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German Pages 324 [325] Year 1957
B A N K P O L I T I K , STAATSHAUSHALT UND IN W E S T D E U T S C H L A N D
WÄHRUNG
BANKPOLITIK STAATSHAUSHALT UND WÄHRUNG IN WESTDEUTSCHLAND
Autorenkollektiv unter der Leitung von PROF. DR. A L F R E D L E M M N I T Z
19 5 6 A K A D E M I E - V E R L A G . B E R L I N
Copyright 1956 by Akademie-Verlag GmbH., Berlia Alle Rechte Torbehalten
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 3D Lizenz-Nr. 200 • 100/528/56 Gesumtherstellnng: VEB Druckerei „Thomas Müntzer" Bad Langensalza Bestell- and Verlagsnummer: 5232 Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Prof. Dr. Alired Lemnmitz Die Rolle der westdeutschen Währung bei der Finanzierung der Konjunktur und der Wiederaufrüstung
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Dr. Heinz Joswig Die „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems deutschland
in
West55
Dipl.-Wirtschaftler Eberhardt Geißler Die Ergebnisse und der Charakter der Restriktionspolitik der Sank deutscher Länder seit dem 3. August 1955 175 Dipl.-Wirtschaftler Hermann Linsel Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der Bankmonopole in Westdeutschland 189 Dipl.-Wirtschaftler Klaus Kolloch Die Rolle der Kreditanstalt für Wiederaufbau
229
Prof. Dr. Herbert Wergo Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte Westdeutschlands 279 Prof. Dr. Friedrich Rzesnitzek Der Charakter der Einnahmen des westdeutschen haushalts
Staats301
Vorwort Die Wirtschaftswissenschaftler der Deutschen Demokratischen Republik haben mit ihrer Forschungsarbeit eine doppelte Aufgabe zu erfüllen, die sich aus der verhängnisvollen Spaltung unseres Vaterlandes ergibt. Sie müssen die Gesetzmäßigkeiten des Aufbaus der sozialistischen Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik erforschen und auf diese Weise zur Lösung der vielen praktischen ökonomischen Probleme beitragen. Für dieses Gebiet liegen schon eine ganze Anzahl Forschungsergebnisse vor. Gleichzeitig aber müssen auch die Gesetzmäßigkeiten der Wiedererrichtung der monopolkapitalistischen Wirtschaft in Westdeutschland untersucht werden, womit den um die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands und die Erhaltung des Friedens ringenden Kräften unseres Volkes eine aktive Hilfe geleistet wird. Auf diesem Gebiete liegen nur verhältnismäßig wenig Arbeiten vor. Dabei fordert sowohl die ökonomische als auch die politische Entwicklung Westdeutschland direkt zu einer wissenschaftlichen Analyse heraus. Der starke konjunkturelle Aufstieg und die gleichlaufende Remilitarisierung und Refaschisierung sind nach der zweiten Kriegskatastrophe sowohl erstaunliche als auch bedrohliche Erscheinungen. Es zeigt sich erneut, wie recht die Klassiker des MarxismusLeninismus hatten, als sie darauf hinwiesen, daß es keinen automatischen Zusammenbruch des Kapitalismus gibt, sondern daß seine Herrschaft durch den Kampf der Massen gebrochen werden muß. Daraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft unter den jeweiligen konkreten Bedingungen, d. h. heute unter den Bedingungen der zweiten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus zu untersuchen. Mit der Lösung dieser Aufgabe stecken wir erst in den Anfängen. Durch die Gründung des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin wurde vor zwei Jahren ein Zentrum für die wirtschaftswissenschaftliche Forschungsarbeit geschaffen. Hier fand sich auch das Kollektiv zusammen, das die vorliegende Arbeit der Öffentlichkeit überreicht. Den ersten Anstoß dazu gab die 1. Konferenz des Instituts für Wirtschaftswissenschaften im März 1955, die sich mit den Problemen der Übergangsperiode der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigte. Auf dieser Konferenz wurde auch ein Arbeitskreis gebildet, der den Zustand der Währung in Ost- und Westdeutschland untersuchte und diskutierte.
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Vorwort
Dieser Arbeitskreis formierte sich nach der Konferenz zu einer Forschungsgruppe, die ihre Arbeit auf die Probleme des Geldes, des Kredits und der Finanzen Westdeutschlands ausdehnte. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit zur Vorbereitung der 2. Konferenz des Instituts für Wirtschaftswissenschaften über Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft in Westdeutschland, die im Januar 1956 stattfand, sind in diesem Sammelband zusammengefaßt. Bekanntlich stehen seit über einem Jahr die Haushalts-, Kredit- und Währungsfragen im Mittelpunkt der wirtschaftlichen und politischen Diskussion der Bundesrepublik. Einige Probleme traten dabei besonders in den Vordergrund, wie die wachsenden Kassenüberschüsse des Bundeshaushalts bei gleichzeitig wachsender Verschuldung der Länder und Gemeinden und die Zweckbestimmung dieser Kassenüberschüsse für die Aufrüstung. Heiß umstritten war und ist der hoch angestiegene Geldumlauf und das Anwachsen des Kreditvolumens und die mit Hilfe von Diskonterhöhung und Kreditrestriktion betriebene „Brems"-Politik der Bank deutscher Länder. Umstritten sind auch die hohen Gold- und Devisenbestände und ihre Auswirkungen auf den Geldumlauf. Weniger in der Öffentlichkeit, aber deshalb nicht weniger bedeutungsvoll, vollzieht sich die „Rekonzentration" der Monopolbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerz-Bank) und die Tätigkeit der „Kreditanstalt für den Wiederaufbau". Diese Probleme wurden von der Forschungsgruppe untersucht und die Ergebnisse dieser Untersuchung in dem Sammelband zusammengefaßt. Es handelt sich also um recht aktuelle wissenschaftliche und praktische Fragen. Zur Forschungsgruppe gehören Prof. Dr. Lemmnitz, Berlin, Prof. Dr. Wergo, Berlin, Prof. Dr. Rzesnitzek, Halle, Dr. Joswig, Berlin, die Diplomwirtschaftler Kolloch, Linsel und Geißler, Berlin und noch eine Anzahl Wirtschaftswissenschaftler, die nicht mit Beiträgen an diesem Sammelband beteiligt sind, aber durch ihre Diskussion wesentlich zur Lösung beigetragen haben. Dazu gehören die Kollegen Prof. Dr. Kaemmel, Kaiweit, Blessing, Wemmer, Berlin.
DIE ROLLE DER WESTDEUTSCHEN WÄHRUNG BEI DER FINANZIERUNG DER KONJUNKTUR UND DER WIEDERAUFRÜSTUNG von
PROF. DR. ALFRED LEMMNITZ
INHALT 1. Charakter und Bedeutung der separaten westdeutschen Währungsreform
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a) Die Vorbereitung der separaten Währungsreform .
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b) Der Charakter der Währungsreform
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c) Die Durchführung der separaten Währungsreform
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2. Die Entwicklung der westdeutschen Währung seit der separaten Währungsreform
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a) Die Lage und Entwicklung der westdeutschen Währung in der Periode der Krise und Depression 1948—1950
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b) Die Rolle der westdeutschen Währung bei der Finanzierung der Konjunktur in den Jahren 1950 bis 1955
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c) Die Rolle der westdeutschen Währung bei der Finanzierung der Aufrüstung und ihre Perspektiven
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1. Charakter und Bedeutung der separaten westdeutschen Währungsreform a) Die Vorbereitung der separaten Währungsreform Die Regierungen der imperialistischen Länder waren durch den Druck ihrer Völker gezwungen worden, gemeinsam mit der sozialistischen Sowjetunion den Kampf gegen die faschistischen Aggressoren Deutschland, Italien und Japan sowie auch gegen ihre Satelliten zu führen. Lange Zeit haben sie dabei die Taktik der Verzögerung der Bildung der zweiten Front und der Sicherung vor den revolutionären Auswirkungen des gewaltigen Sieges der Sowjetarmeen betrieben. Das Kriegsziel der imperialistischen Kräfte war nicht identisch mit dem Kriegsziel der UdSSR, die die Vernichtung des Paschismus, die Befreiung des Landes von den Okkupanten und die endgültige Sicherung des Friedens anstrebte. Das Kriegsziel der imperialistischen Mächte war vielmehr die Ausschaltung der deutschen kapitalistischen Konkurrenten, aber nicht die Vernichtung des Faschismus und seiner Grundlagen und demzufolge auch nicht die Sicherung der Demokratie und des Friedens in Europa. Als die unvermeidliche Niederlage des deutschen Faschismus offensichtlich wurde, verstärkten die imperialistischen Mächte ihre Bestrebungen, die kapitalistische Basis in Deutschland zu erhalten und die Entstehung eines demokratischen Deutschland, in dem die Werktätigen im Staat und in der Wirtschaft bestimmen, zu hintertreiben. Zur Erreichung dieses Zieles wurden geheime Verbindungen mit den früheren kapitalistischen Kreisen Deutschlands angeknüpft. Bekanntlich sollte der Putsch vom 20. Juli 1944 die Voraussetzung für die Sicherung eines kapitalistischen mit den imperialistischen Mächten verbündeten Deutschlands schaffen. Die regierenden monopolkapitalistischen Kreise der USA und Großbritanniens konnten aber ihre Pläne nicht offen vor den Völkern aussprechen. Ihre Versuche, sie auf der Konferenz von Potsdam durchzusetzen, scheiterten an der klaren und klugen Politik der Sowjetunion, die sich auf die Sympathien der Völker der ganzen Welt stützte. Das Abkommen von Potsdam legte eindeutig fest, daß Deutschland nicht vernichtet wird, sondern daß das deutsche Volk die Gelegenheit erhält, mit seiner imperialistischen Vergangenheit Schluß zu machen, seine Verderber, die Junker und Monopolisten, politisch und ökonomisch zu vernichten und ein demokratisches Deutschland aufzubauen, das nach einer angemessenen Zeit wieder gleichberechtigt in die Reihen der Völker aufgenommen würde.
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A. Lemmnitz
Die Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens durch die Regierungen der USA und Großbritanniens und später auch Frankreichs war nicht gleichbedeutend mit ihrer Zustimmung für dessen Verwirklichung. Im Gegenteil, die Bestrebungen, ein kapitalistisches Deutschland zu erhalten, die schon während des Krieges begannen, wurden rücksichtslos und heimtückisch fortgesetzt. Das galt auch für das Gebiet der Währung. Schon während des Krieges fanden Geheimverhandlungen deutscher Experten über die Fragen der Reorganisierung und Stabilisierung der durch Faschismus und Krieg völlig zerstörten deutschen Währung statt. Adolf Weber z. B. veröffentlichte 1946 ein Buch mit dem Titel „Übergangswirtschaft und Geldordnung", dessen Manuskript, wie er selbst im Vorwort mitteilt, in den letzten Kriegsjähren ausgearbeitet worden war. Die deutschen „Experten" hatten ja Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg. Und sofort nach der Kapitulation im Mai 1945 traten sie in den von den imperialistischen Mächten besetzten Gebieten, unterstützt von den Besatzungsorganen auf und propagierten in Büchern und Broschüren ihre Ideen. Es wurden in Frankfurt/Main, München, Minden, Homburg und an anderen Orten „Sachverständigen"-Ausschüsse gebildet, die Gutachten und Pläne für die Durchführung dieser Währungsreform ausarbeiteten und den Besatzungsmächten unterbreiteten. So verschiedenartig diese Pläne waren, sie hatten alle eines gemeinsam: Die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands mit der Wiederherstellung der Währung als Instrument der Kapitalistenklasse. Die vor allem mit Beginn des Jahres 1946 über die Währungsreform geführte Debatte wurde direkt zu einem Mittel, die Werktätigen der westdeutschen Besatzungszonen von den politischen und ökonomischen Hauptaufgaben abzulenken, nämlich der Übernahme der politischen Macht durch die Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse, Vernichtimg der monopolkapitalistischen Basis durch die Enteignung der Kriegsverbrecher und Monopolisten, Verstaatlichung ihres Eigentums, Enteignung der Großgrundbesitzer sowie Verteilung ihres Landes unter die landlosen und landarmen Bauern, Landarbeiter und Umsiedler. Es wurde systematisch sowohl von bürgerlicher als auch von rechtssozialdemokratischer Seite die Meinung verbreitet, daß die Voraussetzung einer politischen und ökonomischen Reform die Geldreform sei. Die Debatte über die Währungsreform wurde wie die Debatte über die Dekartellisierung und Entnazifizierung zu einem Tarnschleier, hinter dem erst insgeheim, dann aber in aller Offenheit die politische Macht des Monopolkapitals und seine ökonomischen Grundlagen erhalten, reorganisiert und gefestigt wurden. Eine hervorragende Rolle bei der Propagierung und Vorbereitung einer Währungsreform zur Wiederherstellung der deutschen Währung als eines Instruments der monopolkapitalistischen Wirtschaft spielten die amerikanischen Monopole. Auf Anweisung General Clay's wurde Anfang März 1946 eine SachverständigenKommission zur Vorbereitung einer Währungsreform gebildet, die aus amerikanischen und amerikanisierten deutschen Nationalökonomen gebildet wurde und die einen Plan zur Währungsreform ausarbeitete, der seinen Namen nach den Leitern der Kommission „Colm-Dodge-Goldsmith-Plan" erhielt. Dieser Plan sah — aus-
Die Rolle der westdeutschen Währung
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gehend von der vollständigen Erhaltung der monopolkapitalistischen Grundlagen — die Durchführung der Währungsreform in drei Etappen vor. In der ersten Etappe sollte eine neue Währung — die Deutsche Mark (!) eingeführt und das Bargeld, Bankguthaben, Hypotheken, sowie andere öffentliche und private Schulden 10,— RM = 1,— DM eingetauscht werden. In der zweiten Etappe sollte ein Kriegslastenausgleichfonds gebildet werden. Für die dritte Etappe wurde eine progressive Kapitalabgabe auf die noch verbleibenden Vermögen vorgesehen. Die Reichsschuld wurde nach dem Colm-Dodge-Goldsmith-Plan für ungültig erklärt. Preise, Löhne, Gehälter, Mieten und Steuern sollten unverändert bleiben. Dieser Plan trägt offensichtlich die Züge, die zu Beginn auch die Dekartellisierungsgesetze und Entnazifizierungsgesetze trugen. Er war scheinbar demokratisch, wobei sogar einigen Verfassern des Dokuments eine ehrliche Absicht zugeschrieben werden kann. Der Leitgedanke dieses Planes, wie aller anderen Währungsreformpläne, war aber auch bei den ehrlich demokratisch gesinnten Experten, die kapitalistische Wirtschaft zu erhalten, die schon damals mit den verschiedensten Umschreibungen wie „Verkehrswirtschaft", „freie Wirtschaft", „preisgesteuertes System" usw. bezeichnet wurde« So schrieb einer der deutschen Mitarbeiter des Colm-Dodge-Goldsmith-Plans, Heinz Sauermann: „Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine sinnvolle Währungsreform war vielmehr die völlige Umstellung des Systems, nämlich von der kriegs- und nachkriegsbedingten Zwangsbewirtschaftung auf ein preisgesteuertes System." x)
In dieser Bemerkung ist der Kern der Demagogie enthalten, mit der bis zur Durchführung der separaten Währungsreform von den wiederaufkommenden monopolkapitalistischen Kreisen und den rechten sozialdemokratischen Führern der Kampf geführt wurde. Nach dieser demagogischen Konzeption gab es nur ein Entweder — Oder. Entweder Zwangswirtschaft oder „freie", „preisgesteuerte" Wirtschaft. Unter der Rubrik Zwangswirtschaft wurde sowohl das faschistische staatsmonopolkapitalistische Regime als auch der Sozialismus und die antifaschistisch-demokratischen Maßnahmen, die in den Jahren 1945—1946 in Ostdeutschland durchgeführt wurden, zusammengefaßt. Unter Ausnutzung der schlimmen Erfahrungen mit der faschistischen Zwangswirtschaft wurde die demokratische und sozialistische Planwirtschaft böswillig verleumdet und den Werktätigen suggeriert, daß die Währungsreform auf der Grundlage der „preisgesteuerten" Wirtschaft einen neuen wirtschaftlichen Aufstieg und Wohlstand für die gesamte Bevölkerung sichert. Die Debatte über die Währungsreform und die Ausarbeitung der Währungsreform-Pläne spiegelte den Kampf der imperialistischen Besatzungsmächte, insbesondere der amerikanischen Monopole, um die Erhaltung der ökonomischen Grundlagen des deutschen Imperialismus wider. Sie waren zugleich ein Bestandteil x
) H. Sauermann, Der amerikanische Plan für die deutsche Währungsreform, Zeitschrift für die gesamte Staats Wissenschaft, 111. Band, 2. Heft, Tübingen 1955.
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dieses Kampfes, denn sie bereitete eine Kapitalistische Währungsreform ideologisch vor. In dem Maße, wie es im Laufe der Jahre 1946 und 1947 den imperialistischen Mächten gelang, die Durchführung der Potsdamer Beschlüsse zu sabotieren, nahmen die Debatten und Pläne zur Währungsreform immer konkretere Formen zu Gunsten des Monopolkapitals an. Es kam ein weiteres Moment hinzu. Als es sich erwies, daß der Plan, die Grundlagen des deutschen Monopolkapitalismus zu erhalten, nicht für ganz Deutschland zu verwirklichen war, da in Ostdeutschland die Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse begonnen hatten, die politische Macht selbst in die Hände zu nehmen und die politische und ökonomische Macht der Monopolisten und Junker zu brechen, beschritten die imperialistischen Mächte offen den Kurs der Spaltung Deutschlands. Im Dezember 1947 wurde von ihnen die Londoner Außenminister-Konferenz gesprengt und damit der Abschluß eines Friedensvertrages, der Deutschlands politische und ökonomische Einheit auf demokratischer Grundlage sichern sollte, unmöglich gemacht. Auf die Sabotage der gemeinsamen Arbeit im Kontrollrat durch die Vertreter der USA, mit denen sich die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs solidarisierten, folgte dann wohl vorbereitet im Juni 1948 die separate Währungsreform, die Deutschland weitgehend ökonomisch spaltete und zur Bildung zweier Währungsgebiete führte. Dieser Schlag gegen das Potsdamer Abkommen und damit gegen die demokratische Entwicklung Deutschlands wurde durch eine Anzahl Maßnahmen eingeleitet, die deutlich das Vordringen des Einflusses der amerikanischen Monopole auf die Politik in Westdeutschland zeigten. Die wichtigsten waren die Vereinigung der amerikanischen und englischen Besatzungszonen zu einem Wirtschafts- und Verwaltungsgebiet unter amerikanischer Vorherrschaft, der sogenannten Bizone, und die Bildung eines Wirtschaftsrates der Vereinigten Wirtschaftsgebiete, in welchem als „Experten" die Vertreter des deutschen Monopolkapitals saßen, und der den Kern der späteren separaten Adenauer-Regierung bildete. Das war weiter das Sechsmächte-Abkommen über das Ruhrgebiet 1948, das die Sowjetunion von der Kontrolle über die Hochburg des deutschen Monopolkapitals ausschloß und in die Verwaltungskörperschaft Vertreter des deutschen Monopolkapitals aufnahm. Das war schließlich die Übergabe der Durchführung der „Dekartellisierung" in die Hände des deutschen Monopolkapitals, der Eisen- und Stahlindustrie in die Hände Dinkelbachs und des Kohlenbergbaus in die Hände Dr. Kosts. Das deutsche Monopolkapital erhielt also sowohl im Staat (Wirtschaftsrat) als auch in der Wirtschaft (Ruhrstatut) führenden Einfluß, der sich unmittelbar in der Vorbereitung der Währungsreform bemerkbar machte. Neben dem amerikanischen Colm-Dodge-Goldsmith-Plan entstand im Jahre 1947 der Münchener G-Plan und das Mindener Gutachten. Eine besondere Stellung nahm der Homburger Plan ein, der von einer Sachverständigengruppe ausgearbeitet wurde, die vom Wirtschaftsrat der Vereinigten Wirtschaftsgebiete gebildet worden war und als ständige Kommission bei der Verwaltung der Finanzen in Bad Homburg unter
Die Bolle der westdeutschen Währung
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der Bezeichnung „Sonderstelle Geld und Kredit" arbeitete. Dieser Plan der Experten der deutschen Monopolkapitalisten unterschied sich nicht wesentlich von dem amerikanischen Colm-Dodge-Goldsmith-Plan. Das Entscheidende dieses Plans war, daß er sich nicht mit einer allgemeinen Debatte begnügte, sondern das Aktions-Programm der schon wieder in der politischen und ökonomischen Führung sitzenden deutschen Monopolkapitalisten formulierte. Damit trat die separate Währungsreform aus dem Stadium der Vorbereitung in das Stadium der Durchführung. b) Der Charakter der Währungsreform Die Lage auf dem Gebiet der Währung unterschied sich im Jahre 1945, am Ende des zweiten Weltkrieges, erheblich von der Lage der Währung im Jahre 1918, am Ende des ersten Weltkrieges. 1918 befand sich die deutsche Währung im Stadium einer hochentwickelten offenen Inflation. Der Geldumlauf war auf insgesamt 30 Milliarden Mark gestiegen, und die Kaufkraft der Währung war im Vergleich zum Jahre 1914 auf etwa 80 Prozent gesunken. Von einem Staatsbankrott und einem Zusammenbruch der Währung konnte aber noch nicht die Rede sein. Die Wirtschaft, das Land überhaupt, hatte nur wenig Kriegsschäden erlitten. Der größte Teil der Industrie war zwar vollständig auf Rüstungsproduktion eingestellt, aber der Produktionsapparat hätte sich in verhältnismäßig kurzer Zeit umstellen lassen. Auch die Grundlagen der Währung waren noch nicht zerstört.. Die Reichsbank verfügte über einen Goldbestand von über 2 Milliarden Mark. Das war mehr als zu Beginn des Krieges. Natürlich waren die Reparationsforderungen, die die Siegermächte auf Grund des Versailler Vertrages stellten, eine enorme Belastung für die Wirtschaft und die Finanzen. Aber sie waren nicht die Ursache für den Zusammenbruch der deutschen Währung und den faktischen Staatsbankrott bis zum Jahre 1923. Die Ursachen für die zügellose Inflation, die sich von 1918 bis Ende 1923 in wachsendem Maße entwickelte, waren die konterrevolutionären Machenschaften der Monopolisten und Junker gegen die revolutionäre Arbeiterklasse, die bewußte Abwälzung der Kriegs- und Reparationslasten auf die Schultern der Werktätigen und die Spekulation der Monopolherren mit der Währung zur Verstärkung der Konzentration des Kapitals. Die Währungsreform Anfang 1924 schloß den Sieg der monopolkapitalistisch-junkerlichen Konterrevolution gegen die revolutionäre Arbeiterklasse ab und leitete einen neuen Aufschwung der Wirtschaft des deutschen Monopolkapitals ein, der in der Katastrophe der Weltwirtschaftskrise von 1930 endete. ' Mit der Errichtung der faschistischen- Diktatur begann unmittelbar die inflationistische Finanzierung der Aufrüstung. Sie nahm im Verlaufe des Krieges ein immer größeres Ausmaß an. Am Ende des Krieges erreichte der Geldumlauf einen Umfang von 60 Milliarden Reichsmark, und die Staatsschuld betrug 400 Milliarden Reichsmark. Doch die Geldentwertung drückte sich nur in geringem Maße in Preiserhöhungen aus. Die Preise für die lebensnotwendigen Güter, die rationiert waren, wiesen nur eine unbeträchtliche Steigerung auf.
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Für diese Erscheinung, daß bei einer inflationistischen Aufblähung des Geldumlaufs nicht gleichlaufend eine inflationistische Erhöhung des gesamten Preisniveaus und eine vollständige Zerstörung des Preisgefüges wie in den Jahren 1918—1923 eintrat, gab es verschiedene Ursachen. Die wichtigsten, während des Krieges wirkenden Ursachen waren, daß das faschistische Regime durch terroristische Zwangsmaßnahmen das Preissystem aufrechterhielt. Die von Einzelhändlern und von Großhändlern, die nicht den Monopolen angehörten, verursachten Verstöße gegen die Preisverordnungen wurden als Wirtschaftsverbrechen streng geahndet. Durch die ungeheuerliche Ausbeutung der versklavten Zwangsarbeiter sicherte sich die Finanzoligarchie auch bei relativ stabilen Preisen riesige Profite. Die Ausplünderung der Überfallenen und besetzten Länder gewährleistete im Gegensatz zum ersten Weltkrieg eine verhältnismäßig hohe Versorgung der gesamten Bevölkerung auch auf der Grundlage der Rationierung. Dadurch konnte auch der Schwarzhandel, der mit den schärfsten Strafen — bis zur Todesstrafe — verfolgt wurde, das Preisgefüge nicht zerstören. Durch die Zerschlagung der Organisationen der Arbeiterklasse und die totale Militarisierung der Wirtschaft wurde auch das Lohngefüge festgehalten und große Teile des Bargeldes durch Zwangssparen, Zwangssammlungen, Volksautosparen usw. „abgeschöpft". Daraus ergab sich, daß zwar eine in inflationistischem Ausmaß anwachsende Papiergeldmenge in den Umlauf kam, aber nur in geringem Maße auf die Preise einwirken konnte. Die Bevölkerung besaß große Mengen von Bargeld, aber sie konnte sie auf Grund der Zwangsmaßnahmen nicht aktivieren. Eine weitere Ursache für die Eindämmung der Einwirkung der Geldinflation auf die Preise war, daß durch die Zwangsmaßnahmen auch die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse niedrig gehalten wurden. Die Preise für die Produktionsmittel und das Rüstungsmaterial wurden durch die sogenannte LSÖ-Bestimmungen (Leitsätze für öffentliche Aufträge) geregelt. Die absolute Beherrschung der gesamten Wirtschaft und des Staates durch die Finanzoligarchie, d. h. der Spitze der miteinander zum Finanzkapital verschmolzenen großen Industrie- und Bankmonopole sicherte mit den LSÖ-Preisen die höchsten Profite, die durch die direkte Ausplünderung der Überfallenen und besetzten Länder in phantastische Höhen getrieben wurden. Durch die LSÖ-Preise wurde aber zugleich das Gefüge der Monopolpreise relativ stabil gehalten. Die Verrechnungen erfolgten in der Regel bargeldlos oder durch die Überweisung von Staatsschuldscheinen (Reichsschatzanweisungen, Reichsschatzwechsel usw.), die in den Kreditmechanismus einliefen und sich in der Erhöhung des Bargeldumlaufs auswirkten, die aber auf die Produktionsmittel und Kriegsmaterialpreise keinen unmittelbaren Einfluß ausüben konnte. Für die Rüstungsmonopole verwandelten sich Giralgeld und Staatskredit in Realkapital, erhöhte durch Akkumulation ihr Sachvermögen. Für die Massen der Bevölkerung verwandelte sich das nicht aktivisierbare Bargeld in wertlose Papierzettel. Sie konnten damit ihren Anteil an den Ergebnissen ihrer Arbeit nicht realisieren.
Die Bolle der westdeutschen Währung
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Die Entwicklung der Preise zeigt in der Zeit von 1936 bis 1941 das folgende Bild: Tabelle 1 Indexziffern der Großhandelspreise 1936—1941 (Jahresdurchschnitt 1913 = 100) Indexgruppen Agrarrohstoffe Industrielle Rohstoffe und Halbwaren Industrielle Fertigwaren: davon Produktionsmittel Konsumgüter Gesamtindex
1936
1938
1939
1940
1941
90,9 94,1 125,8 113,— 135,4 105,7
92,2 95,0 125,9 112,8 135,9 106,9
93,2 98,6 129,3 113,— 141,7 110,—
99,5 100,3 132,5 113,3 146,— 112,3
1937
85,6 95,9 96,2 94,— 121,2 124,6 113 — 113,2 127,3 133,3 104,1 105,9
Q u e l l e : Statistisches Jahrbuch f ü r das Deutsche Kelch 56, 1937, S. 296 und 59, 1941/42, S. 358.
Für die Zeit von 1943 und 1944 zeigt sich die folgende Entwicklungstendenz: Tabelle 2 Indexziffern der Großhandelspreise 1943—1944 (Jahresdurchschnitt 1913 = 100) Indexgruppen I. Agrarstoffe II. Industrielle Rohstoffe u. Halbwaren III. Industrielle Fertigwaren davon Produktionsmittel Konsumgüter Gesamtindex
Januar 1943
Monatsdurchschnitt Januar Dezember 1943 1944
118,6 102,4 134,2 113,8 149,6 115,9
119,1 102,6 135,8 113,5 152,5 116,5
119,2 102,6 135,9 113,5 152,7 116,6
Q u e l l e : Wirtschaft und Statistik 1944, Januar, 24. Jahrgang, Nr. 1, S. 20.
Die Angaben für die Preise der Agrarstoffe weichen bei dieser Tabelle sehr stark von den Angaben der ersten Tabelle ab. Der Index wurde wahrscheinlich auf einer anderen Grundlage als bei der ersten Tabelle errechnet. Beide Tabellen zeigen aber ganz deutlich die verhältnismäßige Stabilität der Produktionsmittelpreise, während die Konsumtionsmittelpreise schon stärker die inflationistische Entwicklung zum Ausdruck bringen. Am Ende des zweiten Weltkrieges wurde mit dem Hitlerfaschismus auch der monopolkapitalistische deutsche Staat zerschlagen. Die staatliche Macht wurde von den Besatzimgsmächten übernommen und ausgeübt. Damit war faktisch auch der Staatsbankrott eingetreten. Die 'Besatzungsmächte übernahmen die staatliche Macht, aber sie übernehmen nicht die Verpflichtungen des alten Staates. Daraus ergab sich eine neuartige Situation. Der Staatsapparat konnte nicht, wie in den Jahren 1918—1923 von den deutschen Monopolisten zur Entfaltung der zügellosen Inflation ausgenutzt werden. Es gab nur eine Form zusätzlicher Geldemission: die Ausgabe alliierter Militärmark. Diese hielt sich aber in engen Grenzen. 2
Bankpolitik
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Die Rationierung der lebensnotwendigen Waren wurde aufrechterhalten und ebenso der Preisstop. Das WEIT sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland der Fall. Allerdings entwickelte sich in beträchtlichem Ausmaß der Schwarzhandel, der durch Angehörige der imperialistischen Besatzungsmächte, insbesondere der amerikanischen, stark gefördert wurde. Auf dem schwarzen Markt wirkt sich die Geldinflation zur Preisinflation aus und führt dazu, daß das Geld zum großen Teil überhaupt außer Kurs gesetzt wurde und sich der Handel in einen Naturalaustausch verwandelte. Dabei spielte auch die sich rasch entwickelnde Verarmung der Bevölkerung eine Rolle, die zum zusätzlichen Erwerb lebensnotwendiger Waren über kein Geld verfügte. Aber auch dieser inflationistische Einbruch in die Warenpreise der Konsumtions- und Luxusmittel bewirkte keine vollständige Zerstörung des Preisgefüges. Die Sperrung der Geldemission wurde in allen Besatzungsgebieten durchgeführt. Darin zeigte sich die Wirkung des Potsdamer Abkommens. Aber in den weiteren Maßnahmen unterschied sich die Zielsetzung der Politik der sowjetischen Besatzimgsmacht von der Politik der imperialistischen Besatzungsmächte. In der sowjetischen Besatzungszone wurden die Banken geschlossen und die Auszahlung der Konten gesperrt, so daß auf diese Weise der Umlauf des durch den Faschismus emittierten Geldes vermindert bzw. eine Erhöhung verhindert wurde. Zugleich unterstützte die sowjetische Besatzungsmacht die Volksbewegung zur Durchführung der demokratischen Bodenreform und der Enteignung der Kriegsverbrecher und Monopolisten. Weiter wurde durch die Einführung der Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse und die Belieferung der Bevölkerung mit rationierten Waren zu festen Preisen, das Preisniveau gehalten. In den westdeutschen Besatzungszonen wurden die Banken nicht geschlossen und die Bankkonten nicht gesperrt, so daß die Konteninhaber, die in der Hauptsache die Kapitalisten waren, über sie verfügen konnten. Entscheidend aber war, daß weder die Großgrundbesitzer noch die Monopolisten enteignet und ihr Eigentum nicht dem Volk übergeben wurde. Vorübergehend wurden die Monopolunternehmen von den Besatzungsmächten beschlagnahmt, aber bald den Monopolherren zurückgegeben. Die Freigabe der Konten ermöglichte, daß der inflationistisch aufgeblähte Geldumlauf in Westdeutschland weiter von den Kapitalisten — besonders von den Monopolkapitalisten — zur Umverteilung des Nationaleinkommens zu ihren Gunsten ausgenutzt werden konnte. Da aber keine wesentliche Neuemission von Geld erfolgen konnte und die Preise für die Produktionsmittel und die rationierten Konsumgüter gehalten wurden, kam es auch in Westdeutschland nicht zu einem Zusammenbruch des Preisgefüges. Die wichtigste Besonderheit der Inflation des zweiten Weltkrieges bestand demnach darin, daß die gewaltige Ausdehnung des Geldumlaufs über die zur Zirkulation notwendige Geldmenge hinaus nicht zu einer inflationistischen Zerstörung des Preissystems und Preisgefüges führte. Daraus ergab sich, daß auch in Westdeutschland die Währungsreform im Unterschied zur Stabilisierung der Währung im Jahre 1923/1924 nicht mit einer grund-
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legenden Veränderung des Preisniveaus verbunden war. Es erfolgte lediglich eine rigorose Reduktion des Geldumlaufs. Das war scheinbar nur eine technische Maßnahme, die alle Geldbesitzer gleichermaßen betraf und anscheinend die großen Geldbesitzer stärker als die kleinen. In der Tat schreibt der schon erwähnte Mitarbeiter am Colm-Dodge-GoldsmithPlan Heinz Sauermann: „Im Gegensatz zu dem umfassenden Inhalt der Währungspläne war die Durchführung der Beform des Juni 1948 zunächst nur ein technisches Experiment. Beschränkte sie sich doch im wesentlichen auf eine Beseitigung des Geldüberhanges aus der preisgestoppten Inflation."
Es war also eine „preisgestoppte Inflation". Die mit der Inflation verbundene Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten der Monopol- und Finanzkapitalisten wurde nur in geringem Maße während der Inflation selbst als vielmehr bei der Durchführung der Währungsreform sichtbar. Der faschistische Staat verfügte über die Geldeinlagen der Bevölkerung auf den Sparkassen, Banken und Versicherungsanstalten und verwendete sie für die Kriegsfinanzierung. Die Geldguthaben und Bargeldbestände der Bevölkerung wurden dadurch fiktiv, ohne daß sich diese Tatsache unmittelbar stark auf das Preisniveau auswirkte. Die Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten des Monopol- und Finanzkapitals durch die Inflation erfolgte demnach nicht in erster Linie auf dem Wege der Preissteigerung, sondern durch die Verwandlung der realen Geldguthaben und Bargeldbestände der Bevölkerung in fiktive. Das wurde aber erst durch die Währungsreform offensichtlich, indem mindestens neun Zehntel der Geldguthaben der Bevölkerung gestrichen wurden. Sie waren in Kapital der Rüstungsmonopole, in Produktionsanlagen, Grundbesitz, Gruben, Verkehrsanlagen, Rohstofflager usw., also in Sachgüter verwandelt worden. Die Fertigerzeugnisse — das Kriegsmaterial — wurden mit höchstem Profit an den faschistischen Staat verkauft, der sie mit dem Geld der Steuereinnahmen, der aus den unterjochten Völkern herausgepreßten Tribute und der Staatsschulden bezahlte. Der Profit verwandelte sich, bedingt durch die staatsmonopolkapitalistische Maßnahme des„Dividendenstops", in Kapital, wurde in großem Umfang akkumuliert. Die Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten des Monopol- und Finanzkapitals durch die Inflation vollzog sich also auf die Weise, daß die Geldguthaben und der Gegenwert der Bargeldbestände der Bevölkerung sich in Kapital der Rüstungsmagnaten verwandelten. Da diese Verwandlung aber durch die Finanzmaßnahmen des faschistischen Staates erfolgte, der über diese Guthaben verfügte und an ihre Stelle Staatsschuldpapiere legte, wurden die Guthaben fiktiv, die Kapitalanlagen der Rüstungsmagnaten aber blieben real. Die Schuldner der Bevölkerung waren nicht die Rüstungsmagnaten, sondern der faschistische Staat. Der faschistische Staat aber war vernichtet, und seine Schulden gegenüber der Bevölkerung wurden nicht anerkannt. Im Ergebnis wurde durch die separate Währungsreform, die auf der Grundlage der Erhaltung der monopolkapitalistischen Produktionsverhältnisse erfolgte, die !) H. Sauermann, ebenda S. 199. 2*
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Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten des deutschen Monopol- und Finanzkapitals sanktioniert. Es kann demzufolge als eine Besonderheit der allgemeinen Krise des Kapitalismus in ihrer zweiten Etappe verzeichnet werden, daß in Deutschland die Ausnutzung der Inflation als Mittel der Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten des Monopol- und Finanzkapitals nicht auf dem Wege einer zügellosen Preissteigerung erfolgte, sondern durch eine Entwertung der Geldguthaben der Bevölkerung, auf dem Wege einer Einschränkung des Verfügungsrechts über diese Geldguthaben und ihre Verwandlung in fiktive, durch Staatsschuldpapiere „gedeckte" Konten, bzw. der Verwandlung des Bargeldes in wertlose Papierzettel. Es zeigte sich schon in der Periode der Vorbereitung der Währungsreform, daß durch die Politik der imperialistischen Besatzungsmächte Ost- und Westdeutschland verschiedene Entwicklungswege gingen. Ostdeutschland ging unter dem Schutz und der Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht den Weg, der durch das Potsdamer Abkommen vorgezeichnet war, den Weg der wirklichen Demokratisierung der Wirtschaft. In Westdeutschland wurden dagegen die ökonomischen Grundlagen der Macht der Monopolisten und Großgrundbesitzer nicht angetastet bzw. vor der Vernichtung bewahrt. Das geschah z. B. durch die Sabotage der von der westdeutschen Bevölkerung in drei Ländern beschlossenen und auch in der Verfassung aller Länder verankerten Forderungen nach der Enteignung der Monopole. Der Charakter der westdeutschen Währungsreform wurde durch den Charakter ihrer Vorbereitung bestimmt. Mit der Aufrechterhaltung der monopolkapitalistischen Grundlagen der westdeutschen Wirtschaft wurden auch die Voraussetzungen für eine Währungsreform zugunsten des Monopolkapitals geschaffen. Die scheindemokratischen Züge der Währungsreformpläne verloren sich in dem Maße, wie die Grundlagen der monopolkapitalistischen Wirtschaft in Westdeutschland erhalten und gefestigt wurden. Der schon zitierte Heinz Sauermann schrieb darüber: „Weder der im folgenden veröffentlichte (Colm-Dodge-Goldsmith-Plan) noch der Homburger Plan sind mit der Währungsreform des Jahres 1948 realisiert wurden. Für die währungspolitische Entscheidung des Jahres 1948 hat jedoch der amerikanische Plan eine größere Resonanz gehabt als der Plan der Sonderstelle Geld- und Kredit..."-).
Der amerikanische Einfluß auf die Vorbereitung der westdeutschen Währungsreform beschränkte sich nicht auf die Erhaltung der monopolkapitalistischen Grundlagen der westdeutschen Wirtschaft vor den Zugriffen der Werktätigen, die auch in Westdeutschland eine wirkliche Demokratisierung forderten, sondern er machte sich in der westdeutschen Wirtschaft unmittelbar geltend. Im Unterschied zum ersten Weltkrieg wurden deutsche Städte und Dörfer durch die verbrecherische faschistische Kriegspolitik im zweiten Weltkrieg direkt vom Kriege betroffen und erlitten umfangreiche Kriegsschäden. Dennoch wurden die Produktionsbetriebe der deutschen Monopole verhältnismäßig wenig berührt. Das lag im Wesen der Kriegsführung der imperialistischen Länder, die ihre zerstörenden Kriegshandlungen im wesentlichen auf die Wohnzentren richteten und H. Sauermann, ebenda S. 198.
Die Rolle der westdeutschen Währung
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auf Industriebetriebe, die, wie auf der Konferenz von Jalta festgelegt wurde, in der von der Sowjetunion zu besetzenden Zone lagen. Daher auch die sinnlose Zerstörung Dresdens durch amerikanische Bomber. Die westdeutschen Gebiete mit dem Ruhrgebiet umfaßten auch zum Zeitpunkt der Zerschlagung des Hitlerfaschismus noch ein gewaltiges Produktionspotential, das nahezu gänzlich auf Rüstung eingestellt war. Dieses Rüstungspotential und auch die Bevölkerung als militärisches Potential hatten die imperialistischen Besatzungsmächte im Auge, als sie sich schützend vor die deutschen Monopole stellten. Die deutschen Monopole verfügten über eine große Produktionskapazität, denn sie hatten die riesigen Kriegsprofite in den Anlagen investiert. Das nominelle Aktienkapital vieler Aktiengesellschaften stand in keinem Verhältnis zum Realkapital, d. h., die Industrieanlagen verkörperten einen bedeutend größeren Wert als die Aktien. Dazu kam, daß die Aktiengesellschaften die Offenhaltung der Banken benutzten, um einen Teil ihrer Schulden gegen Papiergeld abzulösen. In der Periode, in der die Währungsreform sich dem Stadium der praktischen Durchführung näherte, zogen die Kapitalisten die Waren zurück, verwandelten ihr Geldvermögen in Sachvermögen und horteten große Bestände. Der Lohnstop war nach wie vor in Kraft, so daß durch die einsetzende Preissteigerung die Ausbeutimg sich verstärkte. Westdeutschland wurde nicht nur durch sein Produktions- und Rüstungspotential zum Anziehungspunkt vor allem des amerikanischen Kapitals, sondern auch wegen des niedrigen Lohn- und Lebensniveaus seiner Arbeiterschaft. Die Währungsreform war deshalb für die amerikanischen Monopole von Interesse, da sie die Gelegenheit bot, das Währungsverhältnis — den Valutakurs — zugunsten des amerikanischen Dollars festzulegen. Dadurch erhielten die amerikanischen Monopole die Möglichkeit, ihre hohen Warenbestände zu hohen Preisen abzusetzen und Rohstoffe, Industrie- und Verkehrsanlagen sowie andere wichtige Sachwerte billig einzukaufen. Das Mittel zur Erreichung dieses Zieles wurde, der sogenannte Marshall-Plan. Alle am zweiten Weltkrieg beteiligten kapitalistischen Länder waren durch das Pacht-Leih-System in starke finanzielle Abhängigkeit der USA geraten, darunter auch Großbritannien. Die USA kündigten kurzfristig das Pacht-Leih-Verfahren und zwangen die Schuldnerländer, entweder mit der Rückzahlung der Schulden zu beginnen — und das war nur mit Hilfe von Dollars oder Gold möglich — oder amerikanische „Hilf 6 " entgegenzunehmen, d. h. sich dem amerikanischen Warenund Kapitalexport zu beugen und in bezug auf die Währung knechtende Bedingungen anzunehmen. Der Marshall-Plan war eine unter der Maske der „Hilfe" durchgeführte Warenund Kapitalexport-Offensive der amerikanischen Monopole mit dem Ziel, die gesamte kapitalistische Welt der Herrschaft der USA-Monopole unterzuordnen. Zugleich sollte der Marshall-Plan auch die jungen volksdemokratischen Länder, die sich an der Seite der sowjetischen Armeen von dem Joch der deutschen faschistischen Okkupanten und der eigenen Reaktion befreit hatten, wieder unter das Joch des Finanzkapitals locken. Bekanntlich versuchte in einigen volksdemokratischen Ländern, z. B. in der Tschechoslowakischen Volksrepublik, die
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geschlagene, aber noch nicht vernichtete Reaktion den Marshall-Plan für einen Putsch gegen die demokratische Macht der Werktätigen zum Ausgangspunkt zu nehmen. Sie wurde, was die Tschechoslowakische Volksrepublik betrifft, im Jahre 1948 von der Arbeiterklasse aufs Haupt geschlagen. In Westdeutschland wurde der Marshall-Plan zu einem wichtigen Bestandteil der Sicherung der Grundlagen des Monopolkapitals und der Durchführung einer monopolkapitalistischen Währungsreform. Im Verlaufe des Jahres 1947 entfalteten die westlichen Besatzungsmächte, insbesondere die USA und Großbritannien, und die von ihnen geschützten und geförderten Kräfte der bürgerlichen reaktionären Kreise und der rechten sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführer eine breit angelegte Kampagne gegen den revolutionären Sozialismus, gegen die sozialistische Sowjetunion und die demokratischen Maßnahmen, die in Ostdeutschland durchgeführt wurden. Als Losung ihrer Propaganda diente ihnen der „freie" oder „demokratische" Sozialismus. Als Vorbild wurde ursprünglich die nach dem Sturz Churchills unter dem Druck der englischen Werktätigen durchgeführte Verstaatlichung des englischen Kohlenbergbaus dargestellt, die sich aber rasch als eine Form des staatsmonopolistischen Kapitalismus erwies. Mit dem Vordringen der USA in Westdeutschland wandten sich die Ideologen des amerikanischen und deutschen Monopolkapitalismus davon ab und priesen entweder unter der Maske des Sozialismus — wie die Schumacher, Weißer, Nölting und andere — oder unmittelbar — wie Röpke, Mitscherlich, Adolf Weber, Ammon usw. — die „freie Wirtschaft" nach amerikanischem Vorbild. Die durch Spekulation und Hortung der kapitalistischen Unternehmer und der Besatzungsmächte 1947 und 1948 in Westdeutschland hervorgerufene Verschärfung der wirtschaftlichen Lage der Werktätigen wurde demagogisch dem „System der Zwangswirtschaft" zugeschrieben und als einzige Lösung eine mit der Währungsreform verbundene Einführung der „freien Wirtschaft" angepriesen. Die Lieferungen auf der Grundlage der European Recovery Program (ERP), des sogenannten Marshall-Plans, gaben die Mittel für den Erfolg der separaten Währungsreform, welche die monopolkapitalistischen Grundlagen der westdeutschen Wirtschaft sicherte, die Lasten des zweiten Weltkrieges und seiner Folgen vollständig auf die Schultern der werktätigen Bevölkerung abwälzte und zugleich ein Instrument schuf, das die ökonomische Macht der deutschen und amerikanischen Monopole verstärkte. In den Tagen der separaten Währungsreform im Juni 1948 wurde mit den gehorteten Waren der deutschen Unternehmer zugleich die Masse der Waren der ERP-„Hilfe" auf den Markt geworfen, so daß das trügerische Bild einer erfolgreichen Beseitigung der durch den faschistischen Krieg hervorgerufenen Katastrophe auf dem Wege der Einführung der „freien Wirtschaft", d. h. der Aufrechterhaltung monopolkapitalistischen Wirtschaft, entstand. Die Politik der „vollen Schaufenster" gehört ebenso zu dem Komplex der systematisch eingeleiteten Maßnahmen zur Rettung des deutschen Monopolkapitals vor den Zugriffen der von der Arbeiterklasse geleiteten Werktätigen wie die Währungsreform, die Be-
Die Rolle der westdeutschen Währung
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seitigung des Verhältnis-Wahlrechts, die Sabotage der Durchführung der Beschlüsse über die Enteignung der Monopolunternehmen und die Propagierung des „freien" und „demokratischen Sozialismus". c) Die Durchführung der separaten Währungsreform Die separate Währungsreform wurde als eine umfassende politische Aktion vorbereitet. Sie richtete sich gegen die werktätige Bevölkerung ganz Deutschlands. In Westdeutschland war sie ein Schlag gegen die Versuche der Arbeiterklasse, die ökonomischen Grundlagen der Herrschaft der Monopolkapitalisten und Großgrundbesitzer zu vernichten. 1923 gelang dieser Schlag erst nach schweren Bürgerkriegskämpfen, in denen die revolutionäre Arbeiterklasse durch den Verrat der rechten sozialdemokratischen Führer eine Niederlage erlitt. 1948 kam die Arbeiterklasse durch die Anwesenheit der imperialistischen Besatzungsmächte und den erneuten Verrat der rechten sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführer nicht zur Entfaltung ihrer revolutionären Kräfte und unterlag den betrügerischen politischen und ökonomischen Manövern des verbündeten anglo-amerikanischen und deutschen Monopolkapitals. Die separate Währungsreform richtete sich zugleich gegen Ostdeutschland, wo es durch die Anwesenheit der sowjetischen Besatzungsmacht den Werktätigen unter Führung der Arbeiterklasse gelungen war, ohne Bürgerkrieg die politische Macht zu erringen und die ökonomischen Grundlagen der Herrschaft der Monopolkapitalisten und Großgrundbesitzer zu vernichten. Da die deutsche und ausländische Reaktion keine konterrevolutionären Aktionen gegen die junge deutsche Arbeiter- und Bauernmacht in Ostdeutschland unternehmen konnte, versuchte sie, diese mit ökonomischen Mitteln zu erdrosseln. Dazu sollte ihnen vor allem die separate Währungsreform und die damit verbundene Abschnürung des OstWest-Handels dienen. Mit der separaten Währungsreform wurde der durch die Sprengung der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 eingeleitete „Kalte Krieg" offen entfacht. Durch Gesetz der westlichen Besatzungsmächte wurde am 18. Juni 1948 die Durchführung der separaten Währungsreform verkündet. Ab 21. Juni 1948 wurde die alte Reichsmark-Währung außer Kraft gesetzt; an ihre Stelle trat in Westdeutschland die Deutsche Mark. Berlin blieb von dieser Maßnahme zunächst noch ausgeschlossen. Die Geldguthaben der Bevölkerung wurden 10 Reichsmark = 1 Deutsche Mark umgetauscht. Es wurde eine umzutauschende Bargeld-Kopfquote von 60,00 DM pro Person festgesetzt, von der aber nur 40,00 DM sofort ausgezahlt wurden. In weiteren Bestimmungen wurde festgelegt, auf welche Weise die einzelnen privaten und staatlichen Institutionen den Umtausch vollziehen und wie die Erstausstattung der öffentlichen Hand und der Betriebe mit den notwendigen Geldbeträgen erfolgen sollte. Mit der Bildung des Wirtschaftsrates der vereinigten Wirtschaftsgebiete (Bizone) war auch ein zentraler staatlicher Bankapparat gebildet worden mit der Bank deutscher Länder als Zentralbank. Diese erhielt durch Befehl Nr. 62
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(Emissionsgesetz) der westlichen Besatzungsmächte das Notenausgaberecht. In diesem Gesetz wurde als Höchstgrenze der Notenausgabe 10 Milliarden DM festgesetzt, die unter bestimmten Bedingungen um 1 Milliarde überschritten werden konnten. Soweit war die separate Währungsreform nur ein „technisches Experiment" zur Abschöpfung des Geldüberhangs. Aber darin bestand nicht das wesentliche dieser Währungsreform. Der spezifische monopolkapitalistische Charakter der separaten Währungsreform äußerte sich erst in dem Gesetz über die „DMEröffnungsbilanzen", vom 21. Juni 1948. Dieses Gesetz legte fest, daß alle „kriegsbedingt zweifelhaften Werte" aus der Wertrechnung der Unternehmungen entfernt und die Umwertung bestimmter Vermögensteile und Schulden infolge der Währungsumstellung vorgenommen werden konnten. Auf Grund dieser Bestimmungen konnten die kapitalistischen Unternehmen zur Vermeidung empfindlicher Verluste durch Mobilisierung „stiller Reserven" ihr Anlagekapital höher bewerten bzw. völlig neu bewerten, auch wenn es schon völlig abgeschrieben war, ohne daß eine Besteuerung erfolgte. Noch mehr: Soweit die „stillen Reserven", d. h. die akkumulierten Kriegsgewinne, zur Deckung der Verluste nicht ausreichten, konnten die Unternehmen auf die künftigen Gewinne vorgreifen, indem ein sogenanntes „Kapitalentwertungskonto" eröffnet wurde, auf dem sie die durch Kriegsschäden, Demontagen und andere Ursachen entstandenen Verluste aktivierten und später durch unversteuerbare Gewinne abdeckten. Durch das Gesetz über die „DM-Eröffnungsbilanzen" wurde offensichtlich, daß die kapitalistischen Betriebe, vor allem die Monopole, nahezu keinen Verlust durch die Währungsreform erlitten hatten. Das zeigt folgende Gegenüberstellung: Das Aktienkapital von 2241 westdeutschen Aktiengesellschaften, das sind schätzungsweise 90 Prozent aller Aktiengesellschaften (nicht enthalten sind die unter alliierter Kontrolle stehenden Unternehmen, z. B. die I. G. Farben, die „entflochten" werden sollten und die westberliner Unternehmen, wie die AEG, für die nicht der 30. Juni 1951, sondern der 31. Dezember 1951 als Termin für die Abgabe der DM-Eröffhungsbilanzen festgelegt war), betrug: am 20. Juni 1948 am 21. Juni 1948
12 030 Milliarden DM 10119 „ DM
1 911 Milliarden DM oder 15,9 Prozent Die Summe der Spareinlagen bei den öffentlichen Sparkassen Westdeutschlands dagegen betrug am 31. März 1948 45 191 Milliarden DM Die Gutschriften aus der Umstellungsrechnimg für Sparguthaben bei den öffentlichen Sparkassen Westdeutschlands 2 193 Milliarden DM betrugen am 31. Dezember 1949 Der Verlust belief sich demnach auf
Der Verlust der Sparer belief sich also auf
42 998 Milliarden DM oder 95,1 Prozent
Die Rolle der westdeutschen Währung
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Wird die sogenannte „Kopfquote" in der Berechnung einbezogen, dann beträgt der gesamte Umrechnungssatz 6,5 Prozent, mithin der Verlust der Sparer 93,5 Prozent. Der Umtauschsatz betrug demzufolge für die Bevölkerung nicht 10:1, sondern nur 10:0,65. Von den 2241 Aktiengesellschaften haben bei der Währungsreform 721 ( = 32,2 Prozent) ihr Kapital herabgesetzt 1163 ( = 5 1 , 9 Prozent) ihr Aktienkapital in alter Höhe gehalten 357 ( = 15,9 Prozent) ihr Aktienkapital erhöht.1) Es gab eine Anzahl Monopolunternehmen, die ihr Aktienkapital nicht nur 1 RM = 1 DM, sondern 1 RM = 2 DM, 1 RM = 3 DM umtauschten, darunter befanden sich solche Unternehmen wie: Mannesmann Röhren AG 1:2, Klöckner Werke AG 1:3, Harpener Bergbau AG und Essener Steinkohlenbergwerksbetrieb 1:3,7. Die imperialistischen Besatzungsmächte, vor allem die USA hatten die fortschrittlichen Elemente, insbesondere die Vertreter der Arbeiterklasse aus der neuen staatlichen Verwaltung der Länder verdrängt und die reaktionären Elemente, insbesondere die Vertreter der Finanzoligarchie in den Länderverwaltungen, vor allem aber bei der Bildung der zentralen staatlichen Verwaltung — dem Wirtschaftsrat der Vereinigten Wirtschaftsgebiete — gefördert. Sie hatten das monopolkapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln und dem Großgrundbesitz durch die Sabotage des Potsdamer Abkommens und der parlamentarischen Beschlüsse der westdeutschen Bevölkerung mittels der Politik der „Dekartellisierung" erhalten und gesichert. Durch das Sechsmächteabkommen (Ruhrstatut) wurde den Monopolkapitalisten das formal beschlagnahmte Sachvermögen de facto wieder zurückgegeben. Die separate Währungsreform aber gab ihnen ungekürzt auch das Verfügungsrecht über das gesamte Geld- und Wertpapiervermögen und als Krönung der reaktionären Politik sicherte sie den Kriegsverbrechern und Monopolisten die Realisierung der durch die Ermordung vieler Millionen Menschen und die Vernichtung und Ausplünderung ganzer Länder gewonnenen Kriegsprofite. Die Währungsreform dagegen, die kurz »ach der separaten Währungsreform Westdeutschlands in Ostdeutschland durchgeführt wurde, vernichtete nach der Enteignung der Betriebe der Kriegsverbrecher und Monopolisten und der Großgrundbesitzer auch das Geld- und Wertpapiervermögen dieser Schädlinge und Parasiten. Zwar mußte auch in Ostdeutschland die Bevölkerung unter den Folgen des zweiten Weltkrieges leiden, aber die Hauptkosten mußten die Urheber dieses Verbrechens an der Menschheit tragen. Großberlin wurde auch nach der separaten Währungsreform noch als politische und wirtschaftliche Einheit behandelt und deshalb die demokratische Währungsreform in ganz Berlin durchgeführt. Kurz darauf wurde von den imperialistischen Besatzungsmächten und den wieder zur Herrschaft gelangten deutschen reakl ) Die Angaben über die „DM-Eröffnungsbilanz" sind den Berichten des Deutschen Wirtechaftsinstituts Nr. 6/1950 und Nr. 1—2/1952 entnommen.
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tionären Kräften auch Berlin gespalten und eine separate Währungsreform durchgeführt. Diese heimtückische Aktion war mit einem Raubzug gegen Ostdeutschland verbunden. Die in den Händen der Westberliner Bevölkerung befindlichen Deutschen Mark der Deutschen Notenbank mußten gegen Deutsche Mark der Bank Deutscher Länder eingewechselt werden. Auf diese Weise erhielten die reaktionären amerikanischen und westdeutschen Kräfte die Verfügung über etwa 100 Millionen Deutsche Mark der Deutschen Notenbank, die sie zu Sabotage- und Spekulationszwecken gegen die Deutsche Demokratische Republik ausnutzten. Die separate Währungsreform schloß die Periode der Erhaltung und Wiederherstellung der ökonomischen Macht des deutschen Monopolkapitals ab und sicherte auch die Errichtung ihrer politischen Macht, die durch die Bildung des Wirtschaftsrates der-Vereinigten Wirtschaftsgebiete schon eine hohe Stufe erreichte und 1949 durch die Gründung der Bundesrepublik offen proklamiert wurde. Die separate Währungsreform war wie die Währungsreform des Jahres 1923 ein Akt der vollständigen Abwälzimg der Kriegs- und Kriegsfolgelasten auf die Schultern der Werktätigen und der Sanierung des Monopolkapitals. Sie schuf zugleich die Voraussetzungen für eine neue ökonomische und politische Offensive des wiedererrichteten deutschen Imperialismus. Auch im Jahre 1923 hatten die amerikanischen Monopole durch den Dawesplan bei der Währungsreform ihre Hände im Spiel. Damals übten sie ihre Herrschaft im wesentlichen mit ökonomischen Mitteln, mit Hilfe des Kapitalexports aus. 1948 dagegen war der Kapitalexport, der in Form der Marshallplan-„Hilfe" betrieben wurde, von der militärischen Besetzung und der unmittelbaren Einflußnahme auf die Staatsführung durch die Militärregierungen begleitet. Die militärische Besetzung sicherte den amerikanischen Monopolen bei der separaten Währungsreform weit höhere Vorteile als im Jahre 1923. Das geschah vor allem durch die vollständig unter dem Einfluß der amerikanischen Monopole stehende „Kreditanstalt für Wiederaufbau", die die rückgezahlten ERP-Kredite, die sogenannten „Gegenwertmittel", für umfangreiche Kredit- und Beteiligungsgeschäfte ausnutzte. Die ökonomische und politische Abhängigkeit Westdeutschlands nutzten die amerikanischen Monopole dazu aus, in hohem Maße Rohstoffe (Kohle, Schrott, Holz usw.) zu niedrigen Preisen auszuführen und überschüssige Lebensmittel zu hohen Preisen nach Westdeutschland einzuführen. Die Entwicklung der Ausfuhr und Einfuhr von Waren in den Jahren 1945 bis 1947 ist aus den Tabellen 3 und 4 zu ersehen. Unter Hinzuziehung weiterer Ausgaben, die sich aus dem Besatzungsregime ergaben, hatte Westdeutschland in den Jahren 1945—1947 einen Passivsaldo der Auslandsverpflichtungen von 1 Milliarde 120 Millionen Dollar. Diese Verschuldung verfiel selbstverständlich nicht der Abwertung, aber im September 1949 setzten die amerikanischen Monopole eine Abwertung der Westmark gegenüber dem Dollar um 20,7 Prozent durch. Betrug bei der Währungsreform der Wechselkurs 1 Dollar = 3,20 DM, so wurde er jetzt auf 1 Dollar = 4,20 DM festgesetzt. (Der Wechselkurs der Deutschen Mark der Deutschen Notenbank zum ameri-
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Die Bolle der westdeutschen Währung
kanischen Dollar beträgt: 1 Dollar = 2,20 DM.) Dadurch erhöhten sich die Schuldverpflichtungen Westdeutschlands gegenüber den amerikanischen Monopolen beträchtlich. Die separate Währungsreform war also ein Mittel zur Festigung der Positionen des deutschen und des amerikanischen Monopolkapitals in Westdeutschland. Tabelle 3 Warenausfuhr Westdeutschlands (in 1000 Dollar) 19 47
1945
1946
Aug.-Dez.
Jan.-Dez.
Jan.-Aug.
Jan.-Dez.
Kohle Holz Sonstiges
37318 1612 967
116922 12144 18684
61124 21401 14207
122000 39000 36000
Gesamt
39897
147684
96732
197000
25000
3474
459 1853 8149 2947 4268 107195
222000
Stromlieferungen Schiffbau- und -reparaturen Dienstleistungen davon Bahnfrachten und Hafengebühren
1648 67 3474
Das sich daraus ergebende Devisenaufkommen
39897
180231
Unter Berücksichtigung anderer Angaben
39909
180231
118610
Tabelle 4 Wareneinfuhi Westdeutsch] ands (in 1000 Dollar)
Kategorie A (Lebensmittel, Medikamente, Benzin usw.) Britische Zone Amerikanische Zone
1945 Aug.-Dez.
1916 Jan.-Dez.
32000
290000 378360
Zusammen: Kategorie B (übrige Einfuhren) Britische Zone Amerikanische Zone
668360 —
Zusammen: Dienstleistungen Gesamt
32000
1947 Jan.-Dez.
613000
59202 17100 76302
33000
744662
1000 647000
Quelle: Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen, Deutsches Institut für Wh tschaftsforschung Berlin 1948.
2. Die Entwicklung der westdeutschen Währung seit der separaten Währungsreform a) Die Lage und Entwicklung der westdeutschen Währung in der Periode der Krise und Depression 1948—1950 Die separate Währungsreform wurde unter der Losung der Wiedereinführung einer „preisgesteuerten" oder „freien Wirtschaft" vorbereitet und durchgeführt. Das war ein betrügerisches Synonym für die Wiedererrichtung der monopolkapitalistischen Wirtschaft, denn Entfaltung des „freien Wettbewerbs", d. h. des Konkurrenzkampfes, muß unter den Bedingungen der modernen gesellschaftlichen Produktivkräfte im Kapitalismus von vornherein den Großbetrieben die absolute Überlegenheit sichern und den Prozeß der Konzentration der Produktion und des Kapitals rasch durchsetzen. In der Tat wurde schon im Jahre 1948 unter der Bezeichnung „Verbundwirtschaft" die Konzentration der Schwerindustrie durch die Bildung der kapitalistischen Kombinate propagiert. Das war aber nichts anderes als die Forderimg nach der Wiederherstellung der Industriemonopole an der Ruhr und anderen westdeutschen Industriezentren. Der Fürsprecher dieser Forderung war die sozialdemokratische Zeitung „Telegraf", die im Jahre 1948 schrieb: Tabelle 5 Index der Grundstoffpreise 1948—1951 Nahrungsmittel darunter
1948 1949 1950 1951
n . Hj. J.-D. J.-D. J.-D.
143 172 173 200
125 128 140 197
125 128 144 199
&
£ 116 122 149 220
I O ? w
158 177 178 171
1 S3
•8 o sa
130 136 152 160
•5
'S
126 126 104 105
155 143 169 298 178 257 169 352 164 234 183 179 198 250 205 191
à è
Butter
s u>
Binder, lebei
è
s
?4> OQ ©
Margarine
S IS
Welzen
Insgesamt
Ö B
iCG
') Bundesgebiet ohne Bhelnland-Ffalz, Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Lindau. Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1951, S. 442 und dito 1955, S. 432.
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Die Bolle der westdeutschen Währung
„Die Verbundwirtschaft, die bei der Erzeugung von Dampf und Elektrizität aus Abfallkohle und von Gas bei der Verkokung beginnt, ist ein Kenn/eichen der Ruhrwirtschaft. Sie wird fortgesetzt bei der Auf- und Aneinanderschaltung der Arbeitsgänge von der Stahlerzeugung bis zur Walze unter Ausnutzung einmal erzeugter Wärme. Sie verbindet andererseits durch die Ausnutzung der Koksgase die Schwerchemie mit der Kohle. Das alles hat die Ruhrwirtschaft rentabel gemacht."1)
Zunächst wurde als erste Maßnahme der Wiedereinführung der „preisgesteuerten Wirtschaft" nach der erfolgreichen Durchführung der separaten Währungsreform der Preisstop für die meisten Waren aufgehoben. Die kapitalistischen Unternehmer, die aus der Vorbereitung und Durchführung der Währungsreform erhebliche Profite gezogen hatten, nutzten nun durch Preissteigerungen den aufgestauten Warenhunger der Bevölkerimg aus, um weitere enorme Profite durch die Ausplünderung der Werktätigen an sich zu raffen. Diese Entwicklung spiegelte sich in der Tabelle 5 über die Preisbewegung wider. Das größte Geschäft machten hierbei die amerikanischen Monopole. Sie nutzten die Schwäche der kapitalistischen Länder aus, deren Wirtschaft durch den Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war. Insbesondere zogen sie daraus Vorteil, daß Deutschland und Japan als Konkurrenten vom Weltmarkt vertrieben waren. Infolgedessen stieg der absolute und relative Anteil der USA am Welthandel sprunghaft an (siehe Tabelle 6). Die USA dehnten demnach ihren Export 1947 gegenüber 1937 um mehr als das Doppelte aus. Das wirkte sich besonders auf Westdeutschland aus. In der Einfuhr Westdeutschlands herrschten die USA vor (siehe Tabelle 7). Die durch Inflation, Währungsreform und Preissteigerung betriebene Ausplünderung der Werktätigen brachte rasch den Grundwiderspruch des Kapitalismus, den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter des Produk(Großhandelspreise) 1938 = 100 Industriestoffe darunter
204 204 230 284
200 207 211 234
308 288 365 444
158 348 178 328 177 433 181 538
Ile
1
"S 3
!
M
l
174 174 198 338 331 431 452
152 176 175 211
Schnittholz
w
Oesamtindex
Zellstoff inländisch
! öo fl a T3 =§
inländische
Kupfer
Steinkohle
"öS
Baumwolle (amerikanische)
. 3
Insgesamt
1ö
229 268 243 406
209 223 194 256
72 65 143 233
.3 a as
ä ä
180 191 207 250
!) „Auslandsanleihen für die Ruhr?", Telegraf, 3. Jahrgang, Nr. 233 B, Berlin, 24. September 1948, S. 2.
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tionsprozesses und der kapitalistischen Form der Aneignung der Resultate der Produktion, und damit die Überproduktionskrise in den USA zum Durchbrach. Der Produktionsapparat der USA-Monopole, der durch den Krieg kolossal ausgedehnt worden war und keinerlei Kriegszerstörung erlitten hatte, geriet in Widerspruch zu der zahlungsfähigen Nachfrage nicht nur der Bevölkerung der USA, sondern aller kapitalistischen Länder. Der Produktionsapparat der USA war Tabelle 6 Anteil der kapitalistischen Länder am Weltexport in Prozent
USA Großbritannien Westdeutschland1) Japan
1937
1947
1950
1953
14,7 11,0 9,4 5,1
30,4 9,8 0,5 0,5
18,3 11,2 3,6 1,5
21,3 10,1 6,0 1,7
') 1937 Gesamtdeutschland. Quelle: Bericht des Deutschen Wiitschaftalnstitutes, Heft 15/16, 1955.
Tabelle 7 Anteil der USA und Kanadas an der westdeutschen Einfuhr (in Millionen Dollar) Monatsdurchschnitt für das Halbjahr Einfuhr insgesamt 2. 1. 2. 1. 2. 1.
Halbjahr Halbjahr Halbjahr Halbjahr Halbjahr Halbjahr
1948 1949 1949 1950 1950 1951
126,3 160,8 —
186,8 263,8 270,9
USA und Kanada 67,9 63,6 70,1 35,8 37,6 52,0
Quelle: ifo-Wirtschaftsbilder, Ausgabe A, München, Ende 1961.
— wie der Produktionsapparat der anderen kapitalistischen Länder — auf Rüstungsproduktion eingestellt. Für seine Erzeugnisse bestand nicht mehr derselbe riesige Bedarf wie während des Krieges. Ein großer Teil dieses Produktionsapparates und seiner Produkte wurde deshalb überflüssig. Die Werktätigen aller, insbesondere der vom Krieg zerstörten kapitalistischen Länder, die die Hauptlasten des Krieges und der Kriegsfolgen tragen mußten, verfügten nicht über die Mittel zur Deckung des notdürftigsten Bedarfs. Die monopolistische Wirtschaft der USA befand sich deshalb in einem doppelten Dilemma: Überproduktion an Rüstungskapital und Rüstungsmaterial und Überproduktion an Kapital und Waren für zivile Bedürfnisse. Die Wirtschaft der USA erhielt einen bedeutenden Rückschlag. Der Marshall-Plan, der zunächst darauf eingestellt war, den Warenüberschuß in die kapitalistischen Länder zu
Die Rolle der westdeutschen Währung
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pumpen sowie die Verschuldung der kapitalistischen Länder an die USA und den Kapitalexport der USA zur Beherrschung ihrer Wirtschaft und des Weltmarktes auszunutzen, erwies sich nur vorübergehend als wirksam. Der Versuch, die Schwäche der kapitalistischen Länder zur Errichtung der Weltherrschaft der amerikanischen Monopole auszunutzen, erwies sich als aussichtslos. Das war vor allem deshalb der Fall, weil sich die Spekulation auf eine nur langsam zu beseitigende Schwäche der sozialistischen Sowjetunion als falsch erwies. Die Sowjetunion erholte sich außerordentlich schnell von den schweren Kriegsschäden und hatte 1948 schon wieder den Vorkriegsstand ihrer Produktion überschritten. Und was das Entscheidende war, sie war nicht mehr das einzige sozialistische Land. Neben ihr standen in Europa eine Anzahl volksdemokratischer Länder, die im Jahre 1948 die Restaurationsversuche der von den amerikanischen Monopolen unterstützten reaktionären Kräfte endgültig zurückgeschlagen hatten und den Aufbau der Grundlagen des Sozialismus begannen. Darunter auch die Deutsche Demokratische Republik, die in diesem Jahre mit der planmäßigen Wiederherstellung der Friedenswirtschaft begann. Der wirtschaftliche Boykott gegen die Länder des sozialistischen Lagers, zu dem die USA die kapitalistischen ,,Marshallplan-Länder" zwang, hatte zwei Ziele verfolgt: Erstens die Sowjetunion und die jungen volksdemokratischen Länder so ernsthaft wirtschaftlich zu schädigen, daß sie zu einer Beute des imperialistischen Lagers werden könnten; zweitens, die kapitalistischen Länder in noch stärkere Abhängigkeit von den USA-Monopolen zu bringen, als das schon durch die Kriegsverschuldung der Fall war. Dazu diente z.B. die Aufhebung des PachtLeih-Abkommens, die Gewährung einer Anleihe an Großbritannien unter der Bedingung einer Währungsabwertung, die dem Kapitalexport des amerikanischen Finanzkapitals die Tore zum Ausverkauf der Wirtschaft des britischen Empires öffnete. Der Boykott gegen die Länder des sozialistischen Lagers richtete sich gegen seine Urheber selbst. Er beschleunigte den Zusammenschluß der Länder des sozialistischen Lagers, förderte ihren wirtschaftlichen Aufstieg, führte zum Zerfall des einheitlichen Weltmarktes und zur Entstehung des Weltmarktes der demokratischen und sozialistischen Länder. Die USA-Wirtschaft geriet in eine Überproduktionskrise. Die Produktion ging 1949 stark zurück, während in den europäischen Ländern die Produktion stieg. Zu diesem Zeitpunkt verschiebt sich auch das Kräfteverhältnis der kapitalistischen Länder auf ihrem Weltmarkt (siehe Tabelle 6). Während die USA einen bedeutenden Anteil am Weltexport der kap. Länder einbüßt, erhöht sich zum Beispiel der Anteil Englands und Deutschlands. Dieser Vorgang auf dem kapitalistischen Weltmarkt mußte die Krise in den USA noch verschärfen. Obwohl sich sein Export erhöhte, zeigt sich doch eine Auswirkung der Krise auch auf Westdeutschland. Die durch die Währungsreform und die damit verbundene Sicherung der „freien", d. h. der kapitalistischen Wirtschaft erwartete Belebung der Produktion stellte sich nicht in dem erhofften Maße ein und konnte sich im Ergebnis der Ausräuberung der werktätigen Bevölkerung nicht einstellen»
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A. Lemmnitz
Nach der Währungsreform zeigte die Entwicklung der Produktion der westdeutschen Industrie folgendes Bild: Tabelle 8 Gesamtindex der industriellen Produktion Monatsdurchschnitt (1936 = 100)1)
1948 1949 1950 1951
Jan.
Febr.
März
April
Mal
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
81 95 127
84 99 133
84 102 136
86 104 139
88 107 137
88 108 132
57 86 107 129
63 87 115
69 92 125
72 95 130
77 99 135
Dez.
77 96 129
') Ohne Genuß mittel und Bali einschließlich Energie. Quelle: ifo-Wirtschaftsbilder, Ausgabe A, München, Ende 1951.
Die gehemmte, unbedeutende Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft in den Jahren 1948/1949 ist offensichtlich. Sie wurde noch dadurch verstärkt, daß die amerikanischen Monopole und die anderen imperialistischen Mächte die militärische Besetzung Westdeutschlands ausnutzten, um ihre Warenüberschüsse nach Westdeutschland zu pumpen und auch die Demontage einer Anzahl Werke erzwangen, die offensichtlich nicht der Rüstungsproduktion gedient hatten. Diese Politik mußte sich äußerst schädigend auf die Währung Westdeutschlands auswirken. Der Geldumlauf wuchs beständig an, da die Einfuhr in erheblichem Maße kreditiert werden mußte (siehe Tabellen 9 und 10). Der Bargeldumlauf erhöhte sich also in den Jahren 1948—1949 sehr rasch, obwohl die Produktion erst in der ersten Hälfte des Jahres 1950 den Vorkriegsstand erreichte und überschritt. Die Steigerung der Fertigwarenerzeugung diente im wesentlichen dem Inlandsbedarf, wobei der Bedarf der Besatzungsmächte eine große Rolle spielte. Infolgedessen stieg neben dem Bargeldumlauf auch sprunghaft die Summe der vom Zentralbanksystem ausgereichten Kredite. Sie betrug im Dezember 1949 3225,7 Millionen DM und erreichte nach Schwankungen Ende Dezember 1950 4209,1 Millionen DM. Die Summe der von den sogenannten Geschäftsbanken (Nachfolgebanken der Monopolbanken und andere private Großbanken) gewährten Wechselkredite stieg von 1257 DM im Januar 1949 auf 1672,7 Millionen DM im Dezember 1949 und erreichte im Dezember 1950 2564,7 Millionen DM. Die Debitoren der Geschäftsbanken an Wirtschaftsunternehmen und Private betrug insgesamt im Januar 1949 3312,5 Millionen DM, im Dezember 1949 6658,5 Millionen DM und im Dezember 1950 9049,7 Millionen DM.1) Durch die Emission von Banknoten und die Ausweitung des Kredites in den verschiedensten Formen stieg der Geldumlauf über den Anstieg der Produktion hinaus. Der Versuch, die Produktion mit Hilfe von „Geldschöpfung" und „Kreditschöpfung" in vollen Gang zu bringen, gelang nicht. Es entstand eine Atmosphäre der Unsicherheit. Die westdeutsche Währung drohte erneut zu verfallen. *) Angaben dem Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für das Jahr 1951 entnommen.
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Die Rolle der westdeutschen Währung Tabelle 9 Außenhandel Westdeutschlands (in Millionen DM) Einfuhr Januar
1948 1949 1950
Februar
März
April
Mai
Juni
705,0 678,2
656,6 790,5
—
1948 1949 1950
315,3 966,1
476,4 708,2
445,0 822,6
452,4 747,5
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
290,9 541,4 948,5
331,4 700,4 864,3
364,2 543,6 1006,3
218,3 796,5 1312,4
302,7 694,1 1206,2
485,5 1136,7 1123,0
Mai
Juni
Ausfahr Januar
1948 1949 1950
Februar —
April
März —
—
—
276,2 478,8
305,5 510,5
287,8 542,0
332,4 594,9
294,8 651,9
Augu9t
September
Oktober
November
Dezember
170,5 308,0 727,8
223,5 303,6 751,2
205,8 335,1 696,8
216,5 342,2 901,3
225,8 370,2 979,8
290,2 485,5 1009,5
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
64,2 523,3
200,2 229,4
139,5 312,1
164,5 205,5
372,6 83,3
361,8 138,6
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
120,4 233,4 220,7
107,9 396,8 113,3
158,4 208,5 309,5
148,0 454,3 411,1
76,9 323,9 226,4
195,3 651,2 113,5
251,1 442,8 Juli
1948 1949 1950
Einfuhrüberschuß 1948 1949 1950 1948 1949 1950
—
Quelle: ifo-Wirtschaftsbilder, Ausgabe A, München, Ende 1951.
Tabelle 10 Bargeldumlauf außerhalb der Kreditinstitute (einschließlich Münzumlauf) in Millionen DM
1948 1949 1950 1951
Dezember Dezember Dezember Dezember
6376 7466 8117 9323
Quelle: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Februar 1956, S. 67. 3
Bankpolitik
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A. Lemmnitz
Diese Gefahr wurde noch dadurch vergrößert, daß die USA-Regierung die Bonner Regierung im September 1949 zwang, die Westmark abzuwerten und den Kurs des Dollars von 3,20 DM West auf 4,20 DM zu erhöhen. Dadurch erhöhte sich die für die Einfuhr der amerikanischen Waren zu bezahlende Summe um ein Viertel, während die amerikanischen Monopole für eine gleiche Menge von Dollars um ein Viertel mehr Waren und Betriebe in Westdeutschland und Westberlin kaufen konnten als vor der Abwertung. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten die „entflochtenen" deutschen monopolkapitalistischen Unternehmen ebenso wie die amerikanischen Monopole in dieser Zeit aus den deutschen Arbeitern enorme Profite pressen. Die westdeutschen Arbeiter erhielten im Vergleich zu den anderen kapitalistischen Ländern außerordentlich niedrige Löhne, deren im Kampfe der Arbeiter den Kapitalisten abgezwungene Erhöhung durch die Preissteigerungen wieder zunichte gemacht wurde. Die monopolkapitalistischen Unternehmer nutzten die Tatsache des verhältnismäßig hohen Angebots von Waren — der „vollen" Schaufenster — und der geringen zahlungsfähigen Nachfrage aus, um die Arbeiter zu erhöhter Arbeitsleistung, zur Steigerung der Arbeitsintensität, anzuspornen. Dazu benutzten sie auch direkt materielle Anreize wie die Care-Pakete und das Punktsystem für die Bergarbeiter und die stark differenzierte Festsetzung der Löhne. Auf diese Weise wurden enorme Profite angesammelt, die nach einer Anlage drängten. Die deutschen Monopole begannen wieder nach dem Weltmarkt zu blicken. Dabei wurden sie von den amerikanischen Monopolen, die in Westdeutschland große Beteiligungen besaßen, unterstützt. Die Einflußnahme des amerikanischen Monopolkapitals auf die westdeutsche Wirtschaft hatte neue, von der Einflußnahme in der Zeit der Weimarer Republik unterschiedene Formen angenommen. Damals war das amerikanische Monopolkapital auch durch Kapitalanlagen unmittelbar an den deutschen Monopolunternehmen beteiligt, wie z. B. bei Opel, den IG-Farben usw. Die Hauptform der Einflußnahme bestand jedoch in großen der Reichsregierung und den Monopolunternehmen gewährten Anleihen, der Dawes-Anleihe und der Young-Anleihe. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde diese Anleihepolitik auf dem Wege der sogenannten „Hilfe" für den Wiederaufbau betrieben, dem Marshallplan, oder wie er amtlich hieß: Europäischer Wiederaufbauplan — European Recovery Plan (ERP) — und seiner Organisationen: Organization for European Economic Cooperation (OEEC), zu deutsch: Organisation für die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, European Cooperation Administration (ECA), zu deutsch: Verwaltung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, sowie den Nachfolgeorganisationen: Mutual Security Agency (MSA), zu deutsch: Amt für gegenseitige Sicherheit und Foreign Operations Administration (FOA), zu deutsch: Amt für Auslandstätigkeit. Die als „Hilfe" deklarierten Kredite der amerikanischen Monopole, für deren Sicherheit der amerikanische Staat bürgte, mußten wie alle Kredite, zurückgezahlt werden. Sie gingen aber nicht, wie das früher üblich war, an den Kreditgeber nach den USA zurück, sondern wurden von einer speziell dafür in Westdeutschland
Die Bolle der westdeutschen Währung
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gegründeten Bank, der „Kreditanstalt für Wiederaufbau" als sogenannter „Gegenwertfonds" gesammelt. Dieses amerikanische Kapital wurde und wird in den deutschen Monopolunternehmen angelegt. Neben dem von den deutschen Monopolunternehmen angesammelten Kapital und den Profiten sammelten demnach auch die amerikanischen Monopole in Westdeutschland Kapital und Profite, die nach Anlage zur Erzielung von Maximalprofiten suchten. Mit Hilfe der Kreditanstalt für Wiederaufbau nahm das amerikanische Monopolkapital nicht nur an der Ausbeutung der westdeutschen Arbeiter teil, sondern bestimmte auch in ausschlaggebendem Maße die westdeutsche Wirtschaftspolitik. Die Zentralbank, d. h. die Bank deutscher Länder mußte sich bei ihrer Emissions- und Kreditpolitik nach den Forderungen der Kreditanstalt, die in Form von „Ratschlägen" gekleidet waren, richten und der Strom der Investitionen wurde ebenfalls wesentlich von der Kreditanstalt für Wiederaufbau gelenkt. Daher war die Periode der Krise zugleich auch eine Periode der Vorbereitung' eines neuen Vorstoßes des amerikanischen und des mit ihm verbündeten deutschen Monopolkapitals. Nachdem es den imperialistischen Mächten in Europa nicht gelungen war, die jungen volksdemokratischen Länder durch den wirtschaftlichen Boykott und die Organisierung konterrevolutionärer Aufstände in die Knie zu zwingen und von der UdSSR zu lösen, fügte ihnen das chinesische Volk einen neuen schweren Schlag zu. Die chinesischen Volksarmeen zerschmetterten in den Jahren 1948—1949 unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas die zusammengepreßten Söldnerarmeen Tschiangkaischeks. Sie vertrieben die chinesische Reaktion und die anglo-amerikanischen Imperialisten vom Festland. Die chinesische Volksrepublik, in der die Arbeiter und Bauern die Macht ausüben, wurde gegründet und China schied wie Nordkorea aus dem imperialistischen Kolonialsystem aus. Diese Niederlage wollten diö anglo-amerikanischen Imperialisten nicht hinnehmen, deshalb bereiteten sie mit Hilfe der Organisation der Vereinten Nationen (UN) einen Krieg gegen das koreanische und chinesische Volk vor, während sie in Europa insbesondere gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik die Politik des „Kalten Krieges" betrieben. Die Marshallplan-,.Hilfe" und die Politik der „Europäischen Zusammenarbeit" verwandelten sich in eine militärische Hilfe an die reaktionären Kräfte der kapitalistischen Länder, in die Vorbereitung der Remilitarisierung Westdeutschlands und der Wiederaufrüstung des deutschen Imperialismus in der sogenannten „Euroäpischen Verteidigungs-Gemeinschaft" (EVG). Die Krise wurde in den Krieg geleitet. Das brachhegende amerikanische und deutsche Produktionskapital, sowie das Anlage suchende Kapital beider Länder erhielt eine neue „Perspektive". Die westdeutsche Wirtschaft wurde entsprechend dieser „neuen" Perspektive, der Perspektive der Aufrüstung und des Krieges, aufgebaut und erweitert. Dieser Perspektive dienten auch die Geld-, Kredit- und Finanzmaßnahmen des westdeutschen Staates der Monopolkapitalisten. Die Ausweitung des Geldumlaufs und Kredits mußte in die Richtung der Neuausrüstung, d. h. der Investitionen gelenkt werden. Diesem Zwecke diente im 3*
36
A. Lemmnitz
September—Oktober 1950 die Einschränkung des Volumens für kurzfristige Kredite zu Zirkulationszwecken durch die Erhöhung des Diskontsatzes der Bank deutscher Länder auf 6 % und des Lombardsatzes auf 7%, die Beschränkung des Kreditvolumens und die Erhöhung der Mindestreservesätze der Geschäftsbanken, d. h. der Monopolbanken und der übrigen kapitalistischen Großbanken. Gleichzeitig wurden auf Veranlassung der Adenauer-Regierung durch das sogenannte Investitionshilfe-Gesetz von den nichtmonopolistischen kapitalistischen und handwerklichen Betrieben eine Zwangsanleihe erhoben, deren Ertrag den Monopolunternehmen der Schwerindustrie zugeführt worden ist. Sie erhielten außerdem erhebliche Steuerbegünstigungen zum Beispiel für die Finanzierung des Wohnungsbaus aus dem Profit und wurden ebenfalls durch Steuerbegünstigungen oder direkte Staatszuschüsse, zum Export ermuntert. Die Kreditrestriktion erreichte keine Einschränkung des Kreditvolumens. Im Laufe des Jahres 1950 begann aber die Produktion rasch zu steigen. Die Ursache dafür lag nicht darin, daß diesmal wirksamere „Lenkungsmethoden" durch die Geld- und Kredit-,,Schöpfung" angewendet wurden, sondern daß die Krise von 1948/49 auslief und, vorangetrieben durch die Militarisierung der an der Vorbereitung und Durchführung des Überfalls auf das koreanische Volk beteiligten kapitalistischen Länder, der zyklische Aufstieg forciert worden ist. Wie im Lande selbst durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, so fanden die westdeutschen Monopole auch bei ihrem erneuten Vorstoß auf dem Weltmarkt die interessierte Unterstützung der amerikanischen Monopole. Die im Zusammenhang mit der Organisation der Vereinigten Staaten gegründeten wirtschaftlichen Organisationen, wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, vor allem aber die Europäische Zahlungs-Union (EZU), die unter der Maske der „Hilfe" zur Ordnung der Internationalen Währungsbeziehungen und der Wiederherstellung der Konvertibilität der Währungen gegründet wurden, dienten, wie die gesamte Marshallplanorganisation, den amerikanischen Monopolen als Instrumente zur Errichtung ihrer Weltherrschaft. Sie wurden aber, besonders was die Europäische Zahlungsunion betrifft, nach der Krise von 1948/1949 zur Basis für ein rasches Vordringen der deutschen Monopole auf dem Weltmarkt. Die Periode um 1948—1950, in der die erste Nachkriegskrise ausbrach, die vor allem die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika erfaßte und auch die Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft hemmte, wurde zugleich zur Periode der Vorbereitung der Ausdehnung der monopolkapitalistischen westdeutschen Wirtschaft innerhalb des Landes und auf dem Weltmarkt. b) Die Rolle der westdeutschen Währung bei der Finanzierung der Konjunktur in den Jahren 1950—1955 Mit dem Jahre 1950 trat der Umschwung in der Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft ein, in dessen Verlauf sich ein starker wirtschaftlicher Aufstieg vollzog. Die wichtigste Ursache dieses wirtschaftlichen Aufschwungs war die Beendigung
Die Rolle der westdeutschen Währung
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der 1948/1949 eingetretenen Nachkriegskrise und Depression und der Übergang zum konjunkturellen Aufstieg. In der Diskussion über die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft in der Periode des Imperialismus, besonders in der Epoche der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems wird oftmals die Meinung vertreten, daß ein Aufschwung der kapitalistischen Wirtschaft allein durch die Rüstungsproduktion möglich ist. Diese Meinung ist nicht richtig, denn sie übersieht, daß auch in der Epoche der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems die zyklische Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft weiter wirksam ist, wenn auch der Krisenzyklus unter dem Einfluß der allgemeinen Krise stark deformiert wurde. Auf dem XVII. Parteitag der KPdSU im Jahre 1934 äußerte sich J. W. Stalin über diese Frage folgendermaßen: „Während die Industrie der wichtigsten kapitalistischen Länder seit 1930 und besonders seit 1931 fortwährend zurückging und im Jahre 1932 ihren Tiefpunkt erreichte, begann sie sich im Jahre 1933 etwas zu erholen und anzusteigen . . . Das bedeutet, daß die Industrie der wichtigsten kapitalistischen Länder offenbar bereits den Tiefpunkt hinter sich hat, zu dem sie im Laufe des Jahres 1933 nicht mehr zurückgekehrt ist. Manche neigen dazu, diese Erscheinung ausschließlich dem Einfluß künstlicher Faktoren, wie z. B. der Rriegs-Inflationskonjunktur zuzuschreiben. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß hier die Kriegs-Inflationskonjunktur eine nicht geringe Rolle spielt. Das ist besonders zutreffend in bezug auf Japan, wo dieser künstliche Faktor den wichtigsten und entscheidenden Antrieb zu einer gewissen Belebung mancher Industriezweige, hauptsächlich der Kriegsindustrie, bildet. Es wäre aber ein grober Fehler, alles durch die Kriegs-Inflationskonjunktur erklären zu wollen. Eine solche Erklärung ist schon deshalb nicht richtig, weil die von mir charakterisierten bestimmten Wandlungen in der Industrie nicht in einzelnen zufälligen Gebieten beobachtet werden, sondern in allen oder nahezu in allen Industrieländern, darunter auch in Ländern mit stabiler Valuta. Es ist offensichtlich, daß sich hier neben der KriegsInflationskonjunktur auch das Wirken der inneren ökonomischen Kräfte des Kapitalismus geltend macht." 1 )
Diese Einschätzung J. W. Stalins gilt auch für die wirtschaftliche Entwicklung der kapitalistischen Länder insbesondere Westdeutschlands seit 1950, wenn auch die Besonderheiten der zweiten Etappe der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems, vor allem die Spaltung des einheitlichen Weltmarkts und die Bildung des Weltmarktes der demokratischen und sozialistischen Länder die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft tiefgehend beeinflussen. Die Kriegs-Inflationskonjunktur ist heute noch viel stärker wirksam, wie sich das an der wirtschaftlichen Entwicklung der USA, Großbritanniens und Frankreichs nach dem zweiten Weltkrieg deutlich beobachten läßt. Aber sie ist auch heute nicht der allein wirksame Faktor. Der wirtschaftlichen Entwicklung der kapitalistischen Länder liegt nach wie vor der Krisenzyklus zugrunde. Das zeigt sich darin, daß der wirtschaftliche Aufschwung nahezu alle kapitalistischen Länder erfaßt hat. Allerdings vollzieht sich dieser Aufschwung äußerst ungleichmäßig und trug in Westdeutschland einen außerordentlich sprunghaften Charakter. !) J. W. Stalin, Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag über die Arbeit des ZK der KPdSU (B), Fragen des Leninismus, S. 518/519, Dietz-Verlag, Berlin 1951.
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A. Lemmnitz
Es ist den kapitalistischen Ländern, vor allem den USA, dem Hauptsieger im kapitalistischen Lager und Westdeutschland, dem Besiegten des zweiten Weltkrieges gelungen, die Kriegslasten abzuwälzen und durch eine verstärkte Ausbeutung der Arbeiter und Bauern gewisse Voraussetzungen für einen konjunkturellen Wirtschaftsaufstieg zu schaffen. Die USA-Monopole erreichten diese Voraussetzungen durch die Ausplünderung der Völker der von ihnen abhängigen kapitalistischen Länder und der Bevölkerung der kolonialen und zurückgebliebenen Länder. Westdeutschland errang diese Voraussetzungen mit amerikanischer Hilfe durch die Abwälzung aller Kriegslasten auf die Schultern der werktätigen Bevölkerung und durch die Realisierung der im faschistischen Raubkrieg aus dem Leben und Blut der Völker herausgepreßten Profite. Die wichtigste Methode zur Erreichung dieses Zieles war die Militarisierung der Wirtschaft. Man darf aber die Militarisierung der Wirtschaft nicht mit der unmittelbaren Aufrüstung verwechseln, obwohl in der Periode der allgemeinen Krise die eine die notwendige Voraussetzung der anderen ist und unvermeidlich in sie übergeht. Die Militarisierung der Wirtschaft ist eine Herrschaftsmethode des staatsmonopolistischen Kapitalismus zur Unterordnung der gesamten Wirtschaft und vor allem der Werktätigen unter die Herrschaft der Finanzoligarchie, ein „Militärzuchthaus für die Arbeiter, ein militärischer Schutz für die Profite der Kapitalisten."1) Diese Methode wird heute in allen entwickelten kapitalistischen Ländern angewendet und erreichte im faschistischen Deutschland durch Zerschlagung der selbständigen Klassenorganisationen der Arbeiterklasse und die Verwandlung der Gewerkschaften in der „Deutschen Arbeitsfront" in ein Anhängsel der Unternehmerorganisation ihre höchste Stufe. In den USA wurde ein ähnlicher Zustand mit Hilfe der reaktionären Gewerkschaftsführer erreicht. In Westdeutschland zwangen und zwingen die imperialistischen Besatzungsmächte die Arbeiter in dieses Joch. Die Militarisierung der Wirtschaft sichert den Monopolen maximale Profite und beschleunigt den konjunkturellen Aufstieg. Der konjunkturelle Aufstieg ist besonders in Westdeutschland durch eine umfassende Neuausrüstung der Betriebe und damit durch eine umfangreiche Neuanlage von fixem Kapital gekennzeichnet. Aus den Tabellen 11 und 12 ist zu ersehen, in welchem Umfang in der Zeit von 1951 —1955 in Westdeutschland investiert worden ist. Durch die umfassende Neuanlage von fixem Kapital erfuhr die Produktion der Grund- und Schwerindustrie eine starke Ausdehnung. Die Zahl der Beschäftigten stieg verhältnismäßig rasch an; zugleich gab die Anwendung modernster Technik auf dem Wege der sogenannten „Rationalisierung" die Möglichkeit einer raschen Steigerung der Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität, die den Monopolunternehmen durch die nur langsam ansteigenden Löhne riesige Profite sicherte. *) W. I. Lenin, Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd. II, S. 123, Moskau 1947.
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Die Rolle der westdeutschen Währung
Tabelle 11 Neuausrüstung der Industriemonopole durch große Neuanlage von fixem Kapital Bruttoanlageinvestitionen, ohne Vorräte, einschließlich Besatzungs- bzw. „Verteidigungsinvestitionen" und Erwerb von beweglichem Sachvermögen der öffentlichen Hand, Vierteljahreswerte in Millionen DM
1951 1952 1953 1954 1955 !)
Februar
Mai
August
November
Zusammen
5,0 5,7 6,1 6,0 7,2
6,1 6,9 7,6 8,4 10,4
6,3 7,5 8,2 9,1 11,1
6,6 7,1 7,7 9,2
24,0 27,2 29,6 32,7 28,7
') Vorläufige Zahlen. Quelle: ifo-Schnellfflenst, 1955, Nr. 43.
142,2
Tabelle 12 Zusammensetzung der Bruttoinvestitionen 1936 = 19% des Bruttosozialprodukts Hiervon wurden verwendet für: a) Ausrüstungsinvestitionen b) Vorratsinvestitionen c) Wohnungsbauten d) übrige Bauten
19% 23% 14% 44%
1954 = 26% des Bruttosozialprodukts 48% 13% 21% 18%
Quelle: lfo-Schnelldienst, 1955, Nr. 43.
In der Periode der „Entkartellisierung", der Periode der Erhaltung und Sicherung der monopolkapitalistischen Grundlage der westdeutschen Wirtschaft hatten sich die Monopole durch die Mobilisierung der „stillen Reserven", d. h. durch die Realisierung der versteckten Kriegsgewinne saniert. Jetzt entwickelten sie ihre Produktionskapazitäten vor allem durch die „Eigenfinanzierung" d. h. durch die Akkumulation ihrer Profite. Was war die Ursache dieser Erscheinung ? Der staatsmonopolistische Kapitalismus, d. h. die Unterordnung des Staates und damit der gesamten Wirtschaft unter die Herrschaft der Finanzoligarchie entwickelte neben der Militarisierung der Wirtschaft schon während des zweiten Weltkrieges besondere Methoden der „Lenkung" der Wirtschaft zugunsten der großen Monopole durch die Anwendung besonderer Finanzierungsmethoden. Diese Praxis wurde nach der Festigung der ökonomischen und politischen Herrschaft der Monopole in Westdeutschland fortgesetzt. Die AdenauerRegierung förderte insbesondere durch Steuerbegünstigung die Neuanlage von fixem Kapital. Wir sahen schon, wie durch das Gesetz der „DM-Eröffhungsbilanzen" die Kapitalisierung der versteckten Profite auf dem Wege der Neubewertung des Anlage-Kapitals und die Kapitalisierung der neuen Profite durch die Bildung der
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„Kapitalentwertungskonten" gefördert wurde. Diese Förderung der „Kapitalbildung" wurde 1950/51 von der Adenauer-Regierung durch das ebenfalls bereits erwähnte sogenannte „Investitionshilfegesetz" weiter betrieben. Diese „Kreditschöpfung" hatte also eine ganz reale Grundlage, ebenso wie die Sanierung der Monopole eine reale Grundlage hatte, nämlich die Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten des Monopol- und Finanzkapitals. Diese Finanzmanipulationen waren nicht die Ursache des konjunkturellen Aufschwungs, aber sie lenkten die Mobilisierung der wirtschaftlichen Ressourcen auf die Grund- und Schwerindustrie und beschleunigten dadurch deren Entwicklung. Ein weiterer Faktor der Beschleunigung des konjunkturellen Aufstiegs Westdeutschlands war der durch den imperialistischen Krieg gegen das koreanische Volk verstärkte Export. Es ist nicht richtig zu sagen, daß der imperialistische Überfall auf Korea allein die Steigerung des Exports hervorrief. Der Export entwickelte sich schon als Ergebnis des zyklischen Aufschwungs. Das zeigt sich darin, daß in den Jahren nach 1950 der Hauptbestandteil der deutschen Ausfuhr die Investitionsgüter waren, der bis zu 80 Prozent des Exports ausmachte. Aber hierin zeigte sich der spezifische widerspruchsvolle Charakter der Entwicklung der kapitalistischen Produktion in der Epoche der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems. Die Produktion der westdeutschen Monopole dient in der Zeit von 1950 bis etwa 1954 nicht unmittelbar der Aufrüstung und dem Kriege. Sie diente zunächst der Neuausrüstung der kapitalistischen, insbesondere der monopolkapitalistischen Betriebe in Westdeutschland. Sie diente weiter durch den Export der Ausrüstung der europäischen kapitalistischen Länder. Und sie diente schließlich durch den Export der Ausrüstung unentwickelter überseeischer Länder z. B. Argentinien und Brasilien. Soweit Industrieausrüstungen in die kapitalistischen Länder Europas exportiert wurden, die in dem Krieg gegen K o r e a und V i e t n a m verwickelt waren, konnten sie als Produktionsmittel zur Produktion von Kriegsmaterial verwendet werden. Sie konnten aber ebenso der Befriedigung der Bedürfnisse dienen, die durch die Rüstungsproduktion, z. B. Frankreichs, Großbritanniens und auch der USA nicht gedeckt werden konnten. Das war anfangs auch der Fall und gab den deutschen Monopolen die Gelegenheit auf dem Weltmarkt vorzudringen und das Ausfuhrdefizit in einen hohen Ausfuhrüberschuß zu verwandeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Aufnahme Westdeutschlands in die Europäische Zahlungs-Union (EZU), die durch ihr multilaterales Zahlungsabkommen die Fesseln der Devisenzwangswirtschaft, in denen sich die westdeutsche Wirtschaft befand, erheblich lockerte. Ausschlaggebend waren jedoch für die westdeutschen Exporterfolge die durch die Modernisierung der Produktion erzielte hohe Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität und das niedrige Lohnniveau der westdeutschen Arbeiter, die so niedrige Produktionskosten ermöglichten, daß die westdeutschen Monopole ihre kapitalistischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt schlagen konnten. Begünstigt wurden diese Erfolge noch durch die staatliche finanzielle Unterstützung, welche die Exportproduzenten und -händler auf die verschiedenste Weise von der Adenauer-Regierung erhielten.
Die Rolle der westdeutschen Währung
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In die staatsmonopolkapitalistischen Maßnahmen zur Förderung der Investitionen und des Exports wurde auch die westdeutsche Währung einbezogen. Die wichtigste der währungspolitischen Maßnahmen zur Förderung des konjunkturellen Aufschwungs war die Schaffung eines Kreditsystems, das den Monopolunternehmen die zur Finanzierung notwendigen Geldmittel sicherte. Dieses Kreditsystem beruht auf den Beziehungen zwischen der zentralen Notenbank (Bank deutscher Länder) und den mit ihr verbundenen Landeszentralbanken (das Zentralbanksystem) und den sogenannten Kreditbanken, bei denen die Nachfolgebanken der großen Bankmonopole (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank) den Ausschlag geben. Die Bank deutscher Länder emittiert in Form von Bargeld und Sichtguthaben das westdeutsche Geld, die Deutsche Mark der Bank deutscher Länder. Die Kreditbanken, also vor allem die Monopolbanken, emittieren Giralgeld in Form von Krediten. Die Emission von Giralgeld hängt allerdings von dem Vorhandensein bestimmter Mindestreservemittel ab, die bei der Zentralbank hinterlegt werden müssen. Die unmittelbare Versorgung der Unternehmen mit Krediten geht über die sogenannten Geschäftsbanken, bei denen die alten Monopolbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank) vorherrschen. Die Zentralbank fungiert in diesem Geschäft nur durch die Rediskontierung von Wertpapieren und Wechseln. Die Monopolbanken gewähren den Unternehmen sowohl kurzfristige als auch mittel- und langfristige Kredite. Seit dem Jahre 1950 zeigt sich in Westdeutschland ein rasch ansteigender Geldumlauf. Der Bargeldumlauf betrug Ende 1950 8117 Millionen DM und am 30. Juni 1955 13211 Millionen Mark. Das ist ein Wachstum um 61 Prozent. Die Sichtanlagen betrugen Ende 1950 10346 Millionen DM und am 30. Juni 1955 15949 Millionen DM.1) Angesichts dieses umfangreichen Wachstums des Geldumlaufs werden selbst die monopolkapitalistischen Kreise Westdeutschlands unruhig. Sowohl Minister der Bundesregierung als auch Direktoren der Bank deutscher Länder sehen sich gezwungen, beruhigende Erklärung gegen die Furcht der Bevölkerung vor einer neuen Inflation abzugeben. Aber das Anwachsen des Geldvolumens ist noch nicht das Zeichen für die Zerrüttung der westdeutschen Währung. Die Zerrüttung des kapitalistischen Geld- und Kreditsystems zeigt sich vor allem in der Auflösung des einheitlichen kapitalistischen Währungssystems in verschiedene Währungsräume: Dollarraum, Sterlingraum, EZU-Raum (Europäische Zahlungsunion) und in die verschiedensten zweiseitigen (bilateralen) Beziehungen. Sie zeigt sich weiter in der Devisenzwangswirtschaft und der damit verbundenen Aufhebung der freien Konvertierbarkeit der Währungen. Sie zeigt sich schließlich in den verschiedenen Stadien der inflationistischen Zerrüttung der Währung der einzelnen Länder wie z. B. in Frankreich, Italien und Japan. In Westdeutschland gelang es dem Monopolkapital mit amerikanischer Hilfe, die durch die Inflation zerstörte alte Währung durch eine neue Währung auf Monatsberichte der Sank deutscher Länder, Februar 1956, S. 67.
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A. Lemmnitz
Kosten der Werktätigen zu ersetzen. Diese Währung hat sich auf Grund des im Jahre 1950 einsetzenden konjunkturellen Aufschwungs verhältnismäßig stabil gehalten. Die Hauptursache für das Ansteigen des Geldumlaufs in Westdeutschland nach 1950 war das Ansteigen der Produktion. Die industrielle Produktion entwickelte sich im Vergleich zum Jahre 1950 mit 100 Prozent auf 181 Prozent im 1. Halbjahr 1955 und der Bargeldumlauf plus Sichtguthaben von 100 Prozent im Jahre 1950 auf 171 Prozent im 1. Halbjahr 1955. Man muß allerdings berücksichtigen, daß in den kapitalistischen Ländern der Geldumlauf nicht nur durch die Höhe des Bargeldumlaufs und der Sichteinlagen bestimmt wird, sondern auch durch Kredite. Die kurzfristigen Kredite stiegen 1955 auf 199 Prozent im Verhältnis zum Jahre 1950.1) Das gesamte Geldvolumen, also Bargeldmenge plus Sichteinlagen plus Termineinlagen stieg noch stärker an. T a b e l l e 13 Index der .Nettoproduktion der gesamten Industrie Arbeitstäglich 1936 = 100. 1950
1951
1952
1953
1954
1955
110,9
131,2
139,6
153,9
171,8
197,6
1956 Jan.
197,5
1
M£rz
1 201,6
Q u e l l e : Wirtschaft und Statistik, Heft 6/1956.
T a b e l l e 14 Entwicklung der Produktion nach Industriezweigen Produktions-Index-Zahlen arbeitstäglich 1936 = 100
Kohlenbergbau insgesamt Energiewirtschaft (Strom-Produktion . . Erdölgewinnung und Mineralölverarbeitung . Bauwirtschaft (Bauleistung) Eisen- und Stahlproduktion Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Chemie-Produktion . . . Textil-Produktion insgesamt
1949
1950
1951
1952
1953
1954
92
93
108
112
113
115
151
172
201
220
236
265
189
251
307
395
492
599
110
120
131
160
173
63 97 74 150 96
82 124 126 198 125
93 165 164 272 150
107 189 194 288 155
102 185 202 319 182
115 208 268 392 210
90
119
130
125
145
151
—
Q u e l l e : „Wirtschaftskonjunktur", Berichte des ifo-Schnelldienstes, München, 7. Jahrgang, 1955, „Sonderbeilage, Zahlen zur Branchenkonjunktur". x
) Zahlenangaben aus Geschäftsberichte der Bank deutscher Länder 1950—1954 und Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Oktober 1955.
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Die Rolle der westdeutschen Währung Tabelle 15 Entwicklung des Bargeldumlaufs und der Bankeinlagen (in Millionen DM) Stand am Monatsende
1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955
Bargeldumlauf außerhalb der Kreditinstitute
6376 7466 8117 9323 10817 11972 12781 14088
Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember
Sichteinlagen
Termineinlagen')
7754 9063 10346 11776 12540 13564 19853 19853
1011 1120 2434 3345 4603 5583 4991 5460
') Von Wiltachaftauntemehmen und Privaten — Ms Mal 1950 einschließlich Festkonten. Quelle: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Februar 1956, S. 67.
Daraus läßt sich also entnehmen, daß die in die Wirtschaft gepumpte Geldmenge in Form von Bargeld, Bankguthaben und Krediten schneller wuchs als die industrielle Produktion. Dieser Prozeß enthält ohne Zweifel Tendenzen einer inflationistischen Zerrüttung der westdeutschen Währung. Die inflationistische Zerrüttung der Westmark, vor der sich die westdeutschen Monopolherren und ihre „wissenschaftlichen" Soldschreiber so fürchten, entwickelt sich aber an einer anderen Stelle. Sie liegen im Wesen des zyklischen Aufschwungs der westdeutschen Wirtschaft. Die wirtschaftliche Entwicklung Westdeutschlands wurde durch die staatsmonopolkapitalistische Hilfe durch den Export forciert. Eines der typischen Merkmale war, daß die Investition außer durch die „Eigenfinanzierung", d. h. durch die Kapitalisierung der Profite, mit Hilfe von Krediten erfolgte. Das geschah auf die Weise, daß die Sicht- und Termineinlagen von den Banken für Investitionszwecke ausgeliehen wurden. Der Mechanismus des Zentralbanksystems mit seinen Mindestreservesätzen erlaubt den Geschäftsbanken, bis zuin neunfachen Betrag der Mindestreserven Kredit zu „schöpfen", d. h. zusätzlich Giralgeld in Form von Kredit an die Industriemonopole auszuleihen. Die Industriemonopole erhielten auf diese Weise Geldmittel, die nicht aus dem Kreislauf des kapitalistischen Reproduktionsprozesses entsprungen sind, also kein zeitweilig freigesetztes Geldkapital darstellten. Die Produktion wurde dadurch über den Rahmen der aus der Produktion entspringenden Akkumulationsmittel hinaus erweitert. Tabelle 16 Langfristige Kredite an Wirtschaflsunternehmen und Private in Millionen SM
Dezember November Dezember Dezember Dezember
1951 1952 1953 1954 1955
Quelle: Monatsberichte der Bank Deutscher Länder, Juni 1956.
8259,3 11556,7 15948,7 21539,7 28781,8
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A. Lemmnitz
Die kapitalistischen Unternehmen entzogen durch ihre Investitionen dem Markt die materiellen Mittel, die Investitionsgüter, und an ihre Stelle trat das kreditierte Geld und erhöhte die umlaufende Geldmenge über das zur Zirkulation notwendige Maß hinaus. Diese künstliche Ausdehnung der kapitalistischen Produktion gibt es auch in der Periode des vormonopolistischen Kapitalismus. Sie ist eine der Ursachen sowohl für die Hinausschiebung des Ausbruchs der kapitalistischen Überproduktionskrisen als auch für ihre Verschärfung. Die durch den Kredit bewirkte künstliche Ausdehnung der Produktion verschärft den Widerspruch zwischen Produktion und Markt, zwischen dem Angebot und der zahlungsfähigen Nachfrage, einer Form des Grundwiderspruchs des Kapitalismus. In der Periode des monopolistischen Kapitalismus, insbesondere in der Epoche der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems, besteht das Neue in der Anwendung dieser Methode der künstlichen Erweiterung der kapitalistischen Produktion darin, daß sie als sogenannte „Lenkungsmethode" der Sicherung der Maximalprofite der großen Monopole dient und nicht mehr von den einzelnen kapitalistischen Banken, sondern vom kapitalistischen Staat, der von den großen Monopolen beherrscht wird, mit Hilfe der Monopolbanken systematisch angewandt wird. Daraus ergibt sich, daß die Methode der künstlichen Forcierung der Entwicklung der kapitalistischen Produktion im monopolistischen Kapitalismus in viel größerem Umfang und daher auch viel wirksamer angewendet werden kann als im vormonopolistischen Kapitalismus. Dadurch kann der Ausbruch der kapitalistischen Überproduktionskrise hinausgeschoben werden. Die Auswirkungen müssen dann aber auch um so verheerender sein. In der Periode des monopolistischen Kapitalismus und der Epoche der allgemeinen Krise erhält diese Methode der Finanzierung der kapitalistischen Produktion noch eine weitere Bedeutung, nämlich für die Finanzierung der Rüstung und des Krieges. Wir stellten schon fest, daß beim „normalen" Ablauf des kapitalistischen Zyklus durch die Investition dem Markt die Investitionsgüter entzogen werden und daß an ihrer Stelle eine Geldmenge in der Zirkulation verbleibt, der zunächst kein Produkt gegenübersteht. Aber eines Tages wird die Investition wirksam und das Produkt auf den Markt geworfen. Schwierigkeiten entstehen dann dadurch, daß auf Grund der Wirkung des Grundwiderspruchs des Kapitalismus die zahlungsfähige Nachfrage der Mehrheit der Bevölkerung, d. h. der Arbeiter und Bauern eingeschränkt ist und nicht ausreicht, das von ihnen erzeugte Produkt zu kaufen. Dadurch bricht die Überproduktionskrise aus. Wird nun die mit Hilfe der „Kreditschöpfung" forcierte Produktion zur Erzeugung von Kriegsmaterial und militärischen Einrichtungen verwendet, dann entsteht auch ein Produkt, und für dieses Produkt gibt es auch einen Käufer, den imperialistischen Staat. Es entsteht also keine Überproduktionskrise. Aber das Kriegsmaterial tritt nicht in den Kreislauf des Reproduktionsprozesses ein, sondern fällt aus diesem heraus. Es dient weder der Reproduktion des Kapitals noch
45
Die Rolle der westdeutschen Währung
der Arbeitskraft, noch hat das dem erzeugten Profit zugrunde liegende Mehrprodukt eine Naturform, in der es der realen Akkumulation dienen kann. Mit dem Verkauf des Kriegsmaterials an den Staat wird der Geldumlauf noch weiter erhöht, denn auch der erzeugte Profit wird in Geld verwandelt. Zugleich verschärft sich der Grundwiderspruch des Kapitalismus nicht nur durch die verschärfte Ausbeutung, sondern auch durch die beginnende Entwertung des Geldes. Die westdeutsche Wirtschaft steht heute im Übergang vom konjunkturellen, durch „Kreditschöpfung" forcierten Aufschwung zur Rüstungswirtschaft. Das werden wir noch näher untersuchen. Der zweite Faktor, der den konjunkturellen Aufschwung der westdeutschen Wirtschaft forcierte, war der durch den Koreakrieg und die staatliche Förderung rasch vergrößerte Export. In kurzer Zeit verwandelte sich nach 1950 das hohe Außenhandels- und das damit verbundene Devisendefizit in einen hohen Exportund damit Gold- und Devisenüberschuß. Im Außenhandel sind die ökonomischen Beziehungen die folgenden: Durch den Export geht ein Teil des gesellschaftlichen Produkts aus dem Reproduktionsprozeß eines Landes in den Reproduktionsprozeß eines anderen Landes ein. Dafür tritt Geld in ausländischer Währung in Form von Devisen, Sorten (Bargeld) oder Gold in die Zirkulation des Exportlandes. Das Geld genügt bekanntlich nicht zur wirklichen Akkumulation. Dazu gehören die entsprechenden Produktionsund Konsumtionsmittel. Demzufolge muß das Exportland zur Sicherung seiner Reproduktion auch entsprechend der Ausfuhr eine bestimmte Menge Waren einführen. Ein hoher Gold- und Devisenstand sagt noch nichts über die wirtschaftliche Lage eines Landes aus. Wenn das betreffende kapitalistische Land eine hohe Auslandsverschuldung hat und in wachsendem Maße Zinsen und Rückzahlungen leisten muß, dann schwindet der Gold-und Devisenbestand, ohne daß ein Produkt in den Kreislauf des Reproduktionsprozesses zurückkehrt. Andererseits kann bei gleichzeitiger aktiver Zahlungsbilanz der Gold- und Devisenbestand dem Kapitalexport dienen. In Westdeutschland wuchs mit dem Export auch der Import (siehe Tabelle 17), aber der Export wuchs rascher als der Import, so daß sich hohe Gold- und Devisenbestände bildeten. Zugleich hat Westdeutschland eine hohe Auslandsschuld und muß in wachsendem Maße nicht nur für neue Schulden, sondern auch mit dem Wirksamwerden des Londoner Schuldenabkommens für alle Vorkriegsschulden Zinsen zahlen und Rückzahlungen leisten. T a b e l l e 17 Warenhandelsbilanz des Bundesgebietes und Westberlins (in Millionen DM) 1950
1951
1952
1953
1954
1955
11373,9 8363,2
14725,5 14576,8
16202,9 16908,8
16010.4 18525,6
19337.1 22035.2
24472,2 25716,8
Saldo. . . . —3011,7
—148,7
+ 705,9 + 2515,2 + 2698,1
1244,4
Einfuhr. . . Ausfuhr . .
Quelle: Monatsberichte der Bank Deutscher Länder, Junil95ft.
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A. Lemmnitz
Daraus ergibt sich für die westdeutsche Wirtschaft, insbesondere für die Währung eine verhängnisvolle Komplikation. Durch den Exportüberschuß wird dem kapitalistischen Reproduktionsprozeß ein Teil des gesellschaftlichen Produkts entzogen und kehrt nicht unmittelbar in ihn zurück. An seine Stelle treten Gold und Devisen. Die Verfügung über das Gold gibt den kapitalistischen Unternehmern die Möglichkeit, in jedem beliebigen Land zu kaufen. Es hat die allgemeine Wertform und könnte jederzeit in Waren verwandelt werden, die in den Reproduktionsprozeß eingehen. Allerdings ist nicht der gesamte Gold- und Devisenbestand der Bank deutscher Länder frei verfügbar. Er mußte zu einem Teil der Europäischen Zahlungsunion als Kredit überlassen werden. Was die Devisen betrifft, so ist ihre Verwendbarkeit außerdem noch dadurch beschränkt, daß nur amerikanische Dollars in jedem Lande zum Ankauf von Waren verwendet werden können (konvertierbar sind). Das gilt schon nicht mehr für das englische Pfund und noch weniger für die Währungen der anderen kapitalistischen Länder. Aber abgesehen von diesen Schwierigkeiten der internationalen Valutabeziehungen, die ein Ausdruck der Zerrüttung des kapitalistischen Währungs- und Kreditsystems sind, treten für Westdeutschland noch andere bedeutende Schwierigkeiten auf. Die westdeutschen Exporteure müssen das als Exporterlös vereinnahmte Gold und die Devisen an die Bank deutscher Länder verkaufen. Diese ist ihrerseits verpflichtet, sie zu kaufen, auch wenn die Einlösung der Devisen Schwierigkeiten macht. Der Aufkauf von Gold und Devisen bedeutet aber nichts anderes, als daß die Bank deutscher Länder dafür Deutsche Mark der Bank deutscher Länder auszahlen muß. Der innere Geldumlauf wird auf diese Weise erhöht. An Stelle des exportierten Teils des gesellschaftlichen Produkts treten Bargeld oder Sichtguthaben in die Zirkulation. Der Aufkauf von Gold und Devisen wurde seit 1950 die wichtigste Quelle der Geldemission der Bank deutscher Länder. Hatte die Bank deutscher Länder im Tabelle 18 Devisen- und Goldbestände der Bank deutscher Länder in Millionen DM Outhaben bei ausländischen Banken
31. 30. 31. 30. 31. 30. 31. 30. 31.
12. 51 6.52 12. 52 6.53 12. 53 6.54 12. 54 6.55 12. 55
1 696,0 2 826,1 3 971,5 5 052,1 6 497,3 7 693,8 7 568,7 8 162,9 8 559,9
Goldbestände
116,0 387,7 587,0 879,9 1 367,8 1 753,7 2 629,6 3 182,4 3 862,0
Quelle: Monatsberichte der Bank Deutscher Länder, Juni 1956.
Sorten, ausl. Wechsel und Schecks
302,1 286,4 336,0 324,6 466,6 459,7 1 066,7 702,5 682,9
Die Rolle der westdeutschen Währung
47
Jahre 1950 durch das Exportdefizit in bezug auf Gold und Devisen noch ein Minus von 8 Prozent des emittierten Zentralbankgeldes zu verzeichnen, d. h. gegenüber dem Ausland Verpflichtungen zu erfüllen, so machte im Jahre 1955 die Geldemission durch Ankauf von Gold und Devisen rund 55 Prozent der gesamten Geldemission der Bank deutscher Länder aus. Infolgedessen mußte die durch das Emissionsgesetz im Jahre 1948 festgelegte Höchstgrenze von 10 Milliarden DM fortwährend hinausgeschoben werden. Sie ist heute auf 15 Milliarden DM gestiegen. Der Erfolg der Exportoffensive der westdeutschen Monopole beginnt sich in eine Gefahr für die westdeutsche Währung zu verwandeln und bereitet den herrschenden Kreisen der Finanzoligarchie schon seit einiger Zeit Sorgen. Sie standen vor dem Dilemma, den Dingen ihren Lauf zu lassen und eine Überfüllung der Zirkulationskanäle und damit die Gefahr der Entwertung des Geldes heraufzubeschwören oder die Einfuhr zu erhöhen und einen Ausgleich der Handelsbilanz anzustreben. Dadurch würde aber der Inlandsmarkt belastet, denn was Westdeutschland in der Hauptsache ausführt, sind Investitionsgüter. Es würde dann die Gefahr einer Überproduktion von Kapital hervorrufen. Eine verstärkte Einfuhr von Konsumtionsmitteln aber stößt auf die geringe zahlungsfähige Nachfrage der werktätigen Bevölkerung und würde auch zu einer Überproduktionskrise führen. Das Entscheidende aber ist, daß die Zahlungsbilanz der Passivität verfallen würde, so daß Westdeutschland nicht imstande wäre, seine Schuldverpflichtungen in konventierbarer Währung zu erfüllen. Mit der Bildung der Gold- und Devisenbestände verfolgt jedoch das westdeutsche Monopolkapital ein bestimmtes Ziel. Diese Fonds sollen der Finanzierung der Aufrüstung durch die Einfuhr von Kriegsmaterial, vor allem aus den USA, sowie von Rohstoffen und Materialien der Rüstungsproduktion dienen. Dadurch, daß die Gold- und Devisenbestände für diese Zwecke bestimmt und angewendet werden, müssen die ökonomischen Folgen der forcierten Exportoffensive für die westdeutsche Wirtschaft und Währung ebenso katastrophal werden wie die Forcierung der Produktion und ihre Überleitung auf Rüstung mit Hilfe der Kreditschöpfung. Durch die Verwendung der Gold- und Devisenbestände für die Einfuhr von fertigem Kriegsmaterial scheidet dieser Teil des exportierten und in Gold oder Devisen verwandelten gesellschaftlichen Produkts aus dem Reproduktionsprozeß der kapitalistischen Wirtschaft Westdeutschlands gänzlich aus. Dadurch schmilzt der Gold- und Devisenbestand zusammen, ohne daß die Gesellschaft einen Nutzen für die Produktion oder für die Konsumtion hat. Nach einer Meldung des westdeutschen Nachrichtenbüros sind als erste Rate 2,5 Milliarden DM für den Ankauf von Kriegsmaterial bestimmt, die aus dem Gold- und Devisenbestand bezahlt werden müssen. Die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, sind gegenwärtig Gegenstand der Diskussionen auf Konferenzen, in Zeitschriften und Zeitungen Westdeutschlands. Es wird die „Überhitzung" der Konjunktur, d. h. der Ausbruch einer Überproduktionskrise befürchtet, und es werden Heilmittel zur Drosselung der Produktion empfohlen oder angewendet, wie die Erhöhung des Diskontsatzes und die Kreditrestriktion der Bank deutscher Länder.
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A. Lemmnitz
Ein alarmierendes Ergebnis der Aufrüstungspolitik des Adenauerregimes ist das Auftreten hoher Kassenüberschüsse des westdeutschen Bundeshaushaltes bei gleichzeitiger wachsender innerer Verschuldung besonders der Länder und Gemeinden. Es handelt sich hierbei um eine Erscheinung der Wirksamkeit des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland. Mit Hilfe der Steuer- und Kreditpolitik wurde von der Adenauer-Regierung ein Fonds zur Finanzierung der ersten Ausgaben zur Aufstellung eines westdeutschen Söldnerheeres als Teil der imperialistischen NATO-Armee geschaffen, der gegenwärtig über 13 Milliarden DM beträgt. Daß dieser Fonds der Finanzierung der Remilitarisierung und Wiederaufrüstung dient, wird von den führenden Männern der Finanzoligarchie heute offen ausgesprochen. So schreibt Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Ludwig Erhard: „Das eigentliche und hier vorliegende Problem aber ist das, daß sich während dieser dreijährigen Aktion der Aufstellung deutscher Verteidigungskräfte in den Anfängen Stauungen mit entsprechend hohen Kassenüberschüssen ergaben, während gegen das Ende dieser Periode eine massierte Inanspruchnahme der deutschen Wirtschaft mit entsprechender Entwertung der Mittel zu erwarten steht. Daß die Bundesrepublik keine Rüstungsautarkie anstrebt, hat sie wiederholt bekundet. . . . " 1 ) .
Dieser Fonds wird von der Adenauer-Regierung auf die verschiedene Weise deponiert: als Sichteinlagen und in jederzeit abberufbaren Ausgleichsforderungen im Zentralbanksystem. Anfang 1956 betrugen diese Einlagen rund 5 Milliarden DM. Als Sichteinlagen und Termineinlagen außerhalb des Zentralbanksystems, also bei den Geschäftsbanken rund 6,1 Milliarden DM. Sowohl in Westdeutschland als auch bei uns wurde die Meinung geäußert, daß die Bildung des Rüstungsfonds auf den Geldumlauf „neutralisierend" wirken würde, indem ein bestimmter Teil des Geldes „stillgelegt" werde. Das gilt keineswegs für den ganzen Rüstungsfonds. Die Anlage dieses zur Remilitarisierung und Aufrüstung bestimmten Geldfonds der Adenauer-Regierung bei der Staatsbank und bei den Geschäftsbanken legt dieses Geld keineswegs vollständig still. Was die Guthaben bei den Geschäftsbanken betrifft, so dienen sie, wie jedes Guthaben bei ihnen, als Grundlage für die Kreditausgabe und die „Kreditschöpfung". Was aber die Einlagen bei der Bank deutscher Länder betrifft, so ist das Geld zwar aus der Zirkulation gezogen, aber jederzeit abberufbar. Der Rüstungsfonds der Adenauer-Regierung wirkt demzufolge als ein potentieller parasitärer Anspruch auf einen Teil des gesellschaftlichen Produktes, der jetzt unmittelbar vor seiner Aktivierimg steht. Dadurch wird ebenfalls Geld in die Zirkulation geworfen, dem kein entsprechendes Produkt gegenübersteht. Trotz des noch andauernden konjunkturellen Wirtschaftsaufschwungs droht also die kapitalistische Wirtschaftskrise und die Inflation. !) L. Erhard, Die Wirtschaft in der Hochkonjunktur, Der Volkswirt, Heft 51/52, 1955, S. 4.
Die Rolle der westdeutschen Währung
49
c) Die Rolle der westdeutschen Währung bei der Finanzierung der Aufrüstung und ihre Perspektiven Der imperialistische Krieg ist ein untrennbarer Bestandteil des monopolkapitalistischen Systems. Er entwickelt sich mit objektiver Notwendigkeit aus der Wirkung des Gesetzes der ungleichmäßigen ökonomischen und politischen Entwicklung des Kapitalismus und des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus. Das bedeutet aber nicht, daß sich die imperialistischen Länder in einem ständigen Kriegszustand befinden. Ebensowenig bedeutet dies, daß sich die kapitalistische Wirtschaft ununterbrochen im Zustand der Rüstungs- und Kriegsproduktion befindet. Wohl aber ergibt sich daraus, daß die monopolkapitalistische Wirtschaft gesetzmäßig an einem bestimmten Punkte ihrer Entwicklung aus der Produktion für die Ausrüstung und den Export in die Rüstungsund Kriegsproduktion hinüberwächst. Die westdeutsche Wirtschaft befindet sich gegenwärtig in der Phase des Hinüberwachsens des konjunkturellen Aufschwungs in die Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Es ist natürlich in der modernen kapitalistischen Wirtschaft schwer zu erkennen, wann der Produktionsapparat noch dem friedlichen Bedarf oder schon der Rüstung dient. Denn schon die Investitionen können dem Aufbau einer Rüstungsbasis dienen. Ohne Zweifel hatten die imperialistischen Besatzungsmächte, insbesondere die USA dieses Ziel vor Augen, als sie die Demontagen beendeten und für die westdeutschen Monopole die Produktionsbeschränkungen aufhoben. Durch die Neuausrüstung der Produktion sollte von neuem das deutsche Rüstungspotential für amerikanische imperialistische Zwecke wieder aufgebaut werden. Die Remilitarisierung Westdeutschlands über die EVG (Europäische Verteidigungs-Gemeinschaft) scheiterte an dem Widerstand der Friedenskräfte der ganzen Welt und hinderte die Ausnutzung der Produktion der westdeutschen Monopole für Rüstungszwecke. Der konjunkturelle Aufschwung der kapitalistischen Wirtschaft erlaubte außerdem den westdeutschen Monopolen, erneut als Konkurrent auf dem kapitalistischen Weltmarkt aufzutreten und sich durch die rasche Ausdehnung ihres Exports riesige Profite zu sichern. Durch die sprunghafte Entwicklung der Produktion der westdeutschen Industriemonopole wurden in kürzester Zeit in den entscheidenden Industriezweigen alle europäischen kapitalistischen Länder durch Westdeutschland überholt. Die westdeutschen Monopole erhielten dadurch z. B. das Übergewicht in der „Europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft", „(Montanunion)" und verwandelten sich in der Europäischen Zahlungsunion (EZU) aus einem Schuldner in den stärksten Gläubiger. Durch die Produktion und Aneignung riesiger Profite bildet sich auch wieder ein „Kapitalüberschuß" und damit die Notwendigkeit des Kapitalexports heraus. Das westdeutsche Monopolkapital trat darum nicht nur als Warenexporteur, sondern auch als Kapitalexporteur auf. Die westdeutschen Monopolgesellschaften beteiligten sich wieder an der ökonomischen Aufteilung der Welt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der Wunsch und Wille des in Westdeutschland mit 4
Bankpolitik
50
A. Lemmnitz
amerikanischer Hilfe wiedererrichteten deutschen Imperialismus nach einer territorialen Neuaufteilung der Welt laut wurde und dieser Forderung durch die mit allen Mitteln der Täuschung, Lüge und Gewalt durchgesetzte Remilitarisierung Nachdruck verliehen wird. Die Aufrüstung ist wie die Militarisierung der Wirtschaft und der Krieg nicht nur ein Ausweg aus der Krise, sondern ein Wesenszug des monopolistischen Kapitalismus. Das bedeutet, daß sie nicht erst beim Herannahen einer Überproduktionskrise beginnt. Sie setzt dann ein, wenn es den Imperialisten gelungen ist, den Widerstand der Werktätigen durch Betrug und Gewalt zu brechen, wobei sie sich auf die rechten sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführer stützen, insbesondere auf ihre Politik der Spaltung der Arbeiterklasse. Daher beginnt, wie schon bemerkt, die Militarisierung der Wirtschaft nicht erst mit der Aufrüstung, sondern schon viel früher. Sie schafft durch die Unterordnimg der Werktätigen unter die Herrschaft des staatsmonopolistischen Kapitalismus die Voraussetzungen für die Aufrüstung. Das begann in Westdeutschland mit dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Verbot der Freien Deutschen Jugend, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der Einkerkerung führender Funktionäre der Kommunistischen Partei Deutschlands und anderen Vorkämpfern für Frieden, Demokratie und die Wiedervereinigung Deutschlands und erreichte einen gewissen Höhepunkt mit der Einleitung des Verbotsprozesses gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. Das findet seine Fortsetzung in der Entlassung fortschrittlicher Betriebsräte, der Auflösung ganzer Bezirksleitungen und Ortsgruppen der Gewerkschaft durch die reaktionären Gewerkschaftsführer und in den Versuchen, die Politik der Gewerkschaften mit der Remilitarisierungspolitik des Adenauer-Regimes gleichzuschalten. Nachdem es gelungen war, die Vereinigung der Kraft der Arbeiterklasse zu verhindern, konnte die Adenauer-Regierung die Ratifizierung der Pariser Verträge und infolgedessen die Aufstellung eines Söldnerheeres im Rahmen der NATO durchsetzen. Damit begann auch die Überleitung der Produktion der Industriemonopole auf die Geleise der Rüstungsproduktion. Die Neuausrüstung der westdeutschen Industrie, die bisher überwiegend der Produktion von Investitionsgütern — der Neuanlage von fixem Kapital — diente, wird nunmehr in den Dienst der unmittelbaren Rüstung gestellt. Die Überleitung der Produktion der Industriemonopole auf die Geleise der Rüstung geht in dem gegenwärtig noch herrschenden industriellen Aufschwung vor sich. Daher verbreiten die herrschenden Kreise des westdeutschen Monopolkapitals mit Wirtschaftsminister Erhard an der Spitze die Meinung, daß die Aufrüstung ohne Störung des Wirtschaftsablaufs aus dem wachsenden „Sozialprodukt" finanziert werden könne. Der westdeutsche Haushalt würde weiter mit dem Anwachsen der Produktion einen Kassenüberschuß aufweisen, der dann ohne wesentliche zusätzliche Steuern die Rüstungsausgaben decken würde. Die Finan-
Die Rolle der westdeutschen Währung
51
zierung der Aufrüstung bestände also nur in der Fortsetzung der bisherigen Politik der Bildung des staatlichen Rüstungsfonds. Führende westdeutsche Wirtschaftler und Wirtschaftswissenschaftler haben aber schon darauf hingewiesen, daß dieser moderne Kriegsschatz ebenso kläglich versagen muß, wie der alte Gold-Kriegsschatz im Spandauer Juliusturm im ersten Weltkrieg. Die Rüstungsausgaben nehmen einen solchen Umfang an, daß der Geldfonds der Kassenüberschüsse wie ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber abgesehen davon muß die Mobilisierung des in Sicht- und Termineinlagen gehorteten Geldfonds in kurzer Zeit die Währung auf das Schwerste erschüttern. Die Abberufung der Geldfonds bedeutet, daß die Kredite, die von den Banken auf ihrer Grundlage gegeben wurden, abberufen, also der Wirtschaft entzogen werden müßten. An die Stelle der staatlichen Geldfonds, die aus der Zirkulation gezogen wurden und zeitweilig freigesetzt waren und daher als Grundlage der Bankkredite fungieren konnten, tritt nunmehr zusätzliches Geld. Der Geldumlauf wird durch die Mobilisierung des Rüstungsfonds erhöht. Das Entscheidende aber ist, daß durch die Rüstungsproduktion ein Teil des gesellschaftlichen Produkts aus dem Produktionsprozeß fällt und an seine Stelle Geld in die Zirkulation tritt, dem weder ein für die Produktion noch für die Konsumtion brauchbares Produkt gegenübersteht. Die zirkulierende Geldmenge überschreitet das notwendige Maß und damit tritt die Inflation auf die Tagesordnung. Ein Teil der westdeutschen Wirtschaftler und Wirtschaftswissenschaftler sieht diese Gefahr und fordert deshalb den Abbau der Geldfonds, die für die Aufrüstung bestimmt sind, durch eine Steuersenkung. Das würde, so argumentieren sie, zur Kapitalbildung und damit zur Vergrößerung des gesellschaftlichen Produkts beitragen. Dann könnten die Rüstungsausgaben normalerweise aus den laufenden Staatseinnahmen und auf dem Wege von Anleihen oder Krediten gedeckt werden. Diese Kritik richtet sich also nicht gegen die Aufrüstung, sondern nur gegen die Methoden der Finanzierung. Aber die Forderung nach einer Steuersenkung interessiert die Massen des werktätigen Volkes. Sie sind es, aus deren Steuern die Fonds für die Rüstung geschaffen wurden und weiter geschaffen werden sollen und die durch ihre Verwandlung in Kriegsmaterial und Kriegsaufrüstung das Leben und die Existenz der Werktätigen doppelt bedrohen, nämlich durch Krieg und Inflation. Deshalb findet die Forderung nach Steuersenkung die volle Unterstützung der demokratischen Kräfte, allerdings mit dem Ziel, daß die Steuersenkung vor allem den Werktätigen zugute kommt, Dann -würde ihre zahlungsfähige Nachfrage wachsen und die Produktion für friedliche Zwecke einen Auftrieb erhalten. Westdeutschland steht also gegenwärtig im Übergang von der zyklischen Konjunktur zur Rüstungskonjunktur. Der konjunkturelle Aufschwung brachte den Monopolherren riesige Profite, die sie durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität auf dem Wege der Mechanisierung der Produktion und Anwendimg „wissenschaftlicher" Methoden der Arbeitsorganisation und der Aufstachelung zu höheren Leistungen aus den Arbeitern herausholen konnten. f
52
A. Lemmnitz
Preissteigerungen spielten zur Sicherung der Profite noch keine ausschlaggebende Bolle. Zu Beginn des imperialistischen Krieges gegen Korea, als die Neuausrüstung und Rationalisierung der westdeutschen Monopolunternehmen erst an ihrem Anfang standen, gab es einen starken spekulativen Preisauftrieb, der sich nicht nur auf Westdeutschland beschränkte und der ihnen wachsende Profite sicherte. Im Jahre 1951/52 gab es vorübergehend eine rückläufige Preisbewegung. Die Profite aber stiegen weiter trotz des Ansteigens des Arbeitslohnes, den die Arbeiter durch Massenstreiks erzwangen. Seit dem Jahre 1953 begannen die Preise wieder zu steigen. Die Hauptmethode der Sicherung maximaler Profite wurde die Steigerung der Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität durch die Rationalisierung. Diese machte es möglich, daß der Wert der Waren beträchtlich gesenkt wurde, so daß in zunehmendem Umfang relativer Mehrwert (Steigerung der Arbeitsproduktivität) und auch absoluter Mehrwert (Steigerung der Arbeitsintensität und Verlängerimg der Arbeitszeit) erzielt werden konnte. Das zeigte sich darin, daß der Lohnanteil an den Preisen der Waren sank und dementsprechend der Profitanteil stieg. Der Anteil der Arbeiter an dem von ihnen geschaffenen gesellschaftlichen Produkt sank also relativ, obwohl in vielen Industriezweigen die Löhne stiegen und zwar dadurch, daß die Kurzarbeit sich verringerte und die Arbeitszeit verlängert wurde, daß die Leistungen der Akkordarbeiter stiegen und schließlich, daß sich die Arbeiter Lohnerhöhungen erkämpften. Der Anteil der Arbeiter an dem von ihnen erzeugten gesellschaftlichen Produkt sank aber auch absolut, wenn man die Steigerung der Arbeitsintensität und die Arbeitszeitverlängerung berücksichtigt. Die Lohnsumme und zum Teil auch die Masse der Waren, die der Arbeiter für seinen Lohn erhielt, stieg, aber die Verausgabung der Arbeitskraft stieg rascher als der Lohn. Der Arbeiter verausgabte also eine größere Menge Arbeitskraft als er durch den Lohn bzw. durch die damit gekauften Konsumtionsmittel ersetzen kann. Nominell und real stieg der Arbeitslohn, aber er blieb unter dem Wert der Arbeitskraft. Ein Teil der Arbeiter erhielt einen höheren Lohn, weil er mehr aus seiner Arbeitskraft herausholte. Geht man davon aus, dann muß man feststellen, daß in Westdeutschland die Löhne und auch die Menge der Waren, die die Arbeiter für ihren Lohn erhalten, gestiegen sind, daß aber die Arbeiter durch die Steigerung der Arbeitsintensität unter dem Wert ihrer Arbeitskraft bezahlt werden. Es stieg nicht nur die Profitmasse, sondern auch die Profitrate stieg durch die Erhöhung des Ausbeutungsgrades. Der Ausbeutungsgrad aber stieg nicht nur durch die Produktion von relativem Mehrwert (Arbeitsproduktivität), sondern auch durch die Produktion von absolutem Mehrwert (Arbeitsintensität und Arbeitszeitverlängerung). Aus dieser Untersuchung ergibt sich, daß bisher die Finanzierung der Konjunktur und des Übergangs zur Aufrüstung noch nicht auf dem Wege der inflationistischen Aufblähungen des Geldumlaufs und der Preiserhöhung erfolgte, sondern durch die Ausdehnung und Vertiefung der Ausbeutung der ArbeiterMillionen mehr Arbeiter wurden in den Ausbeutungsprozeß einbezogen.
53
Die Bolle der westdeutschen Währung Tabelle 19 Beschäftigte in der Bundesrepublik (in Tausend) 1949 13543
1950 | 13827
|
1951
1952
1953
1954
1955
14556
14994
15582
16286
17175
Quelle: Wirtschaft und Statistik, H e f t e , 1956.
Die Gesamtarbeiterschaft •wurde länger im Produktionsprozeß ausgesogen. Tabelle 20 Durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Industriearbeiter (Wochenarbeitszeit in Stunden)
19471) 19481) 19491) 19501) 1950 1951 1952 1953 1954
Alle Arbeiter
männlich
weiblich
Arbeiter Facharbeiter ungelernte Arbeiter Hilfsarbeiter zusammen
Facharbeiter Hilfsarbeiter Arbeiter Ungelernte zusammen
Jahr
39,9 43,3 47,3 49,2 49,1 48,6 48,7 49,0 49,6
40,0 43,3 47,6 49,5 49,4 48,7 48,6 48,9 49,9
39,2 42,0 46,9 48,2 48,1 48,1 47,8 48,2 48,8
39,8 43,0 47,3 49,1 49,0 48,5 48,5 48,8 49,5
35,9 40,1 43,6 45,2 44,9 43,7 44,2 45,1 45,4
36,3 39,8 44,2 46,0 45,8 45,1 45,6 46,2 46,7
36,1 40,0 43,8 45,5 45,2 44,2 44,7 45,5 45,9
39,1 42,4 46,5 48,2 48,0 47,4 47,5 47,9 48,6
l ) ehemaliges VWG (Bundesgebiet ohne Rheinland-Pfalz, Südbaden und SUdwfirttemberg-Hohenzollern). Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, 1954, S. 477 und 1955, S. 469.
Schließlich wurden die Massen der Arbeiter durch die Erhöhung der Arbeitsintensität stärker ausgepreßt. Das wird sich mit dem Übergang zur Rüstungskonjunktur nicht verringern, sondern durch die Militarisierung der Wirtschaft die weitere Entrechtung der Arbeiter auf dem Wege der Zerschlagung ihrer ökonomischen und politischen Klassenorganisationen noch verstärken. Gegenwärtig aber beginnt eine neue Welle der Preissteigerung. Sie hat ihre Ursache im wesentlichen in der spekulativen Ausnutzung des anlaufenden Rüstungsgeschäfts. Die Monopole erhöhen die Preise für die Grundstoffe, um einen größeren Anteil der Rüstungsprofite zu ergattern, da schon jetzt die Produktionskapazität voll ausgelastet ist. Aber diese Preissteigerung wirkt sich nicht nur auf die Rüstungsproduktion, sondern auf die gesamte Produktion, d. h. auch auf die Konsumgüterproduktion und damit auf die Lebenslage der Werktätigen aus. Dadurch wird der Reallohn gesenkt, d. h. der Arbeitslohn noch stärker unter den Wert der Arbeitskraft herabgedrückt. Diese Preissteigerung ist noch kein Ausdruck der Inflation. Er wird aber zum Ausdruck der Inflation, wenn durch die Rüstungsproduktion und durch die Einfuhr von Kriegsmaterial das gesellschaftliche Produkt, das der Produktion und Konsumtion, also dem Reproduktionsprozeß dient, vermindert wird. Dann steht
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dem rasch wachsenden Geldumlauf nicht nur ein vermindertes, sondern auch verteuertes Produkt gegenüber. Dann steigen die Preise nicht nur, weil die Monopole zur unmittelbaren Sicherung zusätzlicher Profite Preisaufschläge machen, sondern weil sich das Geld entwertet. Diese Gefahr sehen auch die Monopolherren. Deshalb fordern sie einen Lohnstop und suchen nach Möglichkeiten, die Inflation ohne wesentliche Preissteigerungen zu ihren Gunsten auszunutzen. Bis jetzt aber wurden im Unterschied zum faschistischen Regime noch keine ernsteren Maßnahmen zur Dämmung der Preissteigerung getroffen. Es sind aber Bestrebungen im Gange, die Bank deutscher Länder durch eine Änderung ihres Statuts und der gesetzlichen Regelung der Geldemission und der Kreditgewährung gänzlich den Forderungen der Finanzoligarchie nach Finanzierung der Rüstung mit Hilfe der Währung zu unterordnen. Es ist deshalb zu erwarten, daß ähnliche Manipulationen mit der Währung gemacht werden, um den offenen Ausbruch der Inflation zu zügeln, wie unter dem Hitlerfaschismus, und diese zur zusätzlichen Ausplünderung der Werktätigen auszunutzen. Der deutsche Imperialismus, wie das gesamte imperialistische Lager, sind aber weit schwächer geworden, als sie vor dem zweiten Weltkriege waren. Sie waren noch imstande, auf dem Rücken der Konjunkturwelle zu schwimmen. Sie haben aber nicht die Kraft, den Zusammenbruch dieser Konjunkturwelle zu verhindern. Der deutsche Imperialismus ist aber noch fähig, unter Ausnutzung seiner politischen und ökonomischen Macht und der wirtschaftlichen Ressourcen ein gefährliches Kriegsinstrument aufzubauen. So wichtig deshalb die Untersuchung der Fragen der Wirkung der ökonomischen Gesetze des modernen Kapitalismus und die Einschätzung der Entwicklung der monopolkapitalistischen Wirtschaft sind, soll man nicht übersehen, daß auch die Finanzoligarchie sich allmählich über die Perspektivenlosigkeit des Imperialismus klar geworden ist. Gerade deshalb verübt sie die größten Verbrechen gegen die Menschheit und bereitet neue Verbrechen vor. Die marxistische Erkenntnis, daß der Kapitalismus nicht automatisch zusammenbricht, ist heute mehr denn je wahr. Die wissenschaftlich richtige Einschätzung der wirklichen Lage Westdeutschlands hilft aber den Schleier beseitigen, den die Propaganda der Monopolkapitalisten, die die gedungenen bürgerlichen Ökonomen und rechten Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer über die Arbeiter und die übrigen Werktätigen geworfen haben und sie darin hindern, das wahre Gesicht des „Wirtschaftswunders" zu erkennen. Das „Wirtschaftswunder" ist der Vorläufer eines neuen Kriegsverbrechens, weil es auf dem Sumpf des Monopolkapitalismus blühte. Der monopolistische Kapitalismus führt mit Gesetzmäßigkeit zum Krieg. Der imperialistische Krieg aber kann verhindert werden, wenn der Imperialismus, insbesondere aber der deutsche Imperialismus gestürzt wird. Der Sturz des wiedererstandenen deutschen Imperialismus ist die Voraussetzung für die Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer Grundlage. Ein geeintes demokratisches Deutschland aber ist der Unterpfand für die Erhaltung des Friedens in Europa.
DIE „LENKUNGSMETHODEN" DES ZENTRALBANKSYSTEMS IN WESTDEUTSCHLAND von DK. HEINZ JOSWIG
INHALT Seite
A. Einleitung
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B. Die ,,Lenkungsmethoden'' des Zentralbanksystems in Westdeutschland
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I. Die Geldschöpfung des Zentralbanksystems als Grundlage und Mittel zur „Lenkung" der kapitalistischen Wirtschaft
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II. Die Kredit- und Giralgeldschöpfung der Kreditbanken mit Hilfe des Zentralbanksystems . . . I I I . Die wichtigsten „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems, ihre Anwendung und Bedeutung 1. Die Diskontpolitik 2. Die Offen-Markt-Politik 3. Die Mindestreservenpolitik der Zentralbanken
87 103 103 118 134
C. Die Perspektive des westdeutschen Bankensystems im Blickwinkel der Schaffung einer einheitlichen demokratischen deutschen Staats- und Wirtschaftsordnung 164
A. Einleitung Während die Arbeiterklasse im Bündnis mit den werktätigen Bauern und der schaffenden Intelligenz auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik erfolgreich an der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus arbeitet und hierbei heroische Taten vollbringt, sind im Westen unseres Vaterlandes die alten reaktionären Kräfte an der Arbeit, einen Staat der Diktatur der Finanzoligarchie und Militaristen zu errichten, der die Arbeiterklasse unterdrückt und ausbeutet und der die fortschrittlichen Kräfte der ganzen Nation auf das Äußerste bekämpft. In dem Bestreben, ihre Machtposition ständig zu festigen, benutzt die westdeutsche Finanzoligarchie alle ihr zu Gebote stehenden Mittel. Auch das westdeutsche Zentralbanksystem wird dieser Zielsetzung untergeordnet. In den nachfolgenden Kapiteln soll nachgewiesen werden, daß die vom westdeutschen Zentralbanksystem angewandten sogenannten Lenkungsmethoden zur Beeinflussung der westdeutschen Wirtschaft in erster Linie dazu dienen, der wieder zur Macht gelangten Finanzoligarchie Maximalprofit und Herrschaft zu sichern. Welche Stellung nimmt die Zentralbank in den kapitalistischen Ländern in der Zeit der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems allgemein ein, und wie ist die Stellung der westdeutschen Zentralbank in der westdeutschen Bundesrepublik ? Die kapitalistische Welt befindet sich in einer allgemeinen, sich ständig vertiefenden Krise, die nach dem zweiten Weltkrieg in eine neue Etappe eingetreten ist. Merkmale der neuen Etappe der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems sind die Spaltung der Welt in zwei Lager, in das imperialistische und das antiimperialistische Lager sowie der Zerfall des einheitlichen Weltmarktes und die Bildung eines zweiten parallelen Weltmarktes der demokratischen und sozialistischen Länder. Hierdurch spitzen sich die Widersprüche im Kapitalismus weiter zu. Auf allen Gebieten der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens zeigen sich tiefe Verfallserscheinungen, die die in den kapitalistischen Ländern lebenden Völker aufs äußerste beunruhigen und zur Revolutionierung der Massen führen. Die herrschende Schicht der kapitalistischen Länder, die Finanzoligarchie, mobilisiert daher alle Kräfte, um die weitere Existenz ihrer verfaulenden Gesellschaftsordnung zu rechtfertigen. So ruft sie auch die Heerscharen ihrer Apologeten auf den Plan, damit sie durch ihre Pseudotheorien die wahren Ursachen
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für die wachsende Verschärfung der Widersprüche im kapitalistischen System vertuschen und die volksfeindliche Politik sowie die Praktiken der herrschenden Klasse der Monopolkapitalisten ideologisch und „wissenschaftlich" untermauern. Bei ihren vergeblichen Versuchen einer „wissenschaftlichen Analyse" der Ursachen der nicht mehr von der Hand zu weisenden Zersetzungserscheinungen im Kapitalismus kommen diese bürgerlichen Ökonomen auf tausend nebensächliche Oberflächenerscheinungen, die sie zu ganzen theoretischen Systemen zusammenspinnen. Keiner darf jedoch die wahren Ursachen der offensichtlichen Verfallserscheinungen finden, die in den überlebten kapitalistischen Produktionsverhältnissen liegen. Eine der wichtigsten Aufgaben, die sich diese „gelehrten Kommis der Kapitalistenklasse"1) gestellt haben, besteht darin, den wahren Charakter des modernen bürgerlichen Staates als eines Machtinstrumentes in den Händen der Monopole zu verschleiern und ihn als eine über den Klassen stehende, die Wirtschaft im allgemeinen Interesse lenkende Einrichtung darzustellen. Die Maßnahmen des bürgerlichen Staates werden als „ordnende Eingriffe" von sozial-politischem Inhalt hingestellt und der moderne staatsmonopolistische Kapitalismus als „gelenkter" oder „geplanter" Kapitalismus proklamiert, der die „Schwächen" des kapitalistischen Systems überwunden habe. Aber es wäre falsch, wollte man die Tätigkeit und Bedeutung der bürgerlichen „Wissenschaft" allein auf die Ausarbeitung demagogischer „Theorien" beschränken. Im Zusammenhang mit der Ausarbeitung ihrer „Theorien" geben sie ihren Auftraggebern, der Klasse der Monopolkapitalisten, oder den anderen Kapitalisten Hinweise, Ratschläge und Methoden bekannt, wie sie in der gegenwärtigen Periode des kapitalistischen Systems ihren Maximalprofit sichern können. Sie spielen also neben der Rolle der Führung des demagogischen Kampfes an der Front der Publikation eine nicht zu unterschätzende aktive Rolle bei der Festigung der Herrschaft des Monopolkapitals. Außerdem muß man beachten, daß sie nicht geschlossen die gleichen Theorien, Hinweise und Methoden verkünden und empfehlen, sondern in ihren Ansichten — zum mindesten nach außen — zuweilen recht weit auseinandergehen. Die Ursache hierfür liegt in den unterschiedlichen Interessensphären, die sie als Sprecher einer bestimmten Gruppe von kapitalistischen Unternehmern wahrnehmen. Ich möchte mich bei der Untersuchung der verschiedenen „Theorien" dieser Apologeten auf einige wenige und insbesondere nur auf solche Vertreter beschränken, die die Stellung und Wirkungsweise der Zentralbank zum Gegenstand ihrer Betrachtungen gemacht haben. Im System des „gelenkten" Kapitalismus spielt die mit Notenausgabemonopol ausgestattete Zentralbank eine große Rolle. Sie wird mit bestimmten „Lenkungsmitteln' ' ausgestattet und bedient sich bestimmter, .Lenkungsmethoden", mit denen sie den Wirtschaftsablauf beeinflussen soll. Nach außenhin verfolgen die breit publizierten und diskutierten „Lenkungsmethoden'' des Zentralbanksystems den *) W . I. Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus, Berlin 1952, S. 334.
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Zweck, bei der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, als ob in Westdeutschland „verantwortungsbewußte und sachkundige Wirtschaftsexperten" die Geschicke der westdeutschen Wirtschaft „lenken" und kein anderes Ziel als das Wohl der breiten Massen verfolgen. Mit geradezu sophistischer Beredsamkeit und beachtlichem Geschick vertuschen die sogenannten Bankexperten der westdeutschen bürgerlichen „Wissenschaft" den allgemeinen Bankrott des kapitalistischen Systems und „empfehlen" als Rezept zur „Verbesserung" des Kapitalismus „regulierende" Maßnahmen. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums, der sich aus den führenden ,,Wissenschaftlern'' auf dem Gebiet der Finanzen Westdeutschlands zusammensetzt, verfaßte ein Memorandum über die Notwendigkeit einer volkswirtschaftlichen „Planung" in Westdeutschland und schlug die Schaffung eines „Nationalbudgets" vor. In diesem Vorschlag heißt es unter anderem: „Ein organisches Zusammenwirken aller wirtschaftspolitischen Ressorts einschließlich des finanzpolitischen mit dem Ziel des Neuaufbaus der westdeutschen Volkswirtschaft und der Steigerung des Volkswohlstandes läßt sich nur erreichen, wenn in Übereinstimmung mit der erfolgreichen Praxis nahezu aller demokratisch regierten Länder ein „Nationalbudget" aufgestellt wird, das allen Stufen der öffentlichen Verwaltung, der öffentlichrechtlichen Körperschaften und den öffentlichen Unternehmungen zur Richtschnur und der gesamten Volkswirtschaft zur Orientierung d i e n t . . . Das Nationalbudget sollte im Zusammenhang sämtlicher wirtschaftspolitischer Ressorts, der Notenbank und eines sachverständigen Gremiums aufgestellt werden . . . , es enthält Vorausschätzungen der im kommenden Jahr zu erwartenden öffentlichen und privaten Verbrauchs-, Spar- und Investitionstätigkeit. Es wird im Laufe des Jahres an Hand der inzwischen gemachten Erfahrungen überprüft und berichtigt."
Prof. Dr. Fritz Terhalle, Universität München, weist ebenfalls darauf hin, daß es notwendig sei, ein Nationalbudget aufzustellen. In einer Diskussion über die Aufgaben der Bundesbank in Westdeutschland erklärte er: „Es ist meiner Überzeugung nach auch so, daß all' diejenigen, die an wirtschaftspolitisch verantwortlicher Stelle stehen, die Pflicht haben, sich zunächst ein möglichst genaues Bild von der wahrscheinlichen Entwicklung der Dinge zu machen und erst daraufhin ihre Disposition zu treffen; so etwa für die Gestaltung des außerordentlichen Haushalts, für extraordinäre Maßnahmen der Wirtschaftspolitik, für die Auseinandersetzung zwischen privater Wirtschaft aller Art und der staatlichen Wirtschaft u s w . . . . Ich glaube, daß die Zeit für eine solche Zielsetzung da ist, ja, daß wir nur so über das hinwegkommen werden, was manche sofort befürchten, die das Wort zu eng, zubindend, zu planwirtschaftlich auffassen (gemeint ist das Nationalbudget — H.J.). Das Nationalbudget wird in den USA praktiziert. Dort hat man keine Angst vor ihm; dort will man es gerade im Namen der demokratischen Verfassung und der möglichst verkehrswirtschaftlichen Gestaltung der Volkswirtschaft." 2 )
Prof. Dr. Terhalle und die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats erweisen sich damit als gelehrige Schüler des Chefapologeten des Monopolkapitals J. M. Keynes, dessen Lehre sie in den verschiedensten Variationen interpretieren, zum Die Bundesbank, Aufbau und Aufgaben, Bericht über eine Aussprache führender Sachverständiger mit dem Entwurf eines Bundesgesetzes über die Errichtung einer Bundesbank, Frankfurt/Main, S. 71. *) Ebenda, S. 71.
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Teil unter Anwendung einer kleinbürgerlichen Kritik an seinen „Ideen". In Wirklichkeit ist der von Keynes, seinen Schülern und kleinbürgerlichen Kritikern proklamierte sogenannte „regulierte Kapitalismus" nichts anderes als der moderne staatsmonopolistische Kapitalismus. Bemerkenswert sind in diesen Äußerungen selbst: a) der Hinweis, daß es ohne „planende" und „lenkende" Maßnahmen in allen kapitalistischen Ländern nicht mehr weitergeht, was einer Bankrotterklärung der freien, sich selbst regulierenden, kapitalistischen „Verkehrswirtschaft" gleichkommt, und b) der Hinweis an das „Verantwortungsbewußtsein" der Wirtschaftler, sich von den Gesamtinteressen lenken zu lassen, was ungefähr einem Appell an den Wolf gleichkommt, sich den Schafen gegenüber rücksichtsvoll zu verhalten. Dieser Appell an die Verantwortung der Wirtschaftsführer ist ein besonderes Merkmal der Apologetik in der gegenwärtigen Periode der kapitalistischen Entwicklung namentlich auch in Westdeutschland und verfolgt den Zweck, die Massen zu beruhigen. Es soll der Eindruck erweckt werden, daß es ja noch genügend verantwortungsbewußte Männer in der Leitung der Wirtschaft und in der Zentralbank gäbe, die schon aufpassen werden, daß keine neue Krise und Inflation hereinbricht. Es ist notwendig, daran zu erinnern, daß schon einmal gerade diejenigen als ,.verantwortliche Wirtschaftsführer" empfohlen und eingesetzt wurden, die die Hauptschuldigen an der katastrophalen Entwicklung der Wirtschaft und Währung nach dem ersten Weltkrieg waren, wie z. B. Stinnes, der von Hitler als „verantwortungsbewußte Unternehmerpersönlichkeit" gekennzeichnet wurde. Heute sind es zum Teil andere Namen, aber die Vertreter der gleichen Finanzoligarchie, die über die Entwicklung der Wirtschaft und Währung „verantwortungsvoll" wachen sollen. Diese Kreise aber kennen nur eine Verantwortung: die Verantwortung vor ihrer Klasse, der sie den Maximalprofit zu sichern haben. Die Versuche der bürgerlichen Apologeten, durch die Aufstellung eines Nationalbudgets oder durch sonstige Planungsmaßnahmen, welcher Art auch immer, die Widersprüche des Kapitalismus aufzuheben oder auch nur entscheidend zu mildern, müssen am Wirken der objektiven ökonomischen Gesetze des Kapitalismus scheitern. Lenin und Stalin untersuchten die Wirkimg der ökonomischen Gesetze des modernen Kapitalismus und bewiesen unwiderlegbar, daß sich im modernen Kapitalismus in seinem letzten Stadium die Widersprüche in einer solchen Weise verschärfen und zuspitzen, daß sie zur elementaren Entladung führen müssen. Stalin wies nach, daß die herrschende Klasse der Monopolkapitalisten den Maximalprofit sichern muß, um weiter existieren zu können, und daß das Streben nach Maximalprofit das all beherrschende Moment der weiteren Entwicklung im modernen Kapitalismus wird.1) Die Sicherung des Maximalprofits wird zum Grundgesetz des modernen Kapitalismus.2) Im Rahmen dieses GrundJ.W.Stalin, ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Berlin 1952, S. 39/40. ) Formulierung des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus s. ebenda, S. 39/40. 2
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gesetzes wirken die anderen ökonomischen Gesetze des Kapitalismus weiter fort. So wirkt das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung im Kapitalismus und auch das Gesetz der Konkurrenz und Anarchie der Produktion. Anarchie und Konkurrenz sind ständig existierende Erscheinungen des Kapitalismus, die sich unter den Bedingungen des modernen Kapitalismus nicht abschwächen, sondern sich im Gegenteil verschärfen. Die Entwicklung zum staatsmonopolistischen Kapitalismus führt zu einer starken Differenzierung der Kapitalistenklasse. Das rücksichtslose Vorgehen der Monopole zur Sicherung ihres Maximalprofits führt zu immer stärkeren Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Interessengruppen der größeren, mittleren und kleinen kapitalistischen Unternehmen. Die Mittel- und Kleinbetriebe sind durch die Machenschaften der Monopole ebenso bedroht wie die kleinen Warenproduzenten. Die sich aus der Wirkung der objektiven ökonomischen Gesetze des modernen Kapitalismus ergebende Differenzierung innerhalb der Klasse der Kapitalisten können die fortschrittlichen Kräfte in ganz Deutschland in ihrem Kampf um die Errichtung eines demokratischen Deutschlands ausnutzen, um auch im Lager des Bürgertums Verbündete für den notwendigen Volkskampf gegen die Herrschaft der reaktionärsten Kräfte Westdeutschlands zu gewinnen. Anderseits müssen aber auch die Auswirkungen dieser ökonomischen Gesetze alle Versuche der herrschenden Klasse des bürgerlichen Staates, die kapitalistische Wirtschaft zu „planen" oder zu „lenken", zum Scheitern verurteilen. Die „Planungsmaßnahmen" der herrschenden Klasse, ausgeführt von dem ihr hörigen Staat und seinen Organen, sind daher auch keineswegs solche Maßnahmen, die bestimmte, notwendige Proportionen in der volkswirtschaftlichen Entwicklung herstellen, sondern vor allem von dem Bestreben diktiert, den Maximalprofit der Monopole zu sichern. Das geht am deutlichsten aus den Investitionslenkungsmaßnahmen des westdeutschen Bundesstaates und seiner Organe hervor.1) Die Proklamierung einer staatlichen Planung oder Lenkung der Volkswirtschaft im Interesse der breiten Massen der Werktätigen ist daher nichts anderes als eine demagogische Irreführung der Bevölkerung der kapitalistischen Länder mit dem Ziel, sie von dem entscheidenden Kampf gegen das kapitalistische System abzuhalten und um der Finanzoligarchie den Maximalprofit zu sichern. In dieses System der „Planung" und „Lenkung" ist auch die Zentralbank eingeschaltet, wie bereits aus dem vorn aufgeführten Zitat des „wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums" hervorgeht. Die westdeutsche Zentralbank ist ein ausführendes Organ des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Daran ändern auch alle Beteuerungen nichts, die führende Vertreter des westdeutschen Zentralbanksystems gelegentlich vor der Öffentlichkeit in vorsichtiger Form abgeben. Klar kommt die Stellung des westdeutschen Zentralbanksystems als Organ des monopolhörigen westdeutschen Bundesstaates l ) Siehe Dissertation K. Zieschang, Probleme der Investitionsfinanzierung in Westdeutschland, Berlin 1956. Siehe auch die diesbezüglichen Bemerkungen der westdeutschen „Wirtschaftsexperten" in der Diskussion über die Aufgaben der Bundesbank. Vgl. Fußnote1) auf S.59.
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in seinen gesetzlichen Grundlagen zum Ausdruck. Im Gesetz über die Bank deutscher Länder heißt es im Artikel II, der das Verhältnis der Bank deutscher Länder zur Bundesregierung regelt, wie folgt: „Ziff. 6: a) Die Bank deutscher Länder ist verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu beachten und im Rahmen ihrer Aufgaben zu unterstützen. b) Der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft oder deren ständige Vertreter sind berechtigt, an den Sitzungen des Zentralbankrates als Vertreter der Bundesregierung teilzunehmen. Sie können auch die Anberaumung einer Sitzung verlangen. Sie haben kein Stimmrecht, können aber Anträge stellen. c) Bestehen nach Ansicht eines Vertreters der Bundesregierung im Hinblick auf die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gegen eine Beschlußfassung des Zentralbankrates Bedenken, so kann er eine Aussetzung der Beschlußfassung bis zu 8 Tagen verlangen. Ziff. 7: Die Bank deutscher Länder hat der Bundesregierung die von ihr verlangten Berichte und Auskünfte zu geben." Darüber hinaus besteht das gesamte Eigenkapital des Zentralbanksystems aus staatlichen Mitteln. Diese Feststellungen über die Stellung der Zentralbank innerhalb der westdeutschen Wirtschaft sind jedoch noch unvollkommen. Die Rolle der westdeutschen Finanzoligarchie ist bekanntlich dadurch gekennzeichnet, daß sie die Rolle eines Juniorpartners des amerikanischen Monopolkapitals in Europa spielt und dabei die Aufgabe eines „Gendarms" gegenüber den fortschrittlichen Kräften in ganz Europa und speziell in Deutschland zugewiesen erhielt. Die amerikanische Finanzoligarchie ist der eigentliche Urheber der ökonomischen und politischen Entwicklung in Westdeutschland nach 1945, die sie entsprechend ihren Interessen bei der Erzielung von Maximalprofit und der Vorbereitung einer neuen Aggression lenkt und ständig entscheidend beeinflußt. In Westdeutschland herrschen sowohl der westdeutsche Imperialismus als auch der amerikanische Imperialismus. Die westdeutsche Bevölkerung wird immer mehr sowohl durch die Methoden der amerikanischen wie der westdeutschen Finanzoligarchie ausgeplündert. Zweifellos hat diese Frage der Rolle des amerikanischen Imperialismus und der Rolle des westdeutschen Imperialismus sowie der Widersprüche im imperialistischen Lager, gegenwärtig zunächst zwischen westdeutschem Imperialismus einerseits, und britischem und französischem Imperialismus andererseits, aber sich auch schon abzeichnender Widersprüche zwischen westdeutschem Imperialismus und amerikanischem Imperialismus, auch eine erhebliche Bedeutung bei der Untersuchung der „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems in Westdeutschland.
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Zwar ist die direkte Anweisung seitens des amerikanischen Monopolkapitals an die Zentralbank über die allgemeine Bankenkommission heute anderen Stellen übertragen worden, jedoch deswegen nicht weniger wirksam als z. Z. der Tätigkeit dieser Kommission1). Die leitenden Positionen sind mit „zuverlässigen" Persönlichkeiten besetzt, die durch ihre persönlichen oder sachlichen Bindungen zum amerikanischen Kapital Gewähr für die Durchsetzung der amerikanischen Interessen geben. Dazu kommt, daß letzten Endes die „Souveränität" des westdeutschen Bundesstaates durch die Pariser Verträge nur eine Scheinsouveränität ist, die den Besatzungsmächten jederzeit nach ihrem Willen eine weitgehende Beeinflussung der Wirtschaft und Verwaltung gestattet. Ein weiterer Beweis für die unmittelbare Abhängigkeit der Bank deutscher Länder vom amerikanischen Finanzkapital ist die im Jahre 1948 erfolgte Gründung und bisherige Tätigkeit der Kreditanstalt für Wiederaufbau, mit der sich die Amerikaner ein Monopol in Westdeutschland schafften, wie sie es vordem nie besessen haben. In dem Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau in der Fassung vom 22. Januar 1952 kommt zum Ausdruck, daß dieser Bank nicht nur ein Monopol für die Verteilung aller amerikanischen Kredite eingeräumt wird, sondern diese Bank gleichzeitig in die Lage versetzt wird, das gesamte westdeutsche Wirtschaftsleben wirksam zu kontrollieren. Es würde im einzelnen zu weit führen, die Bolle dieses Instituts, seine Bedeutung und Einflußnahme auf die „Lenkungsmethoden" des westdeutschen Zentralbanksystems zu erläutern. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist eines der entscheidenden Institute für die Rüstungsfinanzierung. Das geht schon allein daraus hervor, in welche Wirtschaftszweige sie die bisher von ihr ausgeliehenen Kredite in Höhe von über 6,5 Milliarden Westmark geleitet hat.2) Die breit geführte Diskussion über die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Zentralbank in Westdeutschland hat zwei Seiten. Einerseits ist sie ein Ausdruck der Interessenkämpfe, der verschiedenen kapitalistischen Gruppen untereinander, andererseits wird sie als ein Mittel zur Beruhigung der Bevölkerung benutzt. Auch hier zeigt sich der demagogische Charakter der Erklärungen und Beteuerungen der verantwortlichen Experten. So erklärte der Präsident der Bank deutscher Länder, Dr. Vocke, am 7. November 1955, in einer Rede vor dem Überseeklub in Hamburg: „Die Bank deutscher Länder ist eine völlig objektive und neutrale Stelle."
Und weiter: „Glücklicherweise . . . steht noch die Regierung hinter der Unabhängigkeit der Notenbank."3). *) Siehe auch Berichte des Deutschen Wirtschaftsinstituts Nr. 18/52, S. 4. ) Siehe K. Kolloch, Die Rolle der Kreditanstalt für Wiederaufbau, im gleichen Sammelband, S. 229. s ) Zitate aus der Rede des Präsidenten des Direktoriums der Bank deutscher Länder, Dr. Wilhelm Vocke, am 7. 11. 1955 vor dem Überseeklub in Hamburg, veröffentlicht im Sonderdruck Nr. 125 der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen. 2
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Natürlich stellt die Bundesregierung hinter der Notenbank, denn laut Gesetz ist sie ja der bestimmende Faktor der Notenbankpolitik. Die Regierung kann so lange hinter der „Unabhängigkeit" der Notenbank stehen, so lange diese ihren Willen ausführt; was sie auch tut und was Präsident Vocke selbst in der gleichen Rede mit den Worten bestätigt, daß „die Bundesregierung und die Bank deutscher Länder in erfreulicher Übereinstimmung und harmonischer Zusammenarbeit stehen."*)
Den Gipfel der Demagogie aber erlaubte sich Herr „Geheimrat" Dr. Yocke, indem er erklärte: „Sollte demgegenüber irgendwie die Neigung bestehen, von der Unabhängigkeit der Notenbank etwas abzubröckeln oder sie zu beschneiden, so hätte das Volk allen Grund mißtrauisch zu sein. Das nämlich, was dem Interesse der Stabilerhaltung der Währung dient, das tut eine Notenbank von selbst; ein Regierungszwang aber würde nur da praktisch werden, wo andere Gesichtspunkte der Notenbank aufgezwungen werden sollen, wo sie zu etwas gezwungen werden soll, was sie währungspolitisch für gefährlich hält. Nur wenn man das will, muß man ihre Unabhängigkeit beseitigen oder einschränken." 2)
In den nachfolgenden Kapiteln wird u. a. nachgewiesen werden, daß die Zentralbank Westdeutschlands keineswegs unabhängig ist, sondern daß bei ihr gerade das zutrifft, was Präsident Dr. Vocke als gefährlich bezeichne. Es ist eine Tatsache, daß unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen von einer Unabhängigkeit sowohl des Staates als auch seiner ausführenden Organe keine Rede sein kann. Bereits Lenin hat unwiderlegbar nachgewiesen, daß der Staat das Machtinstrument der herrschenden Klasse ist, in Westdeutschland also das Machtinstrument des dort herrschenden Monopolkapitals. In der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems verstärkt sich das Abhängigkeitsverhältnis immer mehr, so daß der Staat den Monopolen untergeordnet wird. In der zweiten Etappe der allgemeinen Krise ist diese Unterordnung vollkommen. In gleicher Weise verstärkt sich auch das Abhängigkeitsverhältnis der Zentralbank vom Staat und von den Monopolen. Das zeigt sich nicht nur in der Tatsache der Verstaatlichung der Notenbanken, sondern noch vielmehr in den einzelnen Bestimmungen der Notenbankgesetzgebung und am meisten in den Maßnahmen, die die zentralen Notenbanken im Auftrage der Monopole durchführen. Der Auftrag der Monopole an die Zentralbank geht dahin, daß sie durch ihre Geld- und Kreditpolitik den Maximalprofit der Monopole zu sichern hat. Diesem Zwecke dienen auch die sogenannten Lenkungsmethoden, mit denen die Zentralbank zur Erfüllung dieses Auftrages ausgestattet worden ist. Der wachsende Geldbedarf des Staates und der Monopole zur Durchführung ihrer aggressiven Zielsetzung zwingt die Zentralbank, eine Geldemissionspolitik zu betreiben, die eine inflationistische Ausweitung des Geldumlaufs zur Folge hat. Bekanntlich ist es ein besonderes Kennzeichen der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems, daß die Währungen der kapitalistischen Länder immer 1) Ebenda. 2 ) Ebenda.
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mehr zerrüttet werden und daß sich Papiergeldwährungen als herrschende Währungssysteme herausbilden, die der inflationistischen Entwicklung des Geldumlaufs alle Möglichkeiten öffnen. Die Inflation wird von den Monopolkapitalisten als zusätzliche Methode der Ausbeutung der werktätigen Massen zur Erzielung von Maximalprofit ausgenutzt und wird zur gesetzmäßigen Erscheinung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems.1) In dieser Entwicklung spielen die Notenbanken eine entscheidende Rolle. Die Hauptaufgabe der Notenbanken, die Versorgung der Wirtschaft mit Geld, wird in immer stärkerem Maße bestimmt durch die Finanzbedürfnisse des Staates. Die Ausgabe der Banknoten wird immer mehr entstellt: a) durch die Entartimg der Wechselportefeuille der Banken, die immer mehr mit Staats- und Bankfinanzwechseln gefüllt werden, b) durch die Emission von Staatspapiergeld durch die Zentralbanken, das unkonvertierbar und zum Teil bar jeder Deckung ist. Das Gold verliert immer mehr die Bestimmung als Deckungsmittel der Banknotenausgabe und wird lediglich als internationales Kauf- und Zahlungsmittel verwandt. Zwangsläufig verbunden ist diese Währungspolitik mit der Zwangsbewirtschaftung der Devisen- und Goldvorräte. Diese Zwangsbestimmungen verstärken den staatsmonopolistischen Charakter der Notenbanken. Die Devisenzwangsbewirtschaftung wird ausgenutzt, um die aggressiven Ziele des monopolistischen Staates durchzusetzen und den Monopolen den Maximalprofit zu garantieren. Daß dies auch im westdeutschen Zentralbanksystem der Fall ist, wird im Verlauf der nachfolgenden Kapitel bewiesen werden. Das Wesen des staatsmonopolistischen Kapitalismus besteht in der Umverteilung des Nationaleinkommens zu Gunsten der Monopole, um den Maximalprofit der Monopole zu sichern. Zu diesem Zwecke wird der Staatsapparat mit allen seinen ausführenden Organen den Monopolen untergeordnet und dazu ausgenutzt, den Umverteilungsprozeß so zu organisieren, daß der Maximalprofit für die Finanzoligarchie gesichert ist. Der Staatsapparat entwickelt zur Erreichung dieses Zieles auf allen Gebieten seiner Tätigkeit bestimmte neue Methoden, die er demagogisch als „planende" und „regulierende" Staatstätigkeit im Interesse der Gesellschaft proklamiert. Auch die Tätigkeit der Zentralbank ist ein Teil dieses Gesamtsystems der Umverteilung des Nationaleinkommens zu Gunsten der Monopole. Die Apologeten des Monopolkapitals unter Führung von Cassel, Keynes u. a. stellen die Behauptung auf, daß gerade mit Hilfe der Zentralbanken durch eine „gelenkte Geld- und Kreditpolitik eine Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs zur Erreichung einer permanenten Konjunktur erreicht werden könne. Auf der Grundlage ihrer „Theorien" wurde ein ganzes System von Maßnahmen ent. wickelt. Siehe Bregel, Steuern, Anleihen und Inflation im Dienste des Imperialismus, Berlin 1955, S. 280ff. — Frei, Die heutigen Banksysteme Englands, der USA und Frankreich, Berlin 1955, S. 66. 5
Bankpolitik
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Es ist jedoch für jeden Marxisten klar, daß die Pseudotheorien der Apologeten des Monopolkapitals den objektiven Gegebenheiten der kapitalistischen Wirtschaft nicht entsprechen. Eine „Planung" nud„ Regulierung" des Kapitalismus, eine Ausschaltung seiner gesetzmäßigen Krisen ist nicht möglich. Die Ursachen der kapitalistischen Wirtschaftskrisen liegen in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen, in dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der kapitalistischen Aneignung der Produktionsergebnisse. Daher müssen alle Maßnahmen des kapitalistischen Staates zur Verhinderung der Wirtschaftskrisen letzten Endes scheitern, wenn sie es auch erreichen können, den Zeitpunkt und die Auswirkungen der Krisen bis zu einem gewissen Maße zu beeinflussen. In der zweiten Etappe der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems, die den Zerfall des einheitlichen, allumfassenden Weltmarktes und die Einschränkung der kapitalistischen Ausbeutungssphäre mit sich brachte, werden die Widersprüche im kapitalistischen System noch weiter verschärft, wodurch die Versuche der „Regulierung" der kapitalistischen Wirtschaft noch unlösbarer werden. Aus diesem Grunde werden auch die den Zentralbanken zur Beeinflussung der kapitalistischen Wirtschaft zur Verfügung stehenden „Lenkungsmittel" verstärkt. Das „klassische Lenkungsmittel" der Zentralbanken, die Operationen mit Hilfe der Deckungsbestände an Gold und Handelswechseln, sowie die Änderung des Diskontsatzes, reichten nicht mehr aus, um den Monopolen den Maximalprofit zu sichern. Daher werden den Zentralbanken neue Methoden zugestanden, die ihnen einen direkten Eingriff auf dem Kapitalmarkt gestatten und die das Geldvolumen direkt beeinflussen. Solche Mittel sind: die Möglichkeit der Zentralbank, auf dem offenen Markt staatliche und sonstige Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen, direkte Anweisungen über die Reservehaltung der privaten Kreditbanken zu erteilen, Kontrollen über die Kreditpolitik der Geschäftsbanken auszuüben, Restriktionsmaßnahmen zu verhängen usw. Solche Maßnahmen erwecken nach außen bin den Eindruck, als ob die Zentralbanken ernsthaft den Wirtschaftsablauf zu beeinflussen vermögen. In Wirklichkeit unterliegen jedoch die Zentralbanken gänzlich dem Einfluß der Monopole, die sie kontrollieren sollen. Die Mitglieder des westdeutschen Zentralbankrates sind mit der Finanzoligarchie auf's engste verbunden. Der westdeutsche Bundesstaat als Interessenvertreter der westdeutschen Finanzoligarchie bestimmt die Währungspolitik des westdeutschen Zentralbanksystems. Das Zentralbanksystem ist die stärkste Stütze der westdeutschen Bankmonopole, indem es ihnen einen festen Rückhalt für die Politik der Kreditexpansion im Interesse der Industriemonopole gewährt, ja, man kann schon sagen, ihnen das Risiko ihrer geradezu spekulativen Kreditpolitik abnimmt. Die Lenkungsmethoden des Zentralbanksystems werden somit nicht zum Mittel, um die Währung vor ihrem Verfall zu schützen, sondern wirken sich — auf die
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Dauer gesehen — gegen die Währungsstabilität aus, da sie die ungleichmäßige Entwicklung im kapitalistischen Wirtschaftssystem in Westdeutschland durch Bevorzugung der Monopole fördern. Wenn auch vorübergehend und in einzelnen Fällen durch die sogenannten Lenkungsmethoden des Zentralbanksystems eine gewisse Beeinflussung des Geldvolumens und des Kapitalmarktes möglich wird, so ist doch der Schluß irrig, daß durch die „Lenkungsmaßnahmen" eine entscheidende Beeinflussung des Wirtschaftsablaufes erreicht werden kann. Das ist, wie im einzelnen nachgewiesen werden wird, durch die Wirkung der objektiven ökonomischen Gesetze des Kapitalismus unmöglich. Die lobenden Bemerkungen des westdeutschen Wirtschaftsministers Erhard, die er der Währungspolitik der Bank deutscher Länder auf der Konjunkturdebatte des westdeutschen Bmidestages in Berlin widmete, sind daher als bewußte Demagogie zu werten. Die sogenannten Lenkungsmethoden des westdeutschen Zentralbanksystems dienen vielmehr der Sicherung des Maximalprofits der Monopole durch Ausweitung des Volumens an Leihkapital und Begünstigung der Monopole im Konkurrenzkampf mit den anderen nicht-monopolisierten kapitalistischen Betrieben. Die nachstehenden Kapitel beschäftigen sich im einzelnen mit den „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems in Westdeutschland. Diese „Lenkungsmethoden" sind nicht von ungefähr entstanden, sondern stellen die objektiv notwendige Folge der Entwicklung des Kapitalismus zum staatsmonopolistischen Kapitalismus dar. Sie sind auf dem Gebiet des Geld- und Kreditwesens eines seiner Merkmale. Sie werden weiterhin objektiv notwendig durch die Zerrüttung der kapitalistischen Währungssysteme. Die Untersuchung, welche Möglichkeiten das Zentralbanksystem mit diesen „Lenkungsmethoden" hat, ist im gegenwärtigen Zeitpunkt von besonderer Bedeutung, weil sich gerade die Apologetik der westdeutschen bürgerlichen „Wissenschaft" auf diese Lenkungsmöglichkeiten beruft und die gefährliche Behauptimg aufstellt, sie seien eine genügende Sicherung der Währung vor inflationistischem Verfall. Nicht zuletzt gestützt auf diese Auffassung beendete daher der Präsident der westdeutschen Bank deutscher Länder seinen zitierten Vortrag mit den Worten: „Seid ohne Furcht, wir passen auf!" Wie wenig begründet diese anmaßende Äußerung ist, sollen die nachfolgenden Kapitel unter Beweis stellen.
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B. Die „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems in Westdeutschland I. Die Geldschöpfung des Zentralbanksystems als Grundlage und Mittel zur „Lenkung" der kapitalistischen Wirtschaft Wie bereits erwähnt wurde, besteht eine der Hauptaufgaben der Zentralbanken darin, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen. Nach den herrschenden Theorien der bürgerlichen Ökonomen, wie Keynes, Gestrich, Schneider, Halm, Hahn usw., hat die Zentralbank dabei eine solche Geldpolitik zu betreiben, daß sie die Geldkapitalbildung aktiv unterstützt. Unter aktiver Geldpolitik verstehen diese bürgerlichen Wissenschaftler direkte Eingriffe der Zentralbank mit den Mitteln der Geldpolitik, die den wirtschaftlichen Ablauf möglichst in einem kontinuierlich steigenden Trend hält, der ihnen allein den Maximalprofit garantiert. In diesem Zusammenhang kommt den Möglichkeiten, die das Zentralbanksystem besitzt, die umlaufende Geldmenge in der kapitalistischen Wirtschaft zu vergrößern oder zu beschränken, besondere Bedeutimg zu. Die Ausnutzung der Möglichkeit, die Geldmenge zu beeinflussen, wird von den Pseudo-Wissenschaftlern des Monopolkapitals geradezu zur Forderung erhoben und als erste Aufgabe der Zentralbank hingestellt, die sogar den Vorzug vor der sonst üblicherweise an erster Stelle genannten Aufgabe der Zentralbank, „Hüterin der Währung" zu sein, haben müsse. Als „Begründung" für diese, die Währung ernsthaft gefährdende „Theorie" wird die geradezu lächerliche Feststellung getroffen, daß die Zentralbankgesetze der Welt — auch die Satzung der Bank deutscher Länder — die Stabilität der Währung nicht eindeutig fordern.1) Die aktive Geldpolitik verlangt vor allem die stete Flüssigkeit des Geldmarktes. Diese Zielsetzung ist nur über eine Politik der ständig wachsenden Geldschöpfung durch die Zentralbank erreichbar. Das Zentralbanksystem in Westdeutschland hat eine solche aktive Politik der Geldschöpfung zugunsten der Monopole nach der Währungsreform in großem Umfange durchgeführt. Durch seine Geldschöpfungspolitik hat das Zentralbanksystem dazu beigetragen, den Apparat der Kreditbanken schnell wieder voll aktionsfähig zu machen, indem es die Voraussetzung für die Kreditexpansion der Kreditbanken schuf, die *) O. Veit, Das Geld unter der „Rule of Law", Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Nr. 21/53, S. 659. „Eine Pflicht des Staates zu einer bestimmten Handhabung der Geldfreiheit zum Erhalten des Geldwertes zur Stabilität der Währung findet sich nicht." Auch im Grundgesetz der westdeutschen Bundesrepublik sei von einer Verpflichtung des Staates, die Währung zu sichern, nichts gesagt.
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die Entwicklung der Monopole in unwahrscheinlich kurzer Zeit so beschleunigte, daß sie heute ökonomisch stärker als vor dem 2. Weltkrieg dastehen.1) Es ist klar, daß eine solche Geldschöpfungspolitik eine Gefahr für die Währung bildet. Diese Gefahr, die in einer inflationistischen Entwicklung der Währung liegt, wird auch von den Befürwortern dieser „aktiven Geldpolitik" nicht übersehen. Da ihre „Theorien" jedoch eine Rechtfertigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zum ideologischen Inhalt haben, wird diese Gefahr bagatellisiert. So sagt z. B. Prof. Dr. Eduard Lukas, München: „Soweit sich der heutige Zustand unserer Unterbeschäftigung konjunkturell monetär bedingt erweist, wird man gut tun, ihn auch alsbald vom Geld her zu heilen und da das erreichbare Optimum der Geldversorgung anzustreben. . . " >
und ferner: „Wollte man dennoch deren Dauerbeschäftigung (der Arbeitslosen-H. J.) durch immer wieder einsetzende Kaufkraftinjektionen erzwingen, so müßte der Geldumlauf früher oder später inflationistisch wirkende Ausmaße annehmen. Solche Gefahr wird im übrigen natürlich um soviel geringer sein, als es gelingt, über erhöhten Export oder sonstwie die fehlenden Komplementärgüter und Lebensmittel zu vermehren und mit dem erhöhten Geldumlauf ein erhöhtes Produktionsvolumen, und mit diesem wieder ein erhöhtes Sparvolumen zu verbinden." 2 )
Kein Wort verliert Prof. Lukas über die zwangsläufig durch die Inflation hervorgerufene verstärkte Ausbeutung der Werktätigen infolge Sinkens des Reallohns! Zwar wird mit wortreichen Ausflüchten um die Tatsache herumgeredet, daß eine solche expansive Geldpolitik zur Inflation führen kann. In Wirklichkeit aber wird gerade eine solche inflationistische Entwicklung der Währung gefördert. Die Inflation stellt bekanntlich ein Mittel zur Erzielung des Maximalprofits für die Monopolisten infolge der steigenden Preise und zurückbleibender Löhne dar.3) Im Interesse der Sicherung ihres Maximalprofits verlangen daher die Monopole, daß die Zentralbank für die Flüssigkeit des Geldmarktes zu sorgen und mit , .wirkungsvollen Lenkungsinstrumenten" die Geldschöpfung so zu beeinflussen habe, daß der konjunkturelle Ablauf der Wirtschaft garantiert wird. J
) Über die Entwicklung der Industrie-Monopole in Westdeutschland seit der Währungsreform siehe K. Raddatz, Der Entflechtungsschwindel in Westdeutschland, Wirtschaftswissenschaften Nr. 1/54. Ferner: Berichte des Deutschen Wirtschaftsinstituts Nr. 1/2/1956. Die sogenannten „Nachfolgebanken" der ehemaligen Deutschen Bank, Dresdner Bank und Commerzbank übertrafen mit ihren Bilanzsummen Ende 1954 die Bilanzsummen ihrer „Emissionsbilanzen" im Jahre 1952 wie folgt: Deutsche Bank um 72%, Dresdner Bank um 64%, Commerzbank um 99%. (Zahlen aus den Geschäftsberichten dieser Banken f ü r 1954 entnommen). 2 ) Die Bundesbank, Aufbau und Aufgaben, Schriftenreihe der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Bd. I, Frankfurt/Main, S. 63. s ) Siehe E. Bregel, Steuern, Anleihen und Inflation im Dienste des Imperialismus, Berlin 1955, S. 281ff. Siehe I. A. Trachtenberg, Das Geld- und Kreditsystem des Kapitalismus nach dem 2. Weltkrieg, Moskau 1954.
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In den nachfolgenden Kapiteln soll daher die Geldschöpfungspolitik des Zentralbanksystems und die Methoden der Beeinflussung dieses Prozesses durch das Zentralbanksystem untersucht und die im Zusammenhang hiermit stehende Apologetik der bürgerlichen „Wissenschaftler" entlarvt werden. Um die Geldschöpfungspolitik des Zentralbanksystems und seine Lenkungsmethoden zu verstehen, ist es erforderlich, über einige Fragen Klarheit zu gewinnen: a) Welches Geldsystem besteht in
Westdeutschland?
Das westdeutsche Geldsystem beruht auf einer reinen Papiergeldwährung. Während bei einer Goldwährung eine Ausdehnung des Geldvolumens durch die Deckungsbestände der Zentralbank eine Beschränkung erfährt und die Manipulation des Geldumlaufs in mehr oder weniger automatisch verlaufenden Bewegungen erfolgt, öffnet die Papiergeldwährung einer Geldausweitung über die Emission von Staatspapiergeld und die Kreditexpansion der Kreditbanken Tor und Tür. Die klassische Regulierung des Geldumlaufs durch Zu- und Abfluß von Gold bzw. durch die Hereinnahme oder Ablehnung guter Handelswechsel, d. h. also durch die Mittel einer Gelddeckungspolitik, wurde ersetzt durch ein System von Staatspapiergeld mit Zwangskurs ohne jede Deckungsvorschrift. Die D-Mark der Bank deutscher Länder ist daher auch nicht konvertierbar. An dem Charakter der westdeutschen Währung als einer Papiergeldwährung, die im wesentlichen durch Staatspapiergeld gekennzeichnet ist, ändert auch die Tatsache nichts, daß die Emission des Papiergeldes nicht direkt durch die Staatskasse, sondern im Auftrage des Staates durch die Zentralbank erfolgt. Die Zentralbank fungiert hier sozusagen als Agent des Staates.1) Beim westdeutschen Zentralbanksystem besteht nicht einmal die volle Scheindeckung durch verbriefte Staatsschulden, wie dies z. B. bei der Stlg.-Währung der Bank von England der Fall ist.2) Die westdeutsche Währung unterliegt daher den ökonomischen Gesetzen einer Papiergeldwährung, die bereits von Karl Marx untersucht wurden. Er stellt im Kapital, Bd. I, fest: *) Daher findet sich in der bürgerlichen Literatur auch häufig der Ausdruck „fiscal agent". ) Der Ausweis der Bank von England vom 4. 5. 1949 zeigte einen Notenumlauf von 1571,4 Mill. Stlg., dem nicht weniger als 1623,9 Mill. Stlg. Staatsschuldverschreibungen und nur 14,85 Mill. Stlg. Diskontierungen und Vorschüsse gegenüberstehen. Aus: A. Lemmnitz, Kreditpolitik im Westen und Osten, Deutsche Finanzwirtschaft 6/49, S. 201. Die Scheindeckung der westdeutschen Währung betrug am 30.4.55 lediglich 4,483 Mrd. DM Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder an die Bundesregierung, Schatzanweisungen und sonstige Wertpapiere sowie 1,703 Mrd. DM Diskontierungen und Vorschüsse. (Monatsberichte der Bank deutscher Länder, September 1955, S. 52/53.) Im Zusammenhang mit der Währungsreform, d. h. mit der Erstausstattung der Wirtschaft mit Zentralbankgeld, wurden seinerzeit 8,07 Mrd. DM Ausgleichsforderungen zur formalen Aktivierung der Geldemission eingebucht. (Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Oktober 1955.) Inzwischen aber hatte die Höhe des Zentralbankgeldes am 30. 4.1955 bereits einen Stand von 18,760 Mrd. DM erreicht (siehe Tabelle 1). 2
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„Relativ wertlose Dinge, Papierzettel, können also an seiner statt 1 ) als Münze funktionieren." 2 ) „Es handelt sich hier nur um Staatspapiergeld mit Zwangskurs. Es wächst unmittelbar aus der metallischen Zirkulation heraus." 3 ) „Papierzettel, denen Geldnamen, wie 1 Pfd. St., 5 Pfd. St. usw. aufgedruckt sind, werden vom Staat äußerlich in den Zirkulationsprozeß hineingeworfen. Soweit sie wirklich an der Stelle der gleichnamigen Goldsumme zirkulieren, spiegeln sich in ihrer Bewegung nur die Gesetze des Geldumlaufe selbst wider. Ein spezifisches Gesetz der Papiergeldzirkulation kann nur aus ihrem Kepräsentationsverhältnis zum Gold entspringen. Und dies Gesetz ist einfach dies, daß die Ausgabe des Papiergeldes auf die Quantität zu beschränken ist, worin das von ihm symbolisch dargestellte Gold (resp. Silber) wirklich zirkulieren müßte." 4 ) „Werden dagegen heute alle Zirkulationskanäle zum vollen Grad ihrer Geldabsorptionsfähigkeit mit Papiergeld gefüllt, so können sie infolge der Schwankungen der Warenzirkulation morgen übervoll sein. Alles Maß geht verloren. Überschreitet aber das Papier sein Maß, d. h. die Quantität von Goldmünze gleicher Denomination, welche zirkulieren könnte, so stellt es, von der Gefahr allgemeiner Diskreditierung abgesehen, innerhalb der Warenwelt dennoch nur die durch ihre immanenten Gesetze bestimmte, also auch allein repräsentierbare Goldquantität vor." „Das Papiergeld ist Goldzeichen oder Geldzeichen. Sein Verhältnis zu den Warenwerten besteht nur darin, daß sie ideell in denselben Goldquantis ausgedrückt sind, welche vom Papier symbolisch sinnlich dargestellt werden. Nur sofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle anderen Warenquanta, auch Wertquanta, ist es Wertzeichen." 5 ) „Nur bedarf das Zeichen des Geldes seiner eigenen objektiv gesellschaftlichen Gültigkeit und diese erhält das Papiersymbol durch den Zwangskurs. Nur innerhalb der von den Grenzen eines Gemeinwesens umschriebenen oder inneren Zirkulationssphäxe gilt dieser Staatszwang, aber auch nur hier geht das Geld völlig auf in seine Funktion als Zirkulationsmittel oder Münze, und kann daher im Papiergeld eine von seiner Metallsubstanz äußerlich getrennte und bloß funktionelle Existenzweise erhalten." 6 )
Im B a n d i i i des Kapitals stellt Friedrich Engels fest: „inkonvertible Banknoten können nur da allgemeines Zirkulationsmittel werden, wo sie tatsächlich durch Staatskredit gestützt werden.... Sie fallen damit unter die Gesetze des inkonvertiblen Staatspapiergeldes . . ." 7 )
(Siehe weiterhin Lehrbuch Politische Ökonomie, Seite 92/93). Diese Feststellungen von Marx treffen auch auf die westdeutsche Währung zu. Ein Teil der westdeutschen Geldzeichen gelangt durch Vermittlung der Bank deutscher Länder in die Zirkulation, indem sie Handelswechsel der Kreditbanken rediskontiert. Darüber hinaus gewährt die Zentralbank kurzfristige Vorschüsse an Körperschaften des öffentlichen Brechts und gibt dafür Geldzeichen her oder schreibt den Banken und den Körperschaften den Gegenwert auf ihren Konten bei sich gut. Das so geschaffene Geld hat den Charakter von Kreditgeld. Aber hierbei ist bereits zu bemerken, daß ein Teil der Vorschüsse der Zentralbank an 2
) 3 ) 4 ) 6 ) «) ')
(Anstatt des Goldes — H. J.) K. Marx, Das Kapital, Bd. I, S. 132. Ebenda, S. 132. Ebenda, S. 133. Ebenda, S. 133/34. Ebenda, S. 135. K. Marx, Das Kapital, Bd. H I , S. 569.
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die Körperschaften, die öffentliche Hand und auch u. U. ein Teil des Rediskontmaterials — z. B. reine Finanzwechsel — nicht mehr die ökonomischen Beziehungen zum Reproduktionsprozeß haben, die eigentlich dem Kreditgeld zugrunde liegen müssen. Ein großer Teil dieser Wechselkredite und Vorschüsse dient der Finanzierung der parasitären Konsumtion. Dadurch wird der Charakter des Kreditgeldes verwässert. Wie Tabelle 1 zeigt, macht das Rediskontportefeuille des Zentralbanksystems an den verschiedenen Stichtagen nur ca. 8 bis 12% der geschöpften Menge an Zentralbankgeld bzw. 11 bis 17% des emittierten Bargeldes aus. Das Verhältnis der Gesamtkredite des Zentralbanksystems zum geschöpften Zentralbankgeld beträgt ebenfalls nur 9—14,6%. Daraus resultiert, daß die Gesamtmenge des geschöpften Zentralbankgeldes nicht durch die Bewegung des Wechselkredites oder der sonstigen Kreditoperationen, d. h. durch die Gesetze der Kreditgeldzirkulation, bestimmt wird, sondern durch die Operationen der Zentralbank zur direkten Geldschöpfung. Sowohl die geschöpfte Kreditgeldmenge, als auch die Menge des geschöpften Staatspapiergeldes unterliegen den ökonomischen Gesetzen der Papiergeldzirkulation, die damit die bestimmenden Gesetze der Geldzirkulation in Westdeutschland sind. Der Anteil des Staatspapiergeldes ist, wie die Tabelle 1 zeigt, entscheidend größer als der Anteil des Kreditgeldes. Für die hier zu untersuchenden Zusammenhänge der sogenannten Lenkungsmethoden der Zentralbank ist diese Feststellung von großer Bedeutung, da die Wechselzirkulation einer anderen Bewegung unterliegt als die Zirkulation des Staatspapiergeldes. Schon Karl Marx stellte fest: „Die Menge der zirkulierenden Wechsel ist also, wie die der Banknoten, lediglich bestimmt durch die Bedürfnisse des Verkehrs . . . " „Der Umfang, worin die Wechsel zirkulieren, hat keinen Einfluß auf den Umfang der Notenzirkulation und wird von diesem letzteren beeinflußt nur in Zeiten der Geldknappheit, wo diese Quantität der Wechsel zunimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment der Krise, versagt die Wechselzirkulation gänzlich; kein Mensch kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Barzahlung nehmen will."1)
Auch der sowj. Ökonom Prof. Bregel weist auf diese Zusammenhänge hin: „Sobald sich aber mit Aufhebung der Einlösbarkeit auch der Charakter der Banknotenemission ändert und die Banknoten nicht durch Handelswechsel, sondern durch Schatzwechsel gedeckt werden, verliert die Banknotenemission jedweden Zusammenhang mit der Zunahme des Warenumlaufs und besagt lediglich, daß die Emissionsbanken immer mehr Geldzeichen in Umlauf setzen, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Solche „Banknoten" stellen ihrem Wesen nach überhaupt keine Banknoten im eigentlichen Sinne dar, sondern Papiergeld und sind den Gesetzen des Papiergeldumlaufs unterworfen."2) 1
) K. Marx, Das Kapital, Bd. III, S. 587. ) E. Bregel, Steuern, Anleihen und Inflation im Dienste des Imperialismus, Berlin 1955, S. 220. 2
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,Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems Tabelle 1 Wechselportefeuille, Gesamtkredite des Zentralbanksystems und Gesamtmenge des geschöpften Zentralbankgeldes a) Wechselbestand
1953: 31. 23. 1954: 30. 30. 1955 : 30.
8. 11. 9. 11. 4.
Mill. DM
in % des Bargeldumlaufs
in % des gesamten Zentralbankgeldes
1950 1691 1647 1665 1492
17,0 14,3 13,3 12,4 11,3
12,6 10,5 8,9 8,4 8,0
b) Wechselbestand, Lombardkredite, Kredite an die öffentliche Hand
1953: 31. 23. 1954 : 30. 30. 1955: 30.
8. 11. 9. 11. 4.
Mill. DM
in % des Bargeldumlaufs
in % des gesamten Zentralbankgeldes
2 258 1997 1860 1954 1603
19,6 16,9 15,0 14,9 12,9
14,6 12,4 10,1 10,5 9,0
c) Gesamtmenge des Zentralbankgeldes
1954
1953 Aug.
NOT.
Sept.
1955 Nov.
April
Mill. DM (jeweils Endbestand des betreffenden Monats zugrunde gelegt) Bargeldumlauf Sichteinlagen: von Privaten „ öffentlichen Stellen „ allierten Stellen Gegenwertmittel Zeitweise in Ausgleichsforderungen angelegte Guthaben Insgesamt:
11510
11783
12 358
12 556
13 103
241 195 676 469
259 254 653 308
293 230 562 330
224 230 528 351
277 233 514 324
2 36Ö
2864
4667
4676
4 309
15451
16121
18440
18 565
18 760
Quelle: Wechselbestand: Geschäftsberichte der Bank deutscher Länder, Wochenausweise, bzw. Monatsberichte der Bank deutscher Länder. Zentralbankgeld und Kredite: Monatsberichte der Bank deutscher Länder.
Die z. Z. vorhandenen großen Gold- und Devisenbestände der Bank deutscher Länder ändern an diesem Charakter der westdeutschen Währung nichts, da sie nicht als gesetzliche Deckungsmittel herangezogen werden können. Sie stehen ohne rechtliche Beziehungen zur emittierten Geldmenge. Allerdings wurde — wie wir später sehen werden — die Emittierung der umlaufenden Geldmenge in Westdeutschland durch die Devisenpolitik des Zentralbanksystems wesentlich beeinflußt.
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b) Wer bestimmt die Emissionspolitik der Zentralbank? In ihrer Emissionspolitik ist die Bank deutscher Länder nicht frei, sondern, wie in der Einleitung bereits dargestellt worden ist, abhängig von der Wirtschaftspolitik der Regierung der Bundesrepublik. Dies hängt ökonomisch auch mit dem Charakter der westdeutschen Währung als. einer Papiergeldwährung eng zusammen. Die emittierte Geldmenge wird sich bei einer Papiergeldwährung stets nach der Zielsetzung der Regierung richten, von der die Geldpolitik der Zentralbank in jedem Falle abhängig ist. Der bekannte bürgerliche Ökonom George Halm muß ebenfalls feststellen, daß die von den Apologeten des Monopolkapitals oft dargestellte Unabhängigkeit der Zentralbanken unmöglich ist und betont, daß im System einer manipulierten Papierwährung eine solche Abhängigkeit der Zentralbanken von der Regierung stets gegeben ist.1) Die Geldpolitik des westdeutschen Zentralbanksystems wird demnach bestimmt durch die Wirtschaftspolitik der westdeutschen Bundesregierung, die sich die Unterstützung der konjunkturellen Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft zum Ziel gesetzt hat; ferner durch die Politik der Remilitarisierung der westdeutschen Bundesrepublik. Auch in diesem Jahre wird der Geldbedarf der Regierung durch die direkte Aufrüstung Westdeutschlands weiter anwachsen. c) Welche weiteren Aufgaben sind der Zentralbank durch die Monopole gestellt? Stucken2) formuliert als weitere Aufgabe der Notenbank, daß sie der Liquiditätsrückhalt des ganzen Kreditbankwesens sein, Einfluß auf die Konjunktur des Wirtschaftslebens und auf die Einsätze nehmen und schließlich der Rückhalt für die Zahlungsfähigkeit des Staates sein soll. Damit ist die Stellung der Zentralbank im monopolistischen Staat klar gekennzeichnet als ein Instrument, mit dem 1. das gesamte Kreditbankwesen zur Durchführung seiner Kreditpolitik im Interesse der Monopole notfalls rechnen kann, d. h. die Kreditbanken sollen im Zentralbanksystem einen Rückhalt für ihre Kreditexpansion sehen können; 2. der Ablauf der Konjunktur im Interesse der Monopole beeinflußt werden soll; 3. der Staat neue Finanzquellen zur Finanzierung seiner Aufrüstungspläne finden kann. Die Zentralbank soll somit zum Instrument der bewußten Einflußnahme auf den Markt werden. Aus diesem Grunde soll sie auch eine „aktive Geldpolitik" betreiben, bei der Halm als Hauptzielsetzung die größtmöglichste Ausnutzung der Produktivkräfte3) fordert. Hiermit folgt Halm offensichtlich den Ansichten von Keynes4), und zeigt damit seine ideologische Verwandtschaft mit ihm. GrößtG. Halm, Geld, Außenhandel und Beschäftigung, München 1951, S. 100. ) R. Stucken, Geld und Kredit, Tübingen 1949, S. 155 ff. ) G. Halm, ebenda, S. 101. *) Die Ansichten von Keynes sollen hier nicht näher untersucht werden; siehe hierzu J. M. Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, München und Leipzig 1936 und W. S. Woldin, Keynes, ein Ideologe des Monopolkapitals, Berlin 1955. 2
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möglichste Ausnutzung der Produktivkräfte zwecks Erzielung des Maximalprofits, das ist die Zielsetzung aller bürgerlichen Konjunkturtheorien. Um die geld- und kreditpolitischen Instrumente des Zentralbanksystems zur Beeinflussung des Konjunkturablaufs zu analysieren, werden zunächst die Geldschöpfungsmethoden des Zentralbanksystems sowie der Kreditbanken untersucht. Nur so kann man eine Einschätzung der Möglichkeiten der Beeinflussung der Geldschöpfung durch besondere Maßnahmen des Zentralbanksystems gewinnen. Diese Untersuchung ist für die Analyse der vom Geld ausgehenden Einflüsse auf den Ablauf der Wirtschaftsprozesse von großer Bedeutung. Bei der Geldschöpfung muß man unterscheiden zwischen der Schöpfung von Zentralbankgeld (Banknoten, Münzen und Sichtguthaben beim Zentralbanksystem) durch die Zentralbank und der Schöpfung von Giralbankgeld durch die Kreditbanken.1) Außerdem ist zugrunde gelegt, daß die kapitalistischen Unternehmen keine direkte Beziehung zur Zentralbank unterhalten können, wie dies bekanntlich im westdeutschen Banksystem — mit Ausnahme der Landes-Zentralbank in der französischen Besatzimgszone — der Fall ist. Wichtig ist für unsere Untersuchungen ferner die Voraussetzung, daß es sich um ein geschlossenes Währungssystem mit einer reinen Papiergeldwährung handelt, d. h. daß die Geldzeichen der Zentralbank nur innerhalb des geschlossenen Wirtschaftssystems in Westdeutschland umlaufen.2) Bei der Untersuchung der Geldschöpfung im westdeutschen Währungsgebiet muß man — wie schon erwähnt — die Geldschöpfung des Zentralbanksystems von der Geldschöpfung durch die Kreditbanken unterscheiden. Auf Grund ihres Notenausgabemonopols ist allein die Zentralbank in der Lage, Banknoten, im wesentlichen Staatspapiergeld, auszugeben. Die Vermehrung der umlaufenden Menge an Zentralbankgeld kann dadurch erfolgen, daß a) von den Kreditbanken der Zentralbank Aktiva angeboten werden, die die Zentralbank gegen Hergabe von Zentralbankgeld ankauft. Hierbei kann die Zentralbank die Art der Aktiva bestimmen. Ein solches „Angebot" kann auch seitens des Staates erfolgen, der Staatswertpapiere zum Ankauf gegen Zentralbankgeld anbietet. In diesem Falle jedoch hat die Zentralbank zumeist nicht mehr die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung solcher „Aktiva", da die Zentralbank zum Ankauf verpflichtet sein kann. Ebenso verhält es sich beim Ankauf von Gold und Devisen, die das Zentralbanksystem auf Grund der bestehenden Devisenbestimmungen ankaufen muß; x
) Die Giralgeldschöpfung kann durch alle Kreditbanken, oder, wie in der Literatur auch oft bezeichnet, die Geschäftsbanken, betrieben werden. Es wird im Verlauf der Arbeit nachgewiesen werden, daß die Monopolbanken (Nachfolgebanken) als die beherrschenden Banken im Sektor der Kreditbanken in ihrem Giralgeldschöpfungsprozeß vom Zentralbanksystem begünstigt werden. a ) Diese Hypothese ist z. Z. nicht mehr voll gegeben, da durch entsprechende Erleichterungen der Devisenzwangsbewirtschaftung sowohl DM-Noten und Scheidemünzen im Auslande umlaufen, als auch ausländische Zahlungsmittel im Bundesgebiet eingeführt werden. Der geringe Umfang dieser Geldbewegungen ist jedoch für unsere Untersuchungen nicht entscheidend.
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b) die Zentralbank direkte Kredite an Banken oder an den Staat gewährt, die in Zentralbankgeld in Anspruch genommen werden. Wichtig ist, zu erkennen, daß hierbei stets Zentralbankgeld in die Zirkulation fließt. Umgekehrt wird der Zirkulation Zentralbankgeld entzogen, wenn die Zentralbank ihre Aktiva verkauft oder die von ihr gewährten Kredite zurückfordert. Während allerdings bei der Einschleusung von Zentralbankgeld in die Zirkulation z. B. das neugeschaffene Bargeld schnell und unmittelbar von der Zirkulation absorbiert werden wird, ist beim Bückfluß des Zentralbankgeldes eine Verminderung des in die Zirkulation geflossenen Bargeldes nur schwer, u. U. überhaupt nicht zu erreichen. Im Verlauf dieser Arbeit wird nachgewiesen werden, daß zwar die vom Zentralbanksystem zur Verfügung gestellte Giralgeldmenge beeinflußbar ist, nicht aber in gleicher Weise die einmal emittierte Bargeldmenge. Bei Ankauf von Aktiva der Kreditbanken (oder des Staates) ist zu beachten, daß keine Erhöhung der Bilanzsumme der Kreditbanken erfolgt, sondern lediglich eine Änderung in der Qualität ihrer Aktiva, die dadurch liquider werden. Bei der Zentralbank dagegen erfolgt eine entsprechende Vergrößerung der Bilanzsumme. Der Empfänger des Zentralbankgeldes geht gegenüber dem Zentralbanksystem keine Verpflichtung ein, da er die verkauften Aktiva definitiv übergeben hat. Beispiel a) Zentralbank A
Kreditbank
nach Ankauf
Wertpapiere 50 000 Schatzwechsel 50000
P
Giralgeld 50 000 Noten 50000
A
vor Verkauf
Kreditbank P
A
nach Verkauf
P
Guthaben Zentralbank 50000 Bargeld 50000
Wertpapiere 50000 Schatzwechsel 50000
Anders verhält es sich bei der Kreditgewährung an die Banken (oder den Staat). Hierbei erhöht sich auch die Bilanzsumme der Kreditbanken. Beispiel b) A
Forderung an Bank 100 000
Zentralbank Giralgeld zugunsten Bank 50000 + Noten 50000
P
A
Kreditbank
Guthaben bei ZBS 50 000 bar 50000
P
Verpflichtungen gegenüber der Zentralbank 100000
In beiden Fällen wird Zentralbankgeld in die Zirkulation eingeschleust, wobei klar ist, daß Sichtguthaben bei der Zentralbank jederzeit in Bargeld realisierbar, d. h. ihm gleichzusetzen sind. (Allerdings ist dabei zu beachten, daß die Zentral-
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bankguthaben notfalls gesperrt werden können, während eine Beeinflussung der einmal in der Zirkulation befindlichen Bargeldmengen durch das Zentralbanksystem nur mit größten Schwierigkeiten möglich ist.) Es ergibt sich also, daß die Zentralbank Zentralbankgeld schafft, und zwar sowohl Bargeld als auch Sichtguthaben beim Zentralbanksystem, indem sie Aktiva erwirbt. Hierzu ist zu bemerken, daß zwar durch die Schaffung von Sichtguthaben bestimmte Kreditverhältnisse geschaffen werden, wie überall dort, wo Sichtguthaben bei Banken auftreten, da die Inhaber der Bankkonten bestimmte Forderungen an die betr. Banken haben, daß dies aber nicht unbedingt bei der Schöpfung von Bargeld der Fall zu sein braucht. Für die Einschätzung der „Lenkungsmethoden" der Zentralbank durch ihre Geldschöpfung ist die Analyse der ökonomischen Zusammenhänge der Schöpfung von Zentralbankgeld besonders wichtig. Wie schon auf den Seiten 70—73 ausgeführt worden ist, können von den seitens der Zentralbank emittierten „Banknoten" nur diejenigen als „Kreditgeld" angesprochen werden, die durch Rediskontierungen und Lombardierungen von Handelswechseln bzw. durch kurzfristige Vorschüsse der Zentralbank in die Zirkulation gelangen. Die so geschaffene Geldmenge folgt den Gesetzen der Kreditgeldzirkulation, d. h., bei Fälligkeit der Wechsel bzw. der Vorschüsse fließt das Zentralbankgeld wieder zurück, da die Wechsel und Vorschüsse in Zentralbankgeld eingelöst werden müssen. So erfolgt eine gewisse Selbstregulierung. Anders verhält es sich dagegen bei solchen Geldemissionen, die z. B. durch Ankauf von Staatswertpapieren erfolgen. Die Grundlage dieser Geldemission stellen nicht mehr Handelswechsel oder Lombardierungen dar, die in direkter Beziehung zum Reproduktionsprozeß stehen, sondern Staatspapiere, die allein aus dem staatlichen Geldbedürfnis entspringen. Dieses ist aber durchaus nicht immer mit den Notwendigkeiten der Geldzirkulation, wie sie der Reproduktionsprozeß erfordert, in Einklang zu bringen. Es entsteht auf diese Weise 1. eine Bargeldschöpfung, die die Schöpfung von reinem Staatspapiergeld darstellt, 2. eine riesige Summe von Scheindepositen, die auf Grund ihrer mangelnden Bindung zum Reproduktionsprozeß eine sehr labile Grundlage haben und daher die Stabilität des gesamten Kreditsystems untergraben müssen. In dem Beispiel a) auf Seite 76 wurden Aktiva z. B. in Form von Wertpapieren „monetisiert". Im Fall b) wurden dagegen Forderungen „monetisiert". Zum Beispiel a) ist folgendes zu bemerken: Wertpapiere stellen bekanntlich fiktives Kapital dar. (Besonders deutlich zeigt sich dies bei Staatswertpapieren). Für den zu untersuchenden Gegenstand ist es wichtig, die ökonomischen Grundlagen gerade dieser Geldschöpfung zu behandeln, da sie für den Charakter der westdeutschen Währung von Bedeutung sind.
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Die „Monetisierung" der Staatspapiere ist in den meisten kapitalistischen Ländern eine der Hauptmethoden des staatsmonopolistischen Kapitalismus, um Zentralhankgeld zur Rüstungsfinanzierung zu erhalten und zusätzlich in die Zirkulation zu schleusen. Besonders geübt wird diese Methode in den USA. (Siehe Fußnote Seite 127.) Die Aktivierung von Forderungen an den Staat (z. T. auch die Aktivierung von Forderungen an die Kreditbanken) hat unter den Verhältnissen der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems zumeist ökonomisch die Finanzierung einer parasitären Konsumtion zur Grundlage. Die hierdurch geschaffene Geldmenge hat daher keine ökonomische Gelddeckung aus dem Ergebnis des Reproduktionsprozesses, da als Deckung des emittierten Geldes nur solche Produktionsergebnisse angesehen werden können, die von der Masse der Einkommensempfänger tatsächlich konsumiert werden. Auch ein großer Teil der direkten Kredite des Zentralbanksystems an den Staat muß in diese Gruppe einbezogen werden, da diese Kredite nur eine Vorwegnahme von zukünftigen Einnahmen des Staates darstellen, die dieser ebenfalls für seine parasitären Zwecke verausgabt. Nur ein Teil der „monetisierten" Aktiva dieser Art erfüllt die Forderung, die an die Deckung dieser Geldschöpfung gestellt werden muß. Im westdeutschen Zentralbanksystem belief sich die Gesamtsumme der Geldschöpfung durch Aktivierung von Staatspapieren und direkten Krediten an den Staat durch das Zentralbanksystem bis zum Dezember 1955 auf 566 Mill. DM.1) Auf die Bedeutung dieser Methode der Geldschöpfung durch das Zentralbanksystem und die Begründung des geringen Umfanges dieser Geldschöpfung im Verhältnis zur Gesamtsumme des geschöpften Zentralbankgeldes komme ich später zurück.2) Im Fall b) dagegen hegen andere ökonomische Beziehungen zugrunde. Wichtig für die Geldbewegung ist hier zu erkennen, daß der Empfänger des Zentralbankgeldes der Zentralbank gegenüber bestimmte Verpflichtungen zur Rückzahlung der Forderung in Zentralbankgeld eingeht. Für die weiteren Untersuchungen über die Wirksamkeit der Geldpolitik der Zentralbank ist diese Feststellung von großer Bedeutung. Die Verschuldung der Kreditbanken beim Zentralbanksystem bringt sie in bestimmte „Abhängigkeit" von der Zentralbank. Zwar baut sich auf diesem „Abhängigkeitsverhältnis" der Kreditbanken von der Zentralbank die Wirkungsweise der sogenannten Lenkungsmethoden mit auf, aber man darf hierbei nicht außer acht lassen, daß die herrschenden Kreditbanken, nämlich die Monopolbanken, zusammen mit den großen Industrie-Monopolen zur Fmanzoligarchie gehören, die letzten Endes als Auftraggeber hinter der Zentralbank stehen. Insofern ist dieses „Abhängigkeitsverhältnis" für diese Kreise rein fiktiv! Die Kreditbanken, die der Zentralbank gegenüber höhere Verschuldung besitzen, als sie dort Guthaben unterhalten, befinden sich in „Nettoverschuldung". !) Siehe Tabelle 3 auf S. 100/101. 2 ) Siehe S. 103.
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Auch die „Nettoguthaben" der Banken haben für die Geld- und Kreditpolitik der Zentralbank große Bedeutung. Die Nettoverschuldung (bzw. das Nettoguthaben) der Kreditbanken beim Zentralbanksystem entwickelte sich wie folgt: Tabelle 2 Nettoverschuldung und Nettoguthaben der Kreditinstitute beim Zentralbanksystem (in Mill. DM) (Zablen Jeweils Endbestand des Quartals) I.Quartal II. Quartal III. Quartal
Nettoverschuldung: 1950 1951 1952 1953 Nettoguthaben: 1954 1955
IV. Quartal
2944 3066 2928 950
2391 2635 1570 209
2786 2785 1257 264
3074 2687 972 27
+ 60 + 632
+ 269 + 852
+ 484 + 89
+ 670
Q u e l l e : Geschäftsberichte der Bank deutscher Länder bzw. ab 1955 Monatsberichte der Bank deutscher Länder.
Außer dieser Tabelle ergibt sich, daß die Kreditbanken bis zum Jahre 1953 beim Zentralbanksystem netto-verschuldet waren, d.h., daß sie sich in gewisser „Abhängigkeit" von der Zentralbank befanden, was ihre Kredit- und Giralgeldschöpfung anbelangt, während sich dieser Zustand mit dem Jahre 1954 auf Grund der wachsenden Liquidität der Banken änderte. Die Abnahme der Nettoguthaben im III. Quartal ergibt sich als Folge bestimmter Maßnahmen des Zentralbanksystems im August 1955.1) Die „Abhängigkeit" der Kreditbanken von der Zentralbank durch die Refinanzierung bei ihr ist aber nur eine Seite dieser Beziehung. Auf der anderen Seite zeigt sich gerade an diesem Beispiel, wie die von den Monopolen gestellten Forderungen an die Zentralbank, die Kreditbanken „aktionsfähig" zu machen und „der Liquiditätsrückhalt des ganzen Kreditbankwesens zu sein", von der Zentralbank erfüllt wurde.8) Die Zentralbank unterstützte vor allem durch ihre „Hilfe" sehr aktiv den Prozeß der Wiederherstellung der Macht der Nachfolgebanken der alten Monopolbanken, die in der Gruppe der Kreditbanken rasch ihre Operationen ausdehnen konnten und ihre alten beherrschenden Positionen heute wieder errungen haben. Sie förderte somit gleichzeitig die allgemeine Entwicklung der Wiederherstellung der Macht der Monopole in der Gesamtwirtschaft Westdeutschlands und „bewährte" sich bereits in ihren ersten kreditpolitischen Maßnahmen als aktives und wirkungsvolles Instrument des staatsmonopolistischen Kapitalismus zur Wiederherstellung der Macht der Finanzoligarchie. 1) Siehe hierzu S. 116/17. 2) Siehe S. 116/17.
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Wir erkennen bereits aus diesen Geldschöpfungsmethoden des Zentralbanksystems eine Möglichkeit der Beeinflussung des Volumens des umlaufenden Zentralbankgeldes. Da die Kreditbanken zur Aufrechterhaltung ihrer Zahlungsbereitschaft gegenüber ihren Kunden Zentralbankgeld benötigen, können sie z. B. in Zeiten der „Geldknappheit" einen Teil ihrer Aktiva beim Zentralbanksystem „monetisieren". Die Zentralbank hätte rein technisch betrachtet nun die Möglichkeit, diesem Verlangen der Kreditbank nachzukommen oder nicht. Außerdem hat sie, wie wir bereits erwähnten, die Möglichkeit, die Art der Aktiva, die sie „monetisieren" will, auszuwählen. Darin liegt eine gewisse „Machtstellung" des Zentralbanksystems. Diese „Machtstellung" der Zentralbank wird aber nicht gegen die Monopolbanken eingesetzt, sondern zu ihren Gunsten. Gegenüber den kleinen Banken wird die Stellung des Zentralbanksystems noch verstärkt, wenn sie durch die Zentralbank gezwungen werden können, nicht Aktiva der Gruppe a), sondern der Gruppe b) zu „monetisieren", da sie sich dadurch in Kreditabhängigkeit vom Zentralbanksystem bringen.1) Bei großen Anforderungen seitens der Kunden der Kreditbanken — und auch hier in erster Linie der Monopolbanken — an Zentralbankgeld, z. B. in der Depression, wird sich die Stellung der Zentralbank zu den unterschiedlichen Bankengruppen besonders beweisen. Die Praxis hat bereits gezeigt, daß die Zentralbank gegenüber den Monopolbanken jederzeit bereit ist, Teile ihrer Aktiva zu monetisieren, und daß sie gegenüber den kleinen Banken in solchen Situationen Zurückhaltung übt. Gerade zu solchen Zeiten, in denen die Lage der Kreditbanken schwierig wird, beweist die Zentralbank, wessen Interesse sie in erster Linie vertritt. In der Vergangenheit hat die ehemalige Reichsbank sich stets schützend vor die Monopolbanken gestellt, während sie die kleinen Banken durch ihre „Zurückhaltung" zwang, sich mit den Großbanken zu fusionieren. Schon Karl Marx wies daraufhin, daß in der Krise das Verlangen der Wirtschaft nach Bargeld stark ansteigt.
oder
„In Zeiten der Ellemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz aufhört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Wertes absolut den Waren gegenüber."2)
„Sowie die Krise hereinbricht, handelt es sich nur noch um Zahlungsmittel. Da jeder vom anderen abhängig ist für den Eingang dieser Zahlungsmittel und keiner weiß, ob der andere imstande sein wird, am Verfalltag zu zahlen, tritt ein vollständiges Kirchturmrennen ein, um die im Markt befindlichen Zahlungsmittel, d. h. für Banknoten." 3 ),«) x ) Auch bei der Rediskontierung von Wechseln entsteht eine gewisse „Abhängigkeit" von der Zentralbank. Die Wechsel werden zwar an die Zentralbank „verkauft", aber es bleibt ihr Obligo durch ihre Wechselunterschrift bestehen. Dieses Obligo stellt jedoch nur eine juristische Eventualverpflichtung dar; es entstehen dadurch keine neuen ökonomischen Kreditbeziehungen. 2 ) K. Marx, Das Kapital, Bd. i n , S. 561. 3 ) K. Marx, Das Kapital, Bd. III, S. 573. 4 ) („Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit seine Seele nach Geld..." K. Marx, Das Kapital, Bd. I, S. 144.)
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Nun ist es eine Tatsache, daß die „monetisierbaren" Aktiva der Kreditbanken sich gerade in der Depression vermindern, besonders die Warenwechsel. Hieraus ergibt sich ein entscheidendes Problem für die Kreditbanken: das Problem der Liquidität, d. h. das Verhältnis der Aufteilung der Aktiva in „monetisierbare" und in nicht „monetisierbare" Aktiva. Hiermit wird das Anlageproblem der Kreditbanken oder die Verwertung ihrer Passiven berührt. Zugleich aber ergibt sich hieraus auch eine entscheidende Frage für die Beeinflussungsmöglichkeit der Kreditpolitik der Kreditbanken durch die Zentralbank. Das Problem der Liquidität der Kreditbanken ist also eng verbunden mit der Frage ihrer Beeinflussung durch die Geldschöpfungspolitik des Zentralbanksystems. Wäre das Zentralbanksystem nur autorisiert, Handelswechsel zu „monetisieren" (das erfolgt durch die Rediskontierung der Wechsel), so wären die Kreditbanken gezwungen, einen Großteil ihrer Aktiva in Handelswechseln zu halten, um diese notfalls diskontieren zu können. Diese Möglichkeit aber liegt nicht allein im Ermessen der Kreditbanken, da die Wechsel den Kreditbanken von ihren Kunden angeboten werden müssen, was wiederum nur bei einer auf vollen Touren laufenden Produktions- und Handelstätigkeit in der Volkswirtschaft möglich ist. Auch aus diesem Zusammenhang ergibt sich klar, daß die entscheidenden Faktoren der Konjunktur in der Produktionssphäre und nicht in der finanziellen Sphäre liegen. Die Beschränkung auf die ,,Monetisierung" von Handelswechseln würde aber die Bewegungsmöglichkeiten des Zentralbanksystems zur Einflußnahme auf das Geldvolumen außerordentlich einengen, da sie in diesem Falle auf die zum Rediskont eingereichte Wechselmenge angewiesen wäre, um die Zentralbankgeldmenge zu erhöhen. Sie würde hierbei mehr eine passive Rolle spielen. Im Interesse der Monopolisten liegt aber in keinem Fall die Einengung, sondern die Ausweitung des Geldmarktes, um ihren Maximalprofit zu sichern. Darüber hinaus ist noch folgendes zu beachten: 1. Die Bedeutung des reinen Handelskredits in Form von Wechseln sinkt in der Periode der Herrschaft des Finanzkapitals und der allgemeinen Krise des Kapitalismus immer mehr.1) 2. Der Wechselumlauf nimmt in der Krise rapid ab, was bedeuten würde, daß die Möglichkeit der Geldbeschaffung durch Rediskont von Wechseln bei der Zentralbank gerade dann geringer wird, wenn der Bedarf nach Zentralbankgeld steigt. Die Zentralbanken als Instrumente des staatsmonopolistischen Kapitalismus sollen aber gerade den Monopolisten „helfen", den Maximalprofit zu sichern, der in der Krise ernsthaft bedroht ist. Produktion und Absatz stockt, der Geldumlauf steigt. Siehe auch L. I. Frei, Die heutigen Banksysteme Englands, der USA und Frankreichs, Berlin 1955, S. 40. 6
Bankpolitik
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Aber auch zur Expansion ihrer Produktion benötigen die Monopole stets flüssige Geldmittel. Daher verlangen sie eine möglichst große Beweglichkeit des Zentralbanksystems, um die Möglichkeiten der Kreditschöpfung durch die Kreditbanken mit Hilfe des Zentralbanksystems zu erhöhen. Aus diesem Grunde wurden die Möglichkeiten der Zentralbank zur „Monetisierung" von Aktiva der Kreditbanken erweitert und ihr erlaubt, auch andere Aktiva als Wechsel zu „monetisieren". Die Zentralbank wurde so beweglicher und konnte ihre Rolle als Geldschöpfungsinstitut im Interesse der Monopole auf wesentlich breiterer Basis spielen. Es zeigt sich bereits hier, daß die Geldschöpfungsmöglichkeiten als die Grundlage der „Lenkung" des Zentralbanksystems durch die Sicherung des Maximalprofits der Monopole, also durch das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus bestimmt werden. Ein wichtiges Problem, das mit dieser Erweiterung der Geldschöpfungsmöglichkeiten des Zentralbanksystems verbunden ist, ist das Problem des Rückflusses des emittierten Geldes. Verschuldet sich die Kreditbank beim Zentralbanksystem, sei es durch Aufnahme eines Lombardkredits (Verpfändung von Wertpapieren und Wechseln) oder indirekt durch Wechselrediskont,1) so fließt das durch diese Prozesse geschöpfte Zentralbankgeld nach Fälligkeit der Schuld wieder an das Zentralbanksystem automatisch zurück. Zumeist vermindern sich hierdurch die Sichtguthaben beim Zentralbanksystem. Das geschöpfte Zentralbankgeld wird so wieder „vernichtet". Anders dagegen verhält es sich bei der Monetisierung von Aktiva der Art a) z. B. Wertpapieren des Staates. Hier ist der Rückfluß des durch „Monetisierung" der Wertpapiere geschaffenen Zentralbankgeldes wesentlich problematischer, da keinerlei Verpflichtungen zur Rücknahme der Wertpapiere gegen Zentralbankgeld bestehen.8) Diese Zusammenhänge sind für unsere späteren Betrachtungen über die „Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems von großer Bedeutung. Die Höchstgrenzen der Geldschöpfungsmöglichkeiten der Zentralbank sind durch Gesetz festgelegt. Sie ist also allein an diese juristischen Gesetze gebunden und nicht an die Beachtung ökonomischer Erfordernisse. Zu den juristisch festgesetzten „Grenzen" muß gesagt werden, daß sie sehr beweglich sind. Sie können jederzeit erweitert werden. Da ihre Festsetzung lediglich von der Zustimmung des von den Monopolen beherrschten Staates bzw. Parlaments abhängt, bietet sie keinerlei Hemmnis für die Geldexpansion, wie sich dies auch in der Praxis der Geldemission zeigte. Indossamentverpflichtungen der Kreditbank gegenüber der Zentralbank, auch Eventualverpflichtung der Kreditbank genannt. 2 ) In der faschistischen Zwangswirtschaft wird daher eine solche Verpflichtung zum Ankauf von Staatswertpapieren durch die Geld- und Kreditinstitute teilweise sogar durch kapitalistische Unternehmen administrativ verfügt.
„Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems Umlaufgrenze
jür
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Noten
Nach § 5, Absatz 1 des 2. Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) sollte der Umlauf von Noten der Bank deutscher Länder den Betrag von lOMrd. DM nicht überschreiten. Über die gezogene Grenze hinaus durfte die Bank deutscher Länder Noten nur in Umlauf setzen, wenn mindestens 3/4 der Mitglieder des Zentralbankrats und mindestens sechs Länder zustimmen (§5 Absatz 2 des Emissionsgesetzes). Um die wachsenden Geldbedürfhisse der monopolistischen Wirtschaft und des Staates zu befriedigen, hat die Bank deutscher Länder wiederholt die Grenze der Geldemission heraufgesetzt. Mit Beschluß vom » » >>
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11. 6. 52 wurde die Grenze auf 11 Mrd. DM 17./18. 12. 52 14. 10. 53 11. 5.55 6. 11.55
erhöht. Hieraus ergibt sich, daß die Feststellung solcher Emissions-„Grenzen" rein formalen Charakter trägt und lediglich eine Methode zur „Beruhigung" der Bevölkerung darstellt. Die Labilität dieser „Grenzen" wird noch durch die Tatsache unterstrichen, daß die großen Sichtguthaben im Zentralbanksystem, die nicht in diesen „Grenzen" enthalten sind, jederzeit in Bargeld verwandelt werden können. „Das ideelle Geld kann und muß unter bestimmten Umständen in reelles Geld — Geldware — umschlagen. Für den Kapitalismus bedeutet dies, daß das Geld als ideelles Bechengeld immer latent reelles Geld ist, immer auf dem Sprunge sein muß, sich in reelles Geld zu verwandeln."1)
Für die Durchführung der Geldschöpfungspolitik des Zentralbanksystems ist es allerdings erforderlich, daß die Banken bzw. der Staat bereit sind, ihre Aktiva zu „monetisieren". Diese Bereitschaft dürfte im monopolistischen Staat gegeben sein, wenn — wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden — die Kreditbanken das Zentralbankgeld zur eigenen Giralgeldschöpfung mittels Kreditexpansion benutzen können, d. h. eine Verwertungsmöglichkeit des so geschaffenen fiktiven Geldkapitals gegeben ist. Das Streben der Kreditbanken sowie ihrer Kunden nach Maximalprofit treibt die Kreditexpansion stürmisch vorwärts und zwingt auch den monopolistischen Staat zur Ausschöpfung der Möglichkeiten, die die „Monetisierung" von fiktivem Kapital in Form von Staatspapieren durch das Zentralbanksystem bietet. Das geschöpfte Zentralbankgeld des Staates wird zum großen Teil zur Bezahlung der Aufrüstung verwandt und zu den Monopolbanken als den kontoführenden Stellen der Rüstungsmonopole wandern. Daher ist es für die richtige Einschätzung der Geldschöpfung durch das Zentralbanksystem von großer Bedeutung, welche Möglichkeiten sich für die Kreditbanken aus der Geldschöpfung des Zentralbanksystems für das Profitstreben der Monopole ergeben. 2
) A. Lemmnitz, Das Geld und die Funktionen des Geldes im Sozialismus und in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, Berlin 1955, S. 37/38. 6*
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Im Gegensatz zur Zentralbank können die Kreditbanken kein Zentralbankgeld, d. h. kein Bargeld, schaffen. Aber sie können ebenfalls Wertpapiere, sonstige Vermögenswerte oder auch nur Forderungen ihrer Kunden an Dritte, z. B. Wechsel, beleihen und ihnen hierfür Forderungen auf sich selbst geben. Während solche Forderungen auf sich selbst beim Zentralbanksystem Sichtguthaben sind, die jederzeit unbedingt in Bargeld verwandelt werden können, stellen die von den Kreditbanken auf sich selbst ausgestellten Forderungen nur Giralgeldguthaben (Buchgeld) der Kreditbanken dar. Diese Giralgeldguthaben der Kreditbanken müssen für die Kunden ebenfalls jederzeit in Bargeld konvertierbar sein. Während dies aber die Zentralbanken aus eigener Geldschöpfung vermögen, können dies die Kreditbanken nur mit Hilfe der Zentralbank. Wichtig im Zusammenhang mit der Geldschöpfung durch die Kreditbanken ist die Tatsache, daß diesem Schöpfungsakt stets bestimmte Kreditbeziehungen zugrunde liegen. Fall a) Ein Kunde zahlt Zentralbankgeld bei einer Kreditbank ein. A
Kreditbank
P
+ Zentralbankgeld | Sichtguthaben Die Sichtguthaben stellen ein Kreditverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden dar. Fall b) Die Bank gewährt dem Kunden Kredit. A
Kreditbank
Kredit (Forderung der Bank)
P Sichtguthaben
Es entstehen doppelte Kreditbeziehungen: Die Sichtguthaben stellen eine Verpflichtung der Bank gegenüber dem Kunden dar; die Forderungen der Bank an den Kunden dagegen Verpflichtung des Kunden an die Bank. Während sich im Fall a) nur die Giralgeldmenge erhöht, wird im Fall b) die Giralgeldmenge und das Kreditvolumen zugleich vergrößert. Die Kreditgewährung der Kreditbanken schöpft also Giralgeld, wenn der Kreditbetrag dem Kunden auf Girokonto gutgebracht wird. Wir halten demnach fest: Das Aktivgeschäft der Zentralbank schöpft Zentralbankgeld. Das Aktivgeschäft der Kreditbank dagegen Giralgeld der Kreditbanken. Die Kunden der Kreditbank können auf Wunsch die Verfügung über das Guthaben in Zentralbankgeld verlangen. Daher müssen die Kreditbanken jederzeit bereit sein, diesem Verlangen nachzukommen. Zusammengefaßt kann also gesagt werden, daß 1. die Kreditbanken kein Zentralbankgeld, sondern nur Giralbankgeld bei sich selbst schaffen können;
„Lenkungsmethoden" des Zentralbanksystems
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2. durch die Schaffung von Giralgeld die Liquidität der Kreditbanken beeinflußt wird. Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beständen der Kreditbank an Zentralbankgeld oder aber an solchen Aktiva, die sie jederzeit in Zentralbankgeld verwandeln kann. Da in einer modernen kapitalistischen, entwickelten Volkswirtschaft erfahrungsgemäß der größte Teil der geschöpften Giralgeldguthaben der Kreditbanken nicht voll, sondern nur zu einem bestimmten Prozentsatz in bar abverfügt wird, können die Kreditbanken bis zu dem Liquiditätsverhältnis: liquide Mittel1) : Sichtguthaben Giralgeld bei sich schöpfen. Die Kreditbanken werden geleitet vom Streben nach Maximalprofit und werden alle Möglichkeiten zur Kreditausweitung ausschöpfen, da die hohen Kreditzinsen eine der reichsten Quellen ihres Profits darstellen. Ist das normale Liquiditätsverhältnis der Kreditbanken zwischen Zentralbankgeld plus „monetisierbaren" Aktiva zu den Sichteinlagen z. B. 1 zu 10, so werden die Banken — normaler Wirtschaftsablauf vorausgesetzt — bei jeder Erhöhung ihrer Liquidität in diesem Verhältnis Giralgeldschöpfung mittels Kreditschöpfung durchführen können. Aus diesem Grunde werden die Kreditbanken solche Aktiva bevorzugt beleihen, die ihre Liquidität erhalten oder gleichzeitig erhöhen. Diskontiert z. B. die Kreditbank einen Warenwechsel, so stellt dieser nicht nur einen Aktivposten in Höhe der Wechselsumme schlechthin dar, sondern erhöht gleichzeitig die Liquidität der Kreditbank, da sie den Wechsel beim Zentralbanksystem rediskontieren, d. h. dafür Zentralbankgeld erhalten kann. Auf Grund dieser Liquiditätserhöhung kann die Kreditbank zum Liquiditätssatz ihre Kreditschöpfung erweitern.2) Die Grenze der Möglichkeit, Giralgeld zu schöpfen, besteht für die Kreditbank demnach dort, wo ihre Liquidität, d. h. die Möglichkeit, sich Zentralbankgeld zu beschaffen, zu Ende geht. Das Bestreben der Kreditbank wird dahin gehen, möglichst in keine Nettoverschuldung beim Zentralbanksystem zu gelangen. Ihre technische Abhängigkeit vom Zentralbanksystem in bezug auf ihre Kredit- und Giralgeldschöpfung kann dadurch ihre Kreditpolitik beeinflussen. Da die Zentralbank es in ihrer Hand hat, Aktiva der Kreditbanken zu „monetisieren" oder nicht zu „monetisieren", hat sie auf diesem Wege einen bestimmenden Einfluß auf die Gestaltung der Giralgeldschöpfung der Kreditbanken. Hierbei darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß auch die Zentralbank in ihrem Willen und Handein nicht selbständig, sondern der Finanzoligarchie untergeordnet ist. Andererseits muß in diesem Zusammenhang festgestellt werden, daß der Einfluß der Zentralbank liquide Mittel = Zentralbankgeld + „monetisierbare" Aktiva. ) Hieraus erklärt sich auch die Bereitschaft der Kreditbanken zum Wechseldiskont, obwohl in der allgemeinen Linie die Bedeutung des Wechselkredits gegenüber dem Kontokorrentkredit nachgelassen hat. 2
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ganz allgemein sinkt, je liquider die Kreditbanken selbst sind, d. h. je weniger sie auf die Inanspruchnahme des Zentralbanksystems angewiesen sind. Gerade die Stellung, die die Zentralbank zum Liquiditätsproblem der verschiedenen Banken einnimmt, ist daher auch besonders kennzeichnend für ihren Charakter. In der Praxis hat die westdeutsche Zentralbank sich bisher stets schützend vor die Liquidität der Monopolbanken gestellt, wie wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch nachweisen werden. Das beweist ihren Charakter als „Lenkungsinstrument" im Dienste der Monopole. Das Profitstreben treibt die Kreditbanken dazu, die Kreditschöpfung bis zur Grenze ihrer Liquidität auszunutzen. Eine solche Kreditpolitik wird so lange zu keinen Schwierigkeiten führen, wie die wirtschaftliche Entwicklung sich in einem kontinuierlich aufsteigenden Trend befindet. Treten jedoch Rückschläge ein, d. h. stagniert die Wirtschaft oder macht der Anstieg gar einer Depression Platz, so müssen die Kreditbanken in Schwierigkeiten geraten, wenn die Kunden die Auszahlung ihrer Sichtguthaben in Zentralbankgeld verlangen und der Liquiditätsabfluß höher als der Liquiditätssatz ist. In einem solchen Falle hilft der Rückgriff auf die Zentralbank. Jede Erhöhung der Liquidität der Kreditbanken bedeutet eine Ausweitung und jede Verminderung eine Einschränkung der Giralgeldschöpfung der Kreditbanken. Diese allgemeine Regel setzt stets voraus, daß sich die Kreditbanken in ihrer Kredit- und damit Giralgeldschöpfung an eine notwendige Liquiditätsgrenze halten. In der kapitalistischen Wirtschaft, die solche Beschränkungen als einen Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit auffaßt, kann selbstverständlich der Fall eintreten, daß das Profitstreben einiger Kreditbanken auch diese Grenze sprengt und sie ihre Kreditexpansion über die Liquiditätsgrenze hinaus ausdehnen. Hierfür hat es in der Vergangenheit unzählige Beispiele gegeben. Diese Kreditschöpfung zu Lasten ihrer Liquidität ist sehr gefährlich, da für eine solche Bank stets die Gefahr der Illiquidität eintreten kann. In diesem Falle bleibt ebenfalls als ein letzter Rettungsanker nur der Rückgriff auf das Zentralbanksystem. Namentlich in Krisenzeiten wurden solche Rückgriffe auf die Zentralbank notwendig und von dieser auch gestattet.1) Beispiele der Vergangenheit und auch aus der Gegenwart beweisen — wie wir später sehen werden —, daß die Zentralbank der stärkste Rückhalt der Monopolbanken gewesen ist und auch heute ist. Über diesen Rückhalt hinaus aber hat die Zentralbank im Auftrag der Monopole eine solche aktive Geldpolitik zu betreiben, die sich nicht nur den konjunkturellen Bewegungen des Wirtschaftsablaufs anpaßt, sondern diesen Ablauf aktiv beeinflußt. Diese Beeinflussung erfolgt dadurch, daß sie den Kreditbanken die Möglichkeit der Kreditschöpfung verschafft, indem sie ihre Liquidität verbessert, bzw. dadurch, daß sie die Liquidität mindert. Die Zentralbank versucht nunmehr ihre kreditpolitischen Maßnahmen durch „wissenschaftliche Analysen" als volkswirtschaftlich notwendig zu begründen. Ein markantes Beispiel stellt die Stützung der Liquidität der Monopolbanken während der Krise in den Jahren 1929—1932 durch die Reichsbank dar. Ein anderes Beispiel ist die Gründung der Akzeptbank A.G. nach der Währungsreform 1924.
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Zu diesem Zwecke hat sie eine umfangreiche volkswirtschaftliche Abteilung aufgebaut, die ihr die erforderlichen „wissenschaftlich" begründeten Kennziffern über den Konjunkturablauf liefern soll. Es ist klar, daß es unter monopolkapitalistischen Verhältnissen in der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems nicht möglich ist, selbst bei Feststellung objektiver Tatsachen, z. B. über das Produktionsvolumen und die Arbeitsproduktivitätsentwicklung, die Bewegungsgesetze der monopolkapitalistischen Wirtschaft in ihrer Wirkung entscheidend zu beeinflussen. Das verbietet das privatkapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln und das sich hieraus ergebende Gesetz der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion. Entscheidend für die Einschätzung der Stellung und der Rolle des Zentralbanksystems in den modernen kapitalistischen Ländern ist der enge Zusammenhang ihrer Operationen mit denen der Kreditbanken, insbesondere mit denen der Monopolbanken. Die Emissionspolitik der Zentralbank kann niemals losgelöst von der Tätigkeit des gesamten Bankapparates gesehen werden. Auch im westdeutschen Bankensystem zeigen sich besonders diese Zusammenhänge. Untersucht man eingehend die Beziehungen der Zentralbank zu den Kreditbanken, so wird die Rolle der Zentralbank als Stütze und Förderer der Monopolbanken trotz aller Verschleierungsversuche der Apologeten des Monopolkapitals klar in Erscheinung treten. Im Zusammenhang mit dem Versuch der Beeinflussung des konjunkturellen Ablaufs der Wirtschaft durch das Zentralbanksystem kommt der Kreditschöpfung der Kreditbanken, die, wie wir gesehen haben, aufs engste mit der Schöpfung von Zentralbankgeld, der Liquidität der Banken und der Giralgeldbildung verbunden ist, die größte Bedeutung zu. Daher wird im nächsten Abschnitt die Untersuchung der Kreditschöpfung bzw. der Giralgeldschöpfung der Kreditbanken vorgenommen. I I . Die Kredit- und Giralgeldschöpfung der Kreditbanken mit Hilfe des Zentralbanksystems Wir hatten bereits festgestellt, daß die Kreditbanken bei ihrer Giralgeldschöpfung von einer bestimmten Liquiditätsgrenze ausgehen müssen. Diese kann auf Grund ihrer Erfahrungen von den Banken selbst festgesetzt oder durch Gesetz bestimmt sein. „In England z. B. herrscht die Gewohnheit, zwischen täglich fälligen Verpflichtungen und Zentralbankgeldbeständen die Proportion 9 zu 1 einzuhalten."1)
Eine gesetzlich festgesetzte Pflichtreserve besteht dort nicht. Gesetzlich festgelegt wurde eine solche Liquiditätsreserve erstmalig 1913 in den USA, wo den Mitgliedsbanken des Federal-Reserve-Systems die Pflicht auferlegt wurde, einen bestimmten Reservesatz ihrer Einlagen in Guthäben der Zentralbank zu unterhalten. In Deutschland wurden als notwendige Folge der wiederholten Verletzungen der Liquiditätsgrundsätze durch die Kreditbanken, insbesondere auf Grund der l
) Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, III. Teil, Tübingen 1952, S. 31.
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Erfahrungen während der großen Wirtschaftskrise von 1929—32, durch das Kreditwesengesetz von 1934, im § 16 ähnliche Liquiditätsbestimmungen erlassen, jedoch sind sie bis zur Gründung des Zentralbanksystems Westdeutschlands nie konsequent eingehalten worden. In der Bankliteratur werden solche Reserven der Kreditbanken allgemein als „Mindestreserve" bezeichnet, die entsprechenden Prozentsätze zwischen Verbindlichkeiten und Mindestreserve als „Mindestreservesätze", die die „Mindestreserven" übersteigende Liquidität als „Überschußreserve". Untersuchen wir die Kredit- und Giralgeldschöpfung der Kreditbanken näher, so ergibt sich folgendes: Verfügt eine Kreditbank lediglich über die festgesetzten Mindestreserven — die, wie schon erwähnt, nur in Zentralbankgeld bei der Zentralbank gehalten werden dürfen — so kann sie zusätzlich von sich aus keinen Kredit schöpfen und Giralgeld schaffen, da hierdurch sofort die Mindestreserven unterschritten würden. Beispiel (unter Zugrundelegung eines Mindestreservesatzes von 10%): 1. Ausgangsposition 1. Mindestreserven 100000 2. Wechsel 100000
P
1. Sichtguthaben 1000000
A
Kredit- u. Giralgeldschöpfung
1. Mindestreserven 100000 2. Wechsel 100000 3. Kredit 100000
P
1. Sichtguthaben 1000000 3. Sichtguthaben 100000 1100000
Die Erhöhung der Sichtguthaben um 100000 erfordert Erhöhung der Mindestreserven um 10000. Da die Mindestreserven in Zentralbankgeld gehalten werden müssen, würde dies bedeuten, daß die Kreditbank im obigen Falle nur mit Hilfe der Zentralbank, d. h. evtl. durch Rediskont von Wechseln, ihre Mindestreserven erhöhen könnte, um daraufhin Kredit und Giralgeld zu schöpfen. Beispiel: A
1.
Ausgangsposition
1. Mindestreserve • 100000 2. Wechsel 100000
P
1. Sichtgutgaben 1000000
A
2.
Schaffung einer Ü.-Reserve
1. Mindestreserven 100000 2. Überschußreserven 10000 3. Wechsel 90000
Zur Zentralbank zum Rediskont eingereicht 10000.
P
1. Sichtguthaben 1000000
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Auf Grund der vorhandenen Überschußreserven von 10000 kann die Kreditbank nunmehr 100000 Kredit und Giralgeld schöpfen. Die Überschußreserven verwandeln sich damit in Mindestreserven. A 1. Mindestreserve 100000 + 10000 2. Wechsel 90000 3. Kredit 100000
P 1. Sichtguthaben 1000000
3. 100000
Daraus folgt: die Kreditbanken können nur durch Erhöhung ihrer Reserven an Zentralbankgeld über die festgesetzte Mindestreserve hinaus, also durch Bildung von Überschußreserven, Kredit und Giralgeld schöpfen. Diese Überschußreserven bei den Kreditbanken können entstehen: a) durch Bareinzahlungen der Kunden bei den Kreditbanken, b) durch Gutschriften anderer Banken in Zentralbankgeld, c) durch Refinanzierung beim Zentralbanksystem. Da im Falle c) die Kreditbank für die Rediskontierung oder Lombardierung1) ihrer Wechsel oder sonstigen Aktiva ihrerseits Kreditzinsen an die Zentralbank zahlen muß, ist es für die Kreditbank eine Frage des höheren Profits, ob sie zum Zwecke der Kreditausweitung zu dem Mittel der Refinanzierung beim Zentralbanksystem greift oder nicht. Es ist nun möglich, die Vorgänge der Kredit- und Giralgeldschöpfung zu verallgemeinern und daraus Schlußfolgerungen für die bestimmenden Faktoren dieses wichtigen Prozesses zu ziehen. Angenommen bei einer Kreditbank werden 100 Bargeld eingezahlt, so ergibt sich folgendes8): A 1. Mindestreserve 10 2. Überschußreserve 90
P 1. Sichtguthaben 100
*) Verpfändung. ) Es wird die Haltung einer Mindestreserve von 10% für Sichteinlagen vorausgesetzt.
a
90
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Auf Grund ihrer Überschußreserven kann nun die Bank Kredit- und Giralgeld schöpfen. A P 1. 2. 3. 4. 5.
MR 10 9 8,1 7,29 6,56
ÜR 90 81 72,9 65,61 59,05
00
00
Kredit (K)
Sichteinlagen (SE) 100 90 81 72,9 65,61 1 OO
—
90 81 72,9 65,61 00
Wie aus der vorstehenden Tabelle deutlich sichtbar, handelt es sich bei der Summe der Posten in den einzelnen Spalten um geometrische Reihen. Bei einer Überschußreserve (ÜR) von 90 und einem Mindestreservesatz von r = 10% 1 ) können demgemäß Kredite gewährt werden: 90 + 81 + 72,9 + 65,61 + oder 9 __ /9\a. __ /9\s + 90' 90 + 90 • ^ + 90 +
Wi
10
Die Summe dieser geometrischen Reihe beträgt: 1 90' 9 = 900 1— 10 Daraus ergibt sich, daß eine Bank, die 100 Bargeld zusätzlich erhält, daraufhin 900 Kredit schöpfen kann. Verallgemeinert ergibt sich: E = Neueinzahlung MR = Mindestreserve auf die durch die Neueinzahlung sich erhöhende Sichteinlage (SE) ÜR = Überschußreserve ( E — M R ) = ÜR AK = Summe der geschöpften Kredite (E — M R ^ -
= AK oder
1
(E — MRj) 1 To (E — MRj) —
T
AK oder AK oder =
JK
') Der Mindestreservesatz (r) wird stets in Bruohform berechnet, d. h. z. B. 10% = —.
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Ähnliche geometrische Reihen ergeben sich für ZlMR und ZlSE. Für ZlMR würde sich aus dem Beispiel ergeben: 10 •
= 10n ndfir vfim.norftmfixnert
Für zISE würde sich aus dem Beispiel ergeben: 100 • — 1
= 1000 oder verallgemeinert
Das besagt, daß die gesamte Giralgeldschöpfung 1000 DM beträgt, wobei 900 DM mit Hilfe des Kredits geschöpft wurden. Auch Prof. Schneider, Universität Kiel, untersucht die Kreditschöpfung und kommt zu ähnlichen Ergebnissen1), jedoch begeht Schneider bei der Ableitung seiner Formel den Fehler, bei der ersten Bank, die die Barzahlung empfängt, unberücksichtigt zu lassen, daß auch diese eine Mindestreserve für die gebildeten Sichtguthaben zurückstellen muß. Die im obigen Beispiel abgeleiteten Zusammenhänge lassen sich wie folgt verallgemeinern: Erhält eine Kreditbank bei einem festgesetzten Mindestreservesatz r eine Zuführung an Zentralbankgeld über ihre Mindestreserven hinaus, in Höhe von E, so kann sie neue Kredite schöpfen in Höhe von AK, unter Zugrundelegung der Gleichung: zlK = ~
(E — MR = Überschußreserve ÜR)
Diese Gleichung gibt die äußerste Grenze der Kreditschöpfung an. Sie zeigt, daß diese Grenze von der Überschußreserve ÜR des Kreditbankensystems und von r, d. h. dem gesetzlichen Mindestreservesatz, abhängt. AK ist direkt proportional zu ÜR und umgekehrt proportional zu r. Der Geldschöpfungsmultiplikator oder Geldschöpfungskoeffizient ist nach den behandelten Voraussetzungen gleich dem reziproken Wert des Mindestreserve1 satzes: —. r Auf der Grundlage dieser banktechnischen Zusammenhänge glauben einige bürgerliche ökonometristen die Lösimg ihrer Probleme gefunden zu haben. Sie sehen die Lösung ihrer Schwierigkeiten in der genügenden Bereitstellung von Geldkapital. Daher konzentrieren sie auch ihre Anstrengungen auf solche Methoden, die ihnen Geldkapital verschaffen. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, III. Teil, Tübingen 1952, S. 38ff
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Diese Ökonometristen begehen den grundsätzlichen Fehler, daß sie Geldkapital und wirkliches Kapital gleichsetzen. Aus einer solchen falschen Auffassung müssen sie dann zu der Schlußfolgerung kommen, daß durch die Schaffung von neuem Geldkapital als Leihkapital die Hemmnisse in der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft beseitigt werden können. Das Leihkapital aber kann sich nur auf der Grundlage des produktiven Kapitals verwerten. Deshalb wird auch die Bewegung des Leihkapitals vom produktiven Kapital und nicht umgekehrt bestimmt. Dennoch wäre es falsch, dem Leihkapital keine aktive Rolle in bezug auf den Reproduktionsprozeß zuzubilligen. Das Leihkapital ermöglicht die Erweiterung der Produktion über die Schranken des Eigenkapitals des produktiven Kapitalisten hinaus, es trägt zur Beschleunigung und zur Erleichterung des Reproduktionsprozesses bei. Es ist erforderlich, die vorhfer abgeleitete Formel weiter zu entwickeln und sie mehr auf die realen Gegebenheiten in der Wirtschaft abzustellen. In der Praxis werden die Kunden der Kreditbanken über einen Teil der Sichtdepositen in bar verfügen. Dadurch gelangen die Banken zu einer geringeren Überschußreserve, was sich bremsend auf den Umfang neuer Kreditgewährungen im Bankensystem auswirken muß. Beispiel: Ich nehme an, daß einer Bank 100 in Bargeld zufließt, daß aber nicht alles Bargeld als zusätzliche Reserve in der Bank verbleibt, sondern daß bei jeder folgenden Kreditschöpfung 20 in bar abverfügt werden (siehe nachfolgende Tabelle Spalte 1 bzw. 5). Die Mindestreserve sei wieder 10% (Spalte 2). Analog den eben behandelten Vorgängen der Kreditschöpfung würde sich folgendes ergeben:
1. 2. 3. 4.
Bestand an Zentralbankgeld
Mindestreserven (ME)
Überschußreserven (ÜB.)
Kredite (K)
Einlagen insgesamt (E)
Inanspruchnahme der Notenbank
1
2
3
4
5
0
10 18 26 34
90 62 34 6
100 200 300
100 (Einz.) 80 60 40
100 180 260 340
(Ausg.-Pos.) (200—20) (300—40) (400—60)
—
Bei weiterem Abfluß von 20 bei je 100 Kreditschöpfung kommt die Kreditbank ohne Hilfe der Zentralbank nicht mehr aus. Wie oben aus den Spalten 1—4 ersichtlich, hat sich die Überschußreserve auf 6 (Spalte 3) vermindert. Von dem noch vorhandenen Bestand an Zentralbankgeld in Höhe von 40 sind 34 Mindestreserven. Da« bedeutet, daß die Kreditbank, um weiterhin Kredit in Höhe von 100 schöpfen zu können, sich bei der Zentralbank mit 22 an Zentralbankgeld refinanzieren müßte, um die vorgeschriebenen Mindestreserven zu erreichen. (Siehe Vorgang 5.) 5. 6.
20+22 0+50
42 50
(-22) (—50)
400 500
420 (500—80) 500 (600—100)
22 50
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Aus dieser Betrachtung resultiert, daß die Höhe der Kreditexpansion unter den vorausgesetzten Bedingungen abhängig ist von: 1. der Höhe der Überschußreserven, 2. der Höhe des Mindestreservesatzes, 3. der Höhe des durchschnittlich von der Kundschaft der Kreditbanken abgezogenen Bargeldes. Ist die Überschußreserve erschöpft (in unserem Beispiel zwischen Vorgang 4 u. 5), so kann die Kreditbank bei gleichbleibendem Mindestreservesatz und gleichbleibender durchschnittlicher Abverfügung in Bargeld nur noch mit Hilfe des Zentralbanksystems, d. h. durch Refinanzierung, Kredite und damit Giralgeld schöpfen. Wenn wir die Beeinflussungsmöglichkeiten der Kredit- und Giralgeldschöpfung der Kreditbanken durch das Zentralbanksystem unter den Verhältnissen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung auf der Grundlage der bisherigen Untersuchungen betrachten, so ergibt sich daraus.folgendes: Die Zentralbank kann durch bestimmte Maßnahmen die Höhe der Überschußreserven beeinflussen. Sie erreicht dies z.B. durch die Festsetzung entsprechender Mindestreservesätze. (Über diese Maßnahmen werden später breitere Ausführungen gemacht.) Aber sie kann direkt kaum einen Einfluß auf den 3. Abhängigkeitsfaktor, die Inanspruchnahme von Bargeld durch die Kunden, ausüben. Auch die Auswirkung der Festsetzung bestimmter Mindestreservesätze auf die Überschußreserven ist nicht voraus bestimmbar, da die entsprechenden Maßnahmen der Zentralbank keineswegs das Wirken der objektiven ökonomischen Gesetze des Kapitalismus ausschalten können. Das spontane Wirken dieser Gesetze ist aber oft den getroffenen Maßnahmen entgegengerichtet — wie wir sehen werden — so daß die Maßnahmen des Zentralbanksystems an Wirksamkeit verlieren müssen. Das zeigt sich insbesondere beim 3. Faktor, den durchschnittlichen Barverfügungen der Wirtschaft über ihre Konten. Namentlich in der Krise, oder schon bei Anzeichen der Krise, ändern sich die Zahlungssitten der Wirtschaft bekanntlich spontan. Schon Karl Marx wies bei seinen Untersuchungen über die Geldbewegungen im Ablauf des Krisenzyklus auf diese Tatsache hin. (Siehe Ausführungen auf Seite 80.) Infolge starker Inanspruchnahme von Bargeld durch die Kunden der Kreditbanken mindern sich die Möglichkeiten der Kreditschöpfung, wie wir gesehen haben, wesentlich. Diese objektiven Zusammenhänge haben für die Erfüllung der Aufgabenstellung der Monopole an die Zentralbank große Bedeutung. Die Zentralbank soll als Rückhalt der Monopolbanken und über diese auch der Industrie- und Handelsmonopole, vor allem in Zeiten der Anspannung, dienen. Daraus resultiert, daß die Zentralbank besonders in der Krise, wenn sich die Liquidität der Kreditbanken infolge der wachsenden Absatzschwierigkeiten ihrer
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Kunden mindert, für die Aufrechterhaltung des Kreditvolumens sorgen muß. Das aber bedingt die Aufrechterhaltung von Überschußreserven der Kreditbanken. Bei Vergrößerung der Barabforderungen der Kundschaft, oder bei mangelndem Rückfluß des Bargeldes zu den Banken im normalen Umfang müßte die Zentralbank daher zusätzlich Zentralbankgeld in den Verkehr einschleusen, um die Überschußreserven der Kreditbanken auf der alten Höhe zu halten. Hier zeigt sich, daß die Erfüllung der Aufträge der Monopole die Zentralbank auf einen gefährlichen Weg führt. Wie wir bereits feststellten, fließt nämlich in Zeiten der Krise ein großer Teil des zusätzlich in die Zirkulation eingeschleusten Zentralbankgeldes, nämlich das Bargeld, kaum wieder in das Banksystem zurück. Das bedeutet eine Ausweitung des Bargeldvolumens weit über die notwendige Geldmenge hinaus. Ein anderes Mittel der Zentralbank zur Erhaltung der Überschußreserven der Kreditbanken ist die Herabsetzung der Mindestreservesätze. Auch diese Methode birgt gewisse Gefahren in sich, weil sie 1. die Gesamtliquidität der Banken mindert, 2. den wachsenden Bedarf nach Zentralbankgeld in Bargeldform nicht beseitigen kann. Diese Zusammenhänge sind auch für eine evtl. beabsichtigte Kreditkontraktion, d. h. eine Herabsetzung des Kreditvolumens der Banken, von Bedeutung. Es ist erkennbar, daß eine Herabsetzung des Kreditvolumens erreichbar ist, wenn 1. die Zentralbank den Kreditbanken Überschußreserven entzieht, 2. den Mindestreservesatz heraufsetzt, 3. die Wirtschaft — wie bereits dargestellt — mehr Zentralbankgeld zurückhält oder abfordert. Alle Wirtschaftskreise treffende Kreditrestriktionen widersprechen im allgemeinen den Interessen der Monopole. Daher werden solche Maßnahmen von den Zentralbanken nur im äußersten Falle getroffen. Jedoch sind selbst im Falle der beabsichtigten Krediteinschränkung die Einwirkungsmöglichkeiten der Zentralbank durch das Wirken der ökonomischen Gesetze des Kapitalismus, namentlich durch das Profitstreben der Monopole, in ihrer Wirkung gehemmt. Wie wir später sehen werden, können die Maßnahmen der Zentralbank nur unter bestimmten Voraussetzungen — und auch dann nur bedingt — einen restriktiven Effekt erzielen. Ich möchte an dieser Stelle noch zu einem Problem Stellung nehmen, das unmittelbar mit der Geldschöpfung des Zentralbanksystems und der Kreditschöpfung der übrigen Banken in Verbindung steht, weil es in der westdeutschen BankLiteratur eine gewisse Rolle spielt. Das westdeutsche Zentralbanksystem besteht bekanntlich aus einem zweistufigen System, zu dem die Bank deutscher Länder und die Landeszentralbanken gehören. Prof. Schneider stellt nun z. B. die Behauptung auf, daß in einem zweistufigen Zentralbanksystem die Landeszentralbanken ihrerseits den Kreditbanken Zentral-
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bankgeld nur in dem Umfange zur Verfügung stellen, wie sie selbst über Überschußreserven verfügen, bzw. sich bei der Bank deutscher Länder auch verschulden können und kommt zu dem Ergebnis, daß die maximale Geldschöpfungsmöglichkeit des Kreditbanksystems im zweistufigen Zentralbanksystem immer größer ist als im einstufigen Zentralbanksystem.1)2) Diese Darstellung ist richtig, soweit sie die rein technische Seite des Problems betrifft. Wichtiger aber sind die Hintergründe dieser technischen Kreditschöpfungsmöglichkeit. Über diese Hintergründe findet man weder bei Schneider noch bei Stucken ein Wort. Die erweiterte Kreditschöpfungsmöglichkeit liegt im Interesse der Monopole. Das erhellt auch die Gründe, die die Monopole bewegen, an dem zweistufigen Zentralbanksystem festzuhalten. Auch diese Zusammenhänge beweisen, wie sehr selbst der organisatorische Aufbau des westdeutschen Zentralbanksystems von den Interessen der Monopole bestimmt ist. Aber Schneider behauptet dann weiter, daß die Landeszentralbanken eine eigene Kreditpolitik betreiben, sich also in ihrer Kreditpolitik jeweils nach ihrem eigenen Liquiditätsstatus richten.3) Das ist nicht richtig. Von einer selbständigen Kreditpolitik der Landeszentralbanken, die sich nur nach ihrer jeweiligen Liquidität richten, kann nicht die Rede sein. Die Landeszentralbanken sind in ihrer Geldschöpfung völlig von der Bank deutscher Länder abhängig. Für die Geldschöpfung der Landeszentralbanken ist allein die Bank deutscher Länder verantwortlich, die wiederum die entsprechenden Direktiven im Interesse der Monopole erteilt. Die Landeszentralbanken erfüllen diese Direktiven ohne Rücksicht auf ihre eigene Liquidität und können es auch, da sie jederzeit Rückhalt bei der Bank deutscher Länder haben. Sie sind lediglich gehalten, sich im Rahmen der generellen kreditpolitischen Richtlinien des Zentralbankrates zu bewegen. Diese Zusammenhänge beweisen, daß sich im Prinzip das westdeutsche zweigleisige Zentralbanksystem in seiner Funktionsweise nicht von der zentralisierten Reichsbank unterscheidet. Um die wahren Hintergründe ihrer Geld- und Kreditpolitik zu verschleiern und sich den Anschein einer selbstverantwortlichen Notenbank zu geben, nahm die Bank deutscher Länder zu diesem Problem selbst Stellung und führte in einem Aufsatz in ihren Monatsberichten im Mai 1949 dazu aus, daß sowohl von Zinswie Reservesatzänderungen zwischen Bank deutscher Länder und Zentralbanken keine die Kreditgewährung steuernden Wirkungen ausgehen. Es fehle eben an der Parallelität zwischen den Krediten, die die Landeszentralbanken selbst geben und den Krediten, die sie ihrerseits bei der Bank deutscher Länder aufzunehmen genötigt sind. Prof. Schneider verschleiert also die richtigen Zusammenhänge zwischen der Kreditschöpfung der Zentralbank und der Kreditbanken. Seine Behauptung, daß Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, III. Teil, Tübingen 1952, S. 80ff. ) Zu den gleichen Schlußfolgerungen kommt auch R. Stucken in seinem Aufsatz „Geldpolitik im zweistufigen Zentralbanksystem", Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 6. Heft 1951, S. 142. 3 ) Schneider, ebenda, S. 80ff. 2
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auch innerhalb des zweistufigen Zentralbanksystems die kreditpolitischen Maßnahmen sich so auswirken müssen, wie zwischen Zentralbanken und Kreditbanken, ist sachlich unrichtig und erweckt darüber hinaus den Eindruck, als ob es sich bei diesem Problem nur um einen banktechnischen Prozeß handelt. Wie kommt Prof. Schneider zu derart oberflächlichen Feststellungen? Die Untersuchungen von Prof. Schneider erstrecken sich hauptsächlich auf rein technische Zusammenhänge der Operationen der Zentralbank. Er kommt dabei zu einigen zweifelsohne richtigen Erkenntnissen technischer Zusammenhänge. Die hinter den technischen Operationen stehenden Ursachen und bestimmenden Beweggründe vermag er aber ebensowenig aufzudecken wie die große Anzahl der übrigen bürgerlichen „Wissenschaftler". Ohne das Wirken der objektiven ökonomischen Gesetze anzuerkennen, kann man zu keinen richtigen Schlußfolgerungen über die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge der Operationen der Zentralbank kommen. Eine solche, sich allein auf die Technik des Bankwesens erstreckende Darstellung der Zusammenhänge ist aber nicht nur schlechthin unvollständig, sondern verfolgt ganz bestimmte Absichten. Sie erweckt den Anschein, als ob es möglich sei, mit Hilfe von technischen Operationen der Zentralbank eine e n t s c h e i d e n d e Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs, die Ausschaltung der zyklischen Krisen und anderer Verfallserscheinungen des Kapitalismus zu erreichen. Die breite, für die Masse der nicht wissenschaftlich vorgebildeten Menschen nur schwer verständliche Darlegung der technischen Operationen der Zentralbank verwirrt und versucht, den Eindruck einer besonderen „Wissenschaftlichkeit" zu erzielen. Sie soll das Mißtrauen der Bevölkerung und das Vertrauen zu den leitenden Persönlichkeiten der Bank- und Wirtschaftsführung der westdeutschen Bundesrepublik stärken. Schneider erweist sich durch seine Darstellungen ebenfalls als Apologet des Monopolkapitals wie Keynes, Halm, Stucken u. a. Darüber hinaus geben diese Apologeten des Monopolkapitals ihren Auftraggebern Hinweise, wie sie mit besonderen Maßnahmen z. B . der Zentralbank zur Sicherung ihres Maximalprofits beitragen können. Sie spielen also nicht nur die Bolle von Demagogen, sondern gleichzeitig die Rolle von aktiven Stützen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Das kreditpolitische Lenkungsinstrumentarium der Zentralbank, das wir nun im einzelnen untersuchen wollen, beruht, wie wir gesehen haben, im wesentlichen auf der Tatsache, daß das Kreditpotential der Kreditbank letztlich eine Funktion ihrer Verfügungsmöglichkeiten über Zentralbankgeld ist. Das durch die Aktivgeschäfte der Zentralbank letzten Endes geschaffene Geld kann man unter kapitalistischen Verhältnissen seinem volkswirtschaftlichen Kreislauf entsprechend einteilen in 1. das Bargeldvolumen und 2. das Giralgeldvolumeii der Zentralbanken und Kreditbanken. Das Bargeldvolumen muß wieder unterteilt werden in den Teil, der sich außerhalb der Kreditinstitute, d. h. also bei der Bevölkerung und den Unternehmen, befindet und in das Bargeldvolumen in den Kassen der Kreditinstitute. Ein Teil
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des letzteren bildet, wie wir gesehen haben, zusammen mit den Sichtguthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank eine Voraussetzung für die Schöpfung des Giralgeldvolumens bei den Kreditbanken, also für die 2., die größte Gruppe des Geldvolumens. Die „Abhängigkeit" der Kreditbanken vom Zentralbanksystem ergibt sich vor allem aus der Tatsache, daß die Kreditbanken für das von ihnen geschaffene Giralgeldvolumen jederzeit auf Verlangen ihrer Kunden Zentralbankgeld bereitstellen müssen. Dieses aber können sie selbst nur zum Teil zur Verfügung stellen, soweit sie selbst darüber verfügen. Ansprüche der Kunden über diesen Teil hinaus können sie nur durch die Vermittlung der Zentralbanken befriedigen. Es wurde schon an früherer Stelle darauf hingewiesen, daß dieses Abhängigkeitsverhältnis nicht etwa so zu verstehen ist, daß die Zentralbank gegenüber den Monopolbanken als den herrschenden Kreditbanken eine gesellschaftlich bestimmende Rolle spielt. Die „Abhängigkeit" der Monopolbanken von der Zentralbank ist vor allem banktechnisch bestimmt und erstreckt sich im wesentlichen auf den hier dargestellten Prozeß der Kredit- und Giralgeldschöpfung. Die Stellung und Einflußmöglichkeiten der Zentralbank gegenüber der Volkswirtschaft werden wesentlich dadurch bestimmt sein, ob es ihrem Ermessen allein obliegt, durch „Monetisierung" der Aktiven der Geschäftsbanken Zentralbankgeld zu schaffen, oder ob sie in diesem Ermessen Kräften unterliegt, die sie zur Geldschöpfung zwingen können. Wenn wir nach dieser Richtung die Stellung des westdeutschen Zentralbanksystems untersuchen, so muß grundsätzlich wiederum festgestellt werden, daß das Zentralbanksystem Westdeutschlands in seiner Geldpolitik nicht autonom ist, sondern entscheidend von den Zielsetzungen der monopolhörigen westdeutschen Bundesregierung und den hinter dieser stehenden Kräften abhängig ist. Es soll an dieser Stelle nicht auf alle Faktoren eingegangen werden, die das Abhängigkeitsverhältnis des westdeutschen Zentralbanksystems in ihrer Geldund Kreditpolitik von der in Westdeutschland herrschenden Finanzoligarchie beweisen, sondern nur auf einige Hauptfaktoren: a) Einen wesentlichen Faktor stellen die vom Zentralbanksystem an die Bundesrepublik bzw. die Länder zu gewährenden Kredite dar.1) Aus der Funktion der Zentralbank als „fiscal agent" des Staates ergibt sich die Notwendigkeit, vorübergehend Kassendefizite des Staatshaushaltes, die aus einer zeitweisen oder längeren Diskrepanz zwischen laufenden Staatsausgaben und Steuereinnahmen entstehen, durch Kredite zu überbrücken. Solche Kassendefizite sind unter kapitalistischen Verhältnissen kaum jemals vermeidbar. Im Statut der Zentralbank ist dieser Umstand deshalb durch die Einrichtung sogenannter Kreditplafonds berücksichtigt worden. Dieser Plafonds beträgt z. Z. 1,5 Mrd. DM allein für den Haushalt der Bundesrepublik. Innerhalb dieser Kreditplafonds kann der Bundesstaat bzw. die Länder jederzeit Zentralbankkredite in Anspruch nehmen. In dem Umfang aber, in dem der !) Hofmann, Handbuch des gesamten Kreditwesens, S. 81. (Gemäß Gesetz über die Bank deutscher Länder, Artikel 3, Ziffer 14 u. a.) 7
Bankpolitik
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Staat von seinem Recht der Kreditaufnahme Gebrauch macht, spielt die Zentralbank selbst nur eine passive Rolle. Ihre Anlageposition „kurzfristige Kredite an den Staat" bestimmt bis zur Höhe des Kreditplafonds nicht sie selbst, sondern der Finanzminister. Über den Kreditplafonds des Haushalts der Bundesrepublik hinaus sind gemäß Landeszentralbank-Gesetz § 13,61) die Landeszentralbanken mit Genehmigung des Finanzministers befugt, den Ländern und Körperschaften des öffentlichen Rechts Kredite zur Überbrückung eines zeitweiligen Kassenfehlbetrages zu gewähren. Die Kassenkredite dürfen insgesamt nicht mehr als 1/5 des Gesamtbetrages der Einlagen ausmachen. Die Inanspruchnahme dieses Plafonds betrug Ende 1954 592 Mffl. DM.2) Außer diesen Plafonds gibt es noch eine Reihe anderer Plafonds, so daß sich als Kreditplafonds der öffentlichen Hand aufgegliedert mindestens folgende Höhe ergibt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1,5 Mrd. DM „ 0,1 »» 0,25 „ 99 0,4 „ 99 0,2 „ 99 0,592 „ 99 0,6 „ 99 0,391 „ 99
Bund ERP Sondervermögen Lastenausgleichfonds Bundesbahn Bundespost Länder (1954) Plafonds Ende (1954) Rediskontlinie für Außenhandelswechsel der A K A Währungskredit (effektiv).
Hieran zeigt sich, daß in den Jahren 1949—1955 erhebliche Beträge an Zentralbankgeld auf diesem Wege in die Zirkulation eingeschleust wurden. (Siehe auch Tabelle 3 auf Seite 100/101.) Diese Plafonds beweisen eindeutig die „Unselbständigkeit" der Zentralbank. b) Ein Faktor, der der Wirkung nach einem Kredit an den Bundesstaat gleichkommt, ist die Erteilung der Berechtigung zur Ausgabe von Scheidemünzen an die Bundesregierung.3) Damit wird die Zentralbank verpflichtet, dem Bund für die von der Zentralbank in Umlauf gegebenen Scheidemünzen eine entsprechende Gutschrift in Zentralbankgeld zu leisten. Auch in diesem Falle spielt die Zentralbank nur eine passive Rolle. (Über die Höhe der Emission siehe auch Tabelle 3 auf Seite 100/101.) c) Ein weiterer, sehr bedeutender Faktor, der die selbständige Geldpolitik des Zentralbanksystems behindert, ist die Verpflichtung der Zentralbank, Gold und Devisen zu festen Preisen und in jeder Höhe anzukaufen. In einem System der Devisenbewirtschaftung ist, bei fixierten Wechselkursen, der Gold- und Devisenbestand jeder unmittelbaren Beeinflussungsmöglichkeit durch die Zentralbank entzogen. Kreditpolitisch gesehen ist die 1)
Hofmann, Handbuch des gesamten Kreditwesens, S. 99. Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder 1954. 3 ) Gemäß Münzgesetz §8, Ziffer 1 hat der Bund einen Anspruch auf Münzgutschriften in Höhe von 1,5 Mrd. D M . 2)
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Bereitstellung von Zentralbankgeld gegen Gold und Devisen ein völlig passiver Akt. Die Zentralbank fungiert hier, wie die ehemalige Reichsbank (bzw. Golddiskontbank), lediglich als „Konversionskasse", die internationale Zahlungsmittel in nationale Zahlungsmittel umtauscht. Sofern die Währungsverfassung nur fixierte Wechselkurse zuläßt, kann sich die Zentralbank der hieraus folgenden Devisenannahme- und -abgabepflicht nicht entziehen. Die Devisenposition ihrer Bilanz wird nicht von ihr selbst, sondern von der Entwicklung des Außenhandels bestimmt, für die der Wirtschaftsminister verantwortlich zeichnet und die er im Auftrage der Monopole entsprechend deren Zielsetzung, der Sicherung des Maximalprofits, lenkt. Die Höhe der so geschaffenen Zentralbankgeldmenge betrug am 31. 12. 1955 12,8 Mrd. DM (siehe Tabelle 3 auf Seite 100/101). d) Die Masse der Ausgleichsforderungen, die im Zusammenhang mit der primären Geldschöpfung des Zentralbanksystems zusammenhängt, blockiert in hohem Maße die Bewegungsfreiheit der Zentralbank. (Auf die Bedeutung der Ausgleichsforderungen gehe ich noch näher im Zusammenhang mit der Behandlung der Offenmarktpolitik des Zentralbanksystems ein.) e) Ein weiterer Faktor ist die Verpflichtung zu Eingriffen auf dem Wertpapiermarkt zur Stabilerhaltung des Kursniveaus der Wertpapiere des Staates. Diese Eingriffe, die meist auf Veranlassung des Bundesfinanzministers erfolgen, schränken ebenfalls den freien Spielraum der Zentralbank zur Beeinflussung des Geldvolumens ein. Die Zentralbank ist durch solche Eingriffe des Finanzministers gezwungen, jedes Angebot von Wertpapieren, das zu einer Kurseinbuße führen könnte, aufzunehmen. Je nach dem Umfang dieser Aktionen verändert sie auch die von ihr geschaffene Geldmenge und damit die Liquidität der Geschäftsbanken, ohne jedoch in der Entscheidung hierüber frei zu sein. Über den Umfang dieser Operationen siehe Seite 131—133. Ich habe bisher zunächst allgemein solche Faktoren behandelt, die die selbständige Regie der „Lenkungsmaßnahmen" des Zentralbanksystems einengen müssen. Diese „Einengung" ist ein Ergebnis der Stellung der Zentralbank als ein Instrument der staatsmonopolistischen Wirtschaft zur Sicherung ihres Maximalprofits. Es wird im nachfolgenden Abschnitt, in dem die einzelnen Methoden der „Lenkung" durch die Zentralbank behandelt werden, nachzuweisen sein, wie sich die Abhängigkeit der Zentralbank vom Staat und die dadurch bestimmte Handhabung der „Lenkungsmaßnahmen" zugunsten der Monopole auswirken. Zunächst sollen in Tabelle 3 die entscheidenden Aktivoperationen der Zentralbank untersucht werden, die seit der Währungsreform 1948/1949 zur Schöpfung von Zentralbankgeld geführt haben. Die Zahlen der Tabellen 3 und 4 beweisen eindeutig: 1. Den Hauptanteil an der Schöpfung von Zentralbankgeld hat die Konversion der Devisen- und Goldankäufe in DM der Bank deutscher Länder. Dieser Anteil betrug im Juni 1955 55% des insgesamt geschöpften Zentralbankgeldes. 7*
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