I u. A. A.M. Endemann I S. 524) Auftrag, um Rechte und Pflichten zwischen ihnen ztl begründen. Ein Ablehnungsrecht steht, abgesehen von der Zustellung von Schrift­ stücken mit offensichtlich strafbarem Inhalte, dem Gerichtsvollzieher nicht zu, soweit er nicht thatsächlich oder rechtlich behindert ist (GVG. § 156, Preuß. GVO. § 30). 2) Der Abs. 2 regelt daS Verhältniß zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Struckma»» n. Koch, Eivllprozehor-»u»-. 8. Sufi. L 14

210 Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. §§ 168, 169. § 168. (154.) Insoweit eine Zustellung unter Vermittelung des Gerichts­ schreibers zulässig ist, hat dieser einen Gerichtsvollzieher mit der erforderlichen Zustellung zu beauftragen, sofern nicht die Partei erklärt hat, daß sie selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen wolle; in Anwaltsprozessen ist die Erklärung nur zu berücksichtigen, wenn sie in dem zuzustellenden Schriftsatz ent­ halten ist. 9t. ent». §§ 261, 501. ent». I. § 147. ent». II. § 148. ent». III. § 148. Stet. e. 148. Prot. r. 63, 64. — «ob., e. III. § 154, »rgr. «. 94f„ Nom.-», e. 7o f.

§ 169. (155.) Die Partei hat dem Gerichtsvollzieher und, wenn unter Vermittelung des Gerichtsschreibers zuzustellen ist, diesem neben der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks eine der Zahl der Personen, welchen zuzustellen ist, entsprechende Zahl von Abschriften zu übergeben. Die Zeit der Uebergabe ist auf der Urschrift und den Abschriften zu ver­ merken und der Partei auf Verlangen zu bescheinigen. 9t. ent», tztz 251, 255. ent». I. § 148. »tot. *. 144, 145. Prot. L. 57, 58, 529.

ent». II. § 149.

Ent». III. § 149.

Dritten, welchem zugestellt werden soll. Letzterer kann nicht den Nachweis der Auftragsertheilung verlangen, sondern hat nöthigenfalls seinerseits den Beweis zu erbringen, daß ein derartiger Auftrag dein Gerichtsvollzieher nicht ertheilt worden ist. 3) Die Vermuthung des Abs. 2 gilt trotz der allgemeinen Fassung und des Wortlauts der Mot. nicht gegenüber der angeblich betreibenden Partei, so daß diese nicht nachzuweisen hat, daß sie keinen Auftrag ertheilt habe (Petersen Nr. 2, Gaupp Nr. II, Reincke S. 188, Wilm. Levy Anm. 2, Seuffert Anm. 1 u. A. A M. Bolgiano S. 345, Sarwey I S. 249 u. A.). Entscheidend ist, daß die Mot. auch sagen: „Beide (nämlich der Gerichtsschreiber und GerichtsVollzieher) bedürfen dem Requisiten oder Dritten gegenüber keines Auftragsnachweises (Vollmacht)" — vgl. auch Mot. z. PE. tz 147 — und daß kein Grund vorliegt, den Gerichtsvollzieher im Widerstreite mit allgemeinen Grundsätzen der eigenen Partei gegenüber günstiger zu behandeln als den Anwalt. Vgl. auch §§ 754, 755. 4) § 167 findet auch für den Fall entsprechende Anwendung, daß der Gerichtsschreiber unmittelbar die Zustellung durch die Post besorgt (§ 196).

8168. 1) „Insoweit — zulässig ist" — vgl. § 166 Anm. 3, 4, GVG. § 162. „hat — zu beauftragen" — Gr kann aber auch, falls die Partei nicht das Gegentheil vorschreibt, Zustellung durch die Post wühlen (vgl. § 196 Anm. 2) und wird dieser nach § 197 sogar in der Regel den Vorzug geben müssen. 2) „erforderlichen" — d. h. nach der irgendwie erklärten Absicht einer Partei (vgl. § 166 Anm. 3, Kurlbaum in Gruchot 24 S. 63 s.). 3) Für die Gebühren des Gerichtsvollziehers haftet nur die Partei (Preuß. GA. f. d. GV. § 20 Nr. 2). 4) Der Zusatz der Nov. bezweckt wegen des neuen § 207 Abs. 2 (s. das. Anm. 2), den Gegner in die Lage zu versetzen, alsbald erkennen zu können, ob die Zustellung durch Ver­ mittelung des Gerichtsschreibers erfolgt ist (Begr.; vgl. auch §§ 497, 501). Der Mangel der Erklärung macht aber eine trotzdem durch den Gerichtsvollzieher im unmittelbaren Parteiauftrage bewirkte Zustellung nicht ungültig (.ttom.-Ber. S. 71). §169. 1) Abs. 1: „Die Partei" — der Gerichtsvollzieher ist zur Anfertigung der Abschriften niemals verpflichtet, wenngleich durch den Zustellungsantrag stillschweigend ermächtigt. „Urschrift" — Konzept oder Ausfertigung (vgl. § 190, RG. in S. A. 36 Nr. 305). „des zuzustellenden Schriftstücks" — vgl. § 170 Anm. 2.

Zweiter Tittl. Zustellungen. § 170.

211

§ 170. (156.) Die Zustellung besteht, wenn eine Ausfertigung zugestellt werden soll, in deren Uebergabe, in dm übrigen Fällm in der Uebergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Die Beglaubigung geschieht durch den Gerichtsvollzieher, bei den auf Betreiben von Rechtsanwälten oder in Anwaltsprozeffen zuzustellenden Schriftstücken durch den Anwalt. R. Gut«. § 852. «nt». I. § 165. Entw. II. § 166 Stof« 3. «nt». III. § 166 Stof. 3. «tot. @. 144. Prot. «. 59, 530. — So»., «. III. § 156, Beet. «. 99. „der Zahl der Personen, welchen zuzustellen ist" — vgl. § 171 Anm. 5. Die Zustellung an mehrere Personen durch ein einziges, bei ihnen umlaufendes Exemplar ist unzulässig (RG. in I. W. 1887 S. 111). Dagegen kann, sofern die Zustellung des Schriftstücks an einen Vertreter genügt, eine Ausfertigung an mehrere Vertreter zugleich (z. B. an mehrere Anwälte) in dem gemeinschaftlichen Geschäftslokale zugestellt werden (RG. in I. W. 1888 S. 394, 1889 S. 478, 1890 S. 46, in Gruchot 35 S. 1178). Vgl. §§ 176 Anm. 1 a. E., 191 Anm. 2 zu Nr. 3. „Abschriften" — bezw. Ausfertigungen, wenn solche zuzustellen sind (§ 170 Abs. 1). Die Vorschrift ist nur anweisend (Fitting in Busch US. 55). 2) Der Abs. 2, welcher auf einem Beschlusse der RTK. v. 1875 beruht, bezweckt den Ueberblick über den Zeitraum, welcher zwischen der Uebergabe des Schriftstücks an den Gerichts­ vollzieher oder Gerichtsschreiber und der Zustellung selbst liegt, zu ermöglichen, was für die beauftragende Partei sowohl wie für den Gegner, namentlich mit Rücksicht auf die Bestimmung der §§ 207 Abs. 2, 235, von großer Bedeutung ist. Andere Beweismittel find übrigens nicht unzulässig. Die Vorschrift ist nur anweisend. Vgl. Kom.-Ber. z. Nov. S. 71> Preuß. Gesch.^). f. d. Gerichtsschreibereien d. Land- und Oberlandesgerichte §§ 5 Nr. 4, d. Amtsgerichte § 5 Nr. 5; GA. s. d. GV. § 21 Nr. 1, Fitting a. a. O.

§8 170-206. 1) Die Vorschriften der §§ 170—206 über die Zustellung find, abgesehen von einzelnen Ausnahmen (vgl. § 170 Abs. 2; s. auch §§ 180 Abs. 2, 188 Abs. 4), nicht bloß anweisend. Zwar ist die Ungültigkeit eines dagegen verstoßenden ZustellungSatts nirgends ausdrücklich hervorgehoben. Allein für einen Theil (§§ 176, 191, 192, 205) ergiebt sich die zwingende Natur schon aus dem Gebrauche des Ausdrucks „müssen" (vgl. § 128 Anm. 2), und auch für die übrigen ist eine durchaus gebietende, mit einem bloß anweisenden Karatter nicht vereinbare Fasiung gewählt worden — §§ 170 Abs. 1 („besteht"), 171—173, 179, 195 Abs. 1, 199, 200, 204 Abs. 2 („erfolgt" bezw. „erfolgen"), §§ 188, 195 Abs. 2, 3 („ist zu"), wogegen sich das anweisende „soll" nirgends findet. Zugleich deutet nichts darauf hin, daß hier zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vorschriften hat unterschieden werden sollen. (A.M. Heilbut im c. A. 69 S. 331 ff.; vgl. auch RG. 17 S. 413.) Ein Verstoß gegen eine dieser Vorschriften bewirkt daher für den Gegner des Zustellenden Ungülttgkeit der Zustellung (vgl. § 295 Anm. 2,5, Begr. S. 97, Seuffert § 156 Anm. 1, Gaupp, Vordem. IV vor § 166, Bilm, Levy § 156 Anm. 1, Klein in Busch 15 S. 493 ff., auch RG. 2 S. 399, 4 S. 414, 9 S. 388 , 21 S. 391, OLG. Dresden in Busch 4 S. 498. A.M. theilweife Petersen §§ 170 Nr. 1, 295 Nr. 9 u. in Busch 1 S. 72 ff., Fitting das. 11 6. 47 ff.), und ein Dersüumnißurtheil kann gegen diesen nicht erlassen werden (§ 335 Nr. 2). Erscheint er aber im Termin, ohne den Mangel zu rügen, so gilt der Mangel nach § 295 als geheilt (RG. 14 S. 341, 34 S. 394, im D. RAnz. 1885 bes. Beil. 1 3. 48, in Gruchot 43 S. 1232). Während der letztere Satz an sich unbestritten ist, herrscht großer (Streit darüber, ob er auch bei Zustellungen gilt, durch welche eine Noth fr ist (§166 Anm. 3) in Lauf gefetzt oder gewahrt werden soll. Die Frage ist zu verneinen, weil die Voraussetzungen einer Nothfrist nach allen Richtungen hin, auch bezüglich der Form des Zustellungsakts, von Amtswegen zu prüfen 14*

212

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 170.

find. (So auch RG. 7 S. 373, 9 S. 413, 10 S. 362, 401, in Z. W. 1891 2. 222, OLG. Zena in S. A. 39 Nr. 339; Silin. Levy §§ 156 Anm. 1, 267 Anm. 5, Gaupp a. a. O. N. 17, Reincke S. 191 u. A. A M. ob.LG. f. Bayern in S. A. 45 Nr. 138, Goldenring in Busch 9 S. 84 ff., Fitting das. 11 S. 24, 51, Seuffert § 156 Anm. lb; vgl. auch RG. 9 2. 367, 389, 14 S. 333.) Vgl. jedoch auch § 187 Anm. 2. Wegen Heilung des Mangels einer Ladung bei der Ersatzzustellung s. § 187 Anm. Wegen des Einfluffes der Ungültigkeit der Zustellungsurkunde auf den Zustellungsakt selbst s. §§ 190 Anm. 3, 191 Anm. 2. 2) Die Partei, für welche zugestellt worden ist, kann einen Mangel der Zustellung nicht rügen, da die Vorschriften, soweit sie nicht etwa von Amtswegen zu beachten sind, nur zum Schutze des Gegners gegeben sind (Seuffert Anm. 1 c; vgl. auch Goldenring a. a. O. S. 101 ff.). §170. 1) Der § 170, dessen wesentlicher Inhalt früher in § 173 (jetzt § 190) stand, verdankt seine Entstehung einem Beschlusse der Redaktions-Kommission der RTK. v. 1875. Der Zweck dabei war hauptsächlich der, klar hervortreten zu lassen, worin der Akt der Zustellung besteht. Die „Ausfertigungen" sind erst in Folge der Aufnahme eines entsprechenden Zusatzes in § 194 eingeschaltet, ohne daß dadurch über die Frage, wann eine Ausfertigung zuzustellen, etwas bestimmt oder geändert ist (s. RG. 3 S. 535 und in Gruchot 26 S. 1149). Der Ennv. wollte nur beglaubigte Abschriften des Schriftstücks und der Zustellungsurkunde übergeben lassen. Mit § 170 stehen die §§ 190, 191 in enger Verbindung (vgl. § 190 Anm. 1, 3). 2) Abs. 1: Die Zustellung besteht in der Uebergabe einer beglaubigten Abschrift (auch eine beglaubigte Klatschkopie genügt — RG. 4 2.357; vgl. Anm. 4) oder einer Aus­ fertigung des zuzustellenden Schriftstücks. Die „Ausfertigung" (s. §§ 299, 317, 319, 320, 724, 725, 797, 1039) ist die in bestimmter Form von einer Behörde oder einem Beamten — bei Urtheilen u. s. w. vom Gerichtsschreiber (§ 317) — ausgestellte Urkunde (Fitting § 60 N. 2, Planck I S. 469, Hellmann, Lehrb. 2. 543; vgl. RG. in I. W. 1900 S. 589); sie ist die Urschrift in solchen Fällen, in denen die Urkunde zunächst nur in einer nicht unmittelbar zur Mittheilung geeigneten, lediglich für die Akten bestimmten Form (Konzept) vorliegt. Tie beglaubigte Abschrift kann daher stets von der Ausfertigung entnommen werden (RG. in 2. A. 36 Nr. 305). Vgl. die Denkschrift zu § 182 FGG., wonach unter Ausfertigungen solche Abschriften zu verstehen sind, welche die Bestimmung haben, die bei den Gerichten verbleibende Urschrift im Verkehre zu ersetzen. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift bildet die Regel; statt einer solchen kann jedoch auch stets eine Ausfertigung zugestellt werden (RG. 4 2. 426 u. in I. W. 1886 S. 268; vgl. RG. das. 1900 S. 589; Fitting in Busch 11 2. 57 N.71) oder auch die Urschrift (RG.15 2.411). Geboten ist die Zustellung einer Ausfertigung im Falle des $ 1039 (§ 922 Abs. 2 gehört nicht hierher. AM. Gaupp Nr. 11); über die Ausfertigung von Ladungen f. § 377 Anm. 1. Im Uebrigen herrscht über das Verhältniß der beglaubigten Abschriften zu den Aus­ fertigungen in Rechtsprechung und Literatur große Meinungsverschiedenheit. Nicht erforderlich sind Ausfertigungen bei Urtheilen, welche auf Betreiben der Parteien zuzustellen sind (RG. 3 2.435 u. in 2. A. 36 Nr. 305, Gaupp, Wilm. Levy a. a. O. A.M. Endemann 1 2.527, Wieding im Rechtslexikon 3 2. 1478. 2. aber dagegen Petersen Nr. 3, Hellmann, Lehrb. 2. 166). sNach Fitting §33 1 ist eine Ausfertigung bei jeder Zustellung nothwendig, welche einen Befehl oder eine Aufforderung, insbesondere eine Ladung, enthält.) Der Mangel der Beglaubigung macht den Zustellungsakt unwirksam (RG. 6 2.361, 8 2. 347, 9 2. 412, in 2. A. 38 Nr. 173, 344; 47 Nr. 294, 53 Nr. 53). Fehler in der Abschrift (ttotz der Beglaubigung) dürfen dem Empfänger nicht schaden (vgl. § 191 Anm. 3). Die Beglaubigung muß sich auf die Terminsbestimmung miterstrecken (RG. in I. W. 1898 S. 198 Nr. 6. Abw. Wilm. Levy § 193 Anm. 2).

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 170.

213

Nach dem streng durchgeführten Sprachgebrauche der CPO. (vgl. z. B. §§ 175, 182, 189, 190 Abs. 3, 191 Nr. 5, 194, 195) ist „Uebergabe" der technische Ausdruck für das körper­ liche Behändigen (Tradiren) des Schriftstücks, um dessen Zustellung es fich handelt, an die Person, an welche zugestellt werden soll, bezw. an deren Vertreter, während „Zustellung" der Ausdruck für den juristischen Akt und daher das „zuzustellende Schriftstück" nicht daS körperlich zu übergebende ist, sondern dasjenige, dessen den Formen des Gesetzes entsprechende Mittheilung (Zustellung) an beii Gegner in Frage steht (vgl. §§ 191 Nr. 6, 194). [(So auch RG. in S. A. 36 Nr. 305.] Das Einwerfen in einen Briefkasten, welcher alle für eine gewisse Person ankommende Briefe aufzunehmen bestimmt ist, kann einer Uebergabe nicht gleichgeachtet werden (RG. 6 S. 341). 3) Zuweilen genügt statt der förmlichen Zustellung, z. B. für Abweisung mancher Anträge, die einfache Mittheilung oder Ausreichung durch den Gerichtsschreiber (vgl. tz 329 Anm. 5, RG. 11 S. 404, H. Meyer, Zustellung v. Amtswegen S. 61). Der in den Entwürfen mehrfach sich findende Ausdruck „Mittheilung" ist zwar seiner Unbestimmtheit wegen absichtlich vennieden worden; vgl. jedoch §§ 73, 188, 226, 502, 660, 674, 683, 986, 988, wo er die Bedeutung einer formlosen Benachrichtigung hat. Eine gleiche Bedeutung haben die Ausdrücke „Benachrichtigung, Anzeige, in Kenntniß setzen" (vgl. z. B. htz 134, 362, 364, 365, 386 u. s. w.). Dgl. FGG. § 16. Auch der Ausdruck „Behändigung", welcher nach manchen Gesetzgebungen gleich­ bedeutend mit „Zustellung" ist, ist in der CPO. hierfür nicht gebraucht worden. Nach § 41 der Preuß. GA. f. d. GD. v. 12. Dez. 1899 (JMBl. S. 629) bezeichnet er im Gegensatze zu Zu­ stellungen die Ausreichung der Ausfertigung der von den Gerichten in Sachen der nicht streitigen Gerichtsbarkeit aufgenommenen Akte sowie die Rückgabe von Schriftstücken, welche den Parteien gehören und diesen zurückzugeben sind; vgl. auch Preuß. GDO. § 19 Nr. 3. 4) Abs. 2: Eine Form der Beglaubigung ist nicht vorgeschrieben. Es genügt das Wort „Beglaubigt" mit der Unterschrift des Beglaubigenden, auch bloßer Blaustempel (RG. 7 S. 731, 14 S. 335), desgleichen die Beifügung des Siegels des Staatsanwalts (RG. in I. W. 1888 S. 65, 1897 S. 561) oder die Beglaubigung durch den staatSanwaltschaftlichen Sekretär (RG. 33 S. 365, im D. RAnz. 1893 bes. Beil. 1 S. 20). S. auch Preuß. GA. f. d. GD § 12 Nr. 1 e. „den Gerichtsvollzieher" — d. h. nicht einen beliebigen, sondern den zustellenden (RG. in I. W. 1891 S. 178. A.M. Seuffert Anm. 3). Die- gilt auch für Zustellungen unter Vermittelung des Gerichtsschreibers, die auf Betreiben eines Rechtsanwalts erfolgen (RG. in S. A. 54 Nr. 113). „auf Betreiben von Rechtsanwälten" — auch in amtsgerichtlichen Prozessen. „in Anwaltsprozessen" — einschließlich derjenigen Prozeßhandlungen, rückstchtlich deren Anwaltszwang nicht besteht (vgl. § 166 Anm. 4). Da in Anwaltsprozeflen der Betrieb der Zustellung dem Anwaltszwange nicht unterliegt (f. § 166 Anm. 3), so steht auch die Be­ glaubigung dem die Zustellung betreibenden Anwälte zu ohne Rücksicht auf seine Zulassung beim Prozeßgerichte (RG. 17 S. 411, 24 S. 418, Gaupp Nr. III .1), dagegen nicht jedem be­ liebigen — die Zustellung nicht betreibenden — Rechtsanwälte (RG. 33 S. 399 u. in Gruchot 41 S. 168, ob.LG. f. Bayern in 3. A. 53 Nr. 53), und zwar auch dann nicht, wenn er dazu von dem die Zustellung betreibenden Anwalt Auftrag erhalten hat (RG. in I. W. 1896 S. 187). Vgl. auch Petersen Nr. 5. „durch den Anwalt" — also nicht durch den von ihm beauftragten Gerichtsvollzieher. Die Beglaubigung durch Letzteren macht aber die Zustellung nicht ungültig (RG. 8 S. 346 u. in 3. A. 38 Nr. 344, 54 Nr. 113, Gaupp a. a. O., Seuffert Anm. 3, Planck I S. 138 N. 27, II S. 124 N. 29, Fitting in Busch 11 S. 55, welcher überhaupt die Vorschrift, wer in den verschiedenen Fällen die Abschrift zu beglaubigen hat, nur als Ausführungsanweisung ansteht;

214

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren. § 171.

§ 171. (157.) Die Zustellungen, welche an eine Partei bewirkt werden sollen, erfolgen für die nicht prozeßsähigen Personen an die gesetzlichen Vertreter derselben.

Bei Behörden, Gemeinden und Korporationen, sowie bei Vereinen, welche als solche klagen und verklagt werden können, genügt die Zustellung an die Vorsteher. Bei mehreren gesetzlichen Vertretern, sowie bei mehreren Vorstehern genügt die Zustellung an einen derselben. «. Entw* § 236* Entw* I. § 149* S. 145, 146* Prot. L 58*

Entw. IT. § 150*

Entw. III. § 150*

Mot.

desgl. Heilbut im c. A. 69 2. 376 ff. ; vgl. RG. in I. W. 1891 2. 467. A.M. Wilm. Levy Anm. 6). 5) Die bisherigen Schlußworte: „bei den von Amtswegen zuzustellenden Schriftstücken durch den Gerichtsschreiber" sind in den neuen § 210 versetzt. §§ 171-173* 1) Die §§ 171—173 handeln (im Gegensatze zu den §§ 176—179) von der Zustellung an die Partei selbst und bestimmen, welche Personen in dieser Hinsicht der Partei gleich stehen. (Dgl. auch Planck I S. 225.) Unter der „Partei" sind hier auch die Nebenparteien (Litisdenunziaten, Nebeninter­ venienten u. s. w.) zu verstehen (vgl. Dorbem. vor 64). — Ersatzzustellung (§§ 181 ff.) ist auch in den Fällen der §§ 171—173 zulässig (Birkenbihl in Gruchot 33 S. 262 ff. u. die Komm.). 2) Im Entw. III der Nov. (§ 158a) war eine besondere Vorschrift für Zustellungen an Gefangene dahin vorgesehen, daß sie an den Gefängnißvorsteher erfolgen könne (vgl. Begr. S. 96); sie ist jedoch von der RTK. abgelehnt worden (Kom.-B. S. 71). Vgl. auch § 181 Anm. 3. §171* 1) Dem § 171 liegt der Gedanke zu Grunde, daß nur einer prozeßfähigen Partei (§51) zugestellt werden kann, dieser aber in Person zuzustellen ist. An Ehefrauen muß mithin die Zustellung in Person erfolgen, weil sie nach § 52 prozeßfahig sind. Inwieweit es wegen zusammentreffender Rechte des Ehemanns zur Wirksamkeit eines Prozesses zugleich einer Zustellung an ihn bedarf, bestimmt sich nach bürgerlichein Rechte (§ 52 Anm. 2). Vgl. auch Nordd. Prot. 2. 357. Zustellungen an Ehegatten sind an jeden Gatten besonders zu bewirken. Wegen Zustellungen durch die Post an den Konkursvenvalter vgl. auch Ms\ § 121 und OLG. Cöln in Puchelt Z. 31 2. 497. 2) An die Stelle einer nicht prozeßfähigen Partei tritt deren gesetzlicher Ver­ treter (vgl. § 51 Anm. 2). Die Zustellung muß demnach, wenn sie an eine unter Vormund­ schaft oder elterlicher Gewalt stehende minderjährige Partei bewirkt werden soll, an deren Vor­ mund, bezw. Vater oder Mutter erfolgen. Fehlt der gesetzliche Vertreter, so ist zunächst nach § 57 bezw. § 241 zu verfahren (vgl. § 51 Anm. 3); ebenso wenn der Gegner selbst der gesetz­ liche Vertreter ist (vgl. RG. 7 S. 404. Wilin. Levy Anm. 3, Seuffert Anm. 1. A.M. Gaupp Nr. I N. 2, der sich mit Unrecht auf RG. in I. W. 1888 2. 15 beruft; s. auch §§ 181 — 185 Anm. 3). 3) Abs. 2: Für Behörden (vgl. § 17 Anm. 4, §18), Gemeinden und Koporationen sowie Vereine (bisher „Personenvereine" — vgl. § 17 Anm. 1), welche als solche klagen und verklagt werden können (vgl. § 17 Anm. 1 u. §50 Abs. 2; s. auch Petersen Nr. 4, Gaupp Nr. 111 u. A.), kann, wie die Mot. hervorheben, die Zustellung der Regel des Abs. 1 gemäß an deren gesetzliche Vertreter erfolgen, welche demnach auch zur Annahme von Zustellungen für die von ihnen vertretene Partei berechtigt und verpflichtet sind (vgl. Preuß. GA. f. d. GV. § 25 Nr. 3). Das Gleiche gilt von Personen, welche int einzelnen Falle, etwa kraft besonderer Vorschrift des Gesetzes oder der Satzungen, zur Vertretung jener Vereine, sei es

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 172.

215

§ 172. (158.) Die Zustellung für einen Unteroffizier oder einen Gemeinen des aktiven Heeres oder der aktiven Marine erfolgt an dm Chef der zunächst vor­ gesetzten Kommandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron, Batterie u. s. ».).

ft. «Nt». § 237. «ut». I. § 150. «. 146.

«ut». II. § 151. «ut». III. § 151. 8Äot.

Prot. S. 58, 102.

allgemein im Prozeß oder für bestimmte Prozesse, oder zur Empfangnahme von Zustellungen befugt find (vgl. z. B. BGB. § 26 Abs. 2; für Handelsgesellschaften HGB. §§ 126, 156, 161 Abs. 2, 231, 295, 298, 320, 331). Daneben ist zur Erleichterung der Zustellungen im Abs. 2 gestattet („genügt"; Nordd. Prot. S. 350 f.), daß die Zustellung auch an die Vorsteher, welche nicht immer mit den gesetzlichen Vertretern gleichbedeutend sind, geschehen kann (Petersen Nr. 3). Der Name des Vorstehers braucht in der Adresse nicht bezeichnet zu sein. — Andere Erleichterungen enthält § 184. 4) „Gesellschaften" und „Genossenschaften" sind hier nicht, wie in § 17 Abs. 1, besonders aufgeführt; sie gehören aber, wie auch der Ausdruck „anderen" in § 17 ergiebt, zu den Vereinen und fallen daher unter § 171 Abs. 2. Die gleichfalls hier nicht erwähnten „Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen" unterliegen dagegen nicht der Bestimmung des § 171 Abs. 2, sondern nur des Abs. 1 (Gaupp a. a. O.). Bei ihnen pflegt ohne. hin neben dem gesetzlichen Vertreter nicht noch ein Vorsteher zu bestehen. 5) Abs. 3: Hierher gehört bei einer offenen Handelsgesellschaft auch der Fall der Kollektiv-Vertretung (vgl. Staub, HGB. § 124 Anm. 8). Die Bestimmung bezieht sich nicht auf Fälle, in denen eine Partei aus mehreren Personen besteht, welche nicht als Gesammtheit klagen oder verklagt werden, sondern jede ihr besonderes Jnterefle verfolgen (z. B. Streitgenoffen, Nebenintervenienten); in diesen Fällen muß an jede zugestellt werden (vgl. tz 169 Abs. 1, RG. in Gruchot 39 S. 1117, in I. W. 1887 S. 111). Ebenso muß in den Fällen des HGB. §§ 272, 320 Abs. 3 die Zustellung an den Vorstand und den Aufstchtsrath erfolgen, da durch die Richtung der Klage gegen beide Organe Kollusionen des Anfechtenden mit dem einen oder anderen Organe vermieden werden sollen (OLG. Rostock in S. A. 48 Nr. 104; vgl. RG. 14 S. 142; Staub, HGB. § 272 Anm. 13). Zur Zustellung an den Aufsicht-rath genügt diejenige an den Vorsitzenden (OLG. Cöln im Rh. A. 95 I S. 21). 6) Ueber die Zustellungen an Landesherren u. s. w. vgl. EG. z. CPO. § 5. 8172.

1) Diese Vorschrift ist im Wesentlichen dem preußischen Rechte entnommen (AGO. Anh. § 54 ju I 7 § 19, Kab.-O. v. 22. März 1827 — GS. S. 31). Auf Offiziere und im Offiziersränge stehende Militärpersonen bezieht sich die Vorschrift nicht; an diese erfolgt die Zustellung nach den allgemeinen Bestimmungen. 2) Ueber den Begriff „Unteroffizier" und „Gemeiner" vgl. die Anlagez. Mil.StGB. v. 20. Juni 1872 (RGBl. S. 204), Preuß. GA. f. d. GD. § 25 Nr. 2. Die Mannschaften deS „aktiven Heeres" und der „aktiven Marine", welche stets besonders neben dem Heere genannt wird, bilden den Gegensatz zu den Mannschaften des „Beurlaubtenstandes" svgl. Reichsverf. Art. 53, 59, ferner Ges., betr. d. Verpflichtung z. ädnegsdienste, v. 9. Nov. 1867 (RGBl. S. 131) §§ 2, 8, 11, 13, 15 und Anl. A d. Ges., betr. d. Servistarif, v.26. Juli 1897 (RGBl. S. 619), StGB. §§ 31, 34, 112, 140, auch R.-Militärges. v. 2. Mai 1874(RGBl. S. 45) §§ 38, 56, sowie Hecker in Goltdammer, A. f. StrR. 31 3. 87]. Wegen der Ladung als Zeuge oder Sachverständiger vgl. §§ 378 Anm. 2, 402. 3) Die Gültigkeit der Zustellung hängt nicht von der Weiterbeförderung des Schriftstücks an denjenigen ab, für welchen es bestimmt ist (Petersen Nr. 2). Dies folgt klar aus bent Ausdrucke „Die Zustellung erfolgt an", welcher nach der ständigen Ausdrucksweise des Gesetzes (vgl. z. B. §§ 171, 173, 176, 179, 181, 183) eine in ihrer Gültigkeit von einer nach-

216

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 173.

§ 173 (159.) Die Zustellung erfolgt an den Generalbevollmächtigten, sowie in den durch den Betrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigfeiten an den Prokuristen mit gleicher Wirkung, wie an die Partei selbst. «♦ G»tw. § 23S. E»tw. I. § 151« G. 146, 147« Prot. L. 58.

Entw. II. § 152«

Gntw. III. § 152«

«ot.

folgenden Thätigkeit nicht bedingte Zustellung bezeichnet (Prot. 3. 10*2). Anders int Falle des § 378. Daß der Chef zur Weiterbeförderung auf dem Dienstwege verpflichtet ist, ergiebt sich aus seiner dienstlichen 3tellung. §173. Literatur: Pfizer in Gruchot 27 3. 216 ff-, Birkenbihl das. 33 3. 273 ff. 1) Der Generalbevollmächtigte, d. h. der allgentein zur Verwaltung der Vermögensangelegenheiten des Vollmachtgebers Berufene (vgl. Mot. 3.146), und der Prokurist (HGB. § 49) sind kraft Gesetzes allgemein, bezw. in allen den Betrieb eines Handelsgewerbes be­ treffenben Angelegenheiten zur Prozeßführung berechtigt, ohne einer besonderen Vollmacht zu bedürfett. Eine Folge hiervon ist, daß sie auch für berechtigt und verpflichtet erachtet werden, alle Zustellungen, auch die der Klage, in Empfang zu nehmen (Nordd. Prot. 3. 355, Pfizer з. 223); §173 („erfolgt — mit gleicher Wirkung") spricht so bestimmt, daß eine Ablehnungsbefugniß des Vertreters ausgeschlossen erscheint. Andererseits ergiebt die Fassung des § 173 klar, daß die Zustellung auch an den Geschäftshernt selbst erfolgen kann. 3elbstverständlich kommt § 173 nur da zur Anwendung, wo an die Partei selbst nicht an den Prozeßbevollmächtigten (s. § 176), zuzustellen ist. Vgl. §§ 171 — 173 Anm. 1. Wegen des Zustellungsbevollmächtigten s. § 174 Anm. 1 a. E. Wie weit die Generalvollmacht die Empfangnahme von Zustellungen umfaßt, ist übrigens Thatfrage, da es auch beschränkte Generalvollmachten giebt svgl. Windscheid-Kipp Pand. I § 74 N. 2, Förster (Eccius) II § 141 3. 317, Petersen Nr. 3, Wilm. Levy Anm. 1, 3euffert Anm. 1, Pfizer 3. 216 ff. u. A. A.M. Gaupp Nr. II, Reincke 3. 182, welche mit den Mot. nur den mit der Verwaltung aller Vermögensattgelegenheiten Beauftragten als Generalbevollmächtigten an­ sehen^. 3o weit ihre Vollmacht zur Vertretung im Prozesse reicht, kann ihnen auch zugestellt werden. Auf nicht vermögensrechtliche Klagen, z. B. in Ehe- und Personenstandssachen, bezieht sich ihre Befugniß nach § 173 überhaupt nicht (Mot., §§ 613, 640, 641; Pfizer 3. 218, 3euffert, Petersen, Gaupp a. a. £).). 2) Eine Prüfung der Generalvollmacht (bezw. der Prokura) findet von Amtswegen nicht statt. Dagegen betrifft den betreibenden Theil die Beweislast (vgl. OLG. Oldenburg in 3. A. 49 Nr. 122). Eventuell darf ein Versäumnißurtheil nicht erlassen werden; vielmehr ist die Klage durch Urtheil angebrachtermaßen abzuweisen (vgl. § 51 Anm. 2, Pfizer 3. 2*25 ff.). Die Nichtanfechtung der Generalvollmacht im Prozesse beeinträchtigt selbstverständlich die Rechte des an­ geblichen Vollmachtgebers tticht (vgl. §§ 551 Anm. 6, 579 Anm. 6). 3) Der Korrespondent-Rheder (HGB. § 492) steht deut Prokuristen nicht gleich (vgl. RG. in 3. A. 36 Nr. 79, Bimsen 3.301 N. 10. A.M. 3euffert Anm. 1, Wilm. Levy Anm. 2 и. A.), auch nicht der Schiffer (HGB. §527 Lewis, 3eerecht I 3. 135. A.M. Petersen a. a. O.; Binnenschiffahrtsges. v. 15. Juni 1895 § 15. Ausnahme: HGB. §§ 696, 761), noch weniger der bloße Handlungsbevollmächtigte (HGB. §54), welcher jene 3tellung des Prokuristen nicht theilt; die Zustellung an ihn ist nur zulässig, wenn er zur Prozeßfühnmg besonders ermächttgt und als Bevollmächtigter in betn Prozesse bereits (mündlich oder in einem 3chriftsatz) auf* getreten ist (vgl. RG. 42 3. 92, 3euffert Anm. 2). — Dagegen hat der nach betn Patentgesetze v. 7. April 1891 (RGBl. 3. 79) § 12 von dem nicht im Jnlande wohnenden Patentberechttgten bestellte inländische Vertteter für alle das Patettt betreffenden Angelegenheiten die Stellung eines Generalbevollmächtigten (3euffert Anm. 1); ebenso Gebrauchsmusterges. v. 1. Juni 1891

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 174.

217

§ 174. (160.) Wohnt eine Partei weder am Orte des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks, in welchem das Prozeßgericht feinen Sitz hat, so kann das Gericht, falls fie nicht einen in diesem Orte oder Bezirke wohn­ haften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, auf Antrag anordnen, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Wohnt die Partei nicht im Deutschen Reiche, so ist fie auch ohne vor­ gängige Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls fie nicht einen in dem durch Den ersten Absatz bezeichneten Orte oder Bezirke wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat. R. Ent«, tz 840. Ent«. I. § 152. r. 147, 148. Prot. 2. 58.

Ent«. II. § 153.

Eutw. III. § 153. Mot.

(RGVl. S.290) § 13, Ges., betr. Schutz b. Warenbezeichnungen, v. 12. Mai 1894 (RGBl. 6.441) § 23. Dgl. auch See-Unfallvers.Ges. in der Fassung v. 5. Auli 1900 (RGBl. S. 716) § 33 Abs. 2. § 174.

1) Die §§ 174, 175 handeln von den Zustellungsbevollmächtigten. Im Anschluß an den R. E. unterscheidet der § 174 zwischen einer im Ausland und einer im Jnlande wohnenden Partei. Erstere ist, falls sie nicht einen Prozeßbevollmüchtigten bestellt hat, welcher am Orte des Prozeßgerichts oder doch innerhalb des Amtsgerichtsbezirkes wohnt, in welchem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, stets verpflichtet, ohne eine Anordnung des Gerichts abzuwarten, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen (Abs. 2). Letzterer dagegen liegt nur, wenn sie außerhalb jenes Bezirks wohnt und einen innerhalb dessen wohnhaften Prozeßbevollmächtigten nicht bestellt hat, diese Verpflichtung ob und auch dann ausnahmsweise^ nämlich wenn das Gericht die Benennung anordnet. Diese Anordnung kann nur nach erfolgter Zustellung der Klage (so auch fast alle Komment. A.M. Sarwey I S. 256) — nach, dem die Gelegenheit zur Bestellung eines Prozeßbevollmüchtigten unbenutzt geblieben — und nur auf Antrag (hier gleichbedeutend mit „Gesuch" — vgl. § 37 Anm. 1) des Gegners (Klägers oder Beklagten) erfolgen. Das Gericht (nicht der Vorsitzende) entscheidet darüber, ohne daß eine mündliche Verhandlung vorauszugehen braucht, nach freiem Ermessen. Wegen der Zustellung s. § 329 Abs. 3. Hierbei wird die Erwägung maßgebend fein, ob die Zustellung durch die Post (§ 193), welche im Falle der Nichtbenennung eines Zustellungsbevollmächtigten eintritt, die ausreichende Sicherheit und Raschheit verbürgt oder etwa nicht ausführbar erscheint oder sich als unsicher oder zu zeitraubend erweist (Mot.). Sowohl bezüglich der Partei, bezw. des gesetzlichen Vertreters (§ 171) wie des Zustellungsund des Prozeßbevollmächtigten ist das thatsächliche Wohnen (§ 180), nicht der juristische Wohn, sitz entscheidend (Petersen Nr. 1, Gaupp § 180 Nr. H, Wilm. Levy Anm. 2 a, Seuffert Anm. 3 u. A. A.M. Kleiner I S. 579, Hellmann I S. 479. Vgl. § 180 Anm. 2). — Prozeßfähigkeit (§51) ist für den Zustellungsbevollmächtigten nicht erforderlich, nur Fähigkeit zur Empfang, nähme des Schriftstücks (Planck I S. 227, Gaupp Nr. I a. E. ; vgl. § 79 Anm. 3). In den Fällen des § 173 finden die §§ 174, 175 keine Anwendung, wenn der Generalbevollmächtigte oder Prokurist am Orte des Prozeßgerichts, bezw. innerhalb des Amtsgerichts­ bezirkes, wohnt. Vgl. Gaupp Nr. Ia, Petersen Nr. 2 u. A. Dasselbe gilt von den Vorstehern im Falle des § 171. 2) Wegen der Vorschriften des französischen und des badischen Rechtes über den erwählten Wohnsitz s. EG. z. BGB. Art. 157. 3) Ist ein Rechtsanwalt Prozeßbevollmüchtigter, so hat die Anwendung des § 174 nur geringen Raum. Denn nach der RAO. § 19 muß ein Rechtsanwalt, der am Orte des

218

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahren.

§ 175.

§ 175. (161.) Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gericht­ lichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz Miellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung in der Art bewirkt werden, daß der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der Adreffe der Partei nach ihrem Wohnorte zur Post giebt. Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurück­ kommt. Die Postsendungen find mit der Bezeichnung .Einschreiben' zu versehen, wenn die Partei es verlangt und zur Zahlung der Mehrkosten fich bereit erklärt. 91. Entw. § 841. Entw. I. § 153. $. 148. Prot. L. 58.

@nt«e. II. § 154.

Sntw. III. § 154.

Mot.

Gerichts, bei welchem er zugelassen ist, nicht wohnhaft ist, bei diesem Gericht einen zuständigen Zustellungübevollmächtigten bestellen; ist eine Zustellung an letzteren nicht ausführbar, so kann sie an den Rechtsanwalt durch Aufgabe zur Post (f. § 175) erfolgen. §175.

1) Abs. 1 handelt in dem ersten Latze von der Art der Bestellung des Zustellungs­ bevollmächtigten. Die Benennung soll erfolgen, sobald die Nothwendigkeit hervortritt, mithin bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung, oder wenn dieser die Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner vorausgeht, in dem Schriftsätze, z. B. schon in der Klagschrist, wenn der Klüger im Auslande wohnt, oder im Falle der RAO. § 19 (s. oben § 174 Sinnt. 3). In dieser Benennung liegt zugleich die Bevollmächtigung der Zustellungsbevollmächtigten. Einen besonderen Vollmachtsnachweis kann der Gegner umsoweniger verlangen, als ihm stets freisteht, der Partei selbst die Zustellung zu machen. „Die einmal erfolgte Benennung eines Zusteliungsbevollmächtigten gilt für alle Instanzen einschließlich der Zwangsvollstreckung; die §§ 86, 87 werden dabei zur analogen Anwendung gelangen" (Mot.). Der erste Latz der Mot. setzt selbstverständlich voraus, daß der 3itz der höheren In­ stanzen an demselben Orte ist, wie der der ersten, und hat für die höheren Instanzen über­ haupt nur rücksichtlich derjenigen Ausnahmesälle Bedeutung, in welchen die Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten gültig erfolgen kann (vgl. § 179). Uebrigens darf die Ernennung auch aus die erste Instanz beschränkt werden (§ 179 Abs. 2; Wilm. 9evy Amu. 1, Kleiner I 3. 581. Lheilw. st Ino. Eellmann I 3. 481, Bolgiano 3. 347 N. 7). Nnterbevollmächtigung ist nicht ohne Weiteres ^entsprechend $ 81) statthaft (Gaupp Nr. I. A.M. A. Förster Anm. 1 a. E. ; vgl. BGB. § 664). 2) Der zweite und dritte 3atz des Abs. 1 setzen die an die Unterlassung der Be­ nennung eines Zustellungsbevollmächtigten geknüpften Folgen fest. Es tritt alsdann die Post als gesetzlicher Zustellungsbevollmächtigter der säumigen Partei ein, und das Schriftstück gilt mit der durch den Gerichtsvollzieher sder Gerichtsschreiber ist im Gegensatze zu § 196 dazu nicht befugt (s. jedoch § 213); so auch Leuffert Anm. 3, Petersen Nr. 4, Gaupp Nr. II u. A. A.M. 3arwey I 3.274] erfolgten Aufgabe zur Post [nicht zu verwechseln mit der Zustellung durch die Post (§§ 193 ff.), bei welcher der Zeitpunkt der Zustellung an die Partei maßgebend ist] als zugestellt (Preuß. GA. s. d. GB. § 36 Nr. 1), selbst wenn die 3endung als unbestellbar zurückkommt. [Vgl. auch §§244 Abs. 2 a. E., 829 Abs. 2, 835 Abs. 3; KO. § 77, RAO. § 19 Abs. 3, ZVG. §§ 4—8; Verordn, z. Auss. d. Patentges. v. 11. Juli 1891 (RGBl. 3. 339) § 12 Nr. 2, R.Ges. z. Lchutze d. Waarenbezeichnungen § 10 Abs. 3; Mot. S. 148; wegen der Zustellungsurkunde s. § 192.] Voraussetzung ist dabei nach den Mot., daß die gewählte Aufschrift die richtige ist oder doch mit Grund von der zustellenden Partei für die richtige gehalten werden durfte, wie z. B. in dem Falle,wo der Gegner, ohne Anzeige

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§ 176.

219

§ 176. (162.) Zustellungen, welche in einem anhängigen Rechtsstreite ge­ schehen sollen, müssen an den für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen. R. G»1w. § 239« Errtw. I. § 155 «ds. 1. Mot. G. 148—150. Prot. G. 58.

Eutw. II. § 155«

Entw. III. § 155«

davon zu nrachen, im Laufe des Prozesses seinen Wohnort ändert und deshalb das zuzustellende Schriftstück nach dem bisherigen Wohnort adresflrt wird. Hat der Gegner einen Prozeß« bevollmächtigten, welcher außerhalb des in § 174 angegebenen Bezirkes wohnt, so ist nach tz 176 das Schriftstück an diesen zu richten. — Freimachung ist zu einer ordnungsmäßigen Zustellung durch Aufgabe zur Post erforderlich, sofern die Post nicht freigemachte Sendungen nicht befördert (Seuffert Anm. 3). Der Unterlassung der Benennung stehen die Fälle gleich, wenn die Bestellung ohne Benennung einer anderen Person widerrufen wird oder die Zustellung an die benannte Person nicht vollzogen werden kann. Auch Zustellungen von Amtswegen können durch Aufgabe zur Post erfolgen (§ 213). 3) Der von der RTK. v. 1875 hinzugefügte Abs. 2 bezweckt, der Partei, für welche die Zustellung bestimmt ist, eine noch größere Sicherheit dafür zu geben, daß die Sendung wirklich in ihre Hände gelangt. Voraussetzung des „Einschreibens" ist, daß die Partei (d. h. diejenige, welcher zuzustellen ist) an den Gegner das Verlangen stellt, was in jeder Form geschehen kann, und daß ste zugleich zur Zahlung der Mehrkosten sich bereit erklärt. Wird ein solches Verlangen gestellt, so ist die Post eigentlich nicht mehr gesetzlicher, sondern von der Partei destellter Zustellungsbevollmüchtigter. Wegen der postalischen Behandlung s. Verf. des General« Postmeisters v. 24. Aug. 1879 (Preuß. JMBl. 1879 S. 373 ff.). 4) Außer in den gesetzlichen Fällen ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post nicht zu« lässig (vgl. OLG. Jena in S. A. 39 Nr. 339). 5) Wegen der Gebühren s. GO. f. GV. § 2.

§176. 1) Die §§ 176—179 handeln von der Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten. Für besten Begriff und Bestellung sind auch hier die §§ 78—89 maßgebend ; der Zustellende hat sich davon zu überzeugen, ob hiernach ein wirklicher Prozeßbevollmächtigter vorhanden ist. Im Parteiprozesse kann darüber nach §§ 80, 88 Abs. 2 nur die zu den Gerichtsakten ab« gegebene Vollmacht entscheiden (vgl. R8. in I. W. 1900 S. 529, Wilm. Levy Anm. 3). Im Anwaltsprozesse hat dagegen, solange das Fehlen der Vollmacht nicht mit Erfolg gerügt ist (§88 Abs. 1), der Anwalt, welcher für den Gegner (mündlich oder in einem Schriftsatz) aufgetreten ist, als Prozeßbevollmächtigter zu gelten. (So auch Seuffert Anm. 2, Wilm. Levy Anm. 3, Gaupp Nr. I 3 u. A. A.M. in letzterer Hinsicht Endemann I S. 540 f., welcher fordert, daß sich der Anwalt bereits als Bevollmächtigter ausgewiesen habe.) ^Vgl. wegen Un« kenntniß der Partei von der Bestellung des Prozeßbevollmächtigten § 179 Anm. 2.] Auch der Geschäftsführer ohne Auftrag (§ 89) gehört im Partei« wie im Anwaltsprozefle hierher, sofern der Bevollmächtigte oder Geschäftsführer vom Gericht einstweilen zugelassen war. (Vgl. Petersen Nr. 3, Seuffert Anm. 2, Ulbricht im c. A. 78 S. 100.) Nach § 313 Nr. 1 muß jetzt die Bezeichnung der Prozeßbevollmächtigten auch im Urtheil enthalten sein; im Falle der un« richtigen Bezeichnung s. § 235 Abs. 2. Wegen der zur Einlegung eines Rechtsmittels erforder. lichen Zustellung vgl. § 179. Die Zustellungen erfolgen an den Prozeßbevollmächtigten (oder an dessen nach RAO. § 19 bestellten Zustellungsbevollmächtigten — RG. in I. W. 1899 S. 304 Nr. 13), auch wenn er eine Generalvertretungsvollmacht ausgestellt (RG. in S. A. 40 Nr. 248) oder einen Vertreter nach § 81 (für dieselbe Instanz) bestellt hat (§81 Anm. 2 „Vertreters") und Letzterer irr«

*220

Erstes Buch. Allgem. Bestimmungen. Dritter Abschnitt. Verfahren. § 177.

§ 177. Ist der Aufenthalt eines Prozeßbevollmächtigten un­ bekannt, so hat das Prozeßgericht auf Antrag die Zustellung an den thümlich im Sitzungsprotokoll oder in einem Urtheil als Prozeßbevollmächtigter bezeichnet ist (RG. in Gruchot 36 S. 1228; vgl. jedoch auch § 179 Sinnt. 2) oder wenn der Vollmachtsverttag bereits gekündigt ist (RG. in Gruchot 28 S. 1130 u. in I. W. 1891 S. 246, OLG. Kiel in S. A. 40 Nr. 242). Ueber Zustellungen an eine sog. Anwaltsfirma s. OLG. Cassel in Busch 14 S. 493; vgl. auch §§ 169 Sinnt. 1, 191 Sinnt. 2 zu Nr. 3. 2) § 176 stellt den Sah an die Spitze, daß in einem anhängigen Rechtsstreit alle Zustellungen an den für die Znstanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen. Die Zustellung an die Partei selbst oder die ihr gleichgestellten Personen (§§ 171—173) hat mithin, nachdem der Prozeß anhängig geworden, also nach Erhebung der ^lage (§§ 253, 263, 499, 500) bezw. nach Zustellung der Berufungs- oder Revifionsschrift '(§§ 518, 553) bis zur Beendigung der Instanz, also bis zur Zustellung des letzten Enduttheils der Instanz [. 152.

§ 1S3. (176.) Zustellungen können auch durch die Post erfolgen. N. Eutw. § 250. Entw. I. «. II. — Gntw. III. § 169. «Kot. G. 141—143. Prot. Z. 61, 62. Zu Nr. 7: Unter Umständen ist auch das Dienstsiegel (Preuß. GVO. § 30) hinzuzufügen (Preuß. GA. § 34 Nr. 2). Wegen Gültigkeit der ZusteUling trotz fehlender Unterschrift s. ob.LG. f. Bayern in S. A. 54 Nr. 180. Andere Bestandtheile der Zustellungsurkunde s. z. B. in § 840. Unter der Urschrift und Abschrift der Urkunde muß der Gerichtsvollzieher eine Berechnung seiner Gebühren und Auslagen aufstellen (GO. f. GD. § 23; vgl. das. §§ 2, 3, 13, 14, 17).

4) Die Bestimmung des P. E. § 171 (vgl. H. E. § 166), daß, wenn die Urschrift und die Abschrift der Zustellungsurkunde abweichende Angaben enthalten, zu Gunsten der Person, welcher zugestellt ist, der Inhalt der Abschrift maßgebend sei, ist als selbstverständlich weg­ gelassen; „denn für den Requifiten bildet die ihm zugestellte Abschrift eben das Original" (Mot. S. 153). Dies gilt aber nur insoweit, als durch einen Fehler der Abschrift für den Empfänger eine Versäumniß oder sonst ein Nachtheil herbeigeführt worden ist; im Uebrigen ist für den Beweis der Zustellung nach allgemeinen Grundsätzen die Urschrift maßgebend (vgl. §§ 170 Anm. 2, 190 Anm. 1; RG. 4 S. 433, in I. W. 1889 S. 67, 1891 S. 146, in Gruchot 36 S. 126, OLG. Cöln im Rh. A. 95 I S. 3; Vierhaus in Busch 5 S. 77, Seuffert § 156 Anm. 2 a. E., Stirn.Levy § 156 Anm. 6 i. A. ; vgl. auch RG. im D. RAnz. 1882 bes. Beil. Nr. 3 S. 4, OLG. Dresden in Busch 7 S. 99; etwas abweichend Petersen § 170 Nr. 6). §192. 1) Wegen des Unterschieds der „Zustellung durch Aufgabe zur Post" und „Zustellung durch die Post" vgl. § 175 Anm. 2. § 191 Nr. 1, 4—6 sind der Naturder Sache nach unanwendbar. Die „Aufgabe zur Post" kann nur durchdie Gerichtsvollzieher erfolgen (vgl. § 175 Anm. 2; f. jedoch auch § 213). Vgl. auch Preuß. GA. f. d. GV. § 36. 2) Im Falle des § 175 Abs. 2 ist der Einlieferungsschein der Zustellungsurkunde beizufügen (Gaupp Anm. a. E.).

88 193-197. 1) Vgl. § 166 Anm. 1. „Wird durch die Post zugestellt, so tritt an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Postbote, insoweit es sich um den Akt der Zustellung handelt. Der Postbote ist insoweit Gerichtsvollzieher; denn wie der letztere behändigt er dem Adressaten oder einer Ersatzperson und beurkundet den Behändigungsakt. Alle zeitlich vor diesem Akte liegenden, mehr und minder nothwendigen Handlungen (Parteiauftrag, Vermittelung desselben, Uebergabe der zuzustellenden Schriftstücke an den mit der Zustellung Beauftragten, Vorbereitung der Zustellungsurkunde, Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke u. s. w.) kommen für die Gültigkeit und Wirksamkeit der Zustellung selbst nur als Voraussetzungen in Betracht. Sie können von den Zustellungsbeamten selbst oder von anderen Personen vorgenommen werden; die Bedeutung des Zustellungsakts wird dadurch nicht berührt, daß jene Handlungen dem Zustellungsbeamten selbst oder einer andern Person obliegen." (Mot.) Die Zustellung durch den Postboten ist der entscheidende Akt, insbesondere auch bezüglich des Beginns und der Wahrung einer Prozeßfrist; die Thätigkeit des Gerichtsvollziehers ist nur

236

Erstes Buch.

Allgem. Bestimmungen.

Dritter Abschnitt.

Verfahre,!.

§ 194.

§ 194. (177.) Wird durch die Post zugestellt, so hat der Gerichtsvollzieher einen durch sein Dienstsiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschästsnummer bezeichneten Brief­ umschlag, in welchem die zuzustellende Ausfertigung oder die beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks enthalten ist, der Post mit dem Ersuchen zu über­ geben, die Zustellung einem Postboten des Bestimmungsorts aufzutragen. Der Gerichtsvollzieher hat auf dem bei der Zustellung zu über­ gebenden Schriftstücke zu vermerken, für welche Person er dasselbe Der Post übergiebt, und auf der Urschrift des zuzustellenden Schrift­ stücks oder auf einem mit derselben zu verbindenden Bogen zu be­ zeugen, daß die Uebergabe in der im Abs. 1 bezeichneten Art und für wen sie geschehen ist. N. Entw. — Entw. I. u. II. — Entw. III. § 170. Mol.