Die Bronzezeit in Süd- und Westdeutschland [Reprint 2018 ed.] 9783111453231, 9783111085821


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German Pages 128 [220] Year 1953

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INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
1. DIE FRÜHE BRONZEZEIT
2. DIE REINE BRONZEZEIT
3. DIE ENDBRONZEZEITLICHEN FREMDKULTUREN
4. KULTURVERHÄLTNISSE
5. CHRONOLOGIE UND KULTURBEZIEHUNGEN
6. GESCHICHTLICHES UND ZUSAMMENFASSUNG
NACHWEIS DER ABBILDUNGEN
ORTSVERZEICHNIS
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Die Bronzezeit in Süd- und Westdeutschland [Reprint 2018 ed.]
 9783111453231, 9783111085821

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FRIEDRICH

HOLSTE

DIE B R O N Z E Z E I T IN SÜD- UND WESTDEUTSCHLAND

HANDBUCH DER

URGESCHICHTE

DEUTSCHLANDS

HERAUSGEGEBEN

ERNST

VON

ERSTER

FRIEDRICH

SPROGKHOFF

BAND

HOLSTE

DIE B R O N Z E Z E I T IN SÜD- UND WESTDEUTSCHLAND

BERLIN

WALTER VORMALS

G. J. G ö S C H E IM S C H E

BUCHHANDLUNG



GEORG

DE

1953

GRUYTER

V E R L A G S H A N D LU N G REIMER

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KARL

& CO. —

J.GUTTENTAG,

J. T R Ü B N E R



VEIT

VERLAGS. &

COMP.

FRIEDRICH

DIE IN SÜD- U N D

MIT

13

BRONZEZEIT WESTDEUTSCHLAND

T E X T A B B I L D U N G E N , U N D

13

WALTER G. J. G Ö S C H E N

BUCHHANDLUNG



SCHE

GEORG

DE

26

1953

GRUYTER

VERLAGSHANDLUNG REIMER

TAFELN

KARTEN

B E R L I N

VORMALS

HOLSTE



KARL

& CO. —

J. G U T T E N T A G ,

J. T R Ü B N E R



VEIT

VERLAGS&

COMP.

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Archiv-Nr. 41 12 53 Printed In Germany Alle Rechte ( einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Satz und Druck: Buchkunst, Berlin W 35

Vorliegende Arbeit ist die Habilitationsschrift von Friedrich H o l s t e . Friedrich Holste starb in Semenowka bei Charkow den Soldatentod am 22. Mai 1942, nur sieben Tage nach seiner Ernennung zum a. o. Professor für Vor- und Frühgeschichte auf dem Lehrstuhl der Universität Marburg. Es erschien dem Herausgeber gleicherweise im Sinne der Wissenschaft wie aus Pietät gegenüber dem Gefallenen ein selbstverständliches Gebot, dieses Werk echten deutschen Forschertums ohne irgendwelchen Eingriff der Öffentlichkeit vorzulegen. Jede Änderung und Überarbeitung sowie jeder Zusatz hätte den Organismus des Werkes beeinträchtigt. Nur unangetastet kann es das Denkmal bleiben, das sich der Verfasser im deutschen Geistesleben damit gesetzt hat. Wir verdanken es dem Verständnis des Verlages und der Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, wenn die Herausgabe des Werkes in dieser Form möglich geworden ist. Der Herausgeber.

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung

1

1. Die frühe Bronzezeit Allgemeines: Siedlungen — Gräber — Hortfunde Der Fundstoff Die westliche Zone Die östliche Zone

5 5 9 9 13

2. Die reine Bronzezeit Allgemeines: Siedlungen — Gräber — Hortfunde Der Fundstoff Die östliche Zone Die danubisch-sudetische Gruppe Die südbayerische Gruppe Die oberpfälzische Gruppe Die böhmischen Gruppen Die westliche Zone Die württembergische Gruppe Die elsässische Gruppe Die mittelrheinische Gruppe Die nördliche Zone die osthessische Gruppe Die Lüneburger Gruppe

20 20 24 24 25 31 39 48 56 56 63 69 76 76 81

3. Die endbronzezeitlichen Fremdkulturen Allgemeines: Siedlungen — Gräber — Hortfunde Der Fundstoff Die oberrheinische Fremdgruppe Mels-Rixheim Die Riegseegruppe Die „leichtgerillte Ware" Endbronzezeitliche Keramik rechts des Rheins

86 86 87 87 91 95 97

4. Kultur Verhältnisse

101

5. Chronologie und Kulturbeziehungen

106

6. Geschichtliches und Zusammenfassung

117

Nachweis der Abbildungen

125

Ortsverzeichnis

126

EINLEITUNG Der Name B r o n z e z e i t hat in dem Jahrhundert seit seiner Prägung einen entscheidenden Bedeutungswandel erlebt. Was einst in des Wortes eigentlicher Bedeutung als ein Stadium in der Entwicklung der Menschheit vom EinfachUrsprünglichen zum Modern-Entwickelten angesehen wurde, ist heute ein Begriff von historischer Sinngebung geworden. Mit der grundlegenden Erkenntnis, daß große Kulturräume ihren eigenen Lebensrhythmus haben und ihre eigene Geschichte leben, verlor auch der weitgefaßte Begriff Bronzezeit seine umfassende Allgemeingültigkeit und wurde, je nach dem Kulturraum, enger oder weiter gefaßt. Für die gleiche Zeit, wo in Süddeutschland von der frühen und entwickelten Hallstattzeit im Sinne P. Reineckes die Rede ist, gebraucht man im Norden den Ausdruck Jüngere Bronzezeit. Nicht übereifrige Begriffsspalterei auf der einen oder Schwerfälligkeit auf der anderen Seite haben diese zunächst verwirrend und unnötig erscheinenden Sinnänderungen oder -begrenzungen des einst so klaren Begriffs Bronzezeit herbeigeführt, sondern die Erkenntnis, daß das Leben jeder Kultur seinen inneren Gesetzen folgt und sich nur einer Zeiteinteilung fügt, die diesen Grundsatz berücksichtigt. Die Bronzezeit Süddeutschlands, so wie sie Reinecke gegen die Endsteinzeit einerseits, gegen die Frühhallstattzeit andererseits abgrenzt, umfaßt einen verhältnismäßig geringen Zeitraum von wenigen Jahrhunderten in einem in den Hauptzügen einheitlichen Kulturgebiet. So wenigstens kann man definieren, wenn man den mittelbronzezeitlichen Abschnitt, die Hügelgräberbronzezeit, zum Maßstab nimmt. Eingehendere Untersuchung hat aber gelehrt, daß nicht nur die historische Einheit „Bronzezeit Süddeutschlands" in drei verschiedene zeitliche Abschnitte zerfällt, sondern daß auch die Hauptpersonen in jedem dieser drei Akte des bronzezeitlichen Dramas, die jeweils die Entwicklung tragenden Kulturen, verschiedene sind. Für die selbstverständliche Feststellung, daß historische Grenzen der Vorzeit nur dort mit heutigen politischen Grenzen zusammenfallen, wo es unverrückbare natürliche Hindernisse gibt, bedarf es keiner Begründung. Süddeutschland aber hat nur eine solche Grenze, den gewaltigen Wall der Alpen. Im Osten, Westen und Norden ändert sich der Kreis, der den Namen süddeutsche Bronzezeit verdient, jeweils mit der Kultur, die in einem der drei Hauptabschnitte der Bronzezeit tonangebend, d. h. politisch entscheidend ist. Es gibt ein frühbronzezeitliches Süddeutschland, allein begrenzbar nach der Ausdehnung der Kulturen, deren Kerngebiet Süddeutschland war; es gibt ein mittelbronzezeitliches Süddeutschland mit anderen weiter gefaßten Grenzen und es gibt schließlich ein endbronzezeitliches Süddeutschland, das von einer abermals veränderten politischen Mächteverteilung seine Grenzen empfängt. Holste, Bronzezeit

1

2

Einleitung

So unruhig, verglichen mit der stetigen Entwicklung des germanischen Nordens, der geschichtliche Weg der süddeutschen Bronzezeitkulturen ist, so wesentlich scheint er uns für die Gestaltung der Gesamtgeschichte unseres Vaterlandes. In einem Raum, dessen Geschichte von den Anfängen an durch den großen geographischen Gegensatz des Rhein- und des Donausystems bestimmt ist, kann man weder Stetigkeit noch Einheitlichkeit der Entwicklung erwarten, sondern nur eine Auseinandersetzung der Gegensätze. Wenn heute das Herz Europas dort schlägt, wo Nord und Süd, Ost und West aneinandergrenzen, so ist damit nur die Summe gezogen aus jahrtausendealter Geschichte, die zum kleinsten Teil aus schriftlicher Überlieferung zugänglich ist, zum größten Teil aber aus schriftlosen „stummen" Quellen erschlossen werden muß. Eine zusammenfassende Bearbeitung der süddeutschen Bronzezeit gibt es bislang nicht. Die Vorstellung, daß eine einheitliche Kultur den süddeutschen Raum besetzt hielt, und daß die Entwicklung ähnlich bruchlos verlief, wie im nordisch-germanischen Kreis, war so fest eingewurzelt, daß man den Teil als Vertreter des Ganzen ansah und glaubte, aus bescheidenem Material Schlußfolgerungen über große Räume ziehen zu können. So unterblieb das Notwendigste, die Herausarbeitung und Untersuchung der einzelnen kleinen Kultureinheiten und damit des inneren Gefüges der Kultur, und wo sie unternommen wurde, fehlte es an dem großen Überblick über den gesamten süddeutschen Kreis. Damit erwächst dieser Darstellung eine wesentliche Schwierigkeit. Eine Synthese, die vorhandene Einzelergebnisse zu einem Bild zusammenfaßt und sich jeweils in wenigen Worten auf bereits erarbeitete Erkenntnisse zurückbeziehen kann, läßt sich für die süddeutsche Bronzezeit gegenwärtig nicht geben. Einige Kulturgruppen sind ganz unbearbeitet, andere zwar behandelt, doch nicht daraufhin' untersucht, wie sie sich gegen Nachbargruppen abgrenzen lassen, welchen Eigenbesitz sie an Formen haben und welche Fremdformen sie aufnehmen. Zum näheren Verständnis ist es jedoch unerläßlich, von den kleinen Kultureinheiten, den nach Formenschatz und Siedlungsgebiet untereinander verschiedenen Einzelgruppen auszugehen, selbst wenn diese noch nicht als solche herausgearbeitet sind. So wenig unsere Darstellung in das Fahrwasser einer Untersuchung geraten darf, so sehr muß sie in großen Zügen die Ergebnisse einer solchen Untersuchung voraussetzen, soll sie nicht das Schicksal sofortigen Veraltens erleiden. Damit bleibt keine andere Wahl, als die sich aus der Verbreitung der einzelnen Formen ergebenden Kulturgruppen als etwas Gegebenes hinzustellen und in der Besprechung des Fundstoffs kurz und ohne Einzelbeweis die Ergebnisse anzudeuten, die aus einer genaueren Untersuchung und Kartierung der Typen erwachsen. Der Umstand, daß jede der drei großen historischen Abschnitte der süddeutschen Bronzezeit im Zeichen einer bestimmten Kultureinheit steht, zwingt dazu, das hier als Süddeutschland bezeichnete Gebiet nach dem Siedlungsbereich der jeweils herrschenden Kulturen zu bestimmen. In der Reihe der frühbronzezeitlichen Kulturen ist die Aunjetitzer Kultur mit ihrem mitteldeutsch-böhmischen Schwergewicht nicht mehr als süddeutsch anzusehen und daher einer gesonderten Behandlung überlassen, obwohl ihr Siedlungsbereich sich zum Teil

Einleitung

3

mit jenem der böhmischen Hügelgräbergruppen überschneidet. Entsprechend fallen auch die Randgruppen des Aunjetitzer Kreises, die in Mähren und Österreich siedeln und auf die Slowakei übergreifen, nicht mehr in den Rahmen der Darstellung. Das übrige Süddeutschland jedoch mit seinen beiden hauptsächlichsten Kultureinheiten, der Adlerberg- und der Straubinger Kultur, steht im Mittelpunkt der Betrachtung der Frühbronzezeit, um so mehr, als beide in Wesen und Geschichte nicht, wie es namentlich bei der letztgenannten oft behauptet wird, als Teile der Aunjetitzer Kultur aufzufassen sind. Am leichtesten gelingt die Begrenzimg des Begriffs S ü d d e u t s c h e B r o n z e z e i t für den mittelbronzezeitlichen Abschnitt. Die im Grunde einheitliche Hügelgräberkultur, die, in einzelne Gruppen zerspalten, von der Slowakei bis zum Elsaß, vom Alpenrand bis zu den deutschen Mittelgebirgen siedelt, hat ihren Schwerpunkt unbestreitbar auf süddeutschem Boden. Für den dritten Abschnitt der Bronzezeit, der hier als E n d b r o n z e z e i t bezeichnet wird und der durch das Erscheinen fremder Kultureinheiten im weiten Hügelgräbergebiet gekennzeichnet ist, beschränkt sich unsere Darstellung auf den Teil Süddeutschlands, der außerhalb der böhmischen Randgebirge und der Grenzen Österreichs liegt. Die umprägende Kraft der im böhmisch-mährischen Raum und in Niederösterreich zur Endbronzezeit wirksamen Lausitzer Kultur ist so nachhaltig, daß es nicht sinnvoll ist, die neu erstehenden und in der Frühhallstattzeit unverändert fortbestehenden Mischgruppen, z. B. die Knowis-Milawetscher Kultur oder die Gruppe von Gemeinlebarn und Baierdorf, losgelöst aus dem Zusammenhang der süddeutschen Urnenfelderkulturen zu betrachten. Unsere Darstellung beschäftigt sich allein mit den verschiedenen kleinen endbronzezeitlichen Gruppen, deren Leben nur kurzfristig ist, und die bereits zu Beginn der älteren Urnenfelderzeit, in Reineckes Stufe Hallstatt A, wieder aus unserem Gesichtskreis verschwinden. Es soll nicht verschwiegen werden, daß die Bronzezeit Süd- und Westdeutschlands eine Fülle von Problemen birgt, deren Lösung noch in weiter Ferne liegt. Auch hier versucht die Darstellung, bestehende Lücken erkennen zu lassen, sei es auch nur mit dem Ziel, der Gleichgültigkeit, die man diesem Abschnitt süddeutscher Vorgeschichte vielfach entgegenbringt, ein Ende zu bereiten.

1. D I E

FRÜHE

BRONZEZEIT

ALLGEMEINES Unsere Kenntnis der frühen Bronzezeit ist aus einem zwar zahlenmäßig nicht sehr umfangreichen, aber der Zusammensetzung nach vielseitigen Quellenstoff gewonnen. Nicht allein Grab- und Siedlungsfunde stehen zur Verfügung, sondern auch reichliche Hortfunde, und so ist es möglich, manche aus einseitigem Fundstoff gezogenen Schlüsse nachzuprüfen und zu berichtigen. Wie groß der Vorteil gegenüber jüngeren Abschnitten ist, zeigt sich namentlich an den Siedlungsfunden der frühen Bronzezeit, ohne deren Berücksichtigung ein lückenhaftes und schiefes Bild entstehen würde.

Siedlungen Nahe dem Straubinger Gräberfeld, das einer bestimmten Kulturgruppe den Namen gab, kamen und kommen noch heute schwarz gefüllte Gruben zutage, die sich scharf gegen das umgebende hellere Erdreich abheben und in deren Einfüllung sich die typische Siedlungskeramik der frühen Bronzezeit findet. Die Größe dieser Gruben schwankt erheblich; nur ein Teil diente sicher zur Wohnung, ein anderer zum Aufbewahren von Vorräten oder als Abfallgruben. Eine einheitliche Hausform ließ sich hier wie auch anderswo nicht gewinnen, da Pfostenlöcher nur vereinzelt beobachtet sind und sich nicht zu Grundrissen ergänzen ließen. In der Aufsicht unregelmäßig oval, im Querschnitt muldenförmig oder gelegentlich bienenkorbartig, unterscheiden sich die frühbronzezeitlichen Gruben nicht von jenen der steinzeitlichen Ackerbaukulturen und, soweit wir heute urteilen können, der Glockenbecherkultur. Der leichte, warme Lößlehm des Isartals zog offensichtlich wegen seiner f ü r den Ackerbau guten Voraussetzungen die Siedler an, die sich freilich nur ausnahmsweise in größeren Gemeinwesen, wie vielleicht in Straubing, oft jedoch in Einzelhöfen an der Stelle verfallener Steinzeitdörfer niederließen. Wie im Bereich der Straubinger Kultur finden sich auch in Südwestdeutschland Siedlungsfunde in ganz ähnlicher Lage. Hier wie dort ist es klar, daß ein wesentlicher Teil der wirtschaftlichen Betätigung im Ackerbau gesucht werden muß; doch spielte die bäuerliche Wirtschaft kaum die einzige Rolle, wie sich an der Wahl anderer Siedlungsplätze erkennen läßt. Mehrfach gelang der Nachweis, daß an den Tälern, die zur Kupferbergbauzone am Mittellauf des Inn und an der oberen Salzach führten, beherrschende Plateaus besiedelt und wahrscheinlich auch befestigt worden waren. Der Zweck ist augenscheinlich: Es war der Wunsch, Übersicht über die lebenswichtigsten Verkehrswege zu gewinnen und sie zu beherrschen, der zur Anlage dieser Siedlungen führte, die wir nicht allein als Zufluchtsstätten in bewegten Zeiten ansehen können. Der Bergbau, die Quelle des Reichtums der südbayerischen

6

1. Frühe Bronzezeit

Frühbronzezeitkultur, erforderte eine Belegschaft von nicht geringer Zahl, deren Ernährung nur bei einem reibungslos ablaufenden Verkehr sichergestellt war. So wird man auch alle Möglichkeiten zur Deckung des Nahrungsbedarfs in nächster Nähe des Bergbaues erschöpft und zum mindesten lebhafte Weidewirtschaft dort getrieben haben. Der Gedanke an vorübergehend benutzte Zufluchtsstätten kommt auch bei den gelegentlich nachgewiesenen Siedlungen in Höhlen auf. Zum Teil mag er berechtigt sein; doch läßt sich auch diese Siedlungsweise mit Ackerbau und namentlich mit Viehzuchtbetrieb verbinden, und die Menge der stellenweise in Höhlen gefundenen, neuerdings auch in Südwestdeutschland bekannten Siedlungsreste erweckt nicht den Eindruck einer Gelegenheitssiedlung. Fügt man hinzu, daß auch die Inselsiedlung nach Ausweis der Roseninselfunde im Würmsee nicht unbekannt war, ergibt sich ein vielseitiges Bild von der Beweglichkeit der frühbronzezeitlichen Bevölkerung. Obwohl es an eindeutigen Nachweisen fehlt, wird man doch die Befestigung mancher Höhensiedlungen für wahrscheinlich halten dürfen, und zwar nicht allein in den Nordalpentälern, die wohl den Schauplatz kriegerischer Verwicklungen am Ende der Frühbronzezeit abgaben, sondern auch in entfernteren Gebieten, wie etwa am Kirchberg bei Reusten, Kr. Tübingen. Leider gestatten die jüngeren und älteren Siedlungsreste, die sich in der Regel mit jenen der Frühbronzezeit vermischt finden, noch keine sicheren Feststellungen über die Errichtungszeit dieser Befestigungen. Gräber Ohne Ansehen der Kulturgruppe kann als beherrschende Grabform der Frühbronzezeit das Flachgrab mit liegendem Hocker bezeichnet werden. Es findet sich sowohl in der Adlerbergkultur des Mittelrheins, wie in der Straubinger Kultur Bayerns, wobei auf die Ausrichtung nach bestimmten Himmelsrichtungen nur geringe Sorgfalt verwendet wird, doch Blickwendung des Bestatteten nach Osten stellenweise vorzuherrschen scheint. Stark gekrümmte Hocker sind seltener als solche in gelockerter Schlafstellung. Gestreckte Skelette in Rückenlage scheinen sich namentlich gegen Ende der Frühbronzezeit zu mehren, ein Umstand, der offenbar weniger durch allmähliche örtliche Entwicklung erklärt werden darf, als vielmehr durch neuen völkischen und rassischen Zustrom. Andere für die Frühbronzezeit nachgewiesene Bestattungssitten sind, soweit sich heute urteilen läßt, Ausnahmeerscheinungen, so Hügelgräber und Brandbestattungen. Vereinzelt begegnende Steinkisten in Südwestdeutschland erklären sich zwanglos aus den westlichen Beziehungen dieses Landstrichs. Pithosbestattung, d.h. Bergung der unverbrannten Leiche in einem Tonfaß, ist zwar in Süddeutschland ebenfalls nur ausnahmsweise belegt, doch offenbar im östlich anstoßenden Aunjetitzer Bereich nicht selten und von dort her als äußerster Ausläufer der im mittleren Donaugebiet greifbaren, aus dem Südosten stammenden Einflüsse zu erklären.

Siedlungen — Gräber — Hortfunde

7

Im ganzen weisen zwar die frühbronzezeitlichen Bestattungssitten die direkte Anknüpfung an die Glockenbecherkultur und deren Grabbräuche aus; doch macht sich ein Verblassen der damit verbundenen Vorstellungen ebenso bemerkbar, wie das Einsickern anderer Sitten, ein Vorgang, der sich aus der kulturellen Angleichung verschieden entstandener Volksgruppen begreifen läßt. Der stellenweise zur Verfügung stehende rassenkundliche Befund weist in die gleiche Richtung. Hortfunde

Hortfunde bilden die dritte große Gruppe unseres Quellenstoffes. Sie finden sich allgemein im süddeutschen Bereich, sind jedoch offenbar nicht überall auf die gleiche Weise zu erklären. So machen die kleinen Funde des Westens, die gebrauchsfähige Stücke (Taf. 1, 6—8) oder Brucherz enthalten, den Eindruck von zufällig in den Boden gekommenem Händlergut, namentlich dann, wenn sie Importware wie Rudernadeln (Taf. 1, 4) oder trianguläre Dolche führen. Ein allgemein wirksamer Anlaß zur Niederlegung dieser Funde, wie er im Alpenvorland bestand, ist hier nicht wahrscheinlich. Reichlich und durch eine Untersuchung P. Reineckes ausgezeichnet bekannt sind die großen Schatzfunde des Voralpenlandes, die Erzeugnisse des ostalpinen Kupferbergbaus, meist in ungeputzten Rohgüssen, enthalten. Die Menge des so in den Boden gekommenen Guts, das seiner Form nach meist f ü r den Handel in fernere Gebiete bestimmt war, und die offensichtliche Beziehung auf das Erzgewinnungsgebiet, machen den Schluß Reineckes unabweislich, daß es sich hier um die Zeugnisse einschneidender kriegerischer Ereignisse am Ende der Frühbronzezeit handelt. Aus der Häufung der Funde an den Talausgängen glaubt man fast die Front zu erkennen, an der sich diese Auseinandersetzung abspielte. Im gleichen Sinne wie die Schatzfunde werden auch z. T. die Einzelfunde zu deuten sein, die gegenüber jenen der nachfolgenden Hügelgräberbronzezeit an Zahl überwiegen. Allerdings fehlt es naturgemäß an guten Fundbeobachtungen, so daß manche Möglichkeiten, wie z. B. die Niederlegung von Weihegaben, noch nicht erörtert werden können. Zudem ist mit unerkannten Gräbern zu rechnen, verständlich in einer Zeit, die in äußerlich nicht kenntlichen Flachgräbern bestattet.

SCHRIFTTUM Siedlungen G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 63 ff.; 92. F. Birkner, Ur- und Vorzeit Bayerns (München 1936) 104 f. Ders., Die eiszeitliche Besiedlung des Schulerloches und des unteren Altmühltales. Abhandl. d. K. Bayer. Akademie d. Wiss. 28. Bd., 5. Abhandl. (München 1916) 8 f. M. Hell, Zur vorgeschichtlichen Besiedlung d e s Heilbrunner Berges bei Salzburg. Mitt. Anthr. Ges. Wien 51, 1921, 31 f t

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1. F r ü h e Bronzezeit

Ders., Eine bronzezeitliche Höhensiedlung bei St. J o h a n n i. P. in Salzburg u n d ihre Beziehungen zum alpinen Kupferbergbau. Mitt. A n t h r . Ges. Wien 51, 1921, 194 ff. Ders., Der Götschenberg bei Bischofshofen in Salzburg u n d seine Beziehung zum Beginne des alpinen Kupferbergbaus. Wien. Prähist. Zeitschr. 14, 1927, 8 ff. C.Koehl, Worms (Grabfeld auf d e m Adlerberg). Korr.-Bl. d. Westd. Zeitschr. 19, 1900, 196 ff. Ders., Neue stein- u n d frühmetallzeitliche G r ä b e r f u n d e bei Worms. Korr.-Bl. Anthr. Ethn. Urgesch. 31, 1900, 137 f f . P. Reinecke, Zur Geschichte des prähistorischen K u p f e r b e r g b a u e s u m Bischofshofen. Mitt. Anthr. Ges. Wien 63, 1933, 223 ff. M. Schlosser, F. Birkner u n d H. O.bermaier, Die B ä r e n - oder Uschoferhöhle im Kaisertal bei Kufstein. Abhandl. d. K. Bayer. Akademie d. Wiss. II. Kl. 24. Bd. II. Abt. (München 1909). K. Schumacher, Siedlungs- u n d Kulturgeschichte d e r Rheinlande. I. Die vorrömische Zeit (Mainz 1921). H. Stoll, Urgeschichte des Oberen Gäues (Oehrimgen 1933) 35 ff; 88 ff. Gräber G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 63 ff. J. Böhm, Zäklady hallstattske periody v CechÄch (Prag 1937) 249. C. Koehl, Worms (Grabfeld auf dem Adlerberg). Korr.-Bl. d. Westd. Zeitschr. 19, 1900, 196 ff. Ders., Neue stein- u n d frühmetallzeitliche G r ä b e r f u n d e bei Worms. Korr.-Bl. Anthr. Ethn. Urgesch. 31, 1900, 137 ff. Ortner, Jahresber. Hist. Ver. Straubing 2, 1899, 1 ff.; 3, 1900, 3 f.; 5, 1902, 10ff. P. Reinecke, G r a b f u n d e d e r f r ü h e n Bronzezeit a u s Rheinhessen. Korr.-Bl. d. Westd. Zeitschr. 19, 1900, 205 i L Ders., Ein Frühbronzezeitgrab a u s d e m Salzachgebiet. Germania 18, 1934, 178 ff. K. Schumacher, Siedlungs- u n d Kulturgeschichte d e r Rheinlande. I. Die vorrömische Zeit (Mainz 1921). J. v. Trauwitz-Hellwig, Kulturverhäitnisse a m Endte d e r S t e i n - u n d A n f a n g der Bronzezeit in Südbayern. Mitt. A n t h r . Geis. Wien 54, 1924, 117 f. Hortfunde G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 1 ff., Taf. 2. R. Eckes, Ein H o r t f u n d d e r älteren Bronzezeit a u s Regensburg. Germania 22,1938, 7 ff. F. Holste, Frühbronzezeitliche Sicheln a u s Süddeutschland. Germania 24, 1940, 6. P. Reinecke, Die Bedeutung d e r K u p f e r b e r g w e r k e d e r Ostalpen f ü r die Bronzezeit Mitteleuropas. Schumacher-Festschrift (Mainz 1930) 107 ff. Ders., Ein frühbronzezeitlicher Depotfund aus d e r Pfalz. Germania 16, 1932, 267 ff. Ders., Neue frühbronzezeitliche H o r t f u n d e a u s Südbayern. Germania 22, 1938, 4 ff. E. Wahle, Schatzfund der Bronzezeit von Griesheim, Bez. A. Offenburg. Bad. F u n d ber. 1, 1925—1928, 44 ff.

Die westliche Zone

DER

9

FUNDSTOFF

Die erste Kenntnis und Verwendung der Bronze, des schwer herstellbaren, aus Kupfer und Zinn gemischten Metalls, hat sicherlich im Leben der Völker vielfach umwälzend gewirkt. Das spätsteinzeitliche Europa kannte das Kupfer, seine leichte Formbarkeit ebenso wie seine Weichheit. Eine für ganz Europa geltende Kupferzeit erwuchs gleichwohl nicht; das Kupfer verdrängte nicht den Stein, sondern ersetzte ihn nur stellenweise. Hoärnes' Wort von der „Ohnmacht des Kupfers" hat für den süddeutschen Raum seine Gültigkeit behalten. Die Bronze, ein Werkstoff, der in seiner Geschmeidigkeit dem Stein ebenso überlegen ist, wie in seiner Härte dem Kupfer, schafft erst die Voraussetzungen für eine vollmetallzeitliche Kultur. Aber ihr Erscheinen bringt nicht einen plötzlichen Wandel in den Machtverhältnissen und Beziehungen der Kulturen untereinander, sie tritt nicht, wie man früher glaubte, ihren Siegeszug durch Europa im Gefolge fremder von außen eindringender Völker an. Vielmehr verändert sie von innen heraus das Kulturbild und erobert Schritt für Schritt einen noch metallosen oder metallarmen Raum. Der Übergang von der Steinzeit zur Bronzezeit ist fließend, nicht scharf bestimmbar, in Süd- und Westdeutschland nicht von historischen Erschütterungen begleitet. In den alten Siedlungsgebieten der Glockenbecherkultur, der das Kupfer vertraut war, erwachsen die ältesten Bronzezeitkulturen Süddeutschlands. Schon am Beginn der Bronzezeit zeigt sich der kulturelle Gegensatz zwischen West und Ost, der die metallzeitliche Geschichte Süddeutschlands bestimmt. Rhein und Donau mit ihren Nebenflüssen sind die Nervenstränge des bronzezeitlichen Lebens und leiten die Entwicklung in verschiedene Bahnen. Unsere Darstellung muß dieser naturgegebenen Zweiteilung folgen. Die westliche Zone

Am Rheinknie, im Bereich des mittelrheinischen Zweiges der Glockenbecherkultur, entsteht die älteste bronzezeitliche Kultur des Westens, die A d l e r b e r g k u l t u r . Der Adlerberg, ein flacher überschwemmungsfreier Rücken südlich von Worms, gab ihr den Namen. Dort kamen mehr als zwanzig Gräber und zahlreiche Wohngruben zutage, z. T. steinzeitlicher, z. T. jungbronzezeitlicher Zeitstellung, in der Hauptsache aber der beginnenden Bronzezeit angehörig. In länglichen Gruben von 0,40 bis 1,50 m Tiefe lagen Skelette in Hockerstellung, mit angezogenen Beinen und gewinkelten Armen, auf einer Schicht kalkhaltigen Sandes, wohl in Holzsärgen beigesetzt, da man Reste von Eichenbohlen fand. Spärlich sind die in das Grab gelegten Beigaben, nur zum kleineren Teil aus Metall, in den Formen einfach und unbeholfen. Männer- und Frauengräber lassen sich nach den Beigaben nicht scheiden. Kleine dreieckige, „trianguläre"

10

1. Frühe Bronzezeit

Dolche (Taf. 1,13), deren vergangener Holzgriff mit zwei bis drei Nieten befestigt war, gehörten wohl vornehmlich, doch schwerlich ausschließlich dem Mann. Zweispitzige Pfrieme (Taf. 1,5) mögen zum Körperschmuck verwendet sein, einfache Drahtröllchen und Kupferperlen zum Hängeschmuck der Frau. Das Gewand hielten Rollennadeln mit säbelförmig gekrümmtem Schaft zusammen, die in ganz ähnlicher Art, mit einem Loch im verbreiterten Oberteil, auch in Knochen gearbeitet wurden. Klingen und Schaber aus Feuerstein, in einem Grab auch drei Feuersteinpfeilspitzen von dreieckiger Form mit kurzem Schaftdorn, endlich breite Elfenbeinringe mit flacher Unterseite und konisch ansteigender Oberseite (Taf. 1, 12) vervollständigen die ärmlichen Kleinfunde. Die Keramik aus Gräbern und Siedlung ist unansehnlich und fast ohne Verzierung. Eine kleine kugelbauchige Henkeltasse mit kurz abgesetztem Rand weist unverkennbar auf die Glockenbecherkultur hin, Schalen und Näpfe mit unscharfem Umriß mögen auf die gleiche Quelle zurückgehen. Eine etwa doppelkonische Tasse mit einem Henkel oberhalb des Umbruchs ist die einzige typische, auch in anderen Gräberfeldern belegte Gefäßform. Mehrere kleine Gräberfelder und einige Einzelgräber schließen sich in Bestattungsweise und Formenschatz an den Friedhof vom Adlerberg an. 14 Gräber von Westhofen, Kr. Worms, soweit beobachtet Hockerbestattungen, enthalten die gleichen Beigaben wie der Adlerbergfriedhof. Jenseits des Rheins lag ein kleines, nicht genauer untersuchtes Gräberfeld bei Klein-Gerau, Kr. GroßGerau; zwei dort gefundene konische Beinknöpfe mit V-Bohrung erweitern den Formenschatz der Adlerbergkultur um einen neuen, wiederum der Glockenbecherkultur entstammenden Typ. In Heidesheim, Kr. Bingen, begleitet ein Becher mit entarteter Glockenbecherverzierung einen dreieckigen Dolch mit drei Nieten, in Ilvesheim, Kr. Mannheim, erscheint eine Armschutzplatte im gleichen Grab mit einem verzierten Dolch und einem Beinring. Mit Säbelnadel, zweispitzigem Pfriem und Beinring begegnet endlich in Mundenheim, Kr. Ludwigshafen, eine Deckelbüchse aus Ton, die sich ebenso wie ein Gegenstück aus Wies-Oppenheim, Kr. Oppenheim, am besten mit entsprechenden schnurkeramischen Stücken vergleichen läßt. Eines der Gräber von Westhofen, Kr. Worms, enthält eine doppelkonische Tasse der auch am Adlerberg gefundenen Form, die eine Verzierung aus waagerechten Strichgruppen trägt. Dieses Stück erlaubt es, einige weitere Tassen ähnlicher Form und mit reicherer Verzierung zur Adlerbergkultur zu stellen, obwohl sie nicht in gesicherten Funden geborgen sind (Taf. 1,18.19). Ihre Verbreitung ist engräumig (Karte 1): Rheinhessen und die Nordpfalz (Westhofen, Kr. Worms, Nierstein und Nackenheim, Kr. Mainz, Esselborn, Kr. Alzey und Albsheim, Kr. Frankenthal) und Hessen-Starkenburg (Griesheim, Kr. Darmstadt, Klein-Gerau, Kr. Groß-Gerau) gehören zum engeren Verbreitungsgebiet der Adlerbergkultur und nur ein Stück von Heroldingen, Kr. Nördlingen, greift über diesen Raum weit nach Süden hinaus. Weniger die Form dieser Tassen als vielmehr die Verzierung verrät auch hier das Erbteil der Glockenbecherkultur; ihr Alter ist vielleicht etwas geringer als das der eintönigen echten Adlerberggräber.

Die westliche Zone

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Es ist nicht gerechtfertigt, den Kreis der Adlerbergkultur weiter zu ziehen, als das enge Verbreitungsgebiet der Gräber von der Art des Adlerbergfriedhofs reicht, obwohl man im Schrifttum gemeinhin alle Erscheinungen der südwestdeutschen Frühbronzezeit unter diesem Kulturbegriff zusammenfaßt. Rheinhessen und Starkenburg, darüber hinaus das Mündungsgebiet des Neckar und der Nordteil der Pfalz beherbergen die reine Adlerbergkultur der geschilderten Prägung, die wir als die älteste Frühbronzezeitkultur Süddeutschlands überhaupt ansehen dürfen. Was uns an entwickelten, zwar auch noch frühbronzezeitlichen Formen in südwestdeutschen Funden entgegentritt, knüpft nicht unmittelbar an die Formen der alten Adlerberggräber an und bleibt nicht innerhalb der Grenzen eines fest zu umreißenden Verbreitungsgebiets, ja scheint gelegentlich das Adlerberggebiet zu meiden. Der prachtvolle Fund von Gaubickelheim, Kr.Alzey (Taf. 2, 1—3, der aus zwei Vollgriffdolchen und drei Dolchklingen besteht, zeigt recht deutlich, wie fremdes Gut in Südwestdeutschland überhand nimmt, wie selbst im engeren Adlerberggebiet der eigene bescheidene am Ort gewachsene Formenbestand im Verlaufe der Frühbronzezeit erdrückt wird. Drei Stücke des Gaubickelheimer Fundes stammen aus Werkstätten der Oder-Elberegion, eine Klinge gehört zu entsprechenden italischen Typen, ein Vollgriffdolch zeigt eine Mischung aus italischen und westalpinen Formbestandteilen. Sicherlich war es nicht eine Werkstätte der Adlerbergkultur, welche die Gaubickelheimer Dolche in überlegener Weise aus fremden Anregungen schuf; vielmehr treffen sich in günstiger Verkehrslage Erzeugnisse der verschiedensten Werkstätten des frühbronzezeitlichen Europa. Kaum anders wird man einige größere Funde, vermutlich Grabfunde, mit Scheiben- und Rudernadeln (wie Taf. 1, 1. 4), rundstabigen ösenhalsringen, Blechröhrchen und Sätzen von rechteckigen, an den Enden umgerollten Blechplättchen verstehen müssen, obwohl die Fundplätze (Flonheim, Kr. Alzey, Oberolm, Kr. Mainz, Dexheim, Kr. Mainz, Griesheim, Kr. Darmstadt), sämtlich im Adlerbergbereich liegen. Es ist nicht die Adlerbergkultur, die aus eigenem Typenbestand diese neuen Formen entwickelt; es ist vielmehr die Wirkung stärkerer süddeutscher, mitteldeutsch-böhmischer und westalpinschweizerischer Kulturgruppen, die Südwestdeutschland zum Treffpunkt der verschiedenartigsten Erscheinungen macht. So sind endlich auch die spärlichen frühbronzezeitlichen Gräber im Neckartal und beiderseits des Oberrheins nicht als Zeugen einer geschlossenen Entwicklung eigenständiger Kultur zu werten, sondern mehr aus der günstigen Verkehrslage dieser Gebiete zu verstehen, ösenhalsringe (Taf. 2, 9) im Funde von Rottenburg im Oberen Gäu und in den Hügeln des Hagenauer Forstes im Elsaß werden ebenso auf den Metallhandel der nordalpinen Kupfererzeugungsstätten zurückgehen, wie rundköpfige Scheibennadeln (Taf. 1, 3) von Cannstatt bei Stuttgart auf die entsprechenden Stücke des Straubinger Kreises; diese geben wohl die Anregung zu einer eigenartigen, gleichfalls rundköpfigen Spielart der „zyprischen" Schleifennadeln, deren Verbreitung vom mittleren Neckartal bis in die West- und Südschweiz reicht, bezeichnenderweise aber das Adler-

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berggebiet freiläßt (Karte 1). Die Kleeblattnadel (wie Taf. 1, 2) der Westschweiz und des französischen Jura gelangte bis zum Rheinknie, wie ein Fund von Griesheim, Kr. Darmstadt, zeigt, und schlanke langgestielte Schweizer Beile streuen vereinzelt noch in das obere Rheintal. Die recht schwache Wirkung der Aunjetitzer Kultur spürt man etwa in einer goldenen ösennadel aus dem Rhein bei Mainz oder in einer Nadel mit schräg durchlochtem Kugelkopf aus Rheinhessen. Weder die Adlerberggräber noch die erwähnten südwestdeutschen Einzelgräber geben Aufschluß über die Beilformen der frühen Bronzezeit. Es sind nur einige wenige kleine Hortfunde, die diese Lücke füllen, um so wertvoller für uns, da mancher Einzelfund im Rheingebiet so seine Datierung erfährt. Ein kleiner Hortfund von Meckenbach, Kr. Neustadt an der Hardt, enthält neben Resten eines bislang alleinstehenden gerippten Halskragens und einer sehr zerstörten Dolchstabklinge zwei kleine Beile mit niedrigen Randleisten und halbrunder oder schief ausladender Schneide, die zeitlich etwa den alten Adlerberggräbern entsprechen dürften und nahe Vergleichsstücke selbst noch in einem Hortfund von Rothenditmold, Kr. Kassel (Taf. 1,10.11.14.15), finden. Ähnliche Beile, die sich nicht leicht nach Typen gliedern lassen, finden sich im Rheingebiet wenigstens bis in die Höhe von Köln und, soweit sich heute übersehen läßt, auch in Ostfrankreich. Formkundlich empfindlicher sind die kleinen Beile der Hortfunde von Welschneurath, Kr. Karlsruhe (Taf. 1, 6—8), und Gottswald bei Griesheim, Kr. Offenburg, deren Entsprechungen man wiederum in der Schweiz und in Frankreich antrifft. Schließlich haben auch breite Beile mit niedrigen Randleisten und flachrundem Nacken (Taf. 2, 8) vorwiegend schweizerisch-westeuropäische Verbreitung und beschränken sich innerhalb Süddeutschlands ebenso auf die Westzone, wie die Typen des Welschneurather oder des Meckenbacher Fundes. So lösen sich, in der Gesamtheit betrachtet, die Frühbronzezeitfunde in der süddeutschen Westzone in eine Reihe einzelner Formgruppen auf, die untereinander nur locker verbunden sind. Den Namen „Kultur" im Sinne eines einheitlichen Kreises in formkundlicher wie in räumlicher Hinsicht verdienen nur die kleinen Gräberfelder und Einzelgräber Rheinhessens, Starkenburgs und der Nordpfalz; nur hier ist der Name Adlerbergkultur am Platze. Was im Funde von Dexheim und seinen Verwandten begegnet, hat fremde Wurzeln, ist bestenfalls aufgepfropftes Reis auf dem Stamm der Adlerbergkultur. Im übrigen Südwestdeutschland, im oberen und mittleren Neckartal, beiderseits des Oberrheins und im Quellgebiet der Donau ist ein dünner Saum frühbronzezeitlicher Kultur an den Hauptverkehrsadern kaum mehr als ein Zeugnis dafür, daß vereinzelte in steinzeitlichem Gewände lebende Volksteile in den Wirkungsbereich stärkerer frühbronzezeitlicher Kulturgruppen geraten, seien diese im Westalpengebiet oder im östlichen Süddeutschland gelegen. Eines freilich kennen wir noch unvollkommen: die Siedlungskeramik der südwestdeutschen Frühbronzezeit. Erst wenn diese ihre Aussage gemacht hat, wird das Bild der südwestdeutschen Frühbronzezeit die erwünschte Schärfe gewinnen.

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Abb. 1. Leitformen der Straubinger Gruppe. Die östliche Zone Die südbayerischen Siedlungsgebiete der Glockenbecherkultur, die Schotterebene um München, das Isartal und die fruchtbaren Gäuböden des Donautals unterhalb Regensburg werden zum Kernland der ältesten Bronzekultur des süddeutschen Ostens. Einen so unmittelbaren Zusammenhang zwischen ausgehender Glockenbecherkultur und beginnender Bronzezeitkultur, wie er im Adlerberggebiet aus einer größeren Anzahl von Formen abzulesen war, bemerkt man im östlichen Süddeutschland nicht. Nur ein Grabfund von Safferstetten, Kr. Griesbach in Niederbayern, mit kleiner entarteter bauchiger Glockenbechertasse, Armschutzplatte und fünfnietigem frühbronzezeitlichem Dolch steht an der Nahtstelle steinzeitlicher und bronzezeitlicher Kultur. Gewiß erscheinen auch in anderen Funden derartige kleine Dreiecksdolche (Taf. 1,13); doch treten meist dicke Armspiralen (Taf. 1, 16. 17) hinzu, die ein kennzeichnender Typ der Straubinger Gräber und damit eines entwickelten frühbronzezeitlichen Stadiums sind. Ein kleines Gräberfeld von 22 Gräbern im Bereich der Ortlerziegelei in Straubing gab der südbayerischen Frühbronzezeitkultur den Namen S t r a u b i n g e r K u l t u r (Abb. 1). Aus Flachgräbern mit Hockern stammt ein reicher Bestand an Bronzebeigaben von eigenständiger Prägung, der die Abgrenzung gegen die ärmliche Adlerbergkultur des Mittelrheins einerseits, die kraftvolle böhmisch-mährische Aunjetitzer Kultur mit ihren Randgruppen andererseits erleichtert. Zwei kleine trianguläre Dolche, die einzigen Waffen, wenn nicht eher Werkzeuge, im Straubinger Gräberfeld, mögen aus Männergräbern

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1. Frühe Bronzezeit

stammen; die übrigen Gräber, namentlich die reichen Gräber 1 und 12, scheinen jedoch durchweg Frauenschmuck zu enthalten. Unter kennzeichnende Eigenformen der Straubinger Kultur mischen sich nur wenige Fremdformen oder Einfuhrstücke benachbarter Kreise. Als Straubinger Leitform kann die Nadel mit kleinem rundem Scheibenkopf und eingerollter Zunge (Taf. 1, 3) gelten, die in vier Gräbern des Straubinger Friedhofs, zum Teil in Mehrzahl, begegnet. Eine Rollennadel mit wenig gekrümmtem Schaft und eine Beinnadel mit durchlochtem Ende zwingen nicht zur Annahme fremder Herkunft. Dagegen stammt eine vereinzelte ösennadel fraglos aus dem Aunjetitzer Kreis. Nach dem Reichtum einiger Gräber zu schließen, war die Frau der Straubinger Kultur recht schmuckliebend, ösenhalsringe (Taf. 2, 9) als Halsschmuck, konische Drahttutuli (Karte 1), die in Kopfnähe lagen (Taf. 2,4), Spiralstulpen an den Armen (Taf. 1,16.17), massive rundstabige Armringe am Handgelenk, Blechröhrchenbesatz am Gewand und reichliche dünndrahtige Spiralgewinde als Finger- und Gewandschmuck sind im Straubinger Gräberfeld wie in benachbarten Funden gleicher Kultur und Zeitstellung, z. B. Aufhausen, Kr. Regensburg, zwischen Otzing und Plattling, Kr. Deggendorf, regelmäßige Grabbeigaben. Schließlich werden auch große Nadeln mit schön verziertem ovalem oder ruderförmigem Scheibenkopf (Taf. 1, 1.4) als Erzeugnisse des Straubinger Kreises aufzufassen sein. Einige wenige Grabfunde scheinen das Endstadium der Straubinger Kultur zu vertreten. Aus mehreren Gräbern von Sengkofen nahe Regensburg stammen zwar gute Straubinger Spiraltutuli, Armspiralen und Armringe; ungewöhnlich sind daneben aber zwei überschlanke Randbeile und eine durchlochte Kugelkopfnadel (wie Taf. 1, 9), Formen, die sicher nicht zufällig im Straubinger Gräberfeld fehlen. Zwei andere Grabfunde mit derartigen schlanken Beilen von Kirchheim b. Tittmoning, Kr. Laufen und Lorenzenberg, Kr. Ebersberg, sind um so näher an Sengkofen zu rücken, als auch hier unter den Begleitfunden die Kugelkopfnadel erscheint. Die paarige Verwendung solcher Nadeln in einem Flachgrab von Weillohe bei Regensburg läßt bereits die Tragweise der Hügelgräberkultur erkennen und so mag selbst die zunächst befremdende Angabe, daß im Hügel 5 von Krappenhofen, Kr. Parsberg, also im Kerngebiet der mittelbronzezeitlichen Hügelgräberkultur, wo frühbronzezeitlicher Niederschlag bislang ausbleibt, eine Kugelkopfnadel gefunden sei, als verläßlich zu erachten sein. Gleichwohl wäre es verfehlt, Sengkofen und die verwandten Funde als Zeugen für den Beginn der Hügelgräberkultur anzusehen. Ihr Formeninhalt wurzelt ganz in der Frühbronzezeitkultur und ist von völlig anderer Art als der jeglicher mittelbronzezeitlichen Kultur Süddeutschlands. In der Westzone waren nur an Hand weniger kleiner Hortfunde die nicht aus Gräbern bekannten Formen zu erschließen. Für den süddeutschen Osten fließen die Quellen hier reicher. Große Schatzfunde im Alpenvorland, gehäuft zwischen Inn und Salzach (Karte 2), enthalten nicht nur das Rohkupfer der nordalpinen Bergbauzone in Barrenform, sondern auch vereinzelt Waffen und Gerät. Bronzehorte von 500 Spangenbarren aus dem Münchener Luitpoldpark,

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von etwa 200 Spangenbarren in Waging bei Laufen, von je mehr als 100 ösenringbarren in Bernhaupten und Gammersham geben eine Vorstellung von dem Metallreichtum des Alpenvorlandes zur Zeit des Straubinger Gräberfeldes und der Grabfunde von Sengkofen. Die Zusammensetzung der Typen in den großen Verwahrfunden ist eintönig. Der stabförmige, beidseitig verjüngte und an den Enden umbiegende Spangenbarren (Taf. 1,20) und seine zartere blattförmige, in der Mitte und an den Enden geschwollene Abart, der rundstabige ösenhalsring mit flachen eingerollten Enden (Taf. 2, 9) und die Armspirale mit spitzovalem Querschnitt (Taf. 1, 16. 17) sind die stets wiederkehrenden, jedoch in den Funden selten vermischt liegenden Roherzeugnisse, die in den Boden gerieten, ehe sie ihren Weg zum Bronzegießer oder Händler fanden. Während den Spangenbarren kein unmittelbarer Gebrauchszweck innewohnt, sind ösenhalsringe und Armspiralen verschiedentlich, nicht zuletzt auch im Straubinger Gräberfeld, als Grabbeigaben belegt und somit sicherlich von der Frau getragen worden. Die kennzeichnende Beilform des Straubinger Kreises, die man am besten nach einem bekannten Schatzfund als Langquaider Typ bezeichnet (Taf. 2,6), erscheint in geschlossenen Funden sowohl neben Spangenbarren wie im Zusammenhang mit durchlochten Kugelkopfnadeln. Dank verschiedener Kennzeichen — gerundeter Nacken mit „italischer" Kerbe, verhältnismäßig kräftiger Körper mit leichter mittlerer Einziehung, weit ausladende breite, etwa halbrunde Schneide — läßt sich das Langquaider Beil gut von Aunjetitzer Beilen scheiden, während gegen ähnliche sehr schlanke Beile der westalpinen Frühbronzezeit, die beispielsweise im Pfahlbau Meilen bei Zürich nachweislich zur Holzbearbeitung dienten, keine klare formkundliche Grenze zu ziehen ist. Schwierig bleibt es weiterhin, sowohl das Langquaider Beil wie seinen westalpinen Vetter von den italischen sogenannten „ascie coltelli" (Messeräxten) mit sehr weit heruntergezogener Schneide und meist starrer geradseitiger Bahn zu trennen, von denen ein Vertreter im Schatzfund von Ried in Tirol1) neben einer großen verzierten Dolchklinge mit Kegelnieten und einem ösenhalsring gefunden wurde. Es muß noch fraglich bleiben, ob die Schweizer Spielart des Langquaider Beils oder die italische „ascia coltello" die Anregung zum Langquaider Beil gaben, oder ob dieses selbst am Beginn steht und anderenorts lokale Umbildungen veranlaßt. Mancher Typ gelangte sicher vom Westen her in den Straubinger Kreis. So gibt es bei den Kleeblattnadeln des Fundes von Stätzling, Kr. Friedberg in Oberbayern, und eines angeblichen Grabfundes bei Rupprechtstegen, Kr. Hersbruck in Mittelfranken (Taf. 1, 2. 5. 9), keinen Zweifel über ihre Herkunft aus einem westschweizer und ostfranzösischen Zentrum. Vereinzelte Löffelbeile in Südbayern sind sicherlich den gleichen Weg gegangen; derartige langgestielte Beile mögen die Anregung zu den langen Absatzmeißeln mit niedrigen Randleisten im Oberteil und massivem, gelegentlich sechseckigem Unterteil (Taf. 2, 5), eine kennzeichnende Straubinger Form, gegeben haben. ') J. Naue, Die vorrömischen Schwerter aus Kupfer, Bronze und Eisen (München 1903) Taf. 61, 1—7.

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Nachkömmlinge des Langquaider Beils mit geknickten Seiten, wie sie ein Schatzfund von Regensburg in einem großen frühbronzezeitlichen Gefäß enthielt, haben gelegentlich flach gehämmerte Randleisten unterhalb der Randknickung und bereiten damit das sogenannte böhmische Absatzbeil der entwickelten Bronzezeit vor. Doch bleibt dieser Fall der engen Verküpfung eines frühbronzezeitlichen und eines mittelbronzezeitlichen Typs vereinzelt. Nur ein einziger kleiner Schatzfund Südbayerns von Friedberg, Kr. Friedberg, gibt uns bislang Auskunft über eine rebmesserartig gekrümmte frühbronzezeitliche Sichelform mit länglichem Knopf. Aus einer großen Zahl von Siedlungsfunden, ebenso im Straubinger Ziegeleibezirk wie im Isartal, auf der Roseninsel im Starnberger See, auf den Höhensiedlungen im Salzachtal und in der Tischoferhöhle bei Kufstein oder im Schulerloch nahe Kelheim kennen wir den keramischen Formenbestand der frühbronzezeitlichen Siedlungen der Straubinger Kultur. In verschiedener Größe, vom Tonfaß bis zum kleinen Napf, erscheint ein bauchiges Gefäß mit rauhem oder gerauhtem Bauch und schwach gegliedertem, geschwungenem und gelegentlich gekehltem Hals (Taf. 3,11). Der dünne Schlickbewurf des Unterteils wird in feuchtem Zustand durch unregelmäßige Fingerstriche, die an die sauberen senkrechten Fingerstriche der Urnenfelderware im gleichen Gebiet erinnern, belebt, der Halsansatz mit Vorliebe durch eine oder zwei horizontale Tupfenleisten betont, die durch hängende zungenförmige Grifflappen unterbrochen werden. Henkel sind an kleinen Tassen, an denen Reihen von tiefen Einstichen die Tupfenleiste ersetzen, am Rande angebracht, hängen bei größeren Töpfen von der Tupfenleiste herab oder verbinden zwei dicht nebeneinanderlaufende Leisten. Kennzeichnend sind aufgeklebte Leisten mit schräg gegeneinandergestellten linsenförmigen Einstichen. Gerade die letzterwähnte Einzelheit scheint, soweit sich der Fundstoff heute überblicken läßt, auf das eigentliche Straubinger Gebiet beschränkt, während die übrige grobe Ware sowohl im Aunjetitzer Kreis wie auch weiter östlich, zum mindesten bis in die Slowakei, verfolgt werden kann. Unbedingt eigentümliches Gepräge trägt jedoch die Feinkeramik der Straubinger Siedlungen, die gewöhnlich aus sauberem hellbraunen Ton hergestellt und ausgezeichnet geglättet und gebrannt ist. Den Wert eines Leitfossils besitzt ein einhenkliger Krug mit etwa S-förmigem Profil und mehreren in Henkelhöhe umlaufenden tief eingerissenen Linien oder Liniengruppen (Taf. 3, 2). Punktgefüllte Dreiecke (Taf. 3, 3. 4), die gelegentlich in flüchtiger Ausführung zu Wellenbändern werden, hängen über die Schulter herab. Ein zweiter regelmäßig wiederkehrender Typ ist ein flacher Teller mit verdickter Randlippe und hängendem Henkel (Taf. 3, 8). Mehrfach tritt in den Wohngruben Straubings eine Schalenform mit Schlitzen unterhalb des Randes auf (Taf. 3,1). Die Verbreitung dieser Tonware, deren Datierung durch gelegentliche Beifunde, wie z. B. eine Hülsennadel in Straubing oder Spiraltutuli in der Tischoferhöhle bei Kufstein, außer Zweifel steht, gibt die eigentliche Ausdehnung der Straubinger Kultur ungleich deutlicher wieder, als die immer noch spärlichen Gräber. Ihre Zugehörigkeit zu jenem Volkstum, das die Kupfergewinnung

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des nordalpinen Gebiets betrieb, ergibt sich nicht allein aus ihrem Vorkommen in den Höhensiedlungen der zum Erzgebiet führenden Täler, sondern auch aus dem Zusatz von Kupferschlacke als Magerungsmittel zum Ton, den M. Much und M. Hell feststellen konnten. Eine in den Grundzügen übereinstimmende Keramik fand sich in nachpaläolithischen Wohnschichten des Schulerlochs bei Kelheim. Die Tonbehandlung ist auch hier ausgezeichnet, der Formenschatz etwa der gleiche und auch die Verzierung z. T. mit der Straubinger Ware übereinstimmend. Auffallend ist jedoch die große Häufigkeit kantiger Profile an kleinen Krügen und das Hinzutreten von Ornamentmotiven, die von der Keramik der reinbronzezeitlichen Hügelgräber hinreichend bekannt sind. Strichgefüllte Dreiecke, Leiterbänder, Bäumchenmuster und Reihen kleiner Dellen am Umbruch sind allgemeine Merkmale und lassen die Schulerlochkeramik, die von frühbronzezeitlichen Bronzen begleitet wird, als einem entwickelten Stadium angehörig erscheinen. Eine sehr ähnliche gröbere Ware liegt von der Roseninsel im Starnberger See vor, und noch näher verwandt ist die Keramik vom Kirchberg bei Reusten, die ihrerseits wiederum in Südwestdeutschland nicht allein steht. Diese zuletzt besprochene keramische Gruppe stellt uns vor manche für den Beginn der Hügelgräberbronzezeit wichtige Fragen, für die es einstweilen keine befriedigende Lösung gibt. Zur Erklärung der neu hinzutretenden hügelgräberbronzezeitlichen Verzierung an der Schulerlochkeramik liegt die Annahme einer Entwicklung am Ort nahe. Doch zeigt sich durchgehends zwischen der sauber gearbeiteten und hart gebrannten frühbronzezeitlichen Siedlungsware und der brüchigen Keramik der Grabhügel ein so weitgehender technischer Unterschied, daß der Glaube an eine unmittelbare Fortbildung um so schwerer wird, als ja der mittelbronzezeitliche Formenbestand in allen anderen Einzelheiten von dem der Frühbronzezeit gänzlich abweicht. Zudem begegnen selbst in den Wohngruben um Straubing einzelne Scherben hügelgräberzeitlicher Machart und Verzierung zwischen älterbronzezeitlicher Ware, so daß kaum eine andere Annahme als die des gleichzeitigen Bestehens beider Keramiksorten und ihrer Träger bleibt. An sich wäre damit eine Erklärung in dem Sinne möglich, daß die höhenbewohnende Grabhügelbevölkerung neben der Straubinger Kultur der Täler bestand, zum mindesten eine gewisse Zeit lang. Doch stimmt es schlecht zu einem solchen Lösungsversuch, wenn man bemerkt, daß unter den Streuscherben der Grabhügel, die P. Reinecke sicher mit Recht als Siedlungszeugnisse ansieht, jene frühbronzezeitliche Grobkeramik in oft typischen Proben erscheint; der Lage der Dinge nach kann sie nur von den Leuten gemacht sein, welche die Grabhügel erbauten. Wir werden der Wahrheit am nächsten kommen, wenn wir je nach den örtlichen Bedingungen friedliches Beieinanderwohnen, Beeinflussung, Durchdringung oder gar Mischung beider Kulturen vermuten. Daß die Keramik der Urnenfelderzeit in mancher Hinsicht so merkwürdige Ähnlichkeiten zu jener der Altbronzezeit aufweist, mag andeuten, daß die Kraft der Straubinger Kultur nach dem Ende der Frühbronzezeit noch erheblich fortwirkt. Holste,

Bronzezeit

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1. Frühe Bronzezeit

Es bleibt einstweilen, ohne eine Aufarbeitung des sehr verstreuten Fundstoffs, noch unsicher, inwieweit die Keramik der südwestdeutschen und elsässischen Frühbronzezeitsiedlungen und selbst der wenigen zu dieser Zeit blühenden Schweizer Pfahlbauten unmittelbar an den Straubinger Kreis anzuschließen ist. Die Ähnlichkeiten sind stellenweise so weitgehend, daß man versucht ist, an eine aktive Ausdehnung der Straubinger Kultur zu glauben. Die kleinen Scheibenkopfnadeln und ösenhalsringe in Gräbern des Neckartals und des Elsaß und schließlich auch manches Langquaider Beil in Südwestdeutschland verraten zum mindesten die weite Handelsgeltung der Kultur, die den nordalpinen Kupferbergbau trug und die wir als die politisch bedeutsamste Gruppe innerhalb Süddeutschlands, nicht nur als einen kleinen Tochterkreis der mächtigen Aunjetitzer Kultur anzusehen haben.

SCHRIFTTUM Westliche

Zone

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östliche

Zone

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Die östliche Zone

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2. D I E

REINE

BRONZEZEIT

ALLGEMEINES

Die f ü r die Kenntnis der Frühbronzezeit so nützliche Vielseitigkeit des Quellenstoffs müssen wir f ü r den folgenden Abschnitt, die Hügelgräberbronzezeit, entbehren. Fast gänzlich sind wir auf das angewiesen, was die Grabfunde lehren, und erst aus Rückschlüssen allgemeiner Art läßt sich eine gewisse Vorstellung von Siedlungsart und Wohnform gewinnen. Hier wie an anderen Stellen bedauern wir die Zufälligkeit, mit der unser Fundstoff gewonnen ist, und den Mangel an planmäßiger, auf die Klärung bestimmter Fragen gerichteter Grabungstätigkeit. Siedlungen Mit einigem Recht können wir aus der Lage der Grabhügel Schlüsse auf das Wohngelände der reinbronzezeitlichen Bevölkerung ziehen, deren eigentliche Siedlungsreste uns bislang fast völlig verborgen geblieben sind. Nur sehr selten trifft man dort, wo seit Beginn der steinzeitlichen Ackerbaukulturen immer wieder, und nicht zuletzt in der Frühbronzezeit, Wohnplätze angelegt wurden, auf reinbronzezeitlichen Niederschlag. Gerade die Ausnahmen scheinen in ihrer Vereinzelung die Regel zu bestätigen, daß die hügelgräberbronzezeitliche Siedlung bewußt die weiten Talauen und! die guten Ackerbauflächen mied und die ihr angemessenen Bedingungen an anderer Stelle fand. Es gibt manchen Hinweis darauf, daß die Wohnstellen der in den Hügeln Bestatteten nahe den Gräbern lagen. Unstreitig trifft P. Reinecke das Richtige, wenn er das stellenweise sehr reichliche Vorkommen von Scherben im Hügelaufwurf durch Entnahme der Erde aus nächster Nähe der Wohnstellen erklärt. Gelegentlich, so in der Umgebung von Nördlingen, wurden außerdem Siedlungsstellen bei der Ausgrabung von Grabhügeln angeschnitten 2 ), die damit ein unmittelbares Nebeneinander von Wohnung und Grab andeuten. Das Recht dazu, die Verteilung der Hügel im Gelände unmittelbar f ü r die Siedlungsforschung auszunutzen, leiten wir jedoch aus dem Umstand her, daß in der Lage der Gräber eine gewisse Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist, deren Grund nur in der Wahl bestimmter Siedlungsplätze gesucht werden kann. Kommender Forschung wird sicherlich dann, wenn sie die Umgebung der äußerlich sichtbaren, fast immer im unbebauten Gelände gelegenen Grabhügel untersucht, die Auffindung der Wohnstellen gelingen, die sich heute nicht mehr durch erkennbare Zeichen im Boden abheben und daher dem auf die Grabhügel gerichteten Grabungseifer früherer Generationen entgingen.. Die Lage der Grabhügel läßt etwa folgendes Siedlungsbild erkennen: Weite Flußtäler und ebene, f ü r Ackerbau geeignete Flächen werden gemieden. Selbst 2

) 16. Jahresber. Hist. Ver. Nördlingen 1932, 114 ff.

Siedlungen — Gräber — Hortfunde

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die Täler größerer Nebenflüsse sind kaum besiedelt, wohl aber die Ufer der kleinen Wasserläufe und Bachtäler, die das Wasser den Hauptadern zubringen. Allgemein hat man den Eindruck, und stellenweise ist es sogar beweisbar, daß zwar die Ausgangsstellungen des Besiedlungsganges an den hauptsächlichsten Flußtälern lagen, daß aber die Neigung bestand, den Wasserläufen so weit wie möglich aufwärts zu folgen und dort Niederlassungen zu schaffen, wo die Quellen austreten. Geeignete Lage zum Wasser war also bei der Suche nach Wohnplätzen offenbar bestimmender als guter Ackerboden. Eine derartige Siedlungsweise ist für ein ausgesprochenes Bauernvolk unverständlich; dementsprechend gehen auch seit langem die Ansichten dahin, daß die wirtschaftliche Grundlage der Grabhügelkultur die Viehzucht gewesen sei. Die einzelnen Kulturgruppen der mittleren Bronzezeit sind räumlich eng begrenzt, auf ein kleines Zentrum bezogen und voneinander durch weite dünn mit Funden belegte Strecken getrennt. Bis zu einem gewissen Grade mag zwar der heutige Forschungsstand täuschen; doch bestätigt uns eine genaue Untersuchung der Formen, daß in den Gebieten, die nur wenige Funde geliefert haben, auch die Typenzusammensetzung wechselt und jene Geschlossenheit vermissen läßt, die für alle Kerngruppen ohne weiteres erkennbar ist. So ist auch der gelegentlich geäußerten Ansicht, daß die Bodenkultur früherer Zeit für die Zerstörung der Grabhügel in den Niederungen verantwortlich sei, entgegenzuhalten, daß die Reichhaltigkeit der Funde abnimmt, je mehr man die entlegenen Gebiete verläßt und sich den Tälern der großen Nebenflüsse folgend den breiten Ackerbauflächen der Ebenen und großen Flußtäler nähert, selbst dort, wo moderne und mittelalterliche Bebauung nur geringe Gebietsteile unter Kultur genommen hat. Wenn auch im einzelnen die Fragen der vorgeschichtlichen Klimaforschung noch ungeklärt sind, so ist doch das reinbronzezeitliche Siedlungsbild der Annahme einer Warmzeit mit offenen oder licht bestockten Hochflächen, die nicht zur Rodung zwangen, günstig. Der so geschilderten Siedlungsweise zufolge haben natürliche Grenzen im heutigen Sinne keine unbedingte Gültigkeit für die Bronzezeit. Die Täler der großen Ströme, des Rheines und der Donau, bilden Kulturscheiden, da ein Vordringen zu den kleinen Wasserläufen nur nach der einen oder anderen Richtung erfolgen kann. Dagegen wirken die Nebenflüsse meist in entgegengesetztem Sinn, als Nervenstränge der sich in die kleinsten Täler verästelnden Siedlung. Das Fehlen einer solchen Achse begünstigt den Zerfall der kulturellen Einheitlichkeit, wie sich etwa am Beispiel der Wetterau und sogar der Schwäbischen Alb, wo Unterschiede zwischen der westlichen Haid- und der östlichen Hundersinger Gruppe bemerkbar sind, auf engstem Raum zeigen läßt. Wasserscheiden besitzen Grenzcharakter, selbst wenn sie ohne Schwierigkeit überwunden werden können. Die Empfindlichkeit, mit welcher der Fundstoff selbst geringfügige Besonderheiten des Siedlungsgeländes spiegelt, widerlegt nachdrücklich die ehemals verbreitete Meinung vom Nomadentum der Grabhügelbevölkerung. Hinsichtlich aller Einzelheiten über den Wohnbau sind wir auf Vermutungen angewiesen, Häuser mit apsidenartigem Abschluß, wie sie am K$rl-

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2. Reine Bronzezeit

stein bei Reichenhall beobachtet worden sind, oder ausnahmsweises Vorkommen von Wohngruben im Löss, wie bei Wallersdorf b. Landau a. d. Isar, dürfen nicht zu Verallgemeinerungen verleiten. Die Sorgfalt, die der Grabhügelbau zeigt, wird auch bei den Wohnungen vorauszusetzen sein und sicherlich errichtete man die Hütten nicht selten auf Bruchsteinsockeln von jener Bauart, die für die Steinkreise der Grabhügel kennzeichnend ist. Umfang und Anordnung der Grabhügelgruppen lassen auf locker verstreute Gehöfte schließen, die vielleicht gelegentlich zu kleinen Dorfsiedlungen zusammenwuchsen. Doch scheint die Sippengliederung, die in den mehrfach mit Bestattungen belegten Grabhügeln wohl zum Ausdruck kommt, stets herrschend geblieben zu sein und damit auch die Sippe als Grundlage des Gemeinwesens, so daß es nicht oder nur unter äußerem Einfluß zur Anlage von Gemeindefriedhöfen im eigentlichen Sinne bzw. zu den hinter diesen stehenden vornehmlich bäuerlichen Siedlungsformen gekommen zu sein scheint. Gräber Der Name Hügelgräberbronzezeit kennzeichnet bereits das Hügelgrab als die eigentümliche Grabform der reinen Bronzezeit Süd- und Westdeutschlands (Taf. 25, 1). Flachgräber sind nur ausnahmsweise beobachtet und stehen zudem meist im Verdacht, Reste unerkannter oder verschleifter Grabhügel oder der Ausdruck eines fremden Einflusses zu sein. Körperbestattung überwiegt; sie wird nur stellenweise von der bereits früh erscheinenden Brandbestattung verdrängt und bleibt manchenorts die allein herrschende Bestattungsart. Ein allgemeines Übergehen von der einen zur anderen Sitte läßt sich nicht feststellen; hier wie bei allen anderen Kulturäußerungen ist die Entwicklung an die jeweiligen örtlichen Verhältnisse gebunden, so daß der gelegentliche Nachweis eines Übergangs von der einen zur anderen Bestattungsart, die zweistufige Bestattung, wiederum nur für begrenzte Gebiete Wert besitzt. Die Bestattung des oder der Toten erfolgt auf dem gewachsenen Boden, ohne daß eine Grabgrube angelegt wird. Von einer einheitlichen Ausrichtung nach Himmelsrichtungen kann nirgends die Rede sein. Spätere in den gleichen Hügel eingesenkte Bestattungen stören fast nie die älteren Gräber, deren Lage offenbar äußerlich kenntlich oder durch Steinpackungen oder Holzsärge sofort bestimmbar war. Die Skelette liegen in gestreckter Rückenlage; Hockerbestattungen sind vereinzelte, meist ungenügend beglaubigte Ausnahmen. Größe und Bauart der Hügel wechseln erheblich und unterliegen in Einzelheiten den jeweiligen örtlichen Bedingungen. Wo es die Bodenbeschaffenheit erlaubt, benutzt man Steine zum Schutz der Bestattung, zur Stützung des Hügelrandes durch Steinkränze oder zur Abdeckung der Hügelkappe. Ausgezeichnete Steinkränze, teilweise in einer an Trockenmauerwerk erinnernden Technik gebaut, kennt die osthessische Gruppe regelmäßig (Taf. 25, 3), andere Gruppen gelegentlich. Die Sorgfalt, die man auf den Grabhügelbau verwendete, erhellt aus häufigen Feststellungen über die Benutzung ortsfremden Baumaterials, dessen Heranschaffung nicht ohne den Einsatz gemeinsamer Kräfte denkbar ist.

Siedlungen — Gräber — Hortfunde

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Aus dem Grabritus wird man die häufig beobachteten Brandflecken im Hügelaufwurf erklären müssen, in denen sich gelegentlich Tierknochen fanden. Leichenfeuer mit Leichenschmäusen, bei großer Zahl der Brandflecken wohl auch Erinnerungsfeuer, werden somit die Grablegung begleitet haben oder ihr gefolgt sein. Alle diese Einzelheiten sprechen für Pietät den Verstorbenen gegenüber, die bei einer auf die Sippengliederung gegründeten Gemeinschaftsordnung fast selbstverständlich ist. Demselben Geiste entspringt auch die Sitte, die Toten mit ihrer vollen Kleidung und mit Waffen und Schmuck beizusetzen, ein Umstand, der uns die Unterscheidung von Männer- und Frauengräbern und die ungefähre Rekonstruktion der Tracht gestattet. Hortfunde

Hortfunde sind in der reinen Bronzezeit etwas gänzlich Ungewöhnliches. Wohl mag der eine oder andere Einzelfund oder eine kleine Fundgruppe, die ohne genauere Beobachtung der Fundumstände geborgen wurde, hierher gehören. Doch müssen wir mit zufällig verlorenem Gut wie mit unerkannten Hügelgräbern so weitgehend rechnen, daß für die Annahme von Weihefunden oder Versteckfunden wenig Wahrscheinlichkeit mehr bleibt. In einer Zeit, die wie die süd- und westdeutsche Hochbronzezeit offensichtlich ernste Erschütterungen nicht erlebte, fehlte ein Anlaß zur* Verbergung des beweglichen Besitzes, so daß uns der Mangel an Schatzfunden nicht verwundern kann. SCHRIFTTUM Siedlungen F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen. Vorgeschichtliche Forschungen 12 (Berlin 1939) 5 ff. G. Kraft, Die Kultur der Bronzezeit in Süddeutschland (Augsburg 1926) 85 ff. P. Reinecke, Die Streuscherben in süddeutschen Grabhügeln. Wien. Prähist. Zeitschr. 4, 1917, 83 ff. F. A, Schaeiler, Les Tertres funéraires préhistoriques dans la Forêt de Haguenau I, (Hagenau 1926) 234 ff. K. Schumacher, Siedlungs- und Kulturgeschichte der Rheinlande. I. Die vorrömische Zeit (Mainz 1921) 60 ff. F. Weber, Ausgrabungen und Funde in Oberbayern im Jahre 1906. Altbayer. Monatsschr. 6, 1906, 128 f. K. Willvonseder, Die mittlere Bronzezeit in Österreich (Wien 1937) 38 ff. Gräber G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 221. F. Birkner, Ur- und Vorzeit Bayerns (München 1936) 108 ff. K. Hörmann, Bronzezeit-Gräber in Mittelfranken. Abh. Naturhist. Ges. Nürnberg 21, 1917—1929, 291 f. F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen. Vorgeschichtliche Forschungen 12 (Berlin 1939) 11 ff. G. Kraft, Die Kultur der Bronzezeit in Süddeutschland (Augsburg 1926) 59 ff. J. Naue, Die Bronzezeit in Oberbayern (München 1894) 44 ff. F. A. Schaeffer, Les Tertres funéraires préhistoriques dans la Forêt de Haguenau I. (Hagenau 1926) 215 ff. J. Schtânil, Die Vorgeschichte Böhmens und Mährens (Berlin und Leipzig 1928) 117 f. K. Willvonseder, Die mittlere Bronzezeit in Österreich (Wien 1937) 38 ff,

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2. Reine Bronzezeit

DER

FUNDSTOFF

Von allen Quellen sprechen die beweglichen Funde am offensten über Wesen und Eigenart der reinbronzezeitlichen Kultur. Sie stammen bis auf verschwindende Ausnahmen aus Gräbern, sind also unmittelbare Zeugnisse der örtlichen Kultur und drücken als solche die jeweiligen landschaftlichen Eigentümlichkeiten aus. Der Gegensatz von West und Ost, der bereits in der Frühbronzezeit das kulturelle Gesicht Süd- und Westdeutschlands bestimmte, bleibt auch jetzt gültig. Wieder und mit noch größerer Berechtigung können wir von einer westlichen und einer östlichen Zone reden, müssen allerdings eine dritte nördliche anfügen, die erst zu Beginn der entwickelten Bronzezeit ein vollmetallzeitliches Aussehen annimmt (Karte 3).

Die östliche Zone In einer Reihe von Einzelzügen unterscheidet sich die Entwicklung des Ostteils der Zone nordwärts der Alpen grundsätzlich von jener Südwestdeutschlands. Es fehlt dabei nicht an Eigenentwicklungen im Bereich der Gruppen dieser östlichen Zone, d. h. es liegt das Hauptgewicht der Entwicklung in einzelnen durch einheitlichen Typenbestand kenntlichen kleineren Kultureinheiten. Je eine solche Einzelgruppe können wir in Südbayern beiderseits der Isar und in der nordbayerischen Oberpfalz unterscheiden. Sehr verwandt und trotz des trennenden Gebirges, im Formenschatz fast der nordbayerischen Gruppe gleichend sind zwei räumlich getrennte Hügelgräbergebiete in West- und Südböhmen um Pilsen und Budweis; die erstgenannte sendet zudem einen nicht allzu starken Ausläufer nach Mittel- und Nordböhmen aus. Eine Sonderstellung hat schließlich die östlichste Gruppe des süddeutschen Hügelgräberkreises, die sich im Raum zwischen Brünn und Wien ausbreitet und von O. Menghin den Namen d a n u b i s c h - s u d e t i s c h e Hügelgräberk u l t u r erhielt. Zur Entwicklung aller dieser Kulturgruppen trägt ein starker östlicher Einfluß bei, der von einer noch recht unklaren mitteldonauländisch-ungarischen Gruppe ausgeht. Der Strom dieser Anregungen trifft die östliche Zone der süddeutschen Hügelgräberkultur am fühlbarsten und führt hier in den Einzelgruppen zu parallel verlaufenden Entwicklungen einiger Formen, und damit zu einer einheitlicheren Grundfärbung der Kultur, als sie die südwestdeutsche Zone aufzuweisen hat. Erst die Bewegungen der Endbronzezeit, welche die böhmischen Gruppen und den danubisch-sudetischen Kreis grundlegend umgestalten, im benachbarten Bayern aber nur örtliche Veränderungen herbeiführen, zerstören die lockere Einheit der Ostzone, die später zur entwickelten Hallstattzeit erneut durchzubrechen beginnt.

Die danubisch-sudetische Gruppe

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Der tiefe Gegensatz von frühbronzezeitlicher und mittelbronzezeitlicher Kultur, der nicht nur aus der Verschiedenartigkeit von Grabsitte und Siedlungsweise spricht, sondern auch im gesamten Formenbestand fühlbar ist, verbietet es, die Grabhügelkultur Süddeutschlands als Nachfolgekultur der altbronzezeitlichen Gruppen zu behandeln. Es muß vielmehr versucht werden, die neue Mächteverteilung, d. h. die nunmehr in Erscheinung tretenden Kulturgruppen und ihr Verhältnis zueinander, darzustellen, ihre Bedeutung im Gesamtgefüge zu zeigen und gewissermaßen das politische Bild der süddeutschen Bronzezeit zwischen dem jähen Abbruch der Frühbronzezeitkultur und dem Heranfluten der endbronzezeitlichen Fremdkulturen zu entwickeln. Wir haben die handelnden Personen des Schauspiels vorzustellen und auf ihre Herkunft und ihr Wirken zu befragen. Es empfiehlt sich dabei, im Osten zu beginnen und die eigenartige Randkultur des danubisch-sudetischen Kreises, die in mancher Hinsicht eine Sonderstellung in der Zone nordwärts der Alpen einnimmt, in ihrer Verbreitung und ihrem Formenschatz zum Ausgangspunkt zu wählen. Die d a n u b i s c h - s u d e t i s c h e

Gruppe

Südlich von Wien, zwischen dem Steinfeld und der Donau, an der Ostabdachung des Wienerwaldes und am Westrand des Leithagebirges, liegen die Südausläufer einer Gruppe, deren nördlicher Zweig jenseits des Stroms im Winkel zwischen March und Thaya und an den Nebenflüssen der Thaya bis in die Höhe von Brünn zu verfolgen ist. Nur derjenige Teil dieses Gebiets, der innerhalb der österreichischen Grenzen liegt, hat eine zusammenfassende Bearbeitung durch K. Willvonseder gefunden; den kaum weniger reichen südmährischen Fundstoff übersieht man nach dem vorhandenen Schrifttum dagegen nur unvollkommen. O. Menghin gab dieser Gruppe den Namen danubisch-sudetische Hügelgräberkultur. Eine gewisse Sonderstellung zeigt sich schon in der Vielgestaltigkeit des Fundstoffs der danubisch-sudetischen Gruppe. Nirgends im weiten süddeutschen Hügelgräbergebiet sind Siedlungsfunde so zahlreich, nirgends herrscht unter den Sachgütern die Keramik so stark vor, nirgends erscheinen die Bestattungssitten so uneinheitlich, wie in diesem Kreis. Die Nähe zum ungarisch-mitteldonauländischen Kultur gebiet, die man in den Bronzen spürt, und die aus den keramischen Formen sprechende, von den Gruppen des übrigen süddeutschböhmischen Raums verschiedene Entstehungsgeschichte geben der danubischsudetischen Gruppe eine so eigenartige Prägung, daß man den inneren Zusammenhang mit den übrigen Kulturgruppen des Hügelgräberkreises fast bezweifeln möchte. Erst am Gegensatz zu den östlichen Nachbarkulturen in der ungarischen Ebene, deren Grabsitte die Brandbestattung und die Beisetzung in Urnengräberfeldern ist, wird die Beziehung der danubisch-sudetischen Gruppe zum gro'ßen Hügelgräberkreise klar. Die Donau, die den nördlichen weiträumigeren Zweig der danubischsudetischen Gruppe vom bescheideneren südlichen Zentrum am Wienerwald und Leithagebirge trennt, ist auch für die Verbreitung einzelner Typen eine

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2. Reine Bronzezeit

unverkennbare Scheide. Der Südzweig führt in größerer Zahl echt ungarische Typen, und man könnte versucht sein, die Donau als Grenzlinie zwischen einer ungarischen Gruppe und der danubisch-sudetischen Kultur im engeren Sinne anzusehen, wenn nicht die entsprechenden Funde in Ungarn selbst zu problematisch und ihre Verbreitung so wenig geschlossen wäre. Die Zahl ungarischer Funde mit jenem Typenschatz, der uns am Wienerwald und am Leithagebirge vernehmlich entgegentritt, ist gewiß nicht gering. Doch ist eine Entscheidung der Frage, wie sich diese vom Plattensee bis an die mittlere Theiss und vielleicht bis ins Marostal locker verstreuten Funde zu den anders gearteten gleichzeitigen Urnenfeldergruppen Westungarns und des Alföld verhalten, noch nicht zu fällen. Entsprechend ist der Südzweig der danubischsudetischen Kultur weder als Randerscheinung einer klar bestimmbaren ungarischen Kultur zu deuten, noch sind umgekehrt die ungarischen Funde im Sinne eines Südostvorstoßes der danubisch-sudetischen Gruppe aufzufassen. Soviel bleibt festzuhalten: Die breit entwickelte westungarische Urnenfelderkultur, wie sie etwa das Gräberfeld von Lovasbereny vertritt, führt in ihren Gräbern nur selten reicheren Bronzeschmuck, der sich zudem an altertümliche Typen von meist frühbronzezeitlicher Formgebung hält. Der eigenartige, immer wieder in geschlossenen Funden zusammen angetroffene Formenkreis aber, dessen Typen wir noch im Südzipfel der danubisch-sudetischen Gruppe antreffen, erwuchs auf anderem Holz und ist zu Beginn der mittleren Bronzezeit der beste und nach außen hin wirksamste Vertreter ungarischer Bronzeindustrie. D e r ä l t e s t e H o r i z o n t . Eine eigenartige Nadelform mit flach gewölbter schräg durchlochter Kopfscheibe und kantigem gedrehtem, im Unterteil sichelförmig gekrümmtem Schaft, von Willvonseder Sichelnadel genannt, ist der kennzeichnendste Typ der erwähnten ungarischen Gruppe. Ein Paar derartiger Nadeln lag in einem Skelettgrab bei Regelsbrunn am Leithagebirge, ein weiteres in einem Skelettgrab bei Leobersdorf (Taf. 4, 3.10), nahe Baden bei Wien und ein drittes Paar fand sich in einem Brandgrab bei Großhöflein im Bez. Eisenstadt, von wo auch ein einzelnes in einem Skelettgrab gefundenes Stück stammt. Diesen vier Funden, zu denen sich als fünfter noch eine Sichelnadel aus der Hoffmannshöhle bei Fischau gesellt, stehen im sonst reicheren Nordzweig der danubisch-sudetischen Gruppe nur einige bereits abgewandelte Stücke mit flachem Kopf, geschwollenem durchbohrtem Hals und kantigem Schaft gegenüber, von denen nur eine, die Nadel von Weißstätten bei Znaim, die Drehung und die sichelförmige Krümmung des Schaftes bewahrt hat. Von Leobersdorf und Großhöflein, weiterhin von Zillingsdorf bei Wiener-Neustadt und von Schwöbing bei Mürzzuschlag kennen wir eine Nadelform mit doppelkonischem Kopf, geschwollenem durchbohrtem Hals und vierkantigem Wellenschaft, die wiederum im benachbarten ungarischen Gebiet nur selten erscheint, doch im norddonauländischen Teil der danubisch-sudetischen Gruppe bislang fehlt. Schließlich halten sich auch schmale Armspiralen, die in Leobersdorf, Großhöflein und Neufeld a. Leitha vorkommen, südlich der Donau und selbst die breitbandige ungarische Spirale von Regelsbrunn bleibt nördlich des Stroms ohne Gegenstück. Dagegen begegnen schwere Armringe, die ein mehrzelliges

Die danubisch-sudetische Gruppe

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Muster von Ovalbögen und strichgefüllten Dreiecken tragen, mehrfach im March- und Thaya-Gebiet. In den ungarischen Funden erscheinen diese fast regelmäßig in Begleitung der Sichelnadeln. Wie stark die ungarische Bronzeindustrie am Ostalpenrand wirkte, erhellt weiterhin aus dem Vorkommen mehrerer ungarischer Dolche und Schwerter mit geschwollenem Klingenumriß und Augenverzierung im Heft ausschnitt (Sauerbrunn, Pichlern, Leobersdorf [Taf. 6,3], die bis nach Kroatien und Oberitalien8) zu verfolgen sind), aber nur in einem Beispiel in den Nordzweig des danubisch-sudetischen Gebiets gelangten. Ein altertümliches Vollgriffschwert von Au am Leithaberg gehört zu einer erst spärlich vertretenen Schwertgruppe, die formkundlich am Beginn der Vollgriffschwertentwicklung Süddeutschlands und selbst des nordisch-germanischen Gebiets steht. Die erwähnten, vorwiegend im Südteil der danubisch-sudetischen Gruppe begegnenden Formen gehören, wie Willvonseder erkannt hat, zum ältesten Bestand der mitteleuropäischen mittleren Bronzezeit. In nächster Nähe des imgarischen Heimatgebiets spürt man die Anregungen, die vom Formenschatz des mittleren Donaugebiets ausgehen, naturgemäß am stärksten; doch reicht, ihr Wirkungsbereich erheblich darüber hinaus, westlich bis nach Bayern und nordwestlich bis nach Böhmen, wo in Anlehnung an die geschilderten Typen Eigenbildungen von örtlicher Prägung erwachsen, die ihre östlichen Vorbilder nicht verleugnen. Es könnte so scheinen, als sei mit den ungarischen Formen auch ein fremdes mitteldonauländisches Volkstum eingedrungen, um so mehr, als selbst keramische Formen ungarischer Prägung, breite enghalsige Amphoren mit zwei gegenständigen Henkeln an der weitesten Ausladung und plastischen Leisten auf der Schulter, vereinzelt südlich und nördlich der Donau auftreten. Wenn ein solcher Zustrom erfolgte, so war er höchstens südlich der Donau bedeutsam. Im March-Thaya-Gebiet aber und in Südmähren redet die Keramik eine ganz andere Sprache und knüpft deutlich an Vorbilder der Frühbronzezeitkultur des gleichen Gebiets und der Slowakei an. Die bauchigen Krüge mit trichterförmigem Hals, die im Gefäßfund von Mistelbach neben ihren direkten Nachkommen noch erscheinen, sind gute Vertreter der altbronzezeitlichen Mad'arovceKultur, die damit einen wesentlichen Platz in der Ahnenreihe der danubischsudetischen Kultur besetzt. Eine kleine Krugform mit Füßchen, die auch südlich der Donau im Fund von Regelsbrunii erscheint (Taf. 4, 11), geht sichtlich ebenso auf den alten Mad'arovce-Krug zurück, wie die Leitform des danübischsudetischen Kreises, der buckelverzierte Krug (Taf. 4, 5). D i e e n t w i c k e l t e H ü g e l g r ä b e r k u l t u r . Die Leitformen des danubisch-sudetischen Kreises, d. h. jene Formen, welche die Eigenart dieser Gruppe am deutlichsten spiegeln, sind die keramischen Erzeugnisse. Der hochhalsige Krug, eine Form, die in allen Gruppen der Hügelgräberkultur begegnet, erfährt seine für das danubisch-sudetische Gebiet kennzeichnende Eigenprägung durch eine Verzierung mit aufgesetzten oder von innen herausgetriebenen ') Vollständige Verbreitung bei J.Nestor,

Sargetia (Deva) 1, 1937, 29 Fig.9.

2. Reine Bronzezeit

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Buckeln, die an der weitesten Ausladung des Bauches sitzen und von bogenförmigen Linien oder flachen Riefen umzogen werden (Taf. 8, 7; 6, 2). Schon der altertümliche Mistelbacher Fund enthält derartige Buckelkrüge (Taf. 4, 5), die zur entwickelten Hügelgräberbronzezeit ebenso in Gräbern und Siedlungen der Umgebung von Brünn und Znaim, wie in' Funden im Rande des Marchfeldes und am Nordufer der Donau begegnen (Karte 4). Nur ein einziges Stück wagt sich auf das Südufer des Stroms, wo einfache glatte Krüge beherrschend sind. Auch die übrigen keramischen Formen kennen wir fast ausnahmslos aus den Funden des Norddonaugebiets. Kleine Amphoren, in der Form den entsprechenden nordbayerisch-böhmischen Stücken verwandt (Taf. 4,2), stehen ähnlich wie die Krüge gelegentlich auf erhöhtem Fuß und tragen am Umbruch kleine Warzen oder selbst gerahmte Buckel (Taf. 11, 8). Sehr hohe steilhalsige Amphoren, wie sie von Kiblitz, Kr. Hollabrunn und von Malmeritz (Malomerice) bei Brünn bekannt sind, tragen kleine Buckel am Halsansatz und sind mit senkrechten Rippen oder einem geritzten Winkelband verziert. Das gleiche Ritzmuster erscheint auf einer gedrungenen Topfform mit kurzem Zylinderhals, die im übrigen durch Warzen und Leisten am Halsansatz, einmal auch durch Ovalbuckel am Bauch, verziert ist. Kleine Henkeltassen mit tief sitzendem Bauchknick (Taf. 4, 8), die ähnlich in Südbayern und Württemberg begegnen, haben eine gewisse Profilähnlichkeit mit Aunjetitzer Tassen, doch andere Henkelstellung. Geläufig sind weiterhin flache gehenkelte Schalen mit gezipfeltem Rand (Taf. 6, 7), auch diese gelegentlich einen Standring ansetzend. Hohe Töpfe mit fingerstrichverziertem Bauch und einer den Rand absetzenden Tupfenleiste sind zeitlose Erscheinungen der Siedlungsware. Die Keramik in ihrer Gesamtheit ist hinreichend kennzeichnend, um den Kreis der danubischsudetischen Kultur fest zu umgrenzen. Die Bronzen des danubisch-sudetischen Kreises bleiben dagegen zur entwickelten Hügelgräberbronzezeit recht uneinheitlich und verraten nirgends Selbständigkeit in der Formgebung. Die Zeit der ungarischen Anregungen ist vorbei. Was nunmehr an Nadeln, Armringen und Armbändern, Anhängern, Beilen und Dolchen erscheint, entstammt den benachbarten Kulturgruppen des süddeutschen Hügelgräberkreises. Man trägt nördlich wie südlich der Donau, und selbst in Westungarn, die langen Nadeln Nordbayerns und Böhmens mit geschwollenem oder nicht geschwollenem Hals und Nagelkopf (Taf. 5,1.3), deren einfache Strichverzierung allmählich in seichte Rippung übergeht. Lochhalsnadeln sind ungewöhnlich geworden und nur in einer eigenartig massigen Variante 4 ) bemerkenswert. Eine mährische Rollennadel hat den kantigen oberen Schaftteil bayerisch-böhmischer Stücke. Auch der Arm- und Beinschmuck ist dem Formenschatz der Nachbargruppen entlehnt. Die breiten, im Querschnitt flach D-förmigen oder dreieckigen Armbänder zeigen die aufgelösten Dreiecks- und Bogenmuster der bayerischböhmischen Armbänder; einfache strichverzierte Armringe und Fingerringe mit 4

) K. Willvonseder,

Die mittlere Bronzezeit Österreichs (Wien 1937) Taf. 31, 2,

Die danubisch-sudetische Gruppe

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Endspiralen entstammen der gleichen Nachbargruppe. Nordbayerisch-böhmisch ist endlich die Sitte, das Gewand mit Blechbuckeln (Taf. 6, 5) zu benähen, und nur als Einzelgänger erscheint aus dem benachbarten Ungarn ein langer verzierter Bronzeblechgürtel. In der Männerausstattung sind einfache Dolchblätter anzutreffen (Taf. 7, 7), auch einmal Tüllenpfeilspitzen oder, wenn auch nicht in geschlossenen Funden, Rand- und böhmische Absatzbeile (Taf. 4,4.6). Bei einigen reicher ausgestatteten Gräbern des Enns-Gebietes, z. B. bei Funden von Winklarn bei Amstetteri, von Kronstorf bei Linz und von Wimsbach bei Wels, bleibt es fraglich, ob sie zum engeren danubisch-sudetischen Kulturgebiet zu rechnen sind. Die spärliche Keramik (Taf. 5,2; 7,2.9) ist ungewöhnlich und jedenfalls nicht eindeutig zuzuweisen; den Bronzen aber läßt sich bei der Unselbständigkeit des danubisch-sudetischen Kreises nichts abgewinnen. Weder die Dolchblätter, Schwertklingen, Beile und Pfeilspitzen der Männergräber noch die Armbänder, die Armringe und die Fingerringe mit Endspiralen (Taf. 5, 6) aus der Frauenausstattung erlauben eine zweifelsfreie Einordnung, wenn auch der Typenbestand am besten an böhmische Erscheinungen anzuknüpfen ist. Bemerkenswert ist das zweimalige Vorkommen ungarischer Streitäxte mit Nackenscheibe (Taf. 7,3.8), die zum mindesten erkennen lassen, daß die östlichen Beziehungen der Hügelgräberkultur nicht völlig abgerissen sind. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Eine Spätentwickelung der reinen danubischsudetischen Gruppe im Raum zwischen Wiener-Neustadt und Brünn läßt sich nur schwer ausscheiden. Wir sind fast ganz darauf angewiesen, feinere Unterschiede in Aufbau und Verzierung der keramischen Formen zur Zeitbestimmung heranzuziehen, da von seiten der spärlichen Bronzen, die im übrigen Süddeutschland eine bessere Zeitbestimmung gestatten, keine nennenswerte Hilfe kommt. Allerdings gelangen einige der im bayerisch-böhmischen Raum geläufigen jüngeren Bronzen bis in die Hügelgräber des Enns-Gebietes. Dort trifft man beispielsweise die gerippten Nadeln ohne ausgesprochene Kopfbildung (Taf. 7,4), Pinzetten mit breiten Backen (Taf. 7,5), vierkantige Armringe mit Sparrenmustern, Dolche mit verkümmerter Kopfplatte (Taf. 7, 6), und selbst Schwerter mit achtkantigem Vollgriff kommen bis in diese Gegend, wie Funde von Wimsbach und vom Donaustrudel bei Grein lehren. Doch stehen wir hier günstigstenfalls in der Randzone der danubisch-sudetischen Gruppe, in größerer Nähe des bayerisch-böhmischen Bereichs und außerhalb des engeren Verbreitungsgebietes der so kennzeichnenden danubisch-sudetischen Keramik. Im March-Thaya-Gebiet aber sucht man fast vergeblich nach gesichert jüngeren Bronzeformen, und südlich der Donau setzen diese gänzlich aus. Ein Dolch mit Mittelrippe und ein aus drei umwickelten Drähten zusammengesetzter Armring aus zwei zerstörten Brandgräbern von Roggendorf nahe Eggenburg oder eine einzelne schwer gerippte Nadel von Limberg bei Ravelsbach, vielleicht auch ein Armband mit Doppelspiralenden von Eggendorf, sind seltene Zeugen dafür, daß die danubisch-sudetische Gruppe noch in voller Blüte steht. Ob allerdings die jüngeren Erscheinungen im keramischen Formenschatz, die ortsgebunden sind und damit allein dem Rhythmus der örtlichen

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2. Reine Bronzezeit

Entwicklung folgen, in allen Fällen dem späteren Abschnitt der übrigen süddeutschen Gruppen, dessen Ausscheidung an Hand der Bronzen vorgenommen werden muß, gleichzusetzen sind, muß fraglich bleiben. Wohl mit Recht sieht Willvonseder in manchen Formen des großen Gefäßfundes von Maisbirbaum bei Stockerau Spätentwicklungen der älteren danubisch-sudetisehen Keramik. Erscheinungen wie die Schlankheit, fast Zierlichkeit mancher Krüge und der tiefe Sitz der Buckel, die elegante Form der Fußschalen (Taf. 8,4), die eckig geknickten oder gedoppelten Henkel (Taf. 8, 2) und der am Halsansatz über den Rand hinausgezogene Lappen an niedrigen Tassen (Taf. 8, 5), alles das verrät, daß der Töpfer aus den ererbten Grundformen eigenwillige Neubildungen geschaffen hat. Doch auch in Maisbirbaum sind nicht alle Stücke als jünger kenntlich. Die breite zweihenklige Schale (Taf. 8, 6) ist ein bekannter und keineswegs später Typ in der Oberpfalz; der mit einem senkrechten Ritzband verzierte gedrungene Topf verrät keinen Unterschied gegenüber den entsprechenden bayerisch-böhmischen Stücken; die alte vierzipfelige Schale des älteren Abschnitts ist vorhanden und manche der einfachen Tassen mit tiefsitzendem Bauchknick würde gleichfalls in älteren Funden durchaus am Platze sein. Es ist also auch im danubisch-sudetischen Kreise nicht anders als in anderen Gruppen des süddeutschen Bereichs. Fortschrittliches und Altes steht nebeneinander, und jeder Versuch, ein auf formkundliche Unterschiede gegründetes Zeitschema zu entwerfen, bleibt gewaltsam und erfaßt nicht die breite Schicht der geläufigen Formen, sondern nur das wenige Außergewöhnliche. Es muß, wenn wir neben die Keramik von Maisbirbaum noch einige andere Funde stellen, wie einen Krug von Zellerndorf, eine Henkeltasse von Groß-Weikersdorf, Krüge und Fußgefäße von Niemtschitz an der Hanna (Nemcice nad Hanou) und Welatitz (Velatice) in Mähren, stets bedacht werden, daß damit nicht der ganze Bestand einer Spätstufe umrissen wird, sondern nur wenige aus der breiten Masse des Geläufigen herausragende Spätlinge namhaft gemacht sind. So stellt sich die danubisch-sudetische Gruppe im ganzen als ein räumlich enger Kreis mit lebhafter keramischer Entwicklung und fast völliger Unselbständigkeit in den Bronzeformen dar. Mit der Anknüpfung an die Krüge der Mad'arovce-Kultur ist sie die einzige Kultureinheit Süddeutschlands, deren Wurzeln deutlich in eine frühbronzezeitliche Kulturgruppe zurückreichen. Ganz anders steht es aber mit den Bronzen. Mitteldonauländische Nadeln, Armringe, Schwerter und Dolche treten an die Stelle der frühbronzezeitlichen Formen, im kleinen Südzipfel zwischen Wienerwald und Leitha-Gebirge rein und in größerer Zahl, nördlich der Donau seltener und bereits in umgebildeter Art. Die bayerischen und böhmischen Gruppen, die schnell und bestimmt zu eigenen Entwicklungen übergegangen sind, vermitteln bald ihre entwickelten Formen und verdrängen die ungarischen Typen, während nördlich der Donau wenigstens die Keramik die eigenständige Fortentwicklung der örtlichen Kultur spiegelt und schließlich sogar schwach eine Spätstufe erkennen läßt, die in den spärlichen Bronzen kaum zu fassen ist. Bei den bronzereichen Hügeln des EnnsGebietes scheint der engere danubisch-sudetische Kreis zu enden; hier ist bereits der bayerisch-böhmische Formensinn beherrschend.

Die südbayerische Gruppe

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Das Eindringen der endbronzezeitlichen Fremdkulturen bringt die danubisch-sudetische Gruppe zum Erliegen. Gewiß gibt es Mischungserscheinungen, die auf eine Auseinandersetzung mit der neu erscheinenden Lausitzer Kultur schließen lassen; aber ein Zusammenwachsen zu einer neuen Kultur, ein Fortwirken der eingesessenen Hügelgräberkultur in Grabsitte und Formen über die Stürme der Urnenfelderzeit hinaus bis in die entwickelte Hallstattzeit läßt sich nicht sicher greifen oder entzieht sich noch unserem Blick. Die Rolle der danubisch-sudetischen Kultur scheint mit dem Erscheinen der Urnenfelderkultur von der Art der Lausitzer Kultur und der frühhallstättischen Gräber von Gemeinlebarn ausgespielt.

SCHRIFTTUM J. Böhm, Zäklady hallstattske periody v Cechäch (Prag 1937) 253 f. J. L. Ceivinka unter: Danubisch-sudetische Hügelgräberkultur in Ebert, Reallex. II, 348. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 319 f. J. Eisner, Slovensko v praveku (Preßburg 1933) 296. O. Menghin, Urgeschichte Niederösterreichs (Wien 1921). P. Reinecke, Zur Geschichte der Griffzungenschwerter. Germania 15, 1931, 217 ff. J. Schiänil, Die Vorgeschichte Böhmens und Mährens (Berlin und Leipzig 1928) 116 ff. K. Willvonseder, Die mittlere Bronzezeit in Österreich (Wien 1937).

Die

südbayer i s che

Gruppe

Am Alpenrand und beiderseits des Isarlaufs bis an die Donau erstreckt sich das Siedlungsgebiet der südbayerischen Gruppe. Die Funde sind locker über ein recht weites Gebiet verstreut; es fehlt an jener räumlichen Geschlossenheit, welche für die oberpfälzische und die württembergische Gruppe so kennzeichnend ist. Kaum irgendwo dürfte alte Bodenbebauung nachhaltiger mit dem Denkmälerbestand aufgeräumt haben, als beiderseits der Isar und außerhalb der voralpinen Schotterzone. Das Bild der südbayerischen Hügelgräberkultur bleibt dadurch lückenhaft und unscharf. Siedlungsfunde treten hinter den Grabfunden völlig zurück, bieten jedenfalls gegenüber dem Fundstoff der Hügelgräber kaum etwas Neues. In den Gräbern überwiegen die Bronzebeigaben; keramikreiche und bronzearme Gräber sind daneben seltene Ausnahmen. D e r ä l t e s t e H o r i z o n t . In Südbayern, dem alten Kernland der Straubinger Kultur, ist mit der Unruhezeit, die sich in den großen Spangenund Halsringbarrenfunden zu erkennen gibt, die frühbronzezeitliche Formenentwicklung abgerissen. In den wenigen Grabhügelgruppen, die dem Beginn der Hügelgräberkultur angehören, erscheinen neuartige und fremde Typen, hinter denen man deutlich den gleichen östlichen Anregungsstrom spürt, der im Bereich der danubisch-sudetischen Gruppe unverkennbar in Erscheinung trat (Abb. 2).

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2. Reine Bronzezeit

Die besten Vertreter dieses alten mittelbronzezeitlicbien Horizonts stammen aus den Hügelgräbern von Lochham bei München (Taf. 9, 2—5. 10. 11. 13. 14. 17. 18) und Eching nahe Freising. Jede dieser Hügelgruppen enthielt mehrere Einzelgräber mit einem Beigabenbestand, der sich sowohl gegen die Typen der vorangehenden Frühbronzezeit wie gegen jene der nachfolgenden entwickelten Hügelgräberbronzezeit unzweideutig absetzt. Eine Nadel mit kantigem gedrehtem, sichelförmig gekrümmtem Schaft und flacher schräg durchlochter Kopfscheibe (Taf. 9,17) gibt sich sofort als Nachkomme der ungarischen Sichelnadeln zu erkennen und findet in einem weiteren südbayerischen Fund von Dirnismaning nördl. München ein gutes Vergleichsstück. Ähnliche Nadeln mit Scheibenkopf und vierkantigem wellenförmig gebogenem Schaft (Taf. 9,11) sind auch hier, wie im Funde von Wetzleinsdorf aus dem danubisch-sudetischen Kreis, gute Vertreter des ältesten Horizonts und erscheinen sowohl in Lochham und Eching, wie auch vereinzelt in anderen Grabfunden Südbayerns und häufiger noch im Bereich der oberpfälzischen Gruppe nördlich der Donau. Eine weitere Nadelform mit doppelkonischem Kopf, durchlochter Halsschwellung und vierkantigem, meist durch eingeschlagene Punkte verziertem Wellenschaft (Taf. 9,10) gehört zu den ältesten Hügelgräber- Abb. 2. Leitformen der typen von weiträumiger Streuimg; sie ist ebenso in südbayerischen Gruppe. Ungarn wie im Südteil der danubisch-sudetischen Gruppe, im oberpfälzischen Kreis und selbst noch an der Mainmündung zu finden. Daneben erscheinen einige andere Lochhalsnadeln, die sichtlich Eigenbildungen des südbayerischen Kreises sind und nur teilweise dessen Grenzen überschreiten. Eine Form mit zierlichem Kolbenkopf (Taf. 9,13) findet sich noch recht reichlich, stets in Gesellschaft altertümlicher Formen, auf der Schwäbischen Alb und selbst am Mittelrhein. Die Lochhalsnadel mit trompetenförmigemKopf jedoch bleibt auf Südbayern beschränkt und gelangt nur in einem Falle in die oberpfälzische Gruppe (Taf. 9,14). Bereits zur entwickelten Hügelgräberkultur leitet die Nadel mit durchlochter fischgrätenverzierter Schwellung über (Taf. 9, 2), eine Form, die ganz entsprechend und nur im Ornament abweichend in Württemberg wiederkehrt (Karte 5). Manche mitteldonauländischen Formen, die den ältesten Horizont des danubisch-sudetischen Kreises kennzeichnen, treffen wir auch im Lochham-Echinger Horizont an. So erscheinen in Eching der schwere ovalbogenverzierte Armring und die breite ungarische Blechspirale, diese einmal in Begleitung einer Nadel, deren Kugelkopf nach Art frühbronzezeitlicher Aunjetitzer Nadeln schräg

Die südbayerische Gruppe

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durchlocht ist, während der Schaft vierkantig geworden ist und die wellenförmige Krümmung und das Punktmuster der Lochhalsnadeln mit doppelkonischem Kopf angenommen hat (Taf. 9,6). Die Ausrüstung des Mannes ist gegenüber dem reicheren Schmuck der Frau einfach und zweckmäßig. Eine der erwähnten Lochhalsnadeln hielt das Gewand zusammen. Der kurze Dolch besitzt eine große trapezförmige Griffplatte, die durch vier Niete mit dem Griff aus vergänglichem Material verbunden war (Taf. 9,3). Das lange schlanke Randbeil zeigt starren geradseitigen Umriß (Taf. 9,5), seltener eine Beschränkung der Randleisten auf die obere Bahnhälfte. Die ältesten Kurzschwertklingen mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte und vier großköpfigen hutförmigen Nieten (Taf. 10,1), ein überall im süddeutschen Bereich erscheinender kurzlebiger Typ, begegnen recht reichlich unter den südbayerischen Funden. Schon in dieser frühen Zeit beginnt offenbar die Entwicklung der Vollgriffschwerter, die sich, soweit Süddeutschland in Frage kommt, fast ausschließlich auf südbayerischem Boden vollzog. Das Schwert (Taf. 9,7) besitzt eine altertümliche, im Umriß starre geradseitige Grifform, spitzovale Knaufplatte und gleichen Griffquerschnitt, gespreizte Schulter und eine Griffverzierung in Form einfacher horizontaler Strichbündel und kleiner hängender und stehender Bogenstellungen. Nahe der Knaufplatte erscheinen auf dem Griff in zunächst untergeordneter Weise als Füllmotiv konzentrische Kreise, die später die Griffverzierung der Donauschwerter mit achtkantigem Vollgriff beherrschen. Auf den oberen Teil der Klinge beschränkt sich eine Verzierung, die den Ausschnitt des Vollgriffs füllt und von den Griffflügeln ausgehend in Liniengruppen dem Klingenschwung folgt. Grifform und -Verzierung dieser nur in geringer Zahl bekannten Schwerter geht in direkter Linie auf die ältesten Vollgriffschwerter Österreichs und Ungarns zurück (s. S. 27), ebenso wie hinter der Verzierung und dem Schwung der Klinge des Schwertes (Taf. 9,7) unschwer die Vorlage im Kreis der verzierten Klingen nach Art des Dolches von Leobersdorf zu erkennen ist. Die Keramik des Lochham-Echinger Horizonts ist dürftig und nicht allzu kennzeichnend. Eine zweihenklige Amphore mit zwei auf der Schulter unterhalb des Henkels sitzenden Buckeln und zwei Krüge mit geritzten hängenden Dreiecksbändern auf der Schulter zeigen weiche Profilführung und lassen sich von den späteren, Bauch und Hals voneinander absetzenden Gefäßen der entwickelten Hügelgräberkultur gut unterscheiden. Weder diese aus Eching stammenden Gefäße noch eine kleine Tasse aus den Lochhamer Hügeln knüpfen an frühbronzezeitliche Vorbilder an oder verraten mehr als allgemeine Ähnlichkeit mit der östlich benachbarten danubisch-sudetischen Kultur. D i e e n t w i c k e l t e H ü g e l g r ä b e r b r o n z e z e i t . Auf den ältesten Lochham-Echinger Formenschatz folgen Typen, die gleichfalls wieder aus vielen geschlossenen Funden und Grabhügelgruppen bekannt sind und fast ohne Beziehung zu den oben besprochenen Typen sind. Zwei sehr bezeichnende Männergräber nahm P. Reinecke als Musterbeispiele seiner Stufe B; sie entHolst«,

Bronzezelt

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2. Reine Bronzezeit

halten fast alles, was nunmehr zur Ausstattung des Mannes gehört. Wie in anderen Gruppen haben die Schwert- und Dolchklingen verkleinerte, der Klingenbreite angepaßte Griffplatte, meist mit zwei Nieten (Taf. 9, 8). Unter den Beilen treffen wir Randbeile mit geschwungenen Seiten (Taf. 10,8) und böhmische Absatzbeile (Taf. 10, 25), nur vereinzelt mittelständige Lappenbeile (Taf. 17,11), deren eigentliche Heimat die württembergische Gruppe ist. Die Nadeln mit geschwollenem durchlochtem Hals sind bis auf den südbayerischen Typ mit Fischgrätenmuster (Taf. 9, 2) und eine seltene gleichfalls vornehmlich südbayerische Abart verschwunden. An ihre Stelle sind geschwollene Nadeln mit undurchbohrtem Hals und Nagelkopf getreten, die wir namentlich aus der Oberpfalz kennen. Schon bei den Gegenständen der Männerausstattung hat man den Eindruck, daß nicht die alten aus der Lochham-Echinger Fundgruppe stammenden Formen fortgebildet werden, sondern eine neue Entwicklung beginnt, die, vorsichtig ausgedrückt, der norddonauländisch-oberpfälzischen weitgehend angeglichen ist. Dieser Eindruck bestätigt sich bei einem Blick auf die Beigaben der Frauengräber. Auch hier sind jetzt die Nadeln ohne Durchbohrung herrschend, die sich mit oberpfälzischen Stücken verwechseln ließen, wenn nicht die südbayerische Eigenart in der pilzförmigen Kopfbildung und in der Kürze des geschwollenen Halsstücks (Taf. 10,9) zu erkennen wäre. Aus den schweren ungarischen Armringen, die in Eching als Import erschienen, bildet sich das flache Armband, das aus dem Verzierungsschatz der Vorlage die langen strichgefüllten Randdreiecke entlehnt (Taf. 10,21), auch dieses eine südbayerische Eigentümlichkeit (Karte 6). Wie in Nordbayern trägt man die durchbrochenen umgekehrt herzförmigen Anhänger (Taf. 10, 22.23); doch bildet man südlich der Donau die zweifellos östlich-ungarische Vorlage mit frei eingerollten Armen zu einer Sonderform mit z w e i Streben von den Einrollungen zum Kopf um (Abb. 2, 6), die unter den zahlreichen nordbayerischen Funden nicht vorkommt. Nur Armbänder mit Doppelspiralenden (Taf. 10,18.19) führt man unverändert, wenn auch nicht sehr häufig, aus der Oberpfalz ein, und das gleiche kann von den langen Nadeln mit nicht geschwollenem strichverziertem Hais (Taf. 10, 6) und den Fingerringen mit Spiralenden (Taf. 10,16) gesagt werden. Zweierlei ist hier deutlich: Bei der Ausbildung der einzelnen Formen werden noch vereinzelt östliche Vorbilder wie die Herzanhänger aufgegriffen, doch nicht mehr in eigener unabhängiger Art, sondern in Anlehnung an die Entwicklung der Oberpfalz verarbeitet. Dabei kommt es allerdings nicht zur gänzlichen Angleichung, sondern es bleibt ein gewisser Hang zur Selbständigkeit nach wie vor, oft nur in Kleinigkeiten, zu erkennen. Das zeigt sich schließlich auch in der Keramik. Eine Tasse wie Taf. 11,3 verrät, daß man zwar die stets sauberen und genauen Winkelbandmuster der Oberpfälzischen Gruppe kannte, daß aber der Versuch einer Nachahmung nur mäßig gelang. So beschränkt sich das Ornament meist auf einfache bäumchenartige Muster (wie Taf. 11,4) oder vereinzelt hängende strichgefüllte Dreiecke, gelegentlich auch auf dicke tiefeingerissene Horizontal- und Vertikällinifen (Taf. 11,6).

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Die südbayerische Gruppe

Als Hauptform erscheint der Krug mit breitem, den Halsansatz überspannendem Henkel ( T a f . l l , 10); daneben sind kleine Schälchen mit gekehltem Hand und Griffknubbe beliebt (Taf. 11,14), die nördlich der Donau ebenfalls auftauchen, während Tassen mit niedrig sitzendem Bauchknick (Taf. 11,13) sich in erster Linie auf den Südteil der bayerischen Hügelgräberkultur beschränken und nur in Württemberg gute Vergleichsstücke finden. Die Schwertentwicklung macht offenbar zunächst nur langsame Fortschritte. Wir stellen die Übergangstypen von den älteren südbayerischen Schwertern zu den Schwertern mit achtkantigem Vollgriff, P. Reineckes Ci-Typen, hierher (Taf. 9, 1), ohne mit Sicherheit angeben zu können, ob die älteste Form (Taf. 9,7) bereits aufgehört hat, zu bestehen. Offenbar liegt der eigentliche Auftrieb zur Schwertentwicklung erst im jüngeren Abschnitt der südbayerischen Bronzezeit. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Wie in der westlich benachbarten württembergischen Gruppe kündigt sich die am Ort gewachsene Spätentwicklung durch das Erscheinen schwergerippter Nadeln an, die mit den Schwertern mit achtkantigem Vollgriff (Taf. 12,1) in Gräbern beobachtet sind und die P. Reinecke als Leittypen seiner Stufe C2 bezeichnet. Es sind die gleichen Nadeln mit geripptem Kopfteil, den gelegentlich ein kurzes leicht einschwingendes glattes Schaftstück untergliedert (Taf. 17,1.2), die in der württembergischen Gruppe, nicht aber in Südbayern, ausgezeichnete Vorläufer haben. Gerade die „Kopflosigkeit" dieser Nadeln, d. h. das fast unmerkliche Dickerwerden des gerippten oberen Nadelabschlusses und das Fehlen der Kopfscheibe, veranlaßt uns, diese nicht sehr zahlreichen Nadeln aus den mehrfach greifbaren Beziehungen Südbayerns zu Württemberg zu erklären und die Annahme abzulehnen, sie seien aus den geläufigen Nadeln mit gerippter Halsschwellung durch unvermitteltes Abwerfen der Kopfscheibe entstanden. Es zeigt sich zudem, daß in der Oberpfalz die Neigung zur Rippung des Nadelhalses bis zum Ende der Bronzezeit nicht durchdringt, daß wir es also bei der Rippung nicht mit einer allgemein süddeutschen Stileigentümlichkeit zu tun haben. Die Zahl der Grabfunde mit Donauschwertern und gerippten Nadeln5) ist gering und nur die Schwerter sind aus Einzelfunden so zahlreich bekannt, daß man sie als Vertreter einer längeren Zeitstufe auffassen kann (Karte 7). Es zeigt sich hier die häufig in Süddeutschland zu beobachtende Erscheinung, daß die Formen der Männergräber nur widerwillig eine typologische Zeiteinteilung gestatten. Man darf annehmen, daß die einheimische Hügelgräberkultur in ihrem jüngeren Abschnitt Typen beibehält, die vorher bekannt und bewährt waren, zumal nach wie vor das Beil und der Dolch die Hauptwaffen des Mannes bleiben. Da wir dem Vorgang Reineckes, der den Fundstoff des Riegsee5 ) Aufzählving bei P. Reinecke, Korr.-Bl. Anthr. Ethnol. Urgesch. 33, 1902, 20 ff. Dazu neu: G r a b von Reisensburg {J. "Vogesei, Prähistorische, römische und merowingische Funde in der Sammlung des Historischen Vereins zu Günzburg [Günzburg o. J.] 48, Fig. 32 und 34). Neue böhmische Grabfunde mit altertümlichen Nadeln: Solany und Werhawetsch (Vrhavec) bei J. Böhm, Zäklady hallstattske periody v Cechäch (Prag 1937) 14, A b b . 4; 23, A b b . 9.

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gebiets (s. unten S. 91 ff.) als Spätphase der ortsansässigen Hügelgräberkultur ansprach, nicht folgen, stehen wir im Grunde vor der gleichen Schwierigkeit, wie in anderen Gruppen: Die Männerausstattung ist eintönig, ihre Typenentwicklung zäh. Das Beil, in diesem Falle das böhmische Absatzbeil, vielleicht auch das mittelständige Lappenbeil, wird beibehalten. Man trifft es gelegentlich mit gerippten Nadeln mit Kopfplatte an, und es ist wohl so, daß die mit württembergischen späten Nadeln erscheinende Rippung nun auch auf die einheimischen Typen übergriff. Daneben bestanden die üblichen Dolchklingen, die gelegentlich eine schwache Mittelrippe ansetzen. Wieder verhilft uns zur klareren Erfassung der Verhältnisse die Ausstattung der Frau. Diese trägt zwar nach wie vor sehr lange Nadeln, meist ohne Schwellung, die aus dem alten Formengut erwachsen und gelegentlich leichte Schaftrippung zeigen, und auch die Armbänder mit Doppelspiralenden werden beibehalten sein. Daneben beginnen aber nunmehr Formen zu erscheinen, deren Verbreitung zeigt, daß die enge Verbindung der südbayerischen und der oberpfälzischen Gruppe nicht abgerissen ist. Nadeln mit großen Scheibenköpfen und mehreren Knotungen des Schaftes dringen nach Süden bis in die Höhe von München vor (Taf. 10,11). Die verschiedenen Formen von Kugelkopfnadeln, welche die fremd beeinflußte oberpfälzische Gruppe führt (s. unten S. 46), erreichen die gleiche Südverbreitung. Armringe mit gekerbten Kanten oder gepunkteten Seitenflächen entsprechen ganz den Stücken, die auf württembergischen Boden in der Spätzeit begegnen (Taf. 16,12). Neben diesen die alte Verbundenheit mit der Oberpfalz beleuchtenden Typen fehlt es nicht an Import von anderer Seite, namentlich aus dem Riegseegebiet, das im Verlaufe des jüngeren Abschnitts dem benachbarten Teil Südbayerns manches vermittelt. Es ist jedoch bezeichnend, daß sich nicht die echten Riegseenadeln (Taf. 22,12) und die glatten Vasenkopfnadeln (Taf. 22, 7) in dem Hügelgräbergebiet beiderseits der Isar finden, und daß auch eine Turbankopfnadel (Taf. 22, 8) dort nur einmal als Streufund eingetroffen ist. Man muß vielmehr in die Berührungszone zwischen alter Hügelgräberkultur und neueinströmender Riegseekultur gehen, um zu sehen, wie sich Angestammtes und Fremdes auseinandersetzt. Grabfunde, wie sie in Grünwald und Schöngeising bei München, in Glaslern und Lohkirchen bei Erding und, um auch ein Männergrab zu nennen, in Aubing nahe München vorliegen, zeigen immer das gleiche Bild: Neben den Scheibenkopfnadeln mit mehrfach geknotetem Schaft (Taf. 10,11), die wir als Beispiel der oberpfälzisch-südbayerischen selbständigen Grabhügelentwicklung anführten, und die im Riegseegebiet keine Aufnahme fanden, erscheinen die gerippten oder mit Bogenstellungen verzierten Armringe und in Aubing ein Messer, die alle unzweifelhafte Erzeugnisse der Riegseegruppe sind (Taf.22, 9—11.13.14). Daß man sogar nördlich der Riegseegruppe w e s t l i c h e endbronzezeitliche Schwerter verwendete, z. B. in Peiting, Kr. Schongau, und in Aubing, Ldkr. München, ist ein weiteres Zeichen dafür, daß es der Riegseegruppe nur unvollkommen gelang, sich in Einflüssen, geschweige denn völkisch, außerhalb ihres engen Verbreitungsgebiets durchzusetzen. Die Ovalgriffschwerter freilich (Taf. 22, 6), die sich weit verstreut in Südbayern finden, scheinen

Die südbayerische Gruppe

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zunächst für eine weitere Verbreitung der Riegseegruppe zu sprechen. Doch halten wir es nicht für gesichert, daß diese Schwerter in Südbayern erwuchsen und können sie zum mindesten nicht als Beleg für eine örtliche Entstehung der Riegseegruppe selbst ansehen. Schwer zu beurteilen ist die Keramik der eingesessenen südbayerischen Bronzezeitbevölkerung. Denn es macht sich hier, wie auch in anderen Gruppen, die Neigung bemerkbar, Gräber nur mit Keramik auszustatten und auf Bronzebeigaben zu verzichten, eine Sitte, die man sich vielleicht aus dem Eindringen von Urnenfeldervorstellungen erklären kann. Einige glückliche Funde geben uns aber die Gewähr, daß neben der fremden, sicher nicht am Ort gewachsenen Keramik endbronzezeitlicher Art (s. unten S. 97 ff.) die heimische Entwicklung nicht abriß, ja sogar in Gestalt der bayerischen Kerbschnittkeramik einen Höhepunkt erreichte. Das Wesen des bayerischen Kerbschnitts, sein fast gänzlicher Verzicht auf die echte Kerbschnitt-Technik und seine Verwendung von Stempeln, hob schon Behrens hervor, und es zeigt sich auch bei den späten Gefäßen Württembergs und sogar des Hagenauer Waldes, daß wir es hier mit einer jungen Zierweise zu tun haben. Der bayerische Stempelkerbschnitt ist eine vornehmlich südbayerische Erscheinung, in der Oberpfalz nur ausnahmsweise bekannt, jedoch auf dem Verbindungsweg zur württembergischen Gruppe, namentlich im Ries (Taf. 3, 9.10.12), in besonders gefälliger Form erscheinend. Die Wahrscheinlichkeit, daß die württembergische Gruppe den Anstoß gab, ist aus chronologischen Gründen groß; es entwickelt sich dann der bayerische Kerbschnitt in solcher Eigenart und zahlenmäßiger Stärke, daß man fast von einer Verlagerung des Schwerpunkts dieser Zierweise nach Bayern reden kann, ein ähnlicher Vorgang, wie er sich gleichzeitig etwa am Mittelrhein abspielt. Träger der Kerbschnittverzierung sind in erster Linie Krüge mit hohem Hals und Bandhenkel (Taf. 3, 5.6). Gelegentliche trichterförmige Halsbildungen erinnern besonders an württembergische Vorläufer. Das Ornament bedeckt teppichartig die Schulter in breitem Streifen, der unterhalb des Henkels meist girlandenartig gerafft ist (Taf. 3, 7). Rhombische Einstiche, mit großer Genauigkeit nebeneinander gesetzt, sind am geläufigsten; doch kommen auch Kreisaugen vor, die bereits an hallstättische Verzierungsart gemahnen. Die Ausführung ist in der Regel ausgezeichnet; es kann kaum bezweifelt werden, daß hier nicht einzelne Töpfer nach freiem Ermessen, sondern feste Werkstätten arbeiteten. Die übrige Keramik ist meist unverziert und bringt so wenig Neues, daß die Ausscheidung rein spätbronzezeitlicher Typen, die aus der Tradition der Hügelgräberkultur erwachsen, nicht gelingt. Die Profile bleiben nicht ohne Einfluß von Seiten der endbronzezeitlichen fremden Keramik, die in den geschlossenen Funden jedoch stets gesondert liegt. Die Entwicklung der südbayerischen Gruppe läßt sich zusammenfassend etwa folgendermaßen bestimmen: östliche Anregungen und unmittelbar anschließende eigene Neubildungen wie Lochhalsnadeln bestimmen den ältesten Horizont, dessen Formen zur entwickelten Hügelgräberbronzezeit fast vollständig zu Gunsten anderer, vornehmlich norddanubisch-oberpfälzischer Er-

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2. Reine Bronzezeit

scheinungen aufgegeben werden. Sowohl die älteste Fundgruppe von der Art der Grabhügelfunde von Lochham und Eching wie auch die Funde der entwickelten Hügelgräberbronzezeit fallen in jenen Zeitraum, den Reinecke als Bronzezeitstufe B benannte. Wenige sicher als jünger erkennbare Männergräber mit schwergerippten Nadeln und Schwertern mit achtkantigem Vollgriff vertreten die späte Entwicklung der ortsansässigen Grabhügelkultur, die Stufe C Reineckes, ohne daß es möglich wäre, eine größere Schicht jüngerer Funde auf Grund einschneidender Typenveränderungen auszusondern. Altes Formengut wird zäh bewahrt und nur wenige Neubildungen wie Nadeln mit Rippengruppen oder Kugelkopfnadeln, deuten an, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Nord- und Südbayern fortbestehen. Im Verlauf dieser Spätstufe der südbayerischen Hügelgräberbronzezeit setzt sich im engen Raum zwischen Ammer- und Staffelsee und östlich des Staffelsees eine Formengruppe fest, die ehemals als Endentwicklung der südbayerischen Bronzezeit angesehen wurde (Reinecke D), heute aber als Fremdkultur von der einheimischen Hügelgräberkultur abgesondert werden muß. Junge Formen des Hügelgräberkreises und Typen der Riegsee-Fremdkultur treffen etwa in der Höhe von München zusammen. Es zeigt sich damit, daß es der Riegseekultur nicht gelang, die gesamte südbayerische Hügelgräberkultur umzuformen, sondern daß Ortsgewachsenes und Fremdes gleichzeitig besteht und sich solange auseinandersetzt, bis die entwickelte Urnenfelderkultur der frühen Hallstattzeit in Reineckes Stufe Hallstatt A diesen Gegensatz beendet. SCHRIFTTUM F. Birkner, Bronzezeitliche Gräber bei Aying, BA. München. Bayer. Vorgeschichtsbl. 10, 1931—1932, 74 ff. Ders., Ur- und Vorzeit Bayerns (München 1936) 107 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 303 ff. F. Holste, Der Bronzefund von Winkl saß, BA. Mallörsclorf. Bayer. Vorg©schich.tsbl. 13, 1936, 1 ff. Ders., Hügelgräber von Lochham, BA. München. Marburger Studien (Darmstadt 1938) 95 ff. Ders., Hügelgräber von Unterföhring, BA. München. Bayer. Vorgeschichtsbl. 15, 1938, 19 ff. J. Naue, Die Bronzezeit in Oberbayern (München 1894). P. Reinecke, Zur Chronologie der zweiten Hälfte des Bronzealters in Süd1- und Norddeutschland. Korr.-Bl. Anthr. Ethnol. Urgesch. 33, 1902, 17 ff ; 27 ff. Ders., Zwei Grabfunde der älteren Bronzezeit aus Oberbayern. Altbayer. Monatsschr. 5, 1905, 110 ff. Ders., Jüngerbronzezeitliche Grabfunde aus Nord- und1 Süddeutschland. Altert, uns. heidn. Vorz. V, 359 ff, Taf. 62. Ders., Zur chronologischen Gliederung der süddeutschen Bronzezeit. Germania 8. 1924, 43 f. Ders., Die Verteilung der Bronzeschwerter i m rechtsrheinischen Bayern. Germania 18, 1934, 94 ff. J. Wenzi, Uber die Ausgrabungen bei Asenkofen. Beitr. Anthr. u. Urgesch. Bayerns 16, 1907, 85 ff. Ders., Hügelgräberfriedhof und Straßenzug aus der älteren Bronzezeit in der Riegerau, BA. Freising. Altbayer. Monatsschr. 10, 1911, l f f .

Die oberpfälzische Gruppe Die

o b e r p f ä 1 zi s c h e

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Gruppe

Nördlich der Donau, vom Unterlauf des Regen, der Nab und der Altmühl bis zum Rand des Fränkischen Jura, liegt das Kerngebiet der oberpfälzischen Gruppe, die man gelegentlich mit der sehr verwandten süd- und westböhmischen Hügelgräberkultur unter dem Namen herzynische Gruppe zusammenfaßt. Die alte, zwar lebhafte doch unzureichende Grabungstätigkeit hat uns für Nordbayern einen nur mäßig beobachteten Fundbestand hinterlassen; dieser Sachverhalt bleibt um so bedauerlicher, als kaum irgendwo die Voraussetzungen für die Erarbeitung einer feineren Chronologie günstiger sind. Das Siedlungsbild ist dem der württembergischen Gruppe sehr ähnlich. Vom Donautal ausgehend, wo die Funde nur spärlich sind, gelangt man in das Kerngebiet der oberpfälzischen Gruppe, wenn man den Tälern der Nebenflüsse, darunter namentlich dem Tal der Schwarzen Laaber aufwärts folgt. An der Wasserscheide gegen Rednitz und Pegnitz, wie in Württemberg am Nordrand der Alb, endet die eigentliche Hügelgräberzone. Es scheint, als sei der Rand des Fränkischen Jura eine scharfe Kulturgrenze, die nicht allein durch den gewiß ungleichen Erforschungsstand oder durch die zerstörende Wirkung alter Bodenkultur vorgetäuscht wird. Der Bronzereichtum der oberpfälzischen Gruppe ist beträchtlich, bei allerdings eintöniger Typenentwicklung (Abb. 3). Verglichen mit der Vielfalt der Varianten allein bei den Lochhalsnadeln der Lochham- Echinger Formengesellschaft fällt die Erfindungslosigkeit der nordbayerischen Gruppe zur beginnenden Hügelgräberbronzezeit auf, und selbst später noch, als die reichen Frauengräber der entwickelten Hügelgräberbronzezeit angelegt werden, bleibt man bei wenigen stets wiederholten und nicht abgewandelten Formen. D e r ä l t e r e A b s c h n i t t . Ein Fund von Kallmünz, Kr. Burglengenfeld (Taf. 10, 1—4) belegt das gleichzeitige Vorkommen der alten Kurzschwertklingen mit Hutnieten, ähnlicher Dolche und der parallelseitigen Randbeile, also von Formen, die sich allerorts in Süddeutschland an den Beginn der Entwicklung stellen lassen. In Kemnathen, Kr. Parsberg, begleitet eine vereinzelt nach Nordbayern gelangte Nadel der aus Lochham bekannten Form (Taf. 9,14) einen frühen Dolch mit Hutnieten und in Degerndorf bei Parsberg fand sich ein parallelseitiges Randbeil mit einem fast noch triangulären Dolch. Der Fund von Kallmünz enthielt ferner eine große Nadel mit leicht gewölbter Kopfscheibe, durchbohrtem Hals und vierkantigem Wellenschaft, die ein kennzeichnendes Beispiel für die ältesten Nadeln Nordbayerns ist. Im südbayerischen Lochhamer Formenschatz tauchten derartige Nadeln schon gelegentlich auf (Taf. 9,17); doch sind sie nördlich der Donau so zahlreich (Karte 8), daß sie andere Lochhalsnadeltypen der Lochham-Echinger Fundgruppe völlig ersetzen und geradezu die Normalform der oberpfälzischen Gruppe in ihrem ältesten Abschnitt werden (Taf. 10,13). Die leichte Wölbung der Kopfplatte, die sich manche Stücke bewahrt haben, erinnert noch deutlich an das östliche Vorbild, das wir am Ostalpenrand und im westlichen Ungarn suchten.

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Neben den Nadeln mit waagerechtem Scheibenkopf erscheinen mehrfach Rollennadeln; es verdient hervorgehoben zu werden, daß von allen süddeutschen Gruppen nur in der Oberpfalz und in Böhmen diese Nadeln, gelegentlich mit vierkantigem oder sogar gedrehtem Schaft, regelmäßig getragen wurden. Schließlich sind vereinzelt jene altertümlichen Lochhalsnadeln mit doppelkonischem Kopf vertreten (wie Taf. 9,10), deren vierkantiger Schaft wellenförmig gebogen und punktverziert ist. Eine derartige Nadel stammt aus einem Fundkomplex von Seubersdorf-Batzhausen nahe Parsberg, der auch eines der vermutlich südbayerischen Beile mit oberständigen Randleisten enthält (Taf. 4,4). Das Vorkommen der besprochenen Nadeln in Frauengräbern gestattet einen Überblick über den weiblichen Schmuck, der diesem älteren Abschnitt angehört. Es erscheinen Armbänder mit drei Horizontalrippen auf der Außenseite (Taf. 9,18), und selbst einfache Scheibenanhänger mit konzentrischen Rippen um einen Mittelstachel fehlen nicht. Man denkt auch hier an Nachkömmlinge östlicher Vorläufer. Abweichend vom Lochhamer Formenschatz, doch mag dort einle Fundlücke vorliegen, begegnen bereits jetzt die Armbänder mit flach D-förmigem Querschnitt (Taf. 10,20), deren Ornamentik im Gegensatz zu den südbayerischen, meist dreieckverzierten Stücken die Bogenund Fischblasenmuster der massiven östlichen Vorlage übernimmt. Rundstabige einfache Armringe sind alltäglicher Besitz, verziert mit regelmäßig verteilten Strichgruppen, die gelegentlich Fischgrätenzonen einschließen (Abb. 3,12). Bei aller Ähnlichkeit mit den entsprechenden württembergischen Armringen (Abb. 4,11) ist doch die Ornamentgliederung eine andere und somit die Zuweisung selbst einzeln gefundener Stücke möglich. Endlich ist noch das Vorkommen breiter Blechspiralen erwähnenswert, die sicher mitteldonauländischungarischer Import sind; in einem Funde „aus der Gegend von Laaber" erscheint bezeichnenderweise in ihrer Begleitung das Bruchstück eines ungarischen Herzanhängers mit frei eingerollten Armen und eine der Lochhalsnadeln mit doppelkonischem Kopf und gepunktetem Wellenschaft (wie Taf. 9,10). Leider erlaubt es die geringe Zahl gut beobachteter Funde nicht, den Kreis der ältesten Formen zu erweitern, und namentlich gelingt es nicht, diesem Abschnitt eine eigene keramische Gruppe zuzuweisen. Die Ähnlichkeit mit dem Lochham-Echinger Formenschatz ist im Ganzen so augenscheinlich, wie mancher Unterschied im Einzelnen: Fehlen mehrerer Lochhalsnadeltypen, Vorherrschen der Nadel mit Scheibenkopf, abweichende Verzierung der Armbänder. In beiden Gruppen werden starke östliche Anregungen verarbeitet und man wird die Sachlage wohl richtig beurteilen, wenn man schließt, daß nur das Verhalten Nordbayerns zu den gleichen Einflüssen ein anderes war als das des Süddonaulandes. D i e e n t w i c k e l t e H ü g e l g r ä b e r b r o n z e z e i t . Die Formen der entwickelten Hügelgräberzeit bilden, soweit die sicher beobachteten Funde urteilen lassen, eine eng geschlossene Typengesellschaft, die formkundlich nur recht lockere Verbindung mit dem ältesten Abschnitt hält. Manche Dinge treten erstmalig und ohne eigentliche Vorläufer auf, ein Vorgang, den wir

Die oberpfälzische Gruppe

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Abb. 3. Leitformen der oberpfälzisehen Gruppe. 1—15. ältere, 16—22. jüngere Stufe.

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2. Reine Bronzezeit

einstweilen nur feststellen und weniger erklären können. Doch scheint es, daß Armbänder mit D-förmigem und dreieckigem Querschnitt und Bogenmustern sowie verzierte rundstabige Armringe unverändert fortbestehen und damit eine Brücke zwischen alten und neuen Funden bilden. Die Ausstattung der Männergräber ist wiederum eintönig und größtenteils unergiebig. Vollgriffschwerter fehlen und auch einfache Schwertklingen begegnen nur selten, zwei- oder viernietig mit schmaler, die Klingenbreite nicht überschreitender Kopfplatte. Dolche dagegen erscheinen häufiger und haben ebenfalls eine kleine Griffplatte mit zwei Pflocknieten (Taf. 10, 24). Das Randbeil mit geschwungenen Seiten (Taf. 10, 8) tritt zurück hinter dem „böhmischen" Absatzbeil (Taf. 10, 25), dessen Ahnenreihe auf das Langquaider Beil zurückzuführen scheint, ein seltener Fall von Anknüpfung an eine frühbronzezeitliche Form. Die oberpfälzische Gruppe bedient sich dieses Typs so weitgehend, daß für mittelständige Lappenbeile kaum Raum bleibt. Bronzeschmuck tritt in der Ausstattung des Mannes zurück, und nur die häufigen Pinzetten mit breiten Backen (Taf. 10,14) lassen erkennen, welchen Wert er auf sein Äußeres legte. Im Kampfe spielen Pfeil und Bogen eine große Rolle; kein Gebiet ist so reich an Bronzepfeilspitzen, wie die oberpfälzische Gruppe mit ihrer eigenen, von den Dornpfeilspitzen des süddeutschen Westens unterschiedenen Form der Tüllenpfeilspitze (Taf. 10,15). Die Nadeln leiten zu den Frauengräbern über, denn es gab nicht, wie nördlich des Mains, getrennte Formenreihen der Männer- und Frauennadeln. Geläufig sind Nadeln mit Nagelkopf und geschwollenem undurchbohrtem strichverziertem Hals, deren Entsprechungen man auch in Südbayern trifft (Taf. 10, 9). Man trägt in Nordbayern zudem einfache, nicht geschwollene Nadeln mit kleinem Scheibenkopf, deren Halsverzierung aus horizontalen Strichgruppen, gesäumt von kleinen Fransenstricheln, wohl erkennen läßt, daß die Vorlage geschwollenen Hals besaß (Taf. 10, 6). Diese Nadeln wachsen zu mächtiger Länge an und stellenweise beginnt man sogar, das verzierte Halsstück gerippt zu gestalten (Taf. 10, 5), ohne daß sich diese Neuerung völlig durchsetzte. Rollennadeln bleiben in Gebrauch und auch sie tragen gelegentlich ganz unvermittelt eine Halsverzierung. Die alten Nadeln mit vierkantigem Wellenschaft sind ausgestorben. Im ganzen erscheint die Nadelentwicklung Nordbayerns eintönig im Vergleich zu anderen Gruppen, und selten nur mischen sich fremde Einfuhrstücke hinein, z.B. Radnadeln, die vom Mittelrhein stammen und vielleicht, wie schlecht gegossene Stücke vermuten lassen, unbeholfen am Ort nachgeahmt wurden. Lebendiger ist die Entwicklung des übrigen Bronzeschmucks der Frau. An die alten Zierscheiben mit konzentrischen Rippen um einen Mitteldorn schließen sich keine Weiterbildungen wie in Württemberg an. Dagegen erwächst aus dem östlich-ungarischen Vorbild der oberpfälzische Herzanhänger, dessen eingerollte Flügel mit e i n e r senkrechten Strebe, die wieder zum Ausgangspunkt der flachen umgerollten Zunge zurückführt (Taf. 10,22.23), zusammenwachsen. Mit gleicher Aufhängevorrichtung sind lockenartige Anhänger versehen, deren Zunge sich verschmälert und schließlich in eine Drahtspirale

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endet. Beide Anhängerformen trug man an Ketten abwechselnd mit Spiralröllchen, doch nur selten mit Bernsteinperlen. Das Fortleben der bogenverzierten Armbänder mit D-förmigem Querschnitt und der einfachen rundstabigen Armringe wurde bereits vermutet; es treten nunmehr neue Formen hinzu, die alles ältere in den Hintergrund drängen. An die dreirippigen Vorformen (wie Taf. 9,18) knüpfen Armbänder mit Stollenenden und fünf, selten mehr Rippen auf der Schauseite an (Taf. 10,17), die sich von entsprechenden württembergischen Stücken nicht unterscheiden lassen (vgl. Taf. 16,11). Gleichwohl müssen wir uns hüten, daraus allzu sehr auf enge Beziehungen zum Westen zu schließen, da sicherlich nur die Ausgangsform, das Lochhamer dreirippige Armband, die gleiche war. Ähnlich ist es bei den tordierten Armringen, die nunmehr in der nordbayerischen Gruppe nicht selten erscheinen, doch gegenüber der württembergischen Schwersterform (Taf. 17, 9) durch engere Torsion auffallen. In der Oberpfalz, wo Armspiralen ungewöhnlich sind, spielt der Armschmuck in Ringform eine bedeutende Rolle. Neu erstand hier das breite Armband mit gespaltenen, in je zwei Spiralen eingerollten Enden, das eine Charakterform der nordbayerisch-böhmischen Bronzezeit ist (Taf. 10,18.19; Karte 10). Der Körper ist zart gerippt oder mit Strichmustern verziert; zu einer übermäßigen Verbreiterung, wie sie die Knöchelbänder der Westzone zeigen, kommt es nicht. Beinschmuck in der in allen westlichen Gruppen beliebten Fußbergenform findet sich in Nordbayern nicht. Dagegen übernehmen die Fingerringe die Formeigentümlichkeiten dieser Fußbergen (Taf. 10,16) und erscheinen so zahlreich, offenbar auch an den Zehen getragen, daß sie sich mit den zuletzt erwähnten Armbändern und den Tüllenpfeilspitzen als beste Vertreter der nordbayerischen Gruppe herausstellen lassen (Karte 9). Die Sonderart der oberpfälzischen Gruppe, oder, wie wir bei der erwähnten starken Angleichung Südbayerns und Böhmens sagen dürfen, der Ostzone äußert sich in einer Schmucksitte, die keine der westlichen Gruppen nennenswert übt, nämlich im Besatz des Gewandes durch Bronzeblechhütchen. Die großen Blechbuckel, deren Rand krempenartig durch eine Punktreihe abgesetzt ist, sind allerdings vornehmlich eine Besonderheit der böhmischen Bronzezeit und nur selten nach Nordbayern gelangt. Kleine Bronzehütchen dagegen, die am Rande gegenständige Löcher zum Aufnähen besitzen, sind so allgemein, daß sie kaum in einem reicheren Frauengrab fehlen. Eine hohe spitzkonische Sonderform findet sich fast nur in den Gräbern der Umgebung von Coburg, die nach ihren sonstigen Formen noch zur osthessischen Gruppe gehören. Schon G. Behrens wies darauf hin, daß sich zur Abgrenzving der reinbronzezeitlichen Kulturgruppen die Keramik am besten eigne, und es muß erneut betont werden, daß wohl niemals der Gedanke an eine Einheitlichkeit der süd- und westdeutschen Grabhügelkultur so stark empfunden worden wäre, wenn in erster Linie, wie im Neolithikum, dieser Teil der dinglichen Kultur vorgelegen hätte. So ist auch die nordbayerische Keramik, verglichen mit der Tonware anderer Gruppen, etwas durchaus Selbständiges, und nur in Böhmen und Südbayern findet sich Vergleichsstoff.

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Zwei Hauptformen wiederholen sich: Eine kleine Amphore mit weitem zylindrischen Hals (Taf. 11, 2.4. 5.11) und ein Krug, dessen niedriger bauchiger Körper von einem hohen leicht auswärts schwingenden Hals überragt wird (Taf. 11,10). Nie haben diese Krüge den straffen trichterförmigen Hals der württembergischen Krüge, und stets übertrifft der Halsteil den Körper an Höhe. Nicht gerade selten sind weite schalenförmige Gefäße mit kurzem aufrechtstehendem Rand, die einen Henkel unterhalb des Halsansatzes besitzen (Taf. 11,12). Gelegentlich tritt ein zweiter gegenständiger Henkel hinzu, und beide Henkel rücken so weit hinauf, daß sie am Rand ansetzen und den kurzen Hals überspannen (Taf. 11, 7). Gleiche Halsbildung besitzen schwach gewölbte eimerartige Töpfe, auch diese gelegentlich mit zwei gegenständigen Henkeln (Taf. 11,9). Hohe Fußbildungen, die in Böhmen sehr beliebt sind, begegnen selten (Taf. 11, 8), meist an unverzierten Gefäßen in spätem Zusammenhang. Bereits in Südbayern trafen wir flache, oft gehenkelte Schälchen mit abgesetztem ausladendem oder gekehltem Rand (wie Taf. 11,14). Gehenkelte konische Tassen heben sich noch schwach als charakteristische Typen heraus. Täßchen mit niederem Bauchknick (Taf. 11,13), die so deutlich die südbayerisch-württembergischen Beziehungen beleuchten, fehlen beinahe ganz. Ein Blick auf unsere Abbildungen zeigt die eigentümliche Verzierung der oberpfälzischen Keramik. Leiterartig gefüllte Banddreiecke sind ineinandergeschachtelt; im Inneren steht oder hängt meist ein strichgefülltes Dreieck. Die Verzierung ist sehr sorgfältig in den leichten Überfang, der das mäßig gebrannte Gefäß bedeckt, eingetieft. Krüge tragen oft nur ein Band kommaartiger Striche am Halsansatz (Taf. 11,10), oder zweigartige Muster hängen über den Bauch herab (Taf. 11,4), der an seiner weitesten Ausladung oder am Halsansatz gelegentlich knopfartige Buckel trägt. Eine vereinzelt dastehende Verzierung mit turbanartig um den Bauch gelegten plastischen Rippen besitzt die kleine Amphore von Eggmühl, Kr. Mallersdorf (Taf. 11, 11), damit an hallstättische Rippenkeramik entfernterer Gebiete erinnernd. D e r s p ä t e A b s c h n i t t . Der Endabschnitt der nordbayerischen Bronzezeit stellt Probleme, die einstweilen noch nicht befriedigend zu lösen sind. Absichtlich verwenden wir jetzt nicht mehr den Namen oberpfälzische Gruppe, obwohl die Belegung des oben gekennzeichneten Kerngebiets keineswegs aufhört. Der räumliche Kreis erweitert sich jetzt jedoch beträchtlich, weniger infolge einer Ausdehnung des oberpfälzischen Volkstums, als wegen des Zustroms fremder Volksteile, deren Erscheinen sich in neuen, aus dem alten Typenschatz nicht herzuleitenden Formen äußert. Gleichwohl vermeiden wir es, von einer nordbayerischen Fremdkultur zu reden. Stellenweise bestände sicher das Recht dazu; doch stehen wir nicht wie im Riegseegebiet vor einem Abbruch der Tradition und einem vollständigen Formenwechsel. Denn neben den fremdartigen Typen dauern Eigenentwicklungen der Grabhügelkultur an, und beide Elemente, fremde und ortsgewachsene, verbinden sich so sehr, daß eine reinliche Scheidung nur teilweise gelingt. Wir versuchen, sie vorzunehmen. Manches Wichtige muß dabei übergangen werden, und nur die Hauptlinien können hier auf engem Raum verfolgt werden.

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Während unter den Frauengräbern späte Bestattungen dank ihres reichen Inhalts unschwer abzusondern sind, stehen wir bei den Mäiinergräbern vor der gleichen Erscheinung, die allenthalben in den ursprünglichen Zentren der Hügelgräberkultur zu bemerken ist. Späte Männergräber lassen sich nur unter günstigen Bedingungen ausscheiden, und es fehlt weitgehend an einer erkennbaren typologischen Entwicklung der einfachen zweckbedingten Ausrüstungsgegenstände. Schwerter sind Fremdlinge in Nordbayern; es ist somit nicht möglich, an die Schwerter mit achtkantigem Vollgriff oder an die Ovalgriffschwerter einen bestimmten Formenschatz anzugliedern. Schatzfunde der frühen Hallstattzeit lehren jedoch, daß man das Streitbeil beibehielt, und zwar in der Form des tiefgeschlitzten böhmischen Absatzbeils, das auch weiterhin als Normaltyp der nordbayerischen Bronzezeit gelten kann. Schwergerippte Nadeln der württembergischen spätbronzezeitlichen Art (Taf. 17,1.2) sind selten; eines der wenigen vorhandenen Stücke begleitet das berühmte, möglicherweise aus der Ägäis eingeführte Schwert von Hammer (Taf. 12,9.10), das wir nicht als Typ einer Mittelstufe der Hügelgräberbronzezeit (Reineckes C) ansehen, sondern allgemein als jüngerbronzezeitliches Stück, das sehr wohl in den Boden gelangt sein kann, als sich bereits reichlich fremdes Gut von Osten her unter die heimischen Formen mischte. In Funden mit böhmischen Absatzbeilen finden sich Nadeln mit geripptem Halsteil, die den Scheibenkopf der oberpfälzischen Nadeln bewahren und auch die Halsschwellung vermissen lassen. Die Dolche besitzen verkleinerte Griffplatten mit zwei Nieten und gelegentlich ausgesprochene Mittelrippen, die auch hier ein Zeichen später Entwicklung sein dürften. Mit derartigen Dolchen erscheint mehrfach die Nadel vom Deinsdorfer Typ (Taf. 10,10), die offenbar ein Fremdling aus östlich-lausitzischem Gebiet ist und sich in anderen Funden wieder mit Formen verbindet, die wir unten zu den Fremderscheinungen der Männergräber rechnen. Armringe mit kantigem Querschnitt und verzierter Schauseite sind, wie in anderen Gruppen, spätbronzezeitlicher Zeitstellung. Die Nadeln mit senkrecht stehendem aufgeschobenem Scheibenkopf endlich (Taf. 13, 2) sehen ganz wie Erzeugnisse der heimischen Formtradition aus, und sicher liegt eine solche vor bei den Dolchen mit dreieckiger Kopfplatte, drei Nieten und einer oder mehr Rippen auf dem Blatt, von denen ein Stück auch nach Südbayern gelangte (Taf. 10, 7). Zu den sichersten Leitformen der Spätzeit rechnen wir die Messer, eine nach übereinstimmender Aussage aller Gruppen der Grabhügelkultur „unbronzezeitliche" Gerätform. Soweit die Riegseemesser mit kurzer Griffzunge in Betracht kommen (Taf. 22,13), kann es keinen Zweifel darüber geben, daß sie unmittelbar auf Import zurückgehen. Die nordbayerische Bronzezeit kennt jedoch auch Messer mit Voll- und Rahmengriff; sie ist damit die einzige der süddeutschen Kulturgruppen, die den Gedanken des Messers aufnimmt und fortführt (Abb. 3, 18.20). Die oberpfälzische Gruppe oder die böhmischen Nachbargruppen als Erfinder des Messers anzusehen, können wir uns nicht entschließen, wiewohl es Funde mit reinbronzezeitlichen Typen gibt, in denen derartige Messer vorliegen. Vielmehr spricht alles für den umgekehrten Weg: Die nordbayerisch-

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böhmischen Vollgriffmesser sind Ableitungen von einer fremden endbronzezeitlichen Vorlage und damit sichere Zeitmesser für den späten Abschnitt, in dem naturgemäß manche älteren Typen noch nicht ausgestorben sind. Rippen in Längsanordnung oder in Kreuzform (Taf. 12, 22), gelegentlich auch in der Art von Randleisten bedecken den Vollgriff der Messer, der nicht selten in einen Ring endet, wie die westlichen endbronzezeitlichen Messer am Oberrhein. Regelmäßig findet sich der Endring an Messern mit Rahmengriff (Taf. 13, 9), einer Grifform, die wohl von Rasiermessern übernommen ist und auch an Dolchen begegnet. Diese Rasiermesser selbst sind unzweifelhaft Fremdkörper im nordbayerischen Material, wie es etwa auch ein vereinzelter Peschieradolch ist. Ihr Vorkommen in dem Flachgräberfeld von Henfenfeld führt uns mitten in die Fülle fremder Formen hinein, die einen sehr wesentlichen Teil der nordbayerischen Spätbronzezeit bestreiten, ja, die Funde von Henfenfeld sind gewissermaßen der Inbegriff dieses neuen Typenschatzes. Niemals wären aus der örtlichen oberpfälzischen Bronzezeitentwicklung Nadeltypen entstanden, wie wir sie, ohne auf Einzelheiten einzugehen, unter dem Begriff Kugelkopfnadeln zusammenfassen (Taf. 12, 2—8.11.12). Hier handelt es sich um Erscheinungen, die am Mittelrhein zur gleichen Zeit unvermittelt auftreten, und deren Formgebung in der Urnenfelderzeit in gerader Linie fortgesetzt wird. Nadeln dieser Art finden sich in den späten Bestattungen des oberpfälzischen K e r n g e b i e t s , sie erscheinen im nach wie vor abhängigen Südbayern und bilden offenbar das Gegengewicht gegen die schweren Riegsee-Kugelkopfnadeln oder die glatten Vasenkopfnadeln (Taf. 22,12. 7), welche, wie oben erwähnt, die Höhe von München nicht überschreiten. Es steht fest, daß in diesen Kugelkopfnadeln verschiedenster Form nicht Erzeugnisse des Riegseegebiets zu sehen sind, sondern Erscheinungen, die unmittelbar von Osten, also von Böhmen aus, nach Nordbayern gelangten, und zwar, wie das Henfenfelder Beispiel vermuten läßt, von einem völkischen Zustrom begleitet wurden. Man muß jedoch daran denken, daß in Henfenfeld und den verwandten Funden nicht die Spätbronzezeit Nordbayerns schlechthin vorliegt, sondern nur eine Komponente, und daß es wohl zu einer Aufnahme dieser fremden Elemente im alten oberpfälzischen Kerngebiet kommt, nicht aber zu deren alleiniger Herrschaft. Wir haben es daher vermieden, von einer Fremdkultur zu sprechen und es bedarf des Hinweises auf jene Dinge, die in der Frauenausstattung die alte Tradition fortsetzen. Als Beispiel möge einer von zwei fast gleich zusammengesetzten Funden von Dietldorf, Kr. Burglengenfeld, dienen. Die dort erscheinenden Nadeln, wir sprechen vom Dietldorfer Typ, sind sicherlich aus reinbronzezeitlichem Formensinn hervorgegangen (Taf. 12,18.19). Sie bewahren den Scheibenkopf, und die ehemalige Verzierung des Schaftes hat sich in Rippengruppen und Knoten aufgelöst. Nadeln dieser Art begegnen mehrfach in der Oberpfalz, und wir hatten erwähnt, daß sie nach Südbayern übergreifen und in einem Kranz von Fluiden bis an die Grenze des Riegseegebiets reichen. Wie sehr sie im Formgefühl der Grabhügelkultur wurzeln, zeigt sich darin, daß die württembergische Bronzezeit von sich aus zu einer ganz ähnlichen Form kommt (Taf. 17,16, abgebrochen).

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Nicht minder aufschlußreich sind die Brillenspiralen (Taf. 12,16) von Dierdorf, deren vollendete Gegenstücke sich in dem zweiten Fund vom gleichen Fundort finden. In lockerer Streuung sind diese Anhänger bis zum Mittelrhein nachweisbar und sind hier, nach Vorformen und Verzierung, Bestandteile des bronzezeitlichen selbständig gewachsenen Formenschatzes. Auf dem gleichen Wege vom Mittelrhein gelangen Armspiralen mit gekerbten oder verzierten Außenwindungen bis in das Zentrum der oberpfälzischen Bronzezeitgruppe, und vom Mainmündungsgebiet her ist schließlich auch das breite Knöchelband von Merkendorf, Kr. Günzenhausen") zu erklären. Unsicher ist die Entstehung der Halsringe, die in Dietldorf (wie Taf. 12,13) und ähnlichen Funden, auch in Henfenfeld, begegnen. Hier sind östliche böhmische Vorbilder möglich und ein ähnlicher Sachverhalt mag bei den zartgerippten Armringen (Taf. 12, 23) vorliegen, die wie gemäßigtere Umsetzungen der schwergerippten Formen des Riegseegebiets und der MeLs-Rixheimgruppe wirken. Das andere Armringpaar von Dietldorf (Taf. 12, 21) und das Vollgriffmesser des zweiten Fundes (Taf. 12, 20) tragen die Bogenstellungen, die wir von Armringen der Riegseegruppe und der früheren Tiroler Urnengräber kennen. Der Dietldorfer Fund ist ein Beispiel für eine Fundgruppe, zu der auch ein Grab von Eschenbach, Kr. Hersbruck, zu rechnen ist, dessen Nadel (wie Taf. 12, 8) die nordbayerische Umsetzung einer Lausitzer Form darstellt, die wir a l s E s c h e n b a c h e r T y p bezeichnen. Mit Hilfe dieser Nadelform lassen sich manche anderen Funde anschließen, die Typen von besonderer Eigenart enthalten. Wir erwähnen Schmuckscheiben mit Rückenöse und kantig abgesetzter Krempe, Armringe mit schrägem Leitermuster und Schleifenringe (Taf. 12,17), die wie die Vorläufer der dreiteiligen Armbänder der Urnenfelderkultur wirken. Die Keramik dieses Abschnitts ist so gut wie unbekannt. Die wenigen Proben von Henfenfeld zeigen zum Teil Anknüpfung an mittelbronzezeitliches Formengut, zum Teil reine östlich-böhmische Urnenfelderformen, die nach der Lage im Grabfeld keine immittelbare Beziehung zu den bronzereichen Gräbern besitzen. Flache Fußschalen der Form Taf. 11,8 sind gelegentlich in späten Funden angetroffen, doch stets unverziert. Vergeblich sucht man Keramik der Dixenhausener Art (s. unten S. 97), deren Verbreitungsgebiet nicht bis in die Höhe von Henfenfeld reichte. Der Reichtum an Tongeschirr, den die Gräber mit Dixenhausener Ware führen, wäre auch im Bereich unserer spätbronzezeitlichen Gräber, namentlich in Henfenfeld nicht übersehen worden, so daß wir nur feststellen können, daß es sich um zwei verschiedene Kreise handelt, selbst dann, wenn sich, wie in Dixenhausen selbst, Bronzen nordbayerischer Art gelegentlich mit der erwähnten Keramik zusammenfinden. Es wurde versucht, das Bild der verwickelten Spätbronzezeit Nordbayerns in Umrissen zu zeichnen. Wir sind überzeugt, daß mit folgender Kennzeichnung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist: Eine ungebrochene Grabhügeltradi«) Prähist. Blätter 11, 1899, Taf. IV.

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tion der Oberpfalz setzt sich mit fremdem Formengut auseinander, erweist sich jedoch als kräftig genug, in Neubildung und Umformimg ihre Eigenart zu bewahren. Südbayern wird in der alten Abhängigkeit gehalten. Beziehungen zu anderen Gruppen sind spürbar, namentlich solche zur mittelrheinischen Grabhügelkultur. Völkisch kann von einem Ende der Grabhügelkultur nicht die Rede sein, wohl aber von einem Umschmelzungsprozeß unter Zustrom kaum allzu zahlreichen fremden Volkstums. SCHRIFTTUM J.Böhm, Spätbronzezeitliche Scheibenkopfnadeln aus Böhmen. Germania 20, 1936, 9 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 299 ff. H. Eidam, Ausgrabungen und Funde bei Günzenhausen. Festschrift zum 25jähr. Jubiläum des „Vereines von Altertumisfreunden Günzenhausen" (Nürnberg 1904). G. Hager und J. A. Mayer, Die vorgeschichtlichen, römischen und merovingisehen Alterthuemer des Bayerischen Nationalmuseums. Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums 4 (München 1892). K. Hörmann, Bronzezeit-Gräber in Mittelfranken. Abh. Naturhist. Ges. Nürnberg 21, 1917—1929, 251 ff. P. Reinecke, Jüngerbronzezeitliche Grabfunde aus Nord- und1 Süddeutschland. Altert. uns. heidn. Vorz. V, 359 ff., Taf. 62. Ders., Spätbronzezeitliche Scheibenkopfnadeln aus der Oberpfalz. Germania 19, 1935, 206 ff. H. Scheidemandel, Über Hügelgräberfunde bei Parsberg. I (Parsberg 1886). II (Nürnberg 1902). G. Steinmetz, Prähistorische Forschung in der Umgebung von Laaber. Verh. Hist. Ver. Oberpf. 55, 1903, 193 ff. L. Wunder und S. v. Forster, Vorgeschichtliche Denkmäler in der Umgebung von Nürnberg. Festschrift zur Saecular-Feier der Naturhist. Ges. Nürnberg (Nürnberg 1901) 195 ff. L. Wunder, Vorgeschichtliche Denkmäler in der Umgebung von Nürnberg, II. Abh. Naturhist. Ges. Nürnberg 15, 1902, 35 ff. H. Zeiss, Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung der Gegend von Regensburg. Verh. Hist. Ver. Oberpf. 77, 1927, 3 ff.

Die

böhmischen

Gruppen

Der räumlichen Nachbarschaft entsprechend entwickeln sich die innerhalb der böhmischen Randgebirge lebenden Hügelgräbergruppen in ganz ähnlichen Bahnen wie der oberpfälzische Kreis. Die sehr weitgehende Übereinstimmung im Typenbesitz hat Anlaß dazu gegeben, daß man unter dem Begriff herzynische Gruppe sowohl die nordbayerische wie die böhmische Hügelgräberkultur verstand und damit überhaupt auf eine Trennung der beiden Kreise, die immerhin durch einen breiten waldigen Gebirgsstreifen geschieden sind, verzichtete. Gewisse Unterschiede lassen sich jedoch sofort bemerken, wenn man nicht nur nach den Bronzen, sondern auch nach der Keramik urteilt. Bemerkenswert bleibt gleichwohl, daß über die Gebirgsscheide hinweg ein fast engerer Zusammenhang von nordbayerischer und böhmischer Kultur besteht, als er zwischen der oberpfälzischen und der südbayerischen Gruppe beiderseits der Donau faßbar ist.

Die böhmischen Gruppen

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Zwei Hauptflüsse oder, richtiger gesagt, deren Oberläufe und Nebenadern haben die mittelbronzezeitliche Besiedelung an sich gezogen: Die Beraun und die Moldau. Man hat wiederum den Eindruck, daß nicht gute Ackerböden und fruchtbare Flußtäler die Siedler lockten, sondern Gebiete, die heute meist verwaldet sind und auch in der Vorzeit dem Viehzüchter bessere Lebensmöglichkeiten boten als dem Ackerbauer. Nur in einem schmalen Streifen Mittelböhmens überdeckt der Siedelungsraum der Hügelgräberkultur jenen der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Gruppe. Die Annahme jedoch, es sei die erstere aus der letzteren erwachsen, ist in neuerer Zeit völlig und mit Recht aufgegeben; wie im übrigen Süddeutschland stehen beide schroff nebeneinander und sind weder im Grabbau noch im Formenbestand miteinander zu verknüpfen. Die süd- und westböhmische Hügelgräberkultur tritt mit der gleichen Plötzlichkeit in Erscheinung wie jede andere Gruppe des süddeutschen Raumes. Vom engeren böhmischen Standpunkt aus lag daher die bis in neueste Zeit vertretene Annahme einer Zuwanderung größerer Volksteile aus dem bayerischen Gebiet nahe, eine Annahme, die freilich nicht berechtigter ist als die entgegengesetzte Anschauung. Wenn unsere Vorstellung zu Recht besteht, daß der Besiedlungsgang der Hügelgräberkultur überall der gleiche war und daß durch ein Aufwärtsverfolgen der kleineren Flußläufe und Haltmachen an den Wasserscheiden die eigenartige Lage der Hügelgräbergruppen zu erklären sei, wird auch in Böhmen eine Bewegung von Nord nach Süd, d. h. von der Elbe als Ausgangsstellung den beiden größten Nebenflußsystemen folgend, wahrscheinlich. Nichts berechtigt uns jedenfalls, den böhmischen Gruppen andere Bedingungen zuzuerkennen als irgendeinem der westlich benachbarten Hügelgräberkreise. Da weder auf der Schwäbischen A l b noch im Hagenauer Wald, weder am Vogelsberg noch um Pilsen eine frühbronzezeitliche Vorläuferschicht faßbar ist, die Exportwege der älteren Bronzezeit vielmehr den großen Flußtälern folgen und einzelne auf Ackerbauböden siedelnde Gruppen miteinander verbinden, neigen wir zu der Ansicht, daß unscheinbare, in endsteinzeitlichem Gewände lebende Hügelbauer die Kerngebiete der Hügelgräberkultur schon während der Frühbronzezeit besetzt hielten. Der Strom alter anregender Typen, der im mittleren Donaugebiet entspringt, trifft entwicklungsfähige, in der Frühbronzezeit vernachlässigte Gruppen und gibt ihnen die Möglichkeit zum A u f schwung und damit zum Eintritt in ein vollmetallzeitliches Stadium. Die Entwicklung der beiden böhmischen Gruppen an der oberen Moldau und Beraun, wir sprechen in folgendem kurz voii der Budweiser und Pilsener Gruppe, verläuft weitgehend in den gleichen Bahnen, so daß es sich rechtfertigen läßt, beide Gruppen in unserer Besprechung zusammenzufassen. Eine Besonderheit allerdings hat die Budweiser Gruppe dem Pilsener Zentrum voraus: Es erscheinen hier wenige Gräber, wie J. Böhm versichert Hügelgräber, die frühbronzezeitliche Beigaben von der Art der Straubinger Kultur führen. Man hat sie als Zeugen eines ersten Eindringens der Hügelgräberkultur gedeutet; glaubhafter erscheint es uns, daß die Hügelgräberbevölkerung der H o l s t e , Bronzezeit

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Budweiser Gruppe, die wie keine andere am Verbindungswege zweier kräftiger Frühbronzezeitkulturen, der Straubinger und der Aunjetitzer Kultur, lag, schwachen Anteil an der lebhaften Entwicklung der näher benachbarten Gruppe nahm, der sich, abgesehen von den Gräbern, auch in einigen Schatzfunden äußert. Im weiteren Verlauf der Mittelbronzezeit ist jedenfalls nichts von einem Nachwirken frühbronzezeitlicher Tradition zu spüren. Die Entwicklung nimmt den gleichen Verlauf und lebt zunächst von den gleichen mitteldonauländischen Anregungen, wie irgendeine andere Gruppe unserer Ostzone. D e r ä l t e r e A b s c h n i t t . Der alte in Männer- und Frauengräbern der Oberpfalz angetroffene Typenschatz findet sich überall im böhmischen Hügelgräberkreis, sowohl um Budweis wie nahe Pilsen und selbst in Mittelböhmen. Die Zahl der hierhergehörigen Funde ist allerdings nicht sehr groß, so weit das bisher veröffentlichte und in größeren Museen liegende Fundmaterial Aufschluß gibt. Nadeln der Pasinger Form (vgl. Taf. 9, 6), die bei Launken (Lounky) und Rataje nahe Pilsen gefunden sind, breitbandige ungarische Spiralen (Groß-Horeschowitz, Branik b. Prag, Taf. 13,13) und ein fast noch frühbronzezeitlicher Langdolch von Horomyslice sind sprechende Typen aus dem Anfangsabschnitt der böhmischen Hügelgräberkultur, deren Beifunde uns leider nur wenig sagen. Aufschlußreicher sind einige geschlossene Grabfunde, darunter ein Männergrab mit Hutnietendolch und fast geradseitigem Beil von Svarec in der Pilsener Gruppe, ein reiches Frauengrab: Nadel mit Vierkantschaft, zwei schwere ungarische bogenverzierte Armringe, Fingerring mit Endspiralen und fünfrippiges Armband von Krtenov bei Moldauthein und ein Frauengrab von Prag-Bubenec, das zwei der typischen Nadeln mit vierkantigem gepunktetem Wellenschaft und doppelkonischem Kopf enthielt. Häufiger trifft man um Budweis und Pilsen die bekannten Nadeln mit vierkantigem, oft gedrehtem Schaft, die den ungarischen Vorbildern insofern nahestehen, als ihnen die in der Oberpfalz gebräuchliche Durchbohrung des geschwollenen Schaftes fehlt (vgl. Karte 8). Einzelne dieser Stücke wie jene von Hemery in der Budweiser Gruppe und von Chodoun zwischen Pilsen und Prag (Taf. 13, 8) haben zudem die sichelförmige Schaftkrümmung der Vorlage bewahrt. Flache bogenverzierte Armbänder, die Nachfahren der ungarischen schweren Armringe, erscheinen als Begleiter dieser Nadeln und folgen ganz der oberpfälzischen Formgebung und Verzierung, während das langgezogene Dreiecksmuster der südbayerischen Armbänder nur je einmal bei Pilsen und Budweis begegnet. Auch in Böhmen trifft man die rundstabigen, mit Strichgruppen verzierten Armringe, die wohl ebenso wie die bogenverzierten Armbänder noch den folgenden Abschnitt erleben. Im ganzen ist aus dem zahlenmäßig gewiß bescheidenen älterhügelgräberzeitlichen Formenbestand siedlungsgeschichtlich nur zu entnehmen, daß die Entwicklung in allen Untergruppen des böhmischen Raumes gleichzeitig beginnt und nur die Budweiser Gruppe eine spärliche frühbronzezeitliche, wie uns schien durch die günstige Verkehrslage bedingte, Belegung zeigt. Jenes schrittweise Vordringen nach West- und Mittelböhmen, das J. Böhm in den Funden zu sehen glaubte, läßt sich in Böhmen so wenig erweisen, wie etwa

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für Nordbayern; beiderseits des Böhmerwaldes dürfte es sich um die gleiche unscheinbare hügelbauende Endsteinzeitkultur handeln, die erst zu Beginn der Mittelbronzezeit metallzeitliches Gewand anlegt. Die e n t w i c k e l t e H ü g e l g r ä b e r b r o n z e z e i t . Schwerter mit zwei- oder viernietiger Griffplatte, deren Breite die Klingenbreite nicht überschreitet, weiterhin formentsprechende Dolche mit zwei Nieten (Taf. 14, 8) sind auch in Böhmen die kennzeichnenden Männerbeigaben der entwickelten Hügelgräberbronzezeit. Unter den Beilen herrscht, wie jenseits des Böhmerwaldes, das böhmische Absatzbeil mit herzförmiger Rast (Taf. 14, 6), während mittelständige Lappenbeile zu den Ausnahmen gehören. Eine Sonderform der Randbeile mit fast geradseitigem, gegen die Schneide zu wenig verbreitertem Körper zeichnet sich durch hohe Randleisten aus, die am Oberteil der Bahn verschwinden. Diese ausgesprochen böhmische Form ersetzt die süddeutschen geschwungenen Randbeile und dringt, wie mancher andere böhmische Typ, in die kleine Gruppe von Hügelgräbern im Ennsgebiet, Oberösterreich, ein (s. oben S. 29), die weder der danubisch-sudetischen Gruppe zugeteilt, noch vorbehaltlos zum südbayerischen Kreis gerechnet werden kann. Das Vorkommen ungarischer Streitäxte mit Nackenscheibe in Funden von Kronstorf und Winklarn im Ennsgebiet und in Böhmen (m. W. 5 Grabfunde wie Taf. 13,4) ist ein weiteres Zeugnis für diesen Zusammenhang, zumal im westlich angrenzenden Bayern nur je eine einzelne Streitaxt von Stoffersberg bei Landsberg in Oberbayern und von Regensburg verrät, daß hier der Streuungskreis dieser Form endet. Pinzetten mit breiten Backen und Tüllenpfeilspitzen, die den regelmäßigen Gebrauch von Pfeil und Bogen im böhmischen Raum sichern, haben wiederum ihre unmittelbaren Parallelen in der oberpfälzischen Gruppe. Eine eigenartige spitzovale Ortbandform endlich, die einige Male in Böhmen und wenigstens zweimal in Nordbayern belegt ist, unterstreicht erneut den Gleichklang der beiden durch den Böhmerwald eher verbundenen als getrennten Kulturprovinzen. Entsprechend ist auch in Böhmen die Zahl der Vollgriffschwerter, die zwischen den ältesten Stücken (wie Taf. 9,7) und den entwickelten südbayerischen Schwertern mit achtkantigem Vollgriff stehen, nur gering (Roztoky, Taf. 14,1 und „Böhmen, F. O. U."). Die Nadeln und der spärliche Schmuck der Männergräber leiten wiederum über zum reicheren, formkundlich empfindlicheren Beigabenbestand der Frau. Die Nadelentwicklung ist nicht weniger eintönig, als in der Oberpfalz und beschränkt sich durchweg auf die gleichen, nur unbedeutend abgewandelten Typen. Lange Nadeln mit geschwollenem strichverziertem Hals und Nagelkopf sowie nichtgeschwollene Nadeln mit Gruppen von Strichverzierung am Hals sind Leitformen dieser Stufe, die letztgenannten in Böhmen so geläufig, daß sie wahrscheinlich dort beheimatet und jenseits des Böhmerwaldes nur eingeführt sind. Die Neigung zu leichter Rippung setzt sich auch hier durch (Taf. 13, 6), früher vielleicht als in anderen Gruppen, und führt namentlich bei den langen nichtgeschwollenen Nadeln zu Typen, die bezeichnenderweise wiederum in den Hügeln des Ennsgebietes, nicht aber in Bayern vertreten sind. Kennzeichnend für böhmische Nadeln scheint es zu sein, daß die Hals4"

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Schwellung, ob strichverziert oder gerippt, nur kurz ist, eine Einzelheit, die sonst nur an südbayerischen Nadeln mit Pilzkopf (wie Taf. 10,9) wiederkehrt. Lochhalsnadeln sind zur entwickelten Hügelgräberbronzezeit in Böhmen ebenso ungewöhnlich wie in Nordbayern; nur der reich verzierte Typ mit breiter Ornamentzone ist als Import von Südbayern belegt. Dagegen erscheint die in Nordbayern so geläufige Rollennadel häufiger, z. T. mit der gleichen Kerbung der Kanten nahe der Kopfeinrollung. Die Beschreibung des übrigen Frauenschmuckes bringt fast eine Wiederholung des über die gleichzeitigen Erscheinungen der Oberpfalz Berichteten. Armringe mit Strichgruppenverzierung, doch nur ausnahmsweise mit Fischgrätenzonen, Armbänder mit Bogenstellungen oder mit horizontal gerippter Schauseite (Taf. 13,10), vierspiralige Armbänder mit flachem verziertem Körper (Taf. 13,11; Karte 10), Fingerringe mit Endspiralen (Taf. 13,12; Karte 9) und durchbrochene umgekehrt herzförmige Anhänger (Taf. 14,4) sind nicht weniger geläufig, als in den Hügeln der Oberpfalz. Besatz des Gewandes mit Blechbuckeln ist nicht selten, und namentlich die großen Buckel mit abgesetzter Krempe scheinen in Böhmen beheimatet zu sein. Runde Scheibenanhänger mit wenigen Rippen um den Mittelstachel bleiben ungewöhnlich. Bernstein in Form kugeliger oder flacher Perlen und rechteckiger längsdurchbohrter Schieber wurde mit den Herzanhängern an der Halskette, die aus aneinandergereihten Spiralröllchen bestand, getragen. Im ganzen kann man sich die Übereinstimmungen zwischen den Metallformen der oberpfälzischen und der böhmischen Hügelgräbergruppen kaum weitgehender vorstellen. Ein tieferer Unterschied wird erst deutlich, wenn man den keramischen Formenschatz, der für den ältesten Abschnitt noch nicht recht auszuscheiden ist, vergleicht. Darüber hinaus gelingt es, selbst innerhalb der böhmischen Hügelgräberkultur den beiden Hauptgruppen um Pilsen und Budweis bestimmte Formen und Ornamente zuzuweisen. Zwei Gefäßformen kehren häufig und in beiden böhmischen Gruppen wieder: eine kleine Zylinderhalsamphore (Taf. 15,3) und eine weite Fußschale mit abgesetztem breitem Rand und hohem konischen Fuß (Taf. 15,1.5). Während die unmittelbaren Vergleichsstücke zu den Amphoren im nordbayerischen Kreis unschwer zu finden sind (Taf. 11,2), erweist sich die Fußschale als eine ausgesprochen böhmische und jenseits des Böhmerwaldes nur in ungeschickteren Nachahmungen bekannte Form (Taf. 11,8). Im Bereich der Budweiser Gruppe ist es Sitte, auch die Amphoren auf konische Füße zu stellen (Taf. 14,2), eine Einzelheit, die man nahe Pilsen nicht mit gleicher Regelmäßigkeit findet. Dagegen ist der hochhalsige einhenklige Krug, meist mit niedrigem geknicktem Bauch und hohem leicht kegelförmigem Hals (Taf. 15,4), eine Pilsener Form und noch in Mittelböhmen vertreten, um Budweis jedoch fremd. Ein gewisser Bestand an kleinen Tassen, darunter die Bauchknicktassen der südbayerischen Gruppe (Taf. 11,13), an Schalen und Näpfen bietet nichts Neues oder im Vergleich zu anderen Gruppen der Ostzone Ungewöhnliches. Ritzmuster und seltener plastischer Schmuck in Form von Warzen oder aufgelegten Leisten bilden die Verzierung der Gefäße. Die Pilsener Gruppe

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zeigt dabei weit größere Beweglichkeit als der Budweiser Kreis, der fast nur eintönige Reihen von strichgefüllten Dreiecken oder hängende Zweigmuster (wie Taf. 11,4) an Amphoren und Fußschalen kennt. Gefüllte Leiterbänder, die sich zu den gleichen Zickzack- und Winkelmustern zusammenschließen, wie in der Oberpfalz (Taf. 15,2. 3), sind bemerkenswerterweise nur um Pilsen und in Mittel- und Nordböhmen zu finden. In der gleichen Zone erscheint auf dem Bauch der hochhalsigen Krüge eine Verzierung von Strichgruppen, die sich sparrenartig schräg an eine Mittellinie lehnen (Taf. 15,4. 6). Man glaubt hinter diesem Motiv die Strichumrandung der Buckel an den Krügen der danubischsudetischen Gruppe zu spüren, ein Vergleich, der um so gerechtfertigter ist, als wenigstens je ein echter danubisch-sudetischer Buckelkrug nahe Pilsen und bei Prag belegt ist. Die Buckelverzierung bleibt im übrigen eine Seltenheit (Taf. 15, 2), mit Ausnahme kleiner Warzen am Bauch der Krüge. D e r j ü n g e r e A b s c h n i t t . P. Reinecke nahm bei seinem Versuch, die reine Bronzezeit in der Zone nordwärts der Alpen in drei Zeitabschnitte einzuteilen, zwei böhmische Funde als Musterbeispiele seiner Stufe C: Die Funde von Tachlowitz und Obernitz im Bezirk Brüx. In beiden begegnet das Donauschwert mit achtkantigem Vollgriff (Taf. 14,3), dessen Entwicklung freilich nicht in Böhmen, sondern in Südbayern vor sich ging, das aber hier in reiner entwickelter Form erscheint. In beiden Funden sind schwer gerippte Nadeln ohne eigentliche Kopfbildung gute Gegenstücke zu den spärlichen gerippten Nadeln Süd- und Nordbayerns (vgl. Taf. 12,9) und namentlich Württembergs (Taf. 17,1. 2), fraglos auch diese von junger Zeitstellung und in Funden des vorhergehenden Abschnitts unbekannt. Entwickelte Formgebung zeigt auch die ungarische Streitaxt von Tachlowitz (Taf. 13,4), deren Dorn hoch aus der Nackenscheibe hervorragt, und selbst bei der hirtenstabförmig gebogenen Rollennadel von Obernitz mag der Gedanke an eine Spätbildung berechtigt sein. Die in beiden Funden belegten Armbänder mit vier Endspiralen, die einfachen Armringe von Tachlowitz und die gerade Rollennadel des gleichen Fundes würden einen späten Zeitansatz an sich nicht rechtfertigen; wollte man alle Funde mit derartigen Typen einer späten Stufe zuweisen, so würde durch die Verzahnung in den geschlossenen Funden der ganze Formeninhalt der entwickelten Hügelgräberbronzezeit einzubeziehen sein. Schon diese beiden Beispiele zeigen, daß eine klare Grenze zwischen der entwickelten und der späten Hügelgräberbronzezeit nicht zu ziehen ist, daß nur gewisse Formen als sicher spät zu erweisen sind und daß bei einer Vielzahl von Funden die Entscheidung der Frage, ob ein Fund des mittleren Abschnitts vorliegt, oder ein solcher des späten Horizonts mit altertümlichen Typen, nicht gefällt werden werden kann. Schon zwei weitere Grabfunde mit achtkantigen Vollgriffschwertern 7 ), in denen einfache strichverzierte Armringe, Armbänder mit vier Endspiralen, lange, nicht geschwollene, strichverzierte Nadeln, Tüllenpfeilspitzen u. a. m. erscheinen, würden mit keiner Einzelheit die späte Zeitstellung verraten, wenn man die Schwerter aus ihnen entfernte. ') J.Böhm, Zäklady hallstattskö periody v Cechäch (Prag 1937) 14, Abb.4; 23,Abb.9.

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2. Reine Bronzezeit

So werden wir in Böhmen wie in der Oberpfalz das Fortbestehen der böhmischen Absatzbeile, der mittelständigen Lappenbeile, der einfachen zweinietigen Dolchblätter, der Tüllenpfeilspitzen und wohl auch der Pinzetten annehmen dürfen, zu einer Zeit, wo nur wenige Besitzende die neuesten Waffen einer benachbarten Kulturgruppe erwerben konnten. Es dürfte fast ein Kennzeichen des späthügelgräberzeitlichen Abschnitts in Böhmen sein, daß wenige reiche Männergräber (z. B. auch Kbely, Hügel 20) aus einer breiten Schicht unscheinbarer, im Formenbestand entsprechend altertümlicher Bestattungen hervorragen. Noch schwieriger ist es, späte Frauengräber auszuscheiden, da in deren Beigabeninhalt typologisch empfindliche, nur dem späten Abschnitt angehörige Typen fast gänzlich fehlen. Ein besonders reiches Frauengrab von Schekarschen8) (Vsekary) enthält beispielsweise neben langen strichverzierten Nadeln, Armbändern mit vier Endspiralen, einem Satz von Herzanhängern und vielen Fingerringen auch eine schöne Kerbschnittkanne, die nach bayerischen Vergleichsfunden bereits dem Ende der reinen Bronzezeit zuzurechnen ist. Alle die Typen, die das erwähnte Frauengrab enthielt, werden sicherlich zur jüngeren Hügelgräberzeit ausnahmslos beibehalten, und es bleibt somit nur der Hinweis auf jene Formen, die als sicher späte Erscheinungen von nur beschränkter Lebensdauer anzusehen sind. An erster Stelle glauben wir die Messer nennen zu müssen, eine Form, die in Nordbayern und Böhmen besonders beliebt war, und die, wenn sie im Verband anderer Kulturgruppen erscheint, erst der Spätbronzezeit angehört. Die böhmischen Messer besitzen kurzen Vollgriff, der auf verschiedene Art profiliert zu sein pflegt, seltener einen Rahmengriff, dessen beide Streben sich in einem Abschlußring vereinigen und der fraglos von entsprechend gebildeten Rasiermessergriffen der Spätbronzezeit entlehnt ist (Taf. 13, 9). Wie in Nordbayern, so gibt es auch in Böhmen vereinzelte Riegseemesser (Abb. 11,7) mit kurzer zweinietiger Griffzunge, über deren endbronzezeitliche Datierung kein Zweifel entstehen kann. Nur einmal begegnet ein Peschieradolch, zusammen mit einer Nadel des Deinsdorfer Typs (Taf. 10,12), die sicher nicht aus der Hügelgräbertradition erwuchs, sondern der ostböhmischen spätbronzezeitlichen Lausitzer Kultur entstammt. Schon bei den böhmischen Vollgriffmessern läßt sich nicht entscheiden, ob ihre Lebenszeit sehr wesentlich vor dem Einbruch der Lausitzer Kultur in den ostböhmischen Raum und vor ihrer Auseinandersetzung mit dem süd- und westböhmischen Hügelgräbervolk beginnt, deren Ergebnis die sogenannte Knowis-Milawetscher Kultur ist. Mancher andere Typ dagegen besteht sicher zur Zeit der Lausitzer Invasion fort und wird in den neuen Formenschatz übernommen, obwohl man eine aus der Hügelgräberkultur stammende Formtradition annehmen möchte. Das gilt zunächst für die Nadeln des Dietldorfer Typs mit mehreren Rippengruppen am Schaft (Taf. 12,18.19), dann aber auch für die Nadeln mit aufgeschobenem senkrechtem Scheibenkopf (Taf. 13, 2). Endlich 8) J.Schränil, Vorgeschichte Böhmens und Mährens (Berlin und Leipzig 1928) 121, Abb. 12.

Die böhmischen Gruppen

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wird auch manche keramische Form, z. B. die kleinen Amphoren auf hohem Fuß, in den Milawetscher Formenschatz übernommen, ohne daß es gelingt, eine eigene keramische Gruppe der Spätzeit, die unbeeinflußt von fremder Seite aus heimischer Tradition erwachsen wäre, auszusondern und gegen die Formen der mittleren Hügelgräberbronzezeit abzugrenzen. Wenn irgendwo in der Zone nordwärts der Alpen durch das Eindringen einer Fremdkultur die ortsansässige Hügelgräberkultur verändert, oder richtiger, aufgesogen wird, so ist das im mittel- und westböhmischen Bereich der Fall. Mit Ausnahme der Budweiser Gruppe, deren Kerngebiet im wesentlichen vom Lausitzer Vorstoß verschont geblieben zu sein scheint, läuft die Entwicklung in der Folgezeit ganz in den Bahnen der Urnenfelderkulturen weiter. Die engen inselartigen Fremdgruppen, die im süddeutschen Raum ein nur kurzes Leben führten und in Wechselbeziehung zu der ortsansässigen Grabhügelkultur traten, deren Rolle aber mit Erscheinen der süddeutschen Urnenfelderkultur ausgespielt ist, sind unter dem Begriff Endbronzezeit leicht zu fassen und in unsere Darstellung einzubeziehen. Der grundsätzliche Wechsel aber, der im böhmischen Hügelgräbergebiet wie auch im danubisch-sudetischen Kreis vor sich geht, ist so nachhaltig un'd dauerhaft, daß die entstehenden Mischkulturen nur im Zusammenhang mit der frühhallstättischen Entwicklung Süddeutschlands gesehen werden können. Ihre Behandlung geht somit über den Rahmen dessen, was hier als süddeutsche Bronzezeit besprochen wird1, hinaus, sowohl was die zeitliche Erstreckung angeht als auch hinsichtlich der inneren kulturellen Zugehörigkeit. Die böhmische Hügelgräberkultur nimmt damit im ganzen gesehen einen ähnlichen Weg wie die übrigen Gruppen unserer Ostzone. Die Entwicklung, die mit wenigen altertümlichen, auf fremde Anregung zurückgehenden Funden beginnt, führt zu breiter Entfaltung der eigenen kulturellen Kräfte im Gleichklang mit der oberpfälzischen Gruppe jenseits des Böhmerwaldes. Der Lausitzer Einstrom trifft die böhmische Hügelgräberkultur auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung. Die Spätfunde zeigen zum Teil bereits Lausitzer Typen und künden wohl schon von der beginnenden Auseinandersetzung. In wenigen Schwertgräbern aber, deren Formeninhalt ganz von der Art der Hügelgräberkultur ist, sind offenbar die wohlhabendsten Männer mit der neuzeitlichsten Bewaffnung beigesetzt, vielleicht nicht nur die reichsten Vertreter ihres Volkes, sondern auch die mächtigsten. SCHRIFTTUM J. Böhm, Spätbronzezeitliche Scheibenkopfnadeln aus Böhmen. Germania 20,1936, 9 ff. Ders., Zäklady hallstattské periody v Cechäch (Prag 1937) 248 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 299 ff. J. L. Pii, Cechy predhistorické. Na zàkladé praehistorické sbirky musea krälovstvi Ceského. Svazek 2 (Prag 1900). P. Reinecke, Zur Chronologie der zweiten Hälfte des Bronzealters in Süd- und Norddeutschland. Korr.-Bl. Anthr. Ethnol. Urgesch. 33, 1902, 17 ff.; 27 ff. H. Richly, Die Bronzezeit in Böhmen (Wien 1894). J. Schranil, Die Vorgeschichte Böhmens und Mährens (Berlin und Leipzig 1928) 116 ff. A. Stocky, La Bohème à l'àge du bronze (Prag 1928).

2. Reine Bronzezeit

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Abb. 4. Leitformen der württembergischen Gruppe. 1—11. ältere, 12—15. jüngere Stufe.

Die westliche Zone Die

württembergische

Gruppe

Auf der Höhe der Schwäbischen Alb, nach Norden durch den Nordrand der Alb und die Wasserscheide gegen das Neckarsystem begrenzt, nach Süden durch mehrere kleine Nebenflüsse der Donau, die Schmiecha, Laudiert und Lauter aufgeschlossen, erstreckt sich das Kerngebiet der württembergischen Gruppe über einen Landstrich von kaum 50 km Breite. Trotz dieses engen Siedlungsraums bringt es die Beziehung auf mehrere kleine Täler und das Fehlen eines beherrschenden zur Donau fließenden Flusses mit sich, daß sich gewisse Besonderheiten zweier kleiner Zentren, eines östlichen auf der Haid südlich von Großengstingen und eines westlichen um Hundersingen Kr. Münsingen herausbilden, die in den Bronzen schwach, in der Keramik deutlicher hervortreten. Die Besiedlung erfolgte von Süden her, denn nicht anders läßt sich die Bindung an die erwähnten kleinen Flüsse und das Haltmachen vor der Wasserscheide gegen Norden erklären, wobei nicht etwa der heutige Forschungsstand eine Grenze vortäuscht. Eine eingehende Bearbeitung der württembergischen Gruppe stammt von G. Kraft, der eine vielstufige chronologische Einteilung des Fundstoffs gab. Aus Gründen, die hier nur gestreift werden können, verwenden wir nur zwei Hauptabschnitte (Abb. 4), deren Unterscheidung auf den unbedingt sicheren Grundtatsachen beruht und unabhängig ist von Willkürlichkeiten, die sich zwangsläufig bei der Beurteilung typologischer Einzelheiten einstellen. Wir können das um so ruhiger tun, als sich weitergehende Schlußfolgerungen

Die württembergische Gruppe

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irgendwelcher, etwa siedlungsarchäologischer Art selbst aus einer so verfeinerten Chronologie, wie sie Kraft vorschlägt, nicht ergeben. Ä l t e r e r A b s c h n i t t . Männer- und Frauengräber enthalten verschiedene Beigabenreihen, die über das Geschlecht der Toten wie über ihre Kleidung Aufschluß geben. Der Mann bekam seine Waffen, Dolch, Streitbeil, selten Pfeil, Bogen oder Schwert ins Grab. Zum Zusammenhalten des Gewandes diente e i n e Nadel; den Gürtel verschloß gelegentlich ein Bronzehaken. Zur Körperpflege benutzte man Pinzetten. Der dürftige Metallschmuck beschränkt sich auf vereinzelte Arm- und Fingerringe. Unter den wenigen Schwertern stehen die Vollgriffschwerter der Zahl nach an letzter Stelle. Einzelne Stücke mit unverziertem, in eine Knaufplatte ohne Knopf endendem Griff scheinen im Anschluß an die alten triangulären Dolche oder verwandte westeuropäische Vollgriffschwerter im Lande selbst hergestellt zu sein*). Doch bleibt dieser Versuch in den Anfängen stecken und führt nicht zu einer kräftigen Entwicklung, wie wir sie aus Südbayern kennen. Schwertklingen dagegen, die einen Griff aus organischem nicht erhaltenem Material besaßen, sind zahlreicher, ohne häufig zu sein. Ein Stück mit großer trapezförmiger Griffplatte und hutförmigen Nieten, wie es Taf. 16,1 aus Mägerkingen Kr. Reutlingen zeigt, gehört einem der wenigen alten internationalen Bronzetypen an, die wir schon in der Ostzone als älteste Erscheinungen kennengelernt hatten (vgl. Taf. 10,1.3). Zum eigentlich südwestdeutschen Typ, einstweilen nur rechtsrheinisch vertreten und in der Ostzone unbekannt, wird eine Form, deren Griffplatte sich der Klingenbreite anpaßt und neben zwei vollständigen Nietlöchern zwei seitliche halbkreisförmige Ausschnitte zur Aufnahme eines weiteren Nietpaares trägt (Taf. 16,8). Die Hutniete sind bei diesem Typ, dessen Entstehung trotz weiter nördlicher Streuung in Württemberg gesucht werden darf, durch dicke Pflockniete ersetzt, die in der Folgezeit alleinherrschend bleiben. Die Entwicklung der Dolche geht ganz ähnliche Wege. Auf Stücke mit großer viernietiger Griffplatte (Taf. 16, 3), auf der auch Hutniete vorkommen, folgt die Menge der zweinietigen Dolche (Taf. 17,12), die gern eigenartigen schilfblattförmigen, nur in Württemberg üblichen Umriß annehmen. Das Bestreben, überflüssiges Metall zu sparen, führt zur Verkleinerung und endlich fast zur Verkümmerung der Kopfplatte. Der Klingenquerschnitt beharrt weitgehend bei einfachem dachförmigem Profil; nicht mit gleicher Bestimmtheit wie in anderen Gruppen geht man zur Bildung einer stets schwachen Mittelrippe über. Das Beil, die Hauptwaffe des Mannes, besitzt ursprünglich, in der Zeit der viernietigen Schwert- und Dolchklingen, geradseitigen Umriß mit kräftigen, zur Mitte erhöhten Randleisten (Taf. 16, 5, schon schwach geschwungen). Wie in anderen Gruppen vermeidet man bald das Eindringen in den knieförmigen Holzschaft durch Einziehen des Mittelteils der Bahn (Taf. 17,15). Die so entstandenen, in Württemberg nicht sehr zahlreichen, geschwungenen Randbeile weichen der eigentlich württembergischen Weiterbildung, dem schlanken mittel•) G. Kraft, Die Kultur der Bronzezeit in Süddeutschland (Augsburg 1926) Taf. 9,1—2.

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2. Reine Bronzezeit

ständigen Lappenbeil (Taf. 17,11), das sowohl dem östlichen, böhmischen wie dem westlichen Hagenauer Absatzbeil den Rang abläuft. Diesen von Kraft zutreffend als Grabbeile (Waffen) bezeichneten schlanken und dünnen Beilen stehen, aus Einzelfunden stammend, Arbeitsbeile von größerer Dicke und Schwere gegenüber, die bis auf ausnahmsweise vorkommende Randbeile westalpiner Herkunft mit eigenartigem Schulterknick formkundlich nichts Neues sagen. Auffallend ist allgemein in Süd- und Westdeutschland und entsprechend auch in Württemberg das fast gänzliche Fehlen von Lanzenspitzen. Pfeil und Bogen waren jedoch bekannt, und Pfeilspitzen mitSchaftdorn gehören nicht zu den Seltenheiten, während die Tüllenpfeilspitzen der Ostzone nur ausnahmsweise erscheinen. Schmuck begegnet in den Männergräbern spärlich in Formen, die auch für die Frauengräber typisch sind. Dagegen sind Pinzetten mit verbreiterten massiven Backen Männerbesitz und wohl zur Haarpflege verwendet worden. Die Nadeln, die sowohl von Männern wie von Frauen getragen wurden, sind ihrer Form nach nicht auf die Beigabenreihen beider Geschlechter aufzuteilen und nehmen somit eine wertvolle Mittlerstellung ein. Die Gräber von Mägerkingen, Kr. Reutlingen, enthielten neben dem Schwert mit großer Griffplatte und Hutnieten, das wir als älteste Schwertform ansahen, und einem gleichfalls frühen Randbeil zwei Nadeln mit kolbenförmigem Kopf und durchbohrter Schwellung (Taf. 16, 2.4), deren Verwandte in Südbayern dem Lochham-Echinger Horizont angehören (vgl. Taf. 9,13). Die Durchschnittsform der württembergischen Lochhalsnadeln ist jedoch die Nadel mit umgekehrt kegelförmigem Kopf, gleichmäßiger durchbohrter Schwellung und einer sanduhrartigen Verzierung (Taf. 17, 5.6), die in sehr großer Zahl in der Albgruppe erscheint, ohne mehr als in Ausnahmen über deren Kerngebiet hinauszugreifen (Karte 5). Hier haben wir den beliebtesten Serientyp der württembergischen Bronzezeit vor uns, der äußerst zählebig und daher für chronologische Zwecke ungeeignet ist. Neben den Lochhalsnadeln spielt eine andere Nadelform mit geschwollenem undurchbohrtem Hals eine erheblich geringere Rolle. Die Schwellung ist weich und vermeidet sowohl am Hals- wie am Kopfansatz den merklichen Absatz mancher als Einfuhrgut von außen erscheinender Stücke. Die Verzierung beschränkt sich auf einfache Horizontallinien an Kopf und Schwellung, die gelegentlich Schrägstrich- und Fischgrätenzonen einschließen. Der Kopf der einheimischen Stücke wirkt im Vergleich mit der kräftigen Ausladung der geläufigen Lochhalsnadeln verkümmert und bereitet damit die kopflosen gerippten spätbronzezeitlichen Nadeln vor (Taf. 17, 1. 2). Unmerklich geht die Strichverzierung in Rippung über, wobei sich stellenweise die Neigung bemerkbar macht, den geschwollenen Halsteil zu verkleinern. Im übrigen gibt es in der württembergischen Gruppe eine ganze Reihe fremder Nadelformen, die zwar hinter den heimischen Stücken zurücktreten, aber gleichwohl wichtige Aussagen zu den Beziehungen mit anderen Gruppen machen. So findet man die Radnadeln des Mittelrheins, die Lochhalsnadel süd-

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bayerischer Prägung mit fischgrätenverzierter Schwellung (Abb. 2,1; Karte 5) und selten auch, als Import von der oberpfälzischen Gruppe, eine der nicht geschwollenen langen Nadeln (Taf. 10, 6) oder eine Rollennadel. Kugelkopfnadeln sind in Württemberg, wie allgemein in der süddeutschen reinen Bronzezeit, unbekannt. Die Beigaben der Frau, deren Tracht nach süddeutscher Sitte die Verwendung z w e i e r Nadeln erforderte, tragen ungleich mehr zur Kenntnis der württembergischen Kultur bei, als die eintönige Ausrüstung des Mannes. Ketten aus aneinandergereihten Spiralröllchen ersetzen massiven Halsschmuck, der in der Albgruppe unbekannt blieb. Unbedingt kennzeichnend sind Scheibenanhänger, deren Entwicklung von einem frühen, wahrscheinlich am Ostalpenrand beheimateten Typ zu reichen blechförmigen Stücken mit konzentrischen Rippen und getriebenen Punktreihen führt (Taf. 16,17.18). „Echte" Rippen bestehen fort und ziehen sich bei entwickelten Stücken auf den mittleren Teil der Scheibe zurück; daneben setzt sich aber das Verfahren durch, muldenförmige Rinnen aus dem gegen die Mitte zu dicker werdenden Körper auszusparen und die Rippen negativ als stehenbleibende Grate erscheinen zu lassen (Taf. 16,18 Mitte links). Daß die Zahl dieser konzentrischen Rinnen verringert wird und schließlich der Mittelstachel aus einer zentralen Vertiefung aufsteigt (Taf. 17, 4), mag als Ausdruck einer typologischen Entwicklung betrachtet werden. Fremdlinge unter den Anhängern sind vereinzelte mittelrheinische Stachelscheiben mit der dort üblichen gegossenen Aufhängevorrichtung (Form wie Taf. 19,13.14). Für die durchbrochenen umgekehrt herzförmigen Anhänger des süddeutschen Ostens ist in Württemberg nur geringe Anteilnahme zu spüren, wiewohl sich eine lahme vereinfachte Umbildung aufzeigen läßt. Regelmäßig trug die Frau Armringe. Es überwiegen rundstabige Formen, die lebhaft mit Gruppen von Fischgrätenmustern oder Bogenstellungen zwischen senkrechten Abgrenzungslinien verziert sind (Taf. 17,13.14). Das Ornament löst sich in einzelne Gruppen auf, deren Anordnung jedoch eine Verwechslung mit sehr ähnlichen Ringen der oberpfälzischen Gruppe unmöglich macht. Gedrehte Armringe mit weiter Torsion (vgl. die engtordierten oberpfälzischen Armringe) sind besonders zahlreich (Taf. 17,9), meist paarweise getragen, und erleben noch die Spätbronzezeit. Die Drehung ist unecht, d. h. im Guß erzeugt. Kräftig profilierte vierkantige Armringe gehören in ihrer besten typisch verzierten Ausprägung erst der Jungbronzezeit an. Eine auch im Bereich der Ostzone beliebte Form ist das Armband mit Stollenenden und fünf, selten mehr oder weniger, Rippen auf der Schauseite (Taf. 16,11). Ein vereinzeltes württembergisches Stück besitzt außer drei Rippen eine Bogenverzierung, die an entsprechende, in Württemberg ausnahmslos fehlende, glatte Armbänder der Ostzone anknüpft. Als Ausnahmeerscheinung aus dem gleichen Gebiet erscheint ein vereinzeltes Armband mit Doppelspiralenden oberpfälzischer Prägung (wie Taf. 10,18). Dagegen sind Arm- oder Fußbergen mit drahtförmigem, in zwei gegenständige Spiralen auslaufendem Körper, deren eigentliches Dichtezentrum am Mittelrhein und im Elsaß liegt (vgl. Taf. 19,15; Karte 9) häufiger, so daß man es versteht, daß Württemberg in der Spätbronze-

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2. Reine Bronzezeit

zeit ein guter Markt f ü r die in der Hagenauer Gruppe entwickelten Knöchelbänder mit rückläufigem Draht wurde (Taf. 17,7). Bereits vorher scheinen Stücke, deren Körper breitbandig ist, gelegentlich eingeführt zu sein. N u r zögernd nimmt man in Württemberg als Einfuhrgut vom Mittelrhein Armspiralen in bescheidener Zahl auf. Unter den Fingerringen erdrückt zahlenmäßig die einheimische geschlossene oder zusammengebogene Form die wenigen aus dem Osten eingeführten Stücke mit Endspiralen (Form wie Taf. 10,16). Der Gürtelschmuck beschränkt sich auf wenige unverkennbar einheimische Haken mit geschwollenen Schenkeln (Taf. 16,14) oder Kombinationen aus mehreren Drahtspiralen. Auch gebuckelte Bleche mit Zungenfortsatz (Taf. 16,13.15) dürften zum Gürtel gehört haben. Der Sitte des süddeutschen Ostens, die Kleidungsstücke durch aufgenähte Bronzeblechbuckel zu verzieren, verschließt sich die württembergische Gruppe. Die Keramik erweist schlagend die Selbständigkeit der Alb-Bronzezeit; sie scheint fast ganz auf Frauengräber beschränkt zu sein. Anlehnung an die Ware der Frühbronzezeit in manchen Gefäßen des südlichen Teils der Alb ist unverkennbar. Die großen Gefäße neigen zu trichterförmigen Halsbildungen und zur Eintiefung des Schulterfeldes bei straffer Führung der Bauchkontur, mag es sich um zweihenklige Amphoren oder um gleichartige Gefäße mit nur einem Henkel handeln (Taf. 18, 2.10). Trichterhals und nicht selten scharfer Bauchumbruch finden sich an den besonders beliebten Henkelkrügen (Taf. 18,1.4. 7), und deutlichen Umbruch haben auch die kleinen Tassen mit oberständigem Henkel (Taf. 18,11), die nahe Verwandte in Südbayern besitzen. Gefäßverzierung ist allgemein gebräuchlich (Taf. 18). Buckel und plastische Rippen spielen eine große Rolle, Strichdreiecke bedecken häufig die Schulterpartie, Belebung des Gefäßunterteils,wird auf vielfache Weise durch Rauhung, linsenförmige Einstiche, kleine Warzen usw., erreicht. Besonders bekannt ist der württembergische Kerbschnitt, der mit einfachen horizontalen Bändern auf der Schulter beginnt, später den ganzen Bauch bedeckt und auch auf Hals und Rand übergreift (Taf. 18, 3.4. 5). G. Kralt gelang es, eine westliche Keramikgruppe auf der Haid von einer östlichen u m Hundersingen zu scheiden, wobei der ersteren die tragende Rolle in der Kerbschnittverzierung zugesprochen werden muß, während die letztere besonders Henkelkrüge mit Dreieckmustern, Amphoren und kleine Tassen liebt, den Kerbschnitt aber anscheinend erst in seiner entwickeltsten Form aufnimmt. Obwohl in der östlichen Gruppe manche Beziehungen zu frühbronzezeitlichen Formen aufscheinen, freilich nicht zur Aunjetitzer Ware, sondern zur oben besprochenen Frühbronzezeitkeramik von der Art des Kirchbergs bei Reusten, ist doch die Annahme verschiedener Entstehung der beiden eng benachbarten n u r etwa 20 km voneinander entfernten Gruppen kaum mit d e r Schärfe abzuleiten, wie Kratt es tut. Manche lokalen Unterschiede lassen sich auch in der Verbreitung der Bronzen, wie der gerippten Armbänder, der schlanken Randbeile, der Drahtgehänge oder der Schwerter mit halben Nietlöchern, bemerken; doch ist das Verbindende so stark, daß man an der Einheitlichkeit der Albbronzezeit festhalten muß und bestenfalls lokale Bronze- und Keramikwerkstätten an-

Die württembergische Gruppe

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nehmen darf. Hier bewirken landschaftliche Faktoren, d.h. das Fehlen eines beherrschenden Flusses, daß sich Sondergruppen von kleinstem Umfang bilden. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Immer wieder trifft man als deutliches Zeichen dafür, daß in Württemberg, wie allgemein in den Kerngebieten der süddeutschen Gruppen, die Entwicklung bruchlos verläuft, in Funden von einwandfrei junger Zeitstellung Typen an, die sich als fortbestehende Erscheinungen älterer Zeit zu erkennen geben. Wenn also hier Formen einer jüngeren Stufe herausgehoben werden, so läßt sich von diesen doch nicht behaupten, daß sie ausschließlich und allein in Geltung gewesen wären. Als nahezu unempfindlich erweisen sich die Typen der Männergräber. Mit Sicherheit läßt sich nur sagen, daß Formen von der Art, wie sie in Mägerkingen (Taf. 16,1—5. 9) vorliegen, seit langem ausgestorben sind. Dagegen müssen wir mit dem Fortbestand der Schwertklingen mit schmaler trapezförmiger Griffplatte und Scheinnietlöchern und der mittelständigen Lappenbeile, ja wohl selbst der geschwungenen Randbeile rechnen. Auch den Dolchen ist eine bündige Aussage nicht abzugewinnen, da zwar die Verkleinerung der Griffplatte und die Verringerung der Nietenzahl, z. T. auch die Bildung der Mittelrippe im Laufe der Entwicklung fortschreitet, aber nicht fest umrissene Typen erwachsen, die uns allein von Nutzen sein können. Fremde Typen aber, wie die Rixheim-Schwerter und Dolche mit zwei übereinanderstehenden Nietlöchern, sagen wiederum nichts über die württembergische Eigenentwicklung aus. Erst in den Nadeln und Armringen, mit denen wir uns der weiblichen Ausstattung nähern und in den Gebrauchs- und Schmucksachen der Frau selbst herrscht jene typologische Empfindlichkeit, die uns weiterhilft. Ein Grabfund, wie der von Upflamör (Taf. 17,1—4. 7—9), zeigt, daß aus den zierlichen mit oberflächlicher Strichverzierung versehenen Nadeln mit geschwollenem Hals mächtige, außerordentlich lange Formen geworden sind, für die Kiait's Ausdruck „barock" in vollem Maße zutrifft. Gänzlich übersteigerte Stücke, bei denen die Rippung des Körpers durch aufgeschobene flach doppelkonische Schieber ersetzt wird (Taf. 16, 7), bilden das auch in Württemberg belegte Endstadium der Entwicklung; die Ansicht Kiait's, der die Heimat dieser Stücke im Westalpengebiet sucht, hat manche Wahrscheinlichkeit für sich. Der Wunsch, den Umriß der Nadeln zu beleben, ließ die kurzen, aus dem Schaft knotenartig hervortretenden Glieder entstehen, die sich fast regelmäßig an Nadeln finden, deren Kopf, wahrscheinlich stets ein Scheibenkopf, abgebrochen ist (Taf. 17, 16). Die Beziehung zu den ähnlichen gleichfalls jungbronzezeitlichen Nadeln mit Scheibenkopf, die dem östlichen Süddeutschland angehören (Taf. 10,11), ist augenfällig. Schließlich werden Nadeln mit gerippter Schwellung und umgekehrt kegelförmigem Kopf, die bereits früher beginnen, noch in Geltung sein, während spärlich als Import Kugelkopfnadeln oder Mohnkopfnadeln, selbst einmal eine Nadel des Eschenbacher Typs auftreten. Wie weit die alten rundstabigen Armringe mit der eigentümlichen württembergischen Verzierungsart in den jüngeren Abschnitt herüberreichen, wie das sicher bei den pseudotordierten Armringen der Fall ist, läßt sich nicht entscheiden. Unstreitig spielen jetzt vierkantige Armringe die Hauptrolle, deren

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2. Reine Bronzezeit

Ober- und Unterkanten gelegentlich gekerbt sind, und deren Körper meist durch längslaufende, die Kanten begleitende Linien oder schräge Strichgruppen (Taf. 16,12) verziert ist. Das Frauengrab von Upflamör enthält außerdem die typischen jungbronzezeitlichen Knöchelbänder, deren Spiralen aus einem nochmals die ganze Rundung des Körpers umziehenden Draht erwachsen (Taf. 17, 3. 7). Dieser in der Hagenauer Gruppe entstandene T y p ist beiderseits des Oberrheins bis in die Höhe der Neckarmündung vertreten und geht in die folgende Urnenfelderzeit über; am Mittelrhein w i r d er durch eine verwandte Form (Taf. 19, 16) ersetzt (vgl. K a r t e 10). Schwierig ist die Ausscheidung der späten Anhänger. Das Stück von U p f l a mör mit glattem Körper und Mittelstachel in einer muldenförmigen Vertiefung (Taf. 17,4) ist sicher das Endprodukt jener Entwicklung, die Kraft unter A b glättung, d. h. Zurücktreten der konzentrischen Rippenverzierung, versteht. Genau entsprechende Stücke sind bescheiden an Zahl und das Hervorwachsen aus den älteren Formen erfolgt so allmählich, daß eine verläßliche Grenzziehung nicht vorgenommen werden kann. Der Spätbronzezeit haben wir schließlich, soweit die geschlossenen Funde Sicherheit geben, auch die Radanhänger (Taf. 17,10) zuzuweisen, die allerdings im württembergischen Fundstoff nur eine untergeordnete Rolle spielen. M i t gleichen Schwierigkeiten kämpft man bei der Keramik. Bei einfachoder buckelverzierter W a r e ist nur in seltenen Fällen, so bei gedrückten Gefäßen mit ausgelegtem Rand und X-förmigen Henkeln oder bei Tassen der A r t von Marbach (Taf. 18,9), jüngere Zeitstellung gesichert. Fraglos fällt in den Spätabschnitt der Höhepunkt der Kerbschnittverzierung, die das alte System der starren und leblosen Linien verläßt und zu jener teppichartigen flächendeckenden Musterung übergeht, die etwa das Stück von Oberstetten (Taf. 18, 5) zeigt. Es ist nicht gleichgültig, daß jetzt der Stempelkerbschnitt in den Vordergrund tritt, der eine Erscheinung des süddeutschen Ostens, vornehmlich Südbayerns und des Rieses, ist und der in der Entwicklung der Kerbschnittkeramik eine späte aber bedeutende Rolle spielt (vgl. Taf. 3, 7. 9.10.12). I m ganzen ist die Ausbeute an jungbronzezeitlichen Typen des eigentlichen württembergischen Zentrums bescheiden, und man muß außerdem einräumen, daß sich auch siedlungsarchäologisch nichts Wesentliches aus dem Vergleich alter und junger Funde ergibt. Da der Fortbestand vieler Formen gesichert ist, und da die große Menge der armen Gräber, die oft nur mit einem Dolch oder einer Nadel ausgestattet sind, eine einwandfreie Deutung, ob es sich um einen alten Fund oder ein. junges Inventar mit veralteten Typen handelt, nicht zuläßt, muß man sich allzu scharfe Schlußfolgerungen versagen. Auch der Stufe E, w i e sie Krait als zeitliche Parallelentwicklung zur Urnenfelderzeit definiert hat, fehlt es an einer sicheren Grundlage. Wohl mag in manchem der in diesen Zeitraum gewiesenen Funde ein Stück begegnen, das dem Urnenfelderkreis entstammt oder von ihm angeregt wurde, aber eine selbständige Stufe, die eigenständigen Typenbesitz haben müßte, läßt sich darauf so wenig gründen, w i e die von Krait angenommene typologische Tendenz bei der Nadel- und Anhängerentwicklung.

Die elsässische Gruppe

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SCHRIFTTUM G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 150 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 308 ff. P. Goessler, in: Beschreibung des Oberamtes Urach (Stuttgart 1909) 127 ff. Deis., Die Altertümer des Oberamts Blaubeuren (Eßlingen 1911) 14 ff. Ders., in: Beschreibung des Oberamts Münsingen (Stuttgart 1912) 190 ff. Ders., in: Beschreibung des Oberamts Riedlingen (Stuttgart 1923) 188 ff. G. Kraft, Die Kultur der Bronzezeit in Süddeutschland (Augsburg 1926). O. Paiet, Urgeschichte Württembergs (Stuttgart 1921). A. Rieth, Vorgeschichte der Schwäbischen Alb. Mannus-Bücherei 61 (Leipzig 1938) 48 ff. Ders., Württembergische Goldfunde der Hügelgräberbronzezeit. Germania 23, 1939, 147 ff. A. Schliz, Urgeschichte Württembergs (Stuttgart 1909) 94 ff. £. Wagner, Fundstätten und Funde aus vorgeschichtlicher, römischer und alemannischfränkischer Zeit im Großherzogtum Baden. I. (Tübingen 1908). II. (Tübingen 1911).

Die

elsässische

Gruppe

Der Rhein, der für die reinbronzezeitliche Bevölkerung nur ein geringes Hindernis bedeutete, trennt die elsässische Gruppe von ihrem württembergischen Nachbarn. Durch die Grabungen von X.-J. Nessel und die vorbildliche Veröffentlichung F. A. Schaeffers ist in den Funden des Hagenauer Waldes ein Material zugänglich gemacht worden, das offenbar dem bedeutsamsten Zentrum der linksrheinischen Bronzezeit entstammt und ohne weiteres als beispielhaft gelten kann, da andere Hügelgräbergebiete des Elsaß immer nur spärliche bronzezeitliche Funde ergeben haben. Bemerkenswert ist auch hier, daß trotz engster Verbreitung der Hagenauer Hügel Unterschiede zwischen einzelnen Hügelgruppen nicht fehlen, wiederum ein Hinweis darauf, wie stark die Abgeschlossenheit und Versponnenheit kleinster Siedlungseinheiten in dieser Zeit war. Ä l t e r e r A b s c h n i t t . Die Hagenauer Gruppe (Abb. 5) erweckt wie kaum eine andere den Eindruck geringer Entwicklungsenergie. Die Männergräber sind bescheiden, oft arm. Schwerter kennt man nur aus einer Grabhügelgruppe des Hagenauer Waldes in wenig bezeichnender zweinietiger Form, und auch ein weiteres elsässisches Schwert von Mollkirch bietet nichts Bemerkenswertes. Die in allen anderen Kulturgruppen vorkommenden Klingen mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte und Hutnieten vertritt nur ein Dolch. Viernietige Dolchblätter mit ziemlich großer Griffplatte und halbrundem Abschluß des vergänglichen Griffs sind jedoch offenbar noch spät in Gebrauch. Entwickelteren Dolchen eignet eine längere Klinge und schmale, die Breite der Klinge nicht überschreitende Griffplatte mit zwei kräftigen Pflocknieten, bei geradem Abschluß des vergänglichen Griffs. An kleinen messerartigen Klingen läßt sich bei gleichbleibender Nietenzahl eine Verkümmerung der Griffplatte zu bogenförmiger oder niedrig-trapezförmiger Gestalt wahrnehmen (Abb. 5, 5), Einzelheiten, die auch am Mittelrhein und nördlich des Mains wiederkehren.

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2. Reine Bronzezeit

Abb. 5. Leitformen der eisässischen Gruppe. Als Beilform herrscht unbestritten das Absatzbeil mit gerader Rast (Abb. 5, 3). Obwohl es zur Zeit nicht möglich ist, über die Häufigkeit des Vorkommens dieser Form auf französischem Boden einen klaren Überblick zu gewinnen, denn gegen die andersartigen, in Frankreich häufigen, eigentlich westeuropäischen Beile muß man eine scharfe Grenze ziehen, kann es doch kaum zweifelhaft sein, daß Hagenau ihrem Entstehungsgebiet zum mindesten sehr nahe liegt. Bezeichnend für die elsässische Gruppe und, soweit Süd- und Westdeutschland in Frage kommen, fast auf diese beschränkt, ist eine besonders plumpe Ausprägung ohne deutliche Hervorhebung der Rast als verdickter Leiste auf der Vorderseite und ohne den straffen Umriß, der die schlanken am Mittelrhein gebräuchlichen Absatzbeile (z. B. Taf. 19, 10) auszeichnet. Einer Variante der Absatzbeile, die wir nördlich des Mains wiedertreffen werden, gehören zwei verzierte Stücke aus dem Hagenauer Walde und vom Ringelsberg b. Oberhaßlach an. Besonders ist hervorzuheben, daß bis auf eine Ausnahme Randbeile in Hagenauer Gräbern fehlen. Eine an größeren Fundreihen zwischen Hagenau und dem östlichen Hessen, wo die Form dieses einzigen Hagenauer Randbeils

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bis zum Ende der Bronzezeit unverändert herrschender Typ ist, gewonnene Statistik belehrt darüber, daß im Elsaß bereits zu Beginn der reinen Bronzezeit das Absatzbeil voll entwickelt war, und daß das einzige Hagenauer Randbeil weniger Vorform als Import zyr entwickelten Bronzezeit ist. Vervollständigt wird die Männerausstattung durch Drahtgürtelhaken mit Spiralenden, die wir aus mehreren süddeutschen Gruppen kennen. Eine späte Pinzette mit Schleifenende steht vereinzelt da. Die Pfeilspitzen zeigen die Form der im süddeutschen Westen beheimateten Dornpfeilspitzen, während die Tüllenpfeilspitzen des Ostens fehlen. Der Form nach nicht nach Männer- und Frauenbesitz zu scheiden sind die Nadeln, die somit das vermittelnde Element zwischen den Grabfunden beider Geschlechter sind. Mit Recht hält Schaeiiei geschwollene durchlochte Nadeln mit reicher Verzierung des Oberteils f ü r die ältesten Typen. Einfacher kolbenförmiger, weich verdickter Kopf ist an den Hagenauer Nadeln besonders kennzeichnend; daneben nimmt man die doppelkonische Kopfbildung des Mittelrheins als einzige der dort begegnenden Sonderformen auf. Eine württembergische Lochhalsnadel (wie Taf. 17, 5) beleuchtet auch sonst zu beobachtende Beziehungen. Ohne vermittelnden Übergang folgt die lange Reihe der Nadeln mit geschwollenem undurchbohrtem Hals und umgekehrt kegelförmigem Kopf, an der Schwellung wie am Kopf mit einfachen umlaufenden Linien, selten Fischgrätenzonen, verziert. Gelegentlich mischt sich unter die einheimischen Stücke mit weicher Schwellung die am Mittelrhein und nördlich des Mains beheimatete Nadel mit abgesetzter Schwellung und Kopf (vgl. Taf. 19,1). Zu den wenigen unbestreitbaren Eigenformen der Hagenauer Bronzezeit gehört ein Nadeltyp, bei dem die Halsscihwellung an den Kopf heranrückt und mit diesem verschmilzt (Karte 11). Sowohl dieser letzterwähnte Typ, der deutlich eine jüngere Erscheinung ist und bis zum Mittelrhein gelangt, wie auch die gewöhnlichen geschwollenen Nadeln entwickeln aus dem einfachen Linienornament eine zarte Rippung, die sich jedoch nicht zu ähnlich barocker Art wie in Württemberg steigert, wie überhaupt ein deutlicher Stilwechsel eines jüngeren reinbronzezeitlichen Abschnitts hier ebensowenig durchgreifend in Erscheinung tritt, wie am Mittelrhein oder im nordmainischen Hessen. Spärlich sind endlich in Frauengräbern Radnadeln vertreten, auch diese auf die Vermittlung des Mittelrheins, dem die Hagenauer Gruppe so viel verdankt, zurückzuführen. Der Schmuck der Hagenauer Frauengräber bietet in mancher Hinsicht Bekanntes. Festen Halsschmuck gibt es nicht, Ketten aus einzelnen aneinandergereihten Spiralröllchen werden jedoch reichlich getragen. Anhänger fehlen bis auf eine württembergische Zierscheibe, einen oberpfälzischen Herzanhänger und einen Satz mittelrheinischer gegossener Stachelscheiben. Armschmuck erscheint in Form massiver Ringe, zunächst mit einer Verzierung in der Art der ältesten Lochhalsnadeln, dann unverziert oder mit schrägen Strichgruppen. Auch ein württembergisches Stück wie Taf. 17,13 mischt sich darunter. Vierkantige Armringe mit Kerbung der Kanten, wohl ein reiner später Typ, fehlen auch in Hagenau nicht. H o l s t e , Bronzezeit

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2. Reine Bronzezeit

Armspiralen sind bemerkenswert häufig, wenn auch nicht so regelmäßig vertreten, wie in den Frauengräbern Hessens. Immerhin spürt man auch hier die Nähe des Mittelrheins. Daneben entwickelte man in Hagenau gerippte Armstulpen, verhielt sich jedoch gegen die allgemein süddeutschen, meist fünf rippigen Armbänder mit Stollenenden (wie Taf. 16,11) ablehnend. Fingerringe sind ungewöhnlich und ohne Eigenart; dagegen zeichnet sich die Hagenauer Bronzezeit durch eine so lückenlose Entwicklung der Beinringe aus, wie wir sie aus keiner betont ausdrücklich, daß es sich nach den anderen Gruppe kennen. Schaeifer Fundumständen ausschließlich um Beinringe handele. Aus Formen mit drahtrundem Körper und gegenständigen Endspiralen (Abb. 5, 10; Karte 9), deren Lebensdauer anderenorts sehr lang ist, erwachsen bald solche mit breitbandigem Körper und meist kräftiger Mittelrippe (Abb. 5, 8), und endlich aus diesen als fortgeschrittenster Typ jene breiten mit strichgefüllten Dreiecken verzierten Knöchelbänder, deren Körper in einen Draht von großer Länge mündet, der nochmals den ganzen Umfang des Bandkörpers rückläufig umzieht, ehe er in gegenständigen Spiralscheiben endet (wie Taf. 17, 3. 7). Als zweifelsfreie Erfindungen der elsässischen Gruppe erobern sich derartige Knöchelbänder nicht, wie man erwarten sollte, den Mittelrhein, sondern erfahren Aufnahme und wohl auch Nachbildung in der württembergischen Spätbronzezeit (Karte 10); damit sind Beziehungen zu dieser Gruppe bestätigt, die sich im übrigen Fundstoff nur zögernd aussprechen. Besonders deutlich ist die Selbständigkeit in der Hagenauer Keramik zu spüren, die dank sorgfältiger Aufsammlung reichlicher vertreten ist, als in mancher anderen Kulturgruppe. Auch hier sind Ähnlichkeiten zur württembergischen Gruppe stärker, als solche zum mittelrheinischen Formenschatz. Freilich bemerkt man, vornehmlich im Nordteil des Hagenauer Waldes, die hohen Tassen mit abgesetztem Hals, die auch am Mittelrhein eine gewisse Rolle spielen. Flache bauchige Tassen mit kurzem aufrecht stehendem Rand (Abb. 6, 2), deren Henkel unterhalb des Randes ansetzt, sind ebenfalls am Mittelrhein bekannt und wenig abgewandelt noch im Bereich der osthessischen Gruppe als einzige typische keramische Form vertreten. Im allgemeinen wird aber das keramische Bild weitgehend von den hochhalsigen Krügen bestimmt, die nichts von dem weichen Schwung der Bayerseicher Krüge (Taf. 20, 3. 5) haben, dafür aber der württembergischen Form mit Trichterhals sehr nahestehen (Taf. 20, 7). Der Rand dieser Krüge, die im Nordteil des Hagenauer Waldes kaum begegnen,

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— der Eberbach bildet etwa die Grenze — ist zum Unterschied von den württembergischen Formen leicht nach außen gelegt und nähert sich der Profilierung, die an den Krügen der leichtgerillten Keramikgruppe gang und gäbe ist (vgl. Taf. 23,1. 2). Auch die Bildung eines Bauchknicks, der zur Abgliederung einer gewölbten Schulter führt, macht Fortschritte, ohne aber dem Anschein nach allgemein üblich zu werden (Abb. 6, 4). Eine bemerkenswerte Hagenauer Sonderform sind die Fußgefäße. Aus dem Nordteil des Hagenauer Waldes sind sie in einfachster, vielleicht ältester Form eines Eierbechers (Abb. 6, 5) bekartnt. In den südlich anschließenden Funden macht das Profil dann manche Wandlung durch; einerseits Einziehung des Randes und Verdickung der Lippe nach innen (Abb. 6, 3), andererseits Umlegung des Randes nach außen und Bauchigerwerden des Körpers (Abb. 6,1) unter gelegentlicher Anbringung von Henkeln, sind Erscheinungsformen, die schwerlich Ausdruck einer typologischen Entwicklung als vielmehr gespaltener Entwicklungslinien sind. Hier versagen die Entsprechungen der württembergischen Keramik, und nur schwer kann man an eine Fernwirkung der oberpfälzischen, Fußschalen verwendenden Gruppe glauben. Flache fußlose Schalen sind selten. Bemerkenswert ist ein Stück, das sich in der Ausbildung gekerbter Randwulste den Rippentellern der Bayerseicher Form nähert. Nur spärlich erscheinen zweihenklige Amphoren ohne sicher datierbare Beifunde. Wichtig für die Beurteilung der Hagenauer Gruppe ist namentlich die Kleinkeramik. Kalottenförmige Schälchen mit oder ohne Henkel sind vornehmlich Träger der Kerbschnittverzierung (Taf. 20, 8). Der niedrig sitzende Bauchknick mancher Tassen ruft Erinnerungen an entsprechende württembergische Formen um Hundersingen wach (vgl. Taf. 18,11), und auch hier findet sich die Vorliebe für ausgelegte Ränder. Henkel werden gelegentlich durch Zapfen ersetzt. Ein zylindrischer Napf, wiederum aus dem Nordteil des Hagenauer Waldes, verbirgt nicht seine Herkunft aus der schnurkeramisch-adlerbergischen Deckeldose. Nahezu alle erwähnten keramischen Formen sind verziert. Überwiegend begegnet man, namentlich an den Krügen, einer einfachen Verzierung von umlaufenden Linien, von denen lange Dreiecke herabhängen. An kleinen Gefäßen beschränkt sich die Verzierung auf mehrere Gruppen umlaufender Linien ohne Dreiecksstellungen. Auch diese Zierweise verbindet die Hagenauer Ware mit der Keramik des Westteils der Alb-Gruppe, lockerer mit jener des Mittelrheins. Buckelverzierung ist ungewöhnlich, im Hagenauer Walde wohl ausnahmslos eine endbronzezeitliche Erscheinung. Nicht allzu reichlich findet der Kerbschnitt Verwendung, der in Technik und Anordnung der Muster dem Kerbschnitt der Schwäbischen Alb nahe verwandt ist. Kennzeichnend für den Hagenauer Kerbschnitt werden auseinandergezogene Zickzackbänder, die wie Wellenlinien wirken (Taf. 20, 6). Kleine hängende Dreiecke am Unterrand der schulterbedeckenden Kerbschnittzone sind Anklänge, wenn nicht Vorläufer der typisch mittelrheinischen Verzierungsart (Taf. 20, 7). Dreieckstempel endlich sind selten, und wie in Württemberg nur ausnahmsweise verwendet. Sicherlich mit Recht setzt 5*

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Schaeiier den Höhepunkt der Kerbschnittverzierung an das Ende der Bronzezeit, wenngleich datierende Bronzen bei den besten Gefäßen fehlen. Doch werden ähnliche besser belegbare Verhältnisse am Mittelrhein als Bestätigung aufzufassen sein. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Die Vorsicht, die Schaeiiei in chronologischen Fragen walten läßt, erscheint angesichts des spröden Fundstoffs der Hagenauer Gruppe berechtigt. Noch größer als in Württemberg ist die Schwierigkeit einer verläßlichen chronologischen Grenzziehung, noch unabweislicher der Eindruck von der Bruchlosigkeit der Entwicklung, nicht zuletzt deshalb, weil es in der eisässisehen Bronzezeit einen so deutlichen Zug zum „Barock", wie er östlich des Rheins zu bemerken ist, nicht gibt. Denn die wenigen Nadeln mit starker Rippung stehen so vereinzelt da, daß in ihnen nicht der Ausdruck eines Stilwandels, sondern nur Import oder bestenfalls fremde Anregung gesehen werden kann. Die sogenannte leichtgerillte Ware aber, die dem Ende der Hagenauer Bronzezeit das Gepräge gibt, ist gleichfalls nicht eine am Ort gewachsene Erscheinung, sondern fremdes Gut, das wir in anderen Zusammenhang einzureihen haben (s. unten S. 95). Mit Sicherheit sind die Formen jener frühen Schicht, die fast überall in den süddeutschen Gruppen nachweisbar ist, und die sich in Hagenau in den alten geschwollenen Nadeln mit Halsdurchbohrung, in gleichartig verzierten Armringen, in Dolchen mit großer viernietiger Griffplatte und wohl auch in den Fußbergen mit rundstabigem Körper äußert, längst verschwunden. Gerade diese Typen reihte Schaeiier in den gleichen Zusammenhang ein, wie die ausnahmsweise erscheinenden frühbronzezeitlichen Stücke, ein Verfahren, dem wir vom süddeutschen Standpunkt naturgemäß nicht folgen können. Wieder sind für die Ausscheidung eines am Ort gewachsenen späten Formenschatzes die Beigaben der Männergräber denkbar ungeeignet. Zwar läßt sich auf Dolche mit verkümmerter Griff platte hinweisen; doch bestehen offensichtlich zwischen diesen kleinen Stücken die längeren Klingen mit hoch-trapezförmiger Griffplatte fort. Bei den Beilen geht die Entwicklung nicht über das von Anbeginn vorhandene Absatzbeil hinaus, und nur eine vereinzelte Sonderbildung (s. S. 74), die offenbar nicht im Elsaß entstand, ist sicher dem Spätabschnitt zuzuweisen. Da es an schwergerippten Nadeln fast fehlt, werden die leichter gerippten Stücke, zumal wenn sie die an den Kopf herangerückte Schwellung besitzen, junger Zeitstellung sein; doch haben wir wie in anderen Gruppen auch hier mit dem Fortbestand gänzlich ungerippter Formen zu rechnen. Völlige Klarheit besteht darüber, daß die Armringe, die als Verzierung ein schräges Leitermuster tragen, an das Ende der Bronzezeit gehören; aber auch sie machen, nach ihrer Verbreitung zu urteilen, nicht den Eindruck einheimischer Typen, was für die spärlichen vierkantigen und verzierten endbronzezeitlichen Armringe (wie Taf. 16,12) ebenfalls gilt. Am Ort entstanden sind sicherlich die Spätformen der Knöchelbandentwicklung (Abb. 5, 9), welche unmittelbar an die älteren breitbandigen Stücke anschließen und nur in

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Hagenau einleuchtend abgeleitet werden können. Im Zuge der auch anderenorts gleichartig verlaufenden Entwicklung stehen die wenigen späten Armspiralen mit verbreitertem Band und gekerbten oder verzierten Außenwindungen. In der Keramik ist nur schwach, etwa in dem leichten Ausbiegen der Kannenränder, vielleicht auch in einer stärkeren Betonung des Bauchknicks, eine Entwicklung zu spüren. Wie in Württemberg fällt die teppichhafte Breite der Zierzone und die Verwendung des Stempels in der Kerbschnittverzierung auf, daneben auch die Anbringung langer hängender Dreiecke als Abschluß des Ornamentfeldes, die sich gleichartig an sicher späten mittelrheinischen Kerbschnittgefäßen findet. Im Hinzutreten von Buckeln zu einfacher Dreiecksverzierung läßt sich zwar wieder ein spätes Element, aber nicht ein einheimisch entstandenes erblicken. Den Funden, die Schaeifer mit Recht weiterhin als spät deutet, merkt man auf den ersten Blick die Fremdartigkeit an. Messer, Nadeln und Armringbruchstücke von Kurzgeländ 5, III oder die Bronzen des Grabes Kurzgeländ 21,1 sind genau sowenig an Ort und Stelle entstanden, wie etwa die „leichtgerillte" Keramik, und wenig überzeugend ist auch die Anknüpfung vereinzelter später Nadeln an die heimische Entwicklung. Wenn also die Ausbeute an eigenwüchsigen Spätformen nur dürftig ist, so liegt das fraglos daran, daß die endbronzezeitlichen Fremdkulturen, die im Rheingebiet zur Wirkung kamen, die vorhandenen Ansätze zu Weiterbildungen erstickt haben.

SCHRIFTTUM G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 173 ff. V. G. Chiide, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 308 ff. R. Henning, Denkmäler der elsässischen Altertums-Sammlung zu Straßburg i. Eis. (Straßburg 1912). A. W . Naue, Die Denkmäler der vorrömischen Metallzeit im Elsaß (Straßburg 1905). F. A. Schaeifer, Les Tertres funéraires préhistroriques dans la Forêt de Haguenau I. (Hagenau 1926).

Die

mittelrheinische

Gruppe

Im Mainmündungsgebiet, dem alten Knotenpunkt vorgeschichtlicher Völkerbewegungen und Kulturbeziehungen, lebt auch in der reinen Bronzezeit eine Kulturgruppe, deren Eigentümlichkeiten ausreichen, um sie als selbständigen Verband unter der Bezeichnung mittelrheinische Gruppe zu führen. Ein Blick auf die Karte belehrt darüber, daß wir es mit einem Landstrich zu tun haben, der für die Höhensiedler der Hügelgräberkultur nicht besonders einladend war. So ist das Entstehen der Gruppe wohl in erster Linie auf die günstige Verkehrslage zurückzuführen, weniger auf den Wunsch der Grabhügelbevölkerung, am Rande der fruchtbaren Rheinebene Ackerbau zu treiben.

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2. Reine Bronzezeit

Abb. 7. Leitformen der mittelrheinischen Gruppe. 1—11. ältere, 12—15. jüngere Stufe. Der mittelrheinischen Gruppe fehlt ein ausgesprochenes Kerngebiet ebenso, wie Geschlossenheit und Ausgeglichenheit im kulturellen Aussehen. Der Rhein wird nicht zur Lebensachse und auch der Main hat eher trennende als verbindende Wirkung. Die weitgeöffnete Wetterau, die eines beherrschenden Flusses entbehrt, begünstigt die Zersplitterung der Kulturenergien, so kommt es, daß trotz grundsätzlicher Gemeinsamkeiten jede schwache Siedlergruppe ein Eigenleben f ü h r t und damit ihre Widerstandskraft gegen Fremdes verliert. Keine süddeutsche Gruppe wirkt uneinheitlicher, als die mittelrheinische, obwohl es ihr nicht an Erfindungskraft fehlt (Abb. 7). Ganz allgemein zählen wir nach dem Vorkommen der sicher mittelrheinischen Typen Starkenburg und Nordbaden bis etwa zur Neckarmündung und das nordmainische Hessen bis zur Wasserscheide zwischen Rhein- und Wesersystem zu ihrem Verbreitungsgebiet und fügen auch manche der wenigen rheinhessischen Funde noch in ihren Verband ein, wie wohl der Rhein, zum mindesten in der Keramik, als Kulturscheide wohl zu bemerken ist. Ä l t e r e r A b s c h n i t t . Es ist sehr bezeichnend f ü r die Eigenart der mittelrheinischen Gruppe, daß gerade in ihrem Bereich, in einem hinter der Fundmenge anderer Gruppen zurückbleibenden Bestand, die ältesten Typen der reinen Bronzezeit besonders zahlreich auftreten. So treffen wir in einer ganzen Reihe von Fällen die Kurzschwertklingen mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte und Hutnieten sowie entsprechende Dolche an (Form wie

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Taf. 10,1). Allein aus dem Rhein bei Mainz, mit seinen allerdings nicht immer gesicherten Fundumständen, stammen fünf Randbeile der geradseitigen Form (Taf. 10, 2.4), die in reiner Ausprägung z. B. in einem Grabfund von Wiesbaden-Geishecke einen der alten Dolche begleitet. Am auffälligsten ist es aber, daß am Mittelrhein die Lochhalsnadeln der Lochham-Mägerkinger Art, die nicht nur allgemein f ü r den Beginn der Hügelgräberbronzezeit in Süddeutschland bezeichnend sind, sondern auch formkundlich in der Zone nordwärts der Alpen anregend wirken, der Ausgangspunkt f ü r eine Reihe eigener Nadeltypen aus Männergräbern werden, die bis zum Ende der reinen Bronzezeit in Geltung bleiben. Damit verlieren diese Nadeln am Mittelrhein ihren chronologischen Wert, den sie in anderen Gruppen z. T. besitzen, was uns davon abhielt, von ihnen als von Leittypen einer süddeutschen Stufe zu reden. Doch belegen sie schlagend die Abhängigkeit dieser Gruppe von jenen ältesten Formen, die hier am wichtigsten Verkehrsknotenpunkt Süd- und Westdeutschlands besonders starke Wirkung ausübten und nicht so weitgehend von Eigenbildungen anderer Art, wie sie in den übrigen Gruppen alsbald erscheinen, überwuchert werden. Nach der Bildung des Kopfes unterscheiden wir drei mittelrheinische Typen der Lochhalsnadel mit ganz verziertem Oberteil, je nachdem, ob der Schaft mit einer gleichmäßigen Verdickung (Taf. 19, 7), einem doppelkonischen (Abb. 7, 4) oder einem verdickt kolbenförmigem Kopf (Taf. 19, 2), ohne den konischen oder gewölbten Abschluß der Mägerkinger Nadeln abschließt (Taf. 16, 2.4). Während sich der zweite Typ nicht immer gegen ähnliche Nadeln des Hagenauer Waldes und auch Südwestdeutschlands abgrenzen läßt, bezeugen die beiden anderen ihre mittelrheinische Heimat eindeutig in ihrer Verbreitung. Wir haben es dabei mit Nadeln zu tun, die fast ausschließlich vom Manne getragen wurden. Gleichfalls dem Manne eigen war die Nadel mit zylindrischer, nicht durchbohrter Schwellung und Nagel- oder Petschaftkopf (Taf. 19,1), die sich namentlich in der osthessischen Gruppe findet und durch die deutliche Absetzung des geschwollenenen Teils und des Kopfes auffällt. An diesen Nadeln zeigt sich in schwacher nie übertriebener Form die Neigung, die ehemals strichverzierten Teile durch Rippung aufzulösen. Die übrigen Beigaben der Männergräber zeigen so recht die schwankende Haltung der mittelrheinischen Gruppe. Randbeile mit geschwungenen Seiten und Absatzbeile mit gerader Rast (Taf. 19,10) finden sich etwa in gleicher Zahl; man könnte meinen, daß sich am Mittelrhein der Übergang von der einen zur anderen Form vollzogen habe, wenn sich in den Verbreitungsverhältnissen nicht deutlich zeigen würde, daß je nach der näheren oder ferneren Nachbarschaft zur Hagenauer Gruppe, die schon seit Beginn der Mittelbronzezeit das Absatzbeil verwendet, oder zum osthessischen Kreis, der bis zum Ende der Bronzezeit beim Randbeil stehen bleibt, die eine oder die andere Form überwiegt. Es mag jedoch berechtigt sein, die besonders schlanke Absatzbeilform, die sich von dem plumpen Typ des Elsaß (Abb. 5, 3) wohl unterscheiden läßt, dem Mittelrhein zuzuweisen (Taf. 19,10). Bis zur Mainmündung und sogar nach Frankreich gelangen auch geknickte Randbeile (Taf. 21, 2), deren Weg von ihrer nordwest-

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deutschen Heimat durch die hessische Senke u n d die Wetterau gut zu belegen ist, und schließlich w i r d m a n Meißel mit geknickten R ä n d e r n in den gleichen Zusammenhang stellen d ü r f e n . Die Dolche gehen etwa den gleichen Entwicklungsweg, w i e in anderen Gruppen u n d wandeln sich von Stücken mit großer viernietiger G r i f f p l a t t e zu solchen mit schmaler hoher Platte und zwei Nieten (Taf. 19,11.18), wobei die Bildung einer Mittelrippe Fortschritte macht. Spärlich gebrauchte m a n Tüllenpfeilspitzen, die dem östlichen Süddeutschland entstammen, u n d auch die Dornpfeilspitze des Westens fehlt nicht. A r m r i n g e u n d Fingerringe trägt der Mann selten, und Toilettengerät ließ sich bislang noch gar nicht nachweisen. Aufschlußreicher ist die Ausstattung der Frau, die sich am Mittelrhein gänzlich, auch in den Nadeln, von der des Mannes t r e n n e n läßt. Denn die Radnadel, deren eigentliches Verbreitungsgebiet e t w a an der Neckarmündung beginnt, diente lediglich dem Gebrauch und d e m Schmuck der Frau. Es ü b e r wiegt die einfachste F o r m mit kreuzförmigen Speichen (Taf. 19, 3), die U r f o r m aller Radnadeln. Zierliche Stücke mit einem Kopfdurchmesser u n t e r 4 cm sind sicher mittelrheinischer Herstellung, zumal dann, w e n n sie die n u r dort v e r wendete dreieckige Öse t r a g e n (wie Taf. 19, 4, stets in der Einzahl). Die Doppelradnadel, deren Entstehung in der W e r r a - F u l d a g r u p p e zu suchen ist (Abb. 8, 4), tritt zahlenmäßig zurück; gelegentlich v e r r ä t i h r kleiner Kopfdurchmesser und eine spitze Öse, d a ß m a n die f r e m d e Vorlage selbständig nachgoß und daß der Export in das f e r n e r e Süddeutschland, nach W ü r t t e m b e r g u n d Nordbayern, vom Mittelrhein ausging. Erst im jüngeren Abschnitt der reinen Bronzezeit kommt es zur Ausbildung eines Sondertyps, dessen Verbreitung die Benennung mittelrheinische Radnadel rechtfertigt. Selbst a r m e G r ä b e r enthalten neben den Radnadeln Armspiralen (Taf. 19,12) als ständige Beigabe, mit D-förmigem oder dreieckigem Querschnitt des Bandes bei wechselnder Windungszahl, die wohl jeweils den Reichtum der Trägerin widerspiegelt. Wie e t w a in der Höhe der Neckarmündung das Dichtezentrum der Radnadeln verschiedenster F o r m beginnt, so belegen auch die Armspiralen das gleiche Gebiet am s t ä r k s t e n u n d sind außerhalb dieses bis zur Unterelbe reichenden Verbreitungsgebietes n u r im Hagenauer Wald nennenswert häufig. Bei dem Versuch einer Ableitung von den frühbronzezeitlichen Spiralen des Alpenvorlandes, die anderen Bandquerschnitt besitzen, drängt sich die Erinner u n g an den Beziehungsstrom auf, der in den Nadeln der Mägerkinger A r t von S ü b a y e r n aus zu verfolgen ist. F ü r A r m r i n g e ist bei einer so weitgehenden V e r w e n d u n g d e r Armspiralen wenig Platz. So sind die F o r m e n einfach, von spitzovalem Querschnitt, leicht v e r j ü n g t oder m i t schwacher stempelartiger Verdickung endend u n d n u r ausnahmsweise verziert. Auch Fingerringe sind ungewöhnlich, es sei denn in F o r m einfacher d ü n n e r Spiraldrähte. A r m b ä n d e r mit gerippter Außenseite und Stollenenden w a r e n nicht einmal als Import beliebt. Doch sind die A r m b e r g e n oder, wie m a n nach Schaefiers Feststellungen auch am Mittelrhein annehmen darf, die Fußbergen nicht selten, namentlich in ihrer alten F o r m mit d r a h t r u n d e m Körper (Taf. 19,15; K a r t e 9), welcher die Entwicklung zu bandförmiger Gestalt

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nach Hagenauer Art nur zaghaft mitmacht. Die mittelrheinische Gruppe folgt nicht so unbedingt ihren südwestdeutschen Nachbargruppen in der Ablehnung des Kleidbesatzes durch Blechhütchen, sondern zeigt sich aufgeschlossener gegen diese Sitte der Ostzone, vor allem in der Spätbronzezeit, als man am oberen Main spitzkonische Tutuli herstellte. Ihren grundsätzlich westlichen Charakter erweist die mittelrheinische Gruppe in der Vorliebe für runde Scheibenanhänger und der gleichzeitigen Ablehnung durchbrochener östlicher Formen. Offenbar in wenigen Werkstätten, da die Stücke meist aus Weißmetall sind, wurden die typisch mittelrheinischen Stachelscheiben mit engliegenden konzentrischen Rippen um einen Mittelstachel und massiver Aufhängevorrichtung mit Rückenöse oder -hülse gegossen (Taf. 19, 8. 9.13.14), die von der Mainmündung bis zum Thüringer Wald vorkommen und selbst um Hagenau und in Württemberg vereinzelt auftauchen. Es handelt sich dabei um ausgezeichnet gearbeitete Stücke, deren Herstellungsgebiet wir trotz der starken Beteiligung Osthessens am Mittelrhein suchen dürfen, wo die jungen Sonderformen mit zarten strahlenförmigen Radialrippen (Taf. 19, 8. 9) oder mit randlichen Knöpfen allein erscheinen. Man trug diese Anhänger an Ketten mit Spiralröllchen gereiht und fügte nicht selten auch Bernsteinperlen hinzu. Wie die württembergischen Anhänger dürften auch die mittelrheinischen Stachelscheiben auf die gleiche vom Ostalpenrand kommende Vorlage zurückgehen, die sich zudem um die Mainmündung mehrfach nachweisen läßt. Rein äußerlich ist die Häufigkeit der Keramik innerhalb der mittelrheinischen Gruppe ungleich. Je näher den Nachbargruppen der Westzone, um so reichlicher tritt sie auf, und in der bekannten Hügelgruppe von Bayerseich bei Darmstadt stellt sie sogar den weitaus größten Anteil unter den Beigaben. Nähern wir uns aber der osthessischen Gruppe, verschwindet die Tonware mehr und mehr aus den Grabfunden, ganz entsprechend der keramikfeindlichen Haltung der letzterwähnten Gruppe. Niedrige breite Tassen mit gedrücktem Bauch und kurzem aufrechtstehendem Rand vertreten die einzige Form, die sich überzeugend an die spätsteinzeitliche Michelsberger Kultur anknüpfen läßt. Kleinere, aber höhere Tassen ähnlicher Profilierung gab die Adlerbergkultur aus ihrem Glockenbechererbe weiter, und die Amphoren sind, wenn sie überhaupt schon dem älteren Abschnitt angehören, zwanglos an die entsprechende schnurkeramische Form anzuschließen. Unbedingt beherrschend ist der weichgeschwungene Starkenburger Krug (Taf. 20, 3. 5), dessen Verzierung meist aus einem einfachen mehrstrichigen Linienband in Henkelhöhe, von dem gelegentlich strichgefüllte Dreiecke herabhängen, besteht. Die Ähnlichkeit mit den Krügen der Straubinger Siedlungsware ist außerordentlich groß. Wir erinnern an das Vorkommen entsprechender Ware in späten altbronzezeitlichen Funden am Mittelrhein und vermuten eine heimische Tradition, die weiterlebt, obwohl die Verbindimg zum Ursprungsland durch andere Gruppen versperrt ist. Es mag, ähnlich wie bei den Lochhalsnadeln, ein alter Typ des Voralpenlandes besonders zäh am Mittelrhein bewahrt worden sein.

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Von mittelrheinischer Eigenart zeugen die weiten Teller mit plastischen Leisten an der Innenwand, die sich zwischen Bayerseich und Gießen finden (Taf. 20,4), und auch grobe Töpfe mit zwei am Rande entspringenden Henkeln lassen sich mehrfach belegen. Ihren Höhepunkt erreicht jedoch die mittelrheinische Keramik erst im jüngeren Abschnitt der reinen Bronzezeit, der sich auch in den Bronzen recht gut absondern läßt. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Wieder muß man feststellen, daß die Ausscheidung junger Formen in der Ausstattung des Mannes so gut wie unmöglich ist. So fehlt es an einer typischen Beilform, und nur eine seltene Variante des Absatzbeils (Taf. 19,6), deren Schmalseiten in der Regel verziert sind, läßt sich mit einiger Sicherheit hierher rechnen, ohne daß man dabei an das Aufhören der übrigen Absatzbeile oder der Randbeile mit geschwungenen Seiten denken dürfte. Auch innerhalb der Dolchentwicklung fehlt eine erkennbare typologische Grenze; große Stücke mit hoch trapezförmiger zweinietiger Griffplatte leben neben kleinen Formen mit verkümmerter Griffplatte (Taf. 19,17). Die Nadeln wandeln sich gleichfalls nur zögernd, und neben Stücken mit gerippter Schwellung des Halses bestehen die strichverzierten und nicht gerippten Nadeln unverändert fort, bilden sogar eine bezeichnende späte Großform aus. Selbst Lochhalsnadeln verschwinden nicht und wachsen ebenfalls zu beträchtlicher Größe an. Neu erscheinen als Import Griffzungenschwerter, die wahrscheinlich vom Norden zum Mittelrhein kamen. Weit sicherer sind auch hier die Anhaltspunkte, die uns die Frauengräber mit ihren Beigaben liefern. Unter den zahlreichen Bestattungen der Bayerseicher Hügelgruppe heben sich die wenigen späten, besonders reich ausgestatteten Frauengräber deutlich ab (Taf. 25,2). Die mittelrheinische achtspeichige Radnadel mit kleinem Innenring (Taf. 19,4) erscheint als ortsgebundene Form mit dreieckigen Ösen oder der eigenartigen spätbronzezeitlichen mehrzackigen Bekrönung (wie Taf. 19, 5), doch löst sie die bereits bestehenden Radnadeltypen keineswegs völlig ab. An Einzelheiten der Verzierung läßt sich feststellen, daß man auch die osthessische Radnadel mit bandförmiger beidseitig profilierter Felge am Mittelrhein nachahmte. Hauptsächlich, wenn nicht ganz, gehören diesem späten Abschnitt die Stachelscheiben (Taf. 19,8.9) mit Randknöpfen und sternförmigen radialen Rippen an, wobei ein Stück sogar die Bekrönung der jungen Radnadeln übernimmt. Die Armspiralen ändern zwar ihren Querschnitt nicht, werden aber in den äußeren Windungen, gelegentlich auch in einer mittleren Windung, durch Punzschläge und selbst durch geometrische Muster verziert. Späte Armringe besitzen rhombischen Querschnitt und Kerbung der Kanten, oder tragen bei rundem Querschnitt das spätbronzezeitliche schräge Leitermuster. Besonders auffällig sind die breiten Knöchelbänder, die am Mittelrhein als eine örtlich gebundene Form auftreten (Karte 10). Ein breiter meist gerippter Körper mündet in gegenständige Endspiralen, deren abgeflachte Außenwindung zarte Punzornamentik trägt. Es handelt sich, wie aus der Verbreitung hervorgeht, um eine nur mittelrheinische Form, die nicht in die Ahnenreihe der südwestdeutschen Stücke mit rückläufigem Draht zu stellen ist. Die gleiche

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Verzierungsart auf einer abgeflachten Außenwindung findet sich an den großen als Anhänger dienenden Brillenspiralen (wie Taf. 12,16), die in weiter Streuung bis in die Oberpfalz vorkommen, doch in Württemberg und im Hagenauer Walde fehlen. Schließlich begegnet man ähnlichen südöstlichen Beziehungen in den reichlich belegten Kugelkopfnadeln mit zart gerilltem Kopf (wie Taf. 12, 5), die fast ausschließlich von Frauen getragen wurden. Es verdient Beachtung, daß die Anlehnung des Mittelrheins an das östliche Süddeutschland vor der späten Hügelgräberbronzezeit kaum zu bemerken ist. Auffallend ist der Reichtum der Frauengräber in dieser Zeit nicht nur am Mittelrhein, sondern auch im östlichen Hessen und stellenweise im übrigen Süddeutschland. Für das Mainmündungsgebiet ist außerdem auf die große Beliebtheit des Bernsteins hinzuweisen, der in Form doppelkonischer Perlen mit platter Ober- und Unterseite zu großen Halsketten verarbeitet wird. Die Ansicht, daß der Bernsteinreichtum in der späteren Bronzezeit abnehme, ist demnach für den Mittelrhein im entgegengesetzten Sinne zu berichtigen. Reine spätbronzezeitliche Erscheinungen lassen sich endlich auch im keramischen Bestand aussondern. So begegnet jetzt erstmalig die mittelrheinische echte Kerbschnittverzierung, namentlich an Krügen mit geschweiftem Profil (Taf. 20,1. 2). Ihr Kennzeichen ist eine breite Zone hängender Dreiecke, die das auf der Schulter liegende Verzierungsfeld abschließt. Gerade am Mittelrhein erhält sich die Technik der echten Kerbschnittverzierung, während die anderen Kulturgruppen mehr und mehr der Stempelverzierung den Vorzug geben. Kaum deutlicher als in der Verbreitung dieser keramischen Gattung (Karte 4) läßt sich die Ausdehnung unserer Gruppe belegen, und es stimmt zu diesem Bilde, daß sich auch die Knöchelbänder mit breitem Körper an das gleiche rechtsrheinische Gebiet halten (Karte 10), in dem es nicht zum Eindringen der leichtgerillten Ware kam. Unter den Gefäßformen findet sich wenig Neues. Die Krüge erhalten schärfere Profile, ja selbst einen kantigen Schulterabsatz, der für die Urnenfelderkeramik der Hanauer Gegend bezeichnend ist. Eine besondere Rolle spielt die Amphore, die auch ausnahmsweise kerbschnittverziert ist. Die kleinen Tassen, als gebräuchliche Beigefäße, erhalten annähernd doppelkonische Form mit leicht ausbiegendem Rand (Taf. 20, 2) und nähern sich damit fast wieder Adlerbergprofilen. Im übrigen strömt aber manches Fremde ein, was auf die Anregung der endbronzezeitlichen rechtsrheinischen Ware, wenn nicht sogar auf jene der entwickelten Urnenfelderkultur, zurückzuführen ist — z. B. Schalen mit geknickter Wandung — und anzeigt, daß die eingesessene bronzezeitliche Bevölkerung ihre Eigenart preisgibt und sich den Neuankömmlingen im Rheintal anzugleichen beginnt. Wenige Worte sind noch über die G r a b h ü g e l k u l t u r d e s N i e d e r r h e i n s zu sagen. Zwischen einer verhältnismäßig dicht siedelnden spätsteinzeitlichen Hügelgräberkulter und den gleichfalls zahlreichen Grabhügeln der Urnenfelderzeit und der entwickelten Haistattzeit klafft eine zeitliche Lücke, die durch wenige ärmliche Funde mit Bronzen süddeutschen und nordwestdeutschen Gepräges nur notdürftig geschlossen wird. Von einer starken Bronze-

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zeitkultur oder gar von einer eigenständigen Kulturgruppe kann am Niederrhein nicht die Rede sein. Schwert- und Dolchklingen, von denen einige als Hügelgräberfunde gesichert sind, Absatzbeile mit gerader Rast, die immerhin auch unter den Einzelfunden reichlicher begegnen, vereinzelte Radnadeln oder Nadeln mit geschwollenem Hals und Petschaftkopf, endlich auch Armspiralen, Spiralröllchen oder Blechtutuli sind kaum mehr als Zeugnisse dafür, daß die niederrheinische Grabhügelkultur unter schwachem Einfluß von Seiten der mittelrheinischen Gruppe stand. Keramik dieses Abschnitts ist bis auf die Kontaktzone in Höhe des Neuwieder Beckens fast unbekannt. Ein einzelner Napf mit umlaufender plastischer Leiste erinnert an ähnliche Formen Niedersachsens, ein Kerbschnittgefäß von Andernach, Kr. Mayen, ist als Bodenfund nur unzureichend beglaubigt, ein anderes kerbschnittverziertes Gefäß wurde nur wegen falscher Ergänzung mehrfach als bronzezeitlich erwähnt. Allein bemerkenswert sind zwei Radnadeln von Kärlich, Kr. Koblenz, mit gitterartiger Füllung des Radkopfes, eine Form, die nirgends in Süddeutschland belegt ist und nur in dem Anhänger aus einem Urnengrab von Gering, Kr. Mayen, ein Vergleichsstück findet. Sicherlich wird die steinzeitliche Grabhügelkultur am Niederrhein fortbestanden und sogar die Bronzezeit überlebt haben. Doch schloß sich dieses Gebiet weder der mittelrheinischen Kultur auf, noch hielt es mit der niedersächsischen Entwicklung Schritt. SCHRIFTTUM F. Belm, Urgeschichte von Starkenburg (Mainz 1936) 15 ff. G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentraiMuseums 6 (Mainz 1916) 177 ff. Ders., Bodenurkunden aus Rheinhessen I. (Mainz 1927) 26 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 310 ff. H. Gropengiesser und F. Holste, Ein Grabfund der Hügelgräberbronzezeit von Mannheim-Freudenheim. Germania 23, 1939, 6 ff. F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen. Vorgeschichtliche Forschungen 12 (Berlin 1939). O. Kunkel, Oberhessens vorgeschichtliche Altertümer (Marburg 1926) 71 ff. F. Kutsch, Hanau II. Kataloge west- und süddeutscher Altertumssammlungen V (Frankfurt a. M. 1926). E. Rademacher, Die niederrheinische Hügelgräberkultur von der Spätsteinzeit bis zum Ende der Hallstattzeit. Mannus-Erg. Bd. 4, 1925, 121 ff. F. Sprater, Die Urgeschichte der Pfalz (Speyer 1928) 79 ff. Die nördliche Zone

Die o s t h e s s i s c h e Gruppe Geradezu ein Musterbeispiel für die Vorliebe der Grabhügelkultur für abgelegenes, schwer zugängliches Gelände bietet die Siedlungsweise der osthessischen Gruppe. Die Täler der Werra und Fulda, die Nervenstränge dieser Gruppe, sind an sich bis auf den heutigen Tag Verkehrswege von untergeordneter Bedeutung. Daß sich die reinbronzezeitliche Siedlung selbst aus diesen Tälern zurückzog und den kleinsten Wasserläufen folgend vor der Ersteigung beträchtlicher Höhen nicht zurückscheute, läßt sich bis ins Einzelne am heutigen

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Denkmälerbestand verfolgen. So häufen sich die Grabhügel an den nordöstlichen Hängen des Vogelsbergs, auf der Höhe des Knüllgebirges, in der Rhön und Werra aufwärts am Südwesthang des Thüringer Waldes. Man glaubt noch die Wege zu sehen, denen der Siedlungsgang folgte, und Schumachers Eindruck, die Besiedlung könne nur von Norden ausgegangen sein, trifft fraglos das Richtige. Nördlich des Knüllgebirges und des Vogelsbergs, gegen die hessische Senke zu, werden die Funde spärlicher und in der Zusammensetzung fremdartig. Hier ist bereits ein Gebiet erreicht, das der Grabhügelkultur nicht mehr zusagte. An den Hängen des Vogelsbergs mit seinen fast radialen Talbildungen gerät die osthessische Gruppe in unmittelbare Nachbarschaft des mittelrheinischen Kreises, dessen Grenze, wie erinnerlich, an der Wasserscheide liegt. Hier weit stärker als über die großen Verkehrslinien erhält die Werra-Fuldagruppe Berührung mit dem Westen und tritt sowohl als gebender wie als nehmender Teil auf (Abb. 8). Ä l t e r e r A b s c h n i t t . Männer- und Frauenausstattung scheiden sich in den Funden völlig, d. h. es fehlen die gemeinsamen Typen, wie etwa Nadeln, die in anderen Gruppen die Verbindung herstellen. Selten überschreitet der Beigabenreichtum den Durchschnitt, und Keramik bleibt als Beigabe so gut wie unbekannt. Durch Vermittlung des Mittelrheins erscheinen auch am Osthang des Vogelsbergs die alten Schwerter mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte und Hutnieten, geradseitige Beile und alte Nadeln mit durchlochter Schwellung, doch nur in sehr bescheidener Zahl. Vollgriffschwerter fehlen bis auf ein altes Stück; die übrigen spärlichen Schwertklingen bieten nichts Besonderes. Ständig begegnet man in der Männerausstattung dem Beil, und zwar verhält sich die osthessische Gruppe ablehnend gegen alle Formen, die anderenorts als Weiterbildungen des Randbeils entstehen. Das Randbeil mit geschwungenen Seiten herrscht unbestritten und kommt etwa in der gleichen Menge vor wie in den anderen Gruppen Süddeutschlands zusammen, ein Zeichen f ü r die Zähigkeit, mit der man im Werra-Fuldagebiet Altes bewahrte. Selbst gegen die Absatzbeile verschloß man sich weitgehend und nur in der Nähe der großen Hauptstraße, die den Mittelrhein mit dem Leinetal verbindet, kommen solche als Einzelfunde reichlicher vor. Die ständige Nadel des Mannes, die an die Stelle der wenigen alten Lochhalsnadeln tritt, ist die Nadel mit Nagel- oder Petschaftkopf und strichverzierter undurchlochter Schwellung. Im Gegensatz zu den verwandten Formen im übrigen Süddeutschland setzt man den geschwollenen Teil des Halses stets, den Kopf gelegentlich, gegen den Schaft ab (wie Taf. 19,1), ein unverkennbares Merkmal nordmainischer Nadeln. Die einfache Strichverzierung führt allmählich zur Rippung, doch handelt es sich dabei nicht um eine Weiterbildung, die allgemein üblich geworden wäre. Nie versteht sich der Mann dazu, eine Radnadel zu tragen, wie umgekehrt die Frau auf die Petschaftnadeln verzichtet. Dolche sind häufig, doch für formkundliche Betrachtung unergiebig. Stücke, die an die ältesten Schwertklingen erinnern, finden sich spärlich und hier, wie

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Abb. 8. Leitformen der osthessischen Gruppe. 1—7. ältere, 8—12. jüngere Stufe. überall in Süddeutschland, f ü h r t der Weg bald zu einfachen zweinietigen Formen mit verkleinerter Kopfplatte und schließlich zu ausgesprochenen Kümmerformen. Bedeutsam ist es, daß Dolche mit Mittelrippe, die stets zart und unscharf abgesetzt ist, sehr beliebt sind. Ungleich reichhaltiger ist die Beigabenserie der Frau. Die beiden Nadeln, die sie nach süddeutscher Sitte an den Schultern trug, waren allgemein Radnadeln, deren älteste Form mit einfachem Speichenkreuz hier nicht seltener ist, als am Mittelrhein, doch stets großen Kopfdurchmesser von über 4 cm besitzt. Im ganzen treten jedoch die einfachen Radnadeln hinter den Doppelradnadeln zurück, die in so großer Zahl vorliegen (Karte 12), daß Osthessen als ihr Heimatgebiet gelten muß. Vereinzelt fanden sich selbst Lüneburger Radnadeln, die die Anregung zu den spätbronzezeitlichen osthessischen Radnadeln gaben. Allgemein erreichen die Radnadeln der Werra-Fuldagruppe beträchtliche Größen, namentlich die Doppelradnadeln, die stets, mit Ausnahme der am Mittelrhein verfertigten Nachahmungen, eine runde Öse besitzen. Als typische Sonderform Osthessens treffen wir die Brillennadel an (Abb. 8, 3; Karte 11), die merkwürdigerweise stets in der Einzahl, gelegentlich sogar neben den Radnadeln getragen wurde. Kein Stück überschreitet die Grenzen der osthessischen Gruppe, so daß an eine Vorläuferschaft f ü r die späteren hallstättischen Brillennadeln nicht gedacht werden kann.

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Der Halsschmuck beschränkt sich auch hier auf Ketten aus Spiralröllchen, an denen man gern Stachelscheiben mittelrheinischer Art (Taf. 19,13.14), aber nur ausnahmsweise Bernstein anbrachte. Nahezu jede Frau trug an den Armen, oft auch an den Knöcheln, Spiralbänder von D-förmigem oder dreieckigem Bandquerschnitt. Demzufolge sind Armringe nur selten, spitzoval oder rhombisch im Querschnitt und unverziert. Die so beliebten gerippten Armbänder Süd- und Norddeutschlands trug man auch in Osthessen, doch gab man ihnen hier eingeschnürte verdickte Enden (Abb. 8, 6; Karte 6). Keramik ist ungemein selten und nur eine große weitmundige Tassenform mit kurzem aufrechtstehendem Rand, die verwandten mittelrheinischen Gefäßen gegenüber steileres Profil besitzt, kann Anspruch auf die Bezeichnung „Typ" erheben. J ü n g e r e r A b s c h n i t t . Nur mit Mühe gelingt es, jüngere Männergräber auszuscheiden. Wir erwähnten den Fortbestand der geschwungenen Randbeile, der Petschaftnadeln mit oder ohne Rippung der Schwellung und der einfachen zweinietigen Dolchklingen. Die Mischung alter und junger Typen ist so groß, daß es nicht zweckvoll erscheint, geringe formkundliche Einzelheiten zur chronologischen Gliederung heranzuziehen. Man würde stellenweise alte Funde jung und junge Funde alt datieren, und für weitere Schlußfolgerungen nicht das Mindeste damit gewinnen. So bleiben als sicher jung nur wenige, größtenteils fremde Typen über, von denen wir die meist verzierte, seltene Abart der Absatzbeile (Taf. 19, 6), die vom Mittelrhein und aus dem Elsaß bekannt ist, spärliche Armringe mit zart gerippter Außenseite und einzelne importierte Kugelkopfnadeln erwähnen wollen. Auch scheinen die nach Osthessen gelangten Tüllenpfeilspitzen des östlichen Süddeutschlands erst dem jüngerbronzezeitlichen Abschnitt anzugehören. Wie am Mittelrhein sind es einige besonders reiche Frauengräber, die wir der Spätzeit zuweisen müssen. Zwar gab man nicht die bewährten alten Radnadelformen auf und bediente sich vor allem weiterhin der Doppelradnadel mit besonders großem Kopf. Doch trug man daneben jetzt gern eine neuartige Radnadel mit breiter beidseitig gerippter Felge, die osthessische Radnadel (Abb. 8, 10, Taf. 19, 5), die nur auf Anregung des Lüneburger Kreises entstanden sein kann. Das Speichenschema dieser Spätlinge der Radnadelentwicklung wiederholt alle Möglichkeiten, darunter auch die eigenartige Anordnung mit rechteckigen oder girlandenartigen Verstrebungen (Abb. 8, 9), die auch dann stets als spätbronzezeitlich gelten kann, wenn die Felge drahtförmig ist. Einfache und mehrfache Ösen, namentlich aber die kronenartigen Stabaufsätze, schließen den Kopf der Radnadeln vom osthessischen Typ ab. Wohl gleichfalls einer Anregung des Lüneburger Gebiets verdanken die hessischen Halsbergen ihre Entstehung. Die Vorderseite dieser so wenig „süddeutschen" Stücke ist, ähnlich wie bei ihren Mecklenburger Verwandten, mit mehreren Rippengruppen bedeckt, die unverzierte Zwischenfelder einschließen. Die Anordnung 3 X 3 X 3 Rippen herrscht dabei vor (Abb. 8,12). Dieser massive Halsschmuck verdrängt keineswegs die Halsketten, die mit ihrem Behang von mittelrheinischen Stachelscheiben jetzt sogar besonders beliebt sind.

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Abb. 9. Molzbach, Kr. Hünfeld, Osthessen. Inventar des Hügelgrabes 8. Vs nat. Gr. Die etwas protzige Reichhaltigkeit der späten Gräber bringt außerdem eine Reihe von Sonderformen, die einstweilen noch zu selten sind, um als Typen gewertet zu werden. Hierher gehören das Gürtelblech und der Halsring von Molzbach, Kr. Hünfeld10) (Abb. 9), die freilich nicht ohne Gegenstücke sind, und auch besonders große Fußbergen mit drahtrundem Körper, die sich ganz an die Form der alten, längst überwundenen mittelrheinisch-Hagenauer Fußbergen halten. Nur durch ihre Verzierung lassen sie eine sichere Datierung zu. Man vergißt daneben aber auch nicht alte vertraute Formen und trägt nach wie vor Armspiralen, jetzt breitbandig und gelegentlich in den Außenwindungen verziert, und Brillennadeln, die ebenfalls verziert werden. Schließlich finden sich auch die massiven Armringe mit schrägem Leitermuster, die wir aus anderen " ) Germania 19, 1935, 8 Abb. 3.

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Gruppen und selbst noch aus Gräbern der Urnenfelderzeit kennen, und die großen Brillenspiralen (wie Taf. 12,16), die ganz die Verzierungsart der Brillennadeln wiederholen, so daß man an einen mehr als lockeren Werkstattzusammenhang glauben möchte. Zur Keramik dieser Zeit ist in Osthessen nichts beizubringen, so daß nach wie vor die Keramikfeindlichkeit betont werden muß. Da auch von der Einwirkung einer Fremdkultur nichts zu spüren ist, vertritt erst der spärliche Urnenfelderniederschlag der Fuldaer Gegend die Unruhezeit vom Ende des 2. Jahrtausends. SCHRIFTTUM G. Behrens, Die Bronzezeit Süddeutschlands. Kataloge des Röm.-Germ. CentralMuseums 6 (Mainz 1916) 200 ff. V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929) 313 f. F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen. Vorgeschichtliche Forschungen 12 (Berlin 1939). O. Kunkel, Oberhessens vorgeschichtliche Altertümer (Marburg 1926) 71 ff. J. Vondeiau, Denkmäler aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit im Fuldaer Lande. 21. Veröff. Fuld. Geschichtsver. (Fulda 1931).

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Lüneburger

Gruppe

Den starken Anteil der süd- und westdeutschen Grabhügelkultur an der älterbronzezeitlichen Entwicklung Nordwestdeutschlands hat erstmals E. Sprockhof in das richtige Licht gerückt und sich dabei f ü r eine Loslösung der Lüneburger oder Ilmenaugruppe aus dem Verbände des nordisch-germanischen Kreises ausgesprochen. Wir dürfen Sprockhofs Vorgang folgen, und zwar nicht allein wegen der beherrschenden Rolle süddeutscher Formen, hier könnte immerhin ein starker Handelseinfluß vorliegen, sondern aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, die kurz angedeutet werden müssen. Die Grabhügelbestattung ist eine so allgemeine Erscheinung zwischen Alpenrand und Skandinavien, daß sie zur Abgrenzung der großen Kreise nicht geeignet ist. Eine Untersuchung der Funde f ü h r t zur Ausscheidung einzelner Kulturgruppen und zeigt, daß jede dieser Gruppen ihren eigenen Formenschatz aufweist und zu ihren Nachbarn mehr oder weniger starke Beziehungen besitzt, um so schwächer, je größer der räumliche Abstand der Gruppen voneinander ist. So gesehen, fügt sich die Lüneburger Gruppe als ein Glied in die Kette der übrigen süd- und westdeutschen Gruppen ein, ohne sich stärker von ihrem südlichen Nachbarn zu unterscheiden, als etwa die oberpfälzische von der württembergischen Gruppe. Dagegen läßt sich unschwer die grundsätzlich andere Haltung des rein nordischen Kreises der älteren Bronzezeit erkennen, von dem wir annehmen dürfen, daß er aus dem Zusammenfließen eines Zweiges der Megalithkultur und eines wohl ebenfalls räumlich begrenzten Teiles der Einzelgrabkultur entsteht. Über manche Beziehungen hinweg, die sich naturgemäß auch zwischen dem Holste, Bronzezeit

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Ilmenaugebiet und dem germanischen Kreis anspinnen, bleiben Unterschiede bestehen, die entscheidender sind als alle anderen Merkmale: die Zone, in der man Radnadeln trug, reicht von der Neckarmündung bis zur Unterelbe; die gleiche Beobachtung ergibt sich, wenn man! die Verbreitung der Armspiralen verfolgt. Weit wichtiger ist es aber, daß der nordische Kreis bereits zur älteren Bronzezeit endgültig zur Fibel übergeht, die bis gegen Ende der II. Periode im Lüneburger Gebiet ebenso fremd bleibt, wie im gesamten übrigen Süd- und Westdeutschland. Es kommt hinzu, daß der nordische Mann fast regelmäßig sein Schwert mit in das Grab nahm, eine Sitte, die in Süddeutschland wie in Nordwestdeutschland nach der Sögeler Stufe nur ausnahmsweise geübt wurde. Schließlich spielt auch die Lanze mit Bronzespitze, die dem nordischen Mann eine selbstverständliche Waffe war, in Nordwestdeutschland eine geringe Rolle und ist südlich des Mains vollends ungewöhnlich. Man erfaßt diese Verhältnisse erst dann richtig, wenn man das Wesen der Lüneburger Gruppe zur Zeit der III. Montelius-Stufe in Vergleich setzt. Obwohl wir damit bereits den Rahmen unserer Darstellung überschreiten, können wir auf diese Gegenüberstellung nicht ganz verzichten. Der im Formenbestand kaum deutlicher zu denkende Einschnitt zwischen der II. und III. Lüneburger Stufe bringt Veränderungen mit sich, die sich kurz folgendermaßen zusammenfassen lassen: Abreißen vieler Alt-Lüneburger Formenreihen, z. B. Armringsätze statt Armspiralen, Halsringe statt Halskragen, Hervortreten der Fibel, Häufigkeit der Schwertmitgabe, Beginn einer kräftigen Lanzenspitzenentwicklung und, als wichtigstes, Abbrechen der einst so starken Südbeziehungen der Ilmenau-Gruppe, so daß sich trotz größerer Fundmenge in dieser Zeit nicht einmal mehr im Leinetal Lüneburger Import nachweisen läßt. Dieser Wechsel trägt seine Deutung in sich. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Die Lüneburger Gruppe erwuchs unter stärkster Beteiligung der Einzelgrabkultur, ja es scheint diese Kultur das eigentlich Bestimmende gewesen zu sein, wie aus der Ballung der Funde rechts der Weser hervorgeht. Da auch die Bildung des nordischen Kreises aus seinen örtlichen Bestandteilen nicht plötzlich vor sich ging, können wir es verstehen, daß erst im Verlauf der älterbronzezeitlichen Entwicklung die Unterschiede zwischen dem Norden und Nordwestdeutschland in voller Klarheit hervortreten. Dieselbe „Entdeckung" weiter, ehemals metalloser Gebiete, die sich sichtbar zu Beginn der älteren Hügelgräberbronzezeit in Süddeutschland vollzog, läßt sich auch nördlich der deutschen Mittelgebirge verfolgen. Im eigentlichen nordischen Kreis, der bereits zur Frühbronzezeit von lebhaftem Aunjetitzer Import getroffen wurde, bemerkt man deutlich die Veränderung, die am Beginn der Stufe Ic Kossinnas vor sich geht. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß hinter dem Erscheinen der Schwerter vom Sögeler Typ der gleiche Vorgang steht, den wir auch in Süddeutschland beobachten konnten und daß infolgedessen von einer Verspätung des Nordens nur so weit geredet werden kann, als dort eine selbständige Frühbronzezeit fehlt. In lockerer Streuung über Nordwestdeutschland erscheinen als älteste Bronzen dieses Gebietes die Beigaben einiger Männergräber, unter denen das

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Kurzschwert vom Sögeler Typ (Taf. 21,1) als Leitform gelten kann. Mit runder großer Kopfplatte, die durch vier und mehr Ringniete mit dem organischen Griff verbunden war, und kurzer, gelegentlich verzierter Klinge verbergen diese Schwerter ihre enge Verwandtschaft mit den ältesten süddeutschen Klingen mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte nicht. Sie können als örtliche Umsetzung dieser weit verbreiteten Form angesehen werden, die sich zudem auch als reiner Import gelegentlich nachweisen läßt. Die nicht bis zur Spitze reichende Klingenverzierung, die aus einfachen Linienbündeln und manchmal kleinen, gegen den Mittelgrat der Klinge gerichteten Bogenstellungen besteht (Taf. 21, 7), kennen wir namentlich von frühen Griffzungenschwertern des Ostalpen-Gebiets, die bis zum Mittelrhein und Schleswig-Holstein als Import nachweisbar sind. So verlängert sich die Linie des althügelgräberzeitlichen Anregungsstroms über die nordmainisch-osthessische Gruppe hinaus. Zum Sögeler Werkstättenkreis haben wir ferner Randbeile zu rechnen, deren Umriß nicht mehr ganz so starr ist, wie bei den ältesten süddeutschen Stücken, die sich aber gleichwohl nicht mit den Randbeilen mit geschwungenen Seiten verwechseln lassen (Taf. 21,13). Eine zweifellos nordwestdeutsche Eigenform ist das Randbeil mit geknickten Seiten (Taf. 21, 2), das als Ausfuhrgut im Leinetal, am Mittelrhein und selbst in Frankreich nachzuweisen ist. Aus neolithischem Erbe stammen die Feuersteinschlagsteine (Taf. 21,8) und -lanzenspitzen, letztere offenbar nur ärmlicher Ersatz der einfachen Bronzelanzenspitzen (Taf. 21,12). Kleine rechteckige Wetzsteine bestätigen durch ihr Vorkommen in anderen süd- und westdeutschen Gruppen das zeitliche Nebeneinander mit dem ältesten Hügelgräberhorizont (Taf. 16, 9). Nadeln sind ungewöhnlich; Rollennadeln oder eine merkwürdig durchbohrte Nadel von Barglay, aber auch zwei Bruchstücke unserer bekannten durchlochten Nadeln aus Südwestfalen können wir hierherrechnen. Herzförmige Feuersteinpfeilspitzen (Taf. 21,10.11) treten nicht selten auf, haben jedoch längere Lebensdauer. Schließlich mögen noch geknickte Meißel erwähnt werden, die wohl kaum an anderer Stelle als die gleichartigen Randbeile beheimatet sein dürften. Wie bemerkt handelt es sich bei den Funden des Sögeler Formenschatzes um Stücke aus Männergräbern, die weit und locker über Nordwestdeutschland verstreut gefunden sind, selbst in Holland noch vorkommen und auch in Schleswig-Holstein nicht fehlen. In weiten Teilen Nordwestdeutschlands setzt sich die so begonnene Entwicklung nicht oder nur spärlich fort und Gebiete, wie etwa das südliche Westfalen, scheinen gänzlich auf der Sögeler Kulturstufe stehen zu bleiben. So können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob Absatzbeile französischer Form (Taf. 21, 6), wie sie etwa von Oldendorf, Kr. Halle in Westfalen oder von Hausberge, Kr. Minden (Taf. 21,4—6) mit altem Dolch und Randbeil, das die geläufige Strichgruppenverzierung der geknickten Randbeile trägt, kennen, bereits zu Beginn der Sögeler Stufe eingeführt sind. In Hügeln von Vorwohlde, Kr. Sulingen, fanden sich nun noch Beigaben aus Frauengräbern, die Spiockhoii etwa als zeitgleich den Männergräbern mit Sögeler Schwertern an die Seite stellt, obwohl ein schwacher, kaum chronologisch klar zu fassender Unterschied zu bestehen scheint. Die Typen dieser

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Frauengräber weisen nachdrücklich in das Gebiet östlich der Weser, wo auch die Hauptverbreitung einer besonderen Absatzbeilform (Taf. 21,3) liegt, die man mit Spiockhoii nordwestdeutsche Form nennen kann. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich die Frauen Nordwestdeutschlands ganz „süddeutsch" trugen. Als Halsschmuck dienen Ketten aus Spiralröllchen und Bernsteinperlen, Nadeln mit einfachem Nagelkopf und Radnadeln halfen zum Zusammenhalten des Gewandes, an den Handwurzeln saßen Armspiralen und einfache Armringe mit spitzen Enden, Bronzehütchen und Blechröhrchen dienten als Besatz von Kleidungsstücken, kurz: Eine Frau vom Mittelrhein oder aus dem östlichen Hessen könnte nicht anders aussehen. Denkt man an die reicheren Funde des Lüneburger Kerngebiets rechts der Weser, so erscheinen die Vorwohlder Gräber ärmlich, fast hinterwäldlerisch. Ausgesprochen dem Ilmenau-Gebiet eigen sind die Lüneburger Radnadeln, deren Kennzeichen nicht, wie man früher annahm, die Zahl der Ösen, sondern die breite, in konzentrische Rippen zerlegte und auf der Rückseite stets glatte Felge ist (Taf.21,14.18; Kartel3). Die einfache kreuzförmige Speichenanordnung entstammt den mittelrheinischen, mehrf ach als Import nachgewiesenen alten Vorformen, und erst der kleine Innenring, der sich am Schnittpunkt der Speichen bildet, wird zum weiteren Kennzeichen Lüneburger Radnadeln, denen allein auch die seltene Sechsspeichigkeit eigen ist. Sicher nicht auf Anregung der süddeutschen Bronzezeit, sondern aus der in der Nähe des nordischen Kreises verständlichen Neigung zu flächigen Bildungen mit linearer Verzierung verdanken die Scheibennadeln ihre Entstehung, auf denen die nordischen Spiralmuster (wie Taf. 21,15) leben, wiewohl die Form selbst im rein nordischen Gebiet fehlt. Als Entlehnung aus dem nordischen Formenschatz, wenn nicht sogar als Lüneburger Eigenform, sind die Gürtelscheiben zu erkennen (Taf. 21,15), deren großflächige Form und saubere Spiralverzierung nichts mit süddeutschem Stil zu tun hat. Durchaus möglich ist es, daß die Halskragen (Taf. 21,16) mit enger Rippung auf der Vorderseite ursprünglich Lüneburger, nicht nordisches Eigentum sind, wie das sicher bei den vielrippigen Stollenarmbändern (Taf. 21, 9), die sich in Vorwohlde fanden und die bis an die Grenze der osthessischen Gruppe gelangten, der Fall ist. Schließlich haben wir auch hier für das Lüneburger Kerngebiet Armspiralen, Armringe von vierkantigem Querschnitt, Halsketten, an denen vereinzelt eine auf südliche Vorlagen zurückgehende Anhängerform (Taf. 21,17) erscheint, und Kleidbesatz in Hütchen- und Röhrchenform zu erwähnen. Die Keramik ist wie im östlichen Hessen ungemein spärlich; einfache Näpfe, gelegentlich mit Schnurösen, sind offenbar in der Mehrzahl verkümmerte Nachkommen der Einzelgrabkeramik. Die Selbständigkeit der Ilmenau-Gruppe spricht sich am stärksten in den Frauengräbern aus, ja es fällt sogar schwer, entsprechende Männergräber in größerer Zahl nachzuweisen. Doch denken wir an die nordwestdeutschen Absatzbeile, westeuropäische Absatzbeile, die als Import vorkommen, einfache Dolchklingen mit beginnender Mittelrippe, lange Schwertklingen und einfache Lanzenspitzen, wie sie schon aus den Sögeler Gräbern bekannt sind, um diese

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Lücke zu füllen. Offenbar war die Ausstattung des Mannes an sich arm. Trotzdem können wir nicht glauben, daß Grabfunde der Sögeler Art im Kerngebiet der Ilmenau-Gruppe bis zum Beginn der reicheren, durch die Lüneburger Lanzenspitzen und das Schwert vom Unterelbetyp gekennzeichnete Männergräber der III. Periode andauern; denn gerade das Land westlich der Weser, wo die Lüneburger Typen kaum Eingang finden, ist ein wichtiges Verbreitungsgebiet der Sögeler Formen. Es mag die Armut der Männergräber mit der allgemein in Süddeutschland üblichen Dürftigkeit verglichen werden, wobei ins Gewicht fällt, daß im Lüneburger Kreis der Dolch stark zurücktritt. So sehen wir die Entwicklung Nordwestdeutschlands etwa folgendermaßen: Die Anregungen, die in Süd- und Westdeutschland zum Hervortreten der vollmetallzeitlichen Grabhügelgruppen führen, geben auch in Nordwestdeutschland den Anstoß zu eigenem, anfänglich auf die notwendigen Waffen beschränktem Bronzehandwerk (Sögeler Formen), das weite kulturell nicht einheitliche Gebiete belieferte. Den Wert kulturgruppengebundener Typen haben diese Stücke zunächst so wenig, wie die ältesten süddeutschen Kurzschwerter und Beile. Erst die Bronzen eines fortgeschrittenen Zeitraums, in dem sowohl die Frage der regelmäßigen Metallbelieferung gelöst war, wie auch die Fähigkeit zum Verarbeiten von einer breiteren Handwerkerschicht getragen wurde, erlauben sichere Schlüsse. Nunmehr treten die Kulturgruppen klar hervor, denn auf die Kontrolle durch Keramik und Grabbau müssen wir verzichten, und damit auch die Unterschiede zwischen dem Lüneburger Gebiet und dem nordischen Kreis. Nordwestdeutschland links der Weser bleibt in der Entwicklung zurück und erfährt offenbar nur geringen Einfluß von der Lüneburger Gruppe und in Westfalen vom osthessischen Kreis. Die Ilmenau-Gruppe führt ein Leben von grundsätzlich süddeutscher Art und empfängt und gibt manche Anregungen, bis zu Beginn der III. Periode die nordische Kultur, wie die Fremdkulturen im süddeutschen Raum, eine gänzliche Wandlung in Formenschatz und Beziehungen hervorbringt. i

SCHRIFTTUM H. Hoffmann, Stand und1 A u f g a b e n der v o r - und frühgeschichtlichen Forschung in Westfalen, II. Westfälische Forschungen 1, 1938, 358 ff. K. H. Jacob-Fiiesen, Dde Lanzenspitzen vom Lüneburger Typus, Schumacherfestschrift (Mainz 1930) 141 ff. Ders., Einführung in Niedersachsens Urgeschichte {Hildesheim und Leipzig 1931) 62 ff, E. Sprockhof, Die ältesten Schwertformen Niedersachsens. Prähist. Zeitschr. 18, 1927, 123 ff. Ders., Hügelgräber bei Vorwohlde i m Kreise Sulingen. Prähist. Zeitschr. 21, 1930, 123 ff. Ders., Niedersächsäsche Depotfunde der jüngeren Bronzezeit. (Hildesheim und Leipzig 1932) 114 ff. Ders., Niedersachsens Bedeutung f. d. Bronzezeit Westeuropas, 31. Ber. d. Röm.-Germ. Kom. 1941, 5 ff. K. Tackenberg, Die Lanzenspitzen vom Lüneburger T y p II. Mannus 24, 1932, 63 ff. Ders., Z u m bronzezeitlichen Formenkreis an Ilmenau und Niederelbe. Nachr. au» Niedersachsens Urgesch. 18, 1949, 3 ff.

3. D I E E N D B R O N Z E Z E I T L I C H E N F R E M D K U L T U R E N ALLGEMEINES Der älteren Forschung galten bestimmte Formen, die jünger als die Mehrzahl der reinbronzezeitliehen Erscheinungen sind, als Erzeugnisse eines späten Abschnitts der süddeutschen Bronzezeit. Mit der Erkenntnis, daß es eine so einheitliche süddeutsche Kultur nicht gibt, daß vielmehr eng begrenzte Gruppen bestehen, daß gerade diese späten Formen in deren Kerngebiet Fremdlinge sind und sich zudem ebenfalls wieder bestimmten Kulturgruppen zuweisen lassen, mußte sich jeder Versuch, Klarheit zu schaffen, mit zwei Hauptfragen beschäftigen: Sind diese späten Gruppen aus der Grabhügelkultur hervorgegangen oder nicht, und wie ist, wenn das letztere der Fall ist, die Fortentwicklung der angestammten Hügelgräberkultur zu denken? Die Antwort auf die erste Frage ist nicht schwer: Das starke Hervortreten der Brandbestattung, der neuartige Formenschatz, die stellenweise andere Siedlungsweise und die veränderte Beigabenzusammensetzung in den Gräbern zeigen, daß wir einem fremden, vom süddeutschen Standpunkt aus unbronzezeitlichen Volkstum gegenüberstehen, das sich der Eigenart der frühhallstättischen Urnenfelderkultur nähert. Dieser neuartigen Wesenszüge wegen sprechen wir von Fremdkulturen, die nun allerdings in sich, soweit wir sehen, keineswegs einheitlich sind. Die Lösung der zweiten Frage ist ungleich schwieriger und, wie wir gestehen müssen, heute noch fast unmöglich. Schon in der Endbronzezeit Nordbayerns war zu bemerken, wie verwirrt die Fäden sind und wie schwer es ist, nur den Anfang des Weges zu finden, der zur Klärung führt. Manches ist gewiß schon in Umrissen zu erkennen; die Endbronzezeit im ganzen ist aber dadurch, daß sie aus der Rolle eines einfachen Spätabschnitts befreit und als selbständiger historischer Abschnitt aufgestellt werden muß, erst eigentlich zu einem Problem geworden. Allgemein bindende Aussagen über das S i e d l u n g s w e s e n der Fremdkulturen sind nicht zu machen. Soviel steht fest: Die Siedlungsgebiete der Grabhügelkultur gehören nicht zu den Stellen, denen sich die Fremdkulturen in erster Linie zuwenden. Daran ändert weder die Riegseegruppe etwas, die nur im Zusammenhang mit der Bewegung der Tiroler Urnenfelder verstanden werden kann, noch die Gruppe mit leicht gerillter Keramik, die neben anderen Gebieten a u c h die Hagenauer Gruppe, oder besser: einen Teil derselben, in Mitleidenschaft zieht. Diese Vorläufer der Urnenfelderkultur betreten das Neuland tastend an den hauptsächlichsten Verkehrsadern, gelangen offenbar nicht sofort zur vollen Seßhaftigkeit und geben daher ihr eigentliches Verhältnis zum Boden nicht unmittelbar zu erkennen. Nur die danubisch-sudetische Gruppe und der westböhmische Pilsener Kreis liegen in ihrer Gesamtheit im Wirkungsbereich der Fremdkulturen, in diesem Falle der echten Lausitzer Kultur.

Die Mels-Rixheimgruppe

87

Für die Anlage von Befestigungen haben wir keinen Hinweis, wie auch die Grabfunde nicht für umfangreiche Siedlungen sprechen. Als Bestattungsbrauch ist Verbrennung der Toten die Regel, doch sind Skelettgräber nicht unbekannt und wohl ebenso wie Beisetzung in Hügeln der Wirkung der Grabhügelkultur zuzuschreiben. Der Grabbrauch erweist sich stellenweise überhaupt als ein besonders zählebiges Kulturelement, z. B. in Südwestdeutschland, wo Steinkisten in Hügeln von der Frühbronzezeit bis in den späten Abschnitt andauern und nur die Brandbestattung die neue Zeit verkündet. Hortfunde aus diesem Zeitabschnitt fehlen, sowohl solche, in denen der Typenschatz der Fremdkulturen in reiner Form vorläge, wie solche, die etwa von der Grabhügelkultur niedergelegt sein könnten. Böhmen und bis zu einem gewissen Grade auch die Oberpfalz scheinen allerdings eine Ausnahme zu machen. Doch sind hier, wo eine Grenze zwischen der Endbronzezeit und der folgenden Frühhallstattzeit nicht zu ziehen ist, nach Analogie zum übrigen Süddeutschland die Schatz- und Verwahrfunde sicherlich erst der Urnenfelderzeit zuzuweisen, wenn auch endbronzezeitliche Typen in ihnen begegnen. So wird man bei allen Veränderungen, welche die Endbronzezeit mit sich brachte, kaum an weittragende kriegerische Verwicklungen zu denken haben.

DER Die oberrheinische

F U N D S T O F F Fremdgruppe

Mels-Rixheim

G. Kraft hat sich in eingehender Untersuchung mit einer endbronzezeitlichen Fundgruppe (Abb. 10) beschäftigt, deren Hauptverbreitungsgebiet am oberen Rhein und am Westalpenrand liegt. Männer- und Frauengräber haben völlig verschiedene Beigabeninhalte. Ihre Zugehörigkeit zu einer und derselben Kulturgruppe schließt Kraft aus spärlichen Anzeichen, und es finden sich merkwürdigerweise auch in neuerer Zeit nur Einzelgräber von Männern oder Frauen, nicht geschlossene Friedhöfe, die jeden Zweifel beheben könnten. So ist es nicht unmöglich, daß sich in kommender Zeit neue Zusammenhänge ergeben, wenn auch heute kein Grund besteht, von der sehr wahrscheinlichen Einordnung Krafts abzugehen. In den Frauengräbern herrscht Brandbestattung, während sich die Beigaben der Männer gelegentlich auch bei Skeletten finden. Der Mann besitzt, soweit wir nach den sicher zuweisbaren Gräbern urteilen dürfen, regelmäßig ein Schwert, daneben meist ein Messer, nie jedoch ein Streitbeil, die unentbehrliche Waffe des Mannes der Grabhügelkultur, und nur ausnahmsweise einen Dolch. Die Beigabe von Schwert und Messer ist nicht bronzezeitliche Sitte, sondern eine in der Urnenfelderkultur gebräuchliche Ausstattung. Das Fehlen des Streitbeils und das Vorkommen von Zungengürtelhaken, ganz abgesehen von der Brandbestattung, lehrt, daß wir es im wesentlichen mit einer Bevölkerung von Urnenfelderart zu tun haben. Bezeichnend ist das seltene Vorkommen von Nadeln in Männergräbern,

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3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

Zwei untereinander sehr verwandte Schwertformen und manche Varianten dieser Typen sind zu unterscheiden. Der erste, von G. Kraft Typ Rixheim genannt (Taf. 22, 2), besitzt hochdreieckige mehrnietige Griffplatte und meistens eine deutliche Mittelrippe auf der Klinge, von zwei Linien oder zarten Rippen, die am Heft des vergangenen Griffes gegen den Rand zu ausbiegen, begleitet. Die Griffgestaltung steht nicht sicher fest; je ein Vollgriffschwert von Wangen und von Spandau mögen einen Hinweis geben. Der Monzatyp Kiafts fügt zu einer ähnlich gestalteten Griffplatte noch einen mehr oder weniger langen Griffdorn hinzu, wobei die Griffplatte in der Regel eine leichte Einschnürung unterhalb der Nietlöcher besitzt, vielleicht eine Erinnerung an die Scheinnietlöcher älterer südwestdeutscher Schwerter und mancher Rixheimschwerter. Vom Typ Monza, den Kraft iiur sehr allgemein typologisch bestimmt, ist sorgfältig ein dritter Schwerttyp abzugrenzen, den wir nach einem bekannten Fund als Typ von Pepinville 11 ) bezeichnen möchten, und der bereits typologisch wie nach den Beifunden jenem älteren Urnenfelderabschnitt angehört, der durch die Nadel vom Binninger Typ gekennzeichnet ist. In der Regel erscheint in den Männergräbern neben dem Schwert das Messer, z. T. in bemerkenswerten Sonderbildungen. So begegnen unmittelbare Verwandte des Riegseemessers, denen man gleichwohl auf Grund kleiner Einzelheiten ansieht, daß sie im Westen gefertigt sind. Auch Frauengräber enthalten Messer, ein verbindender Zug der sonst ganz unterschiedenen Beigabenreihen. Bei einem zweimal belegten Typ nimmt eine Tülle am Ende der Klinge ein Zwischenstück aus organischem Stoff auf, das wiederum durch eine Hülse mit Endknopf abgeschlossen wird (Abb. 10,8). Ein Messer von Alterswil leitet zu den Messern mit gelappter Griffzunge und Endring über, deren Klinge nicht selten nahe der Spitze eine kleine Nase besitzt. Unverkennbar spiegelt sich in dem Vorkommen dieser Messer, von denen etwa ein Dutzend Stücke bekannt sind, das Verbreitungsgebiet der beiden besprochenen Schwertformen mit ihrem westalpin-oberrheinischen Zentrum und den Ausläufern zum Mittelrhein und Nordwestfrankreich wider. Den spärlichen Dolchen sieht man an, daß bei ihrer Formgebung die Griffzurigenmesser Pate standen; denn in keiner Gruppe der Hügelgräberbronzezeit kam man auf den Gedanken, die Niete übereinander anzuordnen. Über das Aussehen des vergangenen Griffs belehrt ein Stück von Mels. „Unbronzezeitlich" sind ferner massive Gürtelhaken mit langer Zunge, von denen einstweilen nur wenige Stücke bekannt geworden sind. Merkwürdig ist das Fehlen von Nadeln in den bislang beobachteten Männergräbern. Zieht man ein Grab von Courtavant, Dep. Aube, heran, so ließe sich ein bestimmter schwer gerippter Nadeltyp mit kleinem Kopf zuweisen, der tatsächlich im Oberrheirigebiet in Streufunden mehrfach vorliegt. Auch die übertrieben großen gezackten Nadeln (Taf. 16, 7) wären zu nennen, bei denen Kraft einleuchtend ein westalpines Heimatgebiet vermutet. Jedenfalls fehlen die Mohnkopf- und Pyramidenkopfnadeln der Frauengräber, die offensichtlich ") Jahrbuch der Ges. f. lothring. Gesch. und Altertumskunde 1903, 475.

Abb. 10. Leitformen der Gruppe Mels-Rixheim.

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3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

vom Manne nicht getragen wurden, wenn dessen Tracht nicht überhaupt die Verwendung von Nadeln unnötig machte. Reine Vertreter des „barocken" endbronzezeitlichen Stils sind die Beigaben der Frauengräber. So haben die sogenannten Mohnkopfnadeln (Taf. 22, 3. 5), der häufigste Nadeltyp, stets kräftige Profilierung des Halses, die lebhaft an die Schaftgestaltung der Riegseekugelkopfnadeln erinnert (Taf. 22,12). Der Mohnkopf selbst begegnet in den verschiedensten Stadien der Auflösung; das breite, mit senkrechten Linien verzierte Zwischenstück des Kopfes schrumpft gelegentlich zu einer Scheibe zusammen. Die erwähnte Schaftgestaltung, aber auch glatten Schaft, trifft man an dem zweiten nicht so häufigen Nadeltyp, der Pyramidenkopfnadel (Abb. 10, 7), die sorgfältig von den Nadeln des Eschenbacher Typs (Taf. 12, 8) zu scheiden ist. Schwere Rippung ist weiterhin an den Armringen geläufig; sie bedeckt den ganzen Körper bis zu den schwach verdickten, gerade abgeschnittenen Enden, oder sie beschränkt sich auf eine ovale Zone auf der Schauseite (Taf. 22,4). Die Ähnlichkeit mit den schweren Armringen des Riegseegebiets kann nicht größer gedacht werden. Gedrehte Armringe, bei denen die Drehung im Guß erzeugt ist, unterscheiden sich meist durch große Massigkeit von gleichartigen reinbronzezeitlichen Stücken und besitzen glatt abgeschnittene oder eingerollte Enden. Eine merkwürdige Sonderform der oberrheinischen Fremdgruppe sind die S-förmigen, in Spiralen endenden Drahthaken, deren Bestimmung nicht feststeht (Abb. 10, 4). Wie bereits erwähnt, trug auch die Frau Messer. Bernstein begegnet in einem Fund; er mag in anderen Fällen dem Leichenfeuer zum Opfer gefallen sein. Eine empfindliche Lücke, der schon von Kraft beklagte Mangel an Keramik, ist auch durch neuere Funde nicht gefüllt. Immerhin zeigt eine Scherbe von Wolfganzen bei Colmar die scharfe Randknickung der Urnenfelderkeramik, und Form und Verzierung des Gefäßes von Mels führen in unmittelbare Nähe der unten zu besprechenden endbronzezeitlichen Ware rechts des Rheins. Keinesfalls dürfen wir die Gräber der oberrheinischen Gruppe dem Kreis der sogenannten leichtgerillten Ware (s. unten S. 95) zuweisen, wiewohl in französischen Funden beide Erscheinungen nebeneinander vorkommen. Es ist sehr wohl möglich, daß die oberrheinische Mels-Rixheim-Gruppe ebenso unbeholfen in keramischen Fertigkeiten war, wie die Gruppe der leichtgerillten Ware im Bronzehandwerk. Die Frage nach der Herkunft der oberrheinischen Fremdgruppe ist nach ihren Formen nicht klar zu beantworten. Unverkennbar sind die Beziehungen zur Riegseegruppe, und es fällt schwer, sich etwa einen westlichen Kulturherd im endbronzezeitlichen Mitteleuropa vorzustellen, der unabhängig den Stilgesetzen östlicher Gruppen gefolgt wäre. So glauben wir mit E. Vogt an eine letztlich östliche Herkunft und können auch Oberitalien, dem Krait eine sehr aktive Rolle zutraut, nur als Kolonisationsgebiet dieser Gruppe betrachten, die nach Ausweis der Funde keine Scheu vor dem Wall der Alpen besaß.

Die Die

Riegseegruppe

91

Riegse egr u p pe

Die Kenntnis eines auf engstem Raum in Oberbayern erscheinenden fremden Formenschatzes brachten vornehmlich die umfangreichen Grabungen ./. Naues im Ammer-Staffelseegebiet, deren Fundmengen einen so starken Eindruck hinterließen, daß bis heute die Vorstellung, es handele sich bei den Riegseefunden um den endbronzezeitlichen Formenschatz der Hügelgräberkultur schlechthin (Abb. 11), noch nicht überwunden ist. Die Zahl der fundreichen Gräber, die dem späten Horizont der Riegseegruppe angehören, ist nur gering. Daneben gibt es in den gleichen Hügeln ältere Bestattungen. Verbrennung ist in vollem Umfang herrschend. Wiewohl mit einzelnen Brandgräbern der reinen Bronzezeit zu rechnen ist, wie auch Skelettgräber des späten Horizonts begegnen, ist doch die Einteilung alter und junger Gräber, die Naue nach dem Bestattungsbrauch vornimmt, für die Frage nach der Volkszahl nicht belanglos. Daß wir allerdings eine Fremdkultur vor uns haben, die nicht am Ort entstanden ist, und daß man es sich folglich versagen muß, Naues Verhältniszahlen für die relative Zeitdauer seiner Stufen auszunützen, lehren die Funde. Im Beigabenbestand der Männergräber zeigt sich sofort, daß die Träger der spätbronzezeitlichen Riegseekultur ihrem Wesen nach einer Urnenfelderkultur angehören, obwohl die Grabhügelbestattung der Vorbevölkerung herrschend ist. Wie in der oberrheinischen Endbronzezeit verzichtete man gänzlich auf das Streitbeil; der Dolch wurde nur gelegentlich und dann in Form des neuartigen Peschieradolches verwendet, das Messer dagegen tritt als ständige Beigabe mit kurzer, meist abgerundeter Griffzunge und zwei Nietlöchern (Taf. 22,13.14) auf. Als kennzeichnendes Schwert, das offenbar nicht so regelmäßig beigegeben wurde, wie es am Oberrhein der Fall war, erscheint das Vollgriffschwert der Riegseeform (Taf. 22,1.6) mit weich gerundetem Heft, ovalem, gegen das Heft zu gelegentlich kantig werdendem Griffteil, dessen größte Ausladung nahe dem Klingenansatz liegt, und runder Kopfscheibe, die von einem kleinen runden Knauf überragt wird. Die Verzierung dieses bis in Einzelheiten konstanten Typs, den man gern als Erzeugnis einer oder weniger Werkstätten ansehen möchte, besteht in der Regel aus senkrecht stehenden, paragraphenartig ineinandergreifenden Spiralhaken, die auch den Knauf der Kopfplatte umgeben. Formkundlich steht das Riegseeschwert den Donauschwertern mit achtkantigem Vollgriff nahe (Abb. 12); P. Reineckes Ansicht von der Entwicklung der ersteren aus der letzteren Form scheint uns jedoch nicht wahrscheinlich. Wieweit chronologische Schlüsse, wie er sie zieht, Gültigkeit haben, bleibt somit dahingestellt, denn gerade östlich des Verbreitungsgebiets der Schwerter mit achtkantigem Vollgriff (Karte 7) finden sich die Riegseeschwerter in größerer Zahl, so daß man hier ihr Entstehungsgebiet, wie das vieler Riegseebronzen, vermuten möchte und zeitweiliges Nebeneinander der typologisch älteren und jüngeren Form, ja sogar wechselseitigeBeeinflussung in der Berührungszone, vermuten darf. Außer den Schwertern, unter denen nunmehr auch Typen mit Griffzunge vorkommen, und den Messern, die gelegentlich ebenfalls eine Griffzunge und dann einen Endring besitzen, wie ihn die westlichen, in einem Falle im Riegsee-

92

3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

Abb. 11. Leitformen der Riegseegruppe. gebiet als Import erscheinenden Tüllenmesser haben, ist die Ausstattung des Mannes arm. Nadeln bestreiten allein den Schmuck, auch hier zu der Ausstattung der Frauengräber vermittelnd. Keiner der Nadeltypen der Riegseebronzezeit besitzt Vorformen am Ort, obwohl die Formenfülle beträchtlich ist. Die typische Riegseenadel hat kugelrunden Kopf und nicht geschwollenen, mit breiteren und schmaleren Rippen versehenen Hals (Taf. 22,12); sie erreicht dieselbe bedeutende Länge wie die Turbankopfnadel (Taf. 22,8), deren leicht geschwollener Hals schwer gerippt ist. Sehr beliebt sind Vasenkopfnadeln mit horizontaler Linienverzierung an der

Die Riegseegruppe

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weitesten Ausladung des Vasenkopfes (Taf. 22, 7); nur ausnahmsweise begegnen die gerippten Vasenkopfnadeln der bayerisch-tiroler Urnengräber. Neben diesen mehrfach bezeugten Nadeltypen stehen andere weniger geläufige mit verschiedenartiger Kopfbildung, denen gemeinsam ist, daß sie nicht die mindesten Anknüpfungspunkte an die Formen der Mittelbronzezeit Südbayerns besitzen. Der Schmuck spielt in einigen Frauengräbern eine große Rolle. Halsketten aus Spiralröllchen trug man auch hier, Bernstein entging wohl meistens den wenig geschulten Ausgräbern. Anhänger in Radform (wie Taf. 17,10) mit einem Speichenschema, das an Radnadeln des Mittelrheingebiets erinnert, wechseln mit Brillenanhängern, deren Bügel und äußerste Windung gedreht ist (Abb. 11,8). Prachtstücke sind Gürtelbleche mit einer Zonenverzierung laufender Spiralen. Die Armringe sind stark und schwer, am ganzen Körper oder in einem abgegliederten Mitteloval gerippt (Taf. 22,9—11), bzw. mit kräftig eingetieften Bogenstellungen verziert. Ein vereinzelter Gürtelhaken mit langer Zunge und Verzierung ist, wie die westlichen Vergleichsstücke, sehr massiv und besitzt zum Unterschied von den geläufigen Urnenfeldertypen eine Rückenöse. Leider nur schwach vertreten ist die Keramik. Bauchige Tassenformen mit breitem Trichterhals und X-förmig gebildetem Henkel tragen am Bauch eine kräftige Riefenverzierung (Taf. 22,15.16). Plastische Leisten erinnern an keramische Formen nördlich der Donau (vgl. Taf. 23, 8), ebenso strichgefüllte langgezogene Dreiecke und Rauten. Die Spärlichkeit der Tonware läßt keinen Überbück gewinnen, wieweit selbständige Bildungen der Riegseegruppe oder Einflüsse von außen vorliegen (vgl. unten S. 99). Den urnenfelderartigen Charakter betont eine Zylinderhalsurne mit weich abgesetztem Rand. Eine kleine Schale besitzt ausgeprägten reichen Kerbschnitt und daneben Kreisaugen, die an südbayerischer Kerbschnittware wieder begegnen und, wie die Ziertechnik selber, im Riegseekreis fremd sind. Schließlich erinnert ein großer Topf lebhaft an die Siedlungskeramik der Frühbronzezeit und verwandte Formen der frühen Hallstattzeit. Obwohl die Keramik wenig zur Klärung der Herkunftsfrage beiträgt, ist sie doch für deren Erörterung im Zusammenhang mit den Bronzen nicht unwichtig. Eng mit dem Formenschatz der Riegseegruppe verbunden sind die ältesten Gräber der Tiroler Urnenfelderkultur, in denen die schwergerippten und mit Bogenstellungen verzierten Armringe, Nadeltypen der erwähnten Art und manche keramische Entsprechungen begegnen. Den Zusammenhang dieser Urnenfelderkultur des Inntals mit dem neu belebten Kupferbergbau wird man ebensowenig leugnen können, wie die Tatsache ihres plötzlichen Auftretens, in dem sich fraglos eine Neueinwanderung ausspricht. Die offenbar wenig zahlreichen Fremdlinge der Riegseebronzezeit sind ein Zweig des gleichen Stroms, dessen Ursprung einstweilen nicht näher bestimmbar ist, obwohl Fundgruppen wie Gemeinlebarn und Baierdorf12) wertvolle Hinweise geben. Schwacher ") J. Szombathy, Prähistorische Flachgräber bei Gemeinlebarn in Niederösterreich. Römisch-Germanische Forschungen 3 (Berlin und Leipzig 1929) Tal. 15 ff. — Mitt. Anthr. Ges. Wien 61, 1931, Taf. I—III.

3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

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Typus Spatzenhausen

Schwerter mit achtkantigem Vollgriff

Riegsee - Schwerter

Umriß der Kopfplatte

spitzoval

rundoval

rund

Knaufknopf

spitzoval

rundoval

rund

Übergang von Knaufplatte zum Vollgriff

straff

weich

straff oder eckig

Griff umriß

gerade Seiten

in der Mitte gebaucht

nahe dem Heft gebaucht

Griffquerschnitt

spitzoval

achteckig

oval bis rhombisch

Heft

starr, gespreizt

starr, straff

hängend, gewölbt

Heftbogenform

Dreiviertelkreds

Dreiviertelkreis

Halbkreis

Verbindung von Heft und Klinge

weiches Übergreifen

gleichmäßig hohe Kante

Kante mit größter Höhe am Scheitel

Klingenansate

kräftig einziehend

stark einziehend

schwach einziehend (Sägezähne)

Klingenquerschnitt

dachförmig

dachförmig und Mittelrippe

Mittelrippe und getrepptes Profil

Abb. 12. Formvergleich 1. der Schwerter vom Typus Spatzenhausen, 2. der Schwerter mit achtkantigem Griff, 3. der Riegsee-Schwerter.

Die „leichtgerillte Ware"

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Export von Riegseebronzen über das enge Verbreitungsgebiet am Staffelsee hinaus erklärt sich wohl aus der verstärkten Aktivität im Bergbau, so daß es scheint, daß man sich wieder den Verhältnissen der Frühbronzezeit nähert. Daß bereits in der Höhe von München der Gegendruck der eingesessenen Bronzezeitkultur erheblich ist und hier schon der völkische Einfluß der Eiegseegruppe aufhört, zeigte sich bereits. Im ganzen ist die Riegseegruppe kaum mehr als eine in ihrer Bedeutung bislang weit überschätzte, aus Fremdem und Bodenständigem zusammengewachsene, räumlich eng begrenzte Gruppe.

Die

„leichtgerillte

Ware"

Neben den eindeutigen, in den Bronzen als selbständig erkennbaren Fremdgruppen der Endbronzezeit stehen Erscheinungen, die nicht ohne weiteres die Bezeichnung „Kultur" oder „Kulturgruppe" verdienen. Es handelt sich um bestimmte Keramiksorten, die sich zwar ausgezeichnet gegen Älteres abgrenzen lassen, ohne einleuchtende Vorformen am Ort zu besitzen, die aber nicht mit einem eigenen Formenschatz an Bronzen verbunden sind. Auf Grund mancher kennzeichnender Einzelzüge unterscheiden wir zwei Hauptgruppen später Keramik, von denen die eine sicherer zu begrenzen ist als die andere. Hinter der ersten, die Kraft nach der eigentümlichen schmalriefigen Verzierung als leichtgerillte Irdenware bezeichnet hat, können wir mit einiger Sicherheit noch eine geschlossene Kultur vermuten, deren Umfang und Herkunft allerdings noch im Dunkel liegt. Aus pfälzischen Flachgräbern mit Leichenbrand oder Skelettbestattung, aber auch aus Grabhügeln des Hagenauer Waldes und der Pfalz kennen wir den Formenkreis der leichtgerillten Ware. Was der Flachgrabritus und die Brandsitte schon andeuten, bestätigen die Profile der Gefäße: Nicht eine Fortbildung der Grabhügelkultur, sondern eine von Urnenfeldergeist bestimmte Gruppe haben wir vor uns. Kantiger Umriß, scharf abgeknickte Ränder, senkrechte Halspartien an Kannen und Urnen entstammen nicht dem Formgefühl der Grabhügelkultur. Wir treffen die sogenannte Zylinderhalsurne mit oder ohne ausgelegten Rand (Taf. 23,4. 5), und namentlich die Schale mit geknickter Wandung ist unbestreitbar Audruck des Stilwillens der Urnenfelderkultur, der sich nunmehr auch bei Gefäßformen durchsetzt, die aus dem einheimischen Grabhügelerbe stammen dürften. Die Straffung der Umrisse und die Halsabsetzung bei den Amphoren von Knittelsheim (Taf. 23, 5) oder der steile Hals und der umgelegte Rand einer Kanne von Schifferstadt (Taf. 23,2) erläutern treffend die Wandlung, die mit den angestammten bronzezeitlichen Formen vor sich geht. Als bezeichnende Sonderform begegnen gedrückte tassenartige Gefäße mit breitem abgeknicktem Rand und Bandhenkel auf der Schulter (Taf. 23, 3). Den Namen für diese Tonware nahm G. Kraft von der eigenartigen Verzierung (Taf. 23,1—6) mit seichten Rillen her, die in gleichmäßiger Anordnung von senkrechten unter waagerechten, seltener schrägen Gruppen Schulter und

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3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

Bauch der Gefäße bedeckt. Eingestochene Punktreihen werden weniger zu selbständiger Ornamentik herangezogen, als vielmehr in Verbindung mit der Rillung zu Saum- und Abschlußmotiven benutzt. Aber auch die Kraft der heimischen Kerbschnittverzierung ist nicht gebrochen, und nirgends läßt sich die Stelle, wo der Kerbschnitt in die entwickelte Urnenfelderkultur überging, mit größerer Berechtigung suchen, als im Bereich der leichtgerillten Keramik. Ohne Zusammenhang mit älterer Buckelverzierung, etwa in Württemberg, dürften die aufgesetzten, z. T. von Rillen umzogenen brustförmigen Buckel mancher Gefäße entstanden sein (wie Taf. 24,1). Die Verbreitung der leichtgerillten Ware kann einstweilen nur ungenügend überblickt werden. Gegen Osten scheint der Rhein nur ausnahmsweise überschritten zu sein, so zu Rheinsheim bei Bruchsal und Ihringen bei Freiburg. Ein ausgesprochenes Hauptverbreitungsgebiet dürfte in der Pfalz und im Südteil Rheinhessens zu suchen sein, und es ist möglich, daß sich auf der linken Seite des Rheins weitere Verbindungspunkte zum Martinsberg bei Kreuznach auffinden lassen, wo leichtgerillte Tonware mit reiner Urnenfelderkeramik in Siedlungsschichten nachgewiesen ist. Eng verbunden mit der Frage der Herkunft unserer Gruppe ist das einstweilen ungelöste Problem ihrer Westausbreitung. Eindeutige Funde gibt es in der Cöte d' Or, und zum mindesten Verwandtes findet sich noch westlich der Loire und in der Normandie. Leider läßt sich auch von den Bronzen keine klarere Auskunft erlangen, denn es ist abgesehen von der, nach Urnenfeldersitte, Spärlichkeit der Metallbeigaben nicht möglich, einen entsprechenden klar umrissenen Formenschatz an Bronzen der so bezeichnenden Keramik beizugesellen. Darüber haben wir jedoch völlige Sicherheit, daß die leichtgerillte Ware nicht der oberrheinischen Spätbronzezeit mit Mohnkopfnadeln und Rixheimschwertern angehört. Der Bronzereichtum einerseits, selbst wenn alle Keramik verworfen wurde, und die meist rein keramische Ausstattung der pfälzischen Gräber andererseits sind Gegensätze, die sich schlechterdings nicht vereinigen lassen. So bleibt es dahingestellt, ob unter den als Beigaben gefundenen Bronzen einzelne Formen sich einmal dem Kreis der leichtgerillten Ware zuschreiben lassen werden, wiewohl die Hoffnung auf eine klare Lösung nicht groß ist. Mag es sich um eine schwere Nadel württembergischen Typs, um mittelrheinische Nadeln des „Mainzer" Typs, Dolche mit zwei übereinanderstehenden Nietlöchern und Messer mit kurzer Griffzunge, schließlich auch um Hirtenstabnadeln, gedrehte Armringe, gezackte Nadeln oder zweischneidige Rasiermesser alter Form handeln, stets haben wir Grund zu der Annahme, daß ihr Entstehungsgebiet nicht im Bereich der leichtgerillten Tonware lag. So ist die Herkunftsfrage einstweilen nur sehr einseitig zu beleuchten. Wiewohl für die Annahme einer westeuropäischen Entstehung kein Anlaß vorliegt, befriedigt doch auch G. Krafts Herleitungsversuch aus dem Osten nicht imbedingt, zumal der Riegseegruppe dabei eine Bedeutung eingeräumt wird, die sie nicht besaß. Wahrscheinlich bleibt aber der Osten als Ursprungsgebiet festzuhalten, und manche Verwandtschaft mit der Gefäßverzierung der Riegseekeramik und frühhallstättischer Ware des Donautals weisen in die Richtung des

Endbronzezeitliche Keramik rechts des Rheins

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Lausitzer Kreises und seiner böhmischen Rand- und Tochterkulturen. Schwer ist es allerdings, sich vorzustellen, wie ohne deutliche Zwischenstationen eine von Osten kommende Gruppe auf dem linken Rheinufer Fuß fassen konnte, während gleichzeitig rechts des Rheins die Keramik lebte, die uns unten beschäftigen wird. Wir können jedoch in einer Zeit starker Bewegungen, w i e es die Spätbronzezeit war, stets mit schnellen Durchzügen rechnen, die so wenig im Fundstoff nachgewiesen werden können wie spätere Völkerwanderungen geschichtlicher Zeit. Das Auftreten der leichtgerillten Ware ist e i n e r der frühen Urnenfeldervorstöße, die der Stufe Hallstatt A unmittelbar vorangehen, aber nur in einem beschränkten Gebiet wirksam wurden. Den Stammvater der südwestdeutschen Urnenfelderkultur schlechthin können w i r in ihr nicht sehen; dagegen läßt sich nach manchen Befunden an ihrem reibungslosen A u f g e h e n im frühhallstättischen Urnenfelder verband nicht zweifeln.

E n d b r o n z e z e i 11 i c h e K e r a m i k

rechts

des

Kheins

Unter der Benennung „Einflüsse der oberbayerischen Hügelgräber in oberrheinischen Urnenfeldern" bespricht G. Krait eine bestimmte spätbronzezeitliche Tonware am Rhein, die sowohl gegen die geläufige Hügelgräberkeramik wie gegen die leichtgerillte Keramik unschwer abzugrenzen ist. E. Vogt, der den verwandten Erscheinungen in Mittelfranken größere Aufmerksamkeit schenkt, spricht sogar von z w e i Strömungen, deren eine die westlich des Rheins herrschende leichtgerillte Ware sei, während die andere sich um die Funde von Dixenhausen in Mittelfranken und Verwandtes gruppiert, doch auf die rechte Rheinseite beschränkt bleibt. Beide Verfasser geben bezeichnende Fundplätze an. Wenn w i r im Anschluß an Vogt den Sammelnamen „Keramik v o m Dixenhausener T y p " verwenden, sind w i r uns doch klar darüber, daß sich darunter nicht eine einheitliche Gruppe verstehen läßt, die Anspruch auf die Bezeichnung „Kultur" hätte. Im ganzen handelt es sich hier um die sehr schwer erklärbare Erscheinung der süddeutschen Endbronzezeit, deren Bedeutung nach den heutigen schwachen Fundzahlen noch nicht abschließend zu beurteilen ist. Immerhin kann festgehalten werden, daß die Dixenhausener Ware mehr als der Ausdruck eines Zeitstils ist. Die endbronzezeitliche Keramik rechts des Rheins ist keine gemein-süddeutsche Erscheinung. Wir begegnen ihr zwar in B a y e r n südlich der Donau, im südlichen Mittelfranken und am Rhein bis zur Mainmündung, in grundsätzlich gleichartiger, wenn auch im einzelnen wechselnder Gestalt. Doch kennen w i r sie nicht aus Henfenfeld, dem reichen Fundplatz östlich von Nürnberg, w o ihr Fehlen nicht dem Zufall zuzuschreiben ist, und ebensowenig können w i r in den Kerngebieten der oberpfälzischen, der böhmischen und der württembergischen Gruppe eindeutige Vertreter dieser Gattung mehr als in Ausnahmen nachweisen. Damit verbietet es sich von selbst, die Dixenhausener Keramik als Neubildung der eingesessenen Grabhügelkulturen zu betrachten, zumal es an einleuchtenden formkundliclien Übergängen fehlt. Vielmehr taucht sie gerade dort auf, w o H o l s t e , Bronzezeit

7

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3. Endbronzezeitliche Fremdkulturen

die Verbindungslinien zwischen den reinbronzezeitlichen Gruppen laufen, nicht in diesen Gruppen selbst. Die DixenhausenerWare (Taf. 23,7. 8; 24,1—9) kam bislang fast nur in Grabfunden zum Vorschein. Skelettgräber, sogar unter Hügeln, fehlen nicht ganz, treten aber hinter den Brandgräbern zurück, die nur ausnahmsweise reichere Bronzebeigaben enthalten, so daß sich wieder der Gedanke an die bestimmende Kraft einer Urnenfelderkultur aufdrängt. Steinpackungen sind im Rheingebiet beliebt, wobei man sich an sehr ähnliche Fälle zur entwickelten Urnenfelderzeit erinnern mag. Unstreitig wirkt auch das Stilgefühl einer Urnenfelderkultur in den Gefäßformen. Die starke Abgliederung der Halspartien an Urnen, die sich fast als Zylinderhalsurnen ansprechen lassen, und namentlich an gedrückten einhenkligen Trichterhalsgefäßen weist unverkennbar ebenso in diese Richtung, wie die Straffung der Gefäßumrisse und die oft bis zur Kantigkeit gehende Gliederung, vor allem an Schalen. Doch gibt man statt des starren zylindrischen Halses allgemein dem hohen trichterförmig aufsteigenden Hals den Vorzug, der an allen Gefäßen unserer Gruppe wiederkehrt. Zum Teil ist der Formenschatz nicht sehr verschieden von dem der leichtgerillten Ware. Hohe Urnen, kleine gedrückte Tassen und flache Schalen mit starker Betonung der Bauchkante sind hier wie dort geläufig, nur rechts des Rheins allgemein, selbst bei Schalen mit weicherem Ausschwingen der Lippe. Der Leittyp der Dixenhausener Ware, der im Bereich der leichtgerillten Ware fremd blieb, ist ein breites gedrücktes Trichterhalsgefäß (Taf. 23,7.8) mit meist scharfer Bauchkante, deren Überbetonung zu hängenden Schulterbildungen führt. Ein Henkel überspannt gelegentlich den Halsansatz, setzt an beiden Enden breit an und verschmälert sich in der Mitte, eine Form, die man gern als X-Henkel bezeichnet (wie Taf. 22,15). Gehenkelt und ungehenkelt erscheint außerdem in Mittelfranken als typische Dixenhausener Form ein gedrückt kugeliges Gefäß mit kleinem abgesetztem schräg auswärts gelegtem Rand, wohl bereits eine lokale Bildung. An weiteren typischen Gefäßformen fehlt es; doch mag eine schiffsförmige Wanne aus einer Siedlung von Frankfurt-Westhausen als Besonderheit erwähnt werden. Die Gefäße des namengebenden Fundplatzes tragen das typische Rautenmuster mit gleichmäßiger paralleler Strichfüllung (Taf. 23, 7), das man ebenso in Immendingen (Taf. 24, 2. 6) und an anderen Fundplätzen findet. Beliebter noch sind strichgefüllte Dreiecke, die über die Schulter herabhängen (Taf. 24, 7—9). Plastische gekerbte Rippen, meist von kleinen Knubben unterbrochen, oder horizontale Strichgruppen schließen die Verzierungszone ab (Taf. 23,7.8). Nicht selten trifft man schließlich eingeritzte Zickzackbänder an Stelle der Rauten oder der strichgefüllten Dreiecke. Riefenverzierung in der Art der leichtgerillten Ware ist eine Ausnahme. Runde und ovale Buckel, die man hier wie links des Rheins kennt, sitzen gewöhnlich an der weitesten Ausladung des Gefäßes (Taf. 24,1). Man denkt an die Buckelverzierung an reinbronzezeitlichen Gefäßen der württembergischen Gruppe, die allerdings gemeinhin auf der Gefäßschulter über der weitesten

Endbronzezeitliche Keramik rechts des Rheins

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Ausladung angebracht ist. Gewiß ist der Gedanke an eine Verbindung nicht von der Hand zu weisen; doch ist die Buckelverzierung in weiten Gebieten zu dieser Zeit so allgemein, daß man nicht allein die kleine württembergische Gruppe dafür verantwortlich machen kann. Zum vollen Verständnis der Schwierigkeiten, die sich bei einer Beurteilung der endbronzezeitlichen rechtsrheinischen Keramik ergeben, gelangt man erst bei einer näheren Betrachtung ihrer Verbreitung und der Beifunde. Es ist unmöglich, eine scharfe Grenze gegen die Riegseekeramik zu ziehen, und es gelingt mühelos, auch in den Urnenfeldern Tirols verwandte Gefäßformen und Verzierungen aufzuweisen. So liegt der Gedanke nahe, daß mit der Dixenhausener Ware und ihren Verwandten die Ausdehnung der Riegseegruppe bestimmt werden könnte und somit doch eine spätbronzezeitlich „süddeutsche" Kultur von einheitlicher Färbung anzunehmen sei. Ein Grabfund von Gunzenhausen-Kammerberg mit Riegseeschwert und -messer scheint eine unmittelbare Bestätigung zu geben, und damit würden Funde, wie sie etwa in Neurißfeld bei Fürstenfeldbruck 13 ) begegenen, zu Verbindungspunkten auf einem Wege von der Riegseegruppe her werden. Doch bemerkt man schon in Grab 1 von Neurißfeld das Erscheinen von Bronzen, die nicht zur Riegseekultur gehören. Bei den Bronzen von Dixenhausen aber, der Gräber von Hochdorf in der Oberpfalz, von Wilburgstetten bei Dinkelsbühl, und vollends bei den Funden des Rheingebiets ist mit Ausnahme eines Messers nichts mehr vorhanden, was uns das Recht gäbe, von einer Ausdehnung der Riegseekultur zu reden. Es ergibt sich hier derselbe eigenartige Tatbestand, der schon bei der Gruppe der leichtgerillten Ware auffiel: Einheitlichkeit in der Keramik, aber Verschiedenheit in den Bronzen. Man erlebt das Gegenteil von dem, was man nach unseren Vorstellungen von der Bodenständigkeit bestimmter Kulturelemente erwartet. Die Bronzen sind so ortsgebunden, daß man nördlich der Donau in Kugelkopfnadeln oder Scheibenkopfnadeln mit profiliertem Hals den völligen Ersatz der Riegseenadeln findet und einer der späten Dolche des Rheingebiets in Mittelfranken (Wilburgstetten) eher erscheint, als etwa ein Peschieradolch, den die Riegseegruppe liefern könnte. Es bleibt noch ein Hinweis auf das Verhältnis der Dixenhausener Ware zur reinbronzezeitlichen Ware und zur Urnenfelderware zu geben. Kerbschnittgefäße, die einmal in ihrer Begleitung auftauchen, sind zwar gleich alt, aber nicht Bestandteil der Dixenhausener Gruppe. In Hügelgräber-Funden von Nördlingen bemerkt man, wie eine durchaus selbständige Hügelgräberkultur fortlebt, obwohl sich in der Keramik das Vorhandensein der Dixenhausener Ware anzeigt. Dort im Grabhügelkreis hat der Kerbschnitt seine Stelle, nicht in der Gruppe der fremden rechtsrheinischen Keramik. Zur Urnenfelderkultur laufen überall die Fäden von der Dixenhausener Ware herüber, angefangen bei dem Gefäß von Mels bis zu der Siedlungsware von Frankfurt-Westhausen. So deutlich sich das auch zeigen läßt, so schwer fällt die Vorstellung eines unmittelbaren Verschmelzens. Denn immer noch ") Prähist. Blätter 19, 1907, Taf. I. r

100

3. Endbronzezeitliche F r e m d k u l t u r e n

wirkt der Krug von Reutlingen, Fundstelle XII14) in seiner urnenfelderzeitlichen Umgebung fremd, und erstaunlich groß sind die Ähnlichkeiten, die stellenweise zur Keramik der entwickelten Hallstattzeit vorhanden sind. So bleibt die endbronzezeitliche Keramik rechts des Rheins nach allen Seiten hin ein Problem, das nicht einmal eine eindeutige Lösung verspricht. " ) Fundber. Schwaben 18, 1910, 19, Taf. 2.

SCHRIFTTUM Die o b e r r h e i n i s c h e

Fremdgruppe

Mels-Rixheim

G. Krait, Beiträge zur Kenntnis der U m e n f e l d e r k u l t u r in Süddeutschland. Bonn. J a h r b . 131, 1926, 154 ff. Ders., Die Stellung der Schweiz innerhalb der bronzezeitlichen K u l t u r g r u p p e n Mitteleuropas. Anz. Schweiz. Altertumskde. N . F . 2 9 , 1927, 74 ff.; 137 f f . E. Sprockhof, Z u r Schäftung bronzezeitlicher Lanzenspitzen. Mainz. Zeitschr. 29, 1934, 56 ff. E. Vogt, Die spätbronzezeitliche K e r a m i k d e r Schweiz und i h r e Chronologie. D e n k schriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 66, Abh. 1 (Zürich 1930) 10 ff. Die

Riegseegruppe

F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen. Vorgeschichtliche Forschungen 12 (Berlin 1939) 91 f. J. Naue, Die Bronzezeit in Oberbayern (München 1894). P. Reinecke, G r a b f u n d e vom Ende der reinen Bronzezeit aus Süddeutschland. Altert, uns. heidn. Vorz. V, 206 ff., Taf. 38.

Die leichtgerillte

Ware

G. Kraft, Beiträge zur Kenntnis der U m e n f e l d e r k u l t u r in Süddeutschland. Bonn. J a h r b . 131, 1926, 154 ff. F. A. Schaefter, Les Tertres f u n é r a i r e s préhistoriques d a n s la Forêt de Haguenau I. (Hagenau 1926). F. Spiatei, Urgeschichte der P f a l z (Speyer 1915) 39 f. E. Vogt, Die spätbronzezeitliche Keramik der Schweiz und ihre Chronologie. Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 66, Abh. 1 (Zürich 1930) 14 ff. Endbronzezeitliche

Keramik

rechts

des

Rheins

F. Garscha, Das bronzezeitliche G r ä b e r f e l d von Immendingen. Bad. Fundber. 13, 1937, 68 ff. K. Höimann, Bronzezeit-Gräber in Mittelfranken. Abh. Naturhist. Ges. N ü r n b e r g 21, 1917—1929, 285 ff. G. Kraft, Beiträge zur Kenntnis der U m e n f e l d e r k u l t u r in Süddeutschland. Bonn. J a h r b . 131, 1926, 154 ff. E. Vogt, Die spätbronzezeitliche Keramik der Schweiz und ihre Chronologie. D e n k schriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 66, Abh. 1 (Zürich 1930) 10 ff.

4.

KULTURVERHÄLTNISSE

Die Gewinnung fester Unterlagen zur Beurteilung der allgemeinen Kulturverhältnisse, d. h. des geistigen, wirtschaftlichen, künstlerischen, religiösen und sozialen Lebens der Bronzezeit wird erschwert durch den Mangel an planmäßig ergrabenen Tatbeständen. Der mehr oder weniger zufällig geborgene Fundstoff erlaubt daher nur sehr allgemeine Bemerkungen. D i e f r ü h e B r o n z e z e i t . Die Anknüpfung an die Glockenbecherkultur läßt es als selbstverständlich erscheinen, daß sich auch die geistige Kultur der frühen Bronzezeit zunächst in den alten Bahnen bewegt. Politische Energie haben wir nach der Seßhaftwerdung von einem Volk, dessen Stärke in seiner Beweglichkeit lag, nicht zu erwarten. Die Adlerberggruppe bleibt eine unbedeutende Insel; ihre Kraft reicht nicht aus, andere neolithische Gruppen anzugleichen oder sich auch nur eine handelspolitische Stellung zu sichern, obwohl die Voraussetzungen dafür gerade am Mittelrhein gegeben waren. Die Bestattungssitte, die Toten als liegende Hocker beizusetzen, und somit die vermutlich dahinterstehenden, von Totenfurcht bestimmten Anschauungen erfahren keine Änderung, höchstens eine schwache Lockerung, und auch die rassische Zusammensetzung bleibt hier die gleiche. Von größeren Gemeinschaftsleistungen bemerkt man keine Spur und die Kleinheit der Grabfelder und ihre Ärmlichkeit sprechen für eine auf die Gewinnung des Nötigsten beschränkte, im Handel passive Wirtschaftsform. Die Adlerbergkultur erscheint als ein Musterbeispiel für das kulturelle Absinken der sich selbst überlassenen Glockenbecherkultur. Im Voralpenland wird es zunächst ähnlich gewesen sein. Doch machen sich dort bald andere Kräfte bemerkbar, mit denen sich die Glockenbecherkultur auseinanderzusetzen hat. In der Lockerung im Grabritus und dem fremden Zusatz der sich in der rassischen Zusammensetzung der Bestatteten zeigt, sehen wir Hinweise auf den Ausgang dieser Auseinandersetzung, die wohl als Mischung gedeutet werden darf. Vergleicht man die entwickelte Straubinger Kultur mit der Adlerbergkultur, wird klar, daß in dem neu hinzutretenden Element die Wurzel der Eigenart und Vielseitigkeit der ersteren gesucht werden muß. Die Verwandtschaft der verschiedenen donauländisch-böhmischen Gruppen, die man oft fälschlich unter dem Sammelnamen Aunjetitzer Kultur zusammenfaßt, liegt wohl in der gemeinsamen Glockenbechergrundschicht begründet, während die Verschiedenheiten den jeweils hinzutretenden fremden Bestandteilen zuzuschreiben sind. Die Vielseitigkeit der Straubinger Kultur spricht schon aus ihrer Siedlungsweise. Eine Kultur, die unter den verschiedensten landschaftlichen Bedingungen heimisch werden kann, wird auch eine reich gegliederte Wirtschaft besessen haben. Ackerbau, Viehzucht, Bergbau und Handel bestehen nebeneinander. Zur Erfüllung so verschiedener Aufgaben wird man weitgehende Arbeitsteilung annehmen dürfen, und diese wiederum ist kaum denkbar ohne eine, wenn auch noch so lockere Zentralgewalt.

102

4. Kulturverhältnisse

Als Beispiel sei der Kupferbergbau herangezogen. Die Wahrscheinlichkeit, daß allein obertägige Erzlese zur Deckung des Metallbedarfs ausreichte, ist nicht sehr groß. Nehmen wir aber planmäßigen Bergbau an, so ergeben sich Verhältnisse, die nach Feststellungen und Berechnungen von Bergfachleuten geradezu erstaunlich sind. Bis zur Rentabilität des Bergbaues verging längere Zeit, die volle Arbeitsleistung erforderte, aber kaum Nutzen brachte. Etwa 180 Mann waren erforderlich, um einen dauernden Betrieb, der allein Erfolg brachte, aufrechtzuerhalten. Mit Hilfe ebenso einfacher wie wirksamer, bis in neueste Zeit angewandter Methoden wurde der Bergbau betrieben: Durch Feuersetzen, d. h. Erhitzen und plötzliches Abkühlen wurde das erzführende Gestein gelockert, dann gehauen, auf den Scheideplätzen das Erz vom tauben Material geschieden, und dieses, der Versatz, wieder in den Stollen zurückgeschafft, um das Feuer fortgesetzt an das feste Gestein heranbringen zu können. Solide Verzimmerung der Stollen ließ sich nachweisen und planmäßige Regelung der Wasserführung und der Luftzufuhr, die für das Vortriebsfeuer in der Tiefe des Stollens von größter Bedeutung waren, ist stillschweigend vorauszusetzen. Stellt man sich die gewaltigen Erzmengen vor, die allein an einer untersuchten Bergbaustrecke, freilich nicht allein in der Frühbronzezeit, gewonnen wurden, kann man sich ein Bild davon machen, welche Organisation notwendig war, um stetigen Abbau, reibungslose Nahrungszufuhr und ferneres Verhandeln des gewonnenen Metalls zu gewährleisten. So liegt es nahe, in den Höhensiedlungen der nördlichen Alpentäler wehrhafte, die Umgebung beherrschende Posten zu sehen; wie notwendig diese waren, zeigt sich an den Verwicklungen am Ende der Frühbronzezeit, deren Schauplatz nach der Lage der Hortfunde offenbar in erster Linie an den Alpenausgängen lag. Vom geistigen Leben der Straubinger Kultur ist wenig zu berichten. Auf besonders ausgiebige künstlerische Tätigkeit ist aus dem heute Erhaltenen nicht zu schließen, wohl aber auf beträchtliche handwerkliche Fähigkeiten im Bronzeguß und auch in der keramischen Erzeugung. Der Kult liegt völlig im Dunkeln. Plätze mit Massen verbrannter Tierknochen sind jedenfalls nicht notwendig als Opferstätten anzusehen. Die Grabfunde bezeugen nicht gerade ein sehr kriegerisches Wesen des „Straubinger" Mannes, wiewohl wir uns hüten müssen, daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Die Frau hatte sicherlich völlig gleichberechtigte Stellung, denn der Beigabenreichtum ist stellenweise beträchtlich. Dem Kinde wurde, wiederum nach Ausweis der Gräber, große Sorgfalt zugewendet, und mehrfach findet man Bestattungen, in denen Mutter und Kind zusammen beigesetzt sind. D i e r e i n e B r o n z e z e i t . Es gibt kaum einen größeren Gegensatz als den zwischen früher und reiner Bronzezeit, nicht nur äußerlich im Kulturbesitz, sondern auch im Siedlungswesen, Grabbau, Grabritus, Wirtschaft, Handel u.a.m. Die Eigenart der Siedlungsweise der Grabhügelkultur hoben wir hervor. Niemand wird einer in so abgelegenen Gebieten lebenden Bevölkerung besondere Vorliebe für Ackerbau zutrauen; wenn solcher überhaupt getrieben wurde,

4. Kulturverhältnisse

103

spielte er eine sehr untergeordnete Rolle. Dagegen hält man seit langem die Grabhügelbevölkerung für Viehzüchter, und es ist schlechterdings keine andere Erklärung für die erwähnte, sicher planmäßige Besiedlung ackerbaufeindlicher Gebiete denkbar. Klima und Pflanzenwuchs werden keine ernstlichen Hinderungsmomente gewesen sein, wiewohl kaum ein Fragengebiet umstrittener ist, als die vorgeschichtliche Klimaforschung. Der Zug zu guten Wasserverhältnissen läßt sich bei keiner Kulturgruppe verkennen; es besteht somit manche Wahrscheinlichkeit für die Annahme eines Trockenklimas in dieser Zeit, das zum Aufsuchen der ursprünglichsten Wasserspender, der Quellen, zwang. Es hieße die Bedeutung der Grabhügelkultur unnötig vergrößern, wollte man verschweigen, daß die jeweiligen Kerngebiete der einzelnen Kulturgruppen äußerst beschränkt sind, und daß man von bedeutsamen politischen Einheiten nicht reden darf (vgl. Karte 1). Die eigentlichen kulturellen Zentren sind in der Regel nicht größer als ein Kreis von fünfzig bis hundert Kilometern Durchmesser. Auch kommende Forschung wird an diesem Bild nur wenig ändern, da es sich heute schon im Fundstoff zeigt, daß außerhalb der Kerngebiete die Geschlossenheit des Formenbestandes fehlt. Von einer solchen Bevölkerung wird man große politische Wirkung nicht erwarten dürfen. Der Eindruck, den man von der Grabhügelkultur bekommt, ist daher auch ein ganz anderer: Ruhe, fast Beschaulichkeit, aber nicht Gleichgültigkeit oder teilnahmsloses Dahinleben, i Allein zur Sicherstellung des nicht geringen Metallbedarfs war Anschluß an die Lieferungsgebiete nötig und damit ein ununterbrochener Handelsverkehr, den die Funde deutlich widerspiegeln. Trotz ihrer Abgeschlossenheit standen die einzelnen Kulturgruppen in steter Verbindung. Hauptverkehrslinien, wie die Straße von Südbayern nach Württemberg, zum Mittelrhein, durch die Wetterau zum Leinetal und von dort bis zur Unterelbe sind lebhaft begangen worden. Waldgebirge, wie der Bayerische und der Böhmerwald boten kein Hindernis für eine Bevölkerung, die sich bewußt auf die Höhen zurückgezogen hatte. Das Fortstreben von den Siedlungsgebieten an den Hauptverkehrslinien führte also nicht zum Abreißen der Verbindungen, und die Abgeschlossenheit wurde nicht zur Abkapselung. Der Metallreichtum ist in der Grabhügelkultur nicht geringer, als in anderen Gruppen des damaligen Europa, ja, stellenweise ist er sogar größer, wie namentlich späte Frauengräber der verschiedensten Kulturgruppen zeigen. Der Mann nimmt seine Waffen mit ins Grab, die Frau ihren Schmuck, und stets mußte es möglich sein, den Verlust an Metall wieder zu ersetzen. Aus den Funden wissen wir über das Gewand des Mannes wenig, über das der Frau kaum mehr. Jedenfalls ist die Gleichsetzung nordischer Baumsargkleidung und süddeutscher Tracht ein ebenso häufig wie gedankenlos begangener Fehler. Der Mann trug ein Gewand, das mit e i n e r Nadel zusammengehalten wurde und dazu einen Gürtel, den gelegentlich ein Bronzehaken verschloß. Das Kleid der Frau wurde an beiden Schultern durch je eine Nadel geschlossen; die kleinen Bronzehütchen des östlichen Süddeutschland dienten zum Besatz eines lang herabfallenden, schürzenartigen Kleidungsstücks, und

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4. Kulturverhältnisse

die Füße, an denen sich gelegentlich Zehenringe fanden, scheinen nackt oder mit offenen Sandalen bekleidet gewesen zu sein. Sehr verkannt sind bislang die künstlerischen Leistungen der süd- und westdeutschen Grabhügelkultur. Es ist zuzugeben, daß handwerkliche Fähigkeiten von der Art, wie sie der nordische Kreis besaß, wo jedes einzelne Schwert zu einem kleinen Kunstwerk wurde, im süddeutschen Bronzehandwerk nicht so stark entwickelt sind. Die Bronzen sind Serienware, jedoch keineswegs bar jeden selbständigen Stilwillens. Die Verzierung breiter Flächen durch Punzornament liegt nicht im Wesen dieses Handwerks, und wo sie in später Zeit erscheint, haftet sie meist unorganisch am Träger. Der Umriß der Stücke, die reine äußere Form, beschäftigten den süddeutschen Bronzegießer, und so kommen die gerippten Nadeln, die gerippten Anhänger, die durchbrochenen Radnadeln und Herzanhänger, die zarten Gebilde der Spiralfingerringe zustande, während immerhin Beispiele zeigen, daß man sehr wohl mit der Punze umzugehen verstand. Goldschmuck, der im Norden eine gewisse Rolle spielt, ist während der ganzen süddeutschen Bronzezeit ungewöhnlich; nur die württembergische Gruppe kennt einige Goldfingerringe und Goldbelag am Schaft einer gerippten Nadel. Urteilen wir nicht allein nach dem Metallhandwerk, wird die Begabung und das sichere Gefühl der Grabhügelkultur noch deutlicher, so namentlich in der Keramik. Ein Krug der württembergischen Gruppe oder ein Fußgefäß Böhmens sind an sich bereits lebendige und überlegte Formen. Es kommt die Verzierung der Gefäßoberfläche hinzu, die stellenweise deutlich auf textile Vorbilder weist und das Fehlen erhaltener Weberei schmerzlich erscheinen läßt. Endlich die Kerbschnittverzierung, die technisch so sicher und in der Anbringung am Gefäß so verständig behandelt ist, daß man keine geringe Vorstellung von dem Kunstsinn dieser Kultur bekommt. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß sich stellenweise im Grabbau Ansätze zu einer gewiß bescheidenen architektonischen Leistung erkennen lassen. Steinkränze der Art, wie sie vor allem am Vogelsberg zu Hause sind, sind sprechende Zeugen dafür (Taf. 25, 3). Das religiöse Leben liegt sehr im Dunkeln. Die Sorgfalt, die man dem Toten angedeihen ließ, läßt immerhin auf eine Einstellung schließen, die frei von Angst vor dem Abgeschiedenen war und sicherlich mit einem Jenseitsleben rechnete. Es gibt sogar nicht wenige Anzeichen f ü r spätere, regelmäßig abgebrannte Erinnerungsfeuer, in denen man Hinweise auf eine Art Ahnenkult erblicken möchte. Sind wir im Recht, wenn wir den Grabhügel mit mehreren Bestattungen als Sippengrab ansehen, so ergibt sich notwendig der Schluß auf eine straffe, auf der Familie aufgebaute Gemeinschaft. Die Stellung der Frau war sicher nicht niedrig, und nach den Verhältniszahlen besteht hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Einehe herrschend war. So besitzt im ganzen dieses Volk, das zwar keine, man möchte sagen: n o c h keine starke Aktivität entwickelt, gleichwohl nicht eine stumpfe entwicklungslose Kultur. Wir müssen die Linie der Grabhügelkultur in die Hallstattzeit hinein verlängern, um zu verstehen, daß ihre kulturellen Kräfte nur

4. Kulturverhältnisse

105

langsam wachsen. Um so mehr ist zu bedauern, daß über die Rasse der Grabhügelbevölkerung nichts ausgesagt werden kann, was sich an die Stelle früherer veralteter Anschauungen setzen ließe. Hier hat die künftige Forschung ein weites, fast unerschlossenes Feld vor sich. D i e E n d b r o n z e z e i t . Über die Fremdkulturen, die das Bild der Endbronzezeit beherrschen, läßt sich nach dem heutigen Stand der Kenntnisse nur wenig sagen. Wir konnten überall die Urnenfelderart ihrer Träger erkennen, doch gibt es kaum Möglichkeiten, über die Unterschiede zur späteren Urnenfelderkultur näheren Aufschluß zu erhalten. Starke politische Größen waren diese Gruppen, vielleicht mit Ausnahme der Gruppe mit leichtgerillter Keramik, nicht. Sie verlieren ihre Eigenart weitgehend, entweder durch Mischung mit der Grabhügelkultur, wie die Riegseegruppe, oder durch die folgende entwickelte Urnenfelderkultur. Der Bergbau, von dem wir annehmen können, daß er in der reinen Bronzezeit im nordalpinen Gebiet fast ruhte, wird durch die Tiroler Urnenfelderkultur, die Stammgruppe des Riegseezweiges, wieder aufgenommen. Die Fremdkulturen bleiben im Grunde davon unberührt, denn sie erobern nicht das Absatzgebiet, das vor ihnen liegt. In künstlerischer Hinsicht sind die Fremdkulturen die reinsten Vertreter des barocken Stils und seiner stärksten Übertreibungen. Es ist sogar möglich, daß mit ihnen erst der Gedanke der Auflösung fester Umrisse zur Wirkung kommt, denn nur in ihrer nächsten Nähe, in Südbayern und Württemberg, setzt sich der neue Stil fühlbar durch. Die hohe Blüte des Töpferhandwerks ist augenfällig und auch hier zeigt sich stellenweise die Neigung zu gewagten Lösungen, wie sie X-Henkel und hängende Bauchpartien darstellen. Der Beigabenreichtum der Gräber schwankt. Es scheint, als ob bronzezeitliche und urnenfelderzeitliche Sitte im Widerstreit ständen und der Ausgleich je nach der Gruppe verschieden sei. Schwert und Messer als Beigabe künden die Ausstattung der Urnenfelderkultur an, und auch hier mischt sich gelegentlich eine Waffe der Bronzezeit, der Dolch, mit hinein, nie jedoch das Beil. Im ganzen ist es noch unmöglich, das kulturelle Gesicht der endbronzezeitlichen Fremdkulturen näher zu ermitteln. Im Gegensatz Grabhügelkultur — Urnenfelderkultur sind die Pole gegeben, zwischen denen die Auseinandersetzung stattfindet, und es bedarf noch vieler Forschungsarbeit, ehe wir hier klarer sehen. SCHRIFTTUM K. Bertsch, Klima, Pflanzendecke und Besiedlung Mitteleuropas in vor- und frühgeschichtlicher Zeit nach den Ergebnissen der pollenanalytischen Forschung. Ber. RGK 18, 1928, 1 ff. E. Breitinger, Die Schädel aus dem frühbronzezeitlichen Hockerfriedhof bei Nähermemmingen, Bez.-Amt Nördlingen. Mannus 31, 1939, 484 ff. J. v. Trauwitz-Hellwig, Rassenverhältnisse am Ende der Stein- und Anfang der Bronzezeit in Südbayern. Mitt. Anthr. Ges. Wien 53, 1923, 251 ff. E. Wahle, Die Besiedlung Südwestdeutschland9 in vorrömischer Zeit nach ihren natürlichen Grundlagen. Ber. RGK 12, 1920, 1 ff. K. Zschocke und E. Preuschen, Das urzeitliche Bergbau - Gebiet von MühlbachBischofshofen. Materialien z. Urgesch. Österreichs 6 (Wien 1932).

5. C H R O N O L O G I E U N D

KULTURBEZIEHUNGEN

Für alle entscheidenden Folgerungen über die bronzezeitliche Kultur Südund Westdeutschlands ist die Gewinnung sicherer chronologischer Grundlagen eine Voraussetzung. Unsere Darstellung, die von vornherein die Einzelgruppen und deren Sonderentwicklung in den Vordergrund stellte, hat gelehrt, daß wir uns zur Schaffung einer Chronologie nicht allgemein süddeutscher Typen bedienen können, sondern nur räumlich gebundener Formen, die den jeweiligen örtlichen Entwicklungsgesetzen unterliegen und außerhalb ihres Heimatgebiets in den meisten Fällen ihren chronologischen Wert verlieren. Demgemäß führt also der Weg zu einer süddeutschen Bronzezeitchronologie über die Stufengliederungen innerhalb der Sondergruppen. Das von diesem Gesichtspunkt aus kritisch an die bislang bestehenden Einteilungen herangegangen werden muß, ist gleichfalls klar. Einwände und Vorbehalte, die vom Standpunkt strenger Berücksichtigung der örtlich bedingten Sonderentwicklungen vorzubringen sind, haben schon vereinzelt bei Besprechung des Fundstoffes Platz gefunden; hier genügt eine kurze Zusammenfassung, die ebenso unsere abweichende Meinung begründen soll wie die Vorsicht, die zu üben wir uns für verpflichtet halten. Die von P. Reinecke nach älteren Versuchen von 3. Naue für die Zone nordwärts der Alpen geschaffene Chronologie kann heute als die herrschende gelten. Wir folgen ihr bei der Ausscheidung der Stufe A und deren Zweiteilung, lösen jedoch die Funde mit frühen Kurzschwertern, entsprechenden Dolchen und dem zugehörigen Formenschatz los, um sie dem Beginn der Hügelgräberzeit zuzuweisen; denn es handelt sich dabei um das erste Auftreten eines später gleichmäßig entwickelten Formenbestandes, das allein zur Begrenzung einer Stufe herangezogen werden kann. Der in den Hortfunden des Voralpenlandes ausgedrückte bewegte Abschluß der Frühbronzezeit liegt offensichtlich vor diesen ältesten Hügelgräberformen, die wir in eine Linie mit zahreichen, aus dem ferneren Ostalpengebiet vordringenden Erscheinungen bringen müssen, für deren Verbreitung das Ende der Straubinger Kulturblüte und ihre Beeinflussung weiter Teile Süddeutschlands die Voraussetzung war. Das Schwergewicht der bronzezeitlichen Entwicklung Süddeutschlands verlegt Reinecke in seine Stufe B. Aus der Auswahl der beispielhaften Funde und aus den hinzugefügten Bemerkungen geht hervor, daß Reinecke die überwältigende Mehrzahl der bronzezeitlichen Typen diesem Abschnitt zurechnet. Das Fehlen einer Rücksichtnahme auf die Sonderentwicklungen der Gruppen und die schmale räumliche Ausdehnung jenes Formenschatzes, der den späteren Stufen C und D zugewiesen wird, bringt es mit sich, daß der Fundstoff mancher Kulturgruppen fast ausnahmslos der Stufe B zugerechnet werden muß, wiewohl sich dessen Fortbestand bis an das Ende der Bronzezeit erweisen läßt. Hier führte also das Verallgemeinern von Ergebnissen aus einem begrenzten Gebiet notwendig zu Fehlschlüssen und damit zu jener Unsicherheit der Zeitansätze, die man im Schrifttum nicht selten antrifft.

5. Chronologie u. Kulturbeziehungen

107

Die Stufen C und D bezeichnet Reinecke als kurzfristige Erscheinungen. Als Maßstab dient die Entwicklung der Vollgriffschwerter und der mit diesen vergesellschafteten Formen. Da sich die Vollgriffschwerter nur auf einem beschränkten Raum der Ostzone finden und die Beifunde gleichfalls nicht gemeinsüddeutsch sind, verliert die Stufe C ihre Geltung für weitere Gebiete und läßt überall dort, wo die Entwicklung nicht von der Art des östlichen Süddeutschlands ist, eine Leere entstehen, die durch andere am Ort bestehende Typen gefüllt werden muß. Noch empfindlicher ist das Mißverhältnis bei der Stiufe D. Reinecke benutzt zu ihrer Umschreibung fast ausschließlich die Formen der Riegseegruppe, die, wie wir sahen, nicht einmal in Südbayern allgemein zur Herrschaft gelangen. Bei der Verwandtschaft der endbronzezeitlichen Fremdkulturen untereinander lassen sich diese zwar in die Stufe D einordnen, doch versagt der D-Formenschatz Reineckes gegenüber allen selbständig bleibenden alteingesessenen Hügelgräbergruppen. Der Geltungsbereich der Stufen Reinecke B—D muß heute also zum mindesten beschränkt werden, und zwar, streng genommen, auf Südbayern. Selbst hier besteht kein Grund, mit einem Abbrechen des Formenschatzes der Stufe C bei Erscheinen der Riegseegruppe zu rechnen, wohl aber die hohe Wahrscheinlichkeit, daß sich die Riegseegruppe während des Bestehens der C-Formen als Fremdkörper festsetzte, ohne der einheimischen Bevölkerung ihre Selbständigkeit zu rauben. Es muß ferner festgehalten werden, daß die beispielhaften Funde, namentlich jene für die Stufe C fast ausschließlich aus Männergräbern stammen, und daß sich gerade in der Männerausstattung die typologisch unempfindlichsten Formen finden. Ein Versuch, die räumliche Grundlage der Stufen Reineckes zu verbreitern, stammt von G. Behrens. Fundplätze aus Württemberg, vom Mittelrhein und aus nordmainischem Gebiet werden den Funden Reineckes zugesellt. Zwar betont Behrens die Möglichkeit der Ausscheidung von Einzelgruppen und deutet sie allein durch die Anordnung seiner Tafeln schon stillschweigend an, doch sind bei seinen chronologischen Zusätzen die Folgerungen nicht gezogen. Weder die Funde von Hundersingen noch von Bayerseich und Unterbimbach sind auf eine Stufe beschränkt, und ebensowenig geht die Fundgruppe mit mittelrheinischem Kerbschnitt (Nierstein, Traisa, Wölfersheim) jener mit leicht gerillter Ware (Stadecken) in ihrer Gesamtheit voraus. Auf dem Fundstoff einer Einzelgruppe baut die Chronologie G. Kraits auf. Der Frühbronzezeit A folgen vier Hügelgräberstufen B—E, von denen die letzte der Urnenfelderkultur zeitlich entspricht. Diese Stufen werden mit rein typologischen Mitteln geschieden. Abgesehen von dem deutlich erkennbaren Einschnitt, der sich aus dem Neuauftreten der barocken Spätformen ergibt, bleiben jedoch die typologischen Anknüpfungen und Abgrenzungen vielfach zu bezweifeln. Sie sind so abhängig von der subjektiven Einstellung des Urteilenden, daß eine fruchtbare Auswertung nicht erfolgen kann. Ablehnten müssen wir weiter die Stufe E. Abgesehen von wenigen, vielleicht durch Urnenfelderanregung entstandenen Stücken, enthalten die dieser Stufe zugewiesenen Funde

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5. Chronologie u. Kulturbeziehungen

entweder ortsfremde, in ihrem Heimatgebiet rein bronzezeitliche Typen, oder Ausnahmeerscheinungen, für deren Spätdatierung keine Veranlassung vorliegt. Aus diesem Grund unterscheiden wir lediglich zwei Stufen der württembergischen Eigenentwicklung, ohne leugnen zu wollen, daß ein Parallellaufen mit der Urnenfelderkultur anzunehmen ist. Vorsichtig gliedert Schaeffer die Funde der von ihm bearbeiteten elsässischen Einzelgruppe. Seine frühe Stufe, aus der die spärlichen frühbronzezeitlichen Stücke auszuscheiden sind, entspricht unserem ältesten Hügelgräberhorizont, dem die große Menge der entwickelten Formen folgt. Die leicht gerillte Ware läßt sich als Spätphase ausscheiden und diesem Abschnitt fügt Schaefier eine Reihe bodenständiger Formen ein, die wir oben ebenfalls als spät anerkannten. Die breite dazwischenliegende Mittelstufe enthält die Mehrzahl aller Formen; sie widersteht jeder weiteren Unterteilung, weshalb Schaefier sich zurückhaltend auf gelegentliche Einzelhinweise beschränkt, die in unserem Zusammenhang ohne weitere Bedeutung sind. Neuerdings hat Willvonseder für den Fundstoff der Ostmark, vorwiegend der danubisch-sudetischen Gruppe, eine Chronologie vorgeschlagen, die sich im großen und ganzen an die Stufenteilung Reineckes anschließt. Die Ausscheidung einer Frühstufe innerhalb der Stufe B, die gleichzeitig auch für Bayern vorgeschlagen wurde, hatten wir in unsere Darstellung übernommen. Auch Willvonseder verweist die Mehrzahl der Funde in den breiten Abschnitt B und scheidet nur wenige Fundgruppen, die in der danubisch-sudetischen Gruppe fast nur keramische Formen enthalten, als jünger und seiner Stufe C angehörig aus. Die Endbronzezeit Österreichs, die außerhalb des Rahmens unserer Darstellung liegt, nennt auch Willvonseder nach dem Vorgang Reineckes Stufe D, ohne deren Formenschatz näher zu behandeln.

Im Bewußtsein der Schwierigkeiten, die immer wieder aus der Eigenwilligkeit einzelner Kulturgruppen entstehen, muß jeder Versuch zu einer neuen Chronologie von den wenigen festen Punkten ausgehen, die durch den historischen Ablauf gegeben sind und damit mehr als lokale Bedeutung besitzen. Wir kennen vier Einschnitte, die sich mit einiger Sicherheit verwenden lassen: 1. der Beginn der Straubinger Kultur, 2. das in den Hortfunden des Voralpenlandes ausgedrückte jähe Ende der Straubinger Blütezeit, 3. der Beginn der reinbronzezeitlichen Grabhügelkultur, 4. das Erscheinen der endbronzezeitlichen Fremdkulturen. Von vornherein muß festgehalten werden, daß beim Erscheinen einer neuen Kultur nirgends das gänzliche Abbrechen der alten Kultur gesichert ist, ja, daß sich stellenweise deren Fortbestand erweisen läßt. Unsere unterste Zeitgrenze bildet der Beginn der entwickelten Urnenfelderkultur, die ebenfalls nicht das Ende der Grabhügelkulturen bringt, doch die späten Fremdkulturen in sich aufzunehmen scheint.

5. Chronologie u. Kulturbeziehungen

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Zu den angegebenen Einschnitten erster Ordnung haben wir als minder tiefgehend, aber immerhin noch als hinreichend jene Unterscheidungen hinzuzufügen, die sich, je nach der Gruppe verschieden, zwischen manchen älteren und jüngeren Erscheinungen der Grabhügelkultur machen ließen. Unbedingt sichere Zeitgrenzen gewinnen wir freilich nicht, da sich Altes neben erweislich Neuem hält; das gilt auch für die Erscheinungen des ältesten Hügelgräberhorizonts, der daher in der Fundbesprechung nicht überall abgesondert wurde. Ein stilistischer Wechsel geht in der Urzeit nicht auf so breiter Front vor sich, daß man alle Erscheinungen danach beurteilen könnte. Der selbstverständlichen Forderung, daß jede Chronologie ihre Berechtigung aus ihrer Anwendbarkeit erhalten muß und nicht als Selbstzweck gelten darf, entsprechen die letzterwähnten, aus typologischer Veränderung gewonnenen Zeitgrenzen nur beschränkt, weshalb wir von Stufen zweiten Ranges reden müssen. Wir behalten damit den Unterschied zwischen mehr und minder festen Datierungsmaßstäben im Auge. Im Rahmen der Fundbesprechung war den K u l t u r b e z i e h u n g e n , die sich im Fundstoff ausdrücken, bereits so weit wie möglich Aufmerksamkeit geschenkt; doch ist es auch hier nötig, die vielen Einzelheiten zu einem knappen Bilde zu vereinigen, einmal wegen der Wichtigkeit dieser Beziehungen selbst, in denen sich das äußere Leben der Völker und Volksgruppen spiegelt, andererseits aber auch deshalb, weil mit dem Anknüpfen und Abreißen dieser Beziehungen Tatsachen gegeben sind, die für die Chronologie von größtem Nutzen werden. Zu Beginn der Bronzezeit (vgl. zum Folgenden Abb. 13) bemerkt man unschwer das Fortbestehen der westeuropäischen Ausrichtung, die der Herkunft der Glockenbecherkultur wegen gut verständlich ist. In der Adlerbergkultur am stärksten, im Voralpenlande schwächer, äußert sich die Einflußnahme des Westens in zweifelsfreiem Import, z. B. den Kleeblattnadeln, wie in der Bewahrung der westlichen Grundhaltung der ganzen Kultur. Erst mit dem Aufsteigen der Straubinger Kultur setzt sich ein anderer Kulturwille durch, der zwar nicht ohne den Anteil der Glockenbecherkultur denkbar ist, aber seine entscheidenden Kräfte von anderer Seite empfängt. Der westliche Einfluß wird zurückgedrängt und z. T. ersetzt durch das Vordringen mancher östlicher Kulturelemente, die sich in Süddeutschland namentlich an den Hauptverkehrsadern, den großen Flüssen, zeigen. Im Schatten bleiben die späteren Grabhügelzentren, die, abgesehen von verschwindenden Ausnahmen, zur Frühbronzezeit noch nicht „entdeckt" sind. In den Hortfunden des Vorlandes der Alpen kündet sich das Ende des älteren Teils der Bronzezeit an; selbst wenn wir dieses sichere Merkmal nicht hätten, würde uns auch das Abreißen zahlreicher Entwicklungslinien des Str aubinger Formenbestandes zur gleichen Anhahme zwingen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß zu Beginn der Hügelgräberbronzezeit neue Kräfte am Werk sind, die auch das Bild der Beziehungen von Grund auf ändern. Die Formen unseres ältesten Hügelgräberhorizonts sind nicht nur weiträumiger, sondern auch in ganz anderen Gebieten als die der Frühbronzezeit verbreitet. Jetzt heben sich, fast plötzlich, die Hügelgräbergebiete heraus, die

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untereinander die mannigfaltigsten Wechselbeziehungen anknüpfen. Die Neuartigkeit der Formen wie der in bronzezeitlichem Gewände erscheinenden Kulturgebiete legt den Gedanken nahe, daß die kriegerischen Wirren am Ende der Frühbronzezeit mit diesem völlig veränderten Kulturbilde in ursächlichem Zusammenhang stehen. Von Wichtigkeit sind daher namentlich jene Beziehungen, die sich in den ältesten Hügelgräberformen aussprechen. Weder die alten Kurzschwerter mit geschwungen-trapezförmiger Griffplatte und Hutnieten, noch die entsprechenden Dolche oder die parallelseitigen Randbeile geben ihre Herkunft mit Sicherheit zu erkennen. Immerhin führt die Verzierung mancher Klingen in das Heimatgebiet der alten ungarischen Griffzungenschwerter. Aus der gleichen mitteldonauländisch-ungarischen Zone stammen zahlreiche Anregungen für die ältesten Formen der Ostzone, mag es sich um Armbänder, Nadeln mit Wellenschaft, Herzanhänger und vielleicht auch Armspiralen handeln. In der danubisch-sudetischen Gruppe folgen dem ungarischen Import keine eigentlich selbständigen Fortbildungen, wie das im übrigen Teil der Ostzone der Fall ist. Südbayern trifft unter den östlichen Vorbildern eine andere Auswahl, als die oberpfälzische Gruppe nördlich der Donau mit ihren süd- und westböhmischen Verwandten. Dieser Umstand ermöglicht es, den Beziehungen zu folgen, die von Südbayern nach Württemberg, dem Elsaß und zum Mittelrhein führen, und die den oberpfälzisch-böhmischen Teil der Ostzone fast unberührt lassen. Auf diesem Wege laufen die ältesten Anregungen und bilden sich später die Übereinstimmungen, welche die Westzone in ihrer Gesamtheit kennzeichnen. Dem ältesten Horizont folgt in breiter Entwicklung die fortgeschrittene Hügelgräberbronzezeit. Die Gruppen gehen zur Selbständigkeit über, d. h. sie streben vom Gemeinsamen zum Eigenen. Im Westen sind, namentlich im späteren Verlauf der Hügelgräberzeit, die Beziehungen zwischen der elsässischen und württembergischen Gruppe deutlich, während der Mittelrhein sich mehr auf die Seite der nördlich angrenzenden Gruppen schlägt. Südlich der Donau nimmt die herzynische, oberpfälzisch-böhmische Kulturausprägung überhand, doch bleiben die Beziehungen zum Westen ebenso bestehen, wie die eigenartige Abgeschlossenheit der oberpfälzischen Gruppe gegen ihren württembergischen Nachbarn. Die danubisch-sudetische Gruppe führt ihr eigenes abgeschlossenes Leben. Deutlich ist zu erkennen, daß das Schwergewicht des „barocken" Stils der jüngeren Hügelgräberbronzezeit in Württemberg und vielleicht noch in Südbayern liegt. Es bleibt nicht allein der Fortbestand der Beziehungen zwischen diesen beiden Gebieten, sondern auch das Beiseitestehen des nordbayerischen Anteils der Ostzone, das am klarsten in der Beschränkung der Donauschwerter mit achtkantigem Vollgriff auf süddonauländisches Gebiet zum Ausdruck kommt. Ohne die Gründe für das Aufkommen des „barocken" Stils hier näher untersuchen zu wollen, müssen wir diesen Tatbestand doch betonen, da im Elsaß, am Mittelrhein und in Osthessen zwar die Neigung zur Vergrößerung der Formen, nicht aber zur Auflösung des Umrisses zur Auswirkung kommt, ein Umstand, der chronologisch nicht bedeutungslos ist.

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T A F E L 22

M e l s - R i x h e i m - G r u p p e (2—5.) u n d R i e g s e e - G r u p p e (1. 6—16). 1. 2. Engen, Kr. Konstanz; 3—5. Marstetten, Kr. Wangen; 6. 9—15. Riegsee, Kr. Weilheim; T.S.Untereberfing, Kr. Weilheim; 16. Uffing, Kr. Weilheim. 1.2.15.16. etwa Vi; 3—5. etwa 2 h: 6—14. etwa Vs nat. Gr.

16*

T A F E L 23

Leichtgerillte (1—6.) u n d D i x e n h a u s e n e r (7—8.) Ware. 1.5. Knittelsheim, Kr. Germersheim; 2.4.6. Schifferstadt, Kr. Speyer; 3. Harthausen, Kr. Speyer; 7. 8. Dixenhausen, Kr. Hilpoltstein. 1—6. 8. etwa Vi; 7. etwa Vs nat. Gr.

TAFEL 24

Endbronzezeitliche Keramik von Immendingen, Kr. Donaueschingen. etwa V4 nat. Gr.

T A F E L 25

2. Bayerseich, Kr. Offenbach, Hügel 3, Grab 3.

3. Unterbimbach, Kr. Fulda.

T A F E L 26

1. Immendingen, Kr. Donaueschingen, Grab 15. 2. 3. Immendingen, Kr. Donaueschingen, Grab 10. 4. Immendingen, Kr. Donaueschingen, Grab 17.