Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840): Handeln in institutioneller Unsicherheit 3515120475, 9783515120470

Die Studie zu den Speyerer Tabak- und Weinhandelshäusern Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. leistet einen w

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German Pages 346 [350] Year 2018

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Table of contents :
VORWORT
DANKSAGUNG
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 DAS KONTOR ALS ‚SCHALTZENTRALE‘ UNTERNEHMERISCHEN HANDELNS
1.2 DIE STUDIE IM KONTEXT DER WIRTSCHAFTS- UND UNTERNEHMENSGESCHICHTE
1.3 DIE BRIEFKOPIERBÜCHER IN DEN UNTERNEHMENSNACHLÄSSEN
1.4 DER ÖKONOMISCHE AKTEUR IN SEINER HISTORISCHEN UMWELT
1.5 DIE ANALYSE DER KOMMUNIKATION UND DES KOMMUNIZIERTEN HANDELNS
2 DIE PROTAGONISTEN DER STUDIE
2.1 JOH. HEIN. SCHARPFF
2.2 LICHTENBERGER & CO.
3 RAUM UND PRAXIS DER GESCHÄFTSKORRESPONDENZ
3.1 DIE GEOGRAFISCHE VERTEILUNG
3.2 KOMMUNIKATION IM KONTEXT DER TRANSPORTINFRASTRUKTUR
3.3 DER GESCHÄFTSBRIEF ALS SPEZIFISCHES SCHREIBGENRE
3.4 ZWISCHENFAZIT: CHARAKTERISTIKA DER KAUFMÄNNISCHEN KORRESPONDENZ
4 AKTEURSKONZEPTE IM SCHRIFTVERKEHR
4.1 FREMD- UND SELBSTVERORTUNGEN IN DER WIRTSCHAFT
4.2 ÖKONOMISCHE AUSTAUSCHBEZIEHUNGEN ALS FREUNDSCHAFTEN
4.3 ZUR ROLLE VON ORGANISATIONEN IN DER WIRTSCHAFT
4.4 ZWISCHENFAZIT: ZUR VERORTUNG DER KAUFLEUTE IN DER WIRTSCHAFT
5 DIE GESCHÄFTSTÄTIGKEIT IN DER KORRESPONDENZ
5.1 INFORMATIONSFLÜSSE UND DIE ERSCHLIESSUNG VON MÄRKTEN
5.1.1 Informationsflüsse in der Wirtschaft
5.1.2 Kommunikation über Politik im Ausnahmezustand
5.1.3 Kommunikation über Märkte und Akteure
5.1.4 Zwischenfazit: Zur Positionierung der Kaufleute auf Märkten
5.2 ROHSTOFF- UND WARENEINKAUF
5.2.1 Tabak und Wein in der Pfalz
5.2.2 Der Einkauf von Rohstoffen für den Handel
5.2.3 Die Handelshäuser als Abnehmer regionaler Waren und Dienstleistungen
5.2.4 Zwischenfazit: Regionale Ressourcen als Basis von Unternehmertum
5.3 DER HANDEL MIT WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN
5.3.1 Ausmaß und Struktur des Absatzes
5.3.2 Die Abwicklung von Handelsgeschäften
5.3.3 Zwischenfazit: Handel auf regionalen und überregionalen Märkten
5.4 KAPITALAKKUMULATION UND KOORDINATION VON FINANZFLÜSSEN
5.4.1 Investitionen
5.4.2 Verwaltung und Koordination von Finanzflüssen
5.4.3 Handelshäuser als Finanzdienstleister
5.4.4 Zwischenfazit: Handelshäuser als zentrale Akteure der Finanzmärkte
6 FAZIT: NEUE PERSPEKTIVEN AUF UNTERNEHMEN DES FRÜHEN 19. JAHRHUNDERTS
7 ANHANG
7.1 QUELLENVERZEICHNIS
Archivquellen
Gedruckte Quellen
7.2 LITERATURVERZEICHNIS
REGISTER
NAMENSREGISTER
ORTSREGISTER
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Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840): Handeln in institutioneller Unsicherheit
 3515120475, 9783515120470

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Rabea Limbach

7 Geschichte Franz Steiner Verlag

Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840) Handeln in institutioneller Unsicherheit

Perspektiven der Wirtschaftsgeschichte

Rabea Limbach Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840)

perspektiven der wirtschaftsgeschichte Herausgegeben von Clemens Wischermann und Katja Patzel-Mattern Band 7

Rabea Limbach

Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840) Handeln in institutioneller Unsicherheit

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung.

Umschlagabbildung: Die Rheinschanze (ca. 1832) Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Bosch-Druck, Ergolding Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12047-0 (Print) ISBN 978-3-515-12051-7 (E-Book)

VORWORT Diese Studie habe ich im Dezember 2015 an der Universität Heidelberg, Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, bei Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern als Dissertation unter dem Titel „Kaufmännische Kommunikations- und Handlungspraktiken im Deutschen Bund – Die Briefkopierbücher der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. (1815–1840)“ eingereicht. Sie entstand mit Hilfe eines Stipendiums der Hans-Böckler-Stiftung, die mich auch bei der Publikation mit einem Druckkostenzuschuss unterstützt hat. Baden-Baden, 15. 01. 2018

DANKSAGUNG Ein großes Danke geht an… Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern

für ihre intensive Betreuung und dafür, dass sie stets ein offenes Ohr für ihre Doktoranden und Doktorandinnen hat.

Prof. Dr. Clemens Wischermann

für seine Betreuung als Zweitgutachter und die Möglichkeit, die Arbeit in Konstanz zu diskutieren.

Prof. Dr. Jörg Vögele

für seine konstante Begleitung als wissenschaftlicher Gutachter der Hans-BöcklerStiftung.

Dr. Stefan Mörz

für das Teilen seines unerschöpflichen Wissens über die Bestände des Stadtarchivs Ludwigshafen und die Geschichte der Stadt.

Dr. Klaus-Jürgen Becker

für seine engagierte Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Ludwigshafen.

Dr. Joachim Kemper

dafür, dass ich im Stadtarchiv Speyer stets kompetente Unterstützung bekommen konnte.

Dipl.-Archivarin Katrin Hopstock

dafür, dass sie mir immer wieder den Weg durch die Bestände des Speyerer Stadtarchivs gewiesen hat.

PD Dr. Stefanie van de Kerkhof

für ihr unermüdliches Interesse an meinem Projekt und das Schaffen von wichtigen Diskussionsräumen für Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen.

Aysegül Argit, M. A.

für ihr Durchhaltevermögen bei gemeinsamen Projekten, fürs Kaffeetrinken, Gegenlesen und Kommentieren.

Max Gawlich, M. A.

fürs stets konstruktives Hinterfragen und ausdauerndes Gegenlesen.

Gina Fuhrich, M. A.

fürs Gegenlesen von Texten trotz all der Baustellen, an denen sie noch parallel gearbeitet hat.

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Danksagung

Laura Herr, M. A.

fürs Gegenlesen aus unternehmenshistorischer Perspektive.

Dr. Horst Steffens

für Anmerkungen zur Konzeption meiner Studie und für den steten Austausch im Museum.

Dr. Julia Lorenzen

für den offenen Austausch auf dem Weg durchs erste, eigene Großprojekt und fürs Gegenlesen.

PD Dr. Henning Türk

für abendliches Fachsimpeln über pfälzische Geschichte in passendem Ambiente.

Regina, Hardy, Boris, Maren, Lisa, Jonas, Carola und Malte

dafür, dass ihr da seid und an mich glaubt.

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort..............................................................................................................

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Danksagung.......................................................................................................

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Abbildungsverzeichnis......................................................................................

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns ................... 1.2 Die Studie im Kontext der Wirtschaftsund Unternehmensgeschichte .............................................................. 1.3 Die Briefkopierbücher in den Unternehmensnachlässen..................... 1.4 Der ökonomische Akteur in seiner historischen Umwelt .................... 1.5 Die Analyse der Kommunikation und des kommunizierten Handelns.............................................................

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2 Die Protagonisten der Studie ....................................................................... 2.1 Joh. Hein. Scharpff .............................................................................. 2.2 Lichtenberger & Co. ............................................................................

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz ........................................... 65 3.1 Die geografische Verteilung................................................................. 65 3.2 Kommunikation im Kontext der Transportinfrastruktur ..................... 86 3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre ............................... 95 3.4 Zwischenfazit: Charakteristika der kaufmännischen Korrespondenz .......................... 107 4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr............................................................. 4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft ................................ 4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften .................. 4.3 Zur Rolle von Organisationen in der Wirtschaft.................................. 4.4 Zwischenfazit: Zur Verortung der Kaufleute in der Wirtschaft ...........

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Inhaltsverzeichnis

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz .............................................. 5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten ....................... 5.1.1 Informationsflüsse in der Wirtschaft.......................................... 5.1.2 Kommunikation über Politik im Ausnahmezustand .................. 5.1.3 Kommunikation über Märkte und Akteure................................ 5.1.4 Die Erschließung von Märkten durch absatzfördernde Maßnahmen ............................................................................... 5.1.4 Zwischenfazit: Zur Positionierung der Kaufleute auf Märkten................................................................................ 5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf ................................................................ 5.2.1 Tabak und Wein in der Pfalz ...................................................... 5.2.2 Der Einkauf von Rohstoffen für den Handel ............................. 5.2.3 Die Handelshäuser als Abnehmer regionaler Waren und Dienstleistungen ................................................................. 5.2.4 Zwischenfazit: Regionale Ressourcen als Basis von Unternehmertum ................................................................. 5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen ...................................... 5.3.1 Ausmaß und Struktur des Absatzes ........................................... 5.3.2 Die Abwicklung von Handelsgeschäften................................... 5.3.3 Zwischenfazit: Handel auf regionalen und überregionalen Märkten...................................................................................... 5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen ................ 5.4.1 Investitionen .............................................................................. 5.4.2 Verwaltung und Koordination von Finanzflüssen ..................... 5.4.3 Handelshäuser als Finanzdienstleister ....................................... 5.4.4 Zwischenfazit: Handelshäuser als zentrale Akteure der Finanzmärkte .......................................................................

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6 Fazit: Neue Perspektiven auf Unternehmen des frühen 19. Jahrhunderts ... 293 7 Anhang ........................................................................................................ 315 7.1 Quellenverzeichnis .............................................................................. 315 7.2 Literaturverzeichnis ............................................................................. 320 Register ............................................................................................................. 341

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1:

Abb. 2:

Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6–9:

Abb. 10:

Die Familie von Johann Heinrich Scharpff, eigene Darstellung. Genutzte Quellen: evangelisch-lutherische Kirchenbürger der Stadt Speyer, Personenstandsregister Speyers, die für diese Studie genutzten Verwaltungsakten aus französischer und bayerischer Zeit sowie den Unterlagen im Unternehmensnachlass ......................................................................................... Die Familie von Philipp Markus Lichtenberger, eigene Darstellung. Genutzte Quellen: Staummbaum der Familie Lichtenberger im Stadtarchiv Ludwigshafen aus den 1920er Jahren und die für diese Studie gesichteten Quellen aus den Archiven in Speyer und Ludwigshafen............................ Tabakpreisliste von Joh. Hein. Scharpff (ca. 1819), Quelle: StALu, WS1, Nr. 114 ....................................................... Weinpreisliste von Joh. Heinrich Scharpff (ca. 1805), Quelle: StALu, WS1, Nr. 114 ....................................................... Illustration eines Frachtbriefes aus der Rheinschanze (1829), Quelle: StALu, WS1, Nr. 121, ...................................................... Illustrierte Tabaketiketten von Joh. Hein. Scharpff in der Rheinschanze und Lichtenberger & Co. in Speyer (erste Hälfte 19. Jahrhundert), Quelle: StALu, WS1, Nr. 124 ....................................................... Herstellermarke und gedruckte Unterschrift von Lichtenberger & Co. für Tabakverpackungen, Quelle: StALu, WS1, Nr. 124 .......................................................

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1 DAS KONTOR ALS ‚SCHALTZENTRALE‘ UNTERNEHMERISCHEN HANDELNS Man muß also auf das, was man niederschreibt, sehr aufmerksam seyn, und jeden Gedanken, jeden Ausdruck wohl überlegen, damit man durch hochtrabende Worte und Prahlereien nicht für einen Großsprecher; durch übertriebenes Wortgepräge, worunter sich bisweilen die Unwissenheit schlau verbergen will, nicht für einen Gecken; durch viele und überflüssige Worte, nicht für einen Schwätzer; durch zu rohe Ausdrücke nicht für einen ungebildeten, groben und durch kriechende, kleine Schmeicheleien nicht für einen muthlosen, oder gar für einen solchen Mann gehalten werde, welcher sich aus eigennützigen Absichten so tief herabwürdigt.1

Das Zitat auf dem Buch „Der Kaufmann wie er seyn soll“ verweist auf die (informellen) Verhaltensnormen und -regeln, die dem Verfasser oder der Verfasserin eines Geschäftsbriefes im Jahr 1815 als Richtschnur dienen sollten. Auf 84 Seiten des Buches widmet sich der Autor dem Schreiben von kaufmännischer Korrespondenz. Die Darstellung der „Comptoir-Wissenschaft“ erschien in Prag im Verlag C. W. Enders. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte sich die kaufmännische Korrespondenz zu einem ausdifferenzierten Schreibgenre entwickelt, das sprachlich und inhaltlich stark normiert war. Das Zitat verweist darauf, wie sorgsam ein Kaufmann seine Worte wählen sollte, um in der schriftlichen Kommunikation angemessen und würdevoll ‚aufzutreten‘. Dabei vermittelt es das Bild von einem Kaufmann, der sich der gesellschaftlichen Umgangsformen bewusst sein und der selbstbewusst, aber sachlich auftreten sollte. Das Buch erschien im Kontext einer Vielzahl von Lehrbüchern und Ratgebern für Wirtschaftende. Darunter befanden sich Enzyklopädien oder Lexika „der Handelswissenschaften“, Lehrbücher über Buchführung oder Ratgeber zur Rohstoffverarbeitung im Manufakturwesen.2 All jene Werke stellen Versuche der Wissenskanonisierung und -weitergabe zwischen Wirtschaftsbürgern3 dar. Autoren waren oft Kaufleute oder Manufakturinhaber, also Praktiker.4

1 2

3

4

o. A. : Der Kaufmann wie er seyn soll, oder: Anleitung ein vollkommener Geschaeftsmann zu werden. 2. Teil. Vgl.: z. B.: Leuchs, Joh. Carl: Vollständige Tabak-Kunde, sowie: o. A.: Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten; sowie zur Erforschung entsprechender Bücher in der Wirtschaftsgeschichte: Denzel, Markus A.: Handelspraktiken als wirtschaftshistorische Quellengattung, S. 11–45; Sachse, Wieland: Wirtschaftsliteratur und Kommunikation bis 1800, sowie: Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann. Der Begriff des Wirtschaftsbürgers wird in meiner Studie allein auf die Lebensumstände der Akteure bezogen: Die Unternehmer Scharpff und Lichtenberger waren Bürger einer Stadt oder vielmehr in der Zeit nach den napoleonischen Gesetzesreformen Staatsbürger, gehörten den wohlhabenden und gebildeten Schichten der Bevölkerung Speyers an, verfügten über einen entsprechenden Lebensstandard und in ihrem Leben bildete ihr selbständiges ökonomisches Engagement einen zentralen Bezugspunkt. Vgl.: Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann, S. 153 f.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

Der „Kaufmann wie er seyn soll“ verweist auf die Prozesse in der ‚Schaltzentrale‘ vieler vor- und frühindustrieller Unternehmen: dem Kontor. Dies war der Ort, an dem sich das kaufmännisch geschulte Personal meist unter Mitarbeit des Unternehmensinhabers bzw. der -inhaberin5 oder des Unternehmensleiters bzw. der -leiterin der schriftlichen Fixierung, Verwaltung und Kommunikation rund um die Geschäfte widmete. An diesem Ort fand das alltägliche Wirtschaften seinen Niederschlag. Ihm entstammen viele überlieferte Quellen, deren Erforschung sich die Unternehmensgeschichte widmet. Umso erstaunlicher ist es, dass die intensive Auseinandersetzung mit diesem alltäglichen Wirtschaften und den daraus hervorgegangenen Quellengattungen keinen herausgehobenen Stellenwert innerhalb dieser geschichtswissenschaftlichen Subdisziplin hat. Diese Lücke möchte die vorliegende Studie schließen, in deren Zentrum die Frage nach der Ausprägung ökonomischer Kommunikation und ökonomischen Handelns unter den Rahmenbedingungen des frühen 19. Jahrhunderts steht. Bei der Erforschung vor- und frühindustrieller Unternehmer und Unternehmerinnen6 dominieren Biografien oder Beschreibungen von Unternehmensentwicklungen auf einer breiten, gemischten Quellenbasis. Diese ermöglichen durch spezifische Fragestellungen und die Einnahme theoretisch fundierter Perspektiven vielfältige Einblicke in die Entwicklung des Wirtschaftsbürgertums. Die Heranziehung einer Vielfalt von Quellen bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich: Der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin läuft Gefahr, einen umfangreichen Quellenbestand in Bezug auf eine Frage ‚querzulesen‘ und die Vielfalt der Überlieferung zu wenig zu berücksichtigen. Eine Reflexion und Auseinandersetzung mit einzelnen Quellengattungen und ihrer Aussagekraft für die Geschichtswissenschaft droht in den Hintergrund zu rücken. Die Quellenkritik und ein methodisches Vorgehen bei der Quellenanalyse, als zentrale Teile des Forschungsprozesses, werden kaum kommuniziert. Der Einbezug dieser Reflexionen in den Schreibprozess ermöglicht jedoch einen Austausch über den Wert der Quellen für die Forschung. 5

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Im Text nutze ich weibliche und männliche Formen bei jenen Akteursbezeichnungen, die sich auf allgemeine Entwicklungen beziehen und bei denen auf Basis wirtschaftshistorischer Erkenntnisse davon auszugehen ist, dass Frauen hierbei eine Rolle gespielt haben können. Ich stelle die männliche Form dabei voran, da aufgrund der Gesetzeslage und des Selbstverständnisses des Bürgertums vor allem Männer das Wirtschaftsleben prägten. Ich nutze dort allein das Maskulinum, wo es sich in den jeweiligen Fällen höchstwahrscheinlich nur um Männer handelte, weil sich die Begriffe zum Beispiel auf konkrete Personen beziehen – oder wenn die Begriffe in der Form aufgegriffen werden, wie sie in den Quellen vorkommen (hierunter fällt z. B. der Begriff „Geschäftsfreund“). Der Begriff des Unternehmers wird zur Bezeichnung der zentralen Akteure dieser Studie genutzt, da es sich bei ihnen um Personen handelte, in deren Leben selbständige ökonomische Aktivitäten eine zentrale Stellung einnahmen. Sie organisierten diese Aktivitäten in Kooperation mit anderen in Organisationen (Unternehmen), in denen sie zentrale Positionen (Inhaber, Manager, Kapitalgeber) einnahmen. Ihre Unternehmen waren arbeitsteilig und hierarchisch strukturiert, produzierten Güter für Märkte und waren dabei gewinnorientiert. Damit erfüllen sie viele Kriterien der gängigen positionalen bzw. funktionalen Definitionsversuche von Unternehmern. Vgl. zu den aktuellen Debatten um den Unternehmerbegriff u. a. die Einführung bei: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 32–41 oder zum häufig genutzten Unternehmerbegriff Cassons, vgl.: Casson, Mark: Der Unternehmer.

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

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Die folgende Studie entstand auf Basis von zwei Unternehmensnachlässen, die nur lückenhaft überliefert sind. Den Kern der Bestände bilden lange Reihen von Briefkopierbüchern, während andere Quellengattungen – wie die für die Unternehmensgeschichte häufig als zentral angesehenen Rechnungsbücher – nur in Ausnahmefällen überliefert sind. Zu Beginn der Arbeit stand somit die Frage, was Briefkopierbücher, denen sich die Forschung bisher kaum explizit gewidmet hat, für einen Mehrwert bringen können. Dieser Frage kommt vor dem Hintergrund der schwierigen Überlieferungssituation von privatwirtschaftlichen Quellen besondere Relevanz zu. Sich explizit einzelner Quellengattungen anzunehmen heißt, neue Erkenntnispotentiale zu erschließen. Besonders wirtschaftliche Peripherien und/oder heute nicht mehr existierende Unternehmen verfügen häufig über eine auf den ersten Blick defizitär oder einseitig erscheinende Überlieferung. Doch auch hieraus lassen sich vielfältige Erkenntnisse gewinnen. Als Kernfrage der neuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte wird diskutiert, wie sich die Staaten Europas zu ‚modernen‘, industrialisierten Marktwirtschaften entwickeln konnten. Hieraus resultiert ein Bedürfnis nach einem tiefergehenden Verständnis der wirtschaftlichen Entwicklungsprozesse, für Deutschland vor allem seit dem 18. Jahrhundert, in denen Unternehmern und Unternehmerinnen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Den Unternehmern und Unternehmerinnen in der Übergangszeit von einer vorindustriellen, eher kleinräumig agierenden zur industrialisierten auf (globalen) Marktmechanismen basierenden Wirtschaft, wird daher ein besonderes Interesse zuteil.7 In der folgenden Studie rücke ich mit Briefkopierbüchern die Alltagskommunikation ökonomischer Akteure und Akteurinnen ins Zentrum meiner Betrachtung. Als Quellenbasis dient die Briefkopierbuchsammlung der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. aus den Jahren 1815 bis 1840. Ziel der Arbeit ist es, die spezifischen Charakteristika unternehmerischen Handelns in der Übergangszeit zur modernen, industrialisierten Marktwirtschaft in Form einer Fallstudie herauszuarbeiten. Der Fokus liegt auf den Wirtschaftenden in den Kontoren zweier Handelshäuser, ihrer Kommunikation und ihrem (kommunizierten) Handeln. Somit betrachte ich die Protagonisten bezogen auf die ökonomische Sphäre ihres Lebens und frage nach den Kommunikations- und Interaktionsformen, nach Akteurs-, Organisations- und Wirtschaftskonzepten im Schriftverkehr ebenso wie nach Institutionen, die als grundlegend für diese Konzepte und Interaktionsformen verhandelt wurden – wohlwissend, dass der ökonomische Bereich untrennbar mit anderen Lebensbereichen verbunden war und ist. Ich wende mich der alltäglichen Kommunikation der Akteure und Akteurinnen zu, da ich Kommunikation als zentrale Praxis zur Entwicklung von kollektiven „Sinnwelten“8 ansehe, die Handeln innerhalb der Wirtschaft beeinflussen. Diese kollektiven Sinnwelten entstanden durch die Aushandlung von Kommunikations-

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Vgl. u. a.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 11 f.; Banken, Ralf / Burhop, Carsten (Hg.): Die Entstehung des modernen Unternehmens 1400–1860. Wischermann, Clemens: Wirtschaftskultur und Wirtschaftsgeschichte, S. 61.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

und Handlungsnormen – Institutionen – die als allgemein anerkannt, normativ als ‚richtig‘ identifiziert und als verbindlich kommuniziert wurden. Die Studie knüpft in ihrer theoretischen Reflexion an institutionen- und akteurstheoretische Ansätze aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und ihrer Rezeption innerhalb der Wirtschaftsgeschichte an. Ist die Kernannahme institutionentheoretischer Theorie, dass das Handeln von Akteuren oder Akteurinnen und damit die Wirtschaftsentwicklung stets durch formelle (z. B. Gesetze) und informelle Institutionen (z. B. Normen und Werte) beeinflusst wird, so kann dies auch auf Kommunikation übertragen werden. Der akteurszentrierte Institutionalismus, wie er im Folgenden als Zugang genutzt wird, ermöglicht es, Kommunikation im Spannungsverhältnis zwischen Akteur oder Akteurin und Institutionensetting zu analysieren. Kommunikationsprozesse werden so nicht nur bezogen auf den Akteur oder die Akteurin, sondern auch bezogen auf den Einfluss der Umwelt und der historischen Institutionen hin untersucht. Dies ermöglicht Aussagen nicht allein über die Akteure, sondern auch über die Wirtschaft und die Gesellschaft, die sie umgab. Die folgende Fallstudie widmet sich der Erforschung zweier Speyerer Handelshäuser. Mit ihnen betrete ich einen bisher in der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte kaum beachteten Raum: die linksrheinische, zu jener Zeit bayerische Pfalz in der Zeit des Deutschen Bundes. Die Wirtschaftsgeschichte jener Zeit wurde maßgeblich durch staatliche Vielfalt geprägt,9 die sich in Zollgrenzen, Maßen und Gewichten oder Gewerbegesetzgebungen widerspiegelte, wenn auch im Verlauf des Untersuchungszeitraumes staatenübergreifende Verträge, wie die Vertragswerke der Zollvereine, zu einer allmählichen Vereinheitlichung des Wirtschaftsraumes führten.10 Anhand der linksrheinischen Pfalz, die seit 1816 als Rheinkreis11 eine territorial getrennte Provinz des Königreichs Bayern bildete, zeigen sich die schwierigen institutionellen Rahmenbedingungen für Wirtschaftsakteure oder -akteurinnen in besonderem Maße. Auf der einen Seite wurde die Provinz in ihrer formellen Verfassung nachhaltig von den fortschrittlichen Gesetzesreformen der napoleonischen Zeit geprägt, die sich unter anderem im ‚Code de Commerce‘ niederschlugen und die über die französische Herrschaftszeit (bis 1814) hinaus wirksam bleiben konnten. Auf der anderen Seite fehlte den pfälzischen Handel- und Gewerbetreibenden nach dem Wiener Kongress der Zugang zu einem größeren, schrankenlosen Binnenmarkt. Dies lag auch daran, dass die Pfalz einen Sonderstatus behielt. Als

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Vgl. als Überblick über die staatliche Vielfalt im Deutschen Bund: Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 29–81. Vgl. u. a.: zur zollpolitischen Entwicklung: Hahn, Hans-Werner: Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 1–112, sowie zum Thema der Vielfalt von Maßen und Gewichten: Hocquet, Jean Claude: Harmonisierung von Maßen und Gewichten als Mittel zur Integrierung. Die Bezeichnung der linksrheinischen Pfalz durch Bayern veränderte sich im Untersuchungszeitraum. So sind die „königlich bayerischen Lande am Rhein“ zunächst als „Rheinkreis“ (1816) in das Königreich eingegliedert worden und erhielten erst im Jahr 1838 den Namen „Kreis Pfalz“. Darüber hinaus ist seit dem 19. Jahrhundert häufig von „Rheinbayern“ die Rede. Im Folgenden werden die Begriffe des Rheinkreises und der Pfalz bedeutungsgleich verwendet und beziehen sich stets auf das linksrheinische, bayerische Territorium. Zur Provinz des Rheinkreises, vgl. z. B.: Baumann, Kurt: Von Geschichte und Menschen der Pfalz, S. 215.

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

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„Nebenstaat“12 wurde sie nicht in das Außenzollsystem Bayerns integriert, verfügte bis 1830 zudem über keine eigene Zollgrenze, sondern war umgeben von sich mehr oder weniger zollpolitisch abschottenden Staaten. Die Pfälzer mussten selbst beim Handel in die anderen bayerischen Provinzen Zölle entrichten. Eine vollkommene wirtschaftliche Integration in den bayerischen Binnenmarkt konnte erst mit dem Inkrafttreten des Deutschen Zollvereins im Januar 1834 vollzogen werden. Aus dieser (wirtschafts)politisch schwierigen Lage resultierten vielfältige Spannungen zwischen Pfälzern und Bayern. Vielleicht sind hierin auch Gründe für die nur zögerlich einsetzende Industrialisierung in der Region zu finden. Erst im späten 19. Jahrhundert, vor allem mit der Entwicklung chemieindustrieller Zentren wie Ludwigshafen am Rhein, fasste die Industrialisierung maßgeblich Fuß.13 Anhand der Pfalz lässt sich in besonderem Maße untersuchen, wie vor- und frühindustrielle Unternehmer auf einem von vielfältigen und sich stetig wandelnden Handelshemmnissen beeinflussten Markt regional wie überregional kommunizierten und agierten. Die Protagonisten dieser Studie, Johann Heinrich Scharpff (1754–1828) und sein Schwiegersohn Philipp Markus Lichtenberger (1783–1842), und ihre Speyerer Handelshäuser, erhielten bisher lediglich die Aufmerksamkeit regionaler Forscher – vorrangig aufgrund des von ihnen aufgebauten Handelsplatzes in der Rheinschanze (1821–1843), der den Ursprung der Stadt Ludwigshafen am Rhein bildet. Bereits seit dem 19. Jahrhundert wurden die Unternehmer in der Geschichtsschreibung der Stadt daher geradezu als ‚Gründerväter‘ gehandelt. Bei der Rheinschanze handelte es sich um ein gemeinschaftliches Nebenprojekt der Unternehmer, die mit ihren Haupthäusern in der Provinzhauptstadt Speyer angesiedelt waren. Ist über die Kaufleute und ihre Unternehmungen bisher auch nur wenig bekannt, so gelten sie in der regionalen Geschichtsschreibung doch als relativ erfolgreiche Unternehmer, da es ihnen gelang über viele Jahrzehnte hinweg Fernhandelshäuser und Manufakturen zu betreiben, die innerhalb der Region eine herausgehobene Stellung einnehmen konnten. Ihre Geschäftstätigkeit fokussierte sich auf den Handel mit Tabak und Wein. Darüber hinaus waren sie im Zeitverlauf in unterschiedlichen Geschäftsfeldern aktiv – als Manufakturinhaber, Salzhändler oder Versicherungsagenten. Und doch gehörten sie nicht zu jenen frühen Industriellen und erfolgreichen Großunternehmern, die Regionen oder Branchen entstammten, denen industrielle Vorreiterrollen in der wirtschaftlichen Entwicklung zugeschrieben werden und die aus diesem Grund bisher oft im Fokus unternehmenshistorischer Forschung standen. Doch die Erforschung gerade solcher, eher ‚durchschnittlich erfolgreichen‘ Unternehmer oder Unternehmerinnen ermöglicht eine Horizonterweiterung für das Verständnis der Wirtschaftsentwicklung, die durch ganz unterschiedliche Pfade je nach Region und Branche geprägt war. Mit Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger begebe ich mich auf die Spuren ‚typisch pfälzischer‘ Unternehmer: ihr Kerngeschäft des Weinund Tabakhandels basierte auf den bedeutendsten Sonderkulturen der landwirt12 13

Haan, Heiner: Hauptstaat – Nebenstaat. Vgl. u. a.: Mörz, Stefan: Ludwigshafen – „Stadt der Chemie“.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

schaftlich geprägten Region.14 Was die wirtschaftshistorische Forschung anbetrifft, wurden Wein- und Tabakanbau sowie die Weiterverarbeitung und der Handel dieser Rohstoffe in den deutschen Territorialstaaten des frühen 19. Jahrhundert bisher kaum in den Blick genommen. Mit ihren Handelshäusern knüpften Scharpff und Lichtenberger zudem an die städtische (Rhein)Handelstradition an, da Speyer bereits im Mittelalter als freie Reichsstadt auch eine Stadt der Kaufleute und Händler war. Ferner steht Philipp Markus Lichtenberger auch stellvertretend für die Rezeption und Integration von dem ‚Industrialisierungszeitalter‘ zugeschriebenen Innovationen in die Wirtschaft. So war er als Agent der Gothaer Feuer- und Lebensversicherungen am Aufbau eines deutschen Versicherungswesens beteiligt. Wie viele Unternehmer und Unternehmerinnen dieser Zeit engagierte und investierte er zudem in den Aufbau der ersten deutschen Eisenbahnen. 1.2 DIE STUDIE IM KONTEXT DER WIRTSCHAFTSUND UNTERNEHMENSGESCHICHTE Die Studie verorte ich vorrangig in drei Forschungskontexten. Zum einen steht sie im Kontext der Erforschung der deutschen Wirtschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einer Umbruchsphase von einer vorindustriellen, kleinräumig strukturierten zu einer großräumig konzipierten, industrialisierten Wirtschaft. Zweitens knüpft sie als Fallstudie an Studien zu einzelnen ökonomischen Akteuren oder Akteurinnen (Unternehmern bzw. Unternehmerinnen oder Wirtschaftsbürgern bzw. Wirtschaftsbürgerinnen) auf Basis ihrer Nachlässe an. Und drittens verorte ich sie mit der Wahl zweier vor allem im Handel tätiger Unternehmer in der Kaufmannsgeschichte. Die Geschichte der Wirtschaft zur Zeit des Deutschen Bundes ist bisher kaum aufgearbeitet.15 Das fragmentarische Wissen über die Entwicklungsprozesse innerhalb der deutschen Staaten ist vordergründig mit der Existenz vieler Mittel- und Kleinstaaten im deutschen Sprachraum zu erklären, die dazu führt, dass für Historiker und Historikerinnen geradezu unübersichtliche Verhältnisse herrschen, allein was die staatlichen Wirtschaftspolitiken betrifft. Es existieren daher vorrangig Fallstudien, die sich auf einzelne Unternehmer oder Unternehmerinnen, Branchen, Orte oder begrenzte Regionen beziehen. Beispielhaft dafür stehen die Beiträge von Sammelbänden wie jenes zu „Familienunternehmen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert“16 von Susanne Hilger und Ulrich S. Soénius oder jenem zu „Bergisch-Märkische Unternehmer in der Frühindustrialisierung“,17 herausgege14 15

16 17

Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 153–189. Der Deutsche Bund wird bisher vorrangig als politische Institution untersucht. Hierbei finden soziale und kulturelle Entwicklungen in den Territorien zuweilen Eingang in die Betrachtung, die Wirtschaft bleibt aber meist außen vor, vgl. u. a.: Angelow, Jürgen: Der Deutsche Bund; Gruner, Wolfgang D.: Der Deutsche Bund 1815–1866, sowie: Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Vgl.: Hilger, Susanne / Soénius, Ulrich (Hg.): Familienunternehmen im Rheinland. Vgl.: Stremmel, Ralf / Weise, Jürgen: Bergisch-Märkische Unternehmer der Frühindustrialisierung.

1.2 Die Studie im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

19

ben von Ralf Stremmel und Jürgen Weise, die sich Unternehmer(familie)n in einer Region widmen. Steht bei dem erst genannten Sammelband eine spezifische Gruppe von Unternehmen (Familienunternehmen) und die Rolle von Familien für unternehmerische Tätigkeit im Mittelpunkt der Analyse, so bildet der zweite Band eine Sammlung von Unternehmerbiografien zu einer ausgewählten Region. Ein Beispiel für eine auf eine Branche bezogene Studie bildet Bruno Cloers und Ulrike KaiserCloers „Eisengewinnung und Eisenverarbeitung in der Pfalz im 18. und 19. Jahrhundert“,18 in der sie die Entwicklung der schwerindustriellen Betriebe in der Pfalz rekonstruieren. Bisher standen für das 19. Jahrhundert vorrangig Unternehmen im Fokus, die im Untersuchungszeitraum zu einer industriellen Produktion übergingen oder Vorläufer von Unternehmen der industriellen Führungssektoren, wie der Schwerindustrie oder der Textilindustrie, waren. Der distributive Bereich und die Nahrungs- und Genussmittelproduktion19 – die erst spät Industrialisierungsprozessen unterlag – sowie der Handel wurden bisher vernachlässigt, auch wenn unter anderem Stefan Gorißen die zentrale Bedeutung der Handelsaktivitäten für gewerbliches Wachstum herausarbeiten konnte.20 Da viele Wirtschaftszweige und Regionen bisher unterrepräsentiert sind, besteht weiterhin die Notwendigkeit zu Fallstudien, um ein differenzierteres Bild bis zur Gründung des Kaiserreichs und der damit einhergehenden Vereinheitlichung des formellen Institutionensettings vonseiten des Staates zu erlangen. An Relevanz gewinnen geografisch gestreute Einzelstudien für die Geschichtswissenschaft dabei auch vor dem Hintergrund des Diskurses über die verschiedenen Entwicklungspfade unterschiedlicher Regionen Deutschlands oder Europas im ‚Industrialisierungszeitalter‘ unter der Annahme, dass dem regionalen Umfeld zur Entwicklung und Ausprägung von Gewerbezweigen und Unternehmen eine hohe Relevanz zukam.21 Die Wirtschaftsgeschichte der Pfalz bildet ein Forschungsdesiderat, wie die Neuzeithistorikerin Pia Nordblom in der aktuellen Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz herausgearbeitet hat,22 und wurde nur durch wenige, oft in die Jahre gekommene Studien und eine Reihe von Aufsätzen zu Einzelaspekten behandelt.23 Zentrale Monografien bilden Werner Weidmanns Werk zur Landwirtschaft am Beginn des 19. Jahrhunderts24 sowie Hansjörg Grubers „Die Entwicklung der pfäl18 19 20 21 22 23

24

Vgl.: Cloer, Bruno / Kaiser-Cloer, Ulriche: Eisengewinnung und Eisenverarbeitung in der Pfalz. Vgl.: Ellerbrock, Karl-Peter: Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 183–261. Vgl.: Hahn, Hans-Werner: Die industrielle Revolution in Deutschland, S. 98 ff. Vgl.: Nordblom, Pia: Wirtschaftsgeschichte. Vgl. u. a.: Kermann, Joachim: Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Pfalz vor der Revolution 1849; Ders.: Wirtschaftliche und soziale Probleme im Rheinkreis; Ders. Industrielle Entwicklung und soziale Lage; Ders.: Wirtschaft und Verkehr im 19. Jahrhundert; Haan, Heiner: Industriekarte der Pfalz um 1820; Ders.: Gründungsgeschichte der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz; Ders.: Die Anfänge der Industrialisierung in der Pfalz; Ders.: Zur historischen Wirtschaftskarte; Schreiner, Werner: Paul Camille von Denis; Sturm, Heinz: Die pfälzischen Eisenbahnen; Weber, Friedrich Wilhelm: Die Geschichte der pfälzischen Mühlen, sowie: Weidmann, Werner: Streiflicher durch die Wirtschaftsgeschichte. Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

zischen Wirtschaft 1816–1834“.25 Die politischen Verhältnisse und die Beziehung des Rheinkreises zum Königreich Bayern sind hingegen umfangreich erforscht, so dass auf zahlreiche Sekundärliteratur zurückgegriffen werden kann.26 Um den Kontext, in dem Scharpff und Lichtenberger agierten, zu rekonstruieren, bieten sich darüber hinaus stadtgeschichtliche Darstellungen zu Speyer an.27 Im Feld der Unternehmensgeschichte kann die Studie an aktuelle Debatten um die historische Entwicklung von Unternehmertum und ‚modernen Unternehmen‘ seit der Frühen Neuzeit zu dominanten Akteuren bzw. Organisationsformen in der sich durchsetzenden Marktwirtschaft anknüpfen. Grundsätzlich besitzt die Unternehmensgeschichte jedoch noch immer einen Schwerpunkt in der Erforschung industrieller Großunternehmen des 20. Jahrhunderts.28 Vollzieht sich in den letzten Jahren auch eine Hinwendung zu früheren Untersuchungszeiträumen, so bildet dabei die Einordnung der Einzelbefunde nach wie vor eine Herausforderung. Unternehmenshistorikern und -historikerinnen stellt sich zum einen die Frage nach der Entwicklung ökonomischer Organisationsformen in der neuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte in einer Langzeitperspektive, zum anderen erhält vor dem Hintergrund der Diversität der Untersuchungsgegenstände auch die grundsätzliche Frage, was ein Unternehmen als ein solches kennzeichnet und charakterisiert, erneut die Aufmerksamkeit der Wissenschaft.29 In diesem Kontext haben die im Jahr 2012 im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte erschienenen Beiträge zur „Entstehung des modernen Unternehmens“ neue Impulse gesetzt.30 Ein Verdienst der Autoren ist es, dass sie versucht haben, vorindustrielle Wirtschaftsakteure und ihre Formen des Wirtschaftens zu analysieren und Veränderungen im unternehmerischen Agieren sichtbar zu machen und im Anschluss historisch einzuordnen – auch wenn die Beiträge sich in ihren Herangehensweisen sehr unterscheiden. Der Debatte um die historischen Entwicklungstrends ökonomischer Organisationsformen liegt nach wie vor die Vorstellung einer evolutionären Entwicklung hin zum industriellen Großunternehmen des 20. Jahrhunderts zugrunde – häufig als eine Art Fortschrittsnarrativ, das die kapitalistische, industrialisierte Marktwirtschaft und die auf ihr basierende Massenkonsumgesellschaft als Zielpunkt einer 25 26

27

28 29 30

Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft. Vgl. u. a.: Fenske, Hans (Hg.): Die Pfalz und Bayern 1816–1956; Ders.: Rheinbayern 1816– 1832; Ders.: Die Wittelsbacher und die Pfalz 1816–1918; Ders.: Von der territorialen Vielfalt zum Rheinkreis; Martin, Michael: „In strenger Vollziehung der Gesetze“; Haas, Rudolf / Probst, Hansjörg: Die Pfalz am Rhein; Moersch, Karl: Geschichte der Pfalz; Haan, Heiner: Hauptstaat – Nebenstaat; Rothenberger, Karl-Heinz: Territorialgeschichte der Pfalz von 1798; Zorn, Wolfsgang: Gesellschaft und Staat in Bayern, sowie: Baumann, Kurt: Von Geschichte und Menschen der Pfalz. Vgl. u. a.: Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert (1814–1918); Hartwich, Wolfgang: Speyer vom 30jährigen Krieg bis zum Ende der Napoleonischen Zeit; Doll, Ludwig Anton: Handel und Wandel in einer alten Stadt, sowie: Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität. Vgl.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte. Vgl.: Banken, Ralf: Die Entstehung des modernen Unternehmens. Vgl.: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2/2012: Die Entstehung des modernen Unternehmens.

1.2 Die Studie im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

21

erfolgreichen Entwicklung zu einem zuvor unbekannten Maß des Wohlstandes in Europa thematisiert. Und es lässt sich kaum bestreiten, dass industrialisierte Großunternehmen zu dieser Entwicklung einen essenziellen Beitrag geleistet haben. Allerdings lässt sich grundsätzlich die Frage stellen, ob ein bipolares Denken in den Kategorien von ‚vormodernen‘ bzw. ‚modernen‘ Unternehmen31 eine tragfähige Basis zum einen zur empirischen Erforschung wirtschaftlicher Organisationsformen und zum anderen zur Einordnung der gewonnenen Erkenntnisse bieten kann.32 Es ließe sich einwenden, dass bisher zu wenig über Organisationsformen vor 1850 geforscht wurde, um einen Überblick über die Vielfältigkeit der Entwicklungen zu erlangen und daraus Entwicklungstrends für längere Zeiträume abzuleiten. Zum anderen existierte auch im 20. Jahrhundert eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationsformen und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nebeneinander – je nach Region und Branche. Selbst einzelne Unternehmen, als komplexe Organisationen, durchliefen selten eine stringente Entwicklung in eine Richtung, die sich mit der Moderne zugeschriebenen Begriffen oder Kriterien wie Integration, Technisierung oder Rationalisierung fassen lässt.33 Ähnliches ließe sich zum Diskurs über die Modernität oder die Ausprägung von Unternehmertum sagen. Auch hier sucht die Unternehmensgeschichte noch nach Möglichkeiten der Definition dieser Akteure und Akteurinnen, die auf komplexe Weise im Wechselverhältnis zu ihrer historischen Umwelt standen und in diesem Kontext Lösungen suchten und fanden, um ökonomische Aktivitäten mit zu organisieren. Die Entwicklung und Ausprägung von Unternehmen oder Unternehmertum in der Geschichte werden häufig anhand von Kriterienkatalogen erforscht, die helfen, einzelne Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Die hier zugrunde gelegten Kriterien werden häufig von der evolutionären Vorstellung einer Entwicklung hin zu in31

32 33

Hier fällt der Unternehmensgeschichte bereits die Begriffsfindung schwer, um Organisationsformen zu beschreiben und zu kategorisieren. Dies zeigt die unterschiedliche Nutzung und die Neuschöpfungen von Begriffen. Vor dem Hintergrund, dass der Unternehmensbegriff einem anhaltenden Diskurs unterliegt und unterschiedlich genutzt wird, erstaunt dies nicht. Auch der Begriff des ‚modernen Unternehmens‘, das sich offenbar vorrangig dadurch charakterisiert, dass es eine an die industrialisierte Marktwirtschaft des späten 19. und 20. Jahrhundert angepasste Organisationsform bildet, bleibt unscharf. Wird den ‚modernen Unternehmen‘ mitunter allein zugebilligt, als voll ausprägte Unternehmen zu gelten, so bleiben die diesen Vorstellungen zugrundeliegenden Kriterien häufig abstrakt und werden je nach Autor oder Autorin unterschiedlich gewichtet und historisch erforscht. Die parallele Nutzung von Begriffen und Beschreibungen, wie „vormoderne Unternehmen“, „Protounternehmen“, „frühe Unternehmen“, „Früh- und Vorformen von Unternehmen“ oder „unternehmensähnlichen Organisationen“ für Organisationsformen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt, dass für die ‚anderen‘ Organisationsformen, von denen die (modernen) Unternehmen abgegrenzt werden sollen, offenbar erst eine Suche nach Begrifflichkeiten eingesetzt hat. Vgl.: Banken, Ralf: Die Entstehung des modernen Unternehmens. Vgl.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 63–106. Vgl.: Gorißen, Stefan: Vorindustrielle Unternehmer?, S. 60 f.; vgl. hierzu auch die Forschungen zu mittleren und kleineren Unternehmen (KMUs), die bis ins 21. Jahrhundert die Wirtschaft prägen und andere Entwicklungspfade beschritten, als die Großunternehmen: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 107–126.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

dustriellen Großunternehmen abgeleitet. So wird danach gefragt, inwiefern frühere Organisationsformen sich ‚bereits‘ diesem Unternehmenstypus annäherten – und wie fortschrittlich sie damit waren.34 Auf theoretischer Ebene bleiben die Fragestellungen abstrakt, wenn z. B. bei der Analyse unternehmenshistorische Quellen nach „ökonomischem Denken und betrieblicher Rechenhaftigkeit“ oder nach der „Durchführung einer strategisch orientierten Unternehmensführung“ gefragt wird.35 Diese Fragestellungen bedürfen der Konkretisierung und Operationalisierung im Einzelfall, wobei unterschiedliche Quellen und theoretische Herangehensweisen zu unterschiedlichen Antworten führen. Häufig wird in Studien auch die Frage des Erfolgs von Unternehmen thematisiert.36 Der Erfolg eines Unternehmens oder von Unternehmern bzw. Unternehmerinnen wird dabei ebenfalls häufig an den Maßstäben einer modernen Wachstumswirtschaft gemessen. Entsprechend wird zum Beispiel wachsender Umsatz oder Gewinn, Marktexpansion und ein damit einhergehender Ausbau des Unternehmens als Erfolg angesehen. Aufgrund der Abstraktheit des Begriffs und der Eingebundenheit der Akteure oder Akteurinnen in ihre historische Umwelt, stellt sich die Frage, ob es nicht zielführender ist, in der Forschung nach den Zielen – nach den „subjektiven Zielpräferenzen“37 – und Konzepten der Akteure oder Akteurinnen selbst zu fragen, um zu verstehen, was für sie eine erfolgreiche Entwicklung bildete.38 Möchte man von dem bipolaren Denken – davon, die Zeit vor 1850 „rückwärtsgerichtet“ in die „Periodisierung der deutschen Industrialisierung“39 einzureihen – also vorläufig Abstand nehmen und Unternehmen zunächst wertfrei „als organisatorische Antworten auf Chancen und Herausforderungen einer sich verändernden Umwelt“40 betrachten, so lässt sich nach einzelnen Entwicklungen fragen, die die Struktur von Unternehmen oder die Ausgestaltung des ökonomischen Engagements von Unternehmern und Unternehmerinnen betreffen. Empirisch lässt sich zum Beispiel nach der Größe, den Hierarchien, der Arbeitsteilung, der Selbständigkeit bzw. Abgrenzung41 des Unternehmens nach außen, seinem Verhältnis zur Umwelt bzw. zum Markt42 oder der internen Verwaltung der Geschäfte fragen. Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse lassen sich Einflussfaktoren identifizieren, die die Entwicklung prägten – wie beispielsweise die Globalisierung und der damit einhergehende Entwicklungstrend zu einer großräumigen, anonymen Marktwirtschaft. Die34 35 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. z. B. Monti, Alessandro: Moderne Unternehmen in vorindustrieller Zeit, S. 63–91. Ebd., S. 66. Vgl. z. B.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 22 – oder zum Beispiel in Einzelstudien: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 316– 318. Lutz, Martin: Präferenzen, S. 74. Vgl. zu der Problematik der Definition von Erfolg und zur Bewertung des ‚Erfolgs‘ von Unternehmen in historischer Perspektive, u. a.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 103–105; sowie: Lutz, Martin: Präferenzen. Monti, Alessandro: Moderne Unternehmen in vorindustrieller Zeit, S. 90. Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 63. Vgl.: Banken, Ralf: Handlung, Firma, Unternehmen. Vgl.: Engel, Alexander: Die Transformation von Märkten und die Entstehung moderner Unternehmen.

1.2 Die Studie im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

23

ses Vorgehen ermöglicht es im Anschluss, durch die Einnahme von vergleichenden Perspektiven, die Ungleichzeitigkeit der Entwicklungen sowie alternative Entwicklungspfade herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt könnten dann, aufbauend auf einer wachsenden Menge von Einzelstudien, differenzierter Entwicklungspfade von Organisationsformen oder Unternehmertum in einer Langzeitperspektive betrachtet werden, um die Wirtschaftsentwicklung besser zu verstehen.43 Bei der Beschäftigung mit Unternehmern und Unternehmerinnen ist es wichtig, nicht nur Bezug auf die Unternehmensgeschichte zu nehmen, sondern auch die Diskurse und Ergebnisse der Bürgertumsforschung zu rezipieren. Diese sind relevant, da Unternehmergeschichte und (Wirtschafts-)Bürgertumsforschung oft gleiche Forschungsobjekte haben. Sie unterscheiden sich vorrangig durch Fragestellungen und genutzte Quellen. Gerade bei Studien zu Wirtschaftsakteuren und -akteurinnen spielen die kultur- und sozialwissenschaftlichen Perspektiven der Bürgertumsforschung eine wichtige Rolle. Sie können Hinweise auf die Mentalitäten, Werte und Normen geben, die ökonomisches Agieren beeinflussten.44 Bei der Erforschung von Unternehmern oder Unternehmerinnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert dominieren in der Geschichtswissenschaft (kollektiv-) biografische Perspektiven.45 Als relativ aktuelle Monografien zu vor- und frühindustriellen Unternehmen können Adelheid von Salderns Studie zur „Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert“46, Stefan Gorißens „Sozialgeschichte der Firma Harkort“47 und Ulrich S. Soénius’ „Wirtschaftsbürgertum im 19. und 20. Jahrhundert“48 angesehen werden. Allen Dreien liegt der Versuch zugrunde, Wirtschafts- mit Sozial- und Mentalitäts- bzw. Kulturgeschichte zu verbinden. Alle Studien arbeiten auf der Grundlage einer breiten Quellenbasis und integrieren vielfältige Quellengattungen. Bei Ulrich S. Soénius rückt der Unternehmer oder die Unternehmerin als in der Wirtschaft Handelnder in den Hintergrund. In seinem fast 800 Seiten starken Werk vollzieht der Autor einen Rundumschlag wirtschaftsbürgerlichen Lebens, bei dem er die Erziehung und Sozialisation, die Geschlechterverhältnisse und das Leben in der Unternehmerfamilie, die Lebensstile und -standards, das öffentliche Auftreten der Akteure und ihr politisches Engagement in den Blick nimmt. Wirtschaftsbürgern wird, ganz in der Tradition der Bürgertumsforschung, ein spezifisches Selbstbewusstsein, eine eigene Mentalität und ein eigener Lebensstil attestiert, den es 43

44 45

46 47 48

Vgl. z. B. das Vorgehen Adelheid von Salderns oder Stefan Gorißens, die in ihren Studien die Unternehmen vorrangig auf verschiedene Geschäftsbereiche und Arbeitsprozesse sowie Handlungseben hin untersuchen, vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, sowie: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, Kapitel III bis V. Vgl. u. a.: Schulze, Andreas: Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. Jahrhundert, sowie: Hettling, Manfred; Hoffmann, Stefan-Ludwig: Der bürgerliche Wertehimmel. Vgl.: u. a. Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums; Panke-Kochinke, Birgit: Die Saarbrücker Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie Gosling; Straubel, Rolf: Kaufleute und Manufakturunternehmer; Weber, Klaus: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680–1830 oder Möckl, Karl (Hg.): Wirtschaftsbürgertum in den deutschen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert. Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen. Soénius, Ulrich S.: Wirtschaftsbürgertum im 19. und 20. Jahrhundert.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

anhand von Quellenanalysen herauszuarbeiten bzw. zu konkretisieren gilt. Dabei wird nicht in den Blick genommen, wie sich diese Faktoren auf das Wirtschaften auswirkten. Vielmehr wird auf das politische und gesellschaftliche Leben Bezug genommen. Hierin grenzt sich die folgende Studie von Soénius ab, indem sie sich mit einem eingeschränkteren Zeitraum beschäftigt, sich hierbei aber stärker auf das ökonomische Agieren der Unternehmer fokussiert und auf die Akteurskonzepte, Normen und Werte, die in der Wirtschaft kommuniziert wurden und wirkten. Stefan Gorißen richtet den Blick in seiner umfangreichen Studie zur Firma Harkort auf eine Gewerberegion, die Grafschaft Mark, und ein Unternehmen, an dessen Beispiel er die Entwicklungen in der Region exemplarisch untersucht. Seine Studie konzentriert sich somit stärker auf die ökonomische Entwicklung als die von Soénius, in der sie nur den Kontext der wirtschaftsbürgerlichen Lebensform bildet. Die Firma Harkort, die in vielfältigen Geschäftszweigen tätig war, verlagerte im Untersuchungszeitraum ihren Schwerpunkt vom Handel zur gewerblichen Produktion. Dabei setzt sich Gorißen mit der Theorie der Protoindustrialisierung auseinander, die versucht hat, das vorindustrielle Wachstum einer Gewerberegion und den Übergang zur Industrialisierung anhand verschiedener Faktoren zu erklären. In der Studie gelingt ein differenzierter Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens im Kontext des regionalen und staatlichen Umfeldes und in Hinblick auf das überregionale Marktgefüge. Dabei richtet Gorißen auch den Blick auf die Akteure bzw. Akteurinnen im Unternehmen, untersucht die Einkommens- und Lebensumstände der Arbeitskräfte und wendet sich dann „Mentalität und Selbstbewußtsein“49 der Unternehmensinhaber zu. Hier fragt er insbesondere nach der Herausbildung einer „kapitalistischen Rationalität“,50 deren Ausprägung er in der Buchführung der Firma nachgeht. Überdies stehen wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen im Zentrum der Betrachtung. Schließlich fragt der Autor nach der „Modernität“ des „protoindustriellen Kaufmanns“51 und versucht ihn, bezogen auf die Industrialisierung und der Entwicklung hin zur Marktwirtschaft, in die Wirtschaftsgeschichte einzuordnen. Mit seiner komplexen Untersuchung gelingt Gorißen eine wegbereitende Studie zur Betrachtung ökonomischer Akteure oder Akteurinnen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in der er sich mit vielfältigen Aspekten auseinandersetzt, an die ich in der folgenden Studie anknüpfen kann. Adelheid von Saldern stellt in ihrer im Jahr 2009 erschienen Studie zur „Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert“ eine Unternehmerfamilie in den Mittelpunkt ihrer Studie. Sie stellt die Formen des Wirtschaftens der Schoellers auf der einen Seite mit ihren „Sinnkonstruktionen“,52 also ihren Weltbildern, Normen und Werten auf der anderen Seite ins Verhältnis und befragt die Quellen, in welcher Wechselwirkung diese beiden Pole standen. Im Zentrum steht dabei die Unternehmerfamilie und die sozialen Beziehungen der Akteure, die – als „Netzwerk“53 gedacht – als Organisationsstruktur für ökonomische Aktivitäten dienten. Um ein tie49 50 51 52 53

Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 358. Vgl.: Ebd., S. 13. Vgl.: Ebd., S. 358. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 329. Vgl. zum Netzwerkebegriff von Salderns: Ebd., S. 13–22.

1.2 Die Studie im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

25

feres Verständnis der Unternehmer zu erlangen, beleuchtet sie am Schluss ihrer Studie die Normen und Praktiken im Geschäftsverkehr. Adelheid von Saldern leistet wichtige Vorarbeiten für eine Auseinandersetzung mit Formen ökonomischer Kommunikation und kommuniziertem Handel, an die ich anknüpfen werde. Ihre Analyse vollzieht sie auf Basis der im Unternehmensnachlass vorhandenen Briefsammlung, die mehr oder weniger zufällig überliefert wurde und nicht die gesamte, durch die Unternehmer im Rahmen der Geschäftsführung gesammelte Korrespondenz aus dem Kaufmannskontor abbildet. Sie betont, das systematische Studien zu Geschäftskorrespondenzen als eigenständigem „Genre“54 in der Schriftkultur jener Zeit fehlen und regt eine tiefergehende Erforschung dieser Praxis und eine Reflexion über die daraus hervorgegangenen Quellen an. Mit der ökonomischen Kommunikation eines Unternehmens im 19. Jahrhundert hat sich daneben erstmals der Historiker Rainer Liedtke in seiner Studie „N M Rothschild & Sons. Kommunikationswege im europäischen Bankenwesen im 19. Jahrhundert“ differenziert auseinandergesetzt.55 Das Kommunikationsnetzwerk der Londoner Bank setzte sich aus einer Vielzahl von Geschäftsagenten und -korrespondenten zusammen. Liedtke betrachtet die Struktur dieses Netzwerkes, seine Leistungsfähigkeit im Kontext der infrastrukturellen Rahmenbedingungen und die Kommunikationstechniken und -praktiken – und stellt schließlich die Frage, inwieweit dieses Netzwerk den Erfolg des Unternehmens begründen konnte. Mit der Nutzung von geschäftlicher Korrespondenz aus den Kontoren der Unternehmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. als zentraler Quellengattung beziehe ich mich auch auf die bisherigen Erkenntnisse der Handels- und der Kaufmannsgeschichte. Diese steht in einer langen Tradition, widmet sich in Europa vorrangig seit den 1960er Jahren auch dem 19. Jahrhundert, das aber noch immer unterbelichtet scheint – bilden doch die vorhergehenden Jahrhunderte den klassischen Untersuchungszeitraum. Bis heute sucht die Kaufmannsgeschichte zudem Wege, um Studien zu einzelnen Akteuren oder Akteurinnen und Studien zu Handelsströmen auf der Makroebene an wirtschafts- und sozialhistorische Diskurse anzubinden, in größere Kontexte zu stellen und an der Beantwortung zentraler Fragen mitzuwirken – zum Beispiel im Rahmen der Industrialisierungsdebatte. Kaufleute und Handel sind in diesem Kontext nicht getrennt, sondern im Hinblick auf die (gesamt)wirtschaftliche Entwicklung zu betrachten – im Wechselverhältnis zu bzw. als integraler Bestandteil von sozial- und wirtschaftshistorischen Entwicklungen.56 Stefan Gorißen kritisierte aus dieser Perspektive bereits 2002 den Stand der „reichlich verstaubten Handelsgeschichtsschreibung“57 – und verwies damit auf die Randstellung und geringe Beachtung in der wirtschafts- und sozialhistorischen Forschung. Er schloss sich dem Appell des Wirtschafts- und Sozialhistorikers Jochen Hooks an, bisherige Erkenntnisse zu Warenflüssen und Kaufleuten mit For54 55 56 57

Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 273. Vgl.: Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons. Vgl. als bis heute aktuelle Zusammenfassung zur Entwicklung der Kaufmannsgeschichte: Hook, Jochen: Zum Stand der europäischen Kaufmannsgeschichte. Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmens, S. 26.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

schungen zu Güterproduzenten und Gewerbeentwicklung stärker zur verknüpfen und aufeinander zu beziehen. Gorißen ist diesem Pfad in seiner Studie zur Firma Harkort gefolgt, indem er den Handel als integralen Bestandteil der Organisation einbezogen, erforscht und auf seine Relevanz für regionale Gewerbeentwicklung befragt hat. Diesen Appell möchte ich im Folgenden ebenfalls beherzigen. Scharpff und Lichtenberger waren nicht alleine Kaufleute, deren Tätigkeiten sich auf den Betrieb eines Handelsgeschäftes beschränken ließen. Sie waren unternehmerisch tätige Akteure, die in vielfältigen Bereichen aktiv wurden und durch ihre kommunikative und ökonomische Vernetzung Teil der Wirtschaftsentwicklung waren. Ihr Handeln ist nur im Wechselverhältnis mit der historischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen gewinnbringend zu analysieren. Zurzeit beschäftigt sich ein Großteil von Studien im Bereich der Handelsgeschichte mit transnational oder global agierenden Fernhändlern,58 während die Erforschung des Deutschen Bundes dahinter zurückbleibt. Relativ aktuelle Erkenntnisse zur Kaufmannsgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland liegen in Form von Sammelbändern vor. Hier findet auch eine erste Auseinandersetzung mit den spezifischen Quellen dieses Forschungsbereiches statt, wobei diese noch relativ lückenhaft bleibt.59 So bemängelte bereits Hoock in seinem Überblick zur Kaufmannsgeschichte die geringe Erforschung von ökonomischen Techniken und Praktiken.60 Ist dazu im Jahr 2010 auch ein Sammelband erschienen, so kratzt dieser nur an der Oberfläche des Themenbereiches.61 Auch hier kann meine Studie somit einen Beitrag leisten. Um den familiären Kontext und die soziale Herkunft von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger zu rekonstruieren, bieten sich vor allem Publikationen der Pfälzischen Familien- und Wappenkunde an, in denen besonders zur Familie Lichtenberger,62 aber auch zur Familie Scharpff,63 mehr oder weniger umfassende Stammtafeln publiziert wurden. Darüber hinaus haben sich Aufsätze zur Familie Lichtenberger64 sowie zu den frühen Einwohnern der Stadt Ludwigshafen65 mit den Akteuren beschäftigt. Eine umfassendere Darstellung der Biografien und der ökonomischen Tätigkeiten der Unternehmer habe ich 2011 in einem Aufsatz publiziert.66 Erste Einblicke in das unternehmerische Wirken von Johann Heinrich

58 59 60 61 62 63 64 65 66

Vgl. u. a.: Schulte Beerbühl, Margrit / Vögele, Jörg: Spinning the Commercial Web; Weber, Klaus: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680–1830. Vgl.: Hoock, Jochen / Reininghaus, Wilfried (Hg.): Kaufleute in Europa, sowie: Häberlein, Mark / Jeggle, Christof (Hg.): Praktiken des Handels. Vgl.: Hoock, Jochen: Zum Stand der europäischen Kaufmannsgeschichte, S. 17. Vgl.: Häberlein, Mark / Jeggle, Christof: Praktiken des Handels. Vgl.: Raimar, Josef: „Die pfälzische Familie Lichtenberger“. Vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers. Vgl.: Raimar, Josef: Heinrich Wilhelm Lichtenberger. Vgl.: Poller, Oskar: Die Entstehung Ludwigshafens, S. 6–8, sowie: Raimar, Josef: Alte Ludwigshafener Familien, S. 1–9. Vgl.: Limbach, Rabea: Die frühindustriellen Unternehmer Scharpff und Lichtenberger. Einige der dort publizierten Erkenntnisse über die Biografien und die Familiengeschichte der Unternehmer werden in der Folge jedoch auf Basis neuer Erkenntnisse revidiert, vgl. Kapitel 2.

1.3 Die Briefkopierbücher in den Unternehmensnachlässen

27

Scharpff bietet schließlich die Diplomarbeit „Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff in Speyer am Rhein in den Jahren 1820 und 1821“67 von Hans Megner. Die Geschichte des von Scharpff und Lichtenberger aufgebauten Handelsplatzes in der Rheinschanze fand seit den 1860er Jahren Eingang in die Geschichtsschreibung der Stadt Ludwigshafen am Rhein.68 Die Entstehung der Stadt unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Entwicklung behandelte die Arbeit des ehemaligen Stadtarchivars Willi Breunigs „Vom Handelsplatz zur Industriestadt“,69 die sich mit der Entwicklung des Gebietes vom frühen 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Zu bedenken ist bei den Werken zur Ludwigshafener Stadtgeschichte aber stets, ebenso wie bei einigen Werke zur Regionalgeschichte der Pfalz, dass diese nur teilweise mit einem wissenschaftlichen Anspruch verfasst wurden und an das regionalgeschichtlich interessierte Publikum gerichtet sind. Sie stehen im Kontext der regionalen Erinnerungskultur und müssen aus wissenschaftlicher Perspektive kritisch gelesen werden. Ein aktuelles und hilfreiches Nachschlagewerk zur Stadtgeschichte Ludwigshafens bildet die „Geschichte der Stadt Ludwigshafen am Rhein“.70 Herausgegeben von den Archivaren der Stadt, Stefan Mörz und Klaus-Jürgen Becker, ist sie in Zusammenarbeit zahlreicher Historiker entstanden und bildet eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Stadtgeschichte. 1.3 DIE BRIEFKOPIERBÜCHER IN DEN UNTERNEHMENSNACHLÄSSEN Aufgrund der mangelhaften Überlieferung, aber auch aufgrund der Herausforderungen, die Massenquellen an Historiker und Historikerinnen stellen, standen Briefkopierbücher bislang nicht im Zentrum von Studien.71 In ihnen dokumentierten Kaufleute ihre versandte Geschäftskorrespondenz. Über den Wert von Korrespondenz hielt Adelheid von Saldern vor einigen Jahren fest, dass eine Auswertung dieser Quellen unter Kommunikationsaspekten die Möglichkeit bietet, die Berufswelt der Unternehmer oder Unternehmerinnen, ihr „kommunikatives Handeln“72 – dem große Bedeutung in der Unternehmensgeschichte zukomme – stärker in den Blick zu nehmen. Briefe waren ihr zufolge das wichtigste „Medium der Vernetzung“:73 67 68 69 70 71

72 73

Megner, Hans: Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff. Vgl.: Hoffmann, Joseph: Kurze Geschichte des Handelsplatzes Ludwigshafen. Breunig, Willi: Vom Handelsplatz zur Industriestadt. Mörz, Stefan / Becker, Klaus-Jürgen (Hg.): Die Geschichte der Stadt Ludwigshafen am Rhein. Vgl. z. B.: Reininghaus, Wilfried: Kaufmännisches Schriftgut im „Hinterland“ von Amsterdam, S. 51–60; sowie die Quellenedition von Briefkopierbüchern im späten 18. Jahrhundert: Kraack, Detlev: Die Briefkopialbücher des Flensburger Kaufmanns Christian Dethleffsen; lediglich in vereinzelten Aufsätzen wurden Briefkopierbücher explizit als Quellengrundlage genutzt, vgl.: Schwanke, Irmgard: … den wir haßen die unangenehme Corespondenz … Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 245. Ebd., S. 245.

28

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns Sie dienten der Informationsvermittlung, der Kommunikation und der Verständigung. Sie galten als „schriftliche Unterredungen“ mit abwesenden Personen […]. Gerade die Ausdrucksmöglichkeit durch die Schriftsprache gehörte zu den erstrangigen sozialen Kompetenzen des sich entfaltenden (Wirtschafts-)Bürgertums, zumal Geschäftsbriefe nicht selten auch einige über das rein Geschäftliche hinausgehende Bemerkungen und Informationen […] enthalten.74

Stützte sich Adelheid von Saldern in ihrer Studie zu den Schoeller-Häusern aufgrund der unvollständigen Überlieferung auf eine in ihrer Zusammenstellung eher zufällig entstandene Briefsammlung, so kann die folgende Studie auf einen Großteil der chronologisch gesammelten und für einen Zeitraum von rund zweieinhalb Jahrzehnten (1813–1840) überlieferte Korrespondenz in Form von Briefkopien zurückgreifen. Der Archivar und Historiker Wilfried Reininghaus charakterisierte den Inhalt von Briefkopierbüchern wie folgt: Die meisten Briefe […] kreisen um Einzelfragen, die für den Geschäftsabschluß wichtig waren, um Beschaffenheit, die Lieferung und die Bezahlung der Waren. Man mußte sich über Mengen und Preise, die Transportmittel und die Spediteure untereinander ebenso verständigen wie über die Bezahlung des Handelspartners. […] Informationen über außergewöhnliche Vorfälle, Konkurse, Handelskrisen, Kriege oder ähnliches verschafften dem Partner Vorteile an dessen Platz. Umgekehrt wurde der gleiche Informationsfluß erwartet.75

Briefkopierbücher bieten, so wird aus diesem Zitat deutlich, einen vielfältigen Einblick in die Kommunikation und das Agieren Einzelner. Die Inhalte der Briefe lassen sich je nach Schreiber oder Schreiberin und Adressat oder Adressatin individuell ergänzen – kommuniziert werden konnte alles, was mit der (alltäglichen) ökonomischen Tätigkeit der Kaufleute im Kontor in Zusammenhang stand. Briefkopierbücher stellen damit eine wichtige, bisher unterschätzte Quellengattung für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dar. Sieht Reininghaus in der Fülle der Einzelquellen, ihrer Vielzahl von Informationen sowie den vielfältigen Abkürzungen und Auslassungen beim Kopieren der Briefe Schwierigkeiten, mit denen der Historiker oder die Historikerin umgehen muss, so bietet diese Quellengattung gerade die Chance, einen detaillierten Blick auf das Wirtschaften Einzelner zu werfen. Die Fülle der Informationen muss dabei durch systematische Quellenauswahl handhabbar gemacht werden. Die folgende Studie bedient sich zum einen quantitativer Methoden bei der Auswertung der Register der Bücher, um die Verteilung und Ausdehnung der schriftlichen Kommunikation aus den Kontoren geografisch auszumessen. Zum anderen ermöglicht ein qualitatives, fallbeispielhaftes Studium von Korrespondenzen eine Analyse der Form und die Inhalte des Schriftverkehrs. Die Briefkopierbücher von Scharpff und Lichtenberger sind Teil der umfangreichen Unternehmensnachlässe, die in zwei öffentlichen Archiven überliefert sind, dem Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein76 sowie der rheinland-pfälzischen Landesbibliothek Speyer.77 Die beiden Quellenbestände beinhalten jeweils Quellen beider Handelshäuser und am Rande auch Schrifttum verwandter Kaufleute bzw. ihrer Unternehmen vom späten 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. 74 75 76 77

Ebd. Reininghaus, Wilfried: Kaufmännisches Schriftgut im „Hinterland“ von Amsterdam, S. 58. Vgl.: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein (StALu), WS1. Vgl.: Landesbibliothek Speyer (LBibSp), N41.

1.3 Die Briefkopierbücher in den Unternehmensnachlässen

29

Für die unternehmenshistorische Forschung bildet dieser Quellenbestand einen Glücksfall, da hier private Unternehmensnachlässe mit über hundert Geschäftsbüchern und diversen Loseblattsammlungen in öffentlichen Archiven überliefert wurden, bevor Wirtschaftsarchive auch nur initiiert waren, und der Forschung dadurch zugänglich sind. In den Nachlässen von Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff sind 55 Briefkopierbücher überliefert.78 21 Bücher sind Lichtenberger & Co. zuzuordnen,79 während 32 Bücher der Buchführung des Handelshauses Scharpff entstammen.80 Die verbleibenden zwei Bücher gehören zum Handelshaus Ludwig Heinrich Schlegels, einem Schwiegersohn Johann Heinrich Scharpffs.81 Diese bleiben in der folgenden Studie außen vor, da sich die bekannte Quellenüberlieferung zu diesem Unternehmen bisher in diesen zwei Büchern erschöpft. Die umfangreiche Quellenüberlieferung der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. bietet schlicht mehr Möglichkeiten, die überlieferte Korrespondenz zu kontextualisieren und in diesem Rahmen zu analysieren. Die Briefkopierbücher von Joh. Hein. Scharpff in Speyer umfassen den Zeitraum zwischen 1801 und 1828. Im Untersuchungszeitraum sind von diesem Handelshaus 17 Briefkopierbücher überliefert, die den Zeitraum von 181382 bis 1828 umfassen. Die Überlieferung endet mit dem Tod des Inhabers und der Auflösung des Unternehmens im Winter des Jahres 1828. Die Erforschung der Briefkopierbücher Scharpffs wurde dadurch erschwert, dass die Beschriftungen schlecht erhalten sind, die Bücher nur teilweise eine chronologische Reihe bilden und das äußere Erscheinungsbild der Bände variiert. Manche Bücher überschneiden sich oder lassen zeitliche Lücken. Zeiträume, in denen keine Korrespondenz überliefert ist, sind nur wenige vorhanden. Überlieferungslücken lassen sich vor allem nachweisen, weil das Handelshaus um 1819 begann, Doppelbände zu führen, die zeitlich parallel oder leicht versetzt geschrieben wurden und die über ein gemeinsames Register verfügten. Einige dieser doppelten Bände sind nicht vollständig überliefert, was dazu führt, dass auch einige Register fehlen. In den Jahren 1815 und 1816 wurden zudem zwei Bände parallel geführt, die jeweils über ein eigenes Register verfügten, so dass sich die Frage stellt, ob noch mehr Bücher verloren gegangen sind, deren Fehlen nicht anhand einer zeitlichen Lücke in der Buchreihe nachgewiesen werden kann. In den Bänden findet sich Korrespondenz in einer hohen Frequenz und zu einem breiten Themenspektrum sowie an geografisch weit verteilte Adressaten und Adressatinnen. Es lässt sich daher ausschließen, dass für verschiedene Inhalte oder Regionen getrennte Buchreihen geführt wurden. Dies und die Tatsache, dass sich Schriftwechsel mit einzelnen Kontakten in den Büchern relativ kontinuierlich durch die Zeit verfolgen lassen, deuten darauf hin, dass nur wenige Bücher verlorenge-

78 79 80 81 82

Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1–55. Vgl.: Ebd., Nr. 1–21. Vgl.: Ebd., Nr. 22–39, Nr. 41–43 und Nr. 45–55 Vgl.: Ebd., Nr. 40 und 44. Vgl.: Ebd., Nr. 37 umfasst die Jahre 1813 bis 1815 und wird daher einbezogen.

30

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

gangen sein können. Die Überlieferung kann daher als repräsentativ für die alltägliche Kommunikation des Unternehmens angesehen werden. Die Briefkopierbücher des Handelshauses Johann Heinrich Scharpff 1813–1828 chronologisch geordnet

Archivbestandsnummer (StaLu, WS1, Nr.)

Laufzeit

Seitenanzahl

37

28. 07. 1813 – 21. 09. 1815

984

38

12. 01. 1815 – 12. 07. 1815

906

39

21. 09. 1815 – 12. 07. 1816

820

41

12. 07. 1816 – 25. 01. 1817

642

42

25. 01. 1817 – 13. 10. 1817

889

43

13. 10. 1817 – 27. 07. 1818

847

45

02. 07. 1818 – 07. 06. 1819

499

47

08. 06. 1819 – 29. 12. 1819

374

46

07. 06. 1819 – 21. 01. 1821

429

48

22. 01. 1820 – 16. 10. 1820

586

53

26. 01. 1820 – 05. 10. 1820

460

49

06. 10. 1820 – 14. 09. 1821

586

50

23. 10. 1821 – 01. 07. 1822

374

51

20. 10. 1821 – 08. 06. 1822

377

52

20. 06. 1822 – 05. 08. 1823

557

54

29. 10. 1824 – 01. 03. 1826

689

55

10. 03. 1826 – 04. 12. 1828

774

Für das Handelshaus Lichtenberger & Co. sind in Ludwigshafen 21 Briefkopierbücher überliefert. Diese sind für den Zeitraum vom 12. 10. 1815 bis zum 31. 10. 1840, also 25 Jahre, nahezu lückenlos erhalten. Eine Lücke ergibt sich lediglich in Briefkopierbuchband Nummer elf, in dem ein Teil des Registers fehlt. Die chronologisch und nahezu täglich geführten Bücher beinhalteten je Band zwischen 68583 und 1.35284 Seiten Korrespondenz, exklusive der Register. Zeitlich umfassen die Bände einen Zeitraum zwischen sechs und 18 Monaten. Der Großteil der Bücher beinhaltet rund 12 bis 18 Monate (15 von 21 Bänden). Neben der alphabetisch geordneten Auflistung der Adressaten der Schreiben werden in den Registern der Briefkopierbücher beider Unternehmen fast immer der Ort, manchmal auch der Beruf oder der (adlige/akademische) Titel der Person aufgeführt oder die Personen werden gelegentlich im Kontext ihrer Familie eingeordnet (z. B. über Bezeichnungen wie ‚senior‘, ‚junior‘, ‚Wittib‘). Die Register ermög83 84

Vgl.: StALu, WS1, Nr. 20. Vgl.: Ebd., Nr. 10.

31

1.3 Die Briefkopierbücher in den Unternehmensnachlässen Briefkopierbücher des Handelshauses Lichtenberger & Co. (1815–1840) chronologisch geordnet

Archivbestandsnummer (StaLu, WS1, Nr.)

Laufzeit

Anzahl der Seiten85

1

12. 10. 1815 – 29. 06. 1816

620

2

30. 06. 1816 – 30. 06. 1817

863

3

01. 07. 1817 – 07. 08. 1818

1.076

4

08. 07. 1818 – 03. 04. 1819

772

5

05. 04. 1819 – 31. 04. 1820

771

6

04. 04. 1820 – 04. 06. 1821

1.028

7

04. 06. 1821 – 16. 05. 1822

1.046

8

18. 05. 1822 – 14. 04. 1823

955

9

14. 04. 1823 – 23. 02. 1824

702

10

24. 02. 1824 – 30. 11. 1825

1.352

11

30. 11. 1825 – 10. 04. 1827

1.344

12

11. 04. 1827 – 09. 04. 1828

1.066

13

10. 06. 1828 – 10. 06. 1829

1.042

14

10. 06. 1829 – 03. 10. 1830

1.161

15

04. 10. 1830 – 23. 12. 1831

1.193

16

23. 12. 1831 – 19. 04. 1833

1.259

17

19. 04. 1833 – 19. 06. 1834

1.069

18

19. 06. 1834 – 06. 10. 1835

1.066

19

07. 10. 1835 – 02. 04. 1838

1.064

20

03. 04. 1838 – 06. 06. 1839

685

21

07. 06. 1839 – 31. 12. 1840

1.071

lichen eine quantitative Auswertung der Quellen jedoch vorrangig bezogen auf die geografische Verteilung der Adressaten. Diese erleichtert es das Kommunikationsnetzwerk, das den Raum der möglichen geschäftlichen Tätigkeit abbildet, zu rekonstruieren. Im Stadtarchiv Ludwigshafen ist neben den Briefkopierbüchern eine Vielzahl von Geschäftsbüchern der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger deponiert, die im Zeitraum zwischen 1728 und 1844 geführt wurden. Hierunter befinden sich 17 oft kleinformatige Keller- bzw. Lagerbücher vorrangig für Wein, 30 „WeinAufnahme“-Bücher oder Hefte, drei „Verkaufbücher“ der Tabakmanufaktur, zwei Preiskopierbücher, ein Wechselkopierbuch, ein „Tabacs-Sconto“, zwei „Journale“, drei so genannte Notizbücher, ein „Cassa-Buch“, zwei „Conto-Corrent“, 85

Hierbei sind nur die Seiten mit Korrespondenzschriftgut einbezogen worden. Das jeweilige Register ist nicht enthalten.

32

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

ein „Arbeitsbuch“, ein „Feldbuch“, zwei Reisenotizbücher mit Berichten über die landwirtschaftliche Entwicklung der Region, ein Heft zu den laufenden Ausgaben der Handelsfiliale in der Rheinschanze und ein weiteres Buchfragment, das schwer zuzuordnen ist und die nachträgliche Aufschrift „Scharpff-Lichtenberger Nachtrag zum Hauptbuch 1819“ trägt. Zur Abwicklung und Abrechnung ihrer Geschäfte bedienten sich die Handelshäuser, so wird aus der Aufzählung bereits deutlich, eines komplexen Buchführungssystems mit einer Vielzahl von Vor-, Neben- und Hilfsbüchern, um vielfältige Arbeitsprozesse und Geschäftsabläufe zu strukturieren und zu dokumentieren. Hauptbücher, als zusammenführende Rechnungsbücher, sind nicht überliefert.86 Außerdem sind die Geschäftsbücher in Ludwigshafen auch nach intensiven Studien aufgrund der gemeinschaftlichen Überlieferung der zwei Unternehmensnachlässe nicht immer eindeutig zuzuordnen. Das Buchführungssystem der Handelshäuser kann daher nicht bis ins Detail rekonstruiert werden. Bei der folgenden Quellenanalyse des Alltagsschriftverkehrs kann die Arbeit bei Waren- und Finanztransaktionen daher vor allem die Geld- und Warenmengen sowie Preise in den vorhandenen Quellen vergleichen und damit das Ausmaß der getätigten Geschäfte zu verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen Geschäftspartnern oder -partnerinnen abschätzen, da ein Bezug auf eine Gesamtstatistik der Unternehmen nicht möglich ist. Neben den Geschäftsbüchern ist im Ludwigshafener Bestand ein Karton mit einer Loseblattsammlung überliefert. Diese beinhaltet neben einzelnen Briefen aus dem Geschäftsverkehr oder aus der privaten Korrespondenz – wie ein Brief des bayerischen Königs Ludwig I. oder ein Briefwechsel mit Kaspar Hauser – unter anderem auch Frachtbriefe, Tabakverpackungsmaterialien sowie Abschriften oder Originale von Notariatsurkunden.87 In der Landesbibliothek Speyer sind weitere Geschäfts- und Privatunterlagen von Scharpff und Lichtenberger in zwei Archivkartons überliefert.88 Es handelt sich um 29 Mappen mit thematisch geordneten Loseblattsammlungen. Der Quellenbestand umfasst Sammlungen von persönlichen Papieren der Inhaber der Handelshäuser und deren Familienmitgliedern, wie Waffenscheine, persönliche Briefwechsel, Arbeitszeugnisse oder eine Balleinladung, bis hin zu vielfältigen Geschäftsunterlagen. Hierunter finden sich vereinzelte Abrechnungen von Warenverkäufen und -einkäufen, Frachtbriefe für Fuhrwerke, Schiffe oder den frühen Eisenbahnverkehr, Lieferscheine, eingegangene Geschäftsbriefe, Unterlagen zu juristischen Auseinandersetzungen und Versteigerungen von Waren oder Immobilien, Anstellungsverträge für Bedienstete, Begleitpapiere für Reisende, Steuerunterlagen, illustrierte Verpackungsmaterialien für Tabake, gedruckte Preislisten oder Werbeschreiben für den Weinhandel. Trotz der Vielzahl der Quellen ist auch hier jede Quellengattung nur in geringer Anzahl vorhanden, so dass die Quellen keinen differenzierten Blick auf die Entwicklung der Unternehmen im Zeitverlauf ermöglichen. Die neben den Briefkopierbüchern existenten Quellen aus den Nachlässen in Speyer und Ludwigshafen konnten jedoch zur Re86 87 88

Vgl. zur Entwicklung der neuzeitlichen Buchführung: Reininghaus, Wilfried: Das Archivgut der Wirtschaft, S. 64–72. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 121–129. Vgl.: LBibSp, N41.

1.4 Der ökonomische Akteur in seiner historischen Umwelt

33

konstruktion der Biografien Scharpffs und Lichtenbergers, der Geschichte ihrer Unternehmen sowie zur Kontextualisierung der analysierten Kommunikations- und Geschäftsabläufe einbezogen werden. Zur Rekonstruktion der Unternehmerbiografien und der Unternehmensgeschichten wurden zusätzlich Quellen aus dem Stadt- und dem Landesarchiv in Speyer sowie aus dem Stadtarchiv Mannheim integriert, die zum Großteil aus der Überlieferung der regionalen Verwaltungsinstanzen stammen. 1.4 DER ÖKONOMISCHE AKTEUR IN SEINER HISTORISCHEN UMWELT Die folgende Reflexion über ökonomische Akteure und Akteurinnen und ihre Umwelt trägt zwei Entwicklungen innerhalb der allgemeinen Geschichtswissenschaft sowie der Wirtschaftsgeschichte Rechnung, mit denen sich die Unternehmensgeschichte seit rund zwei Jahrzehnten auseinandersetzt: Auf der einen Seite dem „linguistic turn“ und der „kulturalistischen Wende“ in der Geschichtswissenschaft,89 auf der anderen Seite dem gestiegenen Interesse an mikrohistorischen Phänomenen bzw. der „institutionenökonomischen Wende“ in der Wirtschaftswissenschaft.90 Dabei sehe ich meine Studie als Beitrag zu einer kulturalistischen Erweiterung der gängigen Unternehmensgeschichtsschreibung, für die sich auch Clemens Wischermann mit seinen Überlegungen zu einer „Neuen Institutionenökonomik in der geschichts- und kulturwissenschaftlichen Erweiterung“91 stark macht. Im Zentrum steht dabei die Annahme, dass sich im Kontext der „Kultur“ kollektive „Sinnwelten“ bilden, die Einfluss auf „Denken und Handeln“ von Wirtschaftsakteuren oder -akteurinnen nehmen.92 In der folgenden Studie distanziere ich mich theoretisch von der häufig anzutreffenden Neuen Institutionenökonomik93 und suche nach einem an die aktuellen Diskussionen anschlussfähigen Akteursmodell und einer Institutionentheorie, die es ermöglichen, ‚kulturelle‘ Einflüsse auf Akteurskommunikation und -handeln zu fassen. Die theoretische Reflexion verdeutlicht meinen eigenen Standort als Forscherin, von dem aus ich den Untersuchungsgegenstand in den Quellen analysiere.94 Wovon wird ein Unternehmer oder eine Unternehmerin historisch in seinem Handeln beeinflusst und was prägt seine Kommunikation? – Oder anders gefragt: In welchem Wechselverhältnis steht der Akteur oder die Akteurin und seine bzw. ihre Umwelt? Wird den Wirtschaftswissenschaften auch heute noch vorgeworfen, ihre Akteurskonzepte gingen oft zu sehr in die Richtung eines auf egoistischen, ei89 90 91 92 93 94

Vgl.: Hesse, Jan-Otmar / Kleinschmidt, Christian / Lauschke, Karl: Einleitung, S. 12. Vgl.: Ebd. Wischermann, Clemens: Von der „Natur“ zur „Kultur“. Ders.: Wirtschaftskultur und Wirtschaftsgeschichte, S. 61 f. Vgl.: Erlei, Mathias / Leschke, Martin / Sauerland, Dirk: Neue Institutionenökonomik, S. 1–55. Vgl. zum möglichen Umgang mit Theorien und der Theorienvielfalt: Siegenthaler, Hansjörg: Theorienvielfalt in der Geschichtswissenschaft, sowie: Spoerer, Mark: Mikroökonomie in der Unternehmensgeschichte?

34

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

gennutzenmaximierenden, allwissenden, rational handelnden ‚homo oeconomicus‘ der Neoklassik, so stehen Konzepte der Soziologie mitunter im Verdacht von einer sozialen Determinierung des Akteurs (‚homo sociologicus‘) auszugehen.95 Beides wird von Seiten vieler Wirtschaftshistoriker und -historikerinnen als realitätsverkürzend angesehen. Aktuelle Theorieansätze versuchen ein Modell zu entwerfen, das der Komplexität des menschlichen Handelns und der sozialen Einbettung von Akteuren oder Akteurinnen gerechter wird, durch eine Reduktion der komplexen Wirklichkeit eine Untersuchung aber trotzdem handhabbar werden lässt. Die folgenden Überlegungen lehnen sich an die durch den Ökonomen Viktor Vanberg entwickelte „evolutorisch-verhaltenstheoretische Perspektive“96 an, die er in der Diskussion um den neoklassischen Akteur oder die neoklassische Akteurin bereits 1989 entwickelte, die im Kontext der wirtschaftshistorischen Theoriediskurse aber durchaus ihre Aktualität bewahrt hat. Grundlage von Handlungstheorien, als Theorien der Mikroebene, ist der methodologische Individualismus, das heißt das Denken von dem oder der Einzelnen aus und die Vorstellung, dass die Wirtschaft sich aus dem Handeln und der Interaktion Einzelner konstituiert.97 Der Akteur oder die Akteurin befindet sich stetig in Situationen, in denen er oder sie Probleme lösen muss. Dabei verfolgt er oder sie durch vernunftgeleitetes Abwägen (‚Rationalität‘) gewisse Ziele – in der ökonomischen Theorie oft als ‚Nutzenorientierung‘ deklariert.98 Bei ökonomischen Akteuren oder Akteurinnen wird angenommen, dass diese auf einen wie auch immer gearteten materiellen Nutzen oder Mehrwert (Gewinn) abzielen, der als grundlegender Antrieb für ökonomisches Handeln gilt. Wie sich dieses Ziel konkret ausgestaltet, ist in der historischen Forschung im Einzelfall zu untersuchen. Ziele und Präferenzen eines Akteurs oder einer Akteurin, die als motivationale Grundlagen Einfluss auf Handeln nehmen, werden innerhalb der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Theoriebildung mit wechselnder Akzentuierung als Teil der biologischen, sozialisatorischen bzw. kulturellen und/oder individuellen Prägung oder Entwicklung eines Menschen verstanden. Da der komplexen Welt, die uns umgibt, eine nur beschränkte Aufnahme- und Verarbeitungskapazität des Menschen entgegen steht, kann der Akteur oder die Akteurin Entscheidungen und darauf basierende Handlungsstrategien nur auf Basis individuell gewonnenen, subjektiven Wissens über diese Welt entwickeln. Um Entscheidungen zu treffen und zu handeln benötigt er oder sie Strategien, um die verfügbaren Informationen zu filtern. Letztendlich kann der Akteur oder die Akteurin aber nicht wissen, ob die von ihm oder ihr subjektiv interpretierte Situation und die 95

96 97 98

Zum Konzept des Homo oeconomicus, vgl. u. a. Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann; Mark Spoerer und andere haben aber zu Recht darauf verwiesen, dass sich die Akteurskonzepte in der Mikroökonomik vom oft kritisierten, vereinfachten ‚homo oeconomicus‘ fortentwickelt haben, vgl.: Spoerer, Mark: Mikroökonomie in der Unternehmensgeschichte?, S. 182. Vgl.: Vanberg, Viktor: Rationale Wahlhandlung, Regelorientierung und Institutionen. Dass diese Vorstellung eine sehr moderne ist, die unserem Zeitgeist entspricht, hat Werner Plumpe schlüssig herausgearbeitet, vgl.: Plumpe, Werner: Die Neue Institutionenökonomik und die moderne Wirtschaft. Vgl. zur Notwendigkeit einer theoretischen Rationalitätsannahme zum Verständnis von Akteuren und Akteurinnen: Siegenthaler, Hansjörg: Theorienvielfalt in den Geschichtswissenschaft.

1.4 Der ökonomische Akteur in seiner historischen Umwelt

35

darauf basierenden Handlungskonzepte wirklich zur Erreichung seines Zieles führen werden. Es bestehen immer Risiken, da das Handeln lediglich durch die erwarteten Konsequenzen motiviert ist. Akteure und Akteurinnen entscheiden nicht in jeder Situation aufs Neue unter bewusster Abwägung aller zur Verfügung stehenden Informationen. Sie können im Verlauf ihres Lebens lernen, klassifizieren Situationen auf Basis ihrer bisherigen Erfahrungen und entwickeln Handlungsroutinen für als ähnlich wahrgenommene Situationen. Lernprozesse können sich dabei auf eigene Experimente (trial and error) stützen, aber auch auf der Beobachtung Dritter beruhen. Akteure und Akteurinnen entwickeln dadurch im Laufe ihres Lebens ein sich wandelndes Verhaltensrepertoire. Besondere Herausforderungen sind, möchte man diesen Annahmen folgen, als neu wahrgenommene Situationen, die nicht mit Hilfe von Routinen oder subjektiv entwickelte Handlungsregeln bewältigt werden können. Diese werden vorrangig durch Veränderungen in der Umwelt hervorgerufen. Verhaltensrepertoires – oder das Set von erlernten Verhaltensregeln – basieren nach Viktor Vanberg auf dem Prozeß der biologischen Evolution, in dem genetisch verankerte Verhaltensdispositionen geformt werden; [dem] Prozeß individuellen Lernens, in dem das Verhaltensrepertoire einer Person ausgebildet wird; und schließlich […] [dem] Prozeß kultureller Evolution, in dem die kulturell überlieferten Regeln, die in einer sozialen Gruppe oder Gesellschaft vorherrschen, ausgebildet werden.99

Hierbei misst Vanberg der biologischen Evolution und somit der genetischen Vorprogrammierung eine relativ geringe Bedeutung bei. Vielmehr sieht er den Menschen als subjektiv lernendes Wesen, das sich stetig neu an seine Umwelt anpassen kann. Doch nicht nur Einzelakteure und -akteurinnen lernen und sammeln Erfahrungen. Gruppen von Menschen entwickeln in Interaktion miteinander Regelsysteme. Viktor Vanberg bezeichnet dies als „kulturelle Evolution“,100 in der sich die kulturell überlieferten Regeln in einer Gesellschaft ausprägen. Diese können, in Anlehnung an wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institutionentheorien, als Institutionen definiert werden und stellen den Kontext dar, in dem ein Akteur oder eine Akteurin handelt. Diese Institutionen können als gemeinschaftliche Standardantworten auf gewisse Problemsituationen gesehen werden, die Erwartungen und Handlungsstrategien von Akteuren oder Akteurinnen beeinflussen. Vanberg definiert diese „Institutionen als Systeme oder Netzwerke von miteinander verbundenen und sich gegenseitig stabilisierenden Verhaltensroutinen“.101 Akteure und Akteurinnen können sich diesen Regeln anpassen. Dies kann ihnen auch nutzen und als effektiv zur Bewältigung einer Situation angesehen werden, aber die Akteure oder Akteurinnen sind durch diese Regeln nicht in ihrem Handeln determiniert. Mithilfe von institutionentheoretischen Ansätzen lässt sich der Blick auf die soziale Umwelt des Akteurs oder der Akteurin und deren Einfluss auf sein oder ihr Handeln schärfen. Anschlussfähig an das oben skizzierte Akteurskonzept ist das 99 Vgl.: Vanberg, Viktor: Rationale Wahlhandlung, Regelorientierung und Institutionen, S. 406. 100 Vgl.: Ebd. 101 Vgl.: Ebd.

36

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

Konzept des Akteurszentrierten Institutionalismus von Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf,102 an dem ich mich im Folgenden orientieren möchte und das erst vereinzelt, zuletzt durch Martin Lutz,103 in der Geschichtswissenschaft rezipiert wurde. Dieser Theorieansatz entstammt einem politikwissenschaftlichen Kontext, in dem das Verhältnis zwischen gesellschaftlicher Selbstregelung und politischer Steuerung erforscht wurde. Die Begriffsdefinitionen von Mayntz und Scharpf bieten sich für die historische Forschung an, da sie eine Offenheit aufweisen für die empirische Untersuchung von Akteuren und Akteurinnen (ihren Handlungsmotivationen sowie ihrer Kommunikation und ihrem Handeln) und Institutionen (ihrer Ausgestaltung und Entwicklung) sowie für die Wechselwirkungen zwischen Akteur bzw. Akteurin und Institutionen. Der Institutionenbegriff wird im Akteurszentrierten Institutionalismus auf Regelungsaspekte konzentriert. Um den Begriff zu konkretisieren, erscheint es sinnvoll, über dessen möglichen Inhalte nachzudenken. Mayntz und Scharpf bieten eine „Minimalklassifikation von Regelungsinhalten“ an, die es ermöglicht, Institutionen in der Geschichte ausfindig zu machen und anhand ihrer Merkmale zu unterscheiden. Institutionen sind demzufolge charakterisiert dadurch, dass sie – – –

für bestimmte Situationen (materielle) Verhaltens- und (formale) Verfahrensnormen festlegen; spezifizierten Adressaten die Verfügung über finanzielle, rechtliche, personelle, technische und natürliche Ressourcen gewähren oder untersagen; Relationen (insbesondere Dominanz- und Abhängigkeitsbeziehungen) zwischen bestimmten Akteuren festlegen104

Scharpf und Mayntz betonen weiter, dass Institutionen nicht nur das Handeln in bestimmten Situationen prägen, sondern bereits die „Anlässe“ und „Arenen“ für Interaktionen definieren können.105 Institutionen werden ferner beschrieben als aus gesellschaftlichen Prozessen hervorgegangene, das heißt pfadabhängige, aber auch wandelbare Phänomene. Dies hat auch Clemens Wischermann vonseiten der Wirtschaftsgeschichte betont und Wert darauf gelegt, dass Institutionen nicht als statischer Kontext modelliert werden. Bezogen auf wirtschaftliche Prozesse sind sie zudem nicht immer als effizient einzustufen. Dies wird sichtbar, wenn wirtschaftliches Handeln eingebettet in den historisch-kulturellen Kontext analysiert wird, in dem „weitergegebene Normen und Regeln, Verhaltensregeln, Sitten, Gebräuche“ sich auf ökonomische Interaktionen auswirken.106 Institutionen sind im Akteurszentrierten Institutionalismus „sowohl […] abhängige wie […] unabhängige Variabeln“. Sie bilden „einen – stimulierenden, er102 Vgl.: Mayntz, Renate / Scharpf, Fritz W.: Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, sowie: Scharpf, Fritz W.: Games real actors play. 103 Vgl.: Lutz, Martin: Siemens im Sowjet-Geschäft, S. 56–52, sowie: Lutz, Martin: Akteurszentrierter Institutionalismus, S. 48–51. 104 Vgl.: Mayntz, Renate / Scharpf, Fritz W.: Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, S. 47 f. 105 Vgl.: Ebd., S. 48. 106 Vgl.: Wischermann, Clemens: Von der „Natur“ zur „Kultur“, S. 20.

1.4 Der ökonomische Akteur in seiner historischen Umwelt

37

möglichenden oder restringierenden – Handlungskontext“.107 Akteure und Akteurinnen verfügen immer über Handlungsspielräume, die sie unterschiedlich ausfüllen können. Scharpf und Mayntz fassen das Verhältnis von Akteur bzw. Akteurin und Institution folgendermaßen zusammen: Der institutionelle Rahmen, der die Regeln definiert, deren Einhaltung man von anderen erwarten kann und sich selbst zumuten lassen muß, konstituiert Akteure und Akteurskonstellationen, strukturiert ihre Verfügung über Handlungsressourcen, beeinflußt ihre Handlungsorientierungen und prägt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation, mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert sieht.108

In Scharpfs und Mayntz’ theoretischem Ansatz umschließt der institutionelle Rahmen nicht alle „Arten von Handlungen und handlungsrelevanten Faktoren“ und „bestimmt auch dort, wo er gilt, Handlungen nicht vollständig.“109 Normen können verletzt werden, Macht kann illegitim angewendet werden oder Akteure und Akteurinnen können auf informelle Interaktion ausweichen. Auch die Verfügung über Ressourcen lässt sich nur begrenzt institutionell regeln.110 Akteurshandeln bleibt demnach eine eigene Variable im theoretischen Setting. Dies ermöglicht es dem Historiker oder der Historikerin, neben der Rekonstruktion und Analyse der relevanten Institutionen auch den Akteur oder die Akteurin als Individuum ernst zu nehmen und zu erforschen.111 Wird von Viktor Vanberg einseitig betont, dass der Akteur oder die Akteurin Regeln nur befolgt, wenn sie ihm oder ihr als attraktiv bzw. effizient zur Bewältigung eines Problems erscheinen und somit einen Mehrwert beinhalten, so muss ausgehend von der Debatte um institutionentheoretische Ansätze in der kulturwissenschaftlich beeinflussten Wirtschaftsgeschichte betont werden, dass Institutionen Erwartungshaltungen von Akteuren oder Akteurinnen prägen, institutionenkonformes Handeln oft als legitimes Handeln gilt und ein Verstoß gegen Institutionen sozial sanktioniert wird und mit Kosten verbunden sein kann. Wendet der Historiker oder die Historikerin sich vor dem Hintergrund der hier skizzierten Theorieansätze der Wirtschaft als Untersuchungsobjekt zu, so ist zu beachten, dass Kerninstitutionen der Wirtschaftstheorie, wie ‚Markt‘ und ‚Unternehmen‘, vor allem in der kulturwissenschaftlich sensitiven Forschung nicht als gesetzt und statisch gedacht werden, sondern ebenfalls einem Wandel unterliegen können. Hierzu hielt Clemens Wischermann vor einigen Jahren programmatisch fest:

107 Vgl. u. a.: Mayntz, Renate / Scharpf, Fritz W.: Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, S. 43. 108 Vgl.: Ebd., S. 49. 109 Ebd. 110 Vgl.: Ebd. 111 Dies betont auch Martin Lutz, vgl.: Lutz, Martin: Akteurzentrierter Institutionalismus, S. 50.

38

1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns Eine Wettbewerbswirtschaft basiert nicht auf einer quasi naturgegebenen Regelung von Interaktionszusammenhängen. Märkte und Unternehmen funktionieren deshalb, weil die Akteure in spezifischen Sinnzusammenhängen handeln und ihre Handlungsregeln institutionalisieren. Institutionen aber brauchen zu ihrer Ausbildung Zeit, sie haben jeweils eine eigene Geschichte. Institutionen ebenso wie Märkte, Organisationen und ihre Akteure wirtschaften in geschichtsund kulturgeprägten Kontexten.112

Der ‚Markt‘ als Kernbegriff moderner Wirtschaftstheorie ist vor diesem Hintergrund ebenso wie andere Organisationsstrukturen (Familie, Unternehmen, Netzwerke) mit seinen Funktionsmechanismen empirisch zu untersuchen und bildet kein universales Prinzip. Er bildet vielmehr, mit Bourdieu gesprochen, eine soziale Konstruktion.113 Im Zentrum dieser Studie steht eine spezifische Quellenform – der Geschäftsbrief. Ein Brief wird innerhalb der sprach- bzw. literaturwissenschaftlichen Reflexion als „kommunikativer Vorgang […] zwischen konkreten historisch kenntlich gemachten Individuen – die Emittenten und/oder Rezipienten sind“114 betrachtet. Spezifika der Kommunikation über das Medium Brief sind im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation zum einen die zeitliche Verzögerung und zum anderen die Verschriftlichung. Zu berücksichtigen ist bei Briefkopierbüchern darüber hinaus, dass es sich um eine einseitige Überlieferung von Kommunikation handelt, da nur die von den Kaufleuten abgesandten Briefe gesammelt wurden und die eingehenden Briefe, wie es häufig in Kaufmannsarchiven der Fall ist, nicht mehr überliefert sind.115 Im Verlauf der Geschichte kam es immer wieder zur Verstetigung von Konventionen, die Einfluss auf die Struktur und die sprachliche Ausgestaltung von Briefen nahmen. Die Etablierung einer einheitlichen Struktur und sachbedingte Ähnlichkeiten von Briefinhalten – wie bei Glückwünschen oder Warenbestellungen – ermöglichen eine formale Festlegung, während die diversen möglichen Inhalte von Briefen dieser Formalisierung bzw. Konventionalisierung Grenzen setzen.116 Briefe sind „in soziologischer Hinsicht nicht nur individueller ‚Beziehungsträger‘, sondern zugleich auch Träger ‚pragmatischer Intentionalität (qua Anspruch an die reale Umwelt)‘“.117 Die untersuchte Kommunikation fand dabei, ebenso wie das Handeln der Akteure und Akteurinnen, im Spannungsverhältnis zwischen dem Institutionensetting, das Erwartungshaltungen und die Kommunikations- und Handlungsformen prägte, und subjektiven Motiven und Zielen statt. Institutionen bestimmen, was schreibbar ist und welche Interaktionsformen als legitim gelten – in einem spezifischen, zeitlichen und sozialen Kontext. Institutionen werden dabei Teil der Kommunikation. Sie werden in der Kommunikation vermittelt, vielmehr noch: Institutionen bilden sich durch Kommunikation und sie werden kommunikativ in ihrer Ausprägung, in ihrer Bedeutung und ihrer Bindekraft verhandelt.118 In112 113 114 115 116 117 118

Wischermann, Clemens: Von der „Natur“ zur „Kultur“, S. 17. Vgl.: Ebd. Vgl.: Nickisch, Reinhardt M. G.: Brief, S. 9. Vgl.: Reininghaus, Wilfried: Kaufmännisches Schriftgut im „Hinterland“ von Amsterdam, S. 57. Vgl.: Nickisch, Reinhardt M. G.: Brief, S. 10. Ebd. Diesen Aspekt betont auch Clemens Wischermann in seinen Auseinandersetzungen mit dem Kulturbegriff in Institutionentheorien. Die die Akteure oder Akteurinnen umgebende Kultur beinhaltet verbreitetes Wissen über gültige Normen und Werte – dieses Wissen ist jedoch nie

1.4 Der ökonomische Akteur in seiner historischen Umwelt

39

nerhalb des Schriftverkehrs verständigen sich die Akteure und Akteurinnen über legitime Handlungs- und Kommunikationsformen und die dahinter stehenden Akteurs- und Organisationsbilder, die wiederum durch Norm- und Wertvorstellungen gestützt werden. Die Quellen können neben der Rekonstruktion offensichtlich getätigter Warenver- oder -einkäufe, Finanzflüsse und der Bereitstellung von Dienstleistungen somit vorrangig einen Mehrwert generieren, indem sie darauf befragt werden, was als legitime oder illegitime Kommunikations- und Handlungsformen kommuniziert wurde. Legitim war Handeln, so meine These, wenn unter Berücksichtigung von den Akteuren und Akteurinnen im Kommunikationsnetzwerk glaubhaft die Kohärenz zwischen Handeln und institutionellem Rahmen vermittelt werden konnte. Der Brief bildet ein Medium für eine zielorientierte „Sprechhandlung“ in einem gegebenen Interaktionsrahmen und kann Einfluss auf Handlungen, Verhaltensweisen, Stimmungen und „Gedankenbewegungen“119 des Empfängers oder der Empfängerin nehmen. Die Kommunikation wird im Prozess des Niederschreibens geprägt von der Rolle, die der Schreiber oder die Schreiberin bewusst oder unbewusst einnimmt und von dem Bild, dass er oder sie sich von dem Empfänger oder der Empfängerin macht. Briefe können unterschiedliche Inhalte haben und doch ist dem Schreiber oder der Schreiberin durch soziale Rollenzuschreibungen vorgegeben, was als angemessen gilt.120 Innerhalb der literaturwissenschaftlichen Forschung werden dem Brief drei Grundfunktionen zugeschrieben: die der „Informationsübermittlung“, des „Appellierens“ und der „Selbst-Äußerung“.121 Diese können kombiniert werden, wobei meist eine der Funktionen überwiegt.122 Das Briefeschreiben als alltägliche Geschäftspraxis in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers diente vorrangig der Vermittlung von ökonomischem Handeln und der Übermittlung von ökonomisch relevanten Informationen. Im Kontext der Interaktion mit anderen kam es aber auch zu Formen der Selbstdarstellung und der Selbstlegitimierung – und somit der ‚Selbst-Äußerung‘, sowie zu Versuchen der Einflussnahme zur Gewährleistung ökonomischer Transaktionen – und somit zu Formen des ‚Appellierens‘. Der beobachtbare Kommunikationsprozess wurde vonseiten der Briefschreiber oder Briefeschreiberinnen gesteuert. Sie entschieden unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse über die Situation, den aus ihrer Sicht kommunikations- bzw. handlungsrelevanten Institutionen, und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Motive und Ziele, was und wie sie kommunizierten. Handelt es sich bei den Interaktionsund Kommunikationsprozessen mitunter auch um stark von Routinen geprägte Vorgänge, so ist es dennoch der Akteur oder die Akteurin, der oder die entscheidet, wie er oder sie Kommunikation gestaltet.

119 120 121 122

eindeutig und muss zwischen den Akteuren oder Akteurinnen konkretisiert und verhandelt werden, vgl.: Wischermann, Clemens: Wirtschaftskultur und Wirtschaftsgeschichte, S. 60. Nickisch, Reinhard M. G.: Brief, S. 10. Ebd., S. 10–19. Ebd., S. 13. Vgl.: Ebd., S. 13–19.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

Bei der Übersendung einer Warenrechnung und der Zahlung derselben durch den Empfänger oder die Empfängerin kann von einer ‚objektiv stattgefundenen‘ ökonomischen Interaktion ausgegangen werden. Damit wird wirtschaftliches Handeln in den Quellen oberflächlich fassbar – in Form von Waren- und Finanzflüssen. Ebenso können teilweise die Arbeitsschritte und Praktiken bei ökonomischen Interaktionen rekonstruiert werden. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass diese Handlungen durch Schriftverkehr übermittelt wurden. Was als Information für den Gegenüber als wichtig erachtet und kommuniziert wurde und worüber kein Kommunikationsbedarf bestand oder welche Informationen vielleicht auch wissentlich verschwiegen wurden, kann nur bedingt – im Abgleich mit bisherigen Erkenntnissen der Wirtschaftsgeschichte und in Auseinandersetzung mit den unternehmensinternen Abläufen sowie den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rekonstruiert werden. Die überlieferte Korrespondenz ermöglicht vorrangig einen Zugriff auf kommunikativ vermitteltes Handeln sowie auf die Formen der Übermittlung von Informationen im Kontext ökonomischer Interaktionen.

1.5 DIE ANALYSE DER KOMMUNIKATION UND DES KOMMUNIZIERTEN HANDELNS Meine Studie analysiert die Geschäftskorrespondenz der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in Speyer zwischen 1815 und 1840. Der Analysezeitraum wurde dabei zum einen an politischen Zäsuren ausgerichtet, zum anderen aber auch durch die vorhandenen Überlieferungen begrenzt. So setzt die Studie mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft auf dem linken Rheinufer und der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress sowie mit der Integration der Pfalz in das bayerische Herrschaftsgebiet ein. Diese politische Zäsur als Ausgangspunkt zu wählen, bot sich an, da die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sich mit dem Wiener Kongress grundlegend neu ordneten. 1815 bildet zudem den Zeitpunkt, von dem an für beide Handelshäuser parallel Korrespondenz in Form von Briefkopierbüchern überliefert ist. Die Studie endet im Falle Scharpffs mit dem Tod des Firmeninhabers am Ende des Jahres 1828 und der anschließenden Auflösung des Handelshauses. Im Falle von Lichtenberger & Co. wurden die Analysen bis 1840 fortgesetzt. Dies schien legitim, da er als Erbe des Scharpffschen Unternehmens anzusehen ist und bereits zu Lebzeiten einen Teil der Geschäftsfelder Scharpffs übernahm. Ferner konnte damit eine zweite, politische Zäsur mit in den Blick genommen werden – das Zustandekommen des Deutschen Zollvereins und die damit einhergehende Integration der Pfalz in einen staatenübergreifenden Binnenmarkt – und die Auswirkungen dieses Ereignisses auf Kommunikation und Interaktion mit Geschäftspartnern und Geschäftspartnerinnen. Die analyseleitende Frage bei der Erforschung der Quellen ist: Wie und was kommunizierten die Kaufleute der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. aus Speyer über die Wirtschaft und ihr eigenes Handeln in ihrer geschäftlichen Alltagskorrespondenz? Als Akteure werden die Firmeninhaber und -leiter Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger im Kontext ih-

1.5 Die Analyse der Kommunikation und des kommunizierten Handelns

41

rer ökonomischen Organisationen betrachtet. Die Quellen entstanden im Kontor der Unternehmen und wurden vom angestellten kaufmännischen Personal, Teilhabern oder den Unternehmensleitern Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger verfasst – in jedem Falle jedoch im Namen der Unternehmensinhaber, die die Firma nach außen vertraten. Das Wie in der Frage bezieht sich auf die historisch spezifischen Kommunikations- und kommunizierten Handlungsformen und in der geschäftlichen Korrespondenz tradierten Konzepte von ökonomischen Akteuren oder Akteurinnen und Organisationen. Das Was fragt – klassisch für die Unternehmensgeschichte – nach den erschlossenen Geschäftsfeldern im Zeitverlauf und nach den damit verbundenen Prozessen bei der Abwicklung von alltäglichen Geschäften. Methodisch analysiere ich die Quellen auf zwei Ebenen. Zunächst erschließe ich mir durch eine quantitative Auswertung der Briefkopierbuchregister den Kommunikations- und Aktionsraum für die alltäglichen Geschäfte der Unternehmen geografisch. Die auf Basis der Analyse erarbeiteten Statistiken ermöglichen eine erste Beschreibung des Aktionsraumes der Protagonisten – und somit eine Abschätzung der Reichweite und der Zentralität gewisser Orte und Regionen für ihre Geschäftstätigkeit. Der Begriff des Kommunikationsnetzwerkes, der bei der Quellenanalyse seine Verwendung findet, bezeichnet die Struktur der untersuchten schriftlichen Kommunikation zwischen vielfältigen Akteuren und Akteurinnen, die über die quantitative Auswertung der Briefkopierbuchregister erfasst wird. Über die Inhalte dieses Netzwerkes, die Qualität und die ökonomische Funktion der inhärenten Beziehungen, sagt er zunächst nichts aus und grenzt sich hiermit von vielfältigen, theoretischen Überlegungen zur Funktion von (sozialen oder ökonomischen) Netzwerken ab. Dies erscheint vor dem Hintergrund der geschichtswissenschaftlichen Studien, die aktuell auf ‚Netzwerke‘ rekurrieren und sie unterschiedlich definieren oder ihnen Funktionen zuschreiben, notwendig. Im Folgenden dient der Netzwerkbegriff der Beschreibung der multidimensionalen Kommunikationsstruktur, die sich über Kontakte zu Akteuren und Akteurinnen (als Knoten im Netz) ausdehnte und in der zeitlich parallel vielfältige Akteure und Akteurinnen in Austausch standen und sich soziale bzw. ökonomische Beziehungen entwickelten (als Kanten des Netzwerks).123 Aufbauend auf der Analyse des Kommunikationsnetzwerkes werden die Quellen fallbeispielhaft qualitativ analysiert. Durch die Analyse der Korrespondenz mit unterschiedlich weit von Speyer entfernten Orten konnte die Kommunikation in Bezug auf unterschiedliche, ökonomische Aktivitäten und der Umgang mit Entfernungen und Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion untersucht werden. Im Fokus stehen dabei Korrespondenzen mit pfälzischen Orten (Speyer und Landau in der Pfalz), mit dem überregionalen Finanzplatz Frankfurt am Main, den bayerischen Städten München, Nürnberg und Bamberg, dem Rheinhandels- und Warenumschlagplatz Mainz und dem Seehandelsplatz Amsterdam. Diese Analysen wur123 Zu Netzwerkstudien in der Wirtschaftsgeschichte, vgl.: Marx, Christian: Wirtschaftliche Netzwerke; Berghoff, Hartmut / Sydow, Jörg: Unternehmerische Netzwerke, Düring, Martin / Keyserlingk, Linda: Netzwerkanalyse in den Geschichtswissenschaften, oder: Casson, Mark: Networks in Economic and Business History.

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

den je nach Fragestellung in den Unterkapiteln durch weitere Analysen ergänzt, dadurch kontextualisiert oder auf ihre Aussagekraft hin überprüft. Die Aufarbeitung der Quellen für einen längeren Zeitraum ermöglichte es dabei insbesondere, den Umgang mit dem sich wandelnden Institutionensetting zu untersuchen und zu fragen, inwiefern sich die Kommunikations- und Handlungsformen veränderten oder Bezug nahmen auf politische, soziale oder wirtschaftliche Entwicklungsprozesse. Wird davon ausgegangen, dass Kommunikation im Spannungsverhältnis zwischen den Motiven und Zielen eines Akteurs oder einer Akteurin sowie seiner oder ihrer Wahrnehmung einer Situation auf der einen Seite und der sozialen Umwelt und dem darin vorhandenen bzw. immer neu in seiner Relevanz und Ausgestaltung ausgehandelten Institutionensetting auf der anderen Seite stattfand, so benötigt es einen operationalisierbaren Institutionenbegriff, um diesen in der Kommunikation auf die Spur zu kommen. Der Akteurszentrierte Institutionalismus definiert Institutionen als Reglungsaspekte. Anknüpfend an die „Minimalklassifikation“124 von Maynz und Scharpff wird bei der qualitativen Quellenanalyse zunächst danach gefragt, in welchen Formen und in welchem Umfang bzw. zu welchen Anlässen im Geschäftsverkehr schriftlich kommuniziert wurde und inwieweit Anlässe und Formen dabei normiert bzw. durch kaufmännische Routinen geprägt waren und inwiefern diese als verbindlich galten. Hierbei gilt es auch die soziale bzw. historische Reichweite der ökonomischen Kommunikationsformen im Auge zu behalten und zu untersuchen, in welchen Situationen es zu Brüchen oder Abweichungen in der Kommunikation kam – und welche Reaktionen dies hervorrief. Im Anschluss daran wird analysiert, wie die alltägliche Kommunikation und kommunizierte Interaktion der Akteure und Akteurinnen inhaltlich normiert wurde – was in den konkreten Situationen als legitime Kommunikation und legitimes Handeln beschrieben wurde und welche Institutionen als relevant und verbindlich kommuniziert wurden. Anknüpfend an die Überlegungen der Neuen Institutionenökonomik werden dabei die Institutionen unterteilt in formelle und informelle.125 Diese Kategorisierung erleichtert die Suche nach Institutionen in den Quellentexten, da sie es ermöglicht, nach kodifizierten Institutionen auf der einen Seite (Gesetze, Verträge) und auf der anderen Seite nach in der Gesellschaft existenten, aber nicht explizit schriftlich fixierten Institutionen (Normen, Werte) zu fragen. Die Charakterisierung von Institutionen als formell oder informell kann als Idealtypus im Weberschen Sinne angesehen werden. Ein Gesetz als formelle Institution und ein Wert, der innerhalb der Gesellschaft vorzufinden ist, bilden zwei Extreme. Institutionen können sich jedoch zwischen formaler Festschreibung und informellem Charakter positionieren und ihren Charakter verändern. Der hier dargelegten Konzeptionierung folgt die Gliederung der Arbeit. Nach einer ersten Einführung der Akteure Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger sowie ihrer Handelshäuser in Kapitel 2, das einen biografischen und 124 Vgl.: Mayntz, Renate / Scharpf, Fritz W.: Der Ansatz des akteuszentrierten Institutionalismus, S. 47 f. 125 Vgl.: Erlei, Mathias / Leschke, Martin / Sauerland, Dirk: Neue Institutionenökonomik, S. 24 f.

1.5 Die Analyse der Kommunikation und des kommunizierten Handelns

43

einen unternehmenshistorischen Zugriff nutzt, erfolgt in den folgenden Kapiteln 3 bis 5 die Darstellung und Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Quellenanalyse. Im ersten Analysekapitel, Kapitel 3, werden zunächst die statistischen Ergebnisse der quantitativen Auswertung der Briefkopierbuchregister präsentiert, hierüber die geografische Ausdehnung der Kommunikationsnetzwerke von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. rekonstruiert und verglichen (Kapitel 3.1). Das Kapitel 3.2 befasst sich im Anschluss mit der Frage, inwieweit die Kommunikationsinfrastruktur in den deutschen Territorialstaaten im frühen 19. Jahrhundert für die Unternehmer eine tragfähige Grundlage für eine überregionale Geschäftstätigkeit bildete und wie sie ökonomische Kommunikation in ihrer Form und ihrer Frequenz prägte. Schließlich wird in Kapitel 3.3 die Form der Geschäftskorrespondenz auf ihre sprachlichen Normierungen und Routinen hin untersucht, um sich diesem spezifischen ‚Schreibgenre‘ in seiner Ausprägung – im Vergleich zu anderen Schreibformen in der Schriftkultur der Zeit – anzunähern. Kapitel 4 widmet sich stärker der inhaltlichen Analyse der Quellen. In Kapitel 4.1. beschäftige ich mich mit den Akteursbezeichnungen – und damit einhergehend der kommunikativen Selbstverortung der Kaufleute innerhalb der Wirtschaft und ihrer Abgrenzung gegenüber anderen Akteursgruppen. In Kapitel 4.2. werden die Erwartungshaltungen der Akteure gegenüber ihren Geschäftspartnern und -partnerinnen analysiert. Beziehen sich diese zwei Kapitel vorrangig auf Akteure oder Akteurinnen als Einzelpersonen, so fragt Kapitel 4.3. schließlich, welche Rolle Wirtschaftsorganisationen, wie den Handelshäusern Scharpffs und Lichtenbergers, für die Wirtschaft zugeschrieben wurden, um in Anschluss daran (Kapitel 4.4.) ein kurzes Zwischenfazit zu der Konzeptionierung von Wirtschaft und Akteuren bzw. Akteurinnen durch die Kaufleute zu ziehen. In Kapitel 5 widme ich mich den Geschäftsabläufen der Unternehmen, der Struktur und Ausdehnung der einzelnen Geschäftsfelder und den sich auf die konkreten Geschäftstätigkeiten beziehenden Kommunikations- und Handlungspraktiken. Hierbei strukturiere ich die Analyse nach Tätigkeitsbereichen. Kapitel 5.1. fragt nach den Informationsflüssen in der Wirtschaft. Ausgehend von der Annahme, dass eine zentrale Aufgabe für Unternehmer und Unternehmerinnen die Agglomeration von Informationen darstellt, um darauf basierend ökonomische Entscheidungen zu treffen, wird danach gefragt, in welchem Maße die Geschäftskorrespondenz im frühen 19. Jahrhundert relevante Informationsflüsse sicherstellen konnte, in welchem Maße dadurch Wissen über Marktkonstellationen und formale Rahmenbedingungen gesammelt werden konnte und inwiefern diese Informationsflüsse das Agieren und die Kommunikation von Akteuren oder Akteurinnen beeinflussten. Darauf folgen drei Unterkapitel, welche die verschiedenen Tätigkeitsfelder der Unternehmer in den Blick nehmen: Kapitel 5.2. widmet sich dem Einkauf von Rohstoffen und Waren durch die Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Kapitel 5.3. analysiert den Waren- und Dienstleistungsabsatz der Unternehmen. Kapitel 5.4. schließlich fokussiert sich inhaltlich auf die Finanzflüsse und Investitionen, die in der Geschäftskorrespondenz greifbar werden. In all diesen Kapiteln werden die Quellen auf das Ausmaß der ökonomischen Transaktions- und Kommunikationsprozesse und die mit den Tätigkeiten verbundenen Geschäfts- und

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1 Das Kontor als ‚Schaltzentrale‘ unternehmerischen Handelns

Kommunikationspraktiken hin befragt. Abschließend folgt das Fazit dieser Arbeit in Kapitel 6, in dem ich die Ergebnisse der Studie zusammenfasse und den Erkenntniswert der Analyse ökonomischer Kommunikation im Kontext der wirtschaftshistorischen Forschung diskutiere.

2 DIE PROTAGONISTEN DER STUDIE Bei den zentralen Akteuren dieser Studie handelt es sich um die Speyerer Handelshäuser „Joh. Hein. Scharpff“ (bzw. „Johann Heinrich Scharpff & Sohn“ sowie „Joh. Hein. Scharpff jr.“) und „Lichtenberger & Co.“.1 Im Untersuchungszeitraum standen diese unter der Leitung Johann Heinrich Scharpffs und Philipp Markus Lichtenbergers, die auch als ihre Gründer anzusehen sind. Aufgrund des hierarchischen Aufbaus und der überschaubaren Größe der Handelshäuser werden diese zwei Personen als Hauptakteure angesehen, die für den Schriftverkehr und das Agieren des Unternehmens die Verantwortung trugen bzw. die Abläufe im Unternehmen delegierten und kontrollierten. Für das folgende Kapitel wähle ich daher einen biografischen und einen unternehmensgeschichtlichen Zugang, um mich diesen zwei Akteuren und ihren Handelshäusern als ökonomischen Organisationen anzunähern. 2.1 JOH. HEIN. SCHARPFF Johann Heinrich Scharpff2 (1754–1828) aus Speyer war der Gründer des gleichnamigen Handelshauses. Untersucht man die Geschichte der Familie Scharpff, dann wird deutlich, dass er zu einer der alteingesessenen Familien Speyers zählte, die seit Generationen zunächst als Handwerker (vorrangig im Bäckerhandwerk) und seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vermehrt als Kaufleute in Speyer ansässig waren.3 Johann Heinrichs Vater, Georg David Scharpff (1711–1785), war Kürschner und stieg vom Ratsmitglied zum Bürgermeister der Stadt auf. Er heiratete im Jahr 1734 Maria Henrica Friedel. Johann Heinrich war eins von mindestens neun Kindern, die seine Mutter zur Welt brachte – sieben starben bereits im Kleinkindalter. Lediglich sein älterer Bruder Johann David (1746–1813) und er erreichten das Erwachsenenalter und waren beide, mit Unterbrechungen, bis zu ihrem Tod in Speyer ansässig.4 Johann David Scharpff befand sich im Alter von 16 bis 21 Jahren (1762–1767) in Ausbildung bei einem Frankfurter Kaufmann.5 1 2 3

4 5

Die Benennung der Unternehmen variierte im Zeitverlauf. Im Falle von Lichtenberger bestanden Firmennamen mit „& Co.“ oder „Comp.“ ebenso wie „& Cie.“ parallel nebeneinander. Im Folgenden wird der Name einheitlich als „Scharpff“ wiedergeben, während in den Quellen eine uneinheitliche Schreibweise („Scharpf“ und teilweise sogar „Scharff“ oder „Scharf“) existiert. Zu den Vorfahren Johann Heinrich Scharpffs, siehe: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 291–296, sowie: Stadtarchiv Speyer (StASp), Bestand IV: Bürger der protestantisch-lutherischen Gemeinde von Speyer im 17. und 18. Jahrhundert. Vgl.: StASp, Bestand 4, Nr. 3: Evangelisch-lutherisches Taufbuch Nr. 3 (1689–1750) sowie: Nr. 4: Evangelisch-lutherisches Taufbuch Nr. 4 (1750–1770). Vgl.: LBibSp, N41, Mappe I,1.

Heinrich Karl Wilhelm Scharpff (1780-1813) Kaufmann ⚭1806 Martha Elisabetha Sonntag, ⚭1812 Maria Anna Theresia Elise von Zeiler Kaufmann zu Speyer

Johann Caspar Scharpff (*1779)

Weitere Kinder: Magdalena Christina Georg (*1784), David Maria Scharpff Catherina (*1781) (*1787), Friederica Kaufmann Carolina (*1794)

Wilhelmine Rosina Scharpff (*1793) ⚭1812 Ludwig Heinrich Schlegel Kaufmann & Bürger zu Speyer

Johann David Scharpff (1746-1813) Kaufmann & Bürger von Speyer ⚭1778 Elisabetha Frederica Petsch

Rosina Charlotte Scharpff (1787-1845) ⚭1806 Philipp Markus Lichtenberger Kaufmann & Bürger von Speyer

Maria Catherina (1737-1738), Johanna Maria (1739-1739), Friedrich Wiilhelm (1742-1743), Maria Henrica (1745-1749), Anna Elisabetha (1748-1748), Friedrich Wilhelm (1749-1752), Maria Henrica (1757-1757)

Abb. 1: Die Familie von Johann Heinrich Scharpff, eigene Darstellung.

Weitere Kinder: Johann Heinrich Wilhelm Scharpff (*1798)

Wilhelm Christoph Scharpff (†1798) Kaufmann & Bürger von Speyer ⚭1778 Johanna Rosina Süß (+1829)

Weitere Kinder:

Catherina Carolina Scharpff (*1805) ⚭1825 Carl Friedrich Heres, königl. bayer. Regierungsrat in Augsburg

Weitere Kinder: Carl David (*1784), Johann David (*1798), Carl Heinrich (*1790), Georg Heinrich Wilhelm (*1794), Johanna Rosina (*1796), Friedrich Heinrich (*1799)

Johann Heinrich Scharpff (1754-1828) Kaufmann & Rat von Speyer ⚭1783 Maria Henrica Holtzmann (1764-1790), ⚭Auguste Juliane Henrietta Wucherer (1774-1842)

Georg David Scharpff (1711-1785) Kürschner und Bürgermeister von Speyer ⚭1734 Maria Henrika Friedel

Johann Christoph Scharpff (1709-1754) Kaufmann & Bürger von Speyer ⚭1735 Maria Sybilla Mäuler

Maria Henrica Scharpff (*1704) ⚭J. Runtz

Weitere Kinder: Christina Maria (*1672), Johann Jacob (*1674), Georg Matern (*1679), Petrus Matern (*1682), Johanna Charitas

Johann Matern Scharpf Bäckermeister & Bürger von Speyer ⚭Maria Salome Kohlhaus

Johann Sebastian Scharpff (1676-1729) Bäckermeister & Bürger von Speyer ⚭1699 Anna Elisabetha Buhl (1679-1721)

Weitere Kinder: Catharina Wilhelmina (1737-1743), Johann Carl (1740-1742)

Maria Elisabetha Scharpff (*1702) ⚭1724 Frid. Christian Mayer

Johann Carl Alexander Scharpff (1788-1846) Kaufmann ⚭1812 Catharina Margarethe Elisabeth Griese (*1786)

Johannes (*1701), Anna Barbara (*1705), Johann Philipp (*1713), Jacob Matern, Regina Elisabetha (*1718)

Weitere Kinder:

Die Familie von Johann Heinrich Scharpff

46 2 Die Protagonisten der Studie

2.1 Joh. Hein. Scharpff

47

Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass auch Johann Heinrich den klassischen Weg einer kaufmännischen Ausbildung in verschiedenen Handelsunternehmen durchlief und sich danach in seiner Heimatstadt Speyer selbstständig machte.6 Scharpff heiratete im Jahr 1783 Maria Henrica Holzmann (1764–1790) und verband seine Familie dadurch mit einer bedeutenden Frankfurter Unternehmerfamilie.7 Es war eine standesgemäße Hochzeit, da der Vater Maria Henricas, Johann Karl Alexander Holzmann, ein bedeutender Kaufmann und „Fabrikant“8 und zudem Ratsmitglied und Bürgermeister der Stadt Speyer war.9 Später, aufgrund des früheren Todes seiner ersten Frau im Jahr 1790, heiratete Scharpff ein zweites Mal – die 23 Jahre jüngere Auguste Juliane Henrietta Wucherer (1777–1842).10 Es ist denkbar, dass Johann Heinrich als junger Kaufmann im Unternehmen seines Schwiegervaters tätig war. Entsprechend erwähnt des Regionalhistoriker Josef Raimar in einem Aufsatz, dass er in seinen jungen Jahren „als Schwiegersohn“11 viel gereist sei. In den 1780er Jahren, so belegt die Nachlassakte seines 1785 verstorbenen Vaters, unterhielt Johann Heinrich allerdings bereits einen eigenen Haushalt in Speyer und betrieb von dort Handelsgeschäfte.12 Als der Vater Johann Heinrich Scharpffs im Jahr 1785 starb, hinterließ er seinen zwei Söhnen ein Erbe von beachtlichen 16.484 fl., das zu gleichen Teilen unter den Brüdern aufgeteilt wurde. Das aufgrund von Erbstreitigkeiten überlieferte Inventar des väterlichen Haushaltes illustriert bürgerlichen Wohlstand: Georg David Scharpff war zum Zeitpunkt seines Todes im Besitz eines Hauses in der Speyerer Fischergasse, angrenzend an den damaligen Wohnsitz Johann Heinrichs. Darüber hinaus gehörten zu seinem Besitz umfangreiche Ländereien, darunter eine Obstwiese, zwei Weinberge und 17 weiterer Acker- und Landstücke mit stark variierender Größe von einigen Ruten bis hin zu mehreren Morgen. Außerdem hinterließ er einen großen Bestand von Kübeln und Fässern im Wert von 410 fl. die zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurden, wie der Weinproduktion oder der Ernte und Einlagerung von Feldfrüchten. Und schließlich hinterließ er beachtliche Weinlager im Keller seines Hauses sowie im Zunftkeller der Stadt, die insgesamt 19 Fuder Wein der Jahrgänge 1780 bis 1784 im Wert von 2.135,20 fl. umfassten. Georg David Scharpff war somit nicht nur Kürschner und Bürgermeister der Stadt, sondern bewirtschaftete oder verpachtete daneben einen umfangreichen Landbesitz, produzierte seine eigenen Weine und betrieb mit ihnen Handel. Das Inventar des Haushaltes der Familie zeugt von Wohlstand, weniger aber von großem Reichtum: neben standesgemäßem Hausrat fanden sich einige Schmuckstücke, Gold- und Silbergegenstände, die jedoch lediglich mit einem Wert von 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. zur gängigen Kaufmannsausbildung in jener Zeit auch: Haan, Heiner: Die Haans, S. 33 f. Vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 291. So ist in einem Gutachten des Speyerer Handelsmannes Foltz über die regionale, wirtschaftliche Entwicklung aus dem Jahr 1817 eine Krappmanufaktur Alexander Holzmanns überliefert, siehe: Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 132 f. Vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 292. Vgl.: StASp, Bestand 2, 198: Einwohnerstatistik von Speyer aus dem Jahr 1800. Raimar, Josef: Alte Ludwigshafener Familien, S. 6. Vgl.: StASp, Bestand 1A, Nr. 800: Nachlässe und Inventarien der Familie „Scharff/Scharpff“.

48

2 Die Protagonisten der Studie

130,24 fl. aufgeführt wurden. Als einziges Buch wurde im Nachlass eine Bibel erfasst.13 Zum Todeszeitpunkt Georg David Scharpffs war sein jüngerer Sohn, Johann Heinrich, 31 Jahre alt. Im Inventar wird aufgeführt, dass er zwischen 1778 und 1785 des Öfteren aus den Lagern seines Vaters Wein bezogen hatte – über sieben Jahre hinweg in einem Wert von 4.093,51 fl.14 Leider ist nicht bekannt, wie viele Kinder Johann Heinrich Scharpff hatte. Im Zuge der Recherchen in den Kirchenbüchern konnten neun Geburten in seinen zwei Ehen nachgewiesen werden, wobei lediglich drei Töchter – Charlotte Rosina Scharpff (1787–1845),15 Wilhelmine Scharpff (geb. 1793)16 und Catharina Carolina Scharpff17 (Lebensdaten unbekannt) – ihren Vater überlebten. Viele der Kinder verstarben schon im Kleinkindalter, was am Ende des 18. Jahrhunderts aufgrund hoher Kindersterblichkeit keine Seltenheit bildete.18 Scharpffs zweite Ehefrau Auguste überlebte ihn um rund ein Jahrzehnt und trat 1828 gemeinsam mit seinen Töchtern sein Erbe an. Eine Tochter Johann Heinrichs, Charlotte Rosina, ehelichte 1806 den Kaufmann Philipp Markus Lichtenberger aus Mannheim, der im gleichen Jahr als Bürger der Stadt Speyer und damit auch als Bürger des französischen Staates aufgenommen wurde. Die zweite Tochter, Wilhelmine, heiratete um 1812 den Kaufmann Ludwig Heinrich Schlegel, der aus Bayern in die französische Pfalz übergesiedelt war. Zunächst Handlungsbediensteter eines anderen Hauses19 wurde er im Jahr 1813 zum „Associé“ der Firma „Johann Heinrich Scharpff & Sohn“20 und leitete zu Beginn der 1820er Jahre als einer von zwei Bevollmächtigten das Unternehmen seines Schwiegervaters in der Rheinschanze.21 Die dritte Tochter, Catharina Carolina, heiratete im Jahr 1825 den königlich bayerischen Regierungsrat Carl Friedrich Heres und siedelte nach Augsburg über.22 Laut den Bürgeraufnahmen und Personenstandsregistern der Stadt Speyer um die Jahrhundertwende lebten neben Johann Heinrich Scharpff und seinem älteren Bruder Johann David und ihren Familien im Jahr 1800 noch ein Cousin, Wilhelm Christoph Scharpff, mit zwei Kindern und seiner Frau in der Stadt. Alle drei Männer dieser Generation betrieben vor Ort Handelshäuser.23 Im Jahre 1817, nach der Herrschaftsübernahme Bayerns über die Pfalz, lassen sich in einer Einwohnerliste der Stadt weitere Scharpffs nachweisen, darunter weitere Kaufleute aus verschiedenen Generationen.24 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Vgl.: StASp, Bestand 1A, Nr. 800: Nachlässe und Inventarien der Familie „Scharff/Scharpff“. Vgl.: Ebd. Vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 291. Vgl.: StASp, Bestand 2,34: Bürgeraufnahmen von Speyer um 1810. Vgl.: Ebd., sowie: Speierer wöchentliches Anzeigen-Blatt, Nr. 23 vom 09. 06. 1825, S. 102 Vgl.: Haan, Heiner: Die Haans, S. 59 und 187. Vgl.: StASp, Bestand 2, Nr. 34. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe I,3. Vgl.: LASp, K33, Karton 7, Nr. 176: Notariatsakt zur Einsetzung Schlegel und Haapes als Bevollmächtigte in der Rheinschanze vom 07. 07. 1821. Vgl.: Speierer wöchentliches Anzeigen-Blatt, Nr. 23 vom 09. 06. 1825, S. 102. Vgl.: StASp, Bestand 2, Nr. 34, sowie: Ebd., Bestand 2, Nr. 198 und 201. Vgl.: Ebd., Bestand 3, Nr. 930.

2.1 Joh. Hein. Scharpff

49

Einen Eindruck vom Lebensstandard der Familie Johann Heinrich Scharpffs zu Beginn des 19. Jahrhunderts vermittelt ihr Immobilienbesitz innerhalb Speyers. Ab 1818 versicherte Johann Heinrich mehrere Immobilien in der bayerischen Gebäudebrandversicherung. Er war demzufolge im Besitz des Wohnhauses der ehemaligen städtischen Leinwandbleiche, das vor dem „Rheintor“ und somit außerhalb der Stadtbefestigung lag und das er für 500 fl. versicherte – der Versicherungssumme zufolge handelte es sich hierbei um ein einfaches Haus.25 Im Fortgang des Jahres versicherte er zusätzlich ein viel umfassenderes Anwesen in der Webergasse, das sich im Zentrum der Stadt befand und aus einem Wohnhaus mit zwei Nebengebäuden, zahlreichen Wirtschaftsgebäuden wie Scheunen, Stallungen und einem Magazingebäude, sowie einem Wasch- und einem Gartenhaus bestand. Es ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei um den neuen Firmen- und Wohnsitz der Familie handelte, nachdem Johann Heinrich und seine Frau um 1785 noch in der Fischergasse ansässig gewesen waren. Der Familiensitz in der Webergasse wurde im Jahr 1821, nach umfangreichen Umbauten und einer damit einhergehenden Aufwertung des Anwesens, mit einem Versicherungswert von 17.000 fl. in der Gebäudebrandversicherung registriert.26 Neben den beiden Wohnhäusern und umfangreichen Wirtschaftsgebäuden befand sich Scharpff in den 1820er Jahren zudem für einige Jahre im Besitz des sogenannten „Schlegel’schen Hauses“27 – dem ehemaligen Anwesen seines Schwiegersohnes, der nach einem Konkurs, juristischen Auseinandersetzungen und einer kurzen Haftzeit über die bayerische Grenze ins badische Mannheim flüchten musste. Dieses Anwesen war für 50.000 fl. in der Gebäudebrandversicherung versichert und muss somit weitaus bedeutender gewesen sein, als der sonstige Immobilienbesitz Scharpffs. Johann Heinrich Scharpffs soziale, ökonomische und politische Stellung in Speyer lässt sich aufgrund der Untersuchung Jürgen Müllers zur Munizipalität der Städte Speyer und Koblenz konkretisieren.28 So nahm er schon unter der französischen Besatzungsmacht die Position eines bedeutenden Kaufmannes in dem zünftig organisierten Milieu der Handwerker und Gewerbetreibenden ein. Die Krämerzunft war zum Ende des 18. Jahrhunderts jene Zunft, die in Speyer den höchsten Steuergesamtbetrag – bezogen auf den Schoß29 – entrichtete und durchschnittlich über das höchste Vermögen verfügte, wobei der Lebensstandard innerhalb der Zunft stark variieren konnte. Der Anteil der zünftig organisierten und durchweg protestantischen Kaufleute innerhalb der bürgerlichen Bevölkerung Speyers betrug im Jahr 1789 9,5 Prozent. Johann Heinrich Scharpff befand sich im gleichen Jahr an zwanzigster Stelle der höchstbesteuerten Bürger und Bürgerinnen der Stadt. Er gehörte somit zur Oberschicht. Für seine gute finanzielle Lage spricht auch die Tatsache, dass er aufgrund der Höhe seines investierten Kapitaleinsatzes beim Kauf von Nationalgütern den dreizehnten Rang unter den zwanzig finanzstärksten Käufern 25 26 27 28 29

Vgl.: Ebd., Bestand 4, Nr. 11, Versicherungsnummer 97. Vgl.: Ebd., Versicherungsnummer 513. Ebd., Versicherungsnummer 386. Vgl.: Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität. Der Schoß war eine direkte Steuer auf den mobilen, immobilen und Kapitalbesitz der Bürger und Bürgerinnen.

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der Stadt einnahm.30 Im gesamten Departement Donnersberg nahm Scharpff Platz 460 der 600 höchstbesteuerten Bürger und Bürgerinnen ein. Somit gehörte er in der Region zwar zu den wohlhabenden Personen, verfügte aber bei weitem nicht über das größte Vermögen.31 Aufgrund dieser Zahlen sollte man daher den finanziellen Status Scharpffs nicht überschätzen. Der Handel in Speyer war zur Jahrhundertwende nur schwach entwickelt, bedingt auch durch die allgemein schwierige Lage für die linksrheinische Wirtschaft. Nur wenige Kaufleute agierten bereits als eigenständige Großeinkäufer und Importeure. Im Vergleich zu Kaufleuten anderer Städte war der Reichtum der Speyerer bescheiden, folgt man den Erkenntnissen Jürgen Müllers: … doch gewährleistete er in der kleinen, an die Peripherie gedrängten Reichsstadt Speyer, eine deutlich herausgehobene Vorrangstellung einer wenige Dutzend Personen umfassenden wirtschaftlichen Oberschicht gegenüber der Masse der an der Schwelle zur Armut lebenden Gewerbetreibenden.32

Durch ihren wirtschaftlichen Erfolg nahmen die Speyerer Kaufleute auf politischer Ebene eine starke Position ein. Sie besetzten häufig Positionen im Stadt- bzw. Munizipalrat und politisch herausgehobene Ämter wie das des Bürgermeisters. Johann Heinrich Scharpff war um 1808 selbst Teil des Munizipalrats.33 Ein Schreiben des Bürgermeisters Sonntag an den Unterpräfekten Veny im Jahr 1805 belegt, dass er seine Kontakte zur bürgerlichen Oberschicht zu pflegen wusste und über ein gewisses soziales Renommee verfügte: Il jouit de la considération parmi les habitans de cette ville et sa réputation est bonne […]. Ses biens ne sont pas grevés d’hypothèques & il est généralment réconnu pour une homme trés à son aise […]. Sa conduite est sous tous les rapports celle d’un honnette homme, d’un bonne père de famille & d’un négociant entreprenant & actif.34

Über die französische Herrschaft hinaus bestand die napoleonische Kommunalorganisation in Speyer fort, begleitet von einer personellen Kontinuität im Bereich der städtischen Führungsschichten. So lässt sich ein „Scharpff“ auch im Jahre 1816 noch im Stadtrat nachweisen.35 Johann Heinrich blieb auch abseits der städtischen Selbstverwaltung politisch aktiv, nachdem die linksrheinische Pfalz unter die Herrschaft Bayerns gelangt war. Zu seinen Initiativen gehörte die von ihm in Zusammenarbeit mit seinem Schwiegersohn Philipp Markus Lichtenberger veranlasste „Denkschrift des gesamten Handels- und Fabrikantenstandes des Rheinkreises“36 an die bayerische Regierung von 1820. Darin wurden die nachteiligen Folgen der Trennung vom französi30 31 32 33 34 35 36

Vgl. hierzu auch: Schieder, Wolfgang (Hg.): Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departments, S. 400. Zu den Statistiken über die finanzielle Situation der Kaufleute in Speyer, vgl.: Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität, S. 160–165 und 331. Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität, S. 168. Vgl.: StASp, Bestand 2, Nr. 53. Zitiert nach: Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität, S. 266. StASp, Bestand 3, Nr. 004. Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität, S. 320.

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schen Wirtschaftsgebiet für den Handel beklagt, der aufgrund der neu entstandenen Zollhemmnisse im Deutschen Bund unter Absatzproblemen zu leiden habe. Als Lösungsansatz schlugen die Verfasser eine Zollunion der Bundesstaaten vor, um ungehinderten Zugang zum deutschen Binnenmarkt zu erhalten. Darüber hinaus forderten sie die Errichtung einer Handelskammer für die Pfalz mit Sitz in Speyer. Die Eingabe wurde vom bayerischen König zurückgewiesen.37 Diese Initiativen sprechen jedoch für einen selbstbewussten Handelsstand, der sich politisch für seine Interessen einsetzte und dessen Vorstellungen von den liberalen ökonomischen Neuerungen der französischen Zeit beeinflusst wurden. Über die konkreten ökonomischen Tätigkeiten Johann Heinrich Scharpffs geben zunächst die ihm zugeordneten Berufsbezeichnungen Aufschluss. So ist er in der Geschichtsschreibung überliefert als „Tabakgroßkaufmann und Handelsherr“38, als „Fabrikant“39 und als „Tabakgroßhändler“40 mit einem Hauptsitz in Speyer, zeitweise einer Filiale in Mannheim41 und später in der Rheinschanze. Sein Handelsunternehmen in Speyer ist wenig erforscht. Dies musste Hans Megner in seiner Diplomarbeit im Jahr 1961 bereits feststellen und daran hat sich bis heute nichts geändert: Obgleich dieses Handelshaus nach den gewonnenen Ergebnissen eine für die damalige Zeit recht beachtliche Geschäftstätigkeit entfaltet haben muß und demnach wesentlich zur Verbreitung pfälzischen Weins und Tabaks in vielen Gebieten Deutschlands und gelegentlich auch in Nachbarländern beigetragen hat […]42

Festhalten lässt sich, dass Johann Heinrich Scharpff sich vor allem im Handel von Tabak und Wein betätigte. Die Dokumente im Nachlass des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff reichen bis in die 1780er Jahre zurück. Aus jener Zeit existieren bereits Dokumente, mit denen Scharpff Reisende für sein Unternehmen unter Vertrag nahm.43 Da Johann Heinrich 1754 geboren wurde und als junger Mann wahrscheinlich noch einige Jahre eine Ausbildung durchlief, scheint eine ökonomische Selbständigkeit in den 1780er Jahren realistisch. Werbeanzeigen in regionalen Zeitungen geben zu Beginn des 19. Jahrhunderts Hinweise auf die Geschäftstätigkeit des Handelshauses. So inserierte Scharpff 1817 und 1825 im Speierer wöchentlichen Anzeigeblatt, um auf zum Verkauf stehende Waren hinzuweisen. 1817 suchte er auf diese Weise Abnehmer und Abnehmerinnen für Wein- und Brandweinfässer,44 während er 1825 auf sein großes Sortiment „gute rein gehaltene Gebirgs- und Rheinweine“ sowie anderer alkoholischer Ge-

37 38 39 40 41 42 43 44

Ebd., S. 318–320. Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 30. Raimar, Josef: Heinrich Wilhelm Lichtenberger, S. 2. Ders.: Alte Ludwigshafener Familien, S. 6. Vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 291. Megner, Hans: Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff in Speyer am Rhein, S. 1. Vgl.: LBSp, N41, Mappe II, 11. Vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 7 vom 16. 01. 1817.

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tränke hinwies.45 Im Jahr 1819 galt Joh. Hein. Scharpff als das größte Handelshaus von Speyer.46 Neben dem Handel mit landwirtschaftlichen Produkten verfügte Scharpff über umfangreichen Landbesitz. Er zahlte der Mutterrolle für die Grundsteuer der Stadt Speyer zufolge im 13. Jahr der Republik (1806)47 für 26 Landstücke Steuern in Höhe von 188,27 Francs. Sein Name findet sich darüber hinaus in einer Liste von Weinbergbesitzern in einer Weinaufnahme aus dem Jahre 1828.48 Dass Scharpff zeitlebens über einen umfangreichen Grundbesitz verfügte, zeigt sich auch daran, dass seine Erben nach seinem Tod in den Jahren 1829 bis 1831 aus seinem Nachlass zwei Häuser in mit unterschiedlich umfangreichen Wirtschaftsgebäuden, 17 als „Acker“ bezeichnete Stücke Land, zwei Weinberge, einen Garten und eine Wiese versteigern ließen.49 Die bisherige Geschichtsschreibung zur Familie Scharpff bezeichnet Johann Heinrich auch als Fabrikanten. Der Schriftverkehr in den Briefkopierbüchern des Handelshauses deutet auf die Weiterverarbeitung von Tabaken in einer Manufaktur um 1813 hin.50 Die Manufaktur ist für spätere Jahre nicht mehr überliefert, während ab 1815 Scharpffs Schwiegersohn Philipp Markus Lichtenberger als Tabakfabrikant in Erscheinung trat. Offenbar kam es hier zu einer Weitergabe des Geschäftszweiges, da Lichtenberger & Co. den Briefkopierbüchern zufolge mit ihrer Manufaktur mit einer ähnlichen Produktpalette einen ähnlichen Kundenkreis bedienten.51 Die Kaufleute der Familie Scharpff waren um die Jahrhundertwende mobil und nicht ununterbrochen in Speyer anwesend.52 Dies belegen die Quellen im Stadtarchiv Speyer eindrücklich – sei es, weil die Kaufleute sich auf Handelsreisen,53 zur Ausbildung zu einem fernen Geschäftspartner oder zum Unterhalt eigener Geschäfte in die Fremde begaben. Ihre wiederkehrende Abwesenheit hatte unter anderem zur Folge, dass sich Johann Heinrich Scharpff54 und ein jüngerer Handelsmann namens Caspar Scharpff,55 beide in Speyer geboren, in den Einbürgerungsakten der französischen Verwaltung 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Speierer Wöchentliches Anzeigeblatt, Nr. 27 vom 07. 06. 1825. Vgl.: Haan, Heiner: Gründungsgeschichte der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz, S. 190. Vgl.: StASp, Bestand 4, Nr. 35: Mutterrolle für die Grundsteuer der Stadt Speyer von 1805 bis 1808. Vgl.: Ebd., Bestand 3, Nr. 414: Traubenaufnahme der Stadt Speyer. Vgl.: Ebd., Bestand 4, Nr. 8: Güterwechselbücher der Stadt Speyer aus den Jahren 1829 bis 1831. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 37. Vgl.: Ebd., Nr. 1 und 37. Dies bedingt auch, dass die Akteure in den Quellen der Stadt nicht immer fassbar sind, so dass für eine weitergehende Rekonstruktion der Familien- und Unternehmensgeschichte eine intensive Recherche an anderen Orten notwendig würde. Vgl.: Regensburger Intelligenzblatt, Nr. 12 vom 20. 03. 1811, Königlich-Baierischer PolizenAnzeiger von München, Nr. XXXVIII vom 12. 05. 1810, sowie: Beylage zu No. VIII des herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Regierungs und Intelligenzblatts vom 24. 02. 1810. Vgl.: StASp, Bestand 2, Nr. 35: Bürgeraufnahmen der Stadt Speyer nach 1800. Vgl.: Ebd., Nr. 34: Bürgeraufnahmen der Stadt Speyer um 1810.

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aus den Jahren 1810 und 1812 wiederfinden. Sie mussten als Speyerer Bürger durch die französischen Behörden neu aufgenommen werden, nachdem sie längere Zeit abwesend waren. Johann Heinrich hielt sich zuvor in Mannheim auf.56 Nach dem Ende der französischen Herrschaft über die Pfalz wurde er zwischen 1816 und 1825 auch weiterhin in den Adressbüchern Mannheims als Handelsmann aufgeführt.57 Auffällig ist auch die dortige Überlieferung von 13 weiteren Personen mit dem Namen Scharpff in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, von denen sieben Personen als Handels- oder Kaufmann betitelt wurden und einer darüber hinaus Inhaber einer Manufaktur für Tabak war.58 Bei den in Mannheim angesiedelten Scharpffs kann es sich jedoch nur um entfernte Verwandte gehandelt haben, da verwandtschaftliche Verbindungen bisher nicht rekonstruiert werden konnten.59 Als ein bedeutender Ableger des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff gilt der Handelsplatz in der Rheinschanze. Bei dem 1821 gegründeten Unternehmenszweig handelte es sich um einen Rheinhandelsplatz auf dem heutigen Gebiet der Stadt Ludwigshafen am Rhein, den Scharpff auf seinem Privatgelände unterhielt. Beim Aufbau des Handelsplatzes waren seine Schwiegersöhne Philipp Markus Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel60 von Beginn an eingebunden. So setzte Scharpff, der weiterhin in Speyer ansässig blieb, bereits 1821 Ludwig Heinrich Schlegel und einen weiteren Speyerer Kaufmann, Friedrich Haape, als Bevollmächtigte ein, um die Geschäfte zu führen. Sein zweiter Schwiegersohn, Philipp Markus Lichtenberger, wurde 1822 als Teilhaber in das Unternehmen aufgenommen.61 Bei dem Erwerb der Rheinschanze 182062 war Johann Heinrich Scharpff 66 Jahre alt und so war er hier nur noch wenige Jahre tätig. Aufgrund seines Alters bei der Ersteigerung der Güter stellt sich die Frage, warum er zu einem so späten Zeitpunkt noch einen neuen Unternehmenszweig aufbaute, da eine neue Unternehmung schließlich auch immer mit Investitionen einhergehen und ein großes Risiko mit sich bringen. In den Publikationen zur Stadtgeschichte Ludwigshafens ist häufig die Rede davon, dass Philipp Markus Lichtenberger seinen Schwiegervater dazu riet, die Ländereien in der Rheinschanze zu erwerben.63 Dies deutet daraufhin, 56 57 58 59 60 61

62 63

In Mannheim musste Scharpff sich unter anderem im Jahr 1814 an der Begleichung der städtischen Kriegskosten beteiligen. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 122. Vgl.: Stadtarchiv Mannheim (StAMa): Adressbücher der Stadt Mannheim 1815–1862. Vgl.: StAMa, Adressbücher der Stadt Mannheim 1815–1862. Vgl.: Ebd., 32/2001, Nr. 4114, 4115, 5119, 5120, 6127, 6128, 6130, 6131: Verlassenschaftsakten einiger Scharpffs aus Mannheim. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe I, 3. Vgl.: LASp, K33, Karton 7, Nr. 176: Notariatsakt zur Einsetzung Schlegel und Haapes als Bevollmächtigte in der Rheinschanze für 10 Jahre, vom 07. 07. 1821. – Im frühen 19. Jahrhunderts waren Unternehmer oft darum bestrebt, durch den Aufbau von Geschäftszweigen in Kooperation mehrerer Generationen langfristig das Auskommen der Familie zu sichern, vgl. u. a.: Haan, Heiner: Die Haans, S. 57 f. Vgl.: LASp, K33, Nr. 410: Notariatsakt vom 27. 12. 1820 über die „Endliche Versteigerung“ der Rheinschanze an Johann Heinrich Scharpff für fl. 15.000. Vgl.: Raimar, Josef: Alte Ludwigshafener Familien, S. 6, sowie: Furtwängler, Martin: Unter Trikolore und weißblauer Fahne, S. 250.

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dass die Folgegeneration ein besonderes Interesse an dem Handelsplatz hatte. Denkbar wäre aber auch, dass die Eingliederung in das Königreich Bayern und die Abtrennung vom französischen Wirtschaftsraum sowie die Lage der linksrheinischen Pfalz, die nun umgeben war von Zollmauern angrenzender Staaten, das Unternehmen Scharpffs in Speyer weniger lukrativ werden ließ und er daher nach neuen Wegen suchte, sein Handelsgeschäft zu erhalten. Und vielleicht sah er in dem Ausbau der Rheinschanze auch eine Möglichkeit, in verkehrsgünstiger Lage am Rhein von der zunehmenden Liberalisierung des Rheinhandels zu profitieren, die seit der französischen Herrschaft einsetzte.64 Hinzu kam, dass die größeren Städte in der Region, allen voran Speyer und Mannheim, sich aufgrund der zurückliegenden Kriege in einer wirtschaftlichen Krise befanden und 1820 besonders in Bezug auf ihre Häfen noch große Defizite aufwiesen. In dem bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauernden Kampf um die Vormachtstellung im Rheinhandel der Region hatte ein neuer Handelsplatz noch Aussichten auf Erfolg.65 Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse zum Handelsplatz in der Rheinschanze lässt sich festhalten, dass dieser nicht nur als Außenposten des Scharpffschen Handelsunternehmens in günstiger Verkehrslage angesehen werden kann, von dem aus der eigene Handel mit Wein und Tabak betrieben wurde. Das dortige Unternehmen betätigte sich verstärkt als Spedition, in dem es enge Kontakte mit Schiffern auf dem Rhein knüpfte,66 um ein zunehmendes Gütervolumen zu bewältigen, und erbaute einen Warenumschlagplatz mit überregionaler Anziehungskraft für den Rheinhandel. Die direkte Einbindung in die Rheinhandelsströme führte dabei zu einer Diversifizierung der Waren, die durch das Unternehmen gehandelt wurden. Scharpff und seine Schwiegersöhne erweiterten dadurch ihr unternehmerisches Betätigungsfeld.67 Im Jahr 1825, wenige Jahre vor seinem Tod, trug sich Scharpff sogar mit dem Gedanken, eine Dampfschifffahrtslinie zwischen Mainz und der Rheinschanze aufzubauen. Dieses Vorhaben wurde vom bayerischen König Maximilian Joseph befürwortet, wurde aber nicht umgesetzt.68 Johann Heinrich Scharpff nahm neben seinen unternehmerischen Aktivitäten auch am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Pfalz Anteil. Die Scharpffs gehörten der protestantisch-lutherischen Gemeinde der Dreifaltigkeitskirche in Speyer an. Im Jahr 1818 spendete er gemeinsam mit seinen Schwiegersöhnen Lichtenberger und Schlegel mehrere Zentner Metall zum Guss neuer Kirchenglocken.69 64 65 66 67 68 69

Zur Liberalisierung des Rheinhandels, vgl.: Looz-Corswaren, Clemens von / Mölich, Georg: Der Rhein als Verkehrsweg, S. 61–92. Zur desolaten Lage und zum allmählichen Aufstieg der Stadt Mannheim in den 1820er bis 1840er Jahren, vgl.: Nieß, Ulrich / Carole, Michael (Hg.): Geschichte der Stadt Mannheim, S. 26–177. Zu Speyer, vgl.: Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 115–290. Vgl. z. B. das „Verzeichnis der Tour-Schiffer“, „welche die Basler Güter direct von Frankfurt, Höchst, Mainz u. u. Übernehmen, und die Rheinschanze bey Mannheim als Umladeplatz bestimmen“ (1825), in: StALu, WS 1, Nr. 123. Vgl.: Raimar, Josef: Heinrich Wilhelm Lichtenberger, S. 2. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 124, sowie: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 87 f. Vgl.: König, Johann Michael: Reformations-Geschichte der Stadt Speyer, S. 110 f.

2.1 Joh. Hein. Scharpff

55

Sicherlich war dies neben einem Bekenntnis zu ihrer Kirchengemeinde auch ein Akt der Selbstdarstellung als wohlhabende Kaufleute. Innerhalb Speyers unterstützte Scharpff regelmäßig die Armenfürsorge durch Spenden70 und betätigte sich vereinzelt als Subskribent, wodurch er als Förderer regionaler Autoren und ihrer Werke auftrat.71 Scharpff war zudem als Weinhändler seit 1818 Mitglied des Landwirtschaftlichen Vereins des Königreichs Bayern, dessen Bezirkskomitee für den Rheinkreis seinen Sitz in Speyer hatte.72 Im Dezember 1828 starb Johann Heinrich Scharpff in hohem Alter. Anonyme „Freunde“ schalteten im Speyerer Anzeigenblatt eine 29-zeilige Anzeige, in dem sie sich von ihm mit einem Gedicht verabschiedeten.73 Im Anschluss versteigerten die Erben, seine Ehefrau Auguste und seine Töchter Carolina Heres, Charlotte Rosina Lichtenberger und Rosina Wilhelmina Schlegel, einen Großteil seiner Besitztümer.74 Das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff fand damit sein Ende. Im Jahr 1830 verkauften die Erben zudem seine Besitztümer in der Rheinschanze an Philipp Markus Lichtenberger. Charlotte Rosina Scharpff trat ihre Ansprüche auf das Erbe ihres Vaters ebenfalls an ihren Mann ab.75 Das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff jr. in der Rheinschanze bestand unter der Leitung von Philipp Markus Lichtenberger fort.76 Zwischen 1828 und 1838 ist in den Firmenunterlagen eine „Commissions und Speditions Handlung von Johann Heinrich Scharpff junior“ überliefert, die „Wasser und Landexpeditionen nach allen Richtungen“ betrieb und Inhaber eines Krans und eines Lagerhauses war.77 Um 1842 ist zudem ein Handelshaus „Lichtenberger, Scharpf & Compagnie“ in der mittlerweile in „Ludwigshafen“ umbenannten Rheinschanze überliefert.78 Obwohl Johann Heinrich keine männlichen Nachfahren hinterlassen hatte, lebte sein Name in den Firmenbezeichnungen so noch für viele Jahre fort.

70 71 72 73

74 75 76 77 78

Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeigeblatt, Nr. 16 vom 17. 04. 1828, S. 63. Vgl. z. B.: König, Johann Michael: Übersicht wahrhafter und merkwürdiger Thatsachen des Bauern-Aufruhrs. Vgl.: Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Baiern, Jg. IX, Nr. 12 vom 22. 12. 1818. Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 50, vom 11. 12. 1828, S. 202. Ebenso erschien eine Todesanzeige in der Neuen Speyerer Zeitung, vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 149, Speyer vom 09. 12. 1828: Bemerkenswert an dieser Anzeige ist, dass hier im Gegensatz zu der Anzeige im Speyerer Anzeige-Blatt ein falsches Alter angegeben wird (im 76. Lebensjahr statt 74 Jahre alt). Vgl.: StASp, Bestand 4, Nr. 8: Güterwechselbuch der Stadt Speyer für das Jahr 1829/30. Vgl.: Urkunde des Speyerer Notars Rencker vom 10. 05. 1830, nach einem Transkript in: StALu, LUA, 41I. Vgl.: Wochenblatt für die Amtsbezirke Zweibrücken, Homburg und Cusel, Nr. 2 vom 05. 01. 1845. Vgl.: StALu, WS 1, Nr. 122, sowie: LBib, N41, Mappe II, 6. Vgl.: LASp, H1, Nr. 1523.

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2 Die Protagonisten der Studie

2.2 LICHTENBERGER & CO. Philipp Markus Lichtenberger (1783–1843), der Gründer und Namensgeber des Handelshauses Lichtenberger & Co., entstammte wie Scharpff einer großbürgerlichen Familie. Sein Vater, Philipp Daniel Lichtenberger (1752–1818), war hochfürstlicher leiningischer Rentkammerassessor zu Dürkheim und Guntersblum und hochfürstlicher leiningischer Amtmann zu Boxberg. Nach der Vertreibung des pfälzischen Gebietsadels 1794 wurde er kurpfälzischer Hofrat in Mannheim und, als die Stadt an Baden fiel, schließlich großherzoglich-badischer Justizrat.79 Über die Herkunft der Lichtenberger schrieb Josef Raimar mit Blick auf die vorhergehenden Generationen: „Die Lichtenberger sind von Haus aus eine Pfarrerfamilie.“80 Und die überlieferten Ämter und Berufe legen nahe, die Familiengeschichte als eine Geschichte des sozialen Aufstiegs nachzuzeichnen: von einer „Pfarrerfamilie“ in den Hofdienst – und später in großbürgerliches Unternehmertum oder, im Fall einiger weiblichen Familienmitglieder, in den Adel. In der Generation Philipp Daniel Lichtenbergers vollzog sich innerhalb der Familie neben der fortbestehenden Ausübung geistlicher Ämter eine Hinwendung zu Verwaltungs- und wirtschaftlichen Tätigkeiten. So war der Vater von Philipp Markus eines von zwölf Kindern eines Pfarrers, konnte sich aber im Dienste des Fürsten zu Leiningen etablieren. Und auch der Großteil seiner Brüder ging gewerblichen Tätigkeiten nach: Johann Carl Theodor (1757–1826) war Kaufmann und Zuckerbäcker in Zweibrücken, Johann Friedrich Bernhard (1763–1800) war „Rheingräflicher Kanzelrath“ und später „Secretaire und Chef des Birkenfelder Zuchtgerichtes“ und Johann Ludwig (1764–1821) war Pfarrer zu Weyerbach und „Suspector der Saline zu Münster am Stein“.81 Philipp Daniel Lichtenberger heiratete 1780 Eleonore Margaretha Wilhelmine Reuß (1759–1838) aus (Bad) Dürkheim. Sie war die Tochter von Georg Daniel Reuß, Dr. med. hochfürstlich leiningischer Hofmedicus und Stadtphysikus, und stammte somit ebenfalls von einem Staatsdiener ab.82 Philipp Markus hatte fünf Geschwister, drei Schwestern und zwei Brüder. Er war das zweitgeborene Kind – nach Eleonore (1781–1809) – und der älteste Sohn und wuchs in Mannheim in bürgerlichem Wohlstand auf. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass seine drei Schwestern bei ihren Hochzeiten jeweils mit einer Aussteuer im Wert von 1.000 fl. ausgestattet wurden. Nach dem Tod Philipp Daniel Lichtenbergers verfügte seine Witwe zudem laut einem Inventar noch immer über einen Besitz im Wert von 11.393 fl., über den sie frei verfügen konnte. Nach einer Vereinbarung der Eheleute erbten die Kinder erst nach dem Ableben beider Elternteile – wie es in der Region gängig war – zu gleichen Teilen. So konnte Philipp Markus erst wenige Jahre vor 79 80 81 82

Vgl.: Raimar, Josef: Die pfälzische Familie Lichtenberger, sowie: Ders.: Alte Ludwigshafener Familien, S. 6. Ders.: Heinrich Wilhelm Lichtenberger, S. 1. Vgl.: StALu, Stammtafel der Familie Lichtenberger. Vgl.: Raimar, Josef: Die pfälzische Familie Lichtenberger; sowie Raimar, Josef: Alte Ludwigshafener Familien, S. 6.

Weitere Kinder: Philipp (*1808, jung verstorben), Ludwig (*11813)

Auguste Lichtenberger (1811-1872) ⚭Joseph von Stichaner

Eleonora Lichtenberger (1781-1809) ⚭Dr. Grimmel aus Bad Kreuznach

Henriette Lichtenberger (1816-1878) ⚭Joseph von Stichaner

Carl Theodor Lichtenberger (1822-1892) Kaufmann in Hambach ⚭Christine Bader ⚭E Kirchner ⚭E. Klein

Ludwig Lichtenberger (*1791) Kaufmann & Tabakfabrikant in Speyer & Mannheim ⚭Luchs

Friedrich Lichtenberger (1828-1883) Kaufmann in Speyer ⚭Louise Völker

Casimir Lichtenberger (1795-1862) Kaufmann & Krappfabrikant in Speyer ⚭Henrica Freitag

Caroline Lichtenberger (1825-1907) ⚭Major Fritsch

Caroline Lichtenberger (*1799) ⚭Baurat Dyckerhoff in Mannheim

J. Friedrich Bernhard Lichtenberger (1763-1800) ⚭Charlotte Keßler Rheingräflicher Kanzleirat, Sekretär & Chef des Birkenfelder Zuchtgerichts

Abb. 2: Die Familie von Philipp Markus Lichtenberger, eigene Darstellung.

Heinrich Wilhelm Lichtenberger (1811-1872) Kaufmann & Bürgermeister von Ludwigshafen ⚭Wacker ⚭Franziska Hasenstab

Johannetta Lichtenberger (*1785) ⚭Eglinger, Pfarrer in Weinsheim bei Bad Kreuznach

Joh. Carl Theodor Lichtenberger (1757-1826) Kaufmann & Zuckerbäcker in Zweibrücken ⚭C. Ph. Denster

Johann Theodor Lichtenberger (1716-1779) Pfarrer zu Georg-Weierbach (bei Idar-Oberstein) ⚭Eleonora Barbara Sterr ⚭Dorothea Horstmann

Philipp Daniel Lichtenberger (*1725) Amtmann in Eschweiler & Guntersblum, Justizrat in Mannheim ⚭Eleonore Reis

Philipp Markus Lichtenberger (1783-1842) Kaufmann & Tabakfabrikant in Speyer ⚭Rosina Charlotte Scharpff

Weitere Kinder: Johann Friedrich (1744-1772), Johann Christian (*1745), Maria Elisabetha, Veronica Dorothea (*1754), Ludwig (*1760), Johann Ludwig (*1764), Johannes (*1769), Gottlieb (*1781), Paul (*1785)

Die Familie von Philipp Markus Lichtenberger

2.2 Lichtenberger & Co.

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2 Die Protagonisten der Studie

seinem Tod, im Jahr 1838, das elterliche Erbe antreten. In seinem Fall bestand dies noch immer aus 1.795,56 fl.83 Die drei Lichtenberger-Brüder, Philipp Markus, Casimir und Ludwig, wanderten zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Mannheim nach Speyer und damit nach Frankreich aus. Ab dem Jahr 1806 ist zunächst Philipp Markus nachweisbar. Er wurde im Zuge seiner Heirat mit Charlotte Rosina, einer Tochter Johann Heinrich Scharpffs, als Bürger der Stadt aufgenommen. In den Quellen findet sich zudem der Hinweis, dass er zuvor bereits in der Stadt in den Diensten eines Handelshauses stand.84 Alle drei Lichtenberger-Brüder wandten sich in Speyer kaufmännischen Tätigkeiten zu. Philipp Markus gründete um 1815 das Handelshaus Lichtenberger & Co. und übernahm in den 1820er Jahren Schritt für Schritt die Leitung des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff jr. in der Rheinschanze. Casimir Lichtenberger (geb. 1795) unterhielt in Speyer mehrere Jahrzehnte als Kaufmann und „Krappfabrikant“85 sein eigenes Unternehmen. Bereits im Jahr 1811, unter französischer Herrschaft, war er Inhaber einer Lizenz zur Weiterverarbeitung von Krapp zur Herstellung von Farben.86 Ludwig (geb. 1791) ist zunächst als Reisender für Johann Heinrich Scharpff und im Unternehmen seines älteren Bruders, Philipp Markus, als Kaufmann nachweisbar. Im Jahr 1823 siedelte er wieder nach Mannheim über und leitete dort ein Handelshaus mit Tabakmanufaktur – das wie das Unternehmen seines älteren Bruders unter dem Namen Lichtenberger & Co. firmierte, aber ein eigenständiges Unternehmen bildete.87 Aus der Ehe Philipp Markus Lichtenbergers mit Charlotte Rosina Scharpff gingen sieben Kinder hervor, fünf Söhne und zwei Töchter. Der älteste Sohn Philipp (geb. 1808) starb als junger Mann – ebenso verstarb der drittgeborene, Ludwig (geb. 1813), als Kind. Als zweitgeborener Sohn trat Heinrich Wilhelm (1811–1872) in die Fußstapfen seines Vaters und übernahm in den 1830er Jahren die Leitung des Handelsunternehmens in der Rheinschanze. Seine beiden verbliebenen Brüder, Friedrich (1818–1883) und Carl Theodor (1822–1892), erhielten ebenfalls eine kaufmännische Ausbildung. Friedrich blieb in Speyer ansässig,88 dem Stammsitz des väterlichen Unternehmens, während Carl Theodor sich in Hambach bei Neustadt an der Weinstraße niederließ.89

83 84 85 86 87 88 89

Vgl.: StAMa, 32/2001, Nr. 2958, 5590 und 5591: Verlassenschaftsakten von Philipp Daniel Lichtenberger und seiner Ehefrau Eleonora, geb. Reuß. Vgl.: Ebd., Nr. 35. – Der französische Markt mit seinen liberalen Rahmenbedingungen führte auch andernorts dazu, dass sich Beamtenfamilien auf den Handel verlegten, vgl.: Haan, Heiner: Die Haans, S. 12 f. Vgl. z. B.: LASp, K38, Karton 47, Nr. 85 sowie Karton 87, Nr. 623. Vgl.: Eckhardt, Albrecht: Die Industriestatistik des Departements Donnersberg (Hauptstadt Mainz) von 1811, S. 185 f., sowie: Haan, Heiner: Die Haans, S. 45. Vgl.: Das Unternehmen Ludwig Lichtenbergers lässt sich in den Mitgliederlisten der Handlungsinnung und Lehrlingsverzeichnissen Stadtarchiv Mannheim nachweisen, vgl.: StAMa, IHK, Zug 35/1966, Nr. 1, 2 und 6. Friedrich war, wie sein Vater, Mitglieder königlichen Ehrengarde in Speyer, für die er 1851 eine Nachtwache übernahm, vgl.: LBSp, N41, Mappe I, 2. Vgl.: StALu, Stammtafel der Familie Lichtenberger.

2.2 Lichtenberger & Co.

59

Auch im Fall der Familie Philipp Markus Lichtenbergers lässt sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts Immobilienbesitz innerhalb der Stadt Speyer nachweisen. Der bayerischen Gebäudebrandversicherung zufolge verfügte Lichtenberger 1818 über einen standesgemäßen Familiensitz. Er besaß ein Wohnhaus mit „Fabrickgebäude“, Stallungen, „Remise“ und Holzschuppen, das für 12.500 fl. versichert war. Die Versicherungssumme wurde 1821 nach Umbauten auf 20.000 fl. erhöht.90 Im Besitz dieses Anwesens war die Familie auch noch im Jahr 1839.91 Darüber hinaus war Lichtenberger Besitzer eines Tabaksmagazins und weiterer Wirtschaftsgebäude wie Schuppen und Scheunen in der Landauer Vorstadt, die er für 2.500 fl. versichern ließ.92 Im Jahr 1825 erwarb er zudem ein Haus in Berghausen (heute: Römerberg) nahe Speyer für 1.210 fl. mit Schuppen, Stallungen und einem Garten.93 Bei der Erforschung der unternehmerischen Tätigkeiten von Philipp Markus Lichtenberger stößt man zu verschiedenen Zeiten auf unterschiedliche Unternehmen und Tätigkeiten, von der Produktion landwirtschaftlicher Rohstoffe, deren Weiterverarbeitung in Manufakturen bis hin zum überregionalen Handel von Rohstoffen, Halb- und Fertigwaren. In den ersten Jahren des 19. Jahrhundert ist eine Manufaktur zur Produktion von Zucker auf den Namen Lichtenberger in Speyer überliefert. Neben dieser Zuckermanufaktur existierte parallel lediglich ein vergleichbares Unternehmen in Mainz. Vor dem Verbot Napoleons zur Einfuhr von überseeischem Rohrzucker 1808 – im Zuge der Kontinentalsperre – bezog die Manufaktur für ihre Produktion Rohrzucker aus den Niederlanden. Das Einfuhrverbot stellte einen tiefgreifenden Einschnitt für das Unternehmen dar. Lichtenberger erlitt aufgrund von Zuckersendungen, die ihm nicht mehr zugestellt werden durften, finanzielle Verluste. Um diese auszugleichen, spielten in der Folgezeit seine ökonomischen Aktivitäten im Handel und der Tabakfabrikation eine bedeutende Rolle.94 Die Zuckermanufaktur bestand jedoch als von den Franzosen privilegiertes Unternehmen fort. Als Rohstoff dienten nun die regional angebauten Runkelrüben. Der Rübenanbau wurde von der französischen Regierung aktiv gefördert, um Autarkie von dem kolonialen Rohrzuckerhandel zu erlangen.95 Auch in den Folgejahren galt die Manufaktur Lichtenbergers als die bedeutendste Zuckermanufaktur in der Pfalz, der für das Jahr 1812 von Seiten des Unterpräfekten in einem Gutachten eine jährliche Aufnahmekapazität von 20.000 Zentnern Rüben attestiert wurde.96 Das Ende 90 91 92 93 94 95

96

StASp, Bestand 4/11: Bayerische Gebäudebrandversicherung, Nr. 7. LBibSp, N41, Mappe II,10. StASp, Bestand 4/11: Bayerische Gebäudebrandversicherung, Nr. 8. Vgl.: StASp, K38, Karton 329, Nr. 135: Notariatsurkunde über den Verkauf eines Hauses an Philipp Markus Lichtenberger vom 19. 04. 1825. Vgl.: Weidmann, Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz. Bd. 1, S. 428. In einer französischen Industriestatik des Departments Donnersberg wurde die Runkelrübenzuckerfabrik Lichtenberger als eins von vier durch Frankreich für die Zuckerproduktion lizenzierten Unternehmen aufgeführt, mit der Bemerkung, dass Lichtenberger sein Unternehmen mit den meisten „Mitteln“ bestreite und sich dieses wahrscheinlich vor den anderen durchsetzen werde. Der Zuckerrübenverbrauch des Unternehmens wurde auf 16.000 Zentner pro Jahr geschätzt. Vgl.: Eckhardt, Albrecht: Die Industriestatistik des Departements Donnersberg, S. 185. Vgl.: Weidmann, Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz. Bd. 1, S. 432.

60

2 Die Protagonisten der Studie

der Zuckerproduktion bildete das Ende der französischen Herrschaft und das damit einhergehende Ende der Kontinentalsperre. In den Geschäftsbüchern Lichtenbergers wird entsprechend ab 1815 keine eigene Zuckerproduktion mehr erwähnt.97 Dass Lichtenberger zu Beginn der französischen Herrschaft schon im Tabakhandel aktiv war, illustriert ein Vorfall aus dem Jahre 1811. Philipp Markus Lichtenberger kam in diesem Jahr in Zahlungsverzug bei dem Rübenzuckerproduzenten Mohr aus Wachenheim. Dieser erhob Klage gegen Lichtenberger, da dieser von ihm Rohzucker für seine Raffinerie geliefert bekommen, diesen aber nicht bezahlt habe. Mohr gab an, auf das Geld angewiesen zu sein, da er Rüben für seine Produktion nur gegen Bargeld bei den Bauern kaufen könne. Er drohte, Lichtenberger vor Gericht zu bringen. Dieser hingegen ließ Mohr wissen, dass er nicht in der Lage sei, zu zahlen, da die französische Regierung im Zuge der Inkraftsetzung des staatlichen Tabakmonopols zum Jahreswechsel 1810/1811 all seinen Tabak beschlagnahmt habe, ohne ihn zu entschädigen.98 Das Zustandekommen des Monopols und die nachgewiesenermaßen schlechte Zahlungsmoral der Behörden beim Ankauf führten zu einer Krise im gesamten pfälzischen Tabakhandel.99 Philipp Markus Lichtenberger beschränkte sich in jenen Jahren nicht darauf, sein eigenes Unternehmen aufzubauen, sondern befand sich auch auf der Suche nach Kooperationen und Geschäftspartnerschaften. Seinen eigenen Äußerungen zufolge betrieb er bis ins Jahr 1810 ein gemeinsames Unternehmen mit „Karcher & Jung“ in (Bad) Kreuznach, das jedoch Konkurs ging.100 Im „Almanach der Commerce de Paris“ ist im Jahr 1810 eine „Fabr[ique] de tabac Karcher et Jung“ in Kreuznach verzeichnet, deren Teilhaber Lichtenberger demnach gewesen ist.101 Dass der wirtschaftlich krisenhafte Zustand, ausgelöst durch die Napoleonischen Kriege, und die sich unter der französischen Herrschaft drastisch wandelnden institutionellen Rahmenbedingungen für den Unternehmer weitreichende Folgen hatten, zeigt ein Brief aus dem Jahr 1816 an den königlich-bayerischen geheimen Rat und ersten Regierungspräsidenten des bayerischen Rheinkreises, Franz Xaver von Zwack-Holzhausen, dem Lichtenberger in jenem Jahr sein Haus im Zentrum der Stadt Speyer als Sitz der bayerischen Bezirksregierung verkaufte.102 In dem Schreiben wies Lichtenberger auf die angespannte Lage hin, in der er sich aufgrund der Insolvenz des mit Karcher & Jung betriebenen Unternehmens befand. Er gab an, aufgrund des entstandenen Verlustes gezwungen zu sein, die Immobilie zu verkaufen, auch wenn seine „Fabrikwesen“ nun wieder „blühe“.103 Lichtenberger erhielt für seine Immobilie 25.000 fl. Zusätzlich wurde ihm das ehemalige Kreisdirektionsgebäude überlassen.104 Dieses Gebäude und Teile des angrenzenden ehemaligen Karmeliterklosters, das unter den Franzosen säkularisiert worden war, bil97 98 99 100 101 102 103 104

Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1. Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 184. Vgl.: Ebd., S. 183 f. LASp, Bestand H1, Nr. 1831, Fol. 1–2. Vgl.: Almanach du commerce de Paris, 1810, S. 745. Vgl.: Jöckle, Clemens: Kreishauptstadt Speyer, S. 16. LASp, Bestand H1, Nr. 1831, Fol. 18. Ebd.

2.2 Lichtenberger & Co.

61

deten in den kommenden Jahren den neuen Sitz von Lichtenberger & Co.105 Zur Verwaltung von Rohstoffen und Materialien unterhielt Lichtenberger wechselnde Warenlager in Speyer. Im Jahr 1818 unterhielt das Unternehmen zum Beispiel mindestens zwei Warenlager, eins „in der Vorstadt neben dem Salzmagazin gelegen“ und ein Lager in der „Wormser Straße“, das Lichtenberger & Co. von Casimir Lichtenberger gemietet hatten.106 Die Vielzahl der Quellen aus dem Bereich des Groß- und Fernhandels aus dem Hause Lichtenberger legen es nahe, diesem Unternehmenszweig für die bayerische Zeit einen zentralen Stellenwert einzuräumen. Im Speyerer Anzeigenblatt bot Lichtenberger in den 1820er Jahren vorrangig Tabakwaren an,107 betätigte sich aber auch gelegentlich im Handel anderer Waren, wie beispielsweise „italienischen Papellsätzlinge“108 im Jahr 1825. Im Jahr 1831 wird Lichtenberger ausdrücklich als „Chef und alleiniger Inhaber der Handlung, welche unter der Firma Lichtenberger und Compagnie zu Speyer besteht“109 in den Quellen betitelt, während es zu anderen Zeiten auch Teilhaber im Unternehmen gab, die als Kapitalgeber aber auch als im Unternehmen mitarbeitende Kaufleute fungierten.110 Lichtenberger war neben seinem Handelsunternehmen in bayerischer Zeit im Besitz einer Tabakmanufaktur in Speyer.111 Laut einem Gutachten des Bürgermeisteramtes der Stadt von 1817 hatte diese folgenden Umfang: Die Immobilien des Unternehmens wurden mit einem Wert von 30.000 fl. veranschlagt. Das „Etablissement“ wurde als das „bedeutendste in dieser Art im Rheinkreis“ eingestuft. Lichtenberger produziere „alle Sorten Rauch- und Schnupftabaks, größtenteils aus inländischen Güthern“, für „feinere Tabak Sorten“ beziehe er aber auch amerikanischen Tabak. Die Fabrik beschäftigte laut Gutachten pro Jahr im Durchschnitt „60 Arbeiter und mehr“.112 Der Manufaktur wurde 1817 auf Gesuch Philipp Markus Lichtenbergers das Privileg verliehen sich „Königlich Baierische privilegierte Tabacks-Fabrick“113 zu nennen und das bayerische Wappen zu führen. Dieses Privileg beinhaltete keine weiteren Vorrechte oder Freiheiten. Da in der Pfalz Gewerbefreiheit herrschte, diente das Privileg lediglich zur besseren Selbstvermarktung. Das bayerische Wappen auf den Waren bot zudem einen gewissen Schutz vor Fälschern. Einen wichtigen Unternehmenszweig bildete für Lichtenberger der zu Beginn der 1820er Jahre in der Rheinschanze durch seinen Schwiegervater Scharpff errichtete Handelsplatz. 1822 wurde Philipp Markus Teilhaber des 1821 gegründeten Unternehmens. In einem überlieferten Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1825 ver105 106 107 108 109 110

StASp, Bestand III, Nr. 276, Fol. 3. StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 10. Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeigeblatt, Nr. 1 vom 02. 01. 1823, S. 2. Ebd., Nr. 4 vom 27. 01. 1825, S. 16. LASp, K38, Karton 76, Nr. 1148. Bis 1830 war der Kaufmann Carl Korn z. B. einige Zeit Teilhaber des Unternehmens, vgl.: StALu, WS1, Nr. 15: Briefwechsel zum Ausstieg Korns aus der Handlung Lichtenberger & Co. 111 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 118: „Verkaufbuch“ der Tabakmanufaktur ab 1814. 112 StASp, Bestand 3, Nr. 276, Fol. 3. 113 Ebd., Fol. 6.

62

2 Die Protagonisten der Studie

fügte die in diesem Jahr vertraglich neu gegründete Gesellschaft über ein Grundkapital von 40.000 fl. Daran beteiligte sich Philipp Markus Lichtenberger mit 10.000 fl. Johann Heinrich Scharpff stellte Land und Gebäude und das restliche Grundkapital. Darüber hinaus integrierten die beiden Kaufleute den zuvor in Speyer angesiedelten Kaufmann Friedrich Stolz als Leiter in die Gesellschaft – mit einer Gewinnbeteiligung und einem garantierten jährlichen Lohn von 120 fl., jedoch ohne eigene Investition.114 Bereits ein Jahr später übernahm Lichtenberger per Vertrag alle „Actien“115 des Handelsunternehmens von seinem Schwiegervater. Er wurde damit zum alleinigen Inhaber des Unternehmens. Die benötigten Ländereien und Gebäude pachtete er von seinem Schwiegervater. Nach dessen Tod erstand er sie von den Erben. Die Rheinschanze stieg zwischen 1820 und 1840 zum zentralen Warenumschlags- und Handelsplatz des Rheinkreises auf.116 Philipp Markus Lichtenberger war auch im Besitz einiger Immobilien in der nahen Handelsstadt Mannheim. Hier besaß er um 1825 ein Tabaksmagazin (unter der Adresse R5, 6) und eine Scheune. Im Jahr 1828 bemühte er sich um den Verkauf dieser Gebäude und trug sich mit dem Gedanken in der Nähe des Schlosses unweit des Rheinufers und dem dort entstehenden Hafen eine neue Handelsfiliale zu gründen.117 Die Tätigkeit als Kaufmann und Manufakturinhaber war im Fall Lichtenbergers ebenso wie bei Scharpff noch eng mit der landwirtschaftlichen Rohstoffproduktion verbunden. So war Lichtenberger im Besitz eines Hauses in Berghausen das von „Ekonomiegebäuden“ zur Lagerung von „Feldfrüchten“, Heu und anderen „Landesprodukten“ umgeben war.118 Er besaß umfangreiches Ackerland in der Region,119 das er zum Beispiel mit Getreide bestellen ließ,120 und war im Besitz von Weinbergen auf Basis derer er Wein produzierte.121 Abseits seiner ökonomischen Tätigkeiten im Handel und in der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe, wurde Philipp Markus Lichtenberger ab 1820 zum Agent der Gothaer Feuerversicherungsanstalt für den Deutschen Handelsstand und 1827 zum Agenten der Gothaer Lebensversicherungsbank. Er war damit, im Kontext des sich allmählich entwickelnden privatwirtschaftlichen Versicherungswesens in den deutschen Territorien, ein Versicherungsagent ‚erster Stunde‘.122 Lichtenberger beteiligte sich zudem an der Gründung und Finanzierung von frühen Aktiengesellschaften in der Pfalz – vor allem im Bereich der Infrastrukturverbesserung. Er war unter anderem Teil einer Gruppe von Wirtschaftsbürgern, die sich am 114 Vgl.: LASp, K38, Karton 329, Nr. 69: Gesellschaftsvertrag der Handelsgesellschaft in der Rheinschanze vom 17. 02. 1825. 115 Vgl.: Ebd., Karton 332, Nr. 132: Notariatsurkunde über eine „Übereinkunft“ zwischen Philipp Markus Lichtenberger und Johann Heinrich Schrapff vom 11. 03. 1826. 116 Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 80. 117 Vgl.: StALu, LUA 45/2, Fol. 6 und 55. 118 Ebd., WS1, Nr. 14, Fol. 109. 119 Vgl. u. a. Ebd., LUA 45/1, P. 64 f., sowie: StALu, LUA 45/2, P. 58–60. 120 Vgl.: Ebd., LUA 45/2. 121 Vgl.: StASp, Bestand 3, Nr. 414. 122 Vgl. die Korrespondenz mit den Versicherungen in Gotha in: StALu, WS1, Nr. 7–14.

2.2 Lichtenberger & Co.

63

16. Januar 1836 im preußischen Saarbrücken versammelten und sich für den Bau einer Eisenbahn zwischen der Rheinschanze und Saarbrücken einsetzte.123 Ab 1836 war er Mitglied des neu entstandenen provisorischen Ausschusses zur Errichtung der ersten pfälzischen Eisenbahnlinie.124 In der königlichen Entschließung zum Bau der Eisenbahnen von 1837 wurden die Handelshäuser „Lichtenberger, Scharpff und Comp. in der Rheinschanze“ und „Lichtenberger & Comp. zu Speyer“ als zwei von fünf Unternehmen genannt, bei denen Aktien für die sich konstituierende Gesellschaft gezeichnet werden konnten.125 Philipp Markus Lichtenberger kann somit als Mitbegründer der Aktiengesellschaft der 1847 eröffneten, ersten pfälzischen Eisenbahn zwischen Ludwigshafen und Bexbach gelten.126 Um 1837 erwarb er zudem Aktien für den Donau-Main-Kanal.127 Darüber hinaus engagierte er sich für den Aufbau einer direkten Dampfschifffahrtsverbindung nach Rotterdam.128 Auch im gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Region betätigte sich Philipp Markus Lichtenberger. Er übernahm zahlreiche Ämter in der Stadt. So war er um 1817/18 Kommandant der Ehrengarde,129 zu Beginn der 1820er Jahre Adjunkt der Stadt130 – ein stellvertretender Bürgermeister – und noch um 1829 lässt er sich als Stadtrat nachweisen.131 Um 1828 war Lichtenberger zudem „Rendant“ (Rechnungsführer) der „Kreis-Hülfskasse zu Speyer“.132 Über weitere karitative Tätigkeiten gibt die Aufführung seines Namens in offiziellen Spendenlisten des „Vereins für hiesige Haus-Arme“ von Speyer Auskunft.133 Im Kontext seiner unternehmerischen Tätigkeiten nahm Lichtenberger zudem regen Anteil am regionalen Vereinsleben. Seit 1818 war er Mitglied des landwirtschaftlichen Vereins134 und um 1839 Mitglied des historischen Vereins der Pfalz.135 Der landwirtschaftliche Verein ehrte ihn 1818 mit einem Preis für „Urbarmachung, Obst- und Rebpflanzungen“136 in der Gemarkung Speyer. Im Jahr 1824 war er Mitglied des Bezirkskomitees des

123 Vgl.: Sturm, Heinz: Die pfälzischen Eisenbahnen, S. 29. 124 Vgl.: Schreiner, Werner: Paul Camille von Denis, S. 71 ff. 125 Vgl.: Ebd., zu den Anzeigen zum Aufbau der Aktiengesellschaft, vgl.: Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 68 und 69 vom 07. 02. 1838 und Nr. 114 und 115 vom 02. 03. 1838; Bayreuther Zeitung, Nr. 2 vom 03. 01. 1838, sowie: Allgemeine Zeitung von und für Bayern, Nr. 56 vom 25. 02. 1838. 126 Vgl.: Raimar, Josef: Heinrich Wilhelm Lichtenberger, S. 2 f. 127 Vgl.: StALu, LUA 45/2, Fol. 36. 128 Vgl.: Kurzbiografie Philipp Markus Lichtenbergers, in: Mörz, Stefan / Becker, Klaus-Jürgen (Hg.): Geschichte der Stadt Ludwigshafen, S. 252. 129 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe I, 2. 130 Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Baiern, Nr. 33 vom 18. 05. 1824, sowie: Speierer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 4 vom 23. 01. 1823. 131 Vgl.: StASp, Bestand 3, Nr. 8. 132 Vgl.: Intelligenz-Blatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises, Nr. 26 vom 18. 10. 1828, S. 339. 133 Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeigeblatt, Nr. 4 vom 23. 01. 1823 und Nr. 16 vom 17. 04. 1828. 134 Vgl.: Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Baiern, Nr. 52 vom 22. 09. 1818. 135 Vgl.: Außerordentliche Beilage des Amts- und Intelligenzblattes, Nr. 51 vom [o. A.] 1839. 136 Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Baiern, Nr. 52 vom 22. 09. 1818.

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2 Die Protagonisten der Studie

Vereins.137 Lichtenberger betätigte sich ferner, wie auch sein Schwiegervater, als Subskribent von regionalen Buchpublikationen.138 Seinem protestantischen Glauben gab er im Jahr 1818 Ausdruck, in dem er der lutherischen Dreieinigkeitskirche von Speyer gemeinsam mit seinem Schwiegervater und seinem Vetter Ludwig Heinrich Schlegel einen Zentner Metall zum Guss neuer Glocken spendete.139 Als Philipp Markus Lichtenberger im Jahr 1842 starb, schalteten seine Hinterbliebenen „tiefgebäugt“140 eine Todesanzeige in der Neuen Speyerer Zeitung. Dieser Anzeige zufolge starb er nach „einer langwierigen und schmerzlichen Krankheit“141 und hinterließ seine Gattin, Charlotte, seinen ältesten Sohn Heinrich Wilhelm sowie seine weiteren Kinder Franziska, Henriette, Friedrich, Carl und Caroline. Heinrich Wilhelm übernahm nach dem Tod seines Vaters das Unternehmen in der Rheinschanze, das seine Eltern ihm bereits 1837 als „Schenkung unter Lebenden“142 übermacht hatten. Über die Entwicklung des Handelshauses und der Tabakmanufaktur Lichtenbergers in Speyer nach dem Tod des Gründers ist bisher nichts bekannt. Ein im Stadtarchiv überliefertes Schmuckblatt der Tabakmanufaktur Lichtenberger aus späterer Zeit deutet jedoch auf eine Fortexistenz des Unternehmens hin.143 Eine Untersuchung der Geschäftskorrespondenzen der Unternehmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. im Vergleich – so zeigen die kurzen Abrisse zu den Biografien und ökonomischen Tätigkeiten der Unternehmensinhaber – ist besonders interessant, da die Nachlässe es ermöglichen, zwei Unternehmen, die in der gleichen Stadt angesiedelt waren und deren Geschäfte sich in vielen Bereichen überschnitten, über einen längeren Zeitraum zu untersuchen. Hierbei stellt sich die Frage, ob sich die unternehmerischen Aktivitäten vor dem Hintergrund ähnlicher Rahmenbedingungen unterschiedlich ausprägten. Inwiefern Kooperation und Konkurrenz für die Entwicklung der Unternehmen eine Rolle spielten, dies ist ebenfalls eine Frage, der in der folgenden Analyse am Rande nachgegangen werden kann. Interessant erscheinen die beiden Firmen für eine vergleichende Analyse auch deshalb, da es sich bei den Hauptakteuren um Kaufleute aus zwei Generationen handelte, deren Sozialisation, Kommunikationsformen und Verhaltensweisen Unterschiede aufgewiesen haben könnten. Ein differenzierteren Blick nicht allein auf einen Akteur des frühen 19. Jahrhunderts, sondern ein Vergleich im Kontext sich wandelnder Rahmenbedingungen erweitert das Blickfeld auf die Wirtschaftsentwicklung in der Pfalz und die Handlungsspielräume der Akteure maßgeblich.

137 Vgl.: Ebd., Nr. 33 vom 18. 05. 1824. 138 Vgl.: König, Johann Michael: Unterhaltungsstücke nebst andern merkwürdigen Gegebenheiten, sowie: Ders.: Übersicht wahrhafter und merkwürdiger Thatsachen des Bauern-Aufruhrs. 139 Vgl.: König, Johann Michael: Reformations-Geschichte der Stadt Speyer, S. 110 f. 140 Vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 112 vom 06. 06. 1842, S. 497. 141 Ebd. 142 StALu, WS1, Nr. 126. 143 Vgl.: StASp, Bestand 4, Nr. 801. Die Druckgrafik unterscheidet sich von den im Unternehmensnachlass überlieferten Illustrationen und entstammt einer späteren Zeit.

3 RAUM UND PRAXIS DER GESCHÄFTSKORRESPONDENZ Im folgenden Kapitel verorte ich die Geschäftskorrespondenz der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auf Basis einer quantitativen Auswertung der Briefkopierbuchregister zunächst geografisch. Dabei frage ich danach, wohin korrespondiert wurde und wie sich das Kommunikationsnetzwerk räumlich ausgestaltete, in dem die ökonomischen Kommunikations- und Transferprozesse der Handelshäuser stattfanden. Das zweite Unterkapitel widmet sich der Kommunikationsinfrastruktur im frühen 19. Jahrhundert als Basis für Kommunikation über Distanzen und als Einflussfaktor auf Frequenz, Umfang und Form der Kommunikation. Im dritten Unterkapitel befasse ich mich schließlich mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Korrespondenz, den darin auffindbaren Schreibkonventionen und -normen. 3.1 DIE GEOGRAFISCHE VERTEILUNG Ihre Majestäten der König und die Königin werden am 6. Juny in Worms übernachten und dem folgenden Tag auf Pfingstsontag in der Frühe die Rheinschanze besuchen […] Vor allen Dingen suchen Sie […] so viele Schiffe als nur immer möglich zusammen zu bringen die im Hafen vor Anker gelegt, bei Ankunft der Majestäten ein jedes die Flagge seiner Nation wozu es gehört aufziehen – überhaupt suchen Sie […] allerley Waaren aufzustappeln um dem Ganzen ein recht belebtes, commerzielles Ansehen zu geben, damit das Etablissement Eindruck auf den König hat.1

Mit diesem Appell an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Rheinschanze bereitete Philipp Markus Lichtenberger Ende Mai 1829 sein dortiges Handelshaus auf einen Besuch Ludwig I. von Bayern und dessen Frau Therese vor. Lichtenberger hielt die Kaufleute dazu an, den Handelsplatz so vorzubereiten, dass er ihn als überregional attraktiv und florierend präsentieren konnte. Neben dem Aufbau eines Triumphbogens lag sein Augenmerk darauf, viele Schiffe mit unterschiedlichen Herkunftsflaggen zu versammeln. In der anschließenden Publikation „Des Rheinkreises Jubelwoche oder geschichtliche Darstellung der Reise Ihrer Majestät des Königs Ludwig und der Königin Theres von Bayern durch die Gaue des Rheinkreises […]“2 wird berichtet, dass Ludwig I. – beeindruckt von dem regen Treiben rund um den Handelsplatz – sich explizit nach den ankernden Schiffen und ihrer Herkunft erkundigt habe. Im Hafen lagen dem Bericht zufolge neun Schiffe mit den Zielen Mainz, Frankfurt am Main, Heilbronn, (Bad) Cannstadt (heute Stuttgart), Offenheim sowie Basel 1 2

StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 1013 f. In allen Zitaten aus der Geschäftskorrespondenz wurden, zur besseren Lesbarkeit, die Abkürzungen aus dem Originaltext ausgeschrieben. Vgl.: o. A.: Des Rheinkreises Jubelwoche.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

und „Holland“.3 Für das Gedenkbuch wurden Stiche der Szenerie angefertigt, bei deren Erstellung Lichtenberger besonders daran erinnerte, dass der Lithograf die Flaggen der Schiffe nicht zu malen vergas.4 Diese Anekdote zeigt auf, dass Lichtenberger sich gegenüber dem König und der Öffentlichkeit als erfolgreicher Unternehmer und sein Handelshaus als überregionalen, wirtschaftlichen Knotenpunkt für den Warenverkehr inszenierte. Jenseits der Selbstdarstellung stellt sich jedoch die Frage nach der Ausdehnung der ökonomischen Tätigkeit der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in ihren Geschäftsbüchern, deren Ableger die Rheinschanze war. Welchen Kommunikations- und Aktionsraum konnten sie innerhalb des Deutschen Bundes und darüber hinaus für ihre Geschäfte nutzen? Im Folgenden wird mit Hilfe einer quantitativen Auswertung der Briefkopierbuchregister der Speyerer Handelshäuser analysiert, wie sich ihr Kommunikationsnetzwerk ausdehnte. Die Analyse nutzt dabei zunächst die Register von Lichtenberger & Co. (1815–1840) und vergleicht diese mit den im Untersuchungszeitraum nur lückenhaft überlieferten Registern von Joh. Hein. Scharpff (1815–1828). Bei der Analyse des Kommunikationsnetzwerkes ordne ich die Befunde zudem in die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im Deutschen Bund ein. Die vergleichende Auswertung der Register wurde durch die unterschiedliche Laufzeit der Briefkopierbücher beider Handelshäuser, die zwischen wenigen Monaten und ein bis zwei Jahren liegen, und im Falle von Joh. Hein. Scharpff in besonderem Maße durch Überlieferungslücken, erschwert. Briefkopierbücher mit Registern des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff

3 4

StALu, WS1, Nr.

Laufzeit

37

28. 07. 1813 – 21. 09. 1815

38

12. 01. 1815 – 12. 07. 1815

39

21. 09. 1815 – 12. 07. 1816

41

12. 07. 1816 – 25. 01. 1817

42

25. 01. 1817 – 13. 10. 1817

43

13. 10. 1817 – 27. 07. 1818

45

02. 07. 1818 – 07. 06. 1819

46

07. 06. 1819 – 21. 01. 1821

48

22. 01. 1820 – 16. 10. 1820

49

06. 10. 1820 – 14. 09. 1821

51

20. 10. 1821 – 08. 06. 1822

54

29. 10. 1824 – 01. 03. 1826

Ebd., S. 27 f. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 27.

3.1 Die geografische Verteilung

67

Da jedoch auch im Fall Scharpffs in der Briefkopierbuchreihe ein Großteil der Register überliefert ist, bietet die Auswertung die Möglichkeit, sich dem unternehmerischen Kommunikationsnetzwerk zumindest anzunähern. Die quantitative Auswertung der Register wurde ferner dadurch erschwert, dass sich zum einen Ortsnamen im Wandel der Zeit verändern konnten und zum anderen einzelne Namen für mehrere Orte in verschiedenen Regionen zeitlich parallel genutzt worden sind – und teilweise auch noch werden. Innerhalb der Register werden die Orte nur selten spezifischer benannt (z. B. Mühlheim an der Ruhr oder Mühlheim am Rhein). Oft steht der Ortsname für sich allein. Da es bei dem Großteil der Orte jedoch auf Basis der Quellenstudien nahezu zweifelsfrei möglich war, ihre geografische Lage zu bestimmen, kann die quantitative Auswertung im Folgenden einen relativ zuverlässigen Einblick in die Ausdehnung des Kommunikationsnetzwerkes bieten. Bleibende Unsicherheiten in der Ortszuweisung werden in den Fußnoten kommentiert.5 Das Speyerer Handelshaus Lichtenberger & Co. kommunizierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwerpunktmäßig innerhalb der Staaten des Deutschen Bundes und korrespondierte mit rund 900 Orten, wobei an rund die Hälfte der Orte nur ein bis drei Briefe im gesamten Untersuchungszeitraum gerichtet waren.6 Anhand der fünfzig meistfrequentierten Orte in der Korrespondenz können regionale Schwerpunkte in der Kommunikation herausgearbeitet werden, da dieser Briefverkehr bereits rund zwei Drittel der überlieferten Geschäftskorrespondenz umfasst. Die Statistik belegt einen weiten Radius der geschäftlichen Kommunikation, der sich über viele Territorien des Deutschen Bundes erstreckte. Sie bildet einen potenziellen Handlungsraum ab, der sich kaum an Staatsgrenzen orientierte. Der Briefverkehr jenseits der Pfalz verteilte sich auf eine ganze Reihe territorialer Binnenmärkte. Diese wurden über einzelne wirtschaftliche Zentren erschlossen. Hierbei spielte die infrastrukturelle Erreichbarkeit und die Entfernung zu Speyer offenbar eine Rolle. Der Kommunikationsraum veränderte sich innerhalb des Untersuchungszeitraumes durch zunehmende oder abnehmende Frequenzen des Schriftverkehrs mit einzelnen Orten und Regionen, blieb aber in seiner Ausdehnung relativ stabil. Unter den 50 meistadressierten Orten befanden sich 25 Orte, die sich dem Rheinkreis zuordnen lassen. Dies zeigt auf, dass der alltägliche Geschäftsverkehr stark auf das regionale Umfeld von Lichtenberger & Co. bezogen war. 5

6

Bei den wenigen Orten, deren Zuordnung unklar blieben, wurde jener Ort für die statistische Auswertung genutzt, der Speyer am nächsten lag und von dem oft durch die qualitativen Quellenstudien bekannt war, dass zu ihm Verbindungen bestanden – um dem Risiko zu entgehen, dass von einer geografisch zu weit gehenden Korrespondenz der Unternehmen ausgegangen wurde. Die Ortsnamen sind der aktuellen Schreibweise angepasst – sofern es sich historisch um Orte handelte, die später eingemeindet oder umbenannt wurden, ist der historische Name beibehalten worden, während der aktuelle Name oder Namenszusätze in Klammern ergänzt wurden. Die Summe der adressierten Orte ist bei einer genaueren Studie der einzelnen Korrespondenzen zu verifizieren. Die Anzahl konnte hier aufgrund der Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Ortsnamen nicht präzisiert werden.

68

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz Die 50 meistfrequentierten Orte von Lichtenberger & Co. zwischen Oktober 1815 und Dezember 18407 (Gesamtanzahl der Briefe in den Registern: 47.831)

Ort

7 8 9

Briefanzahl (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich8 (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

Landau (in der Pfalz)

3.996 (8,35)

Königreich Bayern [Rheinkreis9]

Frankfurt am Main

3.372 (7,05)

Freie Stadt

Mannheim

2.796 (5,85)

Großherzogtum Baden

Neustadt (an der Weinstraße)

2.492 (5,21)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Rheinschanze (Ludwigshafen am Rhein)

2.375 (4,97)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Mainz

1.435 (3,00)

Großherzogtum Hessen

Speyer

1.309 (2,74)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Germersheim

1.248 (2,61)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Zweibrücken

904 (1,89)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Erfurt

678 (1,42)

Königreich Preußen

Nürnberg

676 (1,41)

Königreich Bayern

Gotha

603 (1,26)

Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg (1826: Herzogtum SachsenCoburg und Gotha)

Saarbrücken

601 (1,26)

Königreich Preußen

(Bad) Bergzabern

580 (1,21)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Kaiserslautern

576 (1,20)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Köln

567 (1,19)

Königreich Preußen

(Bad) Dürkheim

497 (1,04)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Frankenthal

471 (0,99)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Arnstadt

405 (0,85)

Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen

Coburg

384(0,80)

Herzogtum Sachsen-Coburg (ab 1826: Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha)

Höchst am Main (Frankfurt am Main)

382 (0,80)

Herzogtum Nassau

Annweiler (am Trifels)

375 (0,78)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Gimmeldingen (Neustadt an der Weinstraße)

373 (0,78)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Die Statistik basiert auf der Registern der 21 überlieferten Briefkopierbücher des Unternehmens, vgl.: StALu, WS1, Nr. 1–21. Nach den territorialen Neuordnungen auf dem Wiener Kongress (1815/1816) und in den bilateralen Anschlussverträgen. Da der Rheinkreis als territorial getrenntes Gebiet des Königreiches das regionale Umfeld der Unternehmen bildete, wird die Provinz hier separat mit aufgeführt.

69

3.1 Die geografische Verteilung Ort

Briefanzahl (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich8 (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

St. Wendel

358 (0,75)

Herzogtum Sachsen-CoburgSaalfeld (1834: Preußen)

Landstuhl

345 (0,72)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Wachenheim (an der Weinstraße)

336 (0,70)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Homburg

332 (0,69)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

(Bad) Kreuznach

331 (0,69)

Königreich Preußen

Straßburg

325 (0,68)

Königreich Frankreich

Schweigen (Schweigen-Rechtenbach)

324 (0,68)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Obersteinbach

313 (0,65)

Königreich Bayern [Rheinkreis] (ab 1825: Königreich Frankreich)

Rudolstadt

311 (0,65)

Fürstentum SchwarzburgRudolstadt

Fulda

310 (0,65)

Kurfürstentum Hessen

Leipzig

293 (0,61)

Königreich Sachsen

Worms

291 (0,60)

Großherzogtum Hessen

Karlsruhe

255 (0,53)

Großherzogtum Baden

Rheinzabern

255 (0,53)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Altenburg

247 (0,51)

Herzogtum Sachsen-GothaAltenburg (1826: Herzogtum SachsenAltenburg)

Ulm

242 (0,51)

Königreich Württemberg

Schweighofen

230 (0,48)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Grünstadt

226 (0,47)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Edenkoben

222 (0,46)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

München

221 (0,46)

Königreich Bayern

Pirmasens

216 (0,45)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Amsterdam

209 (0,44)

Vereintes Königreich der Niederlande

Scheibenhardt

209 (0,44)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Mußbach (Neustadt an der Weinstraße)

208 (0,43)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Mutterstadt

207 (0,43)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Bamberg

205 (0,43)

Königreich Bayern

Gera

193 (0,40)

Herrschaft der Fürsten Reuß

Gesamtbriefe

34.309 (71,73)

70

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz Die 25 wichtigsten Korrespondenzorte in der Pfalz von Lichtenberger & Co. (1815–1840)10

Orte

Anzahl der Briefe

Landau (in der Pfalz)

3.881

Neustadt (an der Weinstraße)

2.431

Rheinschanze (Ludwigshafen am Rhein)

2.204

Speyer

1.258

Germersheim

1.230

Zweibrücken

857

Kaiserslautern

553

(Bad) Bergzabern

516

(Bad) Dürkheim

490

Frankenthal

466

Annweiler (am Trifels)

370

Gimmeldingen (Neustadt an der Weinstraße)

370

Landstuhl

331

Homburg

329

Wachenheim (an der Weinstraße)

326

Schweigen (Schweigen-Rechtenbach)

317

Rheinzabern

253

Kandel

230

Grünstadt

221

Edenkoben

215

Mutterstadt

201

Pirmasens

199

Scheibenhardt

192

Mußbach (Neustadt an der Weinstraße)

188

Schweighofen

175

Für das Jahr 1825 hat der Regionalhistoriker Willi Alter herausgearbeitet, dass es in der Pfalz nur zehn Städte mit mehr als 4.000 Einwohnern und Einwohnerinnen gab. Die Region verfügte im Untersuchungszeitraum über ein stetiges Bevölkerungswachstum, das flächendeckend seinen Niederschlag fand. Zu den größten urbanen Zentren zählten Speyer (7.65011), Zweibrücken (6.336), Neustadt an der Weinstraße (6.259), Kaiserslautern (5.657), Landau in der Pfalz (5.519), Pirmasens (4.996), 10 11

Auf Basis der Briefkopierbücher von Lichtenberger & Co., vgl.: StALu, WS1, Nr. 1–21. In Klammern steht die jeweils ermittelte Anzahl der Einwohner und Einwohnerinnen.

3.1 Die geografische Verteilung

71

Frankenthal (4.986), Edenkoben (4.449), (Bad) Dürkheim (4.084) und Haßloch (4.065).12 Außer Haßloch finden sich diese Orte alle in der obigen Statistik. Die urbanen Zentren der Region waren somit deckungsgleich mit den Kommunikationszentren für das Handelshaus Lichtenberger & Co. Dabei kamen Speyer, Landau, Neustadt und Germersheim als Städten der Vorder- und Südpfalz eine herausgehobene Stellung zu. Hinzu kam die Rheinschanze als Kommunikationsschwerpunkt. Diese spielte ab den 1820er Jahren, nach dem Aufbau des Handelshauses an diesem Ort, eine zentrale Rolle. Die starke Konzentration der schriftlichen Kommunikation auf urbane Zentren lässt sich dadurch erklären, dass die Städte mit ihren Märkten und der Ansammlung von Gewerbe- und Handeltreibenden, Verwaltungsinstitutionen oder Militärstationierungen auch wirtschaftliche Zentren bildeten. Dies lässt sich am Beispiel der vier meistfrequentierten Orte der Pfalz eindrücklich zeigen. So war Speyer als bevölkerungsreichste Stadt unter anderem Sitz der Provinzregierung,13 Sitz eines Landkommissariats,14 Truppenstützpunkt15 und Sitz des Hauptpostamtes der Pfalz.16 Landau, Neustadt und Germersheim waren ebenfalls Sitze von Landkommissariaten und damit regionale Verwaltungszentren.17 Landau diente ab 1816 zudem als Bundesfestung.18 Hier war unter anderem die Kommandoschaft des bayerischen Militärs im Rheinkreis untergebracht.19 Außerdem war die Stadt Standort eines Bezirksgerichts.20 In der Korrespondenzstatistik für Lichtenberger & Co. findet sich neben den urbanen Zentren eine Vielzahl pfälzischer Orte, die geografisch einen weiten Teil der Provinz abdecken und eine kommunikative Durchdringung der Region belegen. Dabei erstreckt sich das Kommunikationsgebiet von Grünstadt im Norden über die rheinnahen Städte Frankenthal, Speyer und Germersheim im Westen und über Schweigen-Rechtenbach und Scheibenhardt im Süden bis hin zu den Städten Zweibrücken, Homburg und Pirmasens im Westen der Pfalz. Bei einem genaueren Blick fällt auf, dass mit verschiedenen pfälzischen Gebieten unterschiedlich intensiv korrespondiert wurde. Unter den zehn meistfrequentierten Orten in der Pfalz befanden sich acht Städte oder Orte, die zwischen Haardtgebirge und Rhein in der fruchtbaren Ebene lagen. Hierbei handelte es sich um Landau, Neustadt, die Rheinschanze, Speyer, Germersheim, (Bad) Bergzabern, (Bad) Dürkheim und Frankenthal. Insgesamt lassen sich 19 der 25 Orte in der östlichen Hälfte des Rheinkreises verorten. Lediglich durch Schriftverkehr mit Zweibrücken, Kaiserslautern, Homburg, Landstuhl und Pirmasens griff die Kommuni-

12 13 14 15 16 17 18 19 20

Vgl.: Alter, Willi: Die Bevölkerung der Pfalz im Jahr 1825, S. 182. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 13. Vgl.: Ebd., S. 13. Vgl.: Kolb, Georg Friedrich: Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern, S. 214 f. Vgl.: Ebd., S. 153. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 13. Vgl.: Hess, Hans / Alter, Willi: Pläne der Festungen, S. 267–372. Vgl.: Gerstner, G.: Der Rheinkreis des Königreichs Baiern, S. 45. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 14.

72

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

kation im Westen gelegentlich über die Haardt hinaus. Der Norden des Rheinkreises, das Pfälzer Bergland, wurde durch Briefverkehr nur sehr schwach erschlossen. Die kommunikative Erschließung der Pfalz durch das Handelshaus Lichtenberger & Co. verweist auf die unterschiedlichen, wirtschaftlichen Situationen in der Region zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Willi Alter kommt auf Basis seiner Bevölkerungsstatistik des Rheinkreises für das Jahr 1825 zu dem Schluss, dass der … wirtschaftliche Schwerpunkt der Pfalz in der Vorderpfalz, und hier wieder stärker in der mittleren und südlichen Haardtrandzone, zu suchen war. Der Landstrich verfügte über gute Böden, der Weinbau gedieh sehr, die Dörfer besaßen beachtliche Anteile an den Gebirgswaldungen, und ein vielfältiges Handwerk und Gewerbe wies zusätzlich auf eine wirtschaftlich gesunde Zone hin.21

Aufgrund der landwirtschaftlichen Prägung wurde die wirtschaftliche Entwicklung in der Pfalz vor allem durch ihre naturräumlichen Bedingungen beeinflusst. Illustrieren lässt sich dies an den Gegensätzen zwischen dem Flachland in der pfälzischen Rheinebene und dem Nordpfälzer Bergland: Das fruchtbare Flachland eignete sich gut zur Entwicklung einer ausgedehnten Feldkultur und einem damit einhergehenden Außenhandel. Demgegenüber verfügte das dünner besiedelte Bergland nur über wenige Anbauflächen für Feldkulturen und war zudem durch das Verkehrsnetz weniger gut erschlossen.22 Es ist daher naheliegend, dass die unterschiedlichen naturräumlichen und infrastrukturellen Begebenheiten Einfluss auf die Korrespondenzverteilung und die Geschäftstätigkeit von Lichtenberger & Co. nahmen. Die über die Pfalz hinausgreifende Kommunikation der Handelshäuser steht im Kontext einer unüberschaubaren Vielzahl von Wirtschaftsgesetzgebungen der einzelnen Territorialstaaten im Deutschen Bund, die mit vielfältigen Handelshemmnissen einhergingen. Bereits bei der Gründung des Deutschen Bundes war vereinbart worden, bei den jährlichen Beratungen der Mitglieder über eine gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik zu verhandeln. Doch einem wirtschaftspolitischen Zusammenschluss aller Staaten standen Partikularinteressen und die Angst der einzelnen Staaten vor dem Verlust ihrer Selbständigkeit entgegen.23 Der Verkehr auf Straßen und Wegen blieb daher durch vielfältige Abgaben belastet. Im Untersuchungszeitraum ist zunächst tendenziell von einer Abschottung eines Großteils der Staaten auszugehen, deren Zoll- und Abgabenpolitik sich bis in den 1840er Jahre dann allmählich liberalisierte – auch wenn dabei von keiner stringenten Entwicklung gesprochen werden kann. Die bestehenden Zollsysteme unterlagen einem stetigen Wandel. Zunächst gingen die Staaten, wie Bayern (1807) und Preußen (1818), dazu über, ihre Binnenzölle abzuschaffen und Außenzollsysteme einzuführen, deren Tarife sie im Zeitverlauf immer wieder anpassten.24 Im Verlauf der 1820er Jahre kam es zu ersten zollpolitischen Zusammenschlüssen zwischen Staaten. So wurden bei21 22 23 24

Alter, Willi: Die Bevölkerung der Pfalz im Jahre 1825, S. 181. Zur naturräumlichen Gliederung und Struktur der Landwirtschaft, vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 17–23 und 94–257. Vgl.: Haan, Hans-Werner: Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 32–41. Vgl.: Ebd., S. 10–14.

3.1 Die geografische Verteilung

73

spielsweise Kleinstaaten oder territoriale Enklaven in das preußische Zollsystem integriert, oder es entstanden, durch die Gründung von Zollvereinen in Kooperation verschiedener Staaten, größere Binnenmärkte mit eigenen Zollverordnungen und -tarifen.25 Der Rheinkreis, als territorial vom Kernland Bayern getrennte Provinz, wurde 1816 zunächst nicht in das Außenzollsystem des Königreichs Bayern integriert und verfügte über keine eigenen Zollgrenzen. In der regionalgeschichtlichen Forschung konnte herausgearbeitet werden, dass die pfälzische Wirtschaft in der Folgezeit unter dem Mangel an leicht zugänglichen Absatzmärkten litt.26 Die Lage für die pfälzischen Handel- und Gewerbetreibenden verbesserte sich nur durch die allmähliche Privilegierung pfälzischer Handelswaren bei der Einfuhr in das bayerische Kernland in den 1820er Jahren.27 Die Gründung des Süddeutschen Zollvereins, der im Jahre 1828 zunächst zwischen den Königreichen Bayern und Württemberg geschlossen wurde und in den die Pfalz in den Folgejahren einige Waren privilegiert einführen konnte, führte zu weiteren Handelserleichterungen.28 Ab 1829 befand sich Bayern in einer Vorbereitungsphase für einen Zusammenschluss mit dem preußisch-hessischen Zollverein. Um den Rheinkreis in den Wirtschaftsraum Bayerns zu integrieren und ihn formal-institutionell an das Königreich anzupassen, wurde er zu Beginn des Jahres 1830 mit einer Zolllinie umgeben.29 Durch diese Anpassung an das Außenzollsystem des Mutterlandes wurde eine Integration in bestehende und zukünftige Handels- und Zollverträge möglich. Auch wenn in den Rheinkreis eingeführte Waren nun verzollt werden mussten, die Provinz in den Süddeutschen Zollverein integriert wurde und an den Zollerleichterungen des Handelsvertrags zwischen Bayern und Preußen partizipierte, brachte die neue Zolllinie zunächst nur eine geringe Erleichterung für die Wirtschaft.30 Dies lag vor allem darin begründet, dass der Rheinkreis durch die neue Zolllinie von anderen Gebieten abgeschnitten wurde, die nicht zum bayerisch-württembergischen oder zum preußisch-hessischen Zollverein gehörten. Beispielsweise wurde der Handel mit Baden, dem coburgischen St. Wendel, Oldenburg-Birkenfeld und Homburg-Meisenheim erschwert.31 25 26 27 28

29 30 31

Vgl.: Ebd., sowie: Angelow, Jürgen: Der Deutsche Bund, S. 60–67; Pohl, Hans: Einführung; Ohnishi, Takeo: Vorläufer des Deutschen Zollvereins; Kiesewetter, Hubert: Preussens Strategien gegenüber Vorläufern des Zollvereins; Kollmer, Gert: Folgen und Krisen des Zollvereins. Vgl. u. a.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 172–180 und S. 185–189, sowie: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 73–86. Zu den stetigen Modifizierungen im Zolltarif Bayerns bzw. den Privilegierungen der Pfalz bei der Einfuhr von Waren in die Kernlande, vgl. die Gesetzeserlässe in den Amtsblättern der königlich-bayerischen Regierung des Rheinkreises der Jahre 1819 bis 1828. Vgl.: Haan, Hans-Werner: Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 32–41; Die Pfalz wurde im Grundvertrag für den bayerisch-württembergischen Zollverein von 1828 zunächst nicht in den neu entstehenden Binnenmarkt integriert, vgl.: Amtsblatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises vom 03. 03. 1828, Nr. 3, S. 61 f. Vgl.: Königliche Verordnung „Die Umgebung des Rheinkreises mit einer Zolllinie betreffend.“, in: Amtsblatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises, Nr. 6, 31. 07. 1829, S. 141–146. Zum Vollzug dieser Verordnung, siehe: ebd., vom 31. 12. 1829, S. 633–642. Vgl. zur Integration des Rheinkreises in den Süddeutschen Zollverein: Amtsblatt der Königlich Bayerischen Regierung des Rheinkreises, Nr. XII vom 16. 12. 1829, S. 465–474. Vgl.: Siebenpfeiffer, Philipp Jakob: Rheinbayern, S. 72.

74

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Rückblickend können die „Vorläufer“32 des Deutschen Zollvereins für die integrierten Staaten und ihre Wirtschaft zudem nur als bedingt förderlich angesehen werden, da ihr vereinheitlichter Wirtschaftsraum recht klein blieb und sie sich gegenüber anderen Staaten weiterhin abschotteten.33 In Anbetracht des Kommunikationsradius des Handelshauses Lichtenberger & Co. scheint diese Einschätzung zur Bedeutung der frühen Zollvereine des Wirtschaftshistorikers Gert Kollmer von Oheimb-Loups schlüssig, da die Kaufleute sich einen Markt zu erschließen versuchten, der viele mitteleuropäische Staaten, von den Niederlanden über viele deutsche Territorien bis in die Schweiz und nach Frankreich umfasste. Die frühen Zollvereine bildeten zunächst nur eine Erleichterung für einen Teil ihrer Aktivitäten. Es kann auf Basis der quantitativen Auswertungen der Korrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. im Detail nicht untersucht werden, inwiefern die zollpolitischen Konstellationen auf die Erschließung von Märkten durch die Handelshäuser Einfluss nahmen. Es wird jedoch deutlich, dass die Handelshemmnisse keinesfalls die Geschäftstätigkeit von Fernhändlern grundsätzlich in Frage stellten. Die Speyerer Handelshäuer waren im gesamten Untersuchungszeitraum in der Lage sich eine Vielzahl von Märkten kommunikativ und durch ökonomische Transaktionen zu erschließen. In welchem Maße dies gelang, war dabei von vielfältigen Faktoren abhängig, unter denen die Höhe der Zölle und Abgaben nur einen Aspekt bildeten.34 Der verkehrs- und kommunikationsinfrastrukturellen Zugänglichkeit oder den Angebots- und Nachfragekonstellationen für Wein und Tabak in verschiedenen Regionen des Deutschen Bundes wird eine ebenso große Bedeutung zugekommen sein. Betrachtet man die Korrespondenzstatistik der 50 meistfrequentierten Orte von Lichtenberger & Co. in Hinblick auf die überregionale Kommunikation der Kaufleute, so zeigen sich einige Schwerpunkte. Der Markt des bayerischen ‚Mutterlandes‘ konnte nur sehr begrenzt erschlossen werden. Es blieb vordergründig bei Kontakten zu einigen urbanen Zentren der nördlichen Hälfte des Königreichs, die über Land und zu Wasser – über den Main – leichter erreichbar waren, als jene Städte im Süden. Unter den 50 wichtigsten Korrespondenzorten finden sich drei zentrale bayerische Städte: Nürnberg (676 Briefe), München (221 Briefe) und Bamberg (205 Briefe).

32 33 34

Ohnishi, Takeo: Vorläufer des Deutschen Zollvereins, S. 174. Vgl.: Kollmer, Gert: Folgen und Krisen des Zollvereins, S. 220. Dabei lag die Bedeutung von Handelshemmnissen nicht allein in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, sondern auch in dem Maße, wie Gesetze von Seiten der Staaten durchgesetzt und ihre Einhaltung kontrolliert werden konnten. Margrit Schulte-Beerbühl weist in ihren Studien zum Handel des 18. Jahrhunderts nach, wie vielfältig Kaufleute zur Zeit der Kontinentalsperre in den Überseeschmuggel verwickelt waren – und damit gesetzliche Handelshemmnisse umgingen. In ähnlichem Maße könnte sich auch Schmuggel innerhalb des europäischen Kontinents entwickelt haben, worauf Geoffry Ellis Studie zur Entwicklung des Elsass in napoleonischer Zeit hindeutet. Vgl.: Schulte-Beerbühl, Margrit: Trading with the enemy; Ellis, Geoffrey: Napoleon’s Continental Blockade, S. 269 und 271. In der Pfalz war im Untersuchungszeitraum Schmuggel weit verbreitet – besonders über den Rhein zwischen der Pfalz und Baden, vgl.: Furtwängler, Martin: Unter Trikolore und weißblauer Fahne, S. 238–240.

3.1 Die geografische Verteilung

75

Nürnberg bildete bereits seit dem Hochmittelalter eine traditionelle Handelsstadt und einen Ballungsraum vieler Handwerker bzw. Handwerkerinnen und Gewerbetreibenden – darunter befanden sich auch tabakweiterverarbeitende Betriebe.35 Das städtische Umland verfügte über einen eigenen Tabakanbau.36 München bildete mit dem Sitz der Regierung das Zentrum des Königreiches, so dass es nicht verwunderlich ist, dass die Stadt mit ihren Verwaltungsinstitutionen und der Ansiedlung finanzstarker Beamter und Bürger wie Bürgerinnen auch über Anziehungskraft für Handeltreibende aus der pfälzischen Provinz verfügte. Bamberg, mit seiner Lage an der Pregnitz und unweit des Mains könnte wie Nürnberg beim Aufbau von Geschäftskontakten von seiner verkehrsgünstigen Lage profitiert haben. Lichtenberger & Co. unterhielten abseits des Königreichs Bayern intensive Kontakte in die deutschen Nachbarstaaten des Rheinkreises. Besonders intensiv waren die Korrespondenzen ins badische Mannheim (2.769 Briefe), das Platz drei der meistfrequentierten Orte einnimmt. Aufgrund der geografischen Nähe und seiner Tradition als Handelsplatz an Rhein und Neckar besaß die Stadt eine hohe Anziehungskraft für Handel- und Gewerbetreibende. Das traf auch vor dem Hintergrund zu, dass die Mannheimer Wirtschaft sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer desolaten Lage befand und erst allmählich wieder an Dynamik gewann.37 Nach Tilde Bayers Studie zur jüdischen Minderheit Mannheims verfügte die Stadt um 1804 (noch) über rund 19.000 Einwohner.38 Speyer, als größte Stadt der Pfalz, beherbergte zur gleichen Zeit nur rund ein Drittel dieser Bevölkerung. Beide Städte besaßen einen direkten Zugang zu Tabakanbaugebieten im Umland, woraus sich auch in Mannheim ein reger Handel und verschiedene Weiterverarbeitungsstätten entwickelten. Die Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Bayer attestiert dem Tabakhandel neben dem Getreidehandel eine herausgehobene Bedeutung für die städtische Wirtschaft. Außerdem entwickelten sich in Mannheim frühe Privatbanken, wie das jüdische Bankhaus Ladenburg.39 Die stetige Präsenz des Privatbankhauses in den Registern Lichtenbergers und Scharpffs verweist darauf, dass dieses Dienstleistungsangebot einen zentralen Grund für die intensive Korrespondenz mit der Stadt bildete. In der linksrheinischen Pfalz fehlte es an vergleichbaren Bankiersfamilien vollkommen.40 Über Mannheim hinaus wurde das Großherzogtum Baden über Briefverkehr kaum erschlossen – lediglich Karlsruhe (255 Briefe) findet sich noch in der Statistik. Ursachen für eine geringe Erschließung dieses Marktes könnte unter anderem 35

36 37 38 39 40

Vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 21 f. und 216 f.; Diefenbacher, Michael / Beyerstedt, Horst-Dieter: Kleine Nürnberger Stadtgeschichte, zur Entwicklung Nürnbergs in der „Frühindustrialisierung“ S. 119–125; sowie: Schieber, Martin: Geschichte Nürnbergs, S. 95–99. Vgl.: Borcis, Georg Christian: Beschreibung aller im Handel vorkomenden Tabaks-Gattungen, S. 41. Entsprechend erschienen in Nürnberg auch Publikationen zum Tabak von Fabrikanten und Handelsleuten, wie: Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde (1830). Vgl.: Hirsch, Hans-Joachim: 1815–1830: In „kargen Zeiten“?, S. 98–132, sowie: Hein, Dieter: 1830–1848: Bürgerlicher Aufbruch, S. 168–178 und 188–195. Vgl.: Bayer, Tilde: Minderheiten im städtischen Raum, S. 29–38. Ebd., S. 31. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 84.

76

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

die Wirtschaftspolitik Badens – die im Vorfeld des Deutschen Zollvereins protektionistische Züge aufwies – und die Konkurrenz badischer Weine und Tabake auf dem regionalen Markt gebildet haben.41 Als Korrespondenzorte in den weiteren, deutschen Nachbarstaaten des Rheinkreises, dem Großherzogtum Hessen, dem Königreich Preußen sowie dem Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld, finden sich zum einen Orte in der näheren Umgebung von Speyer, die sich auf dem linken Rheinufer konzentrierten. Dieses Gebiet hatte unter französischer Herrschaft einem einheitlichen Binnenmarkt angehört. Hierunter fallen das von Speyer rund 110 km entfernte, nach 1815 zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld gehörende St. Wendel (358 Briefe) und das rund 130 km entfernte, nun preußische Saarbrücken (601 Briefe) im Süden und das rund 40 km entfernte großherzoglich-hessische Worms (291 Briefe) sowie das rund 80 km entfernte, preußische (Bad) Kreuznach (331 Briefe) im Norden. Nördlich dieser Städte bildeten die traditionellen Rheinhandelsplätze Mainz (Großherzogtum Hessen, 1.435 Briefe) und Köln (Königreich Preußen, 567 Briefe) weitere wichtige Korrespondenzorte.42 Die Bedeutung von Mainz und Köln für die Kommunikationstätigkeit der Handelshäuser mag neben der Bedeutung der Städte als Handelsplätze auch gerade in ihren rheinschifffahrtsrechtlichen Privilegien, ihrem traditionellen Umschlagsrecht, gelegen haben. Dies führte beim Handel mit den Gebieten am Niederrhein bis in die 1830er Jahre dazu, dass passierende Waren hier aus- und umgeladen werden mussten. Hierzu waren Speyerer Kaufleute auf die Kooperation mit dort ansässigen Kaufleuten angewiesen.43 Verfolgt man das Kommunikationsnetzwerk Richtung Osten tiefer in die Territorien des Deutschen Bundes hinein, so ist die starke Korrespondenz in die Freie Stadt Frankfurt am Main (3.372 Briefe) auffallend: Frankfurt war hinter Landau (in der Pfalz) der meistfrequentierte Ort in der Gesamtstatistik. Die Stadt am Main bildete eine traditionelle Messestadt und ein zentrales Finanzzentrum auf dem europäischen Kontinent mit einer Vielzahl von Bankiersfamilien.44 Zudem war sie ein wichtiges Handelszentrum. Im 18. Jahrhundert hatte sich die Stadt zu einem Markt für Luxusgüter und Kolonialwaren für die fürstliche Residenz entwickelt.45 Neben Frankfurt wurde auch mit dem nahegelegenen Handelsplatz Höchst am Main (heute ein Frankfurter Stadtteil), der dem nassauischen Territorium angehörte, relativ intensiv korrespondiert (382 Briefe). Hierbei spielte offensichtlich die Lage beider Städte am Main eine Rolle. Zudem verfügten beide Städte über nicht unbedeutende Tabakweiterverarbeitungsbetriebe.46 41 42 43 44 45 46

Vgl. zur Zollpolitik des Großherzogtums Baden: Müller, Hans Peter: Das Großherzogtum Baden, S. 85–89. Zur Zentralität Kölns im frühneuzeitlichen Handel und seiner Entwicklung als Finanzzentrum um 1800, vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 20 und 42 f. Vgl. zu den Stapelrechten: Strauch, Dieter: Die Entwicklung des Rheinschifffahrtsrechts, S. 64 ff. Vgl.: Cassis, Youssef: Metropolen des Kapitals, S. 60–61, sowie: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 213. Zur Rolle Frankfurts im frühneuzeitlichen (Welt-)Handel, vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 20. Vgl.: Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 64.

3.1 Die geografische Verteilung

77

Konzentrierte sich der Kontakt nach Preußen, das mit seiner späteren ‚Rheinprovinz‘ an den Rheinkreis grenzte, vorrangig auf Städte links des Rheins und bedeutende Rheinhandelsstädte am Mittel- und Niederrhein, so bildete lediglich das preußische Erfurt (678 Briefe) hiervon eine Ausnahme. Aufgrund der relativ intensiven Korrespondenz kann diese vor dem Hintergrund, dass sich viele weitere Korrespondenzorte Lichtenbergers im sächsischen und thüringischen Raum verorten lassen, zu einem weiteren geografischen Schwerpunkt gezählt werden. Lichtenberger & Co. unterhielten mit Gotha (603 Briefe), Arnstadt (405 Briefe), Coburg (384 Briefe), Fulda (310 Briefe), Rudolstadt (311 Briefe), Leipzig (293 Briefe), Altenburg (247 Briefe) und Gera (193 Briefe) Geschäftskorrespondenz in viele urbane Zentren dieser Region. Diese waren geografisch auf der Nord-Süd-Achse in der Mitte des Deutschen Bundes angesiedelt. Unter ihnen finden sich viele Städte in deutschen Klein- und Kleinststaaten. Dass sich hier ein Korrespondenzschwerpunkt herausbilden konnte, mag auch daran gelegen haben, dass diese Regionen im Vergleich zur Pfalz über keinen nennenswerten Tabak- und Weinanbau verfügten. Mitunter besaßen die Städte aber tabakweiterverarbeitende Betriebe, wie es im sächsischen Leipzig der Fall war.47 Abseits der Kommunikationsschwerpunkte im Rheinland sowie in Sachsen und Thüringen, findet sich noch relativ geringer Briefverkehr in das Königreich Württemberg mit dem an der Grenze zu Bayern gelegenen Ulm (242 Briefe) als einem traditionellen Handels- und Gewerbezentrum an der Donau.48 Über deutsche Territorien hinaus korrespondierten Lichtenberger & Co. nur vereinzelt mit französischen, niederländischen oder Schweizer Orten. Die wichtigsten Korrespondenzorte in Frankreich lagen im an den Rheinkreis angrenzenden Elsass (v. a. Straßburg mit 325 Briefen), mit dem unter der französischen Herrschaft intensive, wirtschaftliche Verflechtungen bestanden. Aufgrund des ähnlichen Klimas verfügte das Elsass über bedeutende Tabak- und Weinanbaugebiete.49 Der mit Abstand größte Teil der Briefe in die Niederlande wurde nach Amsterdam (209 Briefe) verschickt. Amsterdam hatte sich in der Frühen Neuzeit auf Basis des Kolonialwarenhandels zu einem globalen Handels- und Finanzplatz entwickelt, fiel im frühen 19. Jahrhundert zwar hinter London zurück, blieb für den europäischen Kontinent jedoch ein zentraler Seehandels- und Finanzplatz.50 Die Korrespondenzen mit der Schweiz finden keinen Niederschlag in der oben abgedruckten Statistik, da der Briefverkehr zu gering war. In der Eigenossenschaft bildete Basel, als zentrale Handelsstadt im Norden des Landes, den wichtigsten Korrespondenzort mit gerademal 149 Briefen von 1815 bis 1840.

47 48 49 50

Vgl.: Bocris, Georg Christian: Beschreibung aller im Handel vorkommenden Tabaks-Gattungen, S. 41 f.; Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 64, sowie: o. A.: Allgemeine Encyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 770–775. Vgl.: Hepach, Wolf-Dieter: Ulm im Königreich Württemberg, S. 39–41. Vgl.: Ellis, Geoffrey: Napoleon’s continental blockade, S. 207–213, sowie: Vogler, Bernard: Geschichte des Elsass, S. 107–113 und 147 ff. Vgl.: Cassis, Youssef: Metropolen des Kapitals, S. 29–38, sowie: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 176 und 259.

78

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Um eine bessere Vergleichbarkeit mit dem im Folgenden dargestellten Kommunikationsraum von Joh. Hein. Scharpff herzustellen, werden hier noch einmal separat die 50 meistfrequentierten Orte von Lichtenberger & Co. zwischen den Jahren 1815 und 1828, also bis zum Ende der Scharpffschen Korrespondenzüberlieferung und der Auflösung des Handelshauses, betrachtet.51 Die 50 meistfrequentierten Orte von Lichtenberger & Co. zwischen Juni 1815 und Oktober 182952 (Gesamtzahl der Briefe: 29.598) Ort

Anzahl der Briefe (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich nach den territorialen Neuordnungen 1815/181 (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

Landau (in der Pfalz)

3.180 (10,74)

Königreich Bayern [Rheinkreis53]

Frankfurt am Main

1.914 (6,47)

Freie Stadt

Neustadt (an der Weinstraße)

1.721 (5,84)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Mannheim

1.602 (5,41)

Großherzogtum Baden

Mainz

1.107 (3,74)

Großherzogtum Hessen

Speyer

750 (2,81)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Rheinschanze (Ludwigshafen am Rhein)

734 (2,48)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Germersheim

667 (2,25)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

(Bad) Bergzabern

539 (1,82)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Zweibrücken

501 (1,69)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Gotha

421 (1,42)

Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg (1826: Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha)

(Bad) Dürkheim

414 (1,40)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Erfurt

414 (1,40)

Königreich Preußen

Höchst am Main (Frankfurt am Main)

374 (1,26)

Herzogtum Nassau

Gimmeldingen (Neustadt an der Weinstraße)

301 (1,02)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Annweiler (am Trifels)

290 (0,98)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

(Bad) Kreuznach

286 (0,97)

Königreich Preußen

Frankenthal

278 (0,94)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Straßburg

269 (0,91)

Königreich Frankreich

51

52 53

Eine Auswertung bis zum Herbst 1829 geschah aufgrund der Laufzeit des letzten, in diesen Zeitraum fallenden Briefkopierbuchregisters von Lichtenberger & Co., das Briefe vom Sommer 1828 bis in den Herbst 1829 verzeichnet. Der Erhebungszeitraum umfasst daher einige Monate mehr als die Statistik des Handelshauses Scharpff. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1–12. Da der Rheinkreis als territorial getrennte Provinz des Königreiches das regionale Umfeld der Unternehmen bildete, wird die Region hier separat mit aufgeführt.

3.1 Die geografische Verteilung

79

Ort

Anzahl der Briefe (Prozent der gesamten Briefe)

Köln

258 (0,87)

Königreich Preußen

Schweigen (Schweigen-Rechtenbach)

256 (0,86)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Leipzig

247 (0,83)

Königreich Sachsen

Worms

238 (0,80)

Großherzogtum Hessen

Arnstadt

232 (0,78)

Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen

Kaiserslautern

231 (0,78)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Altenburg

226 (0,76)

Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg (1826: Herzogtum Sachsen-Altenburg)

Fulda

215 (0,73)

Kurfürstentum Hessen

Nürnberg

214 (0,72)

Königreich Bayern

Saarbrücken

202 (0,68)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

St. Wendel

200 (0,68)

Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld (ab 1826: Sachsen-Coburg-Saalfeld; ab 1834: Fürstentum Lichtenberger)

Kandel

197 (0,67)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Grünstadt

195 (0,66)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Landstuhl

195 (0,66)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Amsterdam

183 (0,62)

Vereinigtes Königreich der Niederlanden

Homburg

177 (0,60)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Mußbach (Neustadt an der Weinstraße)

177 (0,60)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Wachenheim (an der Weinstraße)

174 (0,59)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Edenkoben

166 (0,56)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Pirmasens

160 (0,54)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Coburg

159 (0,54)

Herzogtum Sachsen-Coburg (ab 1826: Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha)

Bamberg

147 (0,50)

Königreich Bayern

Rudolstadt

143 (0,48)

Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen

Schweighofen

139 (0,47)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Deidesheim

130 (0,44)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Basel

128 (0,43)

Schweiz

Essingen

123 (0,42)

Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen

Dresden

122 (0,41)

Königreich Sachsen

Jena

120 (0,40)

Großherzogtum Sachsen-WeimarEisenach

Gera

112 (0,38)

Reuß jüngere Linie

Rheinzabern

111 (0,38)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Summe der Briefe

21.115 (71,34)

Herrschaftsbereich nach den territorialen Neuordnungen 1815/181 (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

80

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Die obige Statistik weist die 50 wichtigsten Korrespondenzorte von Lichtenberger & Co. in den ersten zwölf Briefkopierbuchregistern aus. In diesem Zeitraum zeichnet sie ein ähnliches Bild wie die zuvor analysierte Statistik der 50 meistfrequentierten Orte bis zum Jahr 1840. Erneut finden sich im Kommunikationsnetzwerk 26 Orte, die dem regionalen Umfeld der Unternehmen zuzuordnen sind und die den 25 pfälzischen Orten in der vorigen Gesamtstatistik bis auf zwei Orte, der Weinstadt Deidesheim54 und der Weinbaugemeinde Essingen, entsprechen. Und auch die anderen Kommunikationsschwerpunkte sind nach wie vor erkennbar. Lediglich die sächsischen Städte Dresden und Jena sowie das schweizerische Basel sind in den frühen Jahren der Geschäftstätigkeit nun ebenfalls als Kommunikationszentren fassbar. Sie lassen sich den bereits umschriebenen Kommunikationsschwerpunkten des Handelshauses zuordnen und spielten auch später noch eine Rolle, fielen in der Gesamtstatistik nur weiter zurück. Das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff korrespondierte in den überlieferten Briefkopierbuchregistern insgesamt mit rund 850 Orten. Die Korrespondenzmenge und die Verteilung auf unterschiedliche Orte im Fall der zwei Handelshäuser ähneln einander. Wie im Fall von Lichtenberger & Co. lassen sich auch bei diesem Handelshaus zwei Drittel der in den Registern erfassten Briefe durch die 50 meistfrequentierten Orte abbilden. Die folgende Statistik bietet somit einen differenzierten Einblick in das Kommunikationsnetzwerk des Unternehmens. Die 50 meistfrequentierten Orte des Handelshauses J. H. Scharpff in Speyer auf Basis der überlieferten Register der Briefkopierbücher (1813–1828) (Gesamtanzahl der Briefe: 22.190) Ort

Anzahl der Briefe (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich55 (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

Frankfurt am Main

2.453 (11,05)

Freie Stadt

Köln

1.596 (7,19)

Königreich Preußen

Mainz

1.119 (5,04)

Großherzogtum Hessen

Mannheim

1.087 (4,50)

Großherzogtum Baden

Leipzig

678 (3,06)

Königreich Sachsen

Elberfeld

396 (1,78)

Königreich Preußen

Höchst am Main (Frankfurt am Main)

383 (1,73)

Herzogtum Nassau

(37456) (1,68)

Königreich Preußen

Mühlheim am Rhein (Köln)

54 55 56

Vgl. zum Weinbau und Handel rund um Deidesheim: Bull, Karl Otto: Verkehrswesen und Handel an der mittleren Haardt. Nach den territorialen Neuordnungen auf dem Wiener Kongress (1815/1816) und in den bilateralen Anschlussverträgen. Bei Mühlheim am Rhein und Mühlheim an der Ruhr konnten bei der statistischen Aufarbeitung Falschzuordnungen aufgrund von wechselnden Ortsbezeichnungen mit und ohne Zusatz „am Rhein“ oder „an der Ruhr“ nicht ausgeschlossen werden. Mit beiden Orten wurde jedoch nachweislich intensiv korrespondiert.

81

3.1 Die geografische Verteilung Ort

Anzahl der Briefe (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

Speyer

333 (1,50)

Königreich Bayern [Rheinkreis57]

Koblenz

307 (1,38)

Königreich Preußen

Landau (in der Pfalz)

278 (1,25)

Bayern [Rheinkreis]

(Bad) Kreuznach

267 (1,20)

Königreich Preußen

Kassel

261 (1,18)

Kurfürstentum Hessen

Duisburg

241 (1,09)

Königreich Preußen

Basel

229 (1,03)

Schweiz

Nürnberg

222 (1,00)

Königreich Bayern

Straßburg

217 (0,98)

Königreich Frankreich

Germersheim

198 (0,89)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Düsseldorf

173 (0,78)

Königreich Preußen

Hanau

173 (0,78)

Kurfürstentum Hessen

Münster

165 (0,74)

Königreich Preußen

Frankenthal

164 (0,74)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Münden (in Hannover)

154 (0,69)

Königreich Preußen

Altenburg

153 (0,69)

Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg (ab 1826: Herzogtum SachsenAltenburg)

Erfurt

146 (0,66)

Königreich Preußen

Ulm

146 (0,66)

Königreich Württemberg

Rheinschanze (Ludwigshafen am Rhein)

144 (0,65)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Zweibrücken

142 (0,64)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Bonn

139 (0,63)

Königreich Preußen

Olpe

139 (0,63)

Königreich Preußen

Augsburg

135 (0,64)

Königreich Bayern

Bamberg

127 (0,60)

Königreich Bayern

Worms

124 (0,56)

Großherzogtum Hessen

Marburg

121 (0,55)

Kurfürstentum Hessen

Heilbronn

120 (0,54)

Königreich Württemberg

Heidelberg

118 (0,53)

Großherzogtum Baden

118 (0,53)

Königreich Preußen

Solingen Neustadt (an der Weinstraße)

(11758) (0,53)

Königreich Bayern [Rheinkreis]

Neustadt (an der Orla)

(11759) (0,53)

Großherzogtum Sachsen-WeimarEisenach

57 58 59

Da der Rheinkreis als territorial getrennte Provinz des Königreiches das regionale Umfeld der Unternehmen bildete, wird die Region hier separat aufgeführt. Vgl. wie bei Mühlheim am Rhein. Siehe oben.

82

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Ort

Anzahl der Briefe (Prozent der gesamten Briefe)

Herrschaftsbereich (Veränderungen im Untersuchungszeitraum)

Essen

116 (0,52)

Königreich Preußen

Gummersbach

113 (0,50)

Königreich Preußen

München

109 (0,49)

Königreich Bayern

Trier

108 (0,49)

Königreich Preußen

Dortmund

105 (0,47)

Königreich Preußen

Hafnerzell

100 (0,45)

Königreich Bayern

Radevormwald

97 (0,43)

Königreich Preußen

Zündorf (Köln)

97 (0,43)

Königreich Preußen

Gera

96 (0,43)

Reuß jüngere Linie

Mühlheim (an der Ruhr) Gotha Summe der Briefe:

(9660) (0,43) 88 (0,40)

Königreich Preußen Herzogtum Sachsen-Gotha (ab 1826: Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha)

14.733 (66,39 %)

Die Korrespondenzstatistik des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff zwischen 1813 und 182861 zeigt eine ähnlich weite Ausdehnung der Geschäftskorrespondenz, wie Lichtenberger & Co. Die Geschäftstätigkeiten dieses Speyerer Handelshauses erstreckten sich ebenfalls auf viele Territorien des Deutschen Bundes, wobei die Ausprägung der Kommunikationsnetzwerke jedoch durchaus Unterschiede aufweist. Betrachtet man die 50 meistfrequentierten Orte des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff, so fällt im Vergleich zu Lichtenberger & Co. auf, dass das Handelshaus wenig schriftliche Korrespondenz im bayerischen Rheinkreis unterhielt. Lediglich sieben Orte finden sich: Speyer (333 Briefe), Landau in der Pfalz (278 Briefe), Germersheim (198 Briefe), Frankenthal (164 Briefe), die Rheinschanze (144 Briefe), Zweibrücken (142 Briefe) und Neustadt an der Weinstraße (rund 120 Briefe). An diese sieben Städte wurden gerade mal 6,22 Prozent der in den Registern erfassten Briefe versandt. Speyer, als Unternehmensstandort von Joh. Hein. Scharpff, rangiert erst auf Platz neun der meistfrequentierten Orte, während andere Orte des Rheinkreises dahinter weit abgeschlagen liegen. Unter jenen pfälzischen Orten, mit denen Scharpff eine relativ intensive Korrespondenz unterhielt, sind vorrangig die größeren, urbanen Zentren der Region zu finden. Wichtige Korrespondenzorte bildeten die Städte Neustadt, Landau, Germersheim und Frankenthal in einem Radius von rund 30 Kilometern um Speyer, während Zweibrücken – mit rund 90 Kilometern Entfernung – in der Statistik bereits eine Ausnahme bildet. Die Kaufleute des Hauses Joh. Hein. Scharpff durchdrangen mit ihrer Korrespondenz, wie Lichtenberger & Co., vorrangig die Vorder- und Süd60 61

Siehe oben. Die Jahre 1813 und 1814 sind hier noch integriert, da das erste, für den Untersuchungszeitraum überlieferte Register die Korrespondenz dieser Jahre noch mit einbezieht. Die Statistik setzt somit früher ein, als die Statistik von Lichtenberger & Co.

3.1 Die geografische Verteilung

83

pfalz und somit das Gebiet in der Ebene zwischen Haardtgebirge und Rhein. Mit der Korrespondenz nach Zweibrücken erschloss sich das Handelshaus eine Verbindung zur Westricher Hochfläche. Die allgemein seltenere Geschäftskorrespondenz und die wesentlich geringere Durchdringung des Rheinkreises lässt im Fall Joh. Hein. Scharpff darauf schließen, dass das Unternehmen sich mit seinen Geschäften stärker als Lichtenberger & Co. auf überregionale Märkte konzentrierte. Die Korrespondenz in das Kernland Bayerns war im Falle Scharpffs ebenso wie bei Lichtenberger & Co. überschaubar. Überliefert sind unter den 50 wichtigsten Korrespondenzorten die urbanen Zentren Nürnberg (222 Briefe), das Handelsund Bankenzentrum Augsburg62 (135 Briefe), Bamberg (127 Briefe) und München (109 Briefe), aber auch das unweit der Grenze zu Österreich gelegene Hafnerzell (heute Obernzell) (100 Briefe). Ebenso wie Lichtenberger & Co. verfügte Scharpff somit lediglich zu einer Hand voll bayerischer Städte einen intensiven Briefkontakt. Abseits des Königreiches Bayern weist die Statistik auf weit bedeutendere Kommunikationsschwerpunkte von Joh. Hein. Scharpff in anderen deutschen Territorien hin. So bildete die Freie Stadt Frankfurt am Main (2.453 Briefe) als wichtiges Finanz- und Handelszentrum im Deutschen Bund die meistfrequentierte Stadt und konnte somit eine zentrale Position im Kommunikationsnetzwerk beider Handelshäuser einnehmen. Dahinter liegen mit dem preußischen Köln (1.596 Briefe), dem großherzoglich-hessischen Mainz (1.119 Briefe) und dem badischen Mannheim (1.087) drei wichtige Handelsplätze am Rhein, die ebenfalls bei Lichtenberger auffindbar waren. Die intensiven Verbindungen zum Handelszentrum Mannheim wurden dadurch beeinflusst, dass Johann Heinrich dort lange einen Unternehmensstandort unterhielt. Nahe Frankfurt kam zudem das nassauische Höchst am Main (383 Briefe) und weiter den Fluss abwärts in Richtung Bayern das hessische Hanau (173 Briefe) als Mainhandelsplätze hinzu. Sie deuten neben dem Rhein auf eine zentrale Bedeutung des Mains als Verkehrsachse für den Handel der Speyerer Kaufleute. Generell kann das linksrheinische Rheinland, vor allem die Regionen des Mittel- und Niederrheins, als ein Kommunikationsschwerpunkt Scharpffs angesehen werden, wie die folgende Statistik zeigt. Die hohe Präsenz preußischer Orte den Rhein hinunter in Richtung der Niederlande weist auf eine Durchdringung dieses Raumes hin. Unter den preußischen Städten, zu denen intensiver Briefkontakt bestand, fanden sich vorrangig Städte der als Rheinprovinz (ab 1822) und als Westfalen firmierenden Provinzen des Königreiches. Dabei reichte das Kommunikationsnetzwerk linksrheinisch und den Flusslauf entlang von dem nahegelegenen Trier über (Bad) Kreuznach, Koblenz, Bonn, Köln bis nach Düsseldorf. In den rechtsrheinischen Teilen der Rheinprovinz und dem angrenzenden Westfalen dehnte sich die Korrespondenz von Olpe im Süden über Solingen, Elberfeld, Radevormwald, Mühlheim an der Ruhr, Duisburg und Dortmund bis in das nordwestlich gelegene Münster aus.

62

Vgl. zur Wirtschaftsstruktur Augsburgs zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Fassl, Peter: Konfession, Wirtschaft und Politik, S. 123–170.

84

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz Die 20 meistfrequentierten preußischen Städte von Joh. Hein. Scharpff (1813–1828)63 (Gesamtanzahl der Briefe: 22.190)

Ort

Anzahl der Briefe (% der Gesamtanzahl der Briefe)

Köln

1.596 (7,19)

Elberfeld

369 (1,78)

Mühlheim am Rhein (Köln)

374 (1,68)

Koblenz

307 (1,38)

(Bad) Kreuznach

267 (1,20)

Duisburg

241 (1,09)

Düsseldorf

173 (0,78)

Münster

165 (0,75)

Hannoversch Münden

154 (0,69)

Erfurt

146 (0,66)

Bonn

139 (0,63)

Olpe

139 (0,63)

Solingen

118 (0,53)

Essen

116 (0,52)

Gummersbach

113 (0,50)

Trier

108 (0,49)

Dortmund

105 (0,47)

Radevormwald Zündorf (Köln) Mühlheim an der Ruhr Summe der Briefe

97 (0,43) 97 (0,43) (9664) (0,43) 4.920 (22,17)

Neben der starken Korrespondenz mit Städten der preußischen Provinzen entlang des Rheins und der damit einhergehenden Orientierung abwärts des Flusses, verfügte Scharpff zudem über kontinuierliche Korrespondenzen in östlich der Wasserstraße gelegenen Territorien und zwar – wie auch Lichtenberger & Co. – in die sächsisch-thüringischen Regionen. Intensive Kontakte wurden so zum Beispiel zu dem traditionellen Messe- und Handelsplatz Leipzig (678 Briefe) unterhalten.65

63 64 65

Es handelt sich um jene 20 Städte, die in der oben aufgeführten Statistik der 50 meistfrequentierten Orte des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff vorkommen. Aufgrund der Namensgleichheit zu Mühlheim am Rhein kann dies nur einen Annäherungswert bilden. Zur Rolle Leipzigs als Messestadt im frühneuzeitlichen Handel, vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 20 f.

3.1 Die geografische Verteilung

85

Durch weniger intensive Korrespondenz erschlossen sich die Kaufleute aus dem Kontor Scharpffs einen weiteren Kommunikations- und Aktionsraum, der auf der Nord-Süd-Achse in der Mitte der Territorien des Deutschen Bundes angesiedelt war. Von Westen nach Osten umschloss dieser Kommunikationsschwerpunkt die kurfürstlich-hessischen Städte Marburg (121 Briefe) und Kassel (261 Briefe), die dem Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg zugehörigen Städten Altenburg (153 Briefe) und Gotha (88 Briefe), die den reußschen Territorien zugehörigen Stadt Gera (96 Briefe) sowie die dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach zugehörigen Stadt Neustadt an der Orla (rund 120 Briefe). Die südlich dieses Kommunikationsschwerpunktes liegenden Staaten Baden und Württemberg wurden, abgesehen von Mannheim, von der Korrespondenz wenig berührt. Lediglich Heidelberg (118 Briefe) und das ebenfalls am Neckar gelegene, württembergische Heilbronn (120 Briefe) finden sich in der Statistik. Über die deutschen Territorien hinaus korrespondierten die Kaufleute von Joh. Hein. Scharpff vereinzelt mit französischen Städten (v. a. Straßburg mit 217 Briefen) und Städten der Schweizer Eidgenossenschaft (v. a. Basel mit 229 Briefen). Korrespondenz mit den Niederlanden ist nur in sehr geringem Maße in den Registern erfasst. Hier spielte wie bei Lichtenberger & Co. die Hafenstadt Amsterdam die wichtigste Rolle. Betrachtet man die 50 meistfrequentierten Orte von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. im Vergleich, so wird deutlich, dass sie sich in ihrer geografischen Verteilung und der Quantität der Korrespondenz mit einzelnen Orten unterschieden. Es lassen sich jedoch – gerade was die geografische Ausdehnung anbelangt – viele Ähnlichkeiten feststellen. Die Registeranalysen deuten darauf hin, dass Philipp Markus Lichtenberger mit seinem Handelshaus Lichtenberger & Co. in stärkerem Maße alltägliche Geschäftstätigkeiten innerhalb des Rheinkreises abwickelte. Für Joh. Hein. Scharpff spielte die Korrespondenz in pfälzische Städte hingegen eine untergeordnete Rolle. In viel stärkerem Maße war das Handelshaus mit entfernten Handelszentren, die traditionell über überregionale Anziehungskraft verfügten, vernetzt. Was die Ausdehnung der Korrespondenzen über den Rheinkreis hinaus angeht, so finden sich viele Gemeinsamkeiten. Die Korrespondenz mit dem Mutterland der Pfalz – dem Königreich Bayern – blieb in beiden Fällen überschaubar. Vorrangig konnten die Speyerer Korrespondenzen mit großen Zentren wie München, Nürnberg und Bamberg unterhalten. Innerhalb des Deutschen Bundes lagen die Kommunikationsschwerpunkte von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. vor allem im Rheinland und hier vorrangig auf dem linken Rheinufer. Zudem existierte in den Mittelstaaten des Deutschen Bundes, besonders in den Klein- und Kleinststaaten der sächsisch-thüringischen Region, ein Kommunikationsschwerpunkt beider Unternehmen. Das gegenüber der Pfalz auf dem rechten Rheinufer gelegene Großherzogtum Baden sowie das östlich davon gelegene Königreich Württemberg wurde durch Briefverkehr hingegen kaum erschlossen. Lediglich Mannheim hatte, als von Speyer aus nahegelegenes, badisches Gewerbe- und Handelszentrum, für die Pfälzer Unternehmen eine herausgehobene Stellung inne. Die Korrespondenz in Staaten außerhalb des Deutschen Bundes blieb in beiden Fällen marginal.

86

3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

3.2 KOMMUNIKATION IM KONTEXT DER TRANSPORTINFRASTRUKTUR Die geografische Ausdehnung der Geschäftskorrespondenz der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. basierte auf den infrastrukturellen Entwicklungen in Mitteleuropa seit der Frühen Neuzeit. Diese ermöglichten es erst, ökonomisch großräumig zu agieren und entfernte Regionen als Einkaufs- oder Absatzmärkte wahrzunehmen und zu erschließen. In der kultur- und geschichtswissenschaftlichen Forschung wird aktuell der integrative Charakter von Verkehr betont. Die auf der Entwicklung vor allem der Post basierende, frühneuzeitliche „Kommunikationsrevolution“66 war eine Entwicklung, ohne die wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche ‚Revolutionen‘ kaum denkbar gewesen wären. Denn sie bildete eine universelle Infrastruktur – auch für die Verbreitung von Presseerzeugnissen. Das Postwesen und der wachsende Verkehr bildeten die Grundlage zur Entwicklung großräumiger, politischer Konzepte wie Nationalstaaten oder ausgedehnte Kolonialreiche.67 Und auch für die Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit ist das Postwesen in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, war es doch Basis von überregionalem Engagement und somit essenziell für die Herausbildung globaler Märkte. Im Folgenden ordne ich die Erkenntnisse zur Korrespondenztätigkeit von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in die Verkehrs- und Kommunikationsgeschichte ein. Dabei analysiere ich den Einfluss der historischen Infrastrukturentwicklung auf die Ausprägung der ökonomischen Kommunikationspraktiken. „Der vorindustrielle Verkehr beruhte in erster Linie auf Muskelkraft: […]“68 Dabei bildete das Pferd, mit der achtfachen Zugkraft eines Menschen, eine wichtige Ergänzung zum Fußgänger oder zur Fußgängerin.69 Im Vergleich zum ‚industriellen Vorreiter‘ England und dem benachbarten Frankreich, mit seinem wegweisenden Chausseebau seit dem 18. Jahrhundert, wird die Infrastruktur der deutschen Territorien im frühen 19. Jahrhundert allgemein als mangelhaft oder rückständig charakterisiert.70 Je nach Region und dem Grad der Befestigung der Straßen und Wege variierten die Transportkapazität von Fuhrwerken und die Geschwindigkeit der Postkutschen bis weit ins 19. Jahrhundert stark. Die im Jahresverlauf wechselnden Witterungsbedingungen wirkten sich immens auf die Erreichbarkeit von Orten und Städten im Personen-, Brief- und Warenverkehr aus. Regen führte zum Aufweichen der wenig befestigten Landstraßen, die dann kaum mehr passierbar waren. Das Straßennetz der Pfalz war wie in vielen Regionen des Deutschen Bundes noch wenig ausgebaut. Unter napoleonischer Herrschaft wurden zentrale Verkehrsachsen befestigt, die vorrangig militärischen Zwecken dienten. Hierunter fiel die 66 67

68 69 70

Vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 2 ff. Vgl.: Behringer, Wolfgang: Im Zeichen des Merkur, S. 643–688; sowie zur Entwicklung der Post in der Frühen Neuzeit: Beyrer, Klaus: Der alte Weg eines Briefes, sowie zum integrativen Potential von Infrastruktur, vgl.: Laak, Dirk van: Pionier des Politischen? Infrastruktur als europäisches Integrationsmedium, S. 165–179. Merki, Christoph Maria: Verkehrsgeschichte und Mobilität, S. 16. Vgl.: Ebd., S. 17. Vgl.: Kellenbenz, Hermann: Verkehrs- und Nachrichtenwesen, S. 369.

3.2 Kommunikation im Kontext der Transportinfrastruktur

87

‚Kaiserstraße‘, die von Kaiserslautern aus einen nordöstlichen Verlauf in Richtung Mainz nahm. In bayerischer Zeit wurde das Straßennetz weiter ausgebaut und befestigt, doch verlief dieser Prozess schleppend. Dies lag auch daran, dass nur wenige, explizit als Staatsstraßen ausgewiesene Verkehrswege Teil der staatlichen Infrastrukturpolitik wurden. Und auch hier waren die Investitionen zu gering, um diesen Teil der Infrastruktur zeitnah zu modernisieren und auszubauen. Für den Ausbau und Unterhalt von Kreis-, Bezirks- und Gemeindestraßen mussten die regionalen Verwaltungsinstitutionen aufkommen. Diesen standen zu geringe Mittel zur Verfügung, um ihrer Aufgabe nachzukommen.71 Die Post bildete ein öffentlich zugängliches und großräumiges Brief- und Personentransportmittel, das die Grundlage für überregionale Kommunikation bildete. Im Untersuchungszeitraum wurde das Postwesen in den deutschen Staaten noch durch eine Pluralität von staatlichen und privaten Organisationen geprägt. Der Frühneuzeithistoriker Wolfgang Behringer hat die Entstehung und Entwicklung des Postwesens am Beispiel der Reichspost der Thurn und Taxis’ untersucht. Er konnte nachweisen, dass sich das Postwesen in den deutschen Territorien bis 1800 zu einer effizienten, dichten und zuverlässigen Kommunikationsinfrastruktur entwickeln konnte. Behringer widerspricht damit der mitunter noch in der Geschichtswissenschaft zu findenden Annahme, dass vor dem Eisenbahnbau, dem Aufkommen der Dampfschifffahrt oder der Entwicklung von Telegrafen und Telefonen die zur Verfügung stehende Kommunikationsinfrastruktur grundsätzlich defizitär gewesen sei.72 Seit dem 16. Jahrhundert wandelte sich, Behringer zufolge, die Raum-ZeitWahrnehmung der europäischen Gesellschaften grundlegend. Der Raum schrumpfte in einem schier rasanten Tempo zusammen. Die durch das Postwesen vorgenomme Portionierung des Raums, durch die Einrichtung von Poststationen und -routen, schlug sich in zahlreichen Fahr- und Routenplänen nieder, die geografische Verhältnisse und Reisewege vermittelten. Die zunehmende Reisetätigkeit und Kommunikation über weite Strecken trug dazu bei, dass sich die Raumwahrnehmung vor allem der bürgerlichen Schichten maßgeblich veränderte.73 Die Vielfalt von Postanstalten im Deutschen Bund führte zu regional unterschiedlichen Strukturen und Preisgestaltungen. Ebenso wie im Fall der Zoll- und Abgabensysteme, war diese Vielfalt bereits auf dem Wiener Kongress thematisiert worden – eine Vereinheitlichung der Postsysteme konnte jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in langwierigen Verhandlungen erzielt werden. Die unterschiedlichen Posten boten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar ein relativ gut ausgebautes Netz, das zwischen größeren Städten eine hohe Frequenz aufwies, doch blieben die regionalen und territorialen Unterschiede ständiger Gegenstand politischer Verhandlungen und Unmutsbekundungen auch vonseiten Wirtschaftender.74 71 72 73 74

Zum Verlauf der Staatsstraßen und ihrer Nebenstraßen in der Pfalz im 19. Jahrhundert, vgl.: Kermann, Joachim: Wirtschaft und Verkehr, S. 165, sowie: Amtmann, Karin: Post und Politik in Bayern, S. 211–222. Vgl.: Behringer, Wolfgang: Im Zeichen des Merkur, S. 643–688. Vgl.: Ebd. Vgl.: Amtmann, Karin: Post und Politik in Bayern, S. 195–210, sowie: Nickisch, Reinhard M. G.: Brief, S. 217; sowie: Baasner, Rainer: Briefkultur im 19. Jahrhundert, S. 6–13.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Für die Effizienz und Zuverlässigkeit des Postverkehrs nach 1815 spricht der selbstverständliche Umgang der Kaufleute der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. mit dem Kommunikationsmedium Brief. Der Anspruch, zeitnah über geschäftliche Transaktionen zu kommunizieren, führte zu einem hohen Briefaufkommen mit einzelnen Geschäftspartnern und -partnerinnen. Das Schreiben von Briefen bildete eine alltägliche Praxis im Kontor. Die Briefe beinhalteten dabei zwar floskelhafte Verweise auf die zuletzt erhaltenen Briefe des Adressaten oder der Adressatin oder die vorhergegangen Briefe des Schreibers oder der Schreiberin. Dies diente dazu dem Empfänger oder der Empfängerin eine Orientierung in der Korrespondenz zu ermöglichen und Missverständnisse durch fehlende Briefe vorzubeugen. Angesprochene Komplikationen im Briefverkehr, zum Beispiel durch den Verlust eines Briefes oder durch eine längere Versanddauer, finden sich in den Briefkopierbüchern jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen. Die hohe Frequenz und Zuverlässigkeit des Briefverkehrs wurde durch die gute Anbindung Speyers an den Postverkehr begünstigt. Nach einem in Nürnberg erschienenen „Post- und Reisehandbuch“ aus dem Jahr 1816 war Speyer Station auf sechs überregionalen „Poststraßen“. Hierunter befanden sich die Stecken Augsburg – Speyer,75 Frankfurt – Speyer (über Oggersheim)76 und von dort aus weiter nach Straßburg,77 Mainz – Speyer (über Oggersheim) und weiter nach Straßburg,78 die Strecke Mannheim – Oggersheim – Speyer79 und schließlich die Strecke Mannheim – Speyer – Germersheim – Rheinzabern – Lauterbourg – Beinheim – Drusenheim – (La) Wanzenau bis nach Straßburg.80 Speyer bildete somit einen Knotenpunkt, der im Vergleich zu anderen, vor allem kleineren Orten der Pfalz in hohem Maße in das überregionale Kommunikationssystem integriert war. Ins Auge fällt dabei, dass viele Poststraßen von Speyer aus über Oggersheim oder Mannheim führten – und die Stadt mit der unmittelbaren Umgebung der Rheinschanze verbanden. Die Kaufleute agierten somit stets aus Orten, die über eine tragfähige Kommunikationsinfrastruktur verfügten. Speyer war über direkte Postrouten mit einer Reihe von entfernten Gewerbe- und Handelszentren verbunden, die sich als Kommunikationsschwerpunkte in der Korrespondenz der Handelshäuser wiederfinden – allen voran Mannheim, Frankfurt am Main und Mainz. Nach der Herrschaftsübernahme Bayerns über die linksrheinische Pfalz unterstand die dortige Post der Königlichen Generaladministration der Posten in München.81 Die Herrschaftsübernahme führte zur Ablösung der zuvor von der Turn und Taxis’schen Post betriebenen Routen durch die bayerische Post. In der Folgezeit wurden in der Pfalz vorrangig die Briefpostverbindungen mit Hilfe von Reit- und Boten75 76 77 78 79 80 81

Vgl.: o. A.: Allgemeines Post- und Reise-Handbuch, S. 13. Vgl.: Ebd., S. 37. Vgl.: Ebd., S. 38. Vgl.: Ebd., S. 76. Vgl.: Ebd., S. 81. Vgl.: Ebd. Vgl. zum Postsystem in Bayern, u. a.: Jahn, Karl Friedrich: Post Reise-Handbuch, S. 16–24; sowie die umfangreiche Studie zur bayerischen Post im frühen 19. Jahrhundert: Amtmann, Karin: Post und Politik in Bayern.

3.2 Kommunikation im Kontext der Transportinfrastruktur

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posten aufrechterhalten. Daneben existierten nur wenige Postwagenverbindungen, wodurch der Paket- und Personentransport in der Region eingeschränkt wurde.82 In dem Werk „Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern“ des aus Speyer stammenden Publizisten Georg Friedrich Kolb, konnte dieser 1831 ein breites Netz an Poststationen „in allen bedeutenden Orten“83 des Rheinkreises aufzählen, dessen Zentrum Speyer mit seinem Postamt bildete. „Postverwaltungen“84 befanden sich demnach in Landau und Zweibrücken, „Postspeditionen“85 in (Bad) Dürkheim, Frankenthal, Germersheim, Kaiserslautern, Kandel, Kirchheimbolanden, Landstuhl, Neustadt, Oggersheim (Ludwigshafen am Rhein) und Pirmasens. Hinzu kamen sogenannte „Briefsammlungen“86 in Blieskastel, Grünstadt und Kusel. Andere pfälzische Orte wurden ausgehend von den Poststationen mit Boten beliefert.87 Der liberal und demokratisch gesinnte Publizist88 schätzte die Situation für den Brief- und Personenverkehr der Region zu Beginn der 1830er Jahre dennoch kritisch ein, da die Taktung der Postzustellungen in kleinere Orte, die staatliche Postverwaltung sowie die Preisgestaltung in seinen Augen Mängel aufwiesen. Die Tatsache, dass der Personen- und Pakettransport im Rheinkreis vor allem privaten Anbietern überlassen wurde, sah er als Grund für überhöhte Preise und eine mangelhaften Erschließung der Region.89 Diese spezifische Struktur des Postwesens, in dem von Speyer tendenziell bessere Verbindungen zu größeren und überregionalen Handels- und Gewerbezentren bestanden, als zu den Dörfern und kleineren Städten des Umlandes, hatte Auswirkungen auf Kommunikationsprozesse. Der Brief als Kommunikationsmedium bot ein unterschiedlich effizientes Kommunikationsmittel, da seine Transportzeit je nach Region, Stadt oder Land stark variieren konnte. Über die Geschwindigkeit des Briefverkehrs über weite Entfernungen geben die Verweise auf die zuletzt erhaltenen Briefe in den Schreiben der Handelshäuser Auskunft. Aus Ihnen geht hervor, dass bei Joh. Hein. Scharpff im Jahr 1821 zum Beispiel des Öfteren Briefe aus Frankfurt beantwortet wurden, die erst ein bis zwei Tage zuvor von dort abgeschickt worden waren.90 Von Amsterdam, als einem der nördlichsten Ziele von Geschäftsbriefen, lagen diese um 1821 häufig nach sechs bis acht Tagen zur Beantwortung im Kontor.91 1839 konnten Schreiben aus Amsterdam auch schon nach vier bis fünf Tagen in Speyer eingetroffen sein.92 Unter Zeitdruck konnte die Kommunikation beschleunigt werden, indem Briefe innerhalb der Region an einen Ort versandt wurden, von dem sie aufgrund der Posttaktung früher an 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

Vgl.: Kermann, Joachim: Wirtschaft- und Verkehr im 19. Jahrhundert, S. 164. Kolb, Georg Friedrich: Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern, S. 153. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl.: Ebd. Vgl.: Braeuer, Walter, „Kolb, Georg Friedrich“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 441 f. Vgl.: Kolb, Georg Friedrich: Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern, S. 153. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 51, Fol. 28, 67 und 111. Vgl.: Ebd., Nr. 6 und Nr. 51. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 255, 274, 276.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

ihr Ziel gelangen konnten.93 Kommunikation wurde vorrangig dadurch verzögert, dass nicht alle Briefe umgehend beantwortet wurden. Mitunter konnte es mehrere Wochen oder Monate dauern, bis die Kaufleute ein Antwortschreiben aufsetzen. Hierbei scheint die Einschätzung der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Nachrichten im Kontor eine wichtige Rolle gespielt haben.94 Nach dem Ausbau des Postnetzes im Verlauf der Frühen Neuzeit war das Briefeschreiben erschwinglich geworden. Dies belegt die Masse der ausgehenden Geschäftskorrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Die Kaufleute sandten regelmäßig im Abstand weniger Tage Briefe zum Beispiel an das rund 22 Kilometer entfernte Mannheimer Bankhaus Ladenburg95 oder – häufig täglich – an ihr Handelshaus in der Rheinschanze, um einzelne Geld- oder Warentransaktionen zu kommunizieren.96 Vergleicht man die Preise der bayerischen Post mit den gängigen Einkommen der Tagelöhner in der Pfalz, so bestätigt sich dieses Bild. Der günstigste Brief, der über 6 Meilen versandt werden konnte, kostete 1810 in Bayern 3 Kreuzer.97 Der durchschnittliche Tageslohn in der Pfalz betrug zur gleichen Zeit rund das Achtfache dieses Preises.98 Der Brief bildete somit ein Medium, das vereinzelt auch schon ökonomisch schlechter gestellten Personen zugänglich war. In der kaufmännischen Korrespondenz wurden Briefkosten kaum thematisiert – auch wenn die Korrespondierenden sich die Kosten zuweilen in Rechnung stellten, wenn sie füreinander Briefe versandten. Unter den Kaufleuten entwickelten sich zudem Strategien zur Kostenersparnis beim Postversandt. So konnten Briefen in die Ferne weitere Schreiben beigelegt werden mit der Bitte, diese weiterzusenden oder zu übergeben. Diese Praxis, die auch bei Privatschreiben Verwendung fand,99 diente bei Rundschreiben, die an viele Akteure und Akteurinnen gleichzeitig versandt wurden, der Kostensenkung.100 Die Beigabe von Briefen konnte dabei umfangreich ausfallen. Im Juli 1819 übersandten Lichtenberger & Co. beispielsweise 21 Briefe an ihren Geschäftspartner Friedrich Laux, mit der Bitte sie „durch sichere Gelegenheit abgehen zu laßen“101 – per Fuhrmann, Bote oder zur Not auch per Post. Es handelte sich dabei um eine Gefälligkeit, da lediglich die Auslagen für die Zustellung der Briefe in Rechnung gestellt wurden. Auch auf die Dienste regionaler Fuhrleute, privater Boten bzw. Botinnen oder bekannter Spediteure bzw. Spediteurinnen wurde zurückgegriffen, um Briefe kos-

93 Vgl.: Ebd., Nr. 55, Fol. 496. 94 Dies deckt sich mit den Erkenntnissen Adelheid von Salderns, die davon ausgeht, dass die Dauer bis zur Beantwortung eines Briefes vor allem von dessen subjektiv gedeuteten Wichtigkeit und Dringlichkeit abhing, vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 272 f. 95 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 51. 96 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 16. 97 Vgl.: Amtmann, Karin: Post und Politik in Bayern, S. 57. 98 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 45. 99 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 127. 100 Vgl.: Ebd., Nr. 55, Fol. 496. 101 Ebd., Nr. 5, Fol. 257.

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tengünstig an ihren Bestimmungsort zu bringen.102 Im Januar 1824 übersandten Lichtenberger & Co. einem H. Huhn aus Landau beispielsweise zahlreiche Waren zum Weitertransport und legten dem Spediteur „zur Ersparung des Porto“103 die Rechnungsbriefe bei, die von diesem weiterversandt oder mit den Waren an ihr Ziel transportiert werden sollten. Ein Vorteil privater Dienstleister bei der Briefzustellung war, dass diese Antworten oder Waren umgehend mit zurückbringen konnten.104 Die Übergabe von Post an private Gewerbetreibende brachte jedoch auch Risiken mit sich, mussten die Kaufleute doch darauf vertrauen können, dass sie die Briefe zuverlässig an ihr Ziel brachten. Daher bildete das Vorgehen im Fall von Huhn auch einen Ausnahmefall. Rechnungen wurden im Normalfall separat mit einer Ankündigung der Warenlieferung auf dem Postweg versandt, um Geschäftspartner oder Geschäftspartnerinnen im Voraus und getrennt von einer Warenlieferung von den Vorgängen zu unterrichten. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Speyerer Kaufleute mit ihren Versandpraktiken den in Bayern herrschenden Postzwang für Briefe und kleine Pakete umgingen, mit dem der Staat sein Transportmonopol sichern wollte.105 Diese Frage stellt sich besonders in einigen Fällen, in denen die Kaufleute aus dem Scharpffschen Kontor Umlaufschreiben an einen Geschäftspartner sandten mit der Bitte zum Weiterversand und dabei daraufhin wiesen, dass sie das Päckchen mit den Briefen offiziell als Tabakmuster deklariert hatten.106 Die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit des Postwesens ermöglichte es regelmäßig mit reisenden Mitarbeitern des Handelshauses zu kommunizieren. Auf Reisen hielten sich diese an zuvor vereinbarten Stationen auf, so dass Schreiben dorthin gesandt werden konnten. Wenn sich der Versand von Briefen verzögerte und/oder der Kaufmann bereits weitergereist war, hinterließen die Reisenden die Adresse ihres nächsten Ziels, damit ihnen die Briefe nachgesandt werden konnten. Von den reisenden Kaufleuten wurden regelmäßige Berichte über ihre Geschäftsabwicklung im Abstand von maximal acht107 oder zehn108 Tagen in Form von durchnummerierten Berichten erwartet. Ist die Korrespondenz mit reisenden Mitarbeitern in den Briefkopierbüchern von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auch nur lückenhaft erfasst und nicht problemlos über die Register erschließbar,109 so lässt sich doch nachweisen, dass die Reisenden in kurzen Zeitabständen Berichte übersandten.110 Die stetige Kommunikation diente nicht nur der Übermittlung von Berichten über die getätigten Geschäfte und die Marktsituation, sondern auch der Rückversi102 103 104 105 106 107 108 109

Vgl.: Ebd., Nr. 5, Fol. 257. Ebd., Nr. 9, Fol. 638. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 354. Vgl.: Amtmann, Karin: Post und Politik in Bayern, S. 143. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 50, Fol. 731. Vgl.: Ebd., Nr. 11, Fol. 500. Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 414 ff. Dies ist der Fall, da die Reisenden in den Registern lediglich mit Namen verzeichnet sind und nicht mit ihrer Funktion oder mit ihren wechselnden Aufenthaltsorten. 110 Im Frühjahr 1819 schrieb der Reisende Trauth z. B. regelmäßig an Lichtenberger & Co., vgl.: Ebd., Nr. 5, Fol. 59.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

cherung, dass der Reisende wohlauf war und wie vereinbart seiner Arbeit nachging.111 Im Kontext der Wirtschaft des frühen 19. Jahrhunderts wurde nicht nur schriftlich kommuniziert. Vielmehr kam persönlichen Gesprächen eine wichtige bedeutende Rolle zu.112 Eine Auseinandersetzung mit der Mobilität der Akteure und Akteurinnen hilft im Fortgang der Studie die Rolle schriftlicher Kommunikation für das Wirtschaften der Kaufleute einzuschätzen. Vor dem Hintergrund der im Zuge der Kommunikationsrevolution für die Zeitgenossen geschrumpften Welt ist ein Brief Heinrich Wilhelm Lichtenbergers im Jahr 1832 an Kaspar Hauser zu verstehen. In seinen zu Papier gebrachten Zukunftsplanungen als junger Kaufmann fand sich eine Reise nach Amerika wieder. Obgleich diese Pläne nicht umgesetzt wurden, waren Reisen aus dem Handelshaus Lichtenberger & Co. nach Amsterdam und Rotterdam nichts Ungewöhnliches. Von Amsterdam aus, so schrieb Heinrich Wilhelm an Kaspar Hauser, könne er mal „einen Abstecher nach London machen“,113 um seinen Freund dort zu treffen, der zu dieser Zeit seine Übersiedlung nach England plante. In der kaufmännischen Selbstdarstellung waren Reisetätigkeiten Teil der beruflichen Routine. Die damit einhergehende Raumüberwindung wurde als selbstverständlich und nicht als Schwierigkeit kommuniziert. In diesem Kontext bildete der in den Briefkopierbüchern häufig geäußerte Wunsch, der Briefempfänger möge „glücklich“114 sein Reiseziel erreichen nur noch eine höfliche Floskel.115 Die geografischen und infrastrukturellen Kenntnisse, die zur Absolvierung von Reisen benötigt wurden, eigneten sich die Kaufleute durch ihre berufliche Ausbildung, Gespräche, im Kontext eigener Reisen und durch Zeitungen und Kaufmannsliteratur an. In der Alltagskorrespondenz wurde hierüber nicht kommuniziert. Nur im Falle unerwarteter Zwischenfälle erstatteten die Reisenden Berichte nach Speyer. Im August 1817 berichtete Carl Korn, ein Kaufmann im Dienste von Lichtenberger & Co., von Problemen mit seiner Kutsche, worauf Lichtenberger ihm lediglich antwortete, dass er „die Fatalitäten, welche Sie mit Ihrem Fahrzeug haben […] bedauern“ würden und sich vor der nächsten „Tour“ Veränderungen daran vornehmen ließen.116 Die Antworten auf Zwischenfälle blieben in den meisten Fällen kurz. Zwischenfälle, meist Unfälle mit Kutschen oder Krankheitsfälle,117 bildeten Ausnahmen im Alltagsgeschäft.118

111 Vgl.: Ebd., Fol. 353 f. 112 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 246, sowie: Schwanke, Irmgard: … den wir haßen die unangenehme Corespondenz …, S. 614 f. 113 StALu, WS1, Nr. 127. 114 Ebd., Nr. 1, Fol. 276. 115 Vgl. die Schreiben an die Reisenden von Lichtenberger & Co., u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 276; Nr. 2, Fol. 480 und Nr. 3, Fol. 164. 116 Ebd., Nr. 3, Fol. 150. 117 Ebd., Nr. 11, Fol. 500. 118 Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Höflichkeitskonventionen im Schriftverkehr als Reaktion auf Zwischenfällen zumindest die Übersendung von guten Wünschen für die Weiterreise einforderten, die sich jedoch kaum finden lassen.

3.2 Kommunikation im Kontext der Transportinfrastruktur

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Im Untersuchungszeitraum gingen regelmäßig Kaufleute im Auftrag der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auf Reisen. Reisen in entfernte Regionen hatten dabei den Charakter ausgedehnter, häufig mehrere Monate andauernder Rundreisen, in denen viele potenzielle Geschäftspartner und -partnerinnen aufgesucht wurden.119 Rundreisen durch verschiedene Regionen des Deutschen Bundes fanden aus Speyer jedes Jahr statt120 – die nähere Umgebung wurde im Abstand einiger Wochen oder Monate immer wieder aufgesucht.121 Zum Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich – im Nachgang der Entwicklung eines dichten Briefpostnetzes – ein immer effizienter werdendes System des Personentransportes durch Postwägen innerhalb der deutschen Staaten, das je nach Gesetzeslage privat oder von staatlicher Seite betrieben wurde. Im Rheinkreis war das Angebot für einen Personentransport mit Postkutschen nach 1816 zunächst sehr eingeschränkt. So gab es zum Beispiel nur alle vier Tage eine Postwagenverbindung von Speyer über Germersheim, Landau, Neustadt, (Bad) Dürkheim und Frankenstein nach Kaiserslautern sowie einmal wöchentlich eine Postwagenverbindung von Speyer nach Mannheim.122 In der Folgezeit entwickelten sich jedoch Alternativangebote. Teilweise erhielten Posthalter und Postboten die Erlaubnis, ihre Briefe mit Kutschen zu transportieren und dabei auch Personen zu befördern. Außerdem entstanden sogenannte Privat-Diligencen in größerer Zahl, die sich auf den Personentransport spezialisierten. Dies führte 1828 sogar dazu, dass der Staat sich darauf beschränkte, durch die bayerische Post nur noch Briefe zuzustellen. Erst 1841, mit der Errichtung von Eilpostkursen – zunächst auf den Strecken Zweibrücken – Landau – Karlsruhe sowie Landau – Speyer – Mannheim, bot die bayerische Post wieder Möglichkeiten für den Personentransport.123 Im gesamten Deutschen Bund etablierten sich bis zur Jahrhundertmitte Eilpostrouten zum schnellen Personenverkehr. Diese konnten sich vor allem wohlhabende Bürger oder Bürgerinnen leisten. Eine Nutzung durch die Speyerer Kaufleute lässt sich im Unternehmensnachlass – aufgrund der geringen Überlieferung von Reisepapieren – erst in den 1840er Jahren nachweisen.124 Doch nicht nur Postwägen waren für geschäftliche Reisen nutzbar – zur Überwindung weiter Strecken konnten Kutschen, Pferde oder Begleitpersonal gegen Aufpreis an Poststationen gemietet werden. Zudem gehörten Pferde und Fuhrwerke zu den Handelsunternehmen Scharpff und Lichtenberger, die zum Waren- und Personentransport eingesetzt wurden. So reisten Angestellte der Handelshäuser mit vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Kutschen.125 Der Kaufmann Eduard Sieler hingegen, der um 1827 als selbständiger Kaufmann im Vertrieb für Lichten119 Vgl. die Korrespondenz mit Lingenfelder, in: StALu, WS1, Nr. 45. 120 Ebd., Nr. 1,Fol. 45–51, 234 f., 242, 250, 257, 258, 273 und 489–492; Nr. 7, Fol. 189 f.; Nr. 14, Fol. 973; Nr. 15, Fol. 328, sowie: Nr. 47, Fol. 768; Nr. 51, Fol. 80 f. und 307. 121 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 83 und Nr. 7, Fol. 671 und 876. 122 Vgl.: Kermann, Joachim: Wirtschaft- und Verkehr im 19. Jahrhundert, S. 164. 123 Vgl.: Ebd. 124 Zur Nutzung von Eilwägen in den 1840er Jahren durch Heinrich Wilhelm Lichtenberger, vgl.: LBibSp, Mappe I, 2. 125 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 3, Fol. 150.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

berger & Co. tätig war, musste seine Reiseausrüstung selbst stellen. Seine Entlohnung bestand allein aus einer Verkaufsprovision.126 Das Angebot an Postkutschentouren hatte somit nicht unmittelbar Einfluss auf die Mobilität der Kaufleute. Private Kutschen oder individuell eingekaufte Transportdienstleistungen boten für sie mehr Flexibilität und Transportkapazitäten. Bildeten Reisen auch eine wichtige Ergänzung zur Geschäftskorrespondenz und eine gängige Form der Kontaktpflege, so waren sie in ihren Kosten nicht zu unterschätzen. Sind in den Quellen auch keine Kostenaufstellungen überliefert, so finden sich doch einige Quellen, in der Lichtenberger & Co. Skepsis äußerten, ob Reisen zum Beispiel nach Bayern sich finanziell überhaupt lohnen würden.127 Neben Reisen eigener Mitarbeiter aus den Handelshäusern war es möglich, andere Kaufleute gegen Zahlung einer Provision mit dem Verkauf von Waren auf Rundreisen zu beauftragen.128 Diese Kaufleute waren häufig für mehrere Handelshäuser im Vertrieb tätig.129 Für beauftragende Handelshäuser hatte dies den Vorteil, dass sie die Reisen nicht selbst finanzieren und organisieren mussten – es barg jedoch auch Risiken, mussten sie dem Kaufmann doch vertrauen, dass er sie angemessen vertrat und die Geschäfte zuverlässig abwickelte. Es lässt sich festhalten, dass die Speyerer Kaufleute im frühen 19. Jahrhundert auf eine tragfähige Kommunikations- und Reiseinfrastruktur zurückgreifen konnten. Dieses Fazit lässt sich auch vor dem Hintergrund ziehen, dass die Geschwindigkeit des Brief- und Personenverkehrs durch ein noch defizitäres Straßensystem beeinträchtigt wurde. Das Nebeneinander von öffentlichen und privaten Dienstleistungsangeboten und eigenen Arbeitskräften und Transportmitteln ermöglichte zuverlässige Kommunikation und Reisetätigkeiten auf dem mitteleuropäischen Kontinent. Erst der Aufbau von Dampfschifffahrtslinien und Eisenbahnnetzen verursachte im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine erneute Beschleunigung von Kommunikation und Personenverkehr. Der Einfluss industrieller Verkehrsmittel auf die Geschäftstätigkeit der Kaufleute blieb bis 1840 jedoch gering, da im Deutschen Bund bis dahin noch kein nennenswertes Eisenbahnnetz bestand und auch das Dampfschifffahrtsnetz erst im Aufbau begriffen war. Das Dampfschiff spielte für Lichtenberger & Co. für den gelegentlichen Transport von Personen und die Versendung von Bargeld, Warenmustern oder wertvollen, exklusiven Waren seit ca. 1830 eine Rolle und wurde vor allem genutzt, um Reisen und Warentransfers unter Zeitdruck zu beschleunigen.130 Dampfboote hatten als Transportmittel aber nicht nur Vorteile. So berichteten Lichtenberger & Co. 1831 nach Köln an Peter Joseph Bogen, dass die 126 Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 414 ff. 127 Vgl.: Ebd., Nr. 5, Fol. 378–381; Nr. 7, Fol. 453. Phasenweise stellten Lichtenberger & Co. die Reisetätigkeit nach Bayern sogar ganz ein, was sie im September 1827 ihren Handelspartnern in per Rundschreiben ankündigten, vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 436 f. 128 Vgl.: Ebd., Fol. 414–416. 129 Im Februar 1828 reiste z. B. der Speyerer Kaufmann Georg Friedrich Hetzel nach Württemberg und Bayern und versuchte dort neben seinen eigenen Waren auch die von Lichtenberger & Co. abzusetzen, vgl.: Ebd. Nr. 12, Fol. 922 f. 130 Vgl.: Ebd., Nr. 15, Fol. 65, 753 und 1171 f.

3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre

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Waren beim Transport per Dampfboot häufig einer unvorsichtigen Behandlung unterworfen waren und schneller verdarben.131 Die regionalen Fuhrleute und Schiffer waren offenbar professioneller in der Warenabfertigung als die frühen Dampfschifffahrtsgesellschaften, die in Speyer oder der Rheinschanze vor Anker gingen. 3.3 DER GESCHÄFTSBRIEF ALS SPEZIFISCHES SCHREIBGENRE Eine wegbereitende Studie zur Auseinandersetzung mit geschäftlicher Korrespondenz als Quelle bildet Adelheid von Salderns Studie zu den „Schoeller-Häuser[n]“,132 in der sie auf die wichtige Funktion und hohe Präsenz von schriftlicher Kommunikation in den Unternehmen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts hinwies. An ihre Überlegungen zum Geschäftsbrief als eigenständigem Genre innerhalb der Schriftkultur, das von Saldern an der „Ähnlichkeit im Aufbau der Briefe“133 festmachte, dem ein (informelles) Reglement zu Grunde lag, wird das folgende Kapitel anknüpfen.134 Ein Spezifikum der überlieferten Briefsammlungen von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. ist, dass es sich nicht um die Originale der abgesandten Briefe handelt. Die Kopierbücher unterlagen einer historischen Buchführungspraxis. Die Schreiber oder Schreiberinnen in beiden Unternehmen beschränkten sich meist darauf, den Inhalt der Briefe ohne Anrede- und Grußformeln wiederzugeben. In der Masse wurden die Briefe ansonsten Wort für Wort – unter Nutzung von Abkürzungen zur Arbeitsersparnis – kopiert, so dass die Kopien eine Analyse der Kommunikationsprozesse bezogen auf Kommunikationsformen und -inhalte erlauben.135 Die schriftliche Kommunikation zwischen Akteuren und Akteurinnen wurde in Form und Inhalt durch Schreibkonventionen geprägt. Private Briefe, persönliche Gespräche oder Geschäftsbriefe bildeten verschiedene Kommunikationsebenen, in denen das historische Institutionensetting Einfluss auf die Ausgestaltung der Kommunikation nahm. Die Verstetigung schriftlicher Kommunikationsformen spiegelt sich in der Entwicklung einer Ratgeberliteratur zum Briefeschreiben seit dem Mittelalter wider. Es entwickelte sich eine dezidierte Brieflehre, die potenzielle Schreiber und Schreiberinnen bezüglich Aufbau und Sprache zu einer angemessenen Schreibform erziehen bzw. ihnen Richtlinien vorgeben wollte. Andererseits rezipierte und tradierte diese Ratgeberliteratur immer auch die als angemessen und ästhetisch empfundenen Schreibformen ihrer Zeit.

131 132 133 134

Vgl.: Ebd., Fol. 579 f. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert. Ebd., S. 273. Darüber hinaus beschäftigen sich wenige Sprach- und Geschichtswissenschaftler auf internationaler Ebene mit den Spezifika von Geschäftskorrespondenz, vgl. zu England im 19. Jahrhundert am Beispiel von Kaufmannslehrbüchern: Del Lungo Comiciotti, Gabriella: „Conduct yourself towards all persons on every occasion with civility“. 135 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1–55.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Das 18. Jahrhundert gilt aufgrund der steigenden Rolle des Briefverkehrs für den Informationsaustausch als ‚Zeitalter des Briefes‘. Privates Briefeschreiben, das nicht mehr abhängig war von vorgegebenen Schreibanlässen – wie Tod, Geburt oder Hochzeit – entwickelte sich zu einer verbreiteten Kommunikationsform in den gebildeten und wohlhabenden Gesellschaftsschichten.136 Gerade im 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden vielfältige Schriften zur Brieflehre. Die formulierten Normen wurden beeinflusst von den Gedanken der Aufklärung. Eingefordert wurde eine gute Sprachbeherrschung und eine ‚sinnvolle‘ und nachvollziehbare Strukturierung von Briefen. Ein weiteres Ideal war die „Natürlichkeit“, die gegen einen „unnatürlichen, frostig oder gezwungen[en]“137 Schreibstil ins Feld geführt wurde. Neben vielfältigen Regeln, die Briefeschreibern oder -schreiberinnen ans Herz gelegt wurden, rückte der individuelle Schreiber oder die individuelle Schreiberin stärker als zuvor in den Mittelpunkt. Ein individueller Schreibstil ließ sich im Verständnis der bürgerlichen Zeitgenossen durch Literaturstudien und die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit entwickeln.138 Parallel zur allgemeinen Brieflehre, die sich in der Frühen Neuzeit in verschiedene Formen des Schreibens ausdifferenzierte – je nach Verfasser oder Verfasserin, Inhalten und Adressaten oder Adressatinnen – entwickelte sich auch in der ökonomischen Ratgeberliteratur und in kaufmännischen Lehrwerken eine Lehre vom Briefeschreiben. Diese war 1815 als „Lehre der schriftlichen Verhandlungen“139 Teil der Ausbildung und fand Eingang zum Beispiel in das Lehrwerk „Der Kaufmann wie er seyn soll“. Grundlegende Regeln für eine gelungene Geschäftskorrespondenz bildeten für dessen Autor eine angemessene und präzise Sprache, eine nach Wichtigkeit und Themen vorgenommene klare Struktur eines Schreibens und eine Fokussierung auf das Wesentliche, da hierdurch Missverständnisse, Mühe und Kosten vermieden würden. Der Kaufmann benötige hierfür einen entsprechenden Bildungsstand. Besonders wichtig sei dabei das Wissen über die aktuellen Sprachkonventionen, um würdevoll aufzutreten und den Höflichkeitskonventionen Rechnung zu tragen. Der Autor gab nicht für alles klare Regeln vor – er wies vielmehr vermehrt daraufhin, dass der Kaufmann das „Conventionelle“140 beachten und eine „geschmackvolle“141 Sprache pflegen müsse. Er warnt vor allen Extremen – vor schlechter Rechtsschreibung ebenso wie vor übertriebenen sprachlichen Ausschweifungen.142 Die in dem Werk folgenden Beispiele für Geschäftsbriefe formulierte er als Vorschläge. Hiermit trug er seiner Einsicht Rechnung, dass Kommunikationssituationen und -inhalte stark variieren und der Schreiber oder die Schreiberin die Formen und Inhalte vor diesem Hintergrund selbst wählen musste. Der Betonung der Eigenver136 Vgl.: Schlaffer, Hannelore: Glück und Ende des privaten Briefes, sowie: Nickisch, Reinhard M. G.: Brief, S. 44–59. 137 Kording, Inka K.: „Wovon wir reden, können wir auch schreiben“, S. 30. 138 Vgl.: Ebd. 139 o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 2, S. 4. 140 Ebd., S. 11. 141 Ebd., S. 10. 142 Vgl. Das Eingangszitat auf S. 13 dieser Studie.

3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre

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antwortlichkeit stehen in dem Lehrbuch jedoch die bis ins Detail gehenden Vorgaben zum Briefeschreiben gegenüber, in denen zeitgemäße Sprachformeln, eine angemessene Papierwahl bis hin zur richtigen Platzierung des Textes auf dem Schreibbogen beschrieben werden. Die aufgeführten Beispielbriefe muten fast wie Formulare an, die nur noch auf einzelne Transaktionen angepasst werden mussten. Geschäftliches Briefeschreiben im frühen 19. Jahrhundert erscheint daher – trotz der in der Literatur stetig auffindbaren Beteuerung der Individualität – als eine kaufmännische Praxis mit fest vorgegebenen Formen.143 Die Ähnlichkeit der Beispielbriefe im „Kaufmann wie er seyn soll“ zu den versandten Briefen von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. ist auffallend und verweist auf die Bindekraft dieser Schreibformen und -routinen in kaufmännischen Kreisen. Die weitreichende Konventionalisierung des ökonomischen Briefverkehrs bestätigt die in der Literaturwissenschaft präsente Annahme, dass Briefe, die sich vorrangig auf die Übermittlung von „Sachinformationen“ fokussieren, einer Standardisierung und Konventionalisierung in besonderem Maße zugänglich sind. Ihnen, so nimmt der Literaturwissenschaftler Reinhard Nickisch an, lässt sich daher „vergleichsweise wenig über ihre Verfasser […], dafür aber um so mehr über die […] Schreibbräuche ihrer Zeit“ entnehmen.144 Die Etablierung von festen Formulierungen und Strukturen im Geschäftsbrief kann ökonomisch als Effizienzsteigerung oder berufliche Professionalisierung angesehen werden, da sie den Schreibprozess vereinfachten und beschleunigten. Zudem boten sprachliche Normierungen Sicherheit bei der Interaktion über weite Distanzen. Das Streben nach Sicherheit bezog sich dabei nicht nur auf Inhalte, die von dem Empfänger oder der Empfängerin richtig verstanden werden sollten, sondern auch auf die sichere Übermittlung der niedergeschriebenen Texte. Als Lichtenberger & Co. im Frühjahr 1820 zum Beispiel einen Brief von ihrem Reisenden Trauth aus Leipzig erhielten, der auf „zwey loose Blätter“ geschrieben war, äußerten sie Zweifel „ob dazwischen nicht ein Bogen fehlt“ und wiederholten daher die übersandten Bestellungen in ihrem Antwortschreiben mit der Bitte um Ergänzung, falls Informationen verloren gegangen seien. Im Anschluss ermahnten sie ihren Reisenden, nicht zu sparsam mit dem Papier umzugehen. Die Nutzung großformatiger Doppelbögen sollte das Auseinanderfallen von Briefen bei der Übersendung verhindern und wurde aus diesem Grund als Norm vorgegeben.145 Vor dem Hintergrund sich verbreitender und allgemein gültiger Normen der Korrespondenz erscheint es plausibel, die Geschäftsbriefe des frühen 19. Jahrhunderts als spezifisches „Genre“146 des Schreibens in der neuzeitlichen Schriftkultur anzusehen. In Kontext der Unternehmensnachlässe von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lässt sich dieses Genre von anderen Formen der Korrespondenz abgrenzen. Im frühen 19. Jahrhundert existierten verschiedene Formen des Briefeschreibens nebeneinander, in denen ökonomische Inhalte transportiert werden konnten. Neben dem privaten Briefeschreiben zeichneten sich Geschäftsbriefe 143 144 145 146

Vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, S. 1–85. Nickisch, Reinhard M. G.: Brief, S. 13. StALu, WS1, Nr. 5, Fol. 737 f. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 273.

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zunächst durch ihre sachliche Fokussierung auf ökonomische Inhalte aus. Dabei konnten die Ausdrucksformen, die transportierten Inhalte, der Grad der Sachlichkeit und das Maß der eigenen Affektkontrolle bzw. Emotionalität jedoch variieren. Im Folgenden werde ich eine Kategorisierung der verschiedenen schriftlichen Kommunikationsformen anhand einiger Beispiele aus dem Schriftverkehr der Familie Lichtenberger vornehmen. Eine solche Kategorisierung hilft, den Kommunikationsspielraum in der Geschäftskorrespondenz bzw. die Funktion und Rolle dieser Kommunikationsform zu bewerten. Sind private Briefwechsel der Kaufleute Lichtenberger im Unternehmensnachlass auch kaum überliefert, so illustrieren die wenigen Exemplare doch das mögliche hohe Maß an Vertrautheit, Emotionalität und Erzählfreudigkeit im Schreibstil innerhalb dieses Mediums. 1832 schrieb Heinrich Wilhelm Lichtenberger an den bis heute mythenumrankten Kaspar Hauser im bayerischen Arnsberg: Liebverehrtester Herr Hauser! Von der lieben Mama erfuhr ich, daß Sie sich meiner sonderlich erinnern was mich herzlich freut. Ich hätte Ihnen, sayen Sie es überzeugt, schon längst geschrieben, wenn ich nicht durch einige kleine Geschäftsreisen, […], davon abgehalten worden wäre. Wo ich nun heute der lieben Stichaner’schen Familie schreibe so ergreife ich mit Vergnügen die Gelegenheit Gegenwärtigem meine Briefe beyzulegen. Sie werden seit unserer Trennung ohne Zweifel recht vergnügt gelebt und die Weihnachtsfeiertage in guter Unterhaltung zugebracht haben. Bedauern muss ich über die Ihrerseits von England zu erwartende Botschaften ohne Nachricht zu sayn; von ganzem Herzen wünsche und hoffe ich aber daß dieselben recht günstig und erbaulich für Sie eingelaufen sind. Gehen Sie nach England so wird mir vielleicht das große Vergnügen zu Theil Sie einmal da zu sehen, da ich bis Frühjahr auf einige Zeit entweder nach Rotterdam oder nach Amsterdam gehe und dann, […] einen kleinen Abstecher nach London machen könnt. Das Project nach America habe dagegen aufgegeben. Schon seit einiger Zeit haben wir hier ziemlich kalt und vor ein paar Wochen erspürte man ein Wolf auf einer der Jagden meines Vaters was in hiesiger Gegend noch nicht erlebt wurde. Man jagde auf ihn […], – jedoch erfolglos. Nur gut ist es daß er bis heute nicht mehr zu sehen war. […] Mein in Augsburg bestelltes Jagd-Gewehr […] ist nun auch eingetroffen und ganz meinen Erwartungen entsprochen. Einige Hasen fanden durch dasselbe schon ihren Tod. Unser Etablissement in der Rheinschanze ließen wir […] auch in größerem Format lithographieren, ich sende heute von diesen Abdrucke an unsere lieben […] Verwandten, mit dem Auftrage Ihnen einen zuzustellen. Betrachten Sie als Freund diese treulichst aufgenommene Ansicht der Rheinschanze als ein kleines Andenken, – mögen Sie bey jedesmaliger Beschauung derselben meiner gedenken. Ich werde so Gott will, in künftigen Jahren ins Geschäft tretten und daselbst residieren. Die mit Ihnen gepflogene Bekanntschaft wird mir unvergesslich und stets teuer bleiben; seyen Sie versichert daß ich an Ihrem Wohlergehen stets den wärmsten Antheil nehme. Mein Schwager und meine Schwester, welche während den Feiertagen hier waren, empfehlen sich Ihnen auf das freundschaftlichste und wünschen Ihnen gleich ich zu dem angetrettenen neuen Jahre von ganzem Herzen alles Glück. Haben Sie werthester Freund recht wohl und vergnügt, grüßen Sie die ganze liebe Stichaner’sche Familie herzlichst. Mit unwandelbarer Freundschaft Ihr treu ergebener Freund Hch. Lichtenberger147 147 StALu, WS1, Nr. 128.

3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre

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Dieser Brief des Sohns Philipp Markus Lichtenbergers, der zusammen mit einem Brief an die Familie seiner älteren Schwester Auguste, die in die bayerische Beamtenfamilie von Stichaner eingeheiratet hatte,148 versandt wurde, bildete für den Schreiber einen Ort um sich über vielfältige Themen auszutauschen. Hierbei konnte Geschäftliches zwar einen gewissen Raum einnehmen, es stand dabei jedoch stärker die selbstbewusste Repräsentation als reisender Weltenbürger und zukünftiger Erbe eines Unternehmens im Vordergrund, als die differenzierte Auseinandersetzung mit ökonomischen Tätigkeiten. Das Geschäftliche trat hinter Schilderungen aus dem Privatleben zurück, in dem Freundschaft und Verwandtschaft, Vergnügen an Geselligkeit auf Festlichkeiten und bei der Jagd, legitime Themen bildeten. Zudem finden sich neben der Selbstdarstellung und -reflexion des Schreibers auch vielfältige Interessensbekundungen am Wohlergehen des Empfängers, die sich in überschwänglichen Freundschaftsbekundungen niederschlugen. Der höfliche, emotionale und romantisierende Schreibstil entsprach den Moden der Zeit.149 Bei dem Adressaten, Kaspar Hauser, ist zu berücksichtigen, dass er in jener Zeit eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit erhielt. Mit seiner Hinwendung zu ihm positionierte sich Heinrich Wilhelm in dem öffentlichen Diskurs um die Glaubwürdigkeit von Hausers Lebensgeschichte.150 Das private Schreiben Heinrich Wilhelm Lichtenbergers bildet ein Briefbeispiel, vor dem es legitim erscheint, von einem separaten Genre der ökonomischen Korrespondenz zu sprechen. Dieses charakterisierte sich durch davon abweichende Ausdrucksformen und inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, wie die folgenden Briefe zeigen. Ein geschäftliches Schreiben findet sich im Unternehmensnachlass der Lichtenberger vom 30. September 1819. Nach der Insolvenz seines Schwagers, dem Kaufmann Ludwig Heinrich Schlegel, und im Kontext der anschließenden Eskalation der Situation zwischen Schlegel und seinen Gläubigern und Gläubigerinnen,151 schrieb Philipp Markus Lichtenberger an diesen: Keine Bange, lieber Schlegel! Ist allerdings nicht nur lästig, sondern äußerst traurig in jeder Beziehung. Mache uns deßwegen aber keine Vorwürfe, denn frey gesprochen, du hast dir sie selbst auf eine leichtsinnige Weise, oder vielmehr durch falsche Scham verbreitet, weil, wie ich jetzt erst aus dem Abschluß deiner Bücher vom Juny 1818 sehe, du nicht aufrichtig gegen uns gehandelt hast. Du verschwiegst so lange du konntest deine Situation. Der Vater [Johann Heinrich Scharpff] ließ sich auf deine Betheuerungen, als stünden deine Sachen gut, bewegen dir f. 36.000 gegen Hypothek zu geben und noch am 5. Oktober auf die nehmlichen Versicherungen, sprach er noch bey [dem Frankfurter Bankhaus] Goll für f. 3.000 gut die er jetzt bezahlen muß. Daß diese

148 Vgl.: Ebd., Stammbaum der Familie Lichtenberger. 149 Vgl.: Schlaffer, Hannelore: Glück und Ende des privaten Briefes. – Die Historikerin Jutta Stalfort hat herausgearbeitet, dass das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert mit einer weit verbreiteten Wertschätzung von Gefühlsäußerungen vor allem im Bürgertum einherging, vgl.: Stalfort, Jutta: Die Erfindung der Gefühle, S. 307. 150 Vgl.: Schiener, Anna: Der Fall Kaspar Hauser, S. 9–120. Schiener verweist in ihrem Buch auf die regelmäßige Anwesenheit Kaspar Hausers im Hause der Familie von Stichaner in Ansbach und die sich daraus entwickelnden Freundschaften, vgl.: S. 74 f. und 97. 151 Vgl.: LBibSp, N 41, Mappe I,3: „Verwahrungs-Befehl“ des Frankenthaler Untersuchungsrichters Closmann vom 24. 12. 1819 für Ludwig Schlegel.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz Posten in einem Geschäft fühlbar sind, erwähne ich dir nur – und dieß sey dir blos im Vorbeygehen gesagt. Der Vater versprach mir inzwischen sich deiner ferner anzunehmen in so fern die Summe für ihn nicht zu beteutend, und es ihm möglich wäre, dir dadurch die Freiheit wieder zu verschaffen. Bey R. war ich schon einigemal wegen einem Arrangement, so wie ich aber von demselben hörte, will nur ein Theil zu 50 % und dies zwar auf gewisse Ziele, jedoch nicht anders als mit Zinsen einwilligen. […] Nichts Festes hat der Vater noch proponiert – er will dies thun wenn er den Bericht des Syndicks wird gelesen haben, und demnach dann Vorschläge thun. Ich begreife nicht wie man gegen dich so streng seyn will, da man doch anderer Orten schonend mit Unglücklichen umgeht, […] Sey versichert, daß mich kein Interesse leitet, den Vater von irgend etwas abzuhalten. Ich werde im Gegentheil ihn dahin zu stimmen suchen, daß er dir hilft. Mit dieser wiederholten Versicherung grüße ich herzlich, Ph. Lichtenberger152

Dieser Brief repräsentiert eine Form des schriftlichen Austauschs zwischen zwei sich nahestehenden Unternehmern über geschäftliche Entwicklungen und Perspektiven – hier in einer Notsituation: bei einer starken Verschuldung einhergehend mit dem Verlust von sozialem Ansehen und ökonomischem Vertrauen. Inhaltlich ist er durchaus ökonomisch-sachbezogen – auf private Themen wie das Wohlergehen der Familie wird vollkommen verzichtet – im Schreibstil spiegelt sich jedoch ein vertraulicher Umgang, in dem gegenseitige Ratschläge und familiärer Beistand seinen Platz finden. Dieser Brief erinnert an die ‚Bruderbriefe‘, die Martin Lutz in seiner Studie zu Carl von Siemens für spätere Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts analysiert hat, in denen die Brüder Siemens sich über unternehmerische Entscheidungen austauschten.153 Und auch die Erkenntnisse Adelheid von Salderns zur Kommunikation zwischen den Schoeller-Unternehmern, lässt sich darauf zurückzuführen, dass im Schoeller-Nachlass vorrangig diese Form von Briefen überliefert ist.154 Es handelt sich dabei um eine Form des Schreibens, die einen exklusiven Kommunikationsraum bot, um sich unter vertrauten, oft auch verwandten, beruflich ähnlich qualifizierten und unternehmerisch tätigen Akteuren oder Akteurinnen über ökonomische Aktivitäten auszutauschen. Diese Form des Schreibens bildete eine Ergänzung zum mündlichen Austausch – als grundsätzlich bei sensiblen Themen präferierter Kommunikationsweg. Diese Briefe fanden keinen Eingang in die Buchführung bzw. in die Sammlung der offiziellen Korrespondenz von Unternehmen.155 Dass es zwei Arten von schriftlicher Kommunikation gab, die Raum zum expliziten Austausch über und zur Koordination von ökonomischen Aktivitäten boten, war ein zeitgenössischer Gedanke, der sich in der Kaufmannsliteratur widerspie152 153 154 155

Ebd., Mappe 1,3. Vgl.: Lutz, Martin: Carl von Siemens (1829–1906). Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 271–312. Vgl. hierzu die Briefkopierbücher der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger, in denen solche Schreiben fehlen, mit der in Loseblattsammlungen zufällig überlieferter Briefe, in: StALu, WS1, Nr. 1–55 und LBibSp, N41, Mappe I, 3.

3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre

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gelt. Im 1815 in Prag erschienenen „Kaufmann wie er seyn soll“156 verweist der Autor darauf, dass er zum Schreiben gewisser Formen von Briefen keine genaueren Vorgaben machen könne, da diese stärker dem privaten als dem routinierten Geschäftsverkehr im Kontor zuzuordnen seien: Da der größte Theil der Berathschlagungs- als auch Warnungs- und Vorsichtigkeitsbriefe mehr in den Kreis der freundschaftlichen als der Geschäftsbriefe gehört, so lassen sich keine besonderen Vorschriften für solche bestimmen, sondern müssen in der Sprache des Herzens mit reiner Wahrheit dargestellt werden.157

Neben „Berathschlagungs-“ und „Warnungsschreiben“ zählt der Autor in diese Kategorie auch Bittschreiben (an Verwaltungsinstitutionen) und „Wohlstandsschreiben“ (Glückwunsch- oder Kondolenzbriefe).158 Bei der Korrespondenz mit Verwaltungsinstitutionen zur wirtschaftspolitischen Einflussname, Beschwerde oder bei Gesuchen um Privilegien für die eigenen Unternehmungen gewannen der Unternehmer oder die Unternehmerin als Person stärker an Bedeutung, als es im alltäglichen Geschäftsschriftverkehr der Fall war, in denen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen Briefe im Namen der Firma verfassten, ohne sich als Autor oder Autorin kenntlich zu machen. Diese Schreiben dienten der positiven Selbstdarstellung der Akteure oder Akteurinnen, um von der eigenen Rechtschaffenheit und der Zuträglichkeit der eigenen Wirtschaftsaktivitäten zum Allgemeinwohl zu überzeugen. Darüber hinaus dienten diese Schreiben dazu, Unterstützung einzuwerben oder eigene Rechte einzufordern.159 Neben dem Genre des vertraulichen Geschäftsbriefs zwischen Unternehmern wie Unternehmerinnen oder den Schreiben an politische Stellen, die ich im Folgenden als ‚Unternehmerbriefe‘ bezeichne und damit von der eigentlichen Geschäftskorrespondenz zu analytischen Zwecken separiere, existierte der alltägliche Geschäftsschriftverkehr im Kontor, dem ich mich im Folgenden widme. Dieser fand Eingang in die offizielle Buchführung von Unternehmen – in Form von Briefkopien. Dies diente der Dokumentation von Geschäftsabläufen und galt in juristischen Auseinandersetzungen als Beleg für die zurückliegende Kommunikation und Geschäftstätigkeit. Für ökonomische Transaktionen hatte schriftliche Kommunikation somit einen expliziten Vorteil gegenüber mündlichen Unterredungen: Das Niederschreiben diente der Absicherung.160 Der Schriftverkehr im Kontor erfuhr noch eine striktere Versachlichung, einhergehend mit einer starken Affektkontrolle und daraus resultierenden relativen Emotionslosigkeit des Schreibstils.161 Die stetige Präsenz dieser Form des Briefeschreibens führte zudem zu einer inhaltlichen Verschiebung. Findet der Schreiber oder die Schreiberin in den Unternehmerbriefen den Raum, über das eigene Han156 157 158 159 160 161

Vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 2. Ebd., S. 68 f. Vgl.: Ebd., S. 68–72. Vgl. u. a. die Bittgesuche der Speyerer Kaufleute in: StALu, M15. Vgl. zum Brief als juristisch relevantes Dokument: Nickisch, Reinhard M. G.: Brief, S. 219 f. Der Versuch der Kontrolle oder Lenkung von Emotionen ist zeitgenössisch im frühen 19. Jahrhundert, nicht nur für Wirtschaftsbürger, sondern gerade auch im Bildungsbürgertum, vgl.: Stalfort, Jutta: Die Erfindung der Gefühle, S. 313–339.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

deln und die von ihm getroffenen oder zu treffenden Entscheidungen zu reflektieren und dem Anderen oder der Anderen beratend zur Seite zu stehen, so stehen im Mittelpunkt des hier analysierten Schriftverkehrs die viel alltäglicheren, ökonomischen Entscheidungsprozesse und Einzelgeschäfte sowie die Übermittlung von dazu notwendigen Informationen. Je nach Bedarf konnte es sich bei den Briefen um Einzeiler, zum Beispiel bei der Übersendung von Rechnungen, um ausführliche Abrechnungen verschiedener Transaktionen mit dazugehörigen Erläuterungen, um Warenangebote oder Anweisungen zur Abwicklung von Geschäften oder um ausführliche Berichte über die wirtschaftliche Lage in einer Region handeln. Im September 1821 sandten Lichtenberger & Co. ein Schreiben an ihren langjährigen Geschäftspartner Peter Joseph Bogen in Köln, der ebenfalls im Tabakhandel tätig war, das den Charakter dieser Schreibform dokumentiert: Im Besitz Ihrer werthen Briefe vom 31ten July und 1ten dieses Monats, haben wir Sie für die mit Ersterm berechneten 7 Fäßer Stiele mit f. 1.137,18 kr. gleichlautend erkannt. Dagegen ersehen wir wohlgehend aus Ihrem letzten den Empfang und die Gutschrift der 25 Ballen 1820er Blätter und wir erkennen Sie ferner mit f 8,58 kr. für Spesen auf das Fäßchen Karotten.162 Außer den erwähnten 4 Säcken und 20 Fäßer Stiele werden Sie ferner für uns erhalten von den Herren Hch. Petif & Co. in Amsterdam: Ca. 400 Zentner Stiele in Körben und 15 Fäßer dito Und ferner von den Herren J. C. Waechter in Amsterdam 20 Fäßer und ca. 24 Säcke Stiele, wovon Sie, wie Ihnen bereits angegeben, den Versandt an uns hierher zu bewerkstelligen belieben; da wir aber ältere Freunde auch nicht ganz umgehen wollen, so lassen Sie die erst ankommenden 24 Collis durch Vermittlung der Herren Carl Schmitz & Koester in Mainz an uns abgehen. Da das Guth alles für die ganze Strecke von Amsterdam bis Speyer versichert werden soll (nemlich bey der Rhein Schiffarth Assecuranz Gesellschaft) […], so werden Sie die Güthe haben auf die zu erhaltende Declaration das Nötige nun in Cölln zu besorgen. Von der erhaltenen Sorte 1820er Pfeiffenguth besitzen wir in allem nur noch ca. 100 Zentner und es ist von solcher Waare in unserm ganzen Land nichts mehr anzutreffen. Wenn Sie dieses Parthiechen mit umgehender Post fest acceptiren, so wollen wir Ihnen solches zum billigsten à f 10,– [pro Zentner] erlassen, zu einem geringeren Preiß wäre es aber nicht möglich. Den Versandt werden wir nach Ihrer Genehmigung sodann auf vorgeschriebene Weise besorgen. Von dem uns gefällig offerirten Maryland können wir keinen Gebrauch machen; indem wir bey dem ohnehin sehr geschmälerten Verbrauch nur ganz feinen durchaus gelben Maryland mit dem süßlichen Bay Geruch verarbeiten laßen, und zum andern unser Bedarf auf den Winter von Bremen her gesichert ist. Sollte Ihnen aber etwas ganz vorzügliches gelbes von Maryland vorkommen, so können Sie uns gelegentlich davon Proben zugehen laßen. Man ist gegenwärtig mit der Tabaks-Erndte beschäftigt. Alles was wir hierüber sagen können beschränkt sich darauf, daß es sehr wenig Tabak giebt; die Qualität ist aber noch garnicht zu beurtheilen und man kann nur soviel mit Bestimmtheit versichern, daß nichts vorzügliches zu erwarten ist, indem das zu lang angehaltene kalte Regenwetter dieser Pflanze durchaus nur 162 Hierbei handelte es sich um ein Vorprodukt der Schnupftabakfabrikation. Ihren Namen erhielten die Tabake, da sie nach ihrer Sortierung und Vorbehandlung in eine karottenähnliche Form gepresst wurden, vgl.: Kolbeck, Johann Paul: Gründliche und umfassende Abhandlung über Taback, S. 121.

3.3 Der Geschäftsbrief als spezifisches Schreibgenre

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nachtheilig seyn konnte und wirklich auch viel Rost verursacht hat. Übrigens haben unsere besten Ortschaften auch ziemlich stark […] gelitten. Von Tabak überhaupt ist in unserm Land bey den Bauern nichts mehr anzutreffen. Im Handel befindet sich indeßen noch 1819er Taback der aber f. 12 à 14 gehalten wird.163

Bei dieser Kommunikationsform ist der Schreiber oder die Schreiberin potenziell austauschbar. Kaufmännisch gebildete Angestellte konnten die Rolle der Informationsübermittlung stellvertretend für das Handelshaus übernehmen. Eine persönliche Beziehungsebene spielte im Schreibakt kaum eine Rolle. Die Briefe konnten zur Bearbeitung weitergereicht werden, da selten sensible Gegenstände angesprochen wurden. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit der Präsenz unterschiedlicher Handschriften in den Briefkopierbüchern von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co.164 Die auffallende Sachlichkeit der Briefe wird auch dadurch deutlich, dass zwischen nahen Verwandten oder langjährigen Geschäftspartnern oder -partnerinnen nahezu nie – nicht einmal durch Grüße an Verwandte – private Themen berührt wurden. In dieser Form des Briefs gab es keinen Platz, um über die eigene Person, die eigene Tätigkeit oder über persönliche Beziehungen zu Dritten zu schreiben. Durch den alltäglichen Schriftverkehr im Kontor wurde eine rein auf das Ökonomische beschränkte Kommunikationssphäre geschaffen, in der eine starke Trennung zu anderen Kommunikationsformen und als privat empfundenen Lebenssphären vorgenommen wurde. Eine solche Schreibform war an die zunehmende Arbeitsteilung und den Kontakt zu einer wachsenden Anzahl von Akteuren und Akteurinnen auf überregionalen Märkten angepasst, in der das einzelne Subjekt, das den Brief schrieb oder las, in den Hintergrund rückte. Diese Briefform war somit angepasst an großräumigere Märkte, auf denen die Beziehungen zwischen Interagierenden eine andere Qualität annahmen, als dies in kleinräumigen Wirtschaftsstrukturen der Fall war. Diese Form der Geschäftskorrespondenz besaß in einem geografisch weit ausgreifenden Raum von Wirtschaftenden ihre Legitimität. Dies zeigt die Selbstverständlichkeit der Kommunikation mit einer Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen in dieser Form. Auch zeigen Studien zu englischsprachiger Geschäftskorrespondenz deutliche Parallelen zu den vorliegenden Texten – wenn es auch zu Varianzen durch unterschiedliche kulturelle Einflüsse gekommen sein dürfte, die in folgenden Studien noch stärker zu untersuchen wären.165 Die überlieferten Geschäftsbriefe waren Teil einer männlich dominierten, wirtschaftsbürgerlichen Kommunikationssphäre. Selbst wenn sich nachweislich Frauen im Kontor der Handelshäuser aufhielten und auch an Schreibtätigkeiten mitwirkten,166 163 StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 326–328. 164 Vgl.: Ebd., Nr. 1–55. 165 Wie Gabrielle Del Lungo Comiciotti herausgearbeitet hat, gab es beispielsweise besondere Lehrbücher für italienische Kaufleute, um Geschäftskorrespondenz auf Englisch unter Berücksichtigung der britischen Konventionen und Geschäftspraktiken zu erlernen, vgl.: Del Lungo Comiciotti, Gabriella: „Conduct yourself towards all persons [ ]“, S. 153–174. 166 Eine Notiz auf der ersten Seite eines Briefkopierbuches mit dem Wortlaut „Dies hier hat der Herr Frietrich geschrieben und das hat die Caroline geschrieben“ verweist auf die Anwesenheit einer Tochter Philipp Markus Lichtenbergers im Kontor, vgl.: StALu, WS1, Nr. 18.

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so blieben sie in der Kommunikation doch unsichtbar, da sie mit ihrem Namen im Text nicht vorkamen. Unter den Adressaten und Adressatinnen des Schriftverkehrs lässt sich rund ein Prozent Frauen finden – meist Witwen oder Alleinstehende, die ein Gewerbe von ihren verstorbenen Ehemännern oder Vätern übernommen hatten. Diese Frauen waren teilweise über viele Jahre hinweg Geschäftspartnerinnen von Joh. Hein. Scharpff oder Lichtenberger & Co. Sie waren als kleine Gewerbetreibende (Wirtinnen, Kleinkrämerinnen) in der Region ansässig, wo sie Waren der Speyerer Kaufleute an Endabnehmer oder -abnehmerinnen vertrieben, lassen sich aber auch in handwerklichen Tätigkeiten, wie die Druckerin Dietz in Mannheim,167 oder im Großhandel, wie die Landauer Handeltreibende Madame Feldbausch,168 nachweisen. Die Kommunikation mit diesen Frauen glich – abgesehen von der Anrede – der Korrespondenz mit Männern. Die Frauen wurden dabei durch Benennungen wie ‚Wittib‘ oder ‚Tochter‘ konsequent in Beziehung zu den ehemaligen männlichen Unternehmens- oder Gewerbeinhabern gesetzt. Dies entsprach der Gesetzeslage jener Zeit, da Frauen ohne Weiteres keine Gewerbe betreiben oder Unternehmen gründen konnten – sie wurden meist als Erbinnen zu Unternehmerinnen oder Gewerbetreibenden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten oder das Fortbestehen von Unternehmen in der Familie zu gewährleisten.169 Oft waren dabei Geschäftsbeziehungen mitererbt worden, wie im Falle der Anna Maria Grohe aus Landau, die regelmäßig Tabakfertigprodukte bei Lichtenberger & Co. erstand. Die alleinstehende Frau gab 1834 per Rundschreiben bekannt, das Gewerbe von den Geschwistern ihres verstorbenen Vaters übernommen zu haben, worauf Lichtenberger & Co. erwiderten, dass es sie „freuen“ würde, „die freundschaftlichen und kommerziellen Verhältnisse ferner […] so fortbestehen zu sehen, wie solche seit langen Jahren zu gegenseitiger Zufriedenheit […] obwaltet haben.“170 Der Schriftverkehr mit Frauen erhielt seine besondere Prägung dadurch, dass die männlichen Akteure sie zum einen stetig als Stellvertreterinnen und somit als Ausnahme kennzeichneten. Ihnen wurde eine eigenständige ökonomische Tätigkeit dort zugestanden, wo ein männlicher Versorger fehlte. Dabei äußerten die Kaufleute im Schriftverkehr eine Verpflichtung, das Auskommen stellvertretend für die verstorbenen Männer sicherzustellen. Frauen waren somit zwar Teil der ökonomischen Transaktionen – sie hatten aber einen anderen Status, da sie als ‚zu versorgende‘ galten. Der Geschäftsbrief bildete eine legitime Kommunikationsform vor allem zwischen Kaufleuten und Unternehmern bzw. Unternehmerinnen. Kaufmännische Schreibformen verfügten im alltäglichen Verkehr mit anderen Bevölkerungsgruppen 167 Vgl.: Ebd., Nr. 2. 168 Vgl.: Ebd. 169 Vgl. zur Rolle und den Handlungsspielräumen von Frauen in der Wirtschaft, u. a.: Labouvie, Eva: Frühneuzeitliche Unternehmerinnen, S. 135–161; Schötz, Susanne: Zur Erfolgsgerichte von Putz- und Modewarenhändlerinnen, S. 163–183; Schneider, Michael C.: Wirtschaft und Geschlecht um 1800, S. 331–340; Ventze, Marcus: „Dr. Buchholzin“ und andere Unternehmerinnen im „klassischen Weimar“, S. 341–360; sowie: Schötz, Susanne: Frauen in der Welt des Handels, S. 361–372. 170 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 17, Fol. 2.

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nur über eine eingeschränkte Legitimität. Dies zeigt sich zum Beispiel in Briefen Scharpffs und Lichtenberger an adlige Kunden. In diesen Kommunikationssituationen kombinierten die Schreiber oder Schreiberinnen kaufmännische Formen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Hierarchien mit als angemessen geltenden Höflichkeits- und Kommunikationsformen. Dies zeigt sich bereits in den Anredeformeln: wurde zwischen Wirtschaftsbürgern und einfachen Leuten als vereinheitliche Anrede ein ‚(Sehr) Verehrter Herr‘ als ausreichend angesehen oder mitunter Anreden auch ganz weggelassen,171 so wurden Adlige mit den ihnen zustehenden Titeln angesprochen. So bildete ein „Euer Wohlgebohren“,172 das Lichtenberger & Co. 1817 in einem Brief an den Salinenrat Knorr nutzten, oder ein „Euer Durchlaucht“,173 das dieselben 1835 zur Ansprache des pfälzischen Regierungspräsidenten Fürst von Wrede nutzten, das Minimum. Ebenso variierten die abschließenden Grußformeln. Während es im kaufmännischen Schriftverkehr üblich war zum Schluss des Briefes unter bekannten Geschäftspartnern „freundschaftlich“,174 bei weniger bekannten Akteuren und Akteurinnen „mit Ergebenheit“175 zu grüßen oder „unter Zusicherung der besten Bedienung“176 zu enden, schlossen die Kaufleute die Korrespondenz mit Adligen als „Euer Hochwohlgebohrener ergebener Diener“.177 In der Kommunikation kam es zu Konflikten, wenn das alltägliche kaufmännische Procedere in den Augen von Adligen oder Beamten ein unangemessenes Verhalten darstellte. Hieraus entstand mitunter ein Rechtfertigungszwang für die Kaufleute. Dies zeigt sich in den Schreiben von Lichtenberger & Co. an den Speyerer Friedensrichter Ziegenhain, mit denen sie zwischen September 1817 und März 1818 versuchten, ausstehende Gelder von ihm einzutreiben. In einem ersten Brief im September 1817 baten die Kaufleute im Nachgang eines übersandten Weinangebots um die Zahlung der von einer alten Lieferung noch ausstehenden 140 fl. Da der Friedensrichter der Aufforderung nicht nachkam, erinnerten die Kaufleute Mitte Februar noch einmal höflich an die noch ausstehenden Gelder, da die Zahlung sicherlich nur „in Vergeßenheit gekommen“ sei und baten darum, diese Erinnerung „nicht“ zu „verübeln“.178 Als Ziegenhain seinen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkam, schrieben Lichtenberger & Co. Ende März erneut. Dieser dritte Brief enthielt eine Zahlungsfrist, die auf einige Wochen festgesetzt war. Eine knappe Woche später waren die Gelder zwar eingegangen, das Handelshaus hatte mit seinen mehrfachen Erinnerungen in einem Zeitraum von über einem halben Jahr nach dem ursprünglichen Zahlungstermin bei Ziegenhain aber Unmut hervorgerufen – er fühlte sich offenbar „beleidigt“.179 Die Kaufleute rechtfertigten ihr Verhalten, in dem sie darauf verwie171 172 173 174 175 176 177 178 179

Vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 2, S. 12. StALu, WS1, Nr. 3, Fol. 78 f. Ebd., Nr. 19, Fol. 148 f. Ebd., Nr. 52, Fol. 69. Ebd., Nr. 12, Fol. 436. Ebd., Fol. 1135. Ebd., Nr. 3, Fol. 78 f. Ebd., Nr. 3, Fol. 714. Ebd., Fol. 822.

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sen, dass Ziegenhain ihnen die „Unannehmlichkeiten, Sie so oft daran erinnern zu müßen“ hätte ersparen können, wenn er diesen „Posten der Ordnung gemäs früher abgetragen“ hätte.180 Offenbar führte in diesem Fall das Aufeinandertreffen kaufmännischer Handlungsroutinen auf ein adliges Standesbewusstsein zu einer Auseinandersetzung, da das kontinuierliche Erinnern als unangebrachtes Misstrauen oder Anmaßung gedeutet werden konnte. Dienten spezifische Höflichkeitsformen auch zur Einordnung in gesellschaftliche Hierarchien, so dürfen Grußformeln wie ‚stets zu Ihren Diensten‘ in Briefen nicht über das Selbstbewusstsein und den kommunizierten Anspruch der Kaufleute Scharpff und Lichtenberger hinwegtäuschen, dass alle Akteure und Akteurinnen sich im Kontext ökonomischer Transaktionsprozesse den gleichen Verhaltensnormen und moralischen Ansprüchen unterzuordnen hatten. Dies entsprach in der nachnapoleonischen Zeit auf dem linken Rheinufer auch der Gesetzeslage, der zufolge ständische Privilegien abgeschafft worden waren.181 Der Eingang eines solchen Gleichheitsdenkens in die Selbstdarstellung Lichtenbergers wird in einem Brief an den Regierungspräsidenten von Wrede im Oktober 1839 deutlich, den er aufgrund immer noch ausbleibender Zahlungen an ihn richtete: Ich will hoffen daß [die Annahme Ihrer Anweisung auf Ihr Rentamt] vor dem 15. [dieses Monats] geschieht, und daß bis dahin durch Zahlung Ihre Unterschrift Verehrung gefunden, wenn nicht, so wird Ihr Wechsel protestirt, und ich bin dann wie wohl sehr ungern genöthigt, meine ferneres Benehmen darauf einzuleiten.182

Lichtenberger deutet in diesem Schreiben an, dass er bei Nichtzahlung auch bereit sei, juristische Schritte gegen den Regierungspräsidenten einzuleiten, um seine finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Kurz darauf erhielt Lichtenberger eine Zahlung von Wredes über 4.160 fl. Da dies aber nur den Betrag mit Zinsen bis zum Monat August abdeckte, so sandte er erneut einen Brief, in dem er noch einmal die restlichen Zinsen der vergangenen Wochen, die Unkosten für die Eintreibung der Gelder bei Dritten, über die von Wrede die Auszahlung veranlasst hatte, und das gezahlte Briefporto für die Schreiben an den Adligen mit 59,39 fl. berechnete und die zeitnahe Begleichung dieses Betrages einforderte. In diesen Briefen wird deutlich, dass Lichtenberger keine Hemmungen hatte auch von bayerischen Adligen oder hohen Beamten im Geschäftsverkehr einzufordern, dass sie ihren Verpflichtungen zuverlässig nachkamen. Lediglich was die Geduld anging, in der sich die Kaufleute übten, waren sie gegenüber hohen Adligen, Beamten oder Militärs mitunter nachsichtiger, als mit anderen Warenabnehmern oder -abnehmerinnen. Die Legitimität der kaufmännischen Schreibformen wurde nicht nur durch zuwiderlaufende Schreib- und Kommunikationskonventionen gesellschaftlich hoch angesiedelter Schichten begrenzt, die kaufmännischen Kommunikationsformen verloren auch nach ‚unten‘ ihre Legitimität. Dies aber weniger aufgrund der Schreibformen und damit verbundenen Handlungsroutinen, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass Bauern zum Beispiel gar nicht korrespondierten und ihre 180 Ebd. 181 Vgl.: Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 78. 182 StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 195 f.

3.4 Zwischenfazit: Charakteristika der kaufmännischen Korrespondenz

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Transaktionen stets mündlich abwickelten. Schriftliche Korrespondenz kaufmännischer Prägung ist vor allem in jenen Gewerben nachweisbar, die im Verlauf der Frühen Neuzeit in überregionale Marktprozesse eingebunden waren – wie Schiffern und Schifferinnen, Kleinhändlern oder -händlerinnen, Gastwirten und Gastwirtinnen oder Fuhrleuten.183 Die Abgrenzung der Geschäftskorrespondenz von anderen Formen des Briefeschreibens darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dieser um ein buntes Genre von Briefen handelte, in dem vielfältige Inhalte transportiert wurden und dem Schreiber oder der Schreiberin Raum zur Gestaltung blieb. Die Leistung des Kaufmannes lag darin, die Schreibnormen in Bezug auf seine Anliegen anzuwenden und an die Adressaten oder Adressatin anzupassen.184 3.4 ZWISCHENFAZIT: CHARAKTERISTIKA DER KAUFMÄNNISCHEN KORRESPONDENZ Der Kommunikationsradius der Unternehmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. weist große Ähnlichkeiten auf. Offensichtlich bildete der Großhandel mit pfälzischen Weinen und Tabaken ein Geschäft, mit dem sich die Kaufleute vorrangig deutsche Märkte erschließen konnten. Den augenscheinlichsten Unterschied in der Korrespondenzstatistik bildet die unterschiedliche Frequentierung ihres Umfelds mit Geschäftskorrespondenz: Während Lichtenberger & Co. intensiven Briefverkehr mit vielen Städten des Rheinkreises unterhielten, war dies bei Joh. Hein. Scharpff nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund erscheint Joh. Hein. Scharpff als ein Handelshaus, das vorrangig auf überregionale Märkte ausgerichtet war, während sich Lichtenberger & Co. stärker auf ihr regionales Umfeld fokussierten. Im Fortgang der Studie wird hier die Frage zu stellen sein, wie es zu dieser unterschiedlichen Korrespondenzverteilung kam – ob dies zum Beispiel durch Unterschiede in den Geschäftsfeldern verursacht wurde. Die Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. korrespondierten alltäglich und in hoher Frequenz in viele deutsche Territorien. Der Unternehmensstandort Speyer verfügte durch seine Einbindung in eine Reihe überregionaler Postrouten über eine für den Fernhandel günstige Kommunikationsinfrastruktur und ermöglichte eine zeitnahe Korrespondenz mit vielfältigen Handels- und Gewerbezentren des Deutschen Bundes. Als Ergänzung zum Postnetz, das eine schnelle Kommunikation vor allem zwischen urbanen Zentren ermöglichte, nutzten die Handelshäuser eigene Ressourcen für Reisen, sowie private Boten bzw. Botinnen und Fuhrleute, um Briefe zuzustellen. Hierdurch ließen sich Geld und Zeit einsparen. Die Kombination von öffentlicher Verkehrsinfrastruktur, staatlichen 183 Vgl. zum Beispiel die Nennung von Gastwirten und Schiffern als Briefadressaten in den Registern der Briefkopierbücher: StALu, WS1, Nr. 1–55. 184 Vgl.: Ebd. – Das Lehrbuch „Der Kaufmann wie er seyn soll“ (1815) kennt 16 Formen des Geschäftsbriefes, die aufgrund unterschiedlicher Anlässe geschrieben wurden; vgl. zur Vielfalt der transportierten Inhalte außerdem: Schwanke, Irmgard: den wir haßen die unangenehme Corespondenz , S. 606.

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3 Raum und Praxis der Geschäftskorrespondenz

Posten, privaten Transportdienstleistern und -dienstleisterinnen und eigenen Kutschen, Pferden und Bediensteten bildete die Basis für ein flexibles Agieren. Eine Untersuchung der Geschäftsbriefe von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. als Schreibgenre vor dem Hintergrund einer sich entwickelnden Lehre vom kaufmännischen Geschäftsbrief sowie im Vergleich mit anderen Formen des Briefeschreibens aus dem Unternehmensnachlass verweisen auf eine institutionalisierte, ökonomische Kommunikationsform zwischen Wirtschaftsbürgern des frühen 19. Jahrhunderts, die routiniert genutzt wurde. Die überregionale Anerkennung der hiermit verbundenen Schreibkonventionen bildete eine Grundlage für eine großräumige Interaktion mit einer Vielzahl von Akteuren oder Akteurinnen. Die Reichweite dieser Kommunikationsform blieb allerdings beschränkt – sie wurde vor allem durch überregional agierende Handel- und Gewerbetreibende genutzt. Die gemachten Beobachtungen über das Genre des Geschäftsbriefs sind bei der folgenden, inhaltlichen Analyse der Briefe immer mitzudenken, beeinflussen sie doch den Erkenntniswert der Quellengattung und bilden den Rahmen, in denen sich die Akteure und Akteurinnen bewegen konnten. Doch inwiefern konnte diese Form der Kommunikation die Basis für eine erfolgreiche – das heißt auskömmliche – Geschäftstätigkeit bilden? Bereits die Erkenntnisse zur eingeschränkten Reichweite dieser Briefschreibeform deutet daraufhin, dass die von den Kaufleuten entwickelten Kommunikationsroutinen nicht erlaubten, alle ökonomischen Prozesse auf Märkten über diese Kommunikationsform abzuwickeln. Zudem war diese Kommunikationsform eingebettet in spezifische, sich entwickelnde Handelspraktiken, die zum Beispiel der Dokumentation, Abwicklung und Abrechnung von Transaktionen dienten. Erst durch die Kenntnis und Kombination der sich historisch entwickelnden Handlungs- und Kommunikationsformen, die wiederum an zeitgenössische Wirtschaftskonzepte anknüpften, wurde innerhalb der Wirtschaft ökonomisches Agieren ermöglicht.

4 AKTEURSKONZEPTE IM SCHRIFTVERKEHR Ein Verdienst der Neuzeithistorikerin Adelheid von Saldern in ihrer Studie zu den Schoeller-Häusern ist es, das Wechsel- oder Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen Akteuren und Akteurinnen, den Praktiken des Briefeschreibens sowie der sozialen Umwelt herausgearbeitet zu haben. Für sie diente der Briefverkehr […] der Reaktualisierung, der Konkretisierung, der Individualisierung und der Verbreitung von Normen und Werten. Darüber hinaus fungierten sie [die Briefe, R. L.] […] der Sinngebung geschäftlicher Praktiken sowie der Einübung einer gemeinsamen Sprachregelung als Basis für die stets zu erneuernde Selbstvergewisserung. Die Korrespondenzen schufen einen […] Kommunikationsraum […]. [Beim Briefeschreiben] mussten sich die Verfasser […] die Deutungsmatrix des jeweiligen Empfängers vergegenwärtigen und als gute Geschäftspartner an dem Zustandekommen von möglichen gemeinsamen Sinnstiftungen arbeiten.1

Diese Einschätzung ist anschlussfähig an die vorangestellten theoretischen Überlegungen, in denen Kommunikation im Spannungsverhältnis zwischen Akteuren und Akteurinnen und ihrer Umwelt stattfindet. Eine gemeinschaftliche „Deutungsmatrix“, die in meiner Studie als Institutionensetting gedacht wird, das der Kommunikation zugrunde liegt und in ihr ausgehandelt wird, prägten das Geschäftsschriftgut. Bei der folgenden Analyse wird davon ausgegangen, dass sich Vorstellungen von einer funktionierenden und einer ‚angemessenen‘ Wirtschaftsordnung und vom ‚richtigen‘ Handeln in der schriftlichen Alltagskommunikation der Speyerer Kaufleute niederschlugen.2 Diese Normierung von Handeln innerhalb der Wirtschaft findet sich im Briefverkehr zum einen in der Selbstdarstellung von Akteuren oder Akteurinnen und zum anderen in appellierenden Textelementen, in denen der Schreiber oder die Schreiberin versuchte, den Adressaten oder die Adressatin an ein als Norm kommuniziertes Handlungs- und Kommunikationskonzept zu binden. Innerhalb der Korrespondenz positionierten sich die Speyerer Kaufleute über Selbst- und Fremdbeschreibungen (Kapitel 4.1), kommunizierten Vorstellungen eines ‚angemessenen Handelns‘ auf der Suche nach zuverlässigen Geschäftspartnerschaften (Kapitel 4.2) und reagierten auf als unangemessen angesehenes Handeln mit Sanktionsmaßnahmen. Anhand dieser Selbst- und Fremdbeschreibungen und der Erzählungen über ein ‚richtiges‘ und ‚falsches‘ Handeln wird in der Analyse der Normierung von Kommunikation und Handeln in der Wirtschaft des frühen 19. Jahrhunderts nachgegangen. Und schließlich, nach einem Blick auf die einzelnen Akteure, gehe ich der Frage nach, welcher Platz Organisationen, wie den Handelshäusern Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co., innerhalb der Wirtschaft 1 2

Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 245. Vgl. zum ökonomischen Denken im 18. und 19. Jh. u. a.: Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann; Hein, Dieter: Arbeit, Fleiß und Ordnung; Hodenberg, Christina von: Der Fluch des Geldsacks, sowie: Plumpe, Werner: Die Geburt des ‚Homo oeconomicus‘.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

eingeräumt wurde (Kapitel 4.3.) – ‚eingeräumt‘, da sie für das Selbstverständnis und Wirtschaftsbild der Akteure eine untergeordnete Rolle spielten. 4.1 FREMD- UND SELBSTVERORTUNGEN IN DER WIRTSCHAFT Über die kommunikative Verortung Johann Heinrich Scharpffs und Philipp Markus Lichtenbergers innerhalb der Wirtschaft geben in den Geschäftsbriefen zunächst die überlieferten Akteursbezeichnungen Aufschluss. Diese waren untrennbar mit Bewertungen und kommunizierten Normvorstellungen verbunden, wie sich anhand der Nutzung der Begriffe in den Quellentexten herausarbeiten lässt. Die mit den Akteursbezeichnungen verbundenen Bewertungen wurden nicht immer offen formuliert, schwangen aber stetig mit und beeinflussten Selbstdarstellung und Handeln. Im Folgenden arbeite ich die gängigen Akteursbezeichnungen auf Basis der Quellen heraus und ordne sie unter Rückgriff auf zeitgenössische Lexika und ökonomische Literatur sowie unter Bezugnahme auf bisherige Erkenntnisse der wirtschaftshistorischen Forschung zu Akteurskonzepten ein. So lässt sich danach fragen, inwiefern die Konzepte im kaufmännischen Schriftverkehr zeitgenössische Denktraditionen widerspiegeln und in welchem Verhältnisse die Quellenfunde mit den bisherigen Forschungen – die sich auf andere Quellen, wie Zeitungen und ökonomische Literatur stützen – übereinstimmen oder dieses Bild ergänzen. Als Selbst- und Fremdbezeichnungen ist in den Unternehmensnachlässen eine Reihe von Begriffen überliefert.3 Bezogen auf den erlernten Beruf der Akteure in den Kontoren von Scharpff und Lichtenberger finden sich vorrangig die Bezeichnungen ‚Kaufmann‘ oder ‚Handelsmann‘, die auch juristische Quellen, wie Notariats- und Verwaltungsakten, im Unternehmensnachlass dominieren.4 Als seit Jahrhunderten existierender Berufsstand verfügte der Kaufmann im frühen 19. Jahrhundert über eine institutionalisierte Stellung innerhalb der Wirtschaft, auch wenn Kaufleute bezogen auf ihre Tätigkeiten und ihren sozialen Stand eine stark heterogene Gruppe bildeten.5 Sie verfügten über verstetigte Ausbildungswege, die sich in der neuzeitlichen Geschichte Europas zunehmend in Ausbildungsliteratur und der Wissensweitergabe durch Publikationen niederschlugen.6 Der Kaufmann war ein ökonomischer Akteur, der bis zur Einführung der Gewerbefrei3

4

5 6

Diese Akteursbezeichnungen und -konzepte waren durchweg für Männer ausgelegt und wurden ausschließlich auf diese bezogen. Frauen wurden in diesen Konzepten nicht berücksichtigt und ihre Rolle blieb in der Kommunikation unbestimmt. – Aus diesem Grund entfallen im Folgenden die weiblichen Schreibformen bei der Beschäftigung mit diesen Konzepten. Kaufmann oder Handelsmann ist die gängige Bezeichnung in Verwaltungsakten, Notariatsurkunden, persönlichen Papieren und auch auf Einladungen oder in Schreiben an die Akteure, vgl. u. a.: LASp, K33, Karton 7, Nr. 176 und. 410; K38, Karton 329, Nr. 69; Karton 332, Nr. 132, sowie: LBibSp, N41, Mappe I, 2. Vgl.: North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 25. Zur Erforschung von Kaufmannsbüchern, vgl.: Denzel, Markus A.: Handelspraktiken als wirtschaftshistorische Quellengattung, S. 11–45, Sachse, Wieland: Wirtschaftsliteratur und Kommunikation bis 1800, sowie: Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

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heit in einem Zunftsystem integriert war. Er hatte somit seinen festen Platz innerhalb der Wirtschaft, einhergehend mit einem entsprechenden Standesbewusstsein – auch wenn die Zünfte je nach Stadt und Region unterschiedliche Ausprägungen annahmen.7 Diese formal-institutionell festgeschriebene Position bestand in vielen Regionen des Deutschen Bundes bis weit ins 19. Jahrhundert fort. Der Beruf des Kaufmanns war aufgrund des Zunftzwanges nicht frei zugänglich. Es handelte sich beim ihm um einen Berufsstand, der es ermöglichte Wohlstand zu erlangen. Das spiegelt sich auch in der Geschichte Speyers wieder: In der Kaufmannszunft waren um 1798 ein Großteil der wohlhabenden Bürger der Stadt versammelt.8 In der Pfalz galt seit der französischen Herrschaftszeit die Gewerbefreiheit, so dass der Kaufmannsberuf seine Exklusivität verlor. Die Selbstbezeichnung als Kaufmann blieb bei zunehmender Diversifizierung von Geschäftsfeldern und -tätigkeiten einzelner Akteure und Akteurinnen im 19. Jahrhundert jenseits der Distribution von Waren und Rohstoffen jedoch eine gängige Bezeichnung. Dies verdeutlicht auch die Bezeichnung Heinrich Wilhelm Lichtenbergers (1811–1872), dem ältesten Sohn von Philipp Markus, als „Kaufmann und Gutsbesitzer“9. Und das obwohl er unter anderem beim Aufbau der Ludwigshafener Aktienbrauerei, eines industriellen Großbetriebes, eine führende Rolle spielte10 und rückblickend wohl eher als Industrieller oder als Unternehmer bezeichnet werden würde. Der Kaufmann war seit dem Spätmittelalter Teil der religiös geprägten, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurse darüber, wie eine Wirtschaft funktions- und leistungsfähig sein konnte und wie Akteure und Akteurinnen ihr Handeln darin ausrichten sollten. Dem Wirtschaftshistoriker Alexander Engel zufolge nahmen Akteure und Akteurinnen in dem frühneuzeitlichen Schriftgut eine weit zentralere Rolle für die Erklärung oder das Verständnis ökonomischer Prozesse ein als in den wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen des 21. Jahrhunderts, da das „ökonomische Denken der Vormoderne […] primär akteursbezogen“11 war: Abstrakte ökonomische Mechanismen wie das Gesetz von Angebot und Nachfrage wurden als Nebenbedingungen ökonomischen Handelns aufgefasst, sie waren als Erfahrungswissen gegeben und galten nicht selbst als erklärungswürdig.12

Dem Kaufmann als zentralem Akteur der distributiven Sphäre, der als Vermittler zwischen Produzenten oder Produzentinnen und Konsumenten bzw. Konsumentinnen fungierte, wurde hierbei eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Engel beschreibt auf Basis seiner Studien ökonomischer Literatur einen langen Prozess der Normierung von Handeln, aus dem sich im Verlauf der Neuzeit ein Idealtypus eines kaufmännischen Habitus entwickelte, der in den Kontoren erlernt und weitergegeben werden sollte. Dieser Idealtypus war pfadabhängig, aber durchaus wan7 8 9 10 11 12

Vgl. zur Position von Kaufleuten im Kontext zünftiger Strukturen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, z. B.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 125–128. Vgl.: Müller, Jürgen: Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität, S. 162–168. Vgl.: LASp, H3, Nr. 2114. Vgl. zur bisher unerforschten Aktienbrauerei, vgl. die Quellenbestände im Stadtarchiv Ludwigshafen: StALu, WS15 und ZR I_2330. Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann, S. 149. Ebd.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

delbar. Dabei vollzog sich das „Nachdenken über ökonomisches Handeln […] im Spannungsfeld zweier Pole“:13 Auf der einen Seite stand das Ziel einer „funktionierenden Wirtschaft zur Befriedigung der materiellen Grundbedürfnisse“, um den Staat und die Bevölkerung zu unterhalten. Auf der anderen Seite stand die „Notwendigkeit einer religiös und gesellschaftlich verträglichen Lebensführung der ökonomischen Akteure“14 – also ein moralischer Anspruch an ökonomisches Handeln im Kontext zeitgenössischer Wertvorstellungen. In diesem Prozess der Normierung entwickelte sich das Bild eines „ehrbaren Kaufmanns“15 als Idealvorstellung, der unter Berücksichtigung der Interessen aller oder zumindest der seiner Geschäftspartner und -partnerinnen nach einem moderaten, fairen Gewinn streben sollte.16 Das verbreitete Ideal des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ hat, so lässt sich annehmen, dazu beigetragen, dass die Selbstbezeichnung ‚Kaufmann‘ bis weit ins 19. Jahrhundert auch in Regionen mit liberaler Wirtschaftsverfassung attraktiv blieb und erst allmählich durch andere Akteursbezeichnungen abgelöst wurde. Auf eine Rezeption des Konzepts eines „ehrbaren Kaufmanns“ durch die Kaufleute der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger verweist in der Geschäftskorrespondenz die explizite Abgrenzung von „Speculant[en]“17. Der Spekulant wurde durch seine Handelstätigkeit zwar als dem Kaufmann in seiner Funktion nahe stehend angesehen, da er dem Handelsgeschäft aber ausschließlich zur Bereicherung nachging – durch die Spekulation auf steigende Preise mit dem Ziel der Gewinnmaximierung beim Verkauf – wurden seine Geschäfte als inkompatibel mit dem Konzept eines angemessen handelnden Akteurs kommuniziert, der Rücksicht auf das Allgemeinwohl nehmen sollte. Im Fall Philipp Markus Lichtenbergers ist neben dem Kaufmann in den Briefkopierbüchern auch der Begriff des (Tabaks-)Fabrikanten18 überliefert, der auf seine Tätigkeit als Warenproduzent verweist.19 Dieser Begriff bezog sich im frühen 19. Jahrhundert auf die Besitzer größerer, zentralisierter Verarbeitungsstätten.20 Mit der seltenen Nutzung des Fabrikantenbegriffs und der stetigen Selbstbezeichnung als Kaufmann stellte Lichtenberger jedoch nicht die Produktion, sondern den Handel kommunikativ in den Mittelpunkt seiner Tätigkeiten. Im Schriftverkehr von Lichtenberger & Co. findet sich zudem ein Begriff, der über die Charakterisierung des Akteurs durch ein bestimmtes Geschäftsfeld (Handel oder Warenverarbeitung) hinausweist. So ist bereits der Begriff des „Entrepreneur“21 in den Korrespondenzen vereinzelt zu finden. Philipp Markus 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Ebd. Ebd. Ebd., S. 139. Vgl.: Ebd., S. 145–156. StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 166. Vgl.: LASp, H1, Nr. 1831 sowie LBibSp, N41, Mappe II, 10. Vgl.: Für Johann Heinrich Scharpff ließ sich eine Bezeichnung als Fabrikant in den Quellen bisher nicht nachweisen, auch wenn belegt ist, dass es selbst zeitweise in der Tabakproduktion tätig war, vgl.: StALu, WS1, Nr. 22. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 28 f. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 660.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

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Lichtenberger wurde 1823 als Betreiber eines Krahns am Speyerer Rheinhafen als Entrepreneur bezeichnet. So schrieben Lichtenberger & Co. an den regional ansässigen Advokaten Haas, der ihre Interessen in juristischen Auseinandersetzungen vertrat: In der ersten Hälfte des Jahres 1817 hat das Kreis Gericht in Landau, gegen den Herrn Philipp Lichtenberger als Beständer des hiesigen Krahnens ausgesprochen, daß niemand gehalten seyn sollte, Krahnengeld von irgend etwas zu bezahlen, womit der Krahnen nicht berührt wird, und es ist hierdurch der Entrepreneur in seiner Revenue um ein bedeutendes verkürzt worden.22

Das Zitat enthält Elemente einer funktionalen Unternehmerdefinition, wie sie auch heute noch in der Unternehmensgeschichte diskutiert wird: Der Unternehmer als eine Person, der die ökonomische Initiative ergreift und, aufgrund vorheriger Gewinnannahmen, in ein Projekt investiert. Er nimmt ein ökonomisches Risiko (in diesem Fall durch den Aufbau und die Unterhaltung eines Hafenkrans) auf sich, um daraus Profit zu erwirtschaften.23 Der Gebrauch des Begriffs Entrepreneur durch das Handelshaus Lichtenberger war durchaus zeitgemäß. So hat der Wirtschaftshistoriker Stefan Gorißen unlängst herausgearbeitet, dass seine Verwendung um 1730 einsetzte – mit dem „Essay sur la nature du commerce en général“ des Ökonomen Richard Cantillon.24 Im 18. Jahrhundert fand er Eingang in die ökonomische Literatur Frankreichs und wurde dabei zunächst auf ganz unterschiedliche Akteure bezogen, wie den agrarischen Pächter, Kaufleute oder Manufakturbesitzer und nahm erst allmählich die moderne Bedeutung an. Der Begriff wurde im deutschsprachigen Raum in der Folge übernommen, wie sich anhand von Lexikonartikeln gegen Ende des 18. Jahrhunderts nachweisen lässt. Er wurde zum Vorläufer des Unternehmerbegriffs, der bereits in Übersetzungen des 1807 durch Napoleon erlassenen Code de Commerce genutzt wurde, sich aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im allgemeinen Sprachgebrauch etablieren konnte.25 Eine weitere Bezeichnung, die häufiger in den Korrespondenzen von Lichtenberger & Co. zu finden ist, ist die des „Capitalist[en]“.26 Dieser diente vorrangig

22 23 24 25

26

Ebd., Fol. 660 f. Vgl. als Einleitung in verschiedene, bis heute in der Unternehmensgeschichte nachwirkende Definitionsansätze: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 31–41. Gorißen, Stefan: Vorindustrielle Unternehmer?, S. 40. Vgl.: Ebd., S. 41, sowie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 29. Adelheid von Saldern schreibt über die Nutzung des Unternehmerbegriffs im frühen 19. Jahrhundert: „In Abgrenzung zum Inhaber eines einfachen Handwerksbetriebes oder kleinen Geschäftes fand der Begriff des Unternehmers dann Verwendung, wenn dessen Etablissement ein bestimmtes Ausmaß an räumlicher Konzentration sowie an vertikaler Integration von Einkauf, Produktion und marktorientiertem Absatz auswies. Hinzu kam die Möglichkeit zum Abschluss freier Arbeitsverträge und zu Entscheidungen größerer Art, wie Fabrik-Neugründungen und sonstige Kapitalinvestitionen, die die einheitliche Leitung des Unternehmens durch den Eigentümer oder seines Stellvertreters – auf der Basis eines sich vergrößernden Anlagekapitals- erforderlich machte.“ Diese Nutzung des Begriffs konnte im Fall Scharpff und Lichtenbergers allerdings nicht nachgewiesen werden. StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 97.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

zur Abgrenzung. Im August 1839 schrieb Lichtenberger an Carl Theodor von Wrede,27 den Regierungspräsidenten des Rheinkreises28: Euer Durchlaucht haben mir […] die Versicherung gegeben, daß ich bey Ihrer Zurückkunft fl. 2.000 empfange, und daß ich den Rest meiner Forderung in diesem Monat erhalten solle. Da Ersteres nun nicht in Erfüllung gegangen, so will ich der Hoffnung Raum geben, daß ich mit Ablauf dieses Monats mein ganzes Guthaben […] erhalte, denn ich brauche mein Geld und kann ohnmöglich mehr länger warten. Wenn Euer Durchlaucht bedenken, daß ich kein Capitalist bin, und daß ich vielmehr zum Betrieb meines ausgedehnten Geschäfts fremde theure Gelder verwenden muß, so wird mein dringendes Gesuch um so mehr Entschuldigung finden als ich jetzt beym Einkauf von Landesprodukten sehr bedeutende Zahlungen zu machen habe.29

Diesem Schreiben vorausgegangen war ein Kredit über mehrere tausend Gulden, den Philipp Markus Lichtenberger von Wrede gewährt hatte. Da von Wrede Lichtenberger mit der Rückzahlung des Darlehens bis Oktober 1839 hinhielt, während dieser ihn vermehrt schriftlich darum bat und ihn schließlich zu verklagen drohte, liegen einige Briefe vor, in denen Lichtenberger versuchte zu vermitteln, warum er auf seine Gelder fristgerecht angewiesen war. Lichtenberger grenzt sich dazu im zitierten Schreiben vom Kapitalisten ab. Dabei wurde dieser Begriff auf eine durchaus zeitgenössische Weise genutzt. Ein „Universal-Lexikon der Handelswissenschaft“ aus dem Jahr 1837 definiert entsprechend: Capitalist ist der Besitzer von Capitalien, und der gewöhnliche Sprachgebrauch versteht häufig den Rentier darunter, der blos von den Zinsen seiner Capitalien lebt, ohne sich selbst Unternehmergewinn oder Arbeitslohn zu verschaffen.30

Der Kapitalist wird über sein umfangreiches Vermögen charakterisiert. Seine ökonomische Tätigkeit besteht im Verleihen von Geld gegen Zinsen.31 Lichtenberger unterstellt den Kapitalisten dabei offenbar einen Reichtum, der es ihnen erlaubt, ihr Geld beliebig lange zu verleihen, ohne dass ein Ausbleiben von Zins- und Rückzahlungen sie übermäßig schädigen würde. Dem gegenüber stellt er sich als unternehmerisch Tätiger dar. Er verfügt zwar auch über eigene Kapitalien, betont aber, dass sein verfügbares Geld nur die notwendige Basis bildet, um sein „Geschäft“32 betreiben zu können. Die Begrenztheit seiner Mittel verlange dabei im Verhältnis zu seinen ausgedehnten, ökonomischen Aktivitäten, dass er über sein 27 28 29 30 31

32

Zur Biografie Carl Theodor von Wredes, siehe: Imhoff, Andreas: Die Inspektionsreigen der pfälzischen Regierungspräsidenten 1830–1848, S. XVIII. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 97. Ebd. Schiebe, August (Hg.): Universal-Lexikon der Handelswissenschaft, S. 308. Dieser Engführung des Kapitalistenbegriffs stand in der ökonomischen Literatur des frühen 19. Jahrhunderts aber bereits ein durchaus weitreichender Kapitalbegriff entgegen. Als Kapital wurden in Lexika vielfältige Besitztümer, wie Geld, Landbesitz, Häuser und Gerätschaften ebenso wie „geistige und sittliche Eigenschaften“ genannt. Im Vordergrund stand dabei allerdings der „Vorrath beweglicher, äußerer Güter, den der Inhaber nicht verzehren, sondern erhalten und nutzbar anwenden will.“ Darauf aufbauend konnten die Entrepreneure aufgrund ihrer eigenen Investitionen in Geschäfte durchaus als Kapitalisten eingeordnet werden, was aber der Selbstdarstellung der Speyerer Kaufleute in ihrer Außenkommunikation zuwidergelaufen wäre, vgl.: Ebd. StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 97.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

115

Kapital fristgerecht verfügen könne. Seine „Unternehmungen“33 benötigten Planbarkeit, da er zu bestimmten Zeiten Investitionen vornehmen oder seinen eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen müsse. Die Vorstellungen Lichtenbergers findet seine Entsprechung ebenfalls im „Universal-Lexikon der Handelswissenschaft“ aus dem Jahr 1837. Hier wird das Kapital für den Handel zum „Oel, was seine Räder befeuchtet“, „seinen Credit“ begründet, „seine Waarenlager“ stiftet, „seine Frachten […] bezahlt“ und es „ihm möglich [macht], zur gelegensten Zeit und an den besten Orten zu kaufen und zu verkaufen.“34 Im ökonomischen Schriftverkehr aus den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers stand der Kapitalist dem „Banquier“35, dessen Geschäftsbasis ebenfalls vorrangig (monetäres) Kapital bildete, näher, als dem unternehmerisch Tätigen. Als Bankiers bezeichnet wurden vorrangig die Inhaber der Bankhäuser Ladenburg aus Mannheim sowie Goll und Metzler aus Frankfurt, da diese eine zentrale Funktion für die pfälzischen Kaufleute im Bereich von Finanzdienstleistungen erfüllten. Das frühe 19. Jahrhundert bildet innerhalb der Bankengeschichte eine Phase, in der das Banksystem aus Perspektive der Industrialisierungsforschung noch als defizitär und wenig leistungsfähig für die Entwicklung der Wirtschaft im Vergleich zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts eingeschätzt wird. Banken waren vorrangig Privatbanken mit unterschiedlichem geschäftlichem Zuschnitt. Die Privatbankiers waren oft vor dem Aufbau ihrer Banken selbst als Kaufleute tätig oder gingen parallel zu ihren Finanzgeschäften Handelsgeschäften nach. Zudem organisierten Kaufleute viele Finanzdienstleistungen in Eigenregie.36 Die Grenzen zwischen Handelshäusern und frühen Banken blieben damit sehr unscharf.37 Dies äußerte sich allerdings nicht in der geschäftlichen Kommunikation der Speyerer Kaufleute, in der der Begriff des Bankiers zwar wenig präsent war, aber seine Verwendung ganz eindeutig zur Abgrenzung zu als Kaufleuten definierten Akteuren fand. Die Quellen bestätigen hier das Bild einer Übergangsphase, in der der Kaufmann mehr einen Sammelbegriff für Händler und Dienstleister bildete, während der des Bankiers genutzt wurde, um eine kleine Gruppe von auf Finanzgeschäfte spezialisierter Häuser herauszustellen. Der Begriff des Bankiers bezeichnete dabei Akteure, deren ökonomische Profession Finanzgeschäfte darstellten, während der Kapitalist abstrakter blieb, keine berufliche Zuschreibung beinhaltete und vorrangig zur Bezeichnung von Rentiers oder Privatleuten verwendet wurde. Die kommunikative Abgrenzung der Speyerer Kaufleute von Kapitalisten, Spekulanten und von Bankiers, und die stetige Betonung der eigenen Arbeit verweisen auf einen gesellschaftlichen Diskurs, den die Historikerin Christina von Hodenberg in ihrem Aufsatz „Der Fluch des Geldsacks“38 am Beispiel der Auseinandersetzung 33 34 35 36 37 38

Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 788. Schiebe, August (Hg.): Universal-Lexikon der Handelswissenschaft, S. 308. StALu, WS1, Nr. 8, Fol. 946. Vgl. Kapitel 5.4. Vgl. zur frühen Bankgeschichte, die allgemein noch immer nur defizitär erforscht ist: Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806–1848). Hodenberg, Christina von: Der Fluch des Geldsacks.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

der bürgerlichen Presse mit sozialen Unruhen und reichen (Früh-)Industriellen analysiert hat. Sie geht dabei der Frage nach, wie individuelles, möglicherweise ‚egoistisches‘ Gewinnstreben diskutiert wurde und urteilt: Man hat sich daran gewöhnt, die bürgerliche Welt als eine kapitalistisch wirtschaftende und an ökonomischen Zielen orientierte zu verstehen. Gleichwohl war es an ihrem Anfang nicht der Wirtschaftsbürger, der […] das Ideal der Lebensführung abgab, sondern […] der Bildungsbürger. Und obwohl die Zahl der erfolgreichen Unternehmer und der vermögenden Erben das ganze 19. Jahrhundert hindurch wuchs, blieb der Reichtum eine Herausforderung an die Bürgerlichkeit. Besitz war zwar eine […] Bedingung bürgerlicher Existenz. Doch Reichtümer anzuhäufen und zu zeigen, war zunächst durchaus nicht selbstverständlich; […] Im frühen 19. Jahrhundert grenzte sich das entstehende Bürgertum noch betont von verderblicher Gewinnsucht und jeglicher Geldaristokratie ab. […] Zurückgezogen auf ‚goldne Mittelmäßigkeit‘ und ‚mäßigen Wohlstand‘ als Lebensideal, bekrittelte der mehr oder weniger gutsituierte Bürger profitorientiertes Wirtschaften und satten Lebensgenuß.39

Von Hodenberg deutet mit ihrem Aufsatz auf einen Topos hin, der sich auch im Schriftverkehr der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger in der Betonung ihrer eigenen Arbeit und der Reinvestition ihrer Mittel widerspiegelt. Diese Betonung ist im Kontext der seit der Frühen Neuzeit aufkommenden Diskussion über Eigennutz und den Erwerbstrieb des Einzelnen zu sehen. Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Werner Plumpe, der kursorisch ökonomische Schriften der Frühen Neuzeit auf Akteurskonzepte hin untersucht und dabei die ideengeschichtliche Entwicklung hin zu einem neoklassischen ‚Homo oeconomicus‘ nachvollzogen hat, konnte herausarbeiten, dass der Erwerbstrieb bereits im 18. Jahrhundert nicht grundsätzlich abgelehnt wurde. Er sieht den auf Basis seines Erwerbstriebs wirtschaftenden ‚Homo oeconomicus‘ als ein Kind dieses Jahrhunderts: Die Geschichte des Homo oeconomicus ist die Geschichte der Lehre, wie man es unter den Bedingungen des 18. Jahrhunderts glaubte schaffen zu können, ein ehrlicher Mann zu bleiben. Ein sündenfreies, gläubiges, an der Hauswirtschaft ausgerichtetes Leben reichte hierzu angesichts des eingetretenen Strukturwandels nicht mehr aus. Man musste mit seiner Zeit und seinem Geld kalkulieren und mit den Gesetzen des Marktes rechnen!40

Der Erwerbstrieb wurde dazu innerhalb der ökonomischen Literatur in ein moralisches Handlungsmodell eingebettet. Erfolg wurde in der Wirtschaft zwar bereits in Geld gemessen41 – dem materiellen Gewinnstreben wurden aber institutionelle Grenzen gesetzt. Das individuelle Erwerbsstreben sollte an einen „vernünftigen Gebrauch“ gebunden und somit mit einem „vernünftigen Leben“ vereinbar sein.42 Hierbei spielte die Rezeption und Kommunikation bürgerlicher Werte, als informelle Institutionen, die Handeln strukturieren sollten, eine wichtige Rolle. Die Vorstellung vom maßvollen Wirtschaften zum Wohle der Allgemeinheit findet sich im Schriftverkehr Scharpffs und Lichtenbergers am Rande bereits im oben rekonstruierten Kapitalistenbild. Deutlicher wird es in einem Schreiben von Joh. Hein. Scharpff an einen Geschäftspartner in Frankfurt 1817, in dem der Schrei39 40 41 42

Ebd., S. 79. Plumpe, Werner: Die Geburt des „Homo oeconomicus“, S. 345. Vgl.: Ebd., S. 338. Ebd., S. 344.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

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ber angab, sie seien „gewohnt“ ihre „Freunde bey einem mäsigen Nutzen, redlich zu bedienen“.43 Steht diese Vorstellung auf den ersten Blick einem Spannungsverhältnis zu späteren Vorstellungen, dass individuelles Gewinnstreben der Wohlstandssteigerung aller dienen könnte, so ist dies jedoch nur oberflächlich der Fall. Bittschreiben der Unternehmer Scharpff und Lichtenberger um Privilegien in Verwaltungsakten der bayerischen Regierung zeigen, dass der Aufbau und die Fortentwicklung von Unternehmen auch in diesem Setting als förderlich für das Allgemeinwohl kommuniziert werden konnten.44 Zentral ist in der Kaufmannskorrespondenz jedoch die Vorstellung, dass monetärer Erfolg nicht als Selbstzweck gelten durfte, sondern der Umsetzung von ökonomischen Aktivitäten dienen sollte, die der Existenzsicherung der im Unternehmen agierenden Akteure und Akteurinnen ebenso wie der Förderung des allgemeinen Wohlstandes durch die Belebung der Wirtschaft dienen sollten.45 Das kommunizierte Ideal war das eines temperierten Erwerbstriebes, der beschränkt wurde durch moralische Vorstellungen – die „Denkfigur des vernünftigen Bürgers […], dessen Nützlichkeit für sich, für die Familie und die Gesellschaft außer Frage und im Einklang miteinander stehen sollte“.46 Die Kaufleute in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers kommunizierten daher in der Alltagskorrespondenz weniger einen Anspruch auf Reichtum oder Wachstum, sondern vielmehr einen Anspruch auf eine angemessene Existenz für sich und ihre Geschäftspartner und -partnerinnen.47 Akteursbezeichnungen, wie die des Kaufmanns, des Bankiers oder des Kapitalisten bildeten somit auf der einen Seite eine funktionelle Verortung innerhalb der Wirtschaft, da durch sie ein Schwerpunkt in den jeweiligen ökonomischen Aktivitäten nach außen kommuniziert wurde. Auf der anderen Seite waren diese Begriffe nicht wertfrei verwendbar, da den damit benannten Akteursgruppen ein spezifisches Agieren zugeschrieben wurde, das im Kontext des rezipierten informellen Institutionensettings positiv oder negativ konnotiert war. Sie dienten daher, unabhängig von der eigenen Geschäftstätigkeit, auch oder sogar in besonderem Maße der Selbstdarstellung und Verortung nach außen. Neben den Kapitalisten und Spekulanten bildeten die „Juden“48 im Schriftverkehr eine Akteursgruppe, gegen die sich die Kaufleute in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers in Geschäftsbriefen abgrenzen.49 Es handelt sich hierbei um die einzigen Akteure, die nicht aufgrund ihrer ökonomischen Tätigkeit bezeichnet wurden. Der Begriff wurde fast ausschließlich im Briefverkehr mit externen, nichtjüdi43 44 45 46 47 48 49

StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 273 f. Vgl.: Ebd., M15, P. 135 f.: Schreiben von Joh. Hein. Scharpff jr. in der Rheinschanze an Ludwig I. von Bayern von 1837, mit der Bitte um Privilegierung der Rheinschanze als Freihafen. Vgl. zur Entstehung des neoklassischen, noch immer nachwirkenden Konzept des „Homo Oeconomicus“ seit der Frühen Neuzeit, vgl.: Plumpe, Werner: Die Geburt des „Homo oeconomicus“. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 303. Vgl. zu der Thematisierung eines moderaten Gewinns und der Betreibung von Geschäften zur Sicherung des Auskommens aller Beteiligten auch die Quellenanalysen in Kapitel 5.3.2. StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 286–288. Vgl. hierzu auch: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 307.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

schen Geschäftspartnern oder -partnerinnen genutzt und die damit bezeichneten Akteure wurden fast nie beim Namen genannt, so dass meist unklar bleiben muss, wer genau gemeint war. Deutlich wird aus den Schreiben jedoch, dass als Juden vorrangig ökonomisch erfolgreiche Akteure im Bereich des Handels und der Finanzdienstleistungen betitelt wurden, die der jüdischen Religionsgemeinschaft zugeordnet wurden. Überwiegend wurde der Begriff auf Kaufleute und Bankiers aus Mannheim bezogen, die ebenfalls im Handel von Tabak tätig waren.50 Ist die Selbstbeschreibung der Kaufleute Scharpff und Lichtenberger in Übereinstimmung mit dem Konzept des ‚ehrbaren Kaufmannes‘ anschlussfähig an bisherige Studien zu ökonomischen Akteurskonzepten in vor- und frühindustrieller Zeit, die sich meist auf die Erforschung von Lexika oder ökonomischer Literatur bezogen,51 so bleibt der Umgang und die Beschreibung der ‚Juden‘ als ökonomischen Akteuren in der Forschung bisher wenig thematisiert. Den als Juden bezeichneten Personen wurde im Schriftverkehr jedoch besondere Charakteristika im Geschäftsgebaren zugeschrieben. Das Bild in den Quellen bleibt dabei ambivalent: Wurden die Juden auf der einen Seite als ernstzunehmende Konkurrenz angesehen – aufgrund ihrer Kapitalausstattung und ihrer Kenntnisse des Tabaks- und Geldmarktes, so wurde ihnen auf der anderen Seite vorgeworfen, im Kontext des informellen Institutionensettings nicht angemessen zu handeln. 1820 schrieb Johann Heinrich Scharpff an seinen langjährigen Kölner Geschäftspartner im Tabakhandel, Peter Joseph Bogen:52 Ich bin fest überzeugt, daß Ihnen kein anderes Haus schönere Waare liefern wird, im Gegentheil, ich bin sogar aus Erfahrung gewis, daß Sie die Qualitaet der Farbe und reele Verpackung bey keinem der Mannheimer Juden finden werden.53

Und beim Versandt einer Tabakprobe ebenfalls an Bogen in Köln schrieben Lichtenberger & Co. im März 1830: Wir haben […] daher von den feinsten Gewächsen 2 Büschel in ein Bällchen verpackt, die wir Ihnen als Muster mit erster Schiffsgelegenheit zugehen laßen, welcher Tabak zu f. 9 à 10 von den Juden gekauft wird.54

Die Hinweise auf die jüdischen Kaufleute nutzten die Kaufleute hier zur Bekräftigung, dass es sich bei den von ihnen gehandelten Tabaken um hochwertige und preiswürdige Waren handelte, wie sie auch die Juden, als versierte Händler, einkaufen und nicht besser liefern könnten. 50

51 52 53 54

Vgl. zu der ökonomischen Stellung von Juden und Jüdinnen in Mannheim, die u. a. einen Großteil der Kaufleute und Bankiers der Stadt stellten: Bayer, Tilde: Minderheiten im städtischen Raum, S. 29–38, sowie zu jüdischen Akteuren und Akteurinnen in der pfälzischen Wirtschaft unter Berücksichtigung des Handels und der Tabakbranche, vgl.: Swiaczny, Frank: Die Juden in der Pfalz. Vgl. u. a.: Plumpe, Werner: Die Geburt des Homo oeconomicus, sowie: Gorißen, Stefan: Vorindustrielle Unternehmer, S. 40–42. Vgl. zum Kaufmann und Tabakfabrikanten Peter Joseph Bogen, u. a.: Almanach du commerce de Paris (1820), S. 68. StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 286–288. Ebd., Nr. 14, Fol. 629.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

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Auf die Juden wurden zudem in Berichten über die Preisverhältnisse auf den regionalen Tabakmärkten verwiesen, denen beim Aufkauf der regionalen Blättertabake eine gewichtige Rolle zugeschrieben wurde. So schrieben Lichtenberger & Co. beispielsweise im Sommer 1828 in die Rheinschanze: Unser gestriges Schreiben bestätigend, müßen wir Ihnen sagen daß gestern wieder ein Hause Juden um Raps in unserer Gegend herum gelaufen ist, die überall wieder f. 10 gebothen haben. Wiewohl wir glauben daß nur Manovres sind die weiter nichts bewirken als den ordentlichen Gang des Handels aufzuhalten und den Preis des alten Samens und Oels noch eine Zeitlang zu halten, so macht es doch wieder Aufschub für uns, um so mehr als der Jude Seeligmann mehrere Parthien Raps, wahrscheinlich für Hardhausen zu f. 10,10, 12 od. 24 kr. gekauft hat, welcher Raps, wahrscheinlich für einen Manheimer, nach Rheingönheim geliefert wird.55

Im Februar 1831 schrieben sie in ähnlicher Weise an ihren Kölner Handelspartner Peter Joseph Bogen: Seit 8 à 10 Tagen ging es im Tabackseinkauf sehr hitzig zu […]. Beynahe alle gute Pfeiffenguths Orte sind leer und in Schifferstadt wurde in letzter Zeit von Mannheimer Juden sehr viel in den Preisen von f. 11 bis f. 12 mit Trinkgeld gekauft, so daß einige Parthien selbst auf f. 13 zu stehen kommen.56

Im Schriftverkehr kam es regelmäßig vor, dass hohe Preise oder leer gekaufte Märkte als von Juden verursacht thematisiert wurden. Preistreiberei und ‚raffgieriges‘ Aufkaufen der Rohstoffe – womöglich noch zu Spekulationszwecken – wurde auf diesem Wege als unsoziales und abzulehnendes Handeln charakterisiert. Die sprachliche Stigmatisierung jüdischer Konkurrenten unter Bezugnahme auf gängige Vorurteile, wurde von den Kaufleuten von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zur Abgrenzung und damit zur positiven Selbstdarstellung genutzt. Zu offen judenfeindlichen Äußerungen kam es in der Geschäftskorrespondenz allerdings nicht. Doch allein die Bezeichnung der Kaufleute und Bankiers als Juden, ihre damit einhergehende Separierung von den restlichen Akteuren und Akteurinnen sowie das Misstrauen, welches ihnen entgegen gebracht wurde, deuten auf die Rezeption von oder Anknüpfung an antijüdisches Gedankengut hin.57 Im Kontext der langen Geschichte des Antijudaismus und Antisemitismus bildete das frühe 19. Jahrhundert eine Zeit, in der Hetze und Vorbehalte gegenüber Juden in der Bevölkerung der deutschen Territorien durchaus präsent waren. Der

55 56 57

Vgl.: Ebd., Nr. 13, Fol. 229. Ebd., Nr. 15, Fol. 396. Im folgenden Textabschnitt wird der Begriff des ‚Antisemitismus‘, ein Neologismus des späten 19. Jahrhunderts, als Beschreibung der gegen Juden gerichteten Bewegungen und des entsprechenden Gedankengutes bewusst vermieden. Stattdessen werden die Begriffe der ‚Judenfeindschaft‘ und des ‚Antijudaismus‘ verwendet. Beide Begriffe, der Antisemitismus ebenso wieder meist stärker auf religiösen Motiven beruhende Antijudaismus werden unterschiedlich definiert und sind nicht unumstritten. Historisch wird das frühe 19. Jahrhundert innerhalb der Antisemitismusforschung jedoch als Übergangszeit von einem vor allem auf religiösen Motiven beruhenden Antijudaismus hin zu einem säkularen, später völkisch-rassistischen Antisemitismus angesehen, vgl. hierzu: Salzborn, Samuel: Antisemitismus, S. 11–15, sowie: Bergmann, Werner / Wyrwa, Ulrich: Antisemitismus in Zentraleuropa, S. 1–8.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

bereits vorangeschrittene Auflösungsprozess der ständischen Gesellschaft und der allmähliche Übergang zu einer liberalen Wirtschaftsordnung bildeten tiefgreifende Wandlungsprozesse, in denen unter anderem die Stellung der Juden innerhalb der Gesellschaft neu verhandelt wurde. Dies führte im Zentraleuropa auf der einen Seite zur Herausbildung verschiedener Bewegungen, die sich literarisch, politisch oder in Form von gewaltsamen Aktionen gegen Juden stellten – auf der anderen Seite etablierten sich aber auch auf Toleranz oder Gleichstellung bedachte Bewegungen im Kontext der Aufklärung und des aufkommenden Liberalismus. Der Soziologe Werner Bergmann und der Neuzeithistoriker Ulrich Wyrwa betonen in ihrem Einführungswerk zur Geschichte des Antisemitismus in Zentraleuropa, dass es besonders in der Spätphase der französischen Vorherrschaft in den deutschen Territorien bis in die frühen Jahre des Deutschen Bundes in politischen und literarischen Kreisen zu antijüdischer Stimmungsmache kam. In öffentlichen Hetzschriften, wie der Replik „Die Juden“ des preußischen Juristen Christian Ludwig Paalzow (1753–1824), wurde Juden unter anderem vorgeworfen „durch ihre Stellung in Handel und Gewerbe die Wirtschaft zu dominieren, die Christen zu versklaven und die Weltherrschaft anzustreben“.58 Im Jahr 1819 kam es mit den ‚Hep hep‘-Unruhen schließlich zu einer Welle von gewalttätigen Ausschreitungen, die viele deutsche Staaten erfasste. Die Unruhen drangen bis in die Umgebung der Speyerer Handelshäuser vor, wie die Städte Karlsruhe, Heidelberg sowie in die Handelsstadt Frankfurt am Main.59 Die jüdische Bevölkerung war in der durch eine ständische Gesellschaft strukturierten Wirtschaft des Mittelalters und der Frühen Neuzeit vorrangig in Tätigkeiten des lange Zeit am Rande der Ökonomie stehenden (Geld-)Handels abgedrängt worden, da sie von der Landwirtschaft und dem Handwerk weitgehend ausgeschlossen blieb. Der Erfolg einiger Juden im Bereich des Handels, besonders im Kontext der neuzeitlichen Umstrukturierungen, in denen zum Beispiel der Handel mit Edelmetallen und Luxusgütern einen Bedeutungszuwachs erhielt, ließ bereits seit dem Hochmittelalter Stimmen lautwerden, welche Juden als unlautere Akteure diffamierten.60 Das von den Speyerer Kaufleuten unterschwellig geäußerte Misstrauen gegenüber den als jüdisch betitelten Akteuren spiegelt somit ein Unbehagen gegenüber ökonomisch erfolgreichen Akteuren wider, das im frühen 19. Jahrhundert auf eine lange Tradition zurückblicken konnte. Eine Büchersendung, die Philipp Markus Lichtenberger im Jahre 1828 von der Rheinschanze zukam, belegt, dass er persönlich auch mit radikal-antijüdischen Hetzschriften in Kontakt kam: Von (Bad) Cannstadt (Stuttgart) kamen ihm zwei Bände des „Judenspiegels“61 von Hartwig Hundt-Radowsky zu – eine Hetzschrift, die nach den antijüdischen ‚Hep-Hep‘-Unruhen entstanden war. Hundt-Radowsky propagierte darin das Ziel der physischen Vernichtung aller Juden. Das Buch wurde im gleichen Jahr aufgrund seiner Radikalität im Königreich Bayern sowie in ande58 59 60 61

Ebd., S. 18. Vgl.: Ebd., S. 16–23. Vgl.: Ebd., S. 11. StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 414 f.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

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ren deutschen Staaten verboten. Der Erwerb der Schrift war somit illegal und wirft die Frage auf, aus welchem Grund Lichtenberger sich diese Bücher beschaffte.62 Die Bezeichnung Dritter als Juden und das Misstrauen, dass ihnen gegenüber kommuniziert wurde, stehen im Fall von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. enge und langjährige Geschäftsbeziehungen mit jüdischen Bankiers, wie dem Bankhaus W. H. Ladenburg & Söhne in Mannheim, entgegen. Die Bankiers des Hauses Ladenburg nahmen innerhalb der Geschäftstätigkeit bei der Koordination von Finanzflüssen und der Bereitstellung von Kapitalien eine zentrale Stellung ein. Das Bankhaus war besonders deshalb wichtig, da es innerhalb der linksrheinischen Pfalz an vergleichbaren Organisationen mangelte.63 Innerhalb der Briefkopierbücher stellt sich die Geschäftsverbindung als eine durch sachlichen Brief- und intensiven Kapitalverkehr charakterisierte Geschäftsverbindung dar, die sich nicht von den Beziehungen zu anderen Bankhäusern oder engen Geschäftspartnern oder -partnerinnen unterschied. Die Kaufleute aus Speyerer gaben sich loyal. So schrieb Johann Heinrich Scharpff nach der jährlichen Jahresabrechnung, der zu Folge er den Ladenburgs 9.887,09 fl. schuldete, im Januar 1822: „So viel bei mir steht, will ich bemüht sein, unsere Geschäftsverbindung in diesem Jahre, so viel wie möglich lebhaft zu erhalten […].“64 Und die Speyerer Kaufleute konnten auch bei anderen Gelegenheiten auf großzügige Kredite des Bankhauses zurückgreifen.65 Die durch die Ladenburgs koordinierten Finanzflüsse umfassten jährlich Summen von mehreren tausend bis zehntausenden Gulden. Bei ihnen deponierten Scharpff und Lichtenberger auch große Mengen ihrer Gelder, um später über sie zu verfügen.66 Durch die häufige Anwesenheit von Kaufleuten aus den Häusern Scharpffs und Lichtenbergers in Mannheim und die Abwicklung von Bargeldtransfers bestand ein persönlicher Kontakt zu dem Bankhaus.67 Das Akteurskonzept des ‚raffgierigen Juden‘ spielte in der Interaktion mit jüdischen Akteuren oder Akteurinnen selbst vordergründig keine Rolle. Aber wie wurden die hier dargestellten Akteurskonzepte ausgehandelt und legitimiert? Bei der Beschäftigung mit informellen Institutionen stellt sich die wirtschaftshistorische Forschung seit längerem die Frage, inwieweit diese im 19. Jahrhundert religiös begründet wurden. Generell spielt die Frage nach der Rolle von Religion für die Wirtschaftenden der Neuzeit ein viel diskutiertes Themenfeld in der Geschichtswissenschaft.68 Diese Frage stellt sich insbesondere, da die hier untersuchten Kaufleute der protestantischen Gemeinde Speyers angehörten. „Religi62 63 64 65 66 67 68

Vgl. zum Werk und zu Biografie von Hundt-Radowsky: Fasel, Peter: Revolte und Judenmord. Vgl. zur Bedeutung der Mannheimer Banken für die Pfalz: Pohl, Manfred: Die Entwicklung des deutschen Bankwesens, S. 170. StALu, WS1, Nr. 51, Fol. 154 f. Im August 1820 hatte J. H. Scharpff fl. 11.947,12 kr. Schulden bei Ladenburg, vgl.: Ebd., Nr. 48, Fol. 466 f. Im Juni 1839 konnten Lichtenberger & Co. beispielsweise über ein Guthaben von 13.070,40 fl. bei Ladenburg verfügen, vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 63. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 144, sowie: Nr. 48, Fol. 139. Zu denken ist hier an die anhaltende Debatte über Max Webers ‚Protestantische Ethik‘. Vgl. auch die laufenden Forschungsprojekte von Martin Lutz (HU Berlin) unter dem Arbeitstitel „Die Täufer in der modernen Marktwirtschaft. Mennoniten, Amish und Hutterer in den USA

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

öse Deutungsmuster“69 könnten ihre Lebensführung und ihre Erwartungshaltungen gegenüber ihrer sozialen Umwelt strukturiert und beeinflusst haben. In den untersuchten Quellen, ebenso wie in den von Adelheid von Saldern untersuchten Geschäftskorrespondenzen der Schoeller-Häuser70 bilden Bezugnahmen auf das Christentum jedoch absolute Ausnahmen. Lediglich in der Überlieferung Johann Heinrich Scharpffs ließen sich vereinzelte Religionsbezüge finden – diese bleiben jedoch äußerst abstrakt und floskelhaft. So sind beispielsweise Frachtbriefe überliefert, die vor 1800 mit „im Nahmen und Geleit Gottes“ begonnen wurden.71 Mag der Verweis auf Gott auch grundsätzlich auf eine gewisse Religiosität hinweisen, so wurde diese im Schriftverkehr aber in keiner Weise konkretisiert. Zur gleichen Zeit sind auch Papiere überliefert, die auf einen solchen Gottesbezug verzichten. Dieser Verzicht setzte sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhundert durch. Religion, so lässt sich in Anbetracht der beiden Unternehmensnachlässe festhalten, bildete in den alltäglichen Geschäftsunterlagen keine Grundlage, vor deren Hintergrund Akteurskonzepte verhandelt wurden. Adelheid von Saldern kommt auf Basis ihrer Analyse von Unternehmerbriefen zu der Einschätzung, dass die Kaufleute um 1800 über eine „zunehmend säkulare Weltinterpretation“ verfügten und die Familie in diesem Kontext zum „zentralen Ort des Lebenssinns“ avancierte.72 In den untersuchten Korrespondenzen von Scharpff und Lichtenberger wurde das Thema Familie jedoch ebenfalls, wie das Thema Religion, nur in Ausnahmefällen zum Gegenstand der Kommunikation. Verwandte wurden zwar in ökonomischen Zusammenhängen gelegentlich als Familienangehörige kenntlich gemacht, doch beschränkte sich dies im Briefverkehr auf wenige, nahverwandte und kaufmännisch tätige Männer.73 Zudem wurde nie die Qualität oder Bedeutung dieser Familienbeziehungen für die Wirtschaftenden thematisiert. Selbst die Geschäftskorrespondenz zwischen eng verwandten und oft kooperierenden Personen und ihren Handelshäusern glich den Schreiben an andere Geschäftspartner oder -partnerinnen in ihren Inhalten, ihrer Sachlichkeit und ihren Formulierungen.74 Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Kaufleute in Unternehmen eingebunden waren, in denen der Schriftverkehr von unterschiedlichen Akteuren oder Akteurinnen bearbeitet wurde. Familiäre Bindungen – oder ein „Verwandtschaftsnetzwerk“, wie Adelheid von Saldern es im Fall der Schoellers rekonstruiert und als in seiner Bedeutung „für den Erhalt und den Ausbau ökonomischer Beziehungen […] für die vorindustrielle Kaufmannschaft“75 als kaum zu überschätzen ansieht – spielten im Fall Scharpffs

69 70 71 72 73 74 75

seit der Industrialisierung.“ oder die Arbeiten von Frank Konersmann (Universität Bielefeld) zu menonitischen Bauernkaufleuten in der Frühen Neuzeit. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 310. Vgl.: Ebd., S. 310 f. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe II,6. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 310 f. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 173, 364 und 444. Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 876: Schreiben von Lichtenberger & Co. in Speyer, Philipp Markus Lichtenbergers Handelshaus, an Lichtenberger & Co. in Mannheim, Ludwig Lichtenbergers Handelshaus. Vgl.: Gorißen, Stefan: Der Preis des Vertrauens, S. 98.

4.1 Fremd- und Selbstverortungen in der Wirtschaft

123

und Lichtenbergers nur eine untergeordnete Rolle. Geschäftliche Kommunikation im familiären Kreis lässt sich nur in begrenztem Maß nachweisen. Lediglich zwischen Johann Heinrich Scharpff und seinen Schwiegersöhnen Ludwig Heinrich Schlegel und Philipp Markus sowie zwischen Lichtenberger und seinen zwei Brüdern sowie seinem zweitgeborenen Sohn und Unternehmensnachfolger Heinrich Wilhelm lässt sich zeitweise eine regelmäßigere Korrespondenz und damit eine vermehrte, ökonomische Interaktion nachweisen. Bei dieser kleinen Gruppe familiär verbundener Akteure ergibt sich jedoch im Zeitverlauf eher ein Bild des Zerfalls, da einige dieser Beziehungen durch Konflikte unterbrochen wurden oder durch das Sterben eines Akteurs ihr Ende fanden, während über Heinrich Wilhelm hinaus aus der nachwachsenden Generation der Lichtenberger-Familie bis 1840 keine neuen Korrespondenzpartner hinzukamen. Die abseits der Briefkopierbücher überlieferten, stärker als privat zu charakterisierenden Schreiben im familiären Kreis zeigen hingegen, dass die Beziehungen zwischen Scharpff und seinen Schwiegersöhnen ebenso wie zwischen den Brüdern Lichtenberger Solidarität bewirken und in hohem Maße Unterstützung generieren konnten – dies zeigt sich zum Beispiel bei der Insolvenz Ludwig Heinrich Schlegels in den 1820er Jahren, in der Johann Heinrich Scharpff seinen Schwiegersohn finanziell mit umfangreichen Krediten unterstützte, Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger mit ihm beratschlagende Korrespondenz austauschten, ihm zur Flucht ins badische Mannheim und zu einer neuen Anstellung und schließlich zur Leitung ihres Handelshauses in der Rheinschanze verhalfen – und ihm so eine neue ökonomische Perspektive eröffneten.76 Doch die familiären Beziehungen waren auf der anderen Seite auch fragil. So ist ein erstaunlich privates Schreiben zwischen Philipp Markus und Ludwig Lichtenberger in den Briefkopierbüchern überliefert, das dies eindrücklich belegt. Die beiden Brüder, die beide eigene Handelshäuser und Manufakturen in der Tabakbranche unterhielten, waren schon länger auf Distanz zueinander gegangen – was sich unter anderem in der Abwesenheit von Geschäftskorrespondenz äußerte. 1839 kam es zu Erbstreitigkeiten, da Ludwig höhere Ansprüche an die Verlassenschaft der Mutter auf gerichtlichem Wege erstreiten wollte, als ihm aufgrund des Testaments zustanden. Dies gelang ihm jedoch nicht.77 Im Anschluss an das juristische Verfahren versuchte er, diese Gelder dennoch von seinem Bruder einzufordern. In dieser Situation schrieb Philipp Markus einen langen Brief an Ludwig, in dem er seiner Enttäuschung Ausdruck verlieh. Er verwies darin auf die Richtigkeit seiner Bücher, die vor Jahren in Ludwigs Anwesenheit abgeschlossen worden seien und auf einen Schein, auf dem Ludwig per Unterschrift bestätigt habe, dass all seine Geldansprüche an Lichtenberger & Co. beglichen worden seien. Ansprüche an die verstorben Eltern hätte Ludwig zu deren Lebzeiten anmelden müssen und könne sie nun nicht von seinem älteren Bruder einfordern. In dem Brief griff Philipp Markus im Anschluss noch weiter aus. Vor Jahren habe er seinem Bruder, als dieser „von Creuznach weggeschickt“78 worden sei, ein 76 77 78

Vgl.: LBibSp, N41, Mappe Vgl.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 715. Ebd., Fol. 733.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

„brüderliches untentgeltliches Unterkommen“ gewährt, „in dem ich blos meine baaren Auslagen, die ich für Sie machte seiner Zeit reclamirte“.79 Darüber hinaus habe er Ludwig gestattet, seine Handelswaren als Reisender gegen Provision zu verkaufen und ihm damit ein Einkommen ermöglicht. Philipp Markus beendet den Brief mit vielmaligen Grüßen – ließ seinem Unmut dann aber in einem Nachtrag noch einen größeren Raum, der in der indirekten Anschuldigung gipfelte, Ludwig habe sich unehrenhaft verhalten und er dürfe daher auf keine Unterstützung mehr von Seiten seiner Familie hoffen: Ich habe wissentlich keinen Menschen betrogen, noch vielweniger will ich die Meinigen zu Ihrem Nachtheil bereichern. Man kann unverschuldeter Weise unglücklich werden, allein ein Mann von Ehre, wird in solcher Lage, derselbe bleiben, wenn er von den Seinigen geachtet, und im Unglück Unterstützung finden will – und damit Punctum!!!80

Familie als Solidaritätsgemeinschaft, so wird in diesem Schreiben deutlich, wurde gebunden an das Verhalten Einzelner – selbst bei engen Verwandtschaftsgraden. Verantwortlich fühlte sich Philipp Markus nur, sofern sich seine Verwandten ihm gegenüber ehrenhaft verhielten. Akteursbezeichnungen im kaufmännischen Schriftverkehr, so konnte dieses Kapitel zeigen, bilden nicht nur funktionale Begriffe, die ökonomische Tätigkeiten widerspiegeln. Sie verweisen viel mehr auf den Einfluss und die Rezeption von Handlungsnormen, als informellen Institutionen. Akteure und Akteurinnen nahmen auf bestimmte Begriffe und Vorstellungen Bezug, um ihre eigenen Aktivitäten zu legitimieren. Die Akteurskonzepte unterlagen einer moralischen Hierarchisierung. Ihre Nutzung im Schriftverkehr verweist auf eine kommunikative Selbstverortung der Kaufleute als ‚ehrbare Kaufleute‘ – und damit auf das Idealbild eines unternehmerisch tätigen Akteurs des frühen 19. Jahrhunderts. Der Bezug auf dieses sich im Laufe der Neuzeit herausgebildete Idealbild eines moralisch angemessen handelnden Akteurs ermöglichte es gerade im Kontext einer sich wandelnden Wirtschaftsstruktur und vor dem Hintergrund der Diversifizierung der eigenen ökonomischen Aktivitäten, ein legitimes Selbstbild nach außen zu kommunizieren. Das Akteursbild des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ besaß eine enorme Bindekraft – auch noch für die folgenden Unternehmergenerationen. Fremdbezeichnungen, wie Kapitalist, Bankier, Spekulant oder Jude dienten zur Abgrenzung gegen als weniger ‚wertvoll‘ angesehenen Tätigkeiten oder fragwürdigem Geschäftsgebaren. Der Entrepreneur, als Akteur der potenziell diversen ökonomischen Aktivitäten nachgehen kann, hatte in diesem kommunikativen Feld noch keinen Platz gefunden und blieb als Begriff innerhalb der Kommunikation rar. All diese Akteurskonzepte wurden im Briefverkehr nicht konkretisiert und nicht hinterfragt – sie wurden als allgemein anerkannt vorausgesetzt und stießen auch auf keinerlei Kritik. Die Vagheit der Konzepte in der Kommunikation könnte dieser allgemeinen Anerkennung dienlich gewesen sein, erleichterte es doch einer Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen ver79 80

Ebd. Ebd., Fol. 732–734. – Allein die dreifachen Ausrufezeichen am Ende dieses Satzes deuten auf die Emotionalität des Schreibers hin, fanden Ausrufezeichen in der normalen Korrespondenz doch kaum Verwendung.

4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften

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schiedener kultureller Hintergründe, auf Basis gemeinsamer Vorstellungen zu interagieren. 4.2 ÖKONOMISCHE AUSTAUSCHBEZIEHUNGEN ALS FREUNDSCHAFTEN Neben der Vielfalt von Akteursbezeichnungen fällt in den Quellen die stetige Nutzung des Begriffs des ‚Freundschaft‘ ins Auge. Auf den ersten Blick wirkt der Begriff in der Kaufmannskorrespondenz befremdlich – vor dem Hintergrund der mitunter romantischen Überhöhung und Idealisierung inniger Freundschaftsverhältnisse in Literatur und in privatem Briefverkehr des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.81 Der Begriff des Freundes bezog sich in den Geschäftsbriefen der Speyerer Kaufleute vorrangig auf Akteure, mit denen erfolgreiche Geschäftsabschlüsse, Waren- und Informationstransfers in der Vergangenheit durchgeführt worden waren.82 Dass der Begriff auf keine enge, soziale Bindung verweisen musste, das zeigt sich in einem der überlieferten Geschäftsbücher, einem „Tabac-Sconto“, in dem um 1811 eine Tabellenspalte mit dem Wort „Freund“ überschrieben wurde, in der Abnehmer und Abnehmerinnen für Waren in der Ferne aufgelistet wurden.83 Doch die Nutzung des Wortes im ökonomischen Schriftverkehr könnte, blickt man zurück auf das häufig als ‚Jahrhundert der Freundschaft‘ titulierte 18. Jahrhundert, als eine bewusste Metapher genutzt worden sein, um ein angemessenes, zuverlässiges Verhalten einzufordern. Gilt Freundschaft in der Geschichtswissenschaft auch als historisch wandelbares und schwer fassbares Konzept, so hat die Erforschung von (moral)philosophischen Traktaten, Briefverkehr und Literatur der Neuzeit doch gewisse Denktraditionen offengelegt.84 Für die Literaturwissenschaftler Wolfram Mauser und Barbara Becker-Cantarino war >Freundschaft< […] eine der bestimmenden sozialethischen Kategorien des 18. Jahrhunderts. Traditionen der antiken und der christlichen Morallehre lebten ebenso in ihr weiter wie naturrechtliches, verhaltenstheoretisches, sozialhygienisches und politisches Denken.85

Freundschaft betonte eine Beziehung zwischen zwei Personen, ganz im Sinne der mit dem Zerfall der ständischen Gesellschaftsordnung sowie der Philosophie der Aufklärung einhergehenden Individualisierungsdiskurse und dem Rückzug ins Private – besonders auch in der Zeit der Restauration und des Biedermeiers. Freundschaft war somit eine exklusive Kategorie. Sie bildete im Rahmen moralphiloso81 82

83 84 85

Vgl. zum Schreiben privater Briefe im 19. Jahrhundert: Schlaffer, Hannelore: Glück und Ende des privaten Briefes. Vgl. zur Nutzung des Begriffs in verschiedenen Kontexten u. a. für Lichtenberger & Co.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 54, 196, 274, 312 f. und 800; Nr. 10, Fol. 165–168; Nr. 14, Fol. 43–45, 793–795, 971 und 973, oder für Joh. Hein. Scharpff: Ebd., Nr. 37, Fol. 274, 417, 463, 471 f., 843, sowie: Nr. 55, Fol. 17, 20, 45, 116 und 557. Ebd., Nr. 117. Vgl.: Meyer-Krentler, Eckhardt: Freundschaft im 18. Jahrhundert. Mauser, Wolfram / Becker-Cantarino, Barbara (Hg.): Frauenfreundschaft – Männerfreundschaft, S. VII.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

phischer und gesellschaftlicher Modellbildungen der Neuzeit neben einer Empfindungskategorie immer auch eine Handlungskategorie. Dabei konnte Zweckorientiertheit ein Teil von Freundschaft sein, auch wenn dieser Aspekt im Verlauf des 18. Jahrhunderts in der Literatur häufig – unter Betonung der emotionalen Bindung – in den Hintergrund gerückt wurde. So bildeten Dichterbünde oder Beziehungen von Autoren zu Verlegern, die häufig als Freundschaften kommuniziert wurden, auch oder sogar vorrangig professionelle Zusammenschlüsse. Das Konzept der Freundschaft konnte in kritischen Situationen als Leitvorstellung für ein gemeinsames Agieren genutzt werden. Freundschaft blieb dabei insofern immer etwas Privates, da sie nicht justiziabel, nicht einklagbar war.86 Im Schriftverkehr von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. bezieht sich der Begriff der Freundschaft vordergründig auf Kaufleute und Gewerbetreibende, mit denen mehrfach interagiert wurde.87 Im Kontext seiner Studie ökonomischer Literatur der Frühen Neuzeit hat Alexander Engel betont, dass im 18. Jahrhundert besonders die „peer group“88 der Handeltreibenden eine zentrale Stellung für ein ehrbares Handeln einnahm. Ein verantwortungsvolles Handeln sollte sich an den konkreten Interaktionspartnern oder -partnerinnen ausrichten und dabei im besonderen Maße auf die eigene Berufsgruppe beziehen. Kaufleute und Unternehmer oder Unternehmerinnen sollten bei Geschäften darauf achten, dass sie im Sinne der gesamten Handeltreibenden agierten – indem sie beispielsweise die Marktbedingungen nicht durch das unverhältnismäßige Absenken von Preisen zum Nachteil ihrer ‚Kollegen‘ oder ‚Kolleginnen‘ veränderten.89 Sieht der Neuzeithistoriker Stefan-Ludwig Hoffmann im Freundschaftsdiskurs des 19. Jahrhunderts eine zentrale Funktion der Zivilisierung (von Männern) im gesellschaftlichen Umgang miteinander,90 so erfüllte die Betonung der Freundschaft in ökonomischen Prozessen eine ähnliche Funktion – indem sie einem Konkurrenzverhältnis ein Bild entgegensetzte, das zu einem gemeinsamen Agieren anhalten sollte. Im Briefverkehr von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. wurde eine Eigenschaft stetig thematisiert, die als zentral für den Aufbau von Kooperationen oder für die Interaktion von Akteuren oder Akteurinnen angesehen wurde – die „Solidität“.91 Dieser Begriff lässt sich vor allem dann finden, wenn im Schriftverkehr Informationen über Dritte weitergegeben wurden.92 Die Beurteilung der Soli86 87

88 89 90 91 92

Vgl.: Meyer-Krentler, Eckhardt: Freundschaft im 18. Jahrhundert, S. 6–19. Bisher konnten keine Quellen gefunden werden, in denen Unternehmerinnen oder weibliche Gewerbetreibende explizit als Freunde oder Freundinnen bezeichnet wurden – stattdessen wurden ihre verstorbenen Ehemänner oder männlichen Verwandten, in deren Fußstapfen sie häufig traten, mit diesem Begriff bezeichnet. Hieraus erwuchs für die Frau ein gewisses Erbe in Form einer überdauernden Loyalität der Interaktionspartner ihrer verstorbenen Ehemänner oder männlichen Verwandten. Die Erwartungshaltungen an die Akteurin glichen in der Folge zum Großteil jenen, die die Kaufleute ihren männlichen Freunden gegenüber im Geschäftsverkehr kommunizierten. Vgl.: Engel: Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann, S. 153. Vgl.: Ebd., S. 153. Vgl.: Hofmann, Stefan-Ludwig: Unter Männern. StALu, WS1, Nr. 51, Fol. 372. Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 21, Fol. 761.

4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften

127

dität eines Akteurs oder einer Akteurin diente dazu, (potenzielle) Geschäftspartner oder -partnerinnen einzuschätzen und damit Risiken einzugrenzen. Solidität wurde gemessen an dem materiellen Vermögen (und dem Vermögen enger Verwandter wie den Eltern oder der (zukünftigen) Ehefrau) und der bisherigen Zuverlässigkeit und dem Geschäftsgebaren eines Akteurs oder einer Akteurin bei vergangenen Transaktionen. Die Einschätzungen in den Antwortschreiben der Kaufleute beschränkten sich meist auf wenige Informationen zur finanziellen Basis und/oder dem Ruf des Akteurs oder der Akteurin. Mitunter gaben die Kaufleute aber auch detaillierte Auskünfte über Immobilienbesitz, die berufliche Tätigkeit oder das Gewerbe der Person, die Vermögensbestände und die bisherige Geschäftstätigkeit.93 Eine Bitte um Auskunft war dabei oft verbunden mit der Frage, in welcher Höhe man dem Akteur oder der Akteurin Gelder „anvertrauen“94 könne. 1839 sandten Lichtenberger & Co. auf eine solche Anfrage beispielsweise die Auskunft nach Mainz, dass ein angefragter „F. L.“ ein „Kürschnergeschäft“ besäße, das er mit Thätigkeit betreibt. Er ist als ein solider und braver junger Mann bekannt, und wir glauben, ohne deßen Verhältniße näher erfahren zu können, das man demselben […] eine Summe von f. 150 bis f. 300 wohl ruhig anvertrauen darf.95

Die Solidität eines Gewerbetreibenden wurde – mit der Nennung eines Kreditrahmens – für die zukünftige Interaktion in eine ökonomische Währung übertragen. Damit wurde ein ökonomischer Akteur berechenbar gemacht. Die Gewährung von Kredit wurde über den Begriff der Solidität zudem an ein Bündel von Bedingungen geknüpft, die auch sein Verhalten gegenüber anderen beinhaltete – worauf sich das „brav“ im obigen Zitat bezog.96 Die Entwicklung einer ‚Freundschaft‘, als verlässlicher, ökonomischer Austauschbeziehung, wird im kaufmännischen Schriftverkehr der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in die Verantwortung eines jeden Einzelnen gelegt, der sich durch sein regelkonformes Verhalten und die Berücksichtigung der Interessen des Anderen bewähren musste. Grundlegend für diese überdauernde Beziehung wurde die ökonomische Leistung gesehen, die Qualität und Quantität von Dienstleistungen und gelieferten Waren. Waren Freunde jene, die bisher die Erwartungen an ein regelkonformes Handeln erfüllt hatten, so wurde ein reibungsloser und stetiger Verkehr auch für die Zukunft erwartet. Ein guter Ablauf von Geschäften, so der kommunizierte Anspruch, verpflichtete zur zukünftigen Pflege des Kontaktes. Etablierte Geschäftspartner oder Geschäftspartnerinnen sollten „freundschaftliche Sorge“97 für das Wohlergehen des oder der Anderen tragen – zum Beispiel durch die Eintreibung finanzieller Forderungen oder durch eine unentgeltliche Informationsbeschaffung. Freunden gegenüber wurde der Anspruch erhoben, dass sie die Handelshäuser Scharpffs und Lichtenbergers mit Tabak- und Weineinkäufen

93 94 95 96 97

Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 630; Nr. 14, Fol. 467 f. und Nr. 52, Fol. 108. Ebd., Nr. 21, Fol. 761. Ebd., Fol. 467 f. Vgl. zur Weitergabe von Informationen über Dritte innerhalb der Wirtschaft Kapitel 5.1.3. StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 836 f.

128

4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

„nicht umgehen“98 würden. Diese waren im Gegenzug „mit Vergnügen“99 „zu jedem Gegendienst bereit“100, gaben vor das „Interesse“ ihrer Freunde „wie […] [ihr] eigenes“101 zu berücksichtigen, einander „nützlich“102 zu sein und „bescheidenen Gebrauch“103 von ihnen gegeben Auskünften zu machen – also Diskretion zu wahren. Sie äußerten „Bedauern“,104 wenn sie Angebote von ihren Freunden nicht wahrnehmen konnten. Freunde halfen einander, in dem sie neue Geschäftsbeziehungen vermittelten und füreinander ein gutes Wort einlegten.105 Ausbleibende Interaktionen über längere Zeiträume mussten kommunikativ begründet werden, um die Beziehung nicht zu gefährden. Joh. Hein. Scharpff schrieb im August 1822 beispielsweise an das Frankfurter Bankhaus Goll: Die seitherige, traurige Conjunctur für den Handel hat leider viele Verbindungen in Stokung gebracht und zu meinem Bedauern war dieses auch bei der Unsrigen der Fall – indeßen wünsche ich, daß eine günstige Periode eintretten möge um unsere Briefwechsel wieder recht lebhaft und zu gegenseitigen Nutzen zu erheben.106

Diese Äußerung steht stellvertretend für weitere Fälle, in denen über ausbleibende Finanz- und Warenflüsse Bedauern kommuniziert wurde. Als Gründe wurden hierbei äußere Umstände angegeben – und damit unterstrichen, dass der Wille zur Kooperation weiterhin bestand. Freundschaft beinhaltete auch Nachsicht und die Suche nach Kompromissen, sofern Geschäfte mal nicht reibungslos verliefen. So schrieben Lichtenberger & Co. beispielsweise im März 1824 an Joh. Nepomuk Schmetterer seel. Erben in München, für die ein Herr Siry in Speyer einen Ballen Tabak eingekauft hatte: Ihre werthe Zuschrift […] beantwortend scheint uns der ganze Differenz bey den mehr erwähnten Tabacksendung von Ihrer Seite auf ein Mißverständniß zu beruhen, sowie es von Seiten des Herr Siry nur ein versehen seyn kann, wenn er Ihnen die Sache nicht ganz klar und offen vorgestellt hat. Unserer wiederholten Antwort auf die Frage, warum wir Ihnen soviel geschikt haben, beschrenken wir darauf daß der versandt mit dem Gutheißen des Herr Siry bewerkstelligt worden und daß von einem bestimmten Quantum nicht die Rede gewesen, sondern blos gesagt war daß das Bällchen von der geringsten schwere seyn solle wie wir sie gewöhnlich machen laßen. Dieses alles kann Ihnen der Herr Siry bekräftigen. Da er aber uns ein zu guter Freund ist als daß wir nun Gericht gegen ihn anstellen möchten so genehmigen wir Ihren Vorschlag mit dem ersten Vertrauen daß Sie denjenigen Theil der Waare den Sie nicht acceptiren für unsere Rechnung Commissions-Weise realisieren und uns soviel wie möglich von Schaden zu bewahren trachten werden.107

In diesem Brief betonten Lichtenberger & Co. einerseits ihr Vertrauen zu ihrem ‚Freund‘, einem Herr Siry, der offenbar für seinen Auftraggeber zu viel Ware einge98 99 100 101 102 103 104 105 106 107

Ebd., Fol. 138. Ebd., Fol. 591. Ebd., Nr. 42, Fol. 767 f. Ebd., Nr. 55, Fol. 373 f. Ebd., Nr. 7, Fol. 98. Ebd., Nr. 21, Fol. 761. Ebd., Fol. 345 f. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 89, sowie: Nr. 14, Fol. 751 f. Ebd., Nr. 52, Fol. 82 f. Ebd., Nr. 10, Fol. 54.

4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften

129

kauft hatte, indem sie ihm keinen Vorsatz unterstellten. Statt ihn für den enstandenen Schaden haftbar zu machen, suchten sie mit dem Warenabnehmer einen Kompromiss im Sinne aller Parteien. Den Schmettererschen Erben gewährte man hierfür das Vertrauen, dass sie die Kaufleute Lichtenberger aufgrund ihrer Freundschaft zu Siry „vor Schaden bewahren“108 würden. Geschäftspartnerschaften als Freundschaften wurden in der Kaufmannskorrespondenz als moralische Kategorie dadurch unterstrichen, dass die Beziehung zwischen zwei Parteien trotz der konventionell verordneten Sachlichkeit sprachlich emotional aufgeladen wurde. 1817 schrieb Johann Heinrich Scharpff an einen Geschäftspartner nach Bayern, er würde dessen Aufträge schon so lange „entbehren“ und nähme sich nun „die Freyheit“ sich und seine Waren in „freundschaftliche Andenken zurückzurufen“, „in der Hoffnung“, dass es zu neuen Aufträgen käme.109 Bitten der Speyerer Kaufleute, sie „gütig“ in „geneigtem Andenken“ zu halten, fanden sich häufig im Schriftverkehr.110 Geschäftspartner oder -partnerinnen sollten sie mit Aufträgen „beehren“.111 Warenlieferungen von guter Qualität sollten beim Käufer oder der Käuferin „Beyfall“112 finden. Ein achtungsvoller Umgang unter Geschäftsfreunden beinhaltete auf sprachlicher Ebene die Beachtung zeitgenössischer Höflichkeitsformen. Höflichkeitsverhalten wird in den Sozialwissenschaften als „kultur-, schichten- und geschlechtsspezifisch sowie als zeit- und situationsgebunden“113 angesehen. Die im Schriftverkehr auffindbaren Höflichkeitsformen stehen im Kontext einer Kulturgeschichte der Kommunikation und der Umgangsformen. Sie waren „Selbstrepräsentationen“ und dokumentierten „die Achtung und Beachtung der sozialen Position des Adressaten“.114 In der Beherrschung von situativ angepassten Höflichkeitsformeln spiegelt sich soziale und kulturelle Kompetenz des Briefschreibers oder der Briefschreiberin wider, die es ihm oder ihr ermöglichte, seine oder ihre Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsgruppe zu demonstrieren. Mit Höflichkeitsformen konnte Hochachtung dem Adressaten gegenüber ausgedrückt werden, auch wenn Konflikte auftraten. Fehlende Höflichkeit konnte negativ gedeutet werden und Folgen für die zukünftige Interaktion haben.115 Höflichkeitsformen zeigen sich in den Quellen nicht nur in besonderen Grußformeln, die auf soziale Hierarchien Bezug nahmen. Vielmehr waren Geschäftsbriefe auch zwischen sozial gleichgestellten Kaufleuten stetig durchzogen von Höflichkeitsfloskeln. In Briefen, die Johann Heinrich Scharpff nach Bayern schrieb, hatte er „die Ehre“116, auf „schätzbare“,117

108 109 110 111 112 113 114 115 116 117

Ebd., Nr. 7, Fol. 54. Ebd., Nr. 42, Fol. 91. Ebd., Fol. 591. Ebd., Fol. 138. Ebd., Fol. 138. Beetz, Manfred: Die höfliche Antwort in der vormodernen Konversationskultur. Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 276. Vgl.: Ebd., S. 276 f. StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 583 oder Nr. 40, Fol. 571. Ebd., Nr. 40, Fol. 110 f.

130

4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

„werthe“118 Briefe zu antworten, nahm die „gütigen Aufträge“119 der Geschäftspartner oder -partnerinnen entgegen, zeigte „ergebenst“120 Waren- und Finanztransfers an, schrieb „dankbar“121 eingehende Gelder gut, entschuldigte sich für mögliche Zumutungen oder Inanspruchnahmen durch ihn122 und verblieb „ergebenst“123 oder „stets zu Ihren Diensten“.124 Inwieweit die Höflichkeitsformen und kommunizierten Idealvorstellungen in den Geschäftsbriefen von den Vorstellungen eines ‚Gentleman-Tradesman‘ im angelsächsischen Bereich abwichen, wäre in weitergehenden Studien noch zu untersuchen. Auffällig ist jedoch im Vergleich zu den Studien der Sprachwissenschaftlerin Gabriella Del Lungo Comiciotti, dass die Formulierungen oft nahezu wortwörtlich in englischen Geschäftsbriefen zu finden sind, wie es in den Briefen Scharpffs und Lichtenbergers im Deutschen der Fall ist. In ihren Funktionen dürften diese Sprachkonventionen große Ähnlichkeiten aufgewiesen haben.125 Neben dem Begriff der Freundschaft findet sich in den Briefkopierbüchern, wenn auch viel seltener, der Begriff des Vertrauens als Basis dieser Freundschaft.126 Die Feststellung, dass ‚vertrauen‘ ein zeitgenössischer Begriff des frühen 19. Jahrhunderts war, deckt sich mit den Erkenntnissen einer der führenden Vertreterinnen der Emotionsgeschichte, Ute Frevert.127 Sie hat die Verwendung von Vertrauensbegriffen in Lexika seit der Frühen Neuzeit untersucht und konnte dabei herausarbeiten, dass Vertrauen im Untersuchungszeitraum, im Gegensatz zum 18. Jahrhundert – in dem vor übertriebenem Vertrauen gewarnt wurde – vorrangig positiv bewertet wurde. In den Lexika wurden zunehmend Beziehungen als Vertrauensbeziehungen thematisiert: „Sich einem anderen Menschen anzuvertrauen, stellte offensichtlich eine Form sozialer Kommunikation dar, die man erwartete und schätzte.“128 Zu Beginn des 19. Jahrhundert beinhaltete der Vertrauensbegriff dabei sowohl eine Erfahrungs- als auch eine Erwartungskomponente – „der Begriff meinte die ‚Handlung des Vertrauens‘ ebenso wie die ‚Erwartung‘, dass jemand an meiner ‚Sicherheit‘ und ‚Wohlfahrt‘ interessiert sei.“129 Auch die Notwendigkeit eines Vertrauens unter Kaufleuten wurde in den Lexika reflektiert: Ein Kaufmann benötigte Ver118 119 120 121 122 123 124 125

126 127 128 129

Ebd., Fol. 144. Ebd., Nr. 42, Fol. 91. Ebd., Nr. 39, Fol. 594. Ebd., Nr. 40, Fol. 110 f. Ebd., Fol. 267 f. und Nr. 42, Fol. 460. Ebd., Nr. 42, Fol. 777. Ebd., Nr. 40, Fol. 111. Vgl. zum Beispiel genutzte Redewendungen, wie „we take the liberty of“ und im Deutschen „wir nehmen uns die Freiheit“, oder der Verweis, man möchte Geschäftsbeziehungen etablieren, die „mutually advantageos“ – für beide Seiten gewinnbringend – sind, siehe zur Analyse von Kaufmannslehrbüchern zum Erlenen englischer Korrespondenz: De Lungo Comiciotti, Gabriella: „Conduct yourself towards all persons [ ]“, S. 158–168. Ebd., Nr. 10, Fol. 54. Vgl. die Arbeiten des Forschungsbereichs „Geschichte und Gefühl“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin: https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/forschung/geschichte-dergefuehle (letzter Aufruf: 26. 01. 2015). Frevert, Ute: Vertrauen, S. 19. Ebd., S. 14.

4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften

131

trauen als eine Art Sozialkapital, um mit anderen kooperieren oder interagieren zu können.130 Ute Frevert hat zudem die historische Verflechtung von Vertrauens- und Freundschaftsdiskurs im frühen 19. Jahrhundert herausgearbeitet. Freundschaft war demnach eine Beziehung, die sich im Idealfall durch ein hohes Maß an Vertrauen, gegenseitigem Wohlwollen und Vertrautheit auszeichnen sollte.131 Dieser Gedankengang scheint auch vor dem Hintergrund des analysierten Schriftverkehrs Scharpffs und Lichtenbergers plausibel. 1817 schrieb Johann Heinrich Scharpff an die „Utzschneidersche Tabakfabrik“ in München: „Von unserer Seite werde bemüht seyn durch redliche und sorgsame Bedienung mich Ihres gütigen Vertrauens immer wieder zu beweisen […]“132 und stellte das Vertrauen damit in den Kontext einer sich entwickelnden Geschäftsbeziehung, in der beide Parteien durch ihr angemessenes und aufeinander bezogenes Handeln zum Aufbau einer Freundschaft beitragen sollten. Vertrauen spielte dabei für die Kaufleute nicht nur in Situationen eine Rolle, in denen Akteure oder Akteurinnen bei einer ökonomischen Interaktion in Vorleistung gingen – sei es durch die Versendung von Waren oder durch die Investition von Geldern. Vertrauen ging darüber hinaus, wenn beispielsweise Waren oder Avisbriefe,133 die an einen potenziellen Geschäftspartner oder eine Geschäftspartnerin gerichtet waren, an einen Freund vor Ort gesandt wurden mit dem Auftrag, zunächst Informationen über den Empfänger oder die Empfängerin der Waren einzuholen und den Brief dann – sofern der Freund den Akteur oder die Akteurin als solide und zuverlässig einschätzte – zuzustellen.134 Vertrauen wurde, wie auch die Freundschaft, in der kaufmännischen Kommunikation horizontal konzeptionalisiert – zwischen Akteuren, die innerhalb der Wirtschaft als gleichgestellt betrachtet wurden, bzw. an die gleiche Erwartungen gerichtet wurden.135 In der geschichtswissenschaftlichen Emotionsforschung gilt der Begriff des Vertrauens als schwer definierbar und sein Bedeutungsgehalt als historisch wandelbar. Daraus resultierte in den letzten Jahren eine variierende Nutzung des Begriffs.136 Frevert spricht sich in ihrem Buch „Vertrauensfragen. Eine Obsession der Moderne.“ dafür aus, die Begriffe in ihrem historischen Kontext zu untersuchen – ihre Nutzung und ihren Sinngehalt in den Quellen zu analysieren.137 Vertrauen wird trotz seiner Unschärfe gerade innerhalb der unternehmenshistorischen Forschung aber auch als analytischer Begriff genutzt, um ökonomische Prozesse zu verstehen. Vertrauen als „Schlüsselvariabel“138 für ökonomisches Handeln, wie der Wirt130 131 132 133 134 135 136 137 138

Vgl.: Ebd., S. 16 f., sowie: Dies.: Vertrauensfragen, S. 7–42. Vgl.: Dies.: Vertrauen, S. 18 f. StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 669. Avisbriefe dienten der Anzeige von Warenversendungen mit der Darlegung der Abläufe beim Warenbezug durch den Käufer. StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 166 f. Zu vertikalem und horizontalem Vertrauen: Frevert, Ute: Vertrauen, S. 20 und 35. Vgl.: Ebd.; Berghoff, Hartmut: Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariabel, oder: Gorißen, Stefan: Der Preiß des Vertrauens. Vgl.: Frevert, Ute: Vertrauensfragen, S. 12 f. Berghoff, Hartmut: Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariabel.

132

4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

schafts- und Sozialhistoriker Hartmut Berghoff titelte, wird bereits in Einführungswerken thematisiert.139 Auf theoretischer Ebene ist die Annahme weit verbreitet, dass ein Mindestmaß an Vertrauen in Dritte für eine wirtschaftliche Tätigkeit unumgänglich war und ist.140 Ökonomische Interaktionen zwischen mehreren Akteuren oder Akteurinnen waren und sind immer durch Unsicherheiten und Risiken geprägt. Ein Akteur oder eine Akteurin ist daher grundsätzlich vom Wohlwollen oder der Kooperationswilligkeit des oder der Anderen abhängig.141 Vertrauen ist vorrangig immer dort notwendig, wo dem Akteur oder der Akteurin nur begrenzte Informationen über Handlungssituationen und -folgen zur Verfügung stehen. Da andere Akteure und Akteurinnen ihre eigenen Handlungsziele verfolgen, so können sie sich opportunistisch verhalten. Diese steht im Einklang mit meinen theoretischen Vorannahmen, in denen Akteuren und Akteurinnen im Kontext des Institutionensettings ein individueller Handlungsspielraum eingeräumt wird. Der Wirtschaftshistoriker Stefan Gorißen unterstellte den vorindustriellen Kaufleuten an der Wende zum 19. Jahrhundert unlängst eine „grundlegende Kultur des Misstrauens“,142 in der Kaufleute zahlreiche Strategien zur Absicherung durch die Beschaffung von Informationen und/oder der Absicherung über Verträge entwickelten und in der Zwischenfälle Kooperationen schnell gefährden konnten. Ute Frevert betont in ihren Studien ebenso die Tatsache, dass das Ideal des Vertrauens vor allem dann ‚beschworen‘ wurde, wenn Vertrauen als ein knappes Gut galt und an Akteure oder Akteurinnen appelliert werden musste, vertrauenswürdig zu handeln. Sie weist ferner darauf hin, dass dem Vertrauen immer auch Grenzen gesetzt wurde – ‚naives‘, voreiliges Vertrauen wurde im frühen 19. Jahrhundert verurteilt. Es wurde vielmehr vorausgesetzt, dass die Personen, denen vertraut wurde, sorgsam ausgesucht wurden.143 Die Speyerer Kaufleute kommunizierten Vertrauen dementsprechend als etwas, das mit Bedacht zu gewähren war. So schrieben Lichtenberger & Co. an ihren Handelsreisenden Trauth 1820 nach Chemnitz: Ueberhaupt können wir Ihnen in den Geschäften nicht genug Behutsamkeit und Solidität empfehlen. Der Reisende welcher einmal auf Ort und Stelle ist, kann sich am besten nach eines jeden Umständen erkundigen, wir hingegen können nicht wißen bey wem wir uns am besten informieren, denn es giebt hierbey so manches zu erwägen, worüber nur der welcher die verschiedenen Verhältniße kennt, richtig urtheilen kann.144

Es war Praxis, sich vor einer ökonomischen Transaktion über neue Geschäftspartner oder -partnerinnen bei Freunden zu informieren. Das Konzept der Freundschaft könnte somit auch als eine Gegenerzählung zum grundsätzlichen Misstrauen und der stetigen Verunsicherung interpretiert werden. Freundschaft spielte eine besondere Rolle im Kontext der von heutigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen auf formal-institutioneller Ebene oft als defizitär angesehenen Zeit. Das Narrativ 139 140 141 142 143 144

Vgl.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 172–183. Vgl.: Gorißen, Stefan: Der Preiß des Vertrauens, S. 102–118. Vgl.: Berghoff, Hartmut: Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariabel, S. 59. Gorißen, Stefan: Der Preis des Vertrauens, S. 103. Vgl.: Frevert, Ute: Vertrauen, S. 9. StALu, WS1, Nr. 5, Fol. 752–754.

4.2 Ökonomische Austauschbeziehungen als Freundschaften

133

bildete einen Versuch, Betrug vorzubeugen und Vertrauen, als „soziale Errungenschaft von höchster ökonomischer Bedeutung“,145 herzustellen. Mit Hilfe der Erzählung der ‚vertrauensvollen Freundschaft‘ wurde die zuverlässige Ausrichtung an Institutionen eingefordert. Ein offensichtlich abweichendes Verhalten führte zu Konflikten und im Extremfall zu sozialen Sanktionen, die zum Ausschluss von Transaktionen führen konnten. Konflikte wegen von Konventionen abweichendem Verhalten konnten bereits auftreten, wenn Akteure oder Akteurinnen den Höflichkeitskonventionen nicht nachkamen. So wandte sich Johann Heinrich Scharpff beispielsweise persönlich im Februar 1816 in einem Brief an J. G. Holzmann, einen bekannten Kaufmann in Speyer, mit einem Schreiben, in dem er dessen Erklärung für ein als illegitim wahrgenommenes Verhalten einforderte. Dem war vorausgegangen, dass Johann Heinrich Scharpff von seinem „Commis“ (Handlungsbediensteten) einen Wechsel zurück erhalten hatte, der „in übelstem Umstande theils beschmuzt, theils zerfezt“ war.146 Er erhielt zudem die Auskunft, Holzmann wolle die ausstehende Summe nicht zahlen. Scharpff zeigte sich in seinem Schreiben „beleidigt“ von einer „derartigen Behandlung“, jedoch nicht – wie er betonte – von der Tatsache, dass Holzmann nicht zahlen wollte.147 Der Wechsel war Scharpff von seinem Geschäftspartner Carl Schmitz in Mainz übermittelt worden, so dass er ihn im Nichtzahlungsfall an diesen zurücksenden konnte und Schmitz die Uneinigkeiten über die Zahlungsansprüche im Anschluss mit Holzmann selbst hätte klären müssen. „Allein die Art & Weiß wie sie das Document selbst behandeln, daß ich Ihnen auf bescheidenste Weise und nach Handlungs Gebrauch vorzeigen ließ irritiert und muß mich deswegen beleidigen“, so konstatierte Scharpff.148 Er fand es zudem unangemessen, dass ein „dritter“ – in diesem Fall sein Handlungsbediensteter – bei seiner Anwesenheit sich hatte „derart beschimpfen laßen“ müssen.149 Abschließend forderte Scharpf von Holzmann, wie er es „unserer Ehre schuldig“ war, eine Erklärung für die Vorkommnisse ein, bei denen er so gegen „Handlungs Gebrauch“ und „Gesez“ gehandelt habe.150 Scharpff bat Holzmann darum, ihm Papiere zu übersenden, die er seinem Geschäftsfreund Schmitz in Mainz zur weiteren Abwicklung der Sache vorlegen konnte, da die Dokumente in jenem Zustand, in den Holzmann sie versetzt hatte, für ihn nicht mehr vorzeigbar waren.151 Diese Vorkommnisse bildeten eine außergewöhnliche Situation. Konflikte standen meist im Kontext von Waren- oder Wechselreklamationen, konnten aber oft in weitgehend sachlichen und höflichen Schreiben schnell geklärt werden. Der präferierte Weg zur Lösung war die Darlegung der Situation durch den Schreiber oder die Schreiberin und die Erklärung des eigenen Verhaltens sowie der Appell an den

145 146 147 148 149 150 151

Vgl.: Berghoff, Hartmut: Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariable, S. 58. StALu, WS1, Nr. 39, Fol. 400. Ebd., Nr. 39, Fol. 400. Ebd. Ebd. Ebd. StALu, WS1, Nr. 39, Fol. 400.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

Empfänger oder die Empfängerin, seine oder ihre Sicht der Dinge darzulegen, um das ‚Missverständnis‘ zu beseitigen. Die gemeinsame Reflexion der Situation sollte klären, inwieweit Normverstöße – eine individuelle „Schuld“152 am Scheitern einer Zusammenarbeit – vorlagen und wie eine gemeinschaftliche Lösung des Konflikts gelingen konnten. Dabei sollte die Klärung auf jene Akteure oder Akteurinnen, die der Konflikt direkt betraf, beschränkt bleiben. Solcherlei Konflikte bildeten zunächst keine grundsätzliche Gefährdung der Geschäftsfreundschaft. So musste individuelles Scheitern mit schwerwiegenden moralischen oder geschäftlichen Verwerfungen in Verbindung gebracht werden, um die Person aus dem Kreis der Geschäftspartner und -partnerinnen auszuschließen. Entsprechend hat auch Adelheid von Saldern in ihrer Studie herausgearbeitet, dass Akteure und Akteurinnen durchaus vertrauenswürdig bleiben konnten, wenn ihre ökonomischen Verluste glaubwürdig auf äußere Einflussfaktoren zurückgeführt werden konnten.153 Konkurse beispielweise – als Extremsituation, in denen sich das Scheitern von Unternehmungen manifestierte – konnten einen Akteur oder eine Akteurin dann nachhaltig diskreditieren, wenn diese als selbstverschuldet angesehen wurden. 1820 schrieben Joh. Hein. Scharpff auf eine Bitte um Auskunft hin an Breidenbach & Haape in Mainz beispielsweise über einen Herrn Lipps aus Speyer: Mit Lipps sich einzulaßen, ist durchaus nicht rathsam. Er ist Restrateur bey der hiesigen Harmonie, & wenn er sich nicht mehr vor Schulden helfen kann, so giebt er seinen Gläubigern dasjenige was er noch hat, und fängt wieder frisch an.154

Insolvenzen boten eine Möglichkeit zum ökonomischen Neuanfang – jedoch auf Kosten anderer. Und dies wurde von anderen Handel- und Gewerbetreibenden nicht akzeptiert, sofern es in der spezifischen Situation als etwas Vermeidbares angesehen werden konnte. Die wichtigste, informelle Sanktionsmöglichkeit der Kaufleute in Speyer bestand in dem Entzug des Vertrauens. Dies ging im Normalfall mit einer Verweigerung jeder weiteren Kooperation oder Interaktion einher. Im äußersten Fall wurden sogar Geschäftsfreunde vor Personen gewarnt, so dass für den Akteur oder Akteurinnen die Basis für Geschäfte verloren gehen konnte. Dieses Schicksal konnte auch engen Bekannten und langjährigen Kooperationspartnern oder -partnerinnen zu Teil werden. Carl Korn, ein Speyerer Kaufmann, der bereits seit den 1820er Jahren in die Unternehmungen Lichtenbergers involviert war, schied im Herbst 1830 aus unbekannten Gründen als Teilhaber von Lichtenberger & Co. aus und wurde in der Folge ausgezahlt und mit den ihm zufallenden Waren und Gerätschaften versehen.155 Die Trennung führte zunächst nicht zum Bruch zwischen Philipp Markus Lichtenberger und Carl Korn – so übertrug Lichtenberger seinem ehemaligen Teilhaber im Januar 1831 noch die Agentur der Gothaer Feuerversicherungsgesellschaft und war in der Folgezeit Kunde Korns mit seinen zahl-

152 153 154 155

Vgl.: Ebd., Nr. 42, Fol. 669. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 259. StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 229 f. Vgl. Ebd., Nr. 15, Fol. 322, 358, 415 f., 469 und 479 f.

4.3 Zur Rolle von Organisationen in der Wirtschaft

135

reichen Immobilien.156 Als es in den kommenden Wochen allerdings zum Konflikt über die Güterteilung und Endabrechnung der Lichtenbergerschen Handelshäuser kam, eskalierte ein Streit. Lichtenberger warf Korn vor, unangemessene Ansprüche zu haben, sich nicht an Abmachungen zu halten und die Abwicklung des gemeinschaftlichen Geschäfts unverhältnismäßig kompliziert zu gestalten. Da er sich selbst im Recht sah, brach er den Kontakt schließlich ab, mit der Ankündigung, die Kommunikation nun vollständig einzustellen und keine Schreiben von Korn mehr entgegenzunehmen.157 Da Lichtenberger aber weiterhin Kunde der Gothaer Feuerversicherungsanstalt blieb, wurde zwischen den Parteien – entgegen seiner Ankündigung – weiterhin korrespondiert. Diese Korrespondenzen bezogen sich aber ausschließlich auf die Verwaltung der Versicherungspolicen und auf die Überstellung einzelner Waren im Auftrag Dritter, die Lichtenberger für Korn von externen Kaufleuten zukamen. Die Korrespondenz blieb selten und fand ihr endgültiges Ende mit der Abgabe der Versicherungsagentur von Korn an einen anderen regionalen Kaufmann.158 Eigene ökonomische Transaktionen oder ökonomische Kooperationen zwischen den Parteien lassen sich nach dem Streit nicht mehr nachweisen. Inwieweit eine solche Sanktionsmaßnahme wirksam war, wurde durch die Ausgestaltung und den Erfolg der Geschäftstätigkeiten der Akteure oder Akteurinnen beeinflusst, die es in unterschiedlichem Maße ermöglichten, dass er oder sie auf bestimmte Geschäftskontakte verzichtete. 4.3 ZUR ROLLE VON ORGANISATIONEN IN DER WIRTSCHAFT Die analysierten Handlungskonzepte im Schriftverkehr bezogen sich vorrangig auf Einzelpersonen, die der Gruppe der Wirtschaftsbürger und somit einer ökonomischen Oberschicht zuzuordnen sind. Doch welche Rolle wurden Unternehmen als Organisationen in der Wirtschaft in der Kommunikation zugeschrieben und welche Erwartungshaltungen wurden an diese herangetragen? Schließlich handelten die Unternehmer Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger im Kontext der von ihnen aufgebauten Handelshäuser und somit in stetiger Kooperation innerhalb hierarchisch strukturierten Akteursgruppen. Aufgrund des akteurszentrierten Wirtschaftsbildes der Kaufleute spielten Organisationen in der Kommunikation eine untergeordnete Rolle. Die Bedeutung von Organisationen für die Struktur des Wirtschaftens zeigt sich jedoch auf der Ebene der Geschäftspraktiken – im Rahmen der Buchführung im Kontor. Die kaufmännische Buchführung befand sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bereits auf einem ausdifferenzierten Niveau, wie die Buchführung der Handelshäuser Scharpffs und Lichtenbergers dokumentiert. In den Rechnungsbüchern wurde eine Trennung zwischen Privatvermögen der Kapitalgeber oder -geberinnen und Leitern 156 Vgl.: Ebd., Fol. 322 und 358. 157 Vgl.: Ebd., Fol. 629 f. 158 Vgl.: Ebd., Nr. 16, Fol. 585, sowie: Nr. 17, Fol. 302, 344, 577 f., 638, 644, 793, 910 und 953.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

oder Leiterinnen der Handelshäuser vollzogen, da in Handelshäusern häufig mehrere Investoren oder Teilhaber integriert wurden. Dies machte es notwendig, eine geschäftliche Gewinn- und Verlustrechnung auszustellen und die getätigten Transaktionen des Handelshauses getrennt vom bürgerlichen Haushalt des Leiters oder der Leiterin bzw. des Inhabers oder der Inhaberin zu dokumentieren.159 Eine Besonderheit in der Buchführung bildeten die Briefkopierbücher mit der geschäftlichen Alltagskorrespondenz von Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff jr. So schlugen sich unterschiedliche Geschäftstätigkeiten Johann Heinrich Scharpffs und Philipps Markus Lichtenbergers nicht in separater Korrespondenz bzw. separaten Briefsammlungen nieder. Beide Akteure ließen die geschäftliche Alltagskorrespondenz, die durch ihre diversen ökonomischen Aktivitäten entstand, am gleichen Ort und in der gleichen Briefsammlung dokumentieren – am Hauptstandort ihrer Unternehmen in Speyer. Diese konnte beispielsweise die Verwaltung von privaten Immobilien der Unternehmensinhaber, die Handelsaktivitäten des Unternehmens ebenso wie Investitionen der Unternehmer in andere Unternehmen beinhalten. Den kaufmännischen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen im Kontor war es hingegen untersagt, eigenen ökonomischen Aktivitäten neben ihrer Tätigkeit im Handelshaus nachzugehen.160 Das Kontor, das sich im Fall der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger in Speyer in räumlicher Nähe zu den bürgerlichen Haushalten der Inhaber befand, kann somit als Schaltzentrale der Handelshäuser, aber vielmehr noch als zentraler Ort der ökonomischen Tätigkeiten von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger angesehen werden. Die Korrespondenzführung und -verwaltung bildete eine alltägliche Dienstleistung, über die der Unternehmer verfügen konnte. Doch es lohnt durchaus, die Kommunikation über die Handelshäuser auf der Ebene der Kaufmannskorrespondenz differenzierter zu betrachten, um zu verstehen, welche Rolle einzelne Akteure oder Akteurinnen und ökonomische Organisationsformen für das kommunizierte Selbstverständnis bzw. die Selbstdarstellung der Briefeschreiber und Briefeschreiberinnen spielten. In der Geschäftskorrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lässt sich zunächst nach der sprachlichen Konzeptionierung der ökonomischen Organisationen fragen. Als Bezeichnung der Organisationsformen, in denen die ökonomischen Tätigkeiten Scharpffs und Lichtenbergers ihren Niederschlag fanden, dominiert innerhalb der Quellen der Begriff des Handelshauses und, in verkürzter Form, die Selbstbezeichnung als Haus, die in enger Verbindung mit der noch dominierenden Selbstbezeichnung der Akteure als Kaufleute standen. Die oft bemühte Bezeichnung „unser Haus“ bezog sich mit verschiedenen Ortsangaben – der Rheinschanze, Speyer oder Mannheim – auf verschiedene, eigenständige Handelsgesellschaften.161 Die Beschreibung als „unser“ suggerierte dabei eine Zugehörigkeit zu den 159 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 15, Fol. 8 und 17: Abrechnung nach dem Ausscheiden Carl Korns als Teilhaber aus dem Handelshaus Lichtenberger & Co. im September 1830. 160 Vgl. zum Verhältnis zwischen ‚Prinzipal‘ und Bediensteten oder Kaufmann in Ausbildung: Gorißen, Stefan: Der Preiß des Vertrauens. 161 Vgl. Verträge zu den Handelsgesellschaften in der Rheinschanze, u. a. in: StALu, WS1, Nr. 125, LASp, K38, Karton 329, Nr. 69, sowie: Ebd., K33, Karton 7, Nr. 78.

4.3 Zur Rolle von Organisationen in der Wirtschaft

137

Akteuren Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger, deren (Familien)Namen in den Firmenbezeichnungen zu finden waren. Der von der spezifischen ökonomischen Tätigkeit einer Organisation abstrahierende Begriff des Unternehmens wurde im deutschen Sprachgebrauch, vor allem abseits von ökonomischer Literatur oder Gesetzestexten, erst deutlich später genutzt, als der Begriff des Unternehmers bzw. des Entrepreneurs.162 Früher kann der Begriff „Unternehmung“163 nachgewiesen werden, der auch in der Kommunikation Scharpffs und Lichtenbergers auffindbar ist. Die „Unternehmung“ bezog sich seit dem 18. Jahrhundert jedoch nicht auf fest institutionalisierte Organisationsformen, sondern konnte allgemein wirtschaftliche Vorhaben oder Projekte bezeichnen, die von einer Person oder Personengruppe betrieben wurden. Der Begriff blieb damit relativ unbestimmt.164 Die Nutzung des Begriffs der Unternehmung, die auf keine stabile Organisationsstruktur oder einen festen Stamm an Akteuren oder Akteurinnen verweist, passte damit zu den diversen ökonomischen Aktivitäten, die Scharpff und Lichtenberger im Zeitverlauf tätigten, für die sie mitunter auf juristischer Ebene neue Gesellschaften gründeten oder die sie als selbständiger Kaufmann betrieben.165 Die „Unternehmung“ diente damit der Benennung des Feldes der gesamten ökonomischen Tätigkeiten der Handelsleute nach außen und zur Selbstdarstellung als vielseitig tätige Unternehmer. Die Handelshäuser Scharpffs und Lichtenbergers verfügten stets über eine Firma – einen Namen, unter dem die Geschäfte betrieben wurden.166 Diese Firma, die sich in einer gemeinsamen Unterschrift aller korrespondierenden Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, als Adressat auf empfangenen Briefen und mitunter auch als gedruckter Name auf Formularen, Zirkularen und Tabaksetiketten167 wiederfindet, bildete das Erkennungsmerkmal der Handelshäuser. Im Falle Lichtenbergers verfügt diese Firma auch über eine Art Logo auf den gedruckten Geschäftsunterlagen.168 Dieses hatte für das Unternehmen einen praktischen Wert, wie ein gedrucktes Papier im Nachlass Lichtenberger mit der folgenden Aufschrift belegt: „Um unsere ächte Fabrikate von den verfälschten unterscheiden zu können, führt jedes Paket mit dem Fabrick-Zeichen unsere gewöhnliche Unterschrift“ – darunter findet sich die Firma „Lichtenberger & Cie.“169 Besonders im Bereich der Produktion eigener Waren gewann die Firma an Bedeutung, um sich von anderen Produzenten abzugrenzen und sich als eine Art Marke auf dem Markt zu positionieren. Die Firmierung ihrer Unternehmen geschah im Falle Scharpffs und Lichtenbergers auf eine für jene Zeit typische Art und Weise, durch die Nutzung des eigenen (Familien-)Namens. Nach dem Historiker Michael Rothmann bildeten die Famili162 163 164 165 166 167 168 169

Vgl.: Banken, Ralf: Handlung, Firma, Unternehmen, S. 117. StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 546 f. Vgl.: Banken, Ralf: Handlung, Firma, Unternehmen, S. 117. Vgl.: Verträge zu den Handelsgesellschaften in der Rheinschanze, u. a. in: StALu, WS1, Nr. 125, LASp, K38, Karton 329, Nr. 69, sowie: Ebd., K33, Karton 7, Nr. 78. Vgl.: Ebd., S. 117 f. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe III,1,1–2: Tabaketikettensammlung zu Scharpff und Lichtenberger. Vgl.: Ebd. Ebd.

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4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

ennamen „in der Regel die vertrauensbildenden Bezeichnungen von Handelsunternehmungen“170 und fanden bereits seit dem 13. Jahrhundert allgemein Verwendung. Auffällig ist bei einem Vergleich zwischen Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger, dass Scharpff für seine Handelshäuser vorrangig Firmenbezeichnungen nutzte, in denen sein vollständiger Name vorkam oder die mit seinem Namen sogar deckungsgleich waren – überliefert sind die Firmenbezeichnungen „Joh. Heinr. Scharpff“ und „Joh. Heinr. Scharpff jr.“171 sowie zeitweise auch ein „Joh. Heinr. Scharpff & Sohn“.172 Diese Deckungsgleichheit von Inhaber- und Firmennamen erschwert es Historikern und Historikerinnen bei der Quellenanalyse nachzuvollziehen, in welchen Schreiben und Akten die Firma und in welchen die Person des Inhabers adressiert wurden – und prägte entsprechend die Außenwahrnehmung, in deren Vordergrund der Akteur stand. Die unterschiedliche Nutzung der Firmenbezeichnungen bei Scharpff und Lichtenberger mag im Falle Scharpffs darin begründet liegen, dass sich sein Unternehmen aus seiner selbständigen Tätigkeit als Kaufmann entwickelte. Teilhaber im Unternehmen in Speyer lassen sich bisher nicht fassen, deuten sich jedoch in der zeitweisen Umbenennung des Unternehmens ins „J. H. Scharpff & Sohn“ an – wobei unklar bleibt, ob einer seiner Söhne, die alle jung verstarben, oder gar einer seiner Schwiegersöhne sich in dieser Phase am Unternehmen beteiligte. Die überlieferten Firmennamen seines Schwiegersohns, Philipp Markus Lichtenbergers, abstrahieren stärker von seiner Person. Seine Handelsgesellschaft in Speyer firmiert im gesamten Untersuchungszeitraum als „Lichtenberger & Comp.“ oder „Lichtenberger & Cie.“.173 Der Firmenname bestand somit aus seinem Familiennamen, lässt durch die Auslassung seines Vornamens sowie durch das im Zeitverlauf offenbar relativ willkürlich gewählte „Comp.“, „Co.“ oder „Cie.“ – als Abkürzung für Compagnie – jedoch Platz für weitere Akteure und Akteurinnen innerhalb der Organisation. Bereits zu Beginn seiner ökonomischen Selbständigkeit war Philipp Markus Lichtenberger in Organisationen tätig, die durch gemeinschaftliche Investitionen entstanden waren.174 Teilhaber in seinem eigenen Geschäft sind in den Quellen erst für spätere Zeit fassbar, könnten aber bereits zu Beginn eine Rolle gespielt haben.175 Dass der Name Lichtenberger sich dabei nicht nur auf seine eigene Person bezogen haben muss, sondern auch einen Verweis auf seine Familie gebildet haben kann, lässt sich zudem aus der Tatsache schließen, dass er der älteste von drei Brüdern war und seine zwei jüngeren Brüder zeitweise in seinem Unternehmen tätig

170 171 172 173

Rothmann, Michael: Unternehmensformen oder Formen von Unternehmungen, S. 27. LBibSp, N41, Mappe III, 1,1–2. Ebd. Vgl.: die wechselnden Bezeichnungen auf den Tabaksetiketten der Firma, siehe: StALu, WS1, Nr. 124. 174 Vgl.: die Abwicklung gemeinschaftlicher Unternehmen in der Korrespondenz mit anderen regionalen Unternehmen, siehe u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 273, 492 und Nr. 3, Fol. 771. 175 Bisher nachweisbar ist eine Teilhaberschaft des Kaufmanns Carl Korn, vgl.: Ebd., Nr. 15, Fol. 17.

4.3 Zur Rolle von Organisationen in der Wirtschaft

139

waren – sowie er später Vater von mehreren Söhnen wurde, die in eine unternehmerische Tätigkeit hineinwuchsen. Eine noch stärkere Ablösung bzw. Verselbständigung des Firmennamens von den Inhabern der Organisation lässt sich am Beispiel der Scharpff und Lichtenbergerschen Unternehmungen in der Rheinschanze nachvollziehen. Firmierte das dortige Handelshaus ab 1821 im Besitz und unter der Leitung Johann Heinrich Scharpffs zunächst unter dem Namen „Joh. Heinr. Scharpff jr.“, so verselbständigte sich dieser Name mit der Zeit, durch die Fortführung des Namens beim Übergang des Unternehmens an seinen Schwiegersohn. Die Firma überlebte den eigentlichen Namensträger um viele Jahre.176 In den 1830er und 1840er Jahren wandelten sich die Firmierungen der in der Rheinschanze tätigen Unternehmen schließlich – mittlerweile wirtschafteten dort arbeitsteilig eine „Spedition“ und eine „Commission“, die unter den Namen „Joh. Heinr. Scharpff jr.“ und „Lichtenberger, Scharpff & Co.“ firmierten.177 Der Name Scharpff wurde in eine neue Namensgebung integriert, ohne das bisher nachgewiesen werden konnte, dass ein Träger dieses Namens in dem Unternehmen eine Funktion übernahm. Johann Heinrich Scharpff überlebte seine männlichen Nachfahren und lediglich seine Tochter, Rosina, die Ehefrau von Philipp Markus Lichtenberger, kann aus diesem Familienzweig noch in einen engeren Bezug zu den Unternehmen gesetzt werden – durch die Hochzeit hatte sie den Namen Scharpff allerdings abgelegt. Das Beibehalten des Namens in der Benennung der Rheinschanzeunternehmen diente Lichtenberger offenbar zur Konstruktion einer Unternehmenstradition, um die Bekanntheit des Handelsplatzes zu wahren. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Bedeutungsgehalt und die Wahrnehmung der Firma noch changierte, da er mit Einzelakteuren per Namen ebenso wie mit der von ihnen geleiteten Organisation assoziiert werden konnte – wenn auch gerade in der zweiten Kaufmannsgeneration, bei Lichtenberger, ein gewisser Trend zur Ablösung der Firmennamen von eine spezifischen Person erkennbar wird. Direkte Verweise auf einzelne Akteure innerhalb der Organisation, über Begriffe wie „Commis“178, „Chef“179 oder „Arbeiter“180 als Verweise auf die Binnenstruktur, finden sich in der Kommunikation der Kaufleute nach außen selten. Dabei wurde nur auf Akteure oder Akteurinnen im Unternehmen verwiesen, sofern dies bei der Abwicklung von einzelnen Geschäften notwendig war. Einen Einblick in die Organisation als „soziales System“ zu erhalten,181 auf die Akteure und Akteurinnen und ihre ökonomischen Tätigkeiten sowie ihre Beziehungen zueinander, war auf Basis des alltäglichen Schriftverkehrs nicht möglich.182 Für Außenstehende 176 LBibSp, N41, Mappe II,6: Landfrachtenverzeichnis der Firma „Joh. Heinr. Scharpff jr. in der Rheinschanze“ aus dem Jahr 1835. 177 Vgl. die Frachtbriefe der Rheinschanze, in: StALu, WS1, Nr. 121. 178 Ebd., Nr. 39, Fol. 400. 179 Ebd., Nr. 123. 180 Ebd., Nr. 13, Fol. 740. 181 Vgl.: Pierenkemper, Toni: Unternehmensgeschichte, S. 183. 182 Die Rekonstruktion der Struktur und der mitarbeitenden Akteure bzw. Akteurinnen innerhalb der Handelshäuser lässt sich für Historiker und Historikerinnen kaum rekonstruieren (Leiter,

140

4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

blieb die Binnenstruktur des Unternehmens häufig unsichtbar – lediglich im direkten Umgang mit Handelsreisenden, Angestellten und Arbeitern bzw. Arbeiterinnen vor Ort konnten sie sich Wissen über den organisationalen Aufbau aneignen. Für alltägliche Kommunikations- und Transferprozesse spielte die Ausgestaltung der Organisation aufgrund eines stark hierarchischen Denkens vom Unternehmer oder von der Unternehmerin aus nur eine nebensächliche Rolle. Die enge Bindung der Unternehmen an seine Inhaber geht auch aus einem Rundschreiben J. H. Scharpffs aus der Rheinschanze aus dem Jahr 1822 hervor: Ich habe die Ehre Sie zu benachrichtigen daß ich von heute an meinen Schwiegersohn den Herrn Philipp Lichtenberger Chef des Hauses Lichtenberger & Comp. in Speyer als Theilhaber in das von mir vor kurzem dahier [in der Rheinschanze] errichtete Handlung aufnehme, die wir unter meiner Firma Joh. Heinr. Scharpff junr. und unter gemeinschaftlicher Verbindlichkeit fortsetzen werden. Unterstützt durch die Mitwirkung meines Tochtermannes bin ich in Stand gesetzt diesem Geschäft eine größere Ausdehnung zu geben, […] Mit vereinten Kräften werden wir uns bestreben das Zutrauen meiner Handelsfreunde auf alle Weise rechtfertigen und strenge Rechtlichkeit, die möglichst billige Bedienung und Pünktlichkeit sind die Ansprüche wodurch wir uns schmeicheln mit […] Ihren Aufträgen beehrt zu werden. Ich füge Ihnen zur gefälligen Einsicht meine Frachtliste hierbey und behalte mir vor Ihnen später die noch zu treffende näheren Bestimmungen für die zweckmäßigste Einrichtung des SpeditionsGeschäftes mitzutheilen, […] Sowohl mein Geschäft in Speyer, als jenes des Herrn Lichtenberger bestehen nach wie vor separat fort. Da diese nun unsere Anwesenheit erfordern, so habe ich die Herrn Lud. Schlegel und Fr. Haape meine seitherige Bevollmächtige, und Herr Ph. Lichtenberger von seiner Seite den Herrn Carl Korn, als Bevollmächtigten für das […] Etablissement […] und gemeinschaftlich dafür diesen Herren Procura ertheilt. Haben Sie die Güte von sämtlichen Unterschriften gehörige Anmerkung zu machen und genehmigen meine ergebenste Empfehlung.183

Als Unterzeichner finden sich Johann Heinrich Scharpff, Philipp Markus Lichtenberger und die als Leiter in der Rheinschanze eingesetzten Kaufleute, die allesamt mit dem Namen der Firma „Joh. Heinr. Scharpff jr.“ zeichneten. Das Schreiben, das Johann Heinrich Scharpff an einen Kreis von Geschäftspartnern sandte, ist in Ich-Form geschrieben – er spricht von den Adressaten als „meinen Freunden“ und von dem Handelshaus in der Rheinschanze als „meinem Geschäft“ unter „meiner Firma“. Der Einstieg Lichtenbergers, der bedeutende Kapitalien stellt und im Vertragswerk als gleichberechtigter Teilhaber neben Scharpff aufgeführt wurde, wird ihm kommunikativ untergeordnet. Ebenso werden die eingesetzten Leiter, die das Geschäft führten, lediglich als Stellvertreter kommuniziert. Die Anzeige von Veränderungen in der oberen Hierarchieebene eines Handelshauses, die sich in den Briefkopierbüchern in Form von Rundschreiben wiederfinTeilhaber, Inhaber und Handlungsbedienstete, -reisende oder Handlungsburschen). Erst weitere Recherchen in den Verwaltungsakten des Landesarchivs Speyer könnten das Bild ergänzen. Über Akteure und Akteurinnen in niedrigeren Hierarchieebenen, wie die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Manufaktur, Mägde und Knechte, Fuhrleute o. ä. schweigen sich die Quellen aus und hier werden auch die Verwaltungsakten kaum differenziertere Auskünfte bereithalten. 183 StALu, WS1, Nr. 123.

4.3 Zur Rolle von Organisationen in der Wirtschaft

141

den, diente dem Vertrauenserhalt.184 Eine personelle Veränderung führte zu veränderten Ansprechpartnern oder -partnerinnen und Verantwortungen, so dass zunächst die Solidität und Vertrauenswürdigkeit der neuen Personen unter Beweis gestellt werden mussten. Ein neu in ein Geschäft eintretender Kaufmann konnte von dem Vertrauen des Firmeninhabers profitieren, der ihn seinen Geschäftspartnern und Geschäftspartnerinnen gegenüber empfahl. In dieser Kommunikationspraxis war es ausreichend, wenn die zentralen Kapitalgeber oder Kapitalgeberinnen und Leiter oder Leiterinnen der Handelshäuser ihre Solidität und Zuverlässigkeit dokumentierten, da ihnen die Gesamtverantwortung für die Entwicklung und das Agieren des Unternehmens zugeschrieben wurde. Innerhalb der Geschäftskorrespondenz aus den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers war es jedoch auch gängig, im Namen der Organisation im Plural zu schreiben und somit auf die hinter dem Namen stehende Gruppe von Akteuren oder Akteurinnen als organisationaler Einheit zu verweisen. Erschwert das häufige Fehlen von Anredeformeln und Unterschriften in den überlieferten Briefkopien auch die differenzierte Analyse der Nutzung von „ich“ oder „mir“ und „uns“ oder „wir“ im Schriftverkehr, so weisen die überlieferten Formen doch daraufhin, dass der Großteil der Briefe stellvertretend für das Handelshaus – mit dem sich die Schreiber oder die Schreiberin jeweils im „wir“185 identifizierten – verfasst wurden. Das Verfassen von Briefen in Ich-Form scheint insofern eine Ausnahme gebildet zu haben, da sie vorrangig dann genutzt wurde, wenn der Schreiber oder die Schreiberin sich auf persönlich getätigte Verhandlungen oder Geschäfte bezog. Hierunter fielen Briefe, die von den Unternehmensinhabern persönlich verfasst wurden, aber auch Schreiben von Handelsbediensteten, in denen sie Handelspartner oder -partnerinnen auf persönlich getätigte Absprachen hinwiesen.186 Das Schreiben im inhaltlich nicht näher definierten Plural sowie das Jahrzehnte überdauernde Führen von aufeinander aufbauenden Geschäftsbüchern im heimischen Kontor konstruierte in der Außenrepräsentation eine Kontinuität, die sich in der Struktur der Organisationen nicht widerspiegeln musste. Bei den von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger gegründeten Unternehmen fällt ins Auge, dass gerade jene Handelsgesellschaften, die in Kooperation zwischen verschiedenen Personen betrieben wurden, meist nur wenige Jahre überdauerten. Und selbst innerhalb der Kernunternehmen ist stetiger Wandel auf personeller wie struktureller Ebene nachweisbar. So lässt sich am Beispiel der Rheinschanze nachweisen, dass die dortige Handelsgesellschaft mehrfach in unterschiedlicher Akteurskonstellation mit sich wandelnden Festschreibungen von Kompetenzen und Pflichten neu gegründet wurde. Vor dem Hintergrund, dass Geschäftspartnerschaften als Freundschaften moralisch aufgeladen und an das institutionenkonforme Verhalten einzelner Personen geknüpft wurden, erstaunt es nicht, dass die Organisation selbst – das Handelshaus – nur in Verbindung mit den Kaufleuten oder Unternehmern an dessen Spitze 184 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 249. 185 StALu, Nr. 38, Fol. 71. 186 Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 97.

142

4 Akteurskonzepte im Schriftverkehr

gedacht und wahrgenommen wurde. Traten die Organisationen auch mit Hilfe eines Firmennamens, gedruckten Geschäftsunterlagen und durch das Schreiben im Plural nach außen als Organisation auf, so können die Organisationen zu jener Zeit doch nicht als selbständig angesehen werden, da ihnen ohne das Wissen um das Geschäftsgebaren und den materiellen Hintergrund des Besitzers oder Leiters kein Kredit eingeräumt wurde. Eine solche Koppelung der Organisation an einen Akteur oder eine Akteurin war sicherlich deshalb möglich, da die Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger von überschaubarer Größe waren, was die Anzahl der involvierten Akteure und Akteurinnen in der ‚Führungsetage‘ ebenso betraf wie die Anzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Kontor. Die Kommunikationspraxis Scharpffs und Lichtenbergers steht im Einklang mit den aktuellen Forschungserkenntnissen aus dem Feld der Unternehmensgeschichte zu Unternehmensformen vor 1850. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert waren unternehmerische Organisationsformen noch enger verbunden mit einzelnen, unternehmerisch tätigen Akteuren oder Akteurinnen an ihrer Spitze, als es in Großunternehmen des späten 19. und 20. Jahrhunderts der Fall war. Hierin liegt auch begründet, dass sich unternehmenshistorische Forschung für die vor- und frühindustrielle Zeit vorrangig unternehmerzentriert arbeitet, da Unternehmer oder Unternehmerinnen als eigenständige Akteure oder Akteurinnen früher und eindeutiger zu fassen sind.187 Den Blick in jener Zeit einzig auf den ‚Unternehmer‘ zu richten, greift jedoch zu kurz. Es handelte sich vielmehr um ein Spannungsverhältnis zwischen der Wahrnehmung eines Unternehmens als Organisation und der Zuschreibung der ökonomischen Tätigkeiten zu einzelnen Personen. Die Fokussierung auf den Inhaber oder die Inhaberin eines Unternehmens hatte bei der ökonomischen Interaktion vieler Akteure und Akteurinnen den Vorteil, dass Verantwortlichkeiten klar zugeschrieben werden konnten. Dies erleichterte die Abschätzung von Risiken, die an der Zuverlässigkeit der Firmenleitung festgemacht wurden. 4.4 ZWISCHENFAZIT: ZUR VERORTUNG DER KAUFLEUTE IN DER WIRTSCHAFT Die Analyse der Geschäftskorrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in Bezug auf Akteurs- und Wirtschaftskonzepte verweisen auf die kommunikative Legitimierung von Handeln innerhalb der Wirtschaft sowie auf die eigene Selbstdarstellung. Die Akteure oder Akteurinnen in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers legitimierten ihr Handeln durch eine kommunikative Anknüpfung an das Ideal eines ‚ehrbaren Kaufmannes‘, verorteten sich entsprechend als genügsame, arbeitende und verantwortungsvoll Wirtschaftende, die ihr Kapital produktiv und zum Allgemeinwohl einsetzten. Kommunikativ diente die Konzeptualisierung von Geschäftsbeziehungen als Freundschaften der Einforderung eines verlässlichen und abschätzbaren Handelns. Die Bezugnahme auf Vorstellungen eines ‚ehrbaren Kaufmannes‘ und eines ‚vertrauenswürdigen Geschäftsfreundes‘ – so 187 Vgl.: Banken, Ralf: Handlung, Firma, Unternehmen, S. 115.

4.4 Zwischenfazit: Zur Verortung der Kaufleute in der Wirtschaft

143

abstrakt diese Konzepte im Schriftverkehr mitunter auch blieben – sollten das Handeln Dritter berechenbar machen und gemeinschaftliche Geschäfte oder Kooperationen ermöglichen. Die Konzepte von ehrbaren Akteuren und ehrenwertem Handel basierten in der Geschäftskorrespondenz auf einem breiten Konsens. Sie wurden nicht hinterfragt oder in ihrer (religiösen oder säkularen) Grundlegung diskutiert. Gerade die Offenheit und Unschärfe der Konzepte ermöglichte offenbar Kooperation, da sie einen breiten Konsens erlaubte und sich daraus ein Verhandlungsspielraum in spezifischen Interaktionssituationen generieren ließ. Es ist anzunehmen, dass die hier skizzierten und analysierten Akteurskonzepte Rückwirkungen auf das Handeln der Speyerer Kaufleute in ihrer alltäglichen Geschäftstätigkeit hatten. So konnte bereits nachgewiesen werden, dass abweichendes Verhalten von den kommunizierten Normen und Idealen Sanktionen auslösen konnte, die zu einem kollektiven Ausschluss von ökonomischen Transaktionen führen konnten. Dieser Zusammenhang wird im Fortgang der Studie, bei der Beschäftigung mit konkreten Geschäftsabläufen, konkreter untersucht. Das ökonomische Denken im Korrespondenzschriftgut der Speyerer Kaufleute war akteurszentriert – in seinem Mittelpunkt stand ein unternehmerisch tätiger Akteur, dem sein Handelshaus und die ihm hierarchisch unterstellen Akteure oder Akteurinnen zuarbeiteten. Für Außenstehende trug er die Alleinverantwortlichkeit für die ökonomischen Tätigkeiten der Organisation. Der geringe Raum, der den Organisationsformen und in dieser involvierten Akteuren oder Akteurinnen innerhalb der Korrespondenz eingeräumt wurde, entsprach der Konzeptionierung von Geschäftsbeziehung als vertrauensbasierten Freundschaften zwischen ‚ehrbaren Kaufleuten‘. Dieser Beziehungsentwurf bezog sich auf zwei konkrete Personen. Und doch sind im frühen 19. Jahrhundert bereits Verselbständigungsprozesse bezogen auf die Handelshäuser von Scharpff und Lichtenberger festzustellen. Die Organisation wurde nicht mehr allein durch die Person an ihrer Spitze definiert, sondern auch zunehmend als auf Arbeitsteilung basierender Organismus wahrgenommen, der unabhängig von einzelnen fortbestehen konnte.

5 DIE GESCHÄFTSTÄTIGKEIT IN DER KORRESPONDENZ Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit konkreten ökonomischen Praktiken und Transferprozessen in der Alltagskorrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Die Quellen werden dabei einerseits daraufhin befragt, welche Auskünfte sie über die alltäglichen Geschäftstätigkeiten geben – welchen Geschäften die Akteure in welchem Maße nachgingen und wie sie abgewickelt wurden. Andererseits werden die Geschäfts- und Kommunikationspraktiken in den Blick genommen. Beides ermöglicht es, den Blick zu schärfen für die Handlungszwänge und -spielräume der Akteure bzw. für die Bindekraft und Wirksamkeit des historischen Institutionensettings. Dies hilft, die Strukturen und Funktionsmechanismen der Wirtschaft im frühen 19. Jahrhundert zu verstehen. Das Kapitel ist inhaltlich nach den Geschäftstätigkeiten der Handelshäuser gegliedert. Zunächst beschäftige ich mich mit den Informationsflüssen und Formen der Informationsweitergabe bzw. -beschaffung als Grundlage jeglichen überlokalen ökonomischen Engagements (Kapitel 5.1). Im Anschluss daran widme ich mich den getätigten Rohstoff- und Wareneinkäufen der Unternehmen (Kapitel 5.2), dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen (Kapitel 5.3.) sowie der Kapitalakkumulation und den Finanzflüssen der Unternehmen (Kapitel 5.4). 5.1 INFORMATIONSFLÜSSE UND DIE ERSCHLIESSUNG VON MÄRKTEN Entscheidungs- und informationstheoretische Ansätze der Unternehmertheorie, die nach wie vor in der Unternehmensgeschichte viel diskutiert und rezipiert werden, sehen den Unternehmer oder die Unternehmerin als ökonomischen Akteur oder ökonomische Akteurin, dessen oder deren zentrale Tätigkeit die Agglomeration und Verarbeitung von Informationen und das darauf aufbauende Treffen von Entscheidungen ist. Ein erfolgreicher Unternehmer oder eine erfolgreiche Unternehmerin ist demnach ein Spezialist oder eine Spezialistin der Informationsverarbeitung. Informationen bilden die Grundlage jeglichen ökonomischen Engagements.1 Dies ist anschlussfähig an den hier genutzten Theorieansatz des Akteurszentrierten Institutionalismus in Kombination mit der „evolutorisch-verhaltenstheoretischen Perspektive“2 des Ökonomen Viktor Vanberg. Vanberg nimmt an, dass der Akteur oder die Akteurin sich stetig in Situationen befindet, in denen er oder sie Probleme lösen muss – dabei wägt er oder sie auf Basis seines oder ihres subjektiven Wissens über die komplexe Welt ab, beeinflusst durch persönliche 1 2

Vgl.: Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte, S. 39–41, oder: Casson, Mark: Der Unternehmer. Vanberg, Viktor: Rationale Wahlhandlung, Regelorientierung und Institutionen.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

145

Präferenzen und Ziele sowie die beschränkte Aufnahme- und Verarbeitungskapazität des Menschen.3 Eine zentrale Frage zum Verständnis der Wirtschaftsentwicklung der Neuzeit und der ökonomischen Praktiken bildet die Frage nach der „Markttransparenz“4. Diese Transparenz wird und wurde über Informationsflüsse und somit grundsätzlich über Kommunikation als Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt. Das Kerngeschäft von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co., der Großhandel mit Tabak und Wein, war angewiesen auf die Erschließung weiträumiger Absatzmärkte. Trotz der vorangegangenen ‚Kommunikationsrevolution‘ der Frühen Neuzeit agierten die Unternehmen verglichen mit dem 21. Jahrhundert auf einem intransparenten Markt. Es waren in weit geringerem Maße Informationen über Händler, Produzenten und ihre Waren und Produkte sowie über die Bedürfnisse der Konsumenten oder Konsumentinnen überregional verfügbar.5 Die Speyerer Kaufleute waren daher auf die aktive Generierung und Sammlung von Informationen über Marktbedingungen ebenso angewiesen wie auf eine dem historischen Institutionensetting angepasste Außenkommunikation oder Werbemaßnahmen, um ihre Aktivitäten sichtbar zu machen und Abnehmer oder Abnehmerinnen für ihre Waren und Dienstleistungen zu finden. Der Historiker Rainer Liedtke hat in seiner Studie zu den Kommunikationswegen und -praktiken des Bankhauses N M Rothschilds & Sons in London herausgearbeitet, dass im frühen 19. Jahrhundert „die reine Erhältlichkeit von Informationen“6 noch stark im Vordergrund der Kommunikation des Bankhauses stand – als Basis zur Erschließung eines überregionalen Handlungsfeldes. In jener Zeit nahmen Fernhandelshäuser und Bankiers neben Regierungen oder Verwaltungsinstitutionen eine besondere Rolle ein, da sie „über einen eng begrenzten lokalen Rahmen hinausgehende Informationen erhalten und nutzen konnten“.7 Sie gehörten damit zu einer exklusiven Gruppe innerhalb der Wirtschaft, während die Masse der Akteure und Akteurinnen auf ihr direktes Umfeld beschränkt blieb. Fernkaufleute und Bankiers waren auf diese Informationen aber auch in besonderem Maße als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage angewiesen. In den Briefkopierbüchern von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lassen sich vielfältige Informationsflüsse über Marktbedingungen und Maßnahmen der Informationsbeschaffung oder -weitergabe analysieren. Diese Informationsflüsse stehen im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Hierbei frage ich danach, welche Informationstransfers sich in den Schreiben fassen lassen und wie die Informationsübermittlung oder der kommunikative Austausch durch das historische Institutionensetting geprägt wurde. Damit verbunden sind die Fragen, wie und in welchem Umfang Informationen in der schriftlichen Korrespondenz weitergegeben wurden, welche Schreibpraktiken dem zugrunde lagen und welche Rolle die Geschäftskor-

3 4 5 6 7

Vgl.: Kapitel 1.3. Wischermann, Clemens: Die institutionelle Revolution in Deutschland, S. 122. Vgl.: Ebd. Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons, S. 1. Ebd., S. 1.

146

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

respondenz als Informationsquelle für die Orientierung auf überregionalen Märkten überhaupt spielen konnte. Bevor ich die Quellen differenzierter analysiere, widme ich mich im ersten Unterkapitel (Kapitel 5.1.1.) den Marktverhältnissen mit einem besonderen Fokus auf Informationsflüssen. Diese Kontextualisierung ermöglicht es, die Bedeutung der ökonomischen Alltagskorrespondenz als Informationslieferant einzuschätzen. Im Fortgang gliedere ich das Kapitel inhaltlich nach den weitergegebenen Informationen in den Briefkopierbüchern. In den ersten drei Unterkapiteln nehme ich die Informationen über die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens in den Blick, die in die Kontore ‚flossen‘. Hier frage ich zunächst nach den Informationsflüssen über die formellen Institutionen der Wirtschaft, die sich vor allem in der staatlichen Wirtschaftspolitik und Gesetzgebung manifestierten (Kapitel 5.1.2). Im dritten Unterkapitel widme ich mich den Informationsflüssen über Angebot und Nachfrage sowie über Marktakteure und -akteurinnen (Kapitel 5.1.3). Im vierten Unterkapitel frage ich schließlich nach den Informationen, die die Kaufleute aktiv über sich und ihre Geschäftstätigkeit weitergaben und untersuche den Briefverkehr auf die Praktiken hin, mit denen die Akteure und Akteurinnen versuchten, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und ihre Geschäfte zu bewerben (Kapitel 5.1.4). 5.1.1 Informationsflüsse in der Wirtschaft Im frühen 19. Jahrhundert blieb ein Großteil der Wirtschaft in den deutschen Territorien noch lokal organisiert, im Kontext von städtischen Zunftsystemen und obrigkeitlichen Marktordnungen.8 Märkte bildeten im frühneuzeitlichen Denken räumlich und zeitlich konkret begrenzte Organisationsformen wirtschaftlicher Transaktionsprozesse, die durch obrigkeitliche Vorgaben reglementiert wurden – zu denken ist hierbei an städtische Wochenmärkte für die ländliche Umgebung oder Jahrmärkte und Messen, die stärker überregionale Anziehungskraft für Handel- und Gewerbetreibende entwickeln konnten. Wettbewerb konnte hier oft nur eine untergeordnete Rolle spielen. Besonders Jahrmärkte bildeten den „Höhepunkt des saisonalen Lebens“.9 Auf ihnen erweiterte sich das Warenangebot durch Externe erheblich und es kam, wie die Neuzeithistorikerin Heidrun Homburg es für Leipzig im 18. und 19. Jahrhundert beschrieben hat, bei einer zeitlich begrenzten Lockerung der zünftigen Verkaufs- und Handelsbeschränkungen in höherem Maße zu Konkurrenzverhältnissen.10 Die Vorstellung eines (freien) Marktes als „theoretisches Modell“,11 das räumlich und zeitlich endgrenzt und potenziell global gedacht werden kann, entwickelte 8 9 10 11

Vgl.: Zu neuen Perspektiven auf die Rolle des Zunftwesens, dass nicht mehr grundsätzlich als marktfeindlich angesehen wird, vgl.: Müller, Margrit / Schmidt, Heinrich R. / Tissot, Laurent: Regulierte Märkte – Marchés régulés. Wischermann, Clemens: Die institutionelle Revolution in Deutschland, S. 103. Vgl. zum Messewesen: Homburg, Heidrun: Werbung – „eine Kunst, die gelernt sein will“, S. 29 f.; sowie allgemein zu Märkten in der vorindustriellen Wirtschaft: Malanima, Paolo: Europäische Wirtschaftsgeschichte, S. 213–232. Wischermann, Clemens: Das institutionelle Arrangement vorliberaler Gesellschaften, S. 34.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

147

sich erst allmählich. In einem „jahrhundertelangen Prozeß“12 setzte sich ein liberales Marktsystem durch, das erst durch ein sich wandelndes Institutionensetting ermöglicht wurde. In der Pfalz – wie auf dem gesamten linken Rheinufer, das vor 1814 unter französischer Herrschaft gestanden hatte – wandelten sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft früher als in anderen deutschen Regionen zugunsten eines liberaleren Wirtschaftssystems. Doch auch hier blieb das wirtschaftliche Leben der Bevölkerungsmehrheit zunächst kleinräumig organisiert und traditionell strukturiert. Nahrungsmittel und alltägliche Gebrauchsgüter wurden auf den regionalen Wochenmärkten gehandelt oder durch reisende Kleinkrämer oder -krämerinnen in ländlichen Gebieten vertrieben.13 Die gesetzliche Liberalisierung führte zwar zu erweiterten Handlungsspielräumen, inwiefern diese aber kurzfristig genutzt werden konnten oder genutzt wurden und zu einer Veränderung der Marktstruktur führten, bildet eine Frage, zu deren Beantwortung in Zukunft noch weitere Forschungen notwendig sind. Der weite Kommunikations- und Aktionsradius von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. veranschaulicht, dass die Gewerbeund Handelstreibenden vom linken Rheinufer weiterhin im Kontext zünftiger und stärker reglementierten Marktsphären agierten, bedenkt man die erst langsame Durchsetzung der Gewerbefreiheit in den Staaten des Deutschen Bundes, die bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts andauerte.14 Und doch bildete der sich in der Frühen Neuzeit ausweitende Fernhandel einen Motor für die Entwicklung abstrakter, tendenziell zeit- und raumunabhängiger Märkte.15 Seit dem 17. Jahrhundert entwickelten sich in gebildeten Kreisen Ideen und Initiativen zur Steigerung der Informationsflüsse auf Märkten. Von kameralistischen Vordenkern im deutschsprachigen Raum, die um eine Fortentwicklung der territorialen Wirtschaft zur Generierung von Staatseinnahmen bemüht waren, wurde über die Möglichkeiten zur aktiven Schaffung überregionaler Märkte diskutiert. Diese sollten durch verstärkte Informationsflüsse überschaubar und für die Allgemeinheit zugänglich werden. Zur Belebung der Wirtschaft wurde „der Entwicklung des Verkehrs zwischen Produzenten und Konsumenten sowie der Förderung des Handels und insbesondere des Binnenhandels entscheidende Bedeutung“16 beigemessen. Dem Handel kam eine Schlüsselrolle in einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft zu. Er war Vermittler zwischen räumlich getrennten Akteuren und Akteurinnen. Diese Hochschätzung des Handels führte zur Entwicklung von Maßnahmen, die den „Prozeß der Marktbildung“17 durch eine Steigerung der Informationsflüsse von staatlicher Seite intensivieren sollten. Von den Kameralisten gefor12 13 14 15 16 17

Ebd. Zu Formen des Handels und zur Bedeutung regionaler Märkte in der Vorderpfalz, vgl.: Boll, Karl Otto: Verkehrswesen und Handel an der mittleren Haardt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, S. 58 f. Vgl.: Kaufhold, Karl Heinrich: Gewerbefreiheit und gewerbliche Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert, S. 85–101, sowie: Quante, Christoph: Die geistesgeschichtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland, S. 36–103. Vgl.: Wischermann, Clemens: Das institutionelle Arrangement vorliberaler Gesellschaften, S. 34. Homburg, Heidrun: Werbung – „eine Kunst, die gelernt sein will“, S. 20. Ebd.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

derte Maßnahmen waren die Herausgabe von Intelligenz- oder Anzeigeblättern und die Errichtung eines Netzes von „Intelligenz-Kontoren“,18 in denen Informationen gesammelt und Auskünfte gegeben werden sollten. Allgemein wurden mit einem aufklärerischen Impetus viele Maßnahmen befürwortet, welche die Informationsflüsse erhöhen sollten, wie Anzeigetafeln oder Ausrufungen.19 Das 18. Jahrhundert war in vielen Territorien geprägt von obrigkeitlichen Anstrengungen zur Hebung des Wirtschaftslebens. Aus herrschaftlichen Initiativen entwickelte sich vielerorts ein Intelligenzwesen, das zur Ausbildung eines „permanenten, nicht mehr an feste Orte, Zeiten und Personen gebundenen Markt“20 beitragen sollte.21 Doch vorerst blieben die Maßnahmen regional begrenzt und variierten je nach Region und Zeit.22 Daraus ergibt sich die Frage, welche Informationskanäle den Speyerer Kaufleuten für ihr ökonomisches Engagement im frühen 19. Jahrhundert zur Verfügung standen und welche Funktion dabei die Geschäftskorrespondenz einnahm. Um dies zu beurteilen, lohnt ein Blick auf die vorhandenen Informationsmedien, die für die wohlhabenden Bürger und Bürgerinnen der Stadt verfügbar waren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der mündlichen Kommunikation, die vor allem regional, aber auch auf Reisen, vielfältige Informationen zur Orientierung auf Märkten liefern konnte, und der schriftlichen Kommunikation über Briefe sowie Zeitungen und Buchpublikationen. Auf Ebene der schriftlichen Kommunikation trat neben die ökonomische Alltagskorrespondenz der private Briefverkehr besonders im familiären Umfeld, in dem Adelheid von Saldern in ihrer Studie zu den Schoeller-Häusern vielfältige Informationsflüsse zwischen Unternehmern zu politischen und ökonomischen Themen nachweisen konnte.23 Inwieweit eine private Korrespondenz in umfangreichem Maße auch im Fall von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger praktiziert wurde und welche Informationsflüsse sie bot, kann auf Basis der Unternehmensnachlässe nicht rekonstruiert werden. Anhand der Briefkopierbücher lässt sich allerdings untersuchen, in welchem Maße Presse- und Verlagserzeugnisse von den Kaufleuten genutzt wurden. Das Pressewesen und seine Leserschaft waren – auch aufgrund einer wachsenden Alphabetisierung der Bevölkerung – bereits im 18. Jahrhundert stark expandiert. Unter Napoleon und ebenfalls unter der restaurativen Politik der Staaten des Deutschen Bundes wurde die Presse zwar reglementiert und zensiert, sie behielt jedoch als öffentlicher Informationskanal eine zentrale Stellung für Handel- und Gewerbetreibende.24 Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. waren nach18 19 20 21 22

23 24

Ebd., S. 22. Ebd. Ebd., S. 21. Vgl.: Ebd., S. 20–25. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich private Auskunfteien, die sich auf die Informationsbeschaffung über Marktakteure bzw. -akteurinnen und Marktbedingungen spezialisierten und Informationen gegen Geld als Dienstleistung zur Verfügung stellten, vgl.: Frevert, Ute: Vertrauensfragen, S. 104–106. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 251–270. Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 78–214.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

149

weißlich Leser einschlägiger Literatur und regionaler25 wie auch überregionaler Zeitungsorgane. Dies belegen Zeitungsausrisse26 und Bezugnahmen auf Zeitungsausgaben27 oder einzelne Artikel28 in den Geschäftsbriefen. Regional boten die Amts- und Intelligenzblätter für den Rheinkreis ab 1816 zentrale Medien.29 In ihnen publizierten die bayerische Regierung in München ebenso wie regionale Verwaltungsinstanzen der Provinz Gesetzeserlässe und offizielle Bekanntmachungen. Zudem begann sich hier ein lokaler Immobilienmarkt zu konstituieren, da regelmäßig durch Notare vollzogene Versteigerungen, Verpachtungen und Vermietungen inseriert wurden. Mit der Zeit wurden in die Amts- und Intelligenzblätter auch politische Nachrichten aufgenommen. Mit der Einführung eines eigenständigen Intelligenzblattes ab 1818 erweiterte sich das Informationsangebot. In verstärktem Maße wurden nun Nachrichten aus der Region publiziert. Die thematisch breitere Aufstellung blieb auch nach 1831 erhalten, als Amts- und Intelligenzblatt wieder zusammengeführt wurden. Auch die Nutzung durch staatliche Verwaltungsinstanzen hatte sich inzwischen ausgeweitet. Neben Gesetze und Erlässe traten nun Artikel in aufklärerischem oder belehrendem Ton, die die Bevölkerung zum Beispiel über landwirtschaftliche Themen, Gefahrenpotentiale im Alltag oder Krankheiten aufklären sollten.30 Darüber hinaus wurden personelle Veränderungen in der Beamtenschaft und die Erteilung neuer Gewerbeprivilegien angekündigt. Das Amts- und Intelligenzblatt unterrichtete außerdem über die Kurse der bayerischen Staatspapiere oder regionale Marktpreise für Grundnahrungsmittel (Getreide, Mehl, Brot und Fleisch). Für die Bewohner Speyers bildete daneben das „Speyerer wöchentliche Anzeige-Blatt“, das zumindest in den 1820er Jahren regelmäßig erschien, ein wichtiges Informationsmedium.31 Über das Anzeigeblatt, in dem auch Privatpersonen 25

26 27 28 29

30 31

Viele Zeitungsorgane der Pfalz aus dem 19. Jahrhundert sind mittlerweile zumindest teilweise digitalisiert und im Internet verfügbar, vgl. folgende Übersichten von Digitalisaten im Netz: http://de.wikisource.org/wiki/Pfalz/Zeitungen (Aufruf: 06. 01. 2015) oder http://wiki-de.genea logy. net/Digitale_historische_Tageszeitungen (Aufruf: 06. 01. 2015). Die Zeitungen sind vorrangig in der Digitalen Sammlung der Staatsbibliothek Bayerns (vgl. https://www.bsb-muenchen.de/ literatursuche/digitale-sammlungen/(Aufruf 06. 01. 2015)) oder in der Sammlung digitalisierter Bücher von Google zu finden. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 46, Fol. 121 und Nr. 47, Fol. 532. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 7, Fol. 415; Nr. 13, Fol. 229 oder Nr. 14, Fol. 42. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 759. Die Bezeichnung dieser Blätter wandelte sich im Untersuchungszeitraum. Erschien zunächst ein „Amtsblatt für das Königlich-Baierische Gebiet auf dem linken Rheinufer“ (1816/1817), so firmierte es in der Folgezeit zunächst als „Amtsblatt der Königlich-Baierischen Regierung des Rheinkreises“ (1818–1830), danach als „Amts- und Intelligenzblatt der königlich-bayerischen Regierung des Rheinkreises“ (1831–1837) und schließlich als „Königlich bayerisches Amtsund Intelligenzblatt für die Pfalz“ (1838–1853). In den Jahren 1818 bis 1830 erschien parallel das „Intelligenz-Blatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises“. Dieses wurde 1831 mit dem Amtsblatt zusammengelegt. Vgl.: Amts- und Intelligenzblatt des Königlich Bayerischen Rhein-Kreises, Nr. 7 vom 03. 02. 1831, S. 35 f. Das Anzeigeblatt ist wesentlich schlechter überliefert als die offiziellen Amts- und Intelligenzblätter und seine Geschichte bisher noch nicht aufgearbeitet. – Zu Verweisen im Schriftverkehr

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

oder Gewerbetreibende regelmäßig inserierten, konstituierte sich in umfangreicherem Maße als über die Amts- und Intelligenzblätter ein städtischer Markt – durch die Bekanntmachung von Versteigerungen oder Verkäufen von Immobilien und Waren, Mietangeboten und Angeboten von Dienstleistungen. Zudem wurden in Gaststätten ankommende ‚Fremde‘ namentlich, mit Herkunfts- und Berufsangabe, aufgelistet – hierbei wurden auch durchreisende Unternehmer und Unternehmerinnen erfasst. Am Ende der Zeitung wurden regelmäßig „Fruchtmarktpreise“32 publiziert. Außerdem wurden Geburten und Tode in Speyer namentlich aufgeführt. Hinzu traten auch hier unterhaltsame und belehrende Texte, die als Anleitungen oder Ratschläge einen aufklärerischen Anspruch gegenüber dem Leser oder der Leserin verfolgten. Als politische Zeitung erschien ab 1816 die „Neue Speyerer Zeitung“.33 Sie enthielt vorrangig politische und gesellschaftliche Nachrichten aus dem In- und Ausland, verfügte aber auch über die Möglichkeit der Publikation von Anzeigen – wenn diese tatsächlich auch wenig zu finden waren. In der Pfalz wurden auch in anderen Städten phasenweise lokale Blätter herausgegeben, wie die Frankenthaler oder Landauer Wochenblätter in den 1820er Jahren, die von den Speyerer Kaufleuten gelesen wurden.34 In Bayern gaben zudem wirtschaftliche Vereine, oft mit Unterstützung des Staates, Zeitungen heraus. Zu diesen Organen gehörten das „Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Bayern“35 und das „Blatt des polytechnischen Vereins“.36 Im Königreich Bayern sowie in anderen deutschen Territorien existierten darüber hinaus bereits einige auf politische wie wirtschaftliche Themen spezialisierte, überregional veröffentlichte Organe. Um 1827 lasen die Kaufleute von Lichtenberger & Co. beispielsweise die in Bayern erscheinende Allgemeine Zeitung37 und waren Abonnenten der in Mainz erscheinenden Rheinischen Handlungszeitung.38 Auch Mannheimer Zeitungsorgane und „das allgemeine Handelsblatt von Amsterdam“ finden im Briefverkehr vereinzelt Erwähnung.39

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36

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von Scharpff und Lichtenberger auf das Anzeigeblatt, vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 46, Fol. 121 und Nr. 47, Fol. 532, Ebd., Nr. 46, Fol. 121. Vgl. zur Neuen Speyerer Zeitung: Müller, Herbert Friedrich: Johann Friedrich Butenschoen. Als Verweis darauf, dass dieses von den Kaufleuten gelesen wurde, vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 415. Zur Erwähnung im Briefverkehr, vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 42. Das Blatt erschien seit der Gründung des pfälzischen Kreiskomitees des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern 1818. Der Verein entstand auf staatliche Initiative, die ersten Gründungsmitglieder waren vorrangig regionale Beamte, vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 269 f. Der Polytechnische Verein Bayerns wurde 1815 in München gegründet und war stark durch die bayerische Regierung und das Beamtentum beeinflusst. Auch Speyerer waren Mitglieder im Verein, allerdings in viel geringerem Maße als zum Beispiel Augsburger oder Münchner, vgl.: Fisch, Stefan: Polytechnische Vereine im ‚Agriculturstaat‘ Bayern bis 1850, S. 546 f., 548 und 575. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 12, Fol. 591. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 240. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 676 f.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Neben Zeitungsorganen nutzten die Kaufleute Kaufmannsliteratur für ihre Geschäftstätigkeit. Das Handelshaus Lichtenberger & Co. erstand im Frühjahr 1817 beispielsweise das „Adress Buch für Kaufleute und Fabrikanten in Europa“ und „jenes der vollständigen Handlungs Wissenschaft“ bei der königlich privilegierten Handlungszeitung in Nürnberg gegen eine Zahlung von 13,12 fl.40 Während ersteres Auskunft über potenzielle Interaktionspartner und -partnerinnen auf den europäischen Märkten gab, bot das zweite ein Nachschlagewerk für kaufmännisches Wissen. Darüber hinaus nahmen die Kaufleute an den literarischen oder politischen Publikationen ihrer Zeit Anteil, wenn sie sich beispielsweise den 1829 erschienen „Kaisergruß“41 des Johannes von Geissel42 oder das „Denkbuch der Französischen Revolution“43 von Franz Eugen Freiherr von Seida und Landsberg von 1817 zusandten.44 Die Unübersichtlichkeit des Buchmarktes und die Kosten beim Kauf von Büchern oder beim Abonnement von Zeitungen führten dazu, dass die Kaufleute Publikationen untereinander weitergaben oder füreinander in Erfahrung brachten, wo es bestimmte Druckwerke zu kaufen gab. So brachten Lichtenberger & Co. 1830 in Speyer für das Handelshaus in der Rheinschanze nach einer Anfrage in Erfahrung, wo „das Buch über die Essigwaschung zu bekommen“45 wäre. Zugang zu Medien hatten die Kaufleute auch über gemeinschaftliche Abonnements mit anderen Handelshäusern46 oder über das städtische Vereinswesen, wie zum Beispiel über die Lesegesellschaft47 und später über die Bibliothek der Harmoniegesellschaft.48 Der Kaufmann und Manufakturbesitzer des frühen 19. Jahrhunderts kann somit im urbanen Kontext als vielfältig informiert angesehen werden. Über Printpublikationen erhielt er Informationen über die Ausgestaltung und Veränderungen des formellen Institutionensettings, aber auch über zahlreiche gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungsprozesse in Mitteleuropa. Doch wie zuverlässig und zeitnah konnten Zeitungen und Bucherzeugnisse Informationsbedürfnisse decken? Rainer Liedtke schätzt die Informationen über Presseerzeugnisse als für die Bedürfnisse des international agierenden Londoner Bankhauses N M Rothschild & Sons als einen „höchst unsichere[n]“ Informationskanal ein. Er konnte anhand der Korrespondenz des Bankhauses herausarbeiten, dass die über Geschäftspartner und -partnerinnen – in seiner Studie als „Agenten“49 definiert – generierten Informati-

40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Ebd., Fol. 325. Geissel, Johannes: Der Kaiser Gruss. Haaß, Robert: „Geissel, Johannes von“, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 157 f. Seida und von Landensberg, Franz Eugen J. A. von: Denkbuch der Französischen Revolution. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 42. Ebd., Fol. 567. Ebd., Nr. 10, Fol. 1096: Philipp Markus Lichtenberger teilt sich um 1825 ein Abonnement der Allgemeinen Zeitung mit einem Speyerer Kaufmann der Familie Freytag und Casimir Lichtenberger. Bei Joh. Hein. Scharpff wird 1816 eine Zahlung an die Lesegesellschaft abgerechnet, vgl.: Ebd., Nr. 39, Fol. 613. Vgl.: o. A.: Die Geschichte der Harmonie-Gesellschaft Speyer. Zur Definition der Agenten, vgl: Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons, S. 1 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

onen zeitnaher und zuverlässiger eintrafen und besser den spezifischen Informationsbedarf deckten.50 Vergleicht man die Kommunikationsprozesse im Umfeld des Bankhauses Rothschild in London und der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in Speyer, so waren die Informationsbedürfnisse des Bankhauses (geografisch) weitaus umfangreicher und die Bankhäuser waren auf eine höhere Geschwindigkeit im Informationstransfer angewiesen. So setzten sie unter anderem eigene Reiter ein, um Briefe schnell über weite Strecken zu transportieren, während für die Speyerer Kaufleute die gewöhnliche Post und lokale Transporteure offenbar ausreichend waren. Sie unternahmen keine Anstrengungen zum Aufbau einer eigenen Informationsinfrastruktur. Im alltäglichen Handelsgeschäft der Kaufleute passte sich die Geschwindigkeit der Geschäfte in stärkerem Maße an die der Allgemeinheit zugänglichen Möglichkeiten des Transports von Informationen an.51 5.1.2 Kommunikation über Politik im Ausnahmezustand Bei der Durchsicht der Geschäftskorrespondenz aus den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers wird deutlich, dass über die politische Lage in den mitteleuropäischen Staaten und die damit einhergehenden Wandlungsprozesse in den formal-institutionellen Rahmenbedingungen der Wirtschaft kaum nennenswert geschrieben wurde. Die Schreibpraxis zeigt vielmehr, dass vorausgesetzt wurde, dass die Adressanten und Adressatinnen sich über publizistische Kanäle und ihr soziales Umfeld informierten. Die etablierten Informationsmedien, die Reisetätigkeiten, das private Briefeschreiben und der persönliche Austausch ermöglichten im Geschäftsbrief eine Fokussierung auf wirtschaftliche Themen, die in direktem Zusammenhang mit den alltäglichen Abläufen standen. Verweise auf oder Fragen nach Veränderungen des formellen Institutionengefüges finden sich nur als Randbemerkungen oder nachgestellte Fragen sowie als gelegentliches Werbeargument – um auf günstigere Kostenstrukturen beim Warenversandt hinzuweisen.52 In der Geschäftskorrespondenz aus den Speyerer Kontoren wurde die Wirtschaftsgesetzgebung als bindend kommuniziert.53 Aus ihr ergaben sich ökonomische Handlungsspielräume oder Einschränkungen. Das Wissen um zukünftige Veränderungen konnte einen Marktvorteil darstellen – oder zumindest konnte es ein Nachteil sein, wenn politische Entwicklungen zu spät wahrgenommen wurden. Entsprechend lassen sich im Kontext von Veränderungsprozessen im formalen Institutionensetting im Schriftverkehr Anpassungen der Geschäftstätigkeit feststellen. Besonders in den Jahren 1814 bis 1816, unter österreichisch-bayerischer Verwaltung, und in der Folgezeit, bei der allmählichen Neuordnung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch das Königreich Bayern, zeugen die Briefe von stetigen 50 51 52 53

Vgl.: Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons, S. 1 f. Vgl.: Ebd., S. 60–68. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 166 f. und Nr. 52, Fol. 1. In der Korrespondenz finden sich bei Anfragen für Geschäfte zum Beispiel Ablehnungen mit dem Verweis auf die geltende Gesetzgebung, vgl. z. B.: Ebd., Nr. 14, Fol. 166 f.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Umorientierungen. Diese betrafen die Abwicklung und Ausgestaltung der laufenden Geschäfte ebenso wie Geschäftsgründungen oder die Erschließung von Geschäftsfeldern. Im Vorfeld der Errichtung von neuen Außenzollgrenzen oder der Hebung von Zollsätzen wurden durch die Kaufleute Hamsterkäufe vorgenommen, um für die eigenen Rohstoffeinkäufe die besseren Bedingungen auszunutzen.54 Oder es wurden Warenversendungen erst nach der Inkraftsetzung von Zollvergünstigungen oder der Abschaffung von Zöllen und Steuern durchgeführt, um Kosten zu sparen.55 Ab 1819 richteten die Kaufleute ihre Handelsgeschäfte an den Gesetzen zur zollrechtlichen Vergünstigung pfälzischer Waren beim Handel mit Bayern – bzw. später dem Süddeutschen Zollvereinsgebiet – aus.56 Die Zollgesetzte gestatteten eine vergünstigte Einfuhr pfälzischer Weine, sofern die Kaufleute sich auf den Handel mit Produkten aus dem Rheinkreis beschränkten. Es war ihnen nicht gestattet Lager von „ausländischen Getränken“57 zu halten, was vonseiten der Verwaltung überwacht wurde. Die Gesetzgebung wirkte hier einschränkend, da Lichtenberger & Co. auf ihnen angetragene Geschäfte mit nichtpfälzischen Weinen nicht mehr eingingen.58 Gesetzliche Wandlungsprozesse führten bei den Kaufleuten auch zur Erschließung neuer Geschäftsfelder zum Beispiel durch die kooperative Neugründung von Unternehmen. In den Jahren 1814 und 1815 bemühten sich die Kaufleute in Kooperation mit weiteren Speyerer Wirtschaftsbürgern um den Aufbau eines regionalen Salzhandelsgeschäfts – unter Ausnutzung neuer, sich durch die politischen Umstrukturierungsprozesse ergebender Handlungsspielräume. Um den Markt von der Angebotsseite her weitgehend zu besetzten, bemühten sie sich um ein Privileg der französischen Verwaltung für den „ausschließlichen Verkauf von 3 Salinen in Frankreich“.59 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Salzhandel veränderten sich jedoch in kurzer Zeit mehrfach. Nachdem Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger die Monopolisierung des Salzhandels aus Frankreich nicht gelungen war, wurde der Handel zunächst von zahlreichen „Hausieren“ betrieben, die ihr Salz „selbst an der Quelle“ erwarben und es im Kleinen weitervertrieben.60 Die Speyerer Kaufleute nahmen daher Abstand von diesem Geschäftszweig, konnten im Fortgang des Jahres 1815 jedoch, als der Salzhandel aus den französi54 55 56 57 58

59 60

Vgl.: Schreiben Scharpffs nach Amsterdam mit der Bitte um schnellen Versandt, um der Entstehung eines „Mauth-Büreaus“ zuvor zu kommen, siehe: StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 71 f. Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 97 f. Zu den stetigen Modifizierungen im Zolltarif Bayerns bzw. den Privilegierungen der Pfalz bei der Einfuhr von Waren in die Kernlande, vgl. die Gesetzeserlässe in den Amtsblättern der königlich-bayerischen Regierung des Rheinkreises der Jahre 1819 bis 1828. StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 166 f. Auch im Hinblick auf andere Gesetze lehnten die Kaufleute Geschäfte ab, zum Beispiel 1830 ein Tabakhandelsgeschäft, in denen ein Münchner Geschäftspartner die Kaufleute bat, von ihm in der Pfalz lagernde Tabake als die ihren auszugeben und zollbegünstigt nach Bayern einzuführen, vgl.: Ebd., Fol. 871 f. Ebd., Nr. 37, Fol. 680. Ebd., Fol. 777.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

schen Gebieten aufgrund der Eingliederung der Pfalz in die deutschen Territorien an Bedeutung verlor, Salz in großen Mengen aus den Niederlanden importieren. Hiermit gelang ihnen der Aufbau eines lukrativen Handelszweiges, da das Salz in der unterversorgten Region reißenden Absatz fand. Der neue Geschäftszweig musste kurze Zeit später, nach der Einführung eines staatlichen Salzhandelsmonopols, allerdings wieder aufgegeben werden.61 Der Briefverkehr der Handelshäuser dokumentiert an diesem Beispiel die konkreten Auswirkungen von Veränderungen im formal-institutionellen Setting auf die Beurteilung der Marktsituation durch die Akteure. Der Umgang mit dem formalen Institutionensetting wurde nicht allein durch das Studium diverser Publikationen erleichtert. Auch die spezifische Arbeitsteilung innerhalb der Wirtschaft und die gängigen Praktiken beim Warenhandel erleichterten den Umgang mit dem komplexen Institutionensetting. So griffen die Kaufleute zum Warenversandt auf selbständige Fuhrleute, Schiffer oder Schifferinnen und Spediteure oder Spediteurinnen zurück, die in bestimmten Regionen oder auf einzelnen Transportrouten verkehrten und für diese stets über die notwendigen Kenntnisse zu Beispiel zur Zoll- und Abgabentarifen und zur Handelspolitik einzelner Staaten verfügten. Diese wurden so zu Experten des institutionenkonformen Warentransports.62 Ein weiterer Grund, warum formal-institutionelle Veränderungen nur sehr knapp in der Geschäftskorrespondenz thematisiert wurden, ist in der von den Kaufleuten angestrebten Sachlichkeit in der Korrespondenz – das heißt der Bezogenheit auf das ökonomische Alltagsgeschäft – zu suchen. Diese unterstützte die schnelle und effiziente Abwicklung vielfältiger, überregionaler Transaktionen. Die Schreiber oder Schreiberinnen der Geschäftsbriefe gaben zwar mitunter kurze Einschätzungen ab, welchen Einfluss politische Veränderungen aus ihrer Sicht auf das Marktgefüge haben würden63 oder sie verwiesen im Geschäftsablauf auf sich veränderte Institutionensettings.64 Dabei berichteten sie aber weder ausführlich und noch äußerten sie sich dazu, welche politischen Lösungen und Ziele sie präferierten. Eine quantitative Bestandsaufnahme der Vermerke über formal-institutionelle Wandlungen in den Briefkopierbüchern Scharpffs und Lichtenbergers zeigt auf, dass die Informationsflüsse im Verlauf der Zeit unterschiedlich ausgeprägt waren. In umfangreicherem Maße wurde über die (wirtschafts)politische Lage in tiefgreifenden Umbruchsituationen geschrieben. Dies traf insbesondere auf die Zeit nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft bis zur Integration der Pfalz in das Königreich Bayern zu. In dieser Zeit flossen Informationen über die gängigen Kanäle nur spärlich, wirtschaftliche Fragen blieben vonseiten der Regierungen lange ungeklärt und die Situation war unübersichtlich. In dieser Zeit waren die

61 62 63 64

Näheres zu dem Salzhandelsgeschäft, vgl.: Kapitel 5.4.1. Vgl. zu dieser Geschäftspraktik u. a.: StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 159. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 222: Lichtenberger & Co. geben im September 1829 eine Einschätzung ab, ob die Integration der Pfalz in den „Mauthverband mit Preußen“ (den Deutschen Zollverein) wahrscheinlich ist und welche Auswirkungen dies für den Handel haben würde. Vgl. zur kurzen Mitteilung von Veränderungen bei den Zollabgaben u. a.: Ebd., Fol. 480.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Kaufleute bestrebt, ihre Geschäftskorrespondenz in stärkerem Maße für die Informationsbeschaffung zu nutzen und wurden häufiger gebeten, grundsätzliche Auskünfte über Herrschaftsverhältnisse und die territoriale Wirtschaftsgesetzgebung zu übersenden.65 In den Jahren 1814 bis 1816 äußert sich im vermehrten Auftreten von Nachfragen und der Weitergabe von Informationen eine Unsicherheit in den Kontoren über die wirtschaftspolitische Lage. Unsicherheit herrschte in der Pfalz vor allem über die weitere Zugänglichkeit des französischen Marktes66 und besonders des Elsasses,67 über die Neugestaltung der formellen Rahmenbedingungen durch die Integration der Pfalz in das bayerische Königreich68 sowie über die Verhältnisse in den niederländischen Seehandelsstädten in Bezug auf ihren Handel mit den amerikanischen Kolonien.69 Besonders Kriege, wie der Britisch-Amerikanische Krieg (1812 bis 1816)70 oder die Napoleonischen Kriege auf dem europäischen Kontinent, destabilisierten die formal-institutionelle Ordnung. Das Fehlen von Informationen als Grundlage für Entscheidungen führte beispielsweise dazu, dass Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auf Aufträge, die im Zusammenhang mit dem Grenzgebiet zu Frankreich standen, nicht unmittelbar reagieren konnten. Stattdessen brachten sie des Öfteren über eigene Reisetätigkeiten oder durch Korrespondenz in Erfahrung, wie sich die Situation „an den Gränzen“71 gestaltete. Und auch nach der Herrschaftsübernahme Bayerns und der Klärung der territorialen Verhältnisse auf dem Wiener Kongress und in bilateralen Anschlussverträgen dauerte die Unsicherheit an, da zunächst noch viele Fragen über die Ausgestaltung der Wirtschaftsgesetzgebung offen blieben. Diese betrafen insbesondere die Integration der neuen Provinz des Rheinkreises in den Wirtschaftsraum des Königreiches. Anfang Mai 1816 bekannten Lichtenberger & Co. einem Geschäftspartner in Mainz, Carl Schmitz, gegenüber zum Beispiel, dass sie „erst noch die Dinge die kommen sollen gewärtigen“ müssten, da sie „noch keine neuen Gesetze, den Handel betreffend“ kennen würden.72 Die Kaufleute rechneten fest mit der zeitnahen Integration der Pfalz in das bayerische Außenzollsystem, die jedoch unterblieb – die Pfälzer erhielten ab 1819 lediglich Zollprivilegien bei der Einfuhr ihrer Waren in die bayerischen Kernlande. Im Juni 1816 schrieben die Kaufleute an J. Rhau in Nürnberg in Bezug auf einen Einkauf von bayerischem Tabak beispielsweise, dass die Pfalz nun „definitif baierisch“ sei und die Kaufleute daher sicherlich „keine Mauth mehr zu zahlen haben“ würden.73 Rhau sollte dies in Erfahrung bringen und dafür sorgen, dass die gehan65 66 67 68 69 70 71 72 73

Vgl.: Ebd., Nr. 1 und 2, sowie Nr. 37, 38, 39 und 41. Vgl.: Ebd., Fol. 843 und Ebd., Nr. 2, Fol. 651. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 970 f. und Nr. 38, Fol. 702 f. Ebd., Nr. 1, Fol. 499 f. und Fol. 726. Vgl.: Ebd., Nr. 38, Fol. 810. Zur schwierigen politischen Situation in Amerika und im Kolonialhandel um 1800, vgl.: Heideking, Jürgen / Mauch, Christof: Geschichte der USA, S. 75–86, sowie: Sautter, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 120–133. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 970 f. Ebd., Nr. 1, Fol. 499 f. Ebd., Nr. 2, Fol. 34 f.

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delten Waren frei verkehren konnten. Und selbst im Jahr 1817 erkundigte sich Joh. Hein. Scharpff noch einmal bei seinem Handelspartner in München, ob Weine aus der Pfalz nun zollfrei eingeführt werden dürften.74 Neben der Integration in den Wirtschaftsraum Bayerns beschäftigte die Speyerer Kaufleute auch die Umgestaltung der Zoll- und Abgabengesetzgebung. Besonders die Frage des Aufbaus einer eigenen Zolllinie um den Rheinkreis bildete ein Korrespondenzthema75 – zu deren Errichtung kam es jedoch erst im Jahr 1829.76 Was den französischen Markt anbetraf, stellte sich neben der Frage der weiteren Zugänglichkeit77 auch die Frage, ob in Frankreich das staatliche Tabakmonopol, das in der Pfalz mit dem Ende der französischen Herrschaft obsolet geworden war, weiterbestehen würde. Ihrem Briefverkehr zufolge vernahmen Lichtenberger & Co. 1816, dass die Tabakfabrikation „frey gegeben werden“ sollte und baten ihren Reisenden, einen Herrn Trauth, in der Grenzregion rund um Wissembourg in Erfahrung zu bringen, wie sich die politische Situation entwickelte.78 Sofern die Tabakregie aufgelöst würde, erwarteten die Kaufleute eine steigende Tabaknachfrage auf dem pfälzischen Markt.79 Zwar wurden sie in ihren Erwartungen enttäuscht – die Tabakregie bestand fort – doch beeinflusste diese im Jahr 1817 als Aufkäufer den Markt dadurch, dass sie „dies und jenseits [des Rheins] allen alten Taback zusammen gekauft und mit ungeheuer hohen Preißen bezalt[e]“.80 Es kam trotzdem zu steigenden Preisen.81 Allgemein erscheinen die Jahre 1814 bis 1816 in der Korrespondenz trotz der vorangegangenen Kriege und den politischen Umstrukturierungsprozessen als wirtschaftlich dynamische Zeit, in der die Handelshäuser wie selbstverständlich ihren Warenverkäufen nachgingen und in Briefen häufig über Warenmangel im Verhältnis zur Nachfrage klagten. Dies war zum Beispiel im Bereich des Handels mit Tabaken und Kolonialwaren der Fall. Aufgrund der „eingetretenen KriegsUnruhen“82 im Kontext des Britisch-Amerikanischen Krieges stockte der Kolonialhandel.83 Die geringe Verfügbarkeit von Tabaken auf dem kontinentalen Markt führte zu steigenden Preisen.84 Dies deckt sich mit den Erkenntnissen Werner 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83

84

Vgl.: Ebd., Nr. 42, Fol. 291 f. Ebd., Nr. 2, Fol. 726. Vgl. die zollrechtlichen Bekanntmachungen der bayerischen Regierung in den Amts- und Intelligenzblättern des Rheinkreises von 1828 und 1829. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 702 f. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 639. Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 287. Ebd., Nr. 2, Fol. 610. Zu den Auswirkungen der französischen Tabakregie am Beispiel der Pfalz und des elsässischen Marktes, vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 183–185, sowie: Ellis, Geoffrey: Napoleon’s Continental Blockade, S. 257–260. StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 584. Erst nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft und dem Friedensschluss im britisch-amerikanischen Krieg 1815 fielen Handelsblockaden und -restriktionen weg und die Lage stabilisierte sich zugunsten eines Handels zwischen dem europäischem Kontinent und Amerika, vgl.: Sautter, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 132 f. Vgl.: Vgl.: StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 702 f.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Weidmanns in seiner Studie zur pfälzischen Landwirtschaft, in der er herausarbeiten konnte, dass sich bis 1817 die Preise der Tabake auf dem pfälzischen Markt auf einem hohen Niveau befanden.85 Welche Warenmengen den Kaufleuten in den Speyerer Kontoren zu jener Zeit zur Verfügung standen, lässt sich kaum rekonstruieren. Überliefert ist lediglich ein umfangreiche Tabaklieferung aus dem Jahr 1816 aus dem „Tabacs-Magazin der Hohen Verbündeten Mächte“86 in Nancy an Joh. Hein. Scharpff in einem Umfang von 5.679 kg. Eine gestiegene Nachfrage, die kontinuierlich bedient wurde, lässt sich anhand der Korrespondenz zum Beispiel für Landau nachweisen, die offenbar mit den dortigen Militärstationierungen in Zusammenhang stand.87 In ihrer Alltagskorrespondenz hielten die Kaufleute vermehrt ihre Wareneinkäufer und Zulieferer dazu an, eingekaufte Waren schnell zu übersenden, da sie darauf „pressiert[en]“.88 Die Kaufleute entsandten in dieser turbulenten Zeit Reisende zum Warenverkauf ins französische Nancy89 oder zum Tabakeinkauf nach Amsterdam,90 um eine direktere Kontrolle über die Warenflüsse zu gewinnen und zeitnah handeln zu können. Die ersten Jahre des Untersuchungszeitraumes haben durch die vermehrte Kommunikation über politische Themen und Bezugnahmen auf formell-institutionelle Wandlungsprozesse ein Alleinstellungsmerkmal. Nach der Etablierung der bayerischen Herrschaft in der Pfalz – selbst während der Unruhen des Vormärzes – blieb der Austausch über politische Veränderungen marginal. Nach der Julirevolution in Frankreich findet sich in einem Brief von Lichtenberger & Co. im August 1830 auf eine Anfrage aus München lediglich die Antwort, dass die politische Lage in der Pfalz stabil sei: „In Betreff Frankreichs politischer Lage herscht in unserem Kreise die große Ruhe und wir glauben auch nicht daß solche gestört wird.“91 Das Hambacher Fest wurde in der Korrespondenz nicht thematisiert. Allgemein vermittelt die Korrespondenz der Vormärzjahre das Bild einer stabilen Phase, in der die politischen Unruhen und Ausschreitungen für die Wirtschaft nicht als destabilisierend kommuniziert wurden.92 Die Kommunikationstätigkeit der Kaufleute im Kontor von Lichtenberger & Co. wandelte sich im Kontext der Übernahme einer Agententätigkeit für die Gothaer Feuer- sowie später auch für die Gothaer Lebensversicherungsbank. Das Han85 86 87 88 89 90

91 92

Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 188. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,4. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 180, 364, 417, 448 f. und 510. Ebd., Fol. 641. Ebd., Nr. 37, Fol. 759. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 340 f. – Stefan Gorißen hat am Beispiel der Firma Harkort nachgewiesen, dass Reisen eine besondere Rolle zukam in ökonomisch krisenhaften Zeiten, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Er verweist in diesem Kontext auch bereits auf die schwierige Wirtschaftssituation am Ende der napoleonischen Zeit, vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 223. StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 1006. Zu den politischen Entwicklungen im Vormärz in der Region und im gesamten Königreich Bayern, vgl.: Fenske, Hans: Das Hambacher Fest 1832; Baumann, Kurt: Das Hambacher Fest, sowie: Zorn, Wolfgang: Gesellschaft und Staat in Bayern des Vormärz.

158

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

delshaus übernahm seit September 182193 die Funktion einer Agentur für die im gleichen Jahr gegründete „Versicherung für den deutschen Handelsstand“ in Gotha, später „Feuerversicherungsbank“ genannt. Das deutsche Versicherungswesen befand sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch im Entstehungsprozess. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, wie den Mittelmeerländern, den Niederlanden und England „fehlte in Deutschland bis Mitte des 18. Jahrhunderts die erwerbswirtschaftlich orientierte Versicherung“94 – phasenweise konnten ausländische Versicherungen den Markt besetzten. Die „Gothaer Feuerversicherungsbank für den deutschen Handelsstand“ war eine der ersten deutschen Versicherungen, die territorienübergreifend Kunden und Kundinnen akquirierte.95 Private Versicherungsgesellschaften vertrieben im frühen 19. Jahrhundert neben den gängigen Immobilien- auch erste Mobiliar- und Transportversicherungen und ergänzten damit das Angebot der staatlichen Brandversicherungen. Es war dabei gängige Praxis, dass etablierte Kaufleute im Nebenerwerb den Vertrieb von Versicherungen übernahmen.96 Im Jahr 1831 reichte Philipp Markus Lichtenberger die Agentur der Gothaer Feuerversicherungsanstalt entsprechend an seinen ehemaligen Teilhaber, den Kaufmann Carl Korn, weiter.97 Im Schriftverkehr mit Gotha nahmen die Schreiber oder Schreiberinnen im Kontor von Lichtenberger & Co. stärker die Rolle von Informanten über politische Rahmenbedingungen ein, als dies üblicherweise im Geschäftsschriftverkehr der Fall war. Die Briefe an die Versicherungsgesellschaft ähneln mitunter dem Schriftverkehr mit Reisenden der Handelshäuser, die über Veränderungen in Speyer informiert wurden. Das Agentensystem, mit dem Versicherungsgesellschaften sich überregionale Märkte erschlossen, diente nicht nur dem Vertrieb der Versicherungspolicen.98 Der Agent wurde zu einem umfangreichen Dienstleister, der die Versicherungsgesellschaft – auch in den lokalen Medien – bewarb und für sie die Marktbedingungen beobachtete. Durch den Aufbau fester Kooperationen verstetigten überregional agierende Unternehmen ihre Informationsflüsse und ihre Interessensvertretung.99 Im Zentrum der Kommunikation zwischen Speyer und Gotha über politische Veränderungen stand die sich wandelnde Gesetzeslage für den Betrieb von Versicherungsgesellschaften in einzelnen Territorialstaaten. Die Staaten des Deutschen Bundes verfügten über staatliche Feuerversicherungen, die häufig mit einem Mono93 94 95 96

97 98 99

StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 324. Vgl.: Wandel, Eckhard: Banken und Versicherungen, S. 59. Vgl.: Ebd., S. 61. Weitere Akteure, die als Kaufleute tätig waren, lassen sich als Versicherungsagenten in Speyer nachweisen, wie N. Gerard und J. Stockinger: vgl.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 30, 103, 192, 228, 316, 807 f. und 914 f. Der Speyerer Kaufmann Josef Stockinger war seit 1839 Versicherungsagent, vgl.: Königlich Bayerisches Amts- und Intelligenzblatt für die Pfalz, Nr. 56 vom 07. 11. 1839, S. 463. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 15, Fol. 322 und 358. In den 1820er Jahren verfügten die Gothaer Versicherungen über mehrere hundert Agenten in den deutschen Territorien, vgl.: Samwer, Karl: Hundert Jahre Gothaer Lebensversicherungsbank, S. 14. Vgl. die Korrespondenz mit den Versicherungsgesellschaften, in: StALu, WS1, Nr. 7–20.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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pol versehen waren.100 Dies war phasenweise auch bei der bayerischen Brandversicherung der Fall.101 Die Zulassung anderer Versicherer für unterschiedliche Versicherungsgegenstände – Mobilienversicherungen, Transportversicherungen und die aufkommenden Lebensversicherungen102 – wurde mitunter stark reglementiert. Um 1829 gestattete das Großherzogtum Baden seiner Bevölkerung beispielsweise nicht länger, sich bei ausländischen Gesellschaften zu versichern. Lichtenberger, der grenzüberschreitend Versicherungen vertrieben hatte, verlor daraufhin mindestens einen Kunden – den Mannheimer Georg Stolz – und berichtete über den Wegfall dieses Marktes nach Gotha unter Beilage der Gesetzespublikation. Später konnte Lichtenberger Stolz aufgrund der sich erneut verändernden Gesetzeslage zurückgewinnen.103 Der Schriftverkehr der Speyerer Handelshäuser in ihren Briefkopierbüchern entpuppt sich, so lässt sich resümieren, allgemein als Indikator für Zeiten der Unsicherheit bezogen auf die formal-institutionellen Rahmenbedingungen der Wirtschaft, die aufseiten der Akteure und Akteurinnen vermehrte Anstrengungen der Informationsbeschaffung nach sich zogen. Die Informationsflüsse in den Briefen geben Hinweise, wie zuverlässig unterschiedliche Kanäle zu verschiedenen Zeiten Informationsbedürfnisse deckten. Der Geschäftsbrief bildete ein Medium, das besonders dann als Informationsquelle aktiviert wurde, wenn Situationen kein souveränes Handeln mehr ermöglichten. Die Verunsicherung resultierte zum einen aus mangelnden, zeitnah verfügbaren Informationsquellen, zum andern aber auch aus einer grundsätzlichen Unklarheit über die aktuelle Situation. Besonders die ersten Jahre des Untersuchungszeitraumes nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft auf dem linken Rheinufer waren eine unsichere Zeit, in der es den Unternehmern schwer fiel, die Marktsituation einzuschätzen. Die Kommunikationspraktiken zwischen Kaufleuten wandelten sich mit dem Aufkommen von großen, überregional agierenden Unternehmen, die feste Kooperationsnetzwerke zum Vertrieb ihrer Waren und Dienstleistungen etablierten. Im Kontext des Agentensystems der Gothaer Versicherungen nahmen die Kaufleute des Hauses Lichtenberger & Co. eine neue Rolle ein – sie lieferten nun ganz selbstverständlich umfangreiche Informationen über Veränderungen im formal-institutionellen Setting nach Gotha.

100 Zur Entstehung von staatlichen Brandversicherungen mit Beitrittszwang, vgl.: Wandel, Eckhard: Banken und Versicherungen, S. 59 f. 101 Vgl.: Frick, Wilhelm: Geschichte der bayerischen Versicherungsanstalt, S. 130 f. und 92 f. 102 Heiss, Sonja: Die Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung. – Zur Entwicklung des Versicherungswesens in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, vgl.: Wandel, Eckhard: Banken und Versicherungen, S. 59 ff. 103 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 342 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

5.1.3 Kommunikation über Märkte und Akteure Über die Geschäftskorrespondenz der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. wurde in weit stärkerem Maße als über politische Veränderungen Informationen über Marktbedingungen und Marktakteure bzw. -akteurinnen weitergegeben, die im Zeitungswesen als dem zentralen öffentlichen Kommunikationskanal kaum transportiert wurden.104 Über die Entwicklung von Märkten gaben im Schriftverkehr Ernteberichte und Berichte über Angebots- und Nachfrageverhältnisse sowie damit einhergehende Preisentwicklungen Auskunft, die regelmäßig aus den Kontoren versandt wurden. Zentral für die Interaktion über weite Strecken waren Auskünfte über potenzielle Geschäftspartner und -partnerinnen, um deren ‚Solidität‘ einschätzen zu können. Sind in den Briefkopierbüchern Scharpffs und Lichtenbergers auch vielfältige Informationsflüsse über die wirtschaftliche Entwicklung auf unterschiedlichen Märkten zu finden, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Akteure durch weitere Kanäle vielfältige Informationen als Entscheidungsgrundlage für ihr ökonomisches Engagement erhielten. Adelheid von Saldern weist in ihrer Studie zur Korrespondenz der Schoeller-Häuser besonders im familiären Umfeld eine umfangreiche schriftliche Kommunikation über Marktbedingungen in Form von Unternehmerbriefen nach, die einen stark erzählenden Charakter annahmen und in denen auch ein differenzierter Meinungsaustausch oder eine gegenseitige Beratung stattfanden.105 Diese Unternehmerbriefe bildeten jedoch eine exklusive Kommunikationssphäre, die aufgrund ihrer Beschränktheit auf eine kleine Gruppe familiär verbundener oder sehr vertrauter Akteure und Akteurinnen nur eingeschränkt genutzt werden konnte. Es lohnt sich daher, auch die alltägliche Geschäftskorrespondenz auf die Kommunikationsflüsse zur Marktsituation zu untersuchen, da gerade sie in der Lage war, Informationen von geografisch weit entfernten Orten und von einer Vielfalt von Akteuren und Akteurinnen zu liefern. Ernteberichte waren im Wein- und Rohtabakhandel das gängige Medium zur Weitergabe von Informationen über die Marktentwicklung in verschiedenen Regionen. Der Handel mit Tabak war im Großen und Ganzen ein Saisongeschäft, auch wenn zu Spekulationszwecken oder je nach Angebotslage auch längerfristig Tabaklager unterhalten wurden. Die Preise waren abhängig von der Qualität und Quantität der Ernte des jeweiligen Jahres.106 Im Frühjahr 1816 übersandte Joh. Hein. Scharpff beispielsweise ein gedrucktes Rundschreiben – einen „Allgemeinen Bericht“ – an seine Handelspartner und -partnerinnen, in dem er neben einer Liste 104 Stefan Gorißen hat in seiner Studie zur Firma Harkort ebenfalls die zentrale Bedeutung von Kaufmannskorrespondenz als Informationskanal für ein erfolgreiches Agieren hingewiesen. Bereits im 18. Jahrhundert koordinierte das Handelshaus seine Geschäfte vorrangig über Korrespondenz und weniger beispielsweise durch traditionelle Messebesuche, vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 220. 105 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 251 f. 106 Zu ersten Erkenntnissen über die Entwicklungen auf dem Wein- und Tabakmarkt in der Pfalz im Untersuchungszeitraum, vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 172– 189.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

161

seiner aktuellen Weinpreise und einem Verweis auf sein „wohl assortirtes Lager Rhein- und Pfälzer-Weine“107 eine Einschätzung der Lage auf dem Tabakmarkt verschriftlichte: Die 1814er Waare ist durchgehends sehr aufgeräumt. Der 1815er Jahrgang hat eine ziemliche Quantität ausgeliefert, und die Güte des Tabaks kommt derjenigen des 1814er Gewächses, im Allgemeinen, gleich. Einige Fluren nur haben diesmal hin und wieder etwas Rost erzeugt, der aber auf die Qualität, keinen nennenswerten Einfluß macht. Das Pfeiffenguth übertrift selbst noch durch schöne, helle Farbe und zartes Blatt dasjenige von 1814, und das Carottenguth kann demselben gleich schäzt werden. Sandblatt und Geitzen sind ebenfalls besser als bey vorlezter Erndte ausgefallen. Seit einiger Zeit fand lebhaftes Kaufen statt, wodurch endlich die Preiße bey Landleuten in die Höhe getrieben worden sind. Die Käufer waren anfangs so rasch, daß manche schlechte Partien übersehen und mit andern Guten untermischt, durchgiengen. – Dies Verfahren mögte nun wohl zur Folge haben, daß Einige jetzt etwas billigere Preise offeriren, um dadurch – wenn auch ohne Nutzen – der schlechtern Waare schnell entledigt zu seyn.108

Der Versand solcher Berichte wurde vorrangig nach der Ernte vorgenommen. Da dies gängige Praxis war, so erhielten die Marktakteure und -akteurinnen von verschiedenen Seiten Berichte und konnten damit die ihnen vorliegenden Informationen validieren.109 Generell wurden in den Rundschreiben Informationen zur Qualität und Quantität der Rohstoffe auf dem Markt sowie der Nachfragesituation und den Preisen gegeben. Die Qualität der Waren wurde an der Gesundheit und Entwicklung der Pflanzen gemessen, die mit vorhergehenden Jahrgängen verglichen wurden. So wurde zwischen guten und weniger guten Jahrgängen unterschieden. Die Berichte enthielten zudem Verweise auf die Warenangebote der Briefschreiber und -schreiberinnen, so dass sie auch Auskunft über deren Positionierung auf dem Markt gaben. Neben den Berichten, die Scharpff und Lichtenberger aufgrund ihres Kommunikationsnetzwerkes erhielten, erbaten sie sich gelegentlich von Geschäftsfreunden zusätzlich die Berichte Dritter, zu denen sie keine Korrespondenz unterhielten. Lichtenberger & Co. baten im Jahr 1815 beispielswiese J. N. Kümmerer aus Frankfurt, ihm „bald möglichst einige Berichte unserer Concurrenten in Mannheim, über diesjährige Tabaks Erndte, die Preise des Tabacks, der Sandblätter und Geitzen zu verschaffen“ und boten ihm im Gegenzug ihre „Gegendienste“ an.110 Erstaunlich ist hierbei, dass die Kaufleute sich aus dem entfernten Frankfurt am Main Informationen darüber erbaten, was ihre Konkurrenz im nahen Mannheim nach außen kommunizierte. Dass ökonomische Beziehungen als personenbezogene und vertrauensbasierte Geschäftsfreundschaften kommuniziert wurden, führte dazu, dass ein besonderes

107 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 39, Fol. 405. 108 Vgl.: Ebd. 109 In den Unternehmensnachlässen sind neben der Bezugnahme auf Berichte in der Alltagskorrespondenz auch gedruckte Rundschreiben und Preislisten anderer Unternehmen, z. B. aus Frankfurt am Main oder dem französischen Sète, zu finden, vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV, 1 und 2. 110 StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 15.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Informationsbedürfnis über die Inhaber bzw. Inhaberinnen und Leiter bzw. Leiterinnen von Gewerbebetrieben und Handelshäusern bestand. Für die Beobachtung der Marktsituation und das Treffen von Einkaufs- oder Verkaufsentscheidungen wurde das Wissen über die Geschäfte und die Kommunikation der anderen als essentiell angesehen. Die Korrespondenz half, sich neue Märkte mit Hilfe von Informationen über die dort angesiedelten Akteure oder Akteurinnen zu erschließen. Joh. Hein. Scharpff schrieb 1828 zum Beispiel an Clemens Lauter Sohn in Mainz, dass ihm Friedrich Korn, einer seiner langjährigen Geschäftspartner aus Mainz, empfohlen habe, ihn zu kontaktieren, um Málaga-Wein einzukaufen. Er bat Lauter, ihm den „billigsten Preiß davon und zwar von der besten Qualität, in Faß anzugeben“,111 damit er entscheiden könne, ob sich ein solches Geschäft für ihn auszahle. Bereits bestehende Geschäftskontakte konnten so zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln. Der Bezug auf bestehende Beziehungen bildete dabei einen indirekten Verweis auf die eigene Solidität und Vertrauenswürdigkeit. Besonders häufig wurde in Fällen, in denen bekannte Akteure oder Akteurinnen anfingen, abweichendes oder unzuverlässiges Verhalten an den Tag zu legen – zum Beispiel durch eine abnehmende Zahlungsmoral oder wenn negative Gerüchte über sie kursierten – bei Geschäftspartnern oder -partnerinnen in deren unmittelbaren Umgebung nachgefragt, wie es um den Akteur oder die Akteurin stand.112 Bei der Weitergabe von Informationen stand die Einschätzung der Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit einer Person im Mittelpunkt, die mit dem Begriff der Solidität gefasst wurde.113 Als Kriterien für Solidität galt erstens der Ruf, den die Akteure und Akteurinnen sich durch ihre Geschäftstätigkeit erarbeitet hatten. Ein guter Ruf wurde im Handel vor allem durch eine zuverlässige Zahlungsmoral beim Einkauf von Waren114 oder durch die zuverlässige Lieferung von Waren in guter Qualität und den Abschluss von Geschäften oder der Bereitstellung von Dienstleistungen zur Zufriedenheit der Geschäftspartnerinnen oder Geschäftspartner begründet. Zweitens finden sich in den Schreiben Angaben zu der Geschäftstätigkeit,115 sowie – drittens – zur finanziellen Lage des Akteurs oder der Akteurin, wozu auch der Wohlstand seiner oder ihrer Familie gezählt wurde, und – viertens – zu dem gesellschaftlichen Ansehen, dass diese oder dieser genoss.116 Die weitergegeben Informationen konnten somit detailliert ausfallen – auch wenn die in den Briefkopien überlieferten Antworten im Großen und Ganzen kurz gehalten sind. Die Kaufleute der Häuser Scharpff und Lichtenberger wurden oft zu Informanten für Dritte, wenn es um pfälzische Marktakteure oder -akteurinnen ging.117 Im optimalen Fall konnten sie dann berichten, dass diese aufgrund ihrer „Solidität“ „jeden Credit“ verdienten und dass der Geschäftspartner sich „glücklich schäzen“ könnte, wenn er „mit diesem Hause in Verbindung“ trete, da es in seinem Ge111 112 113 114 115 116 117

Ebd., Nr. 55, Fol. 702. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 9, Fol. 254. Vgl. Kapitel 4.3. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 254. Vgl.: Ebd. Vgl.: Limbach, Rabea: Soziale Netzwerke, S. 160–162. Vgl. z. B.: StALu, WS1, Nr. 41, Fol. 446.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

163

schäftsfeld eines der größten und renommiertesten der Stadt sei.118 Die gegebenen Auskünfte fielen jedoch mitnichten immer positiv aus. Im Jahr 1821 schrieben Joh. Hein. Scharpff zum Beispiel an Lomann & Comp. nach Amsterdam, dass diese sich mit einem Speyerer Unternehmen „nicht in das kleinste Geschäft“ einlassen dürften, da sie sonst „dabei Gefahr laufen indem solches äußerst schlecht steht.“119 Auskünfte wurden von den Kaufleuten nur „ohne Obligo“120 (ohne Gewähr) gegeben mit der Bitte, sie „nicht zu unserem Nachtheil“121 zu nutzen. Dies war auch der Fall, wenn sie sich zusätzlich durch Besuche oder Anfragen bei Dritten um differenzierte Informationen bemüht hatten. Auskünfte konnten auch verweigert werden, wenn der Akteur oder die Akteurin unbekannt war oder zu wenig Informationen vorlagen.122 Dies kam aber nur in Ausnahmefällen vor, so dass das kaufmännische Kommunikationsnetzwerk relativ zuverlässig Informationen liefern konnte. Für die Weitergabe von sensiblen Informationen über Dritte hatten sich im Geschäftsverkehr der Kaufleute spezifische Kommunikationspraktiken herausgebildet. Schreiben mit der Bitte um Auskünfte wurde ein separater Zettel beigelegt, auf dem der Name des Akteurs oder der Akteurin verzeichnet und das eigene Anliegen beschrieben wurden. Auf diese Zettel verwiesen die Kaufleute in ihren Anschreiben. Die Anfragen auf separaten Blättern sind in den Unternehmensnachlässen nicht überliefert – dies könnte auf einen diskreten Umgang hindeuten, wobei noch zu klären ist, wie und ob die beigelegten Papiere in den Kontoren verwaltet wurden. In den Kopien der Antwortschreiben wurden die Namen der Akteure oder Akteurinnen häufig abgekürzt oder nur auf die Anfrage ohne eine Namensnennung verwiesen.123 Die oft oberflächlich gehaltenen Antworten oder die Thematisierung von Anfragen lediglich in kurzen Verweisen im Text lassen es zudem plausibel erscheinen, dass differenziertere Auskünfte ebenfalls in Form beigelegter Zettel übermittelt wurden – oder ausführliche Antworten aus Diskretionsgründen keinen Eingang in die Briefkopierbücher fanden. Der Umfang der weitergegebenen Informationen und die Zahl und Art der Anfragen lassen sich auf Basis der Kopierbücher somit nur unzureichend erforschen. Die Existenz diskreter Kommunikationsformen deuten aber daraufhin, dass bei Bedarf detaillierte Anfragen gestellt werden konnten. Der diskrete Umgang mit akteursbezogenen Informationen fügt sich in das im Schriftverkehr stetig präsente Konzept von Geschäftspartnern als Geschäftsfreunden. Die Freundschaft verpflichtete zur Weitergabe von Informationen, um die Risiken anderer Kaufleute zu reduzieren. Freundschaft verpflichtete jedoch auch dazu, keine nachteiligen Aussagen zu treffen und keine sensiblen Informationen weiterzugeben, um damit nicht die Existenz oder Glaubwürdigkeit anderer zu gefährden. Die Praxis der Weitergabe von Anfragen und Informationen auf beigelegten Zetteln bildete einen Lösungsversuch für diese Pattsituation, der Eingang fand in 118 119 120 121 122 123

Ebd., Nr. 51, Fol. 372. Ebd., Fol. 9. Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 148 f. oder Nr. 48, Fol. 498. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 501 und 702; Nr. 37, Fol. 889 f. Ebd., Nr. 1, Fol. 499 f. Vgl.: Ebd., Nr. 51, Fol. 9.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

die allgemeine, kaufmännische Handlungspraxis. Die Informationsweitergabe wurde praktikabel, sofern die Kaufleute sich an die etablierten „Spielregeln“ der diskreten Kommunikation hielten. Und auch inhaltlich war die Informationsweitergabe normiert. Im Normalfall fand sie in Form von kurzen, sachlichen Aussagen statt. Die überlieferten Informationstransfers deuten an, dass detaillierte Auskünfte nur in besonderen Situationen – wenn viel auf dem Spiel stand – gegeben wurden. Die diskreten Kommunikationspraktiken halfen so, einen notwendigen Spielraum zu erhalten, um opportunistischem Verhalten vorzubeugen bzw. Risiken bei der Interaktion mit Dritten zu begrenzen.124 Als Agentur der Gothaer Feuerversicherungs- und später auch der Lebensversicherungsgesellschaft flossen per Korrespondenz in den 1820er Jahren aus dem Kontor von Lichtenberger & Co. regelmäßig Informationen über die aktuellen Marktbedingungen in der Pfalz nach Gotha. In der thematischen Ausrichtung und in ihrer Ausführlichkeit unterschieden sich diese Informationsflüsse von der alltäglichen Kaufmannskorrespondenz. Die Berichte an die Versicherung thematisierten das Versicherungsangebot125 und die bestehende Nachfrage in der Region ebenso wie die regionalen Brandschutzmaßnahmen, mögliche Standorte für Versicherungsagenturen und potenzielle Agenten,126 die Feuerfestigkeit von Gebäuden der Versicherungskunden oder -kundinnen oder vorgefallene Brände – auch dann, wenn diese die Versicherung nicht direkt betrafen.127 Auf dem pfälzischen Versicherungsmarkt waren in den 1820er Jahren noch zwei „französische Assecuranzgesellschaften, nemlich die Compagnie royale und [die] […] Union“128 vertreten, die als direkte Konkurrenz kommuniziert wurden. Lichtenberger übermittelte Informationen über das Angebot der Versicherungen nach Gotha. An diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, dass der Unternehmer sich nicht darauf beschränkte, Informationslieferant zu sein. Er brachte auch Verbesserungsvorschläge für interne Abläufe und die Ausrichtung der Geschäfte ein. So war Lichtenberger um 1829 im Gegensatz zu den Agenten der französischen Versicherungen nicht befugt, Versicherungen für seine Kunden und Kundinnen eigenständig abzuschließen. Er konnte lediglich Anträge einreichen und anschließend auf ihre Annahme und weitere Abwicklung durch die Gothaer Gesellschaft warten. Dies empfand er in der Konkurrenzsituation als Nachteil. Er schrieb an die Feuerversicherung, dass seine Klienten zu lange im ungewissen blieben, ob und ab wann ihre Versicherung lief. Er setzte sich dafür ein, dass die Verträge von der Bank in Gotha ab jenem Termin rückwirkend abgeschlossen wurden, an dem der Kunde oder die Kundin bei einem Agenten einen Antrag eingereicht hatte. Zudem wollte Lichtenberger das Recht haben, die Verträge abzuschließen – lediglich über die 124 Auch das tiefe Eindringen der Kaufleute in das Privatleben von Schuldnern oder Schuldnerinnen im Nichtszahlungsfall unter Einbezug vielfältiger Akteure und Akteurinnen bestätigt, dass Diskretion nur gegenüber von zuverlässigen Geschäftsfreunden gewahrt wurde, vgl. hierzu Kapitel 5.4.2. 125 StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 635. 126 Ebd., Nr. 6, Fol. 574. 127 Vgl.: Ebd., Fol. 635 oder Ebd., Nr. 10, Fol. 444. 128 Ebd., Nr. 14, Fol. 123.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Prämien und Modalitäten sollte die Versicherung nachträglich bestimmen dürfen.129 Philipp Markus Lichtenberger wurde von der Versicherungsgesellschaft in anderen Fällen auch explizit gebeten, Stellung zu nehmen. So schilderte er 1821 seine Meinung zur Erweiterung der Versicherung von Gewerbetreibenden auf Privatpersonen und Landwirte oder Landwirtinnen, die er zum „allgemeinen Besten“ und „im besonderen Interesse der Bank“ für wünschenswert hielt.130 Er verwies jedoch darauf, dass seiner Meinung bei der Umsetzung dieser Öffnung für neue Zielgruppen wenig Gewicht beizumessen sei, da im Rheinkreis zu wenig Nachfrage bestünde. Dies lag darin begründet, dass neben den Gebäudebrandversicherungen nur wohlhabende Bürger und Bürgerinnen, allen voran größere Gewerbetreibende, zusätzliche Versicherungen abschlossen, während die Nachfrage zum Beispiel nach Mobiliarversicherungen innerhalb der Landwirtschaft der Pfalz aus Kostengründen marginal blieb.131 Wie bereits am Beispiel der Weitergabe von Informationen über wirtschaftspolitische Wandlungsprozesse im Rheinkreis und den angrenzenden Staaten herausgearbeitet wurde, nahm Lichtenberger als Agent der Gothaer Versicherung auch bei der Weitergabe von Informationen über Konkurrenz- und Nachfrageverhältnisse eine aktive Rolle als Informant und Berater des Unternehmens ein. Lichtenberger sah es offenbar als seine Aufgabe an, die Interessen des Unternehmens in der Pfalz zu vertreten und die Zentrale über Entwicklungen zu unterrichten. Er nahm dadurch die Rolle eines Mitarbeiters ein, der sich einem Unternehmen zugehörig fühlte. Als Versicherungsagent bürgte Lichtenberger für die Solidität der Kunden und Kundinnen, deren Versicherungsanträge er einreichte. Zu seinen zentralen Aufgaben gehörte die Auswahl der Versicherungskunden oder -kundinnen. Informationen über potenzielle Versicherungsnehmer oder -nehmerinnen wurden nach einem standardisierten Verfahren gegeben. In den Schreiben wurden Akteure oder Akteurinnen als solide eingestuft, ohne dies weiter zu begründen. Als wichtiges Kriterium zur Feststellung der Versicherungswürdigkeit galt die Qualität der Gebäude, die versichert werden sollten bzw. in denen sich die zu versichernden Waren befanden. Dies äußert sich in den stetigen Ausführungen Lichtenbergers, dass die Gebäude potenzieller Versicherungsnehmer oder -nehmerinnen aus Stein gebaut und (im Idealfall) mit Ziegeln gedeckt seien. Er führte zudem aus, an welche Straßen und Gebäude die Immobilien anstießen und welche Gewerbe sich in der Nachbarschaft befanden.132 Auch die Brandschutzmaßnahmen in den Gemeinden waren ein wichtiges Auswahlkriterium. Lichtenberger akzeptierte nur Bürger und Bürgerinnen aus größeren Gemeinden, die über kommunale Brandschutzeinrichtungen verfügten. Nachdem er seinen ersten Kunden in Blieskastel angeworben hatte, erläuterte er der Bank, 129 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 123. – In einem anderen Fall warb Lichtenberger für die Erweiterung des Versicherungsangebots der Gothaer durch eine Hagelschlagversicherung, die von der französischen Gesellschaft bereits angeboten würde, vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 935. 130 Ebd., Nr. 7, Fol. 324. 131 Vgl. zum Kundenkreis der Gothaer in Speyer Kapitel 5.3.2. 132 StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 430.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

dass auch diese Stadt „mit guten Löschanstalten versehen […]“133 sei, um die Ausweitung der Geschäfte zu legitimieren. Alle in der Korrespondenz überlieferten Anträge, die Lichtenberger an die Bank weitergab, wurden – teilweise mit Rückfragen – angenommen. Konflikte oder Ablehnungen sind keine nachweisbar. Die Versicherung in Gotha war beim Abschluss der Versicherungspolicen von der Einschätzung ihrer Agenten abhängig, da außer den Informationen über Versicherungsgegenstände und kommunale Brandschutzmaßnahmen nahezu keine Informationen über die Antragssteller und -stellerinnen weitergegeben wurden. Eine Informationsübermittlung unter Einhaltung entsprechender Diskretionsregeln auf beigelegten Zetteln kann in den an die Organisation im Ganzen adressierten Briefen nicht nachgewiesen werden. Vereinzelte Versuche der Gesellschaft, von Kunden oder Kundinnen detailliertere Informationen und eine Offenlegung ihrer Vermögensumstände und ihrer Geschäftstätigkeiten zu fordern, scheiterten – hier verweigerte Lichtenberger seine Kooperation. Im Dezember 1824 schrieb Lichtenberger in einer Antwort auf Planungen der Bank, sich durch eine genauere Prüfung der Versicherungsnehmer oder -nehmerinnen mit Hilfe der lokalen Polizei stärker abzusichern: […] wir müssen Ihnen inzwischen bemerken, daß die Waaren- und Mobilienversicherungsanträge, […], in unserm Lande eben so wenig durch keine Polizeybehörde geprüft werden können, als sich irgend ein Versichernder unterwerfen würde, daß ihm ein Fremder sein Inventarium mache: dies ist eine lediglich auf Zutrauen und auf den unbescholtenen Ruf und redlichen Character gegründete Sache, und Sie können sich von unserer Seite überzeugt halten, daß wir in allen Punkten mit der größten Vorsicht und Gewißenhaftigkeit zu Werke gehen.134

In diesem Brief nahm Lichtenberger eine vermittelnde Stellung ein – als Sachverständiger unterrichtete er die Versicherung über die vor Ort herrschenden Gepflogenheiten. Interessant ist der Verweis Lichtenbergers darauf, dass eine Visitation der Gebäude durch ‚Fremde‘ – vor allem durch Polizisten als Träger der Staatsgewalt – als unzumutbares Eindringen in den Privatsphäre der Versicherungsnehmer und -nehmerinnen angesehen wurde.135 Der Informationsbeschaffung vonseiten der Versicherungsgesellschaft wurden hier strikte Grenzen gesetzt – Grenzen, die es für Kaufleute im Kontext der vertrauensbasierten Geschäftsfreundschaften in dieser klaren Form nicht gab. Die Beziehung zwischen einer als anonym wahrgenommenen ökonomischen Organisation und einzelnen Kaufleuten nahm hier eine neue Qualität an. 5.1.4 Die Erschließung von Märkten durch absatzfördernde Maßnahmen Die Geschäftskorrespondenz diente nicht allein der Akkumulation von Informationen über Marktsituationen und den auf den Märkten agierenden Akteuren und Akteurinnen. Sie wurde auch dazu genutzt, die Sichtbarkeit der eigenen Aktivitäten zu 133 Ebd., Nr. 10, Fol. 1281. 134 Ebd., Nr. 10, Fol. 591. 135 Vgl.: Ebd.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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steigern und sich nach außen als solide bzw. die eigenen Waren als attraktiv darzustellen. Zur Bewerbung der eigenen Geschäfte diente ein breites Repertoire an Geschäftspraktiken. Die Analyse der Briefkopierbücher ermöglicht, nicht allein die Werbemittel zu untersuchen, sondern auch dahinter liegende Kommunikationsprozesse bei der Umsetzung von Werbemaßnahmen in den Blick zu nehmen. Die Funktion von Werbung liegt dem Wirtschaftshistoriker Clemens Wischermann zufolge zum einen in der Produktion von Glaubwürdigkeit und zum anderen in der Überbrückung von Informationsdefiziten.136 Zur Bewerbung der eigenen Handelswaren und Dienstleistungen bedienten sich Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. einer Reihe von Praktiken, wenn auch von einer Produktwerbung im modernen Sinn nicht die Rede sein konnte, bei der ein spezifisches Produkt – das auf Basis individueller Merkmale beworben wird – im Zentrum steht.137 Traditionelle Werbung in kaufmännischen Kreisen äußerte sich seit dem Mittelalter zunächst in Formen, die an das eigene Verkaufslokal und die persönliche Präsenz der Kaufleute gebunden waren. Werbung wurde am Sitz des Kaufmanns mit Schildern, Aushängen, Ausschmückungen und Warenauslagen betrieben. Kaufleute konnten sich zudem Ausrufungen bedienen oder suchten potenzielle Kunden auf, um ihnen Angebote zu unterbreiten.138 Im Verlauf der Frühen Neuzeit kam es in den deutschen Staaten allmählich zur Etablierung fester Läden, als „werktäglich geöffneten, reinen Verkaufs- und Präsentationsetablissements (getrennt von Herstellung und Lagerhaltung)“, die ein „regelmäßig wiederkehrendes Angebot“ bieten konnten und sich zu neuen, verstetigten Orten des Absatzes und des Einkaufs entwickelten.139 Der Warenabsatz löste sich von Marktterminen. Der Warenhandel verstetigte sich an einem Ort. Die Etablierung von Läden lässt sich auch im Umfeld der Speyerer Kaufleute, zum Beispiel in Winzerstädten an der mittleren Haardt seit dem 18. Jahrhundert, nachweisen.140 Die Nutzung von Werbemitteln befand sich im frühen 19. Jahrhundert noch in den Anfängen – aufgrund des historischen Institutionensettings sowie der technischen Möglichkeiten. Besonders in Territorien, in denen Handel und Gewerbe zünftig organisiert waren, wurde Plakatwerbung oder die Ausstellung von Waren in Schaufenstern oder Glasvitrinen häufig durch die Zunftsverfassungen eingeschränkt, da keiner der Zunftmitglieder einen individuellen Marktvorteil haben sollte. Schaufenster fanden erst seit den 1830er Jahren allmählich Verbreitung, nachdem Innovationen in der Glasproduktion die Möglichkeit zur Herstellung großer Fensterscheiben boten.141 Wie die Waren der Handelshäuser für den Direktvertrieb in Speyer beworben wurden, lässt sich aufgrund der überlieferten Geschäftsunterlagen nicht erschöp136 137 138 139

Vgl.: Wischermann, Clemens: Die institutionelle Revolution in Deutschland, S. 122. Vgl.: Ebd., S. 124 f. Homburg, Heidrun: Werbung – „die Kunst, die gelernt sein will“, S. 30. Vgl.: Wischermann, Clemens: Das institutionelle Arrangement vorliberaler Gesellschaften, S. 103; Spohn, Thomas: Der Umgang mit den Dingen, S. 141–144. 140 Vgl.: Bull, Karl Otto: Verkehrswesen und Handel an der mittleren Haardt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, S. 58–67. 141 Vgl.: Reinhard, Dirk: Von der Reklame zum Marketing, S. 269 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

fend rekonstruieren. Einzelne Geschäftsbriefe der Kaufleute verweisen darauf, dass Werbung innerhalb des regionalen Umfeldes über das Auslegen von Bekanntmachungen in Gasthäusern und Poststationen betrieben wurde. So erwiesen Lichtenberger & Co. ihrem langjährigen Mainzer Geschäftspartner Friedrich Korn im Jahr 1830 eine Gefälligkeit und verteilten für ihn Bekanntmachungen über neue „Eiljachten auf der Mosel“142 in Gaststätten, bei der Post, in den „Deligence Expeditionen“143 sowie bei Großkaufleuten der näheren Umgebung. Im Verlauf der neuzeitlichen Geschichte entwickelten sich neben oder gar jenseits den fest institutionalisierten Jahr- und Wochenmärkten zeitlich wie räumlich weniger gebundene Formen der Warendistribution. Im Schriftverkehr der Speyerer Kaufleute deutet nichts mehr auf eine zentrale Stellung beispielsweise der Leipziger oder Frankfurter Messen hin – auch wenn sie mit diesen Städten korrespondierten, Handel trieben und sie bereisten.144 Die zunehmende Verbreitung der Schriftlichkeit und des Postwesens ermöglichte vielmehr einen von Messeterminen unabhängigen Warenvertrieb und – damit verbunden – kontinuierliche Werbetätigkeit über weite Distanzen. Daneben spielten Gespräche und persönliche Besuche auf Reisen eine wichtige Rolle. Reisende wurden mit Warenmustern ausgestattet, mit deren Hilfe sie versuchten, potenzielle Kunden oder Kundinnen von der Qualität der Waren zu überzeugen.145 Zu Werbepraktiken in Korrespondenz und auf Reisen trat im 19. Jahrhundert die Zeitungsanzeige. Zeitungen bildeten das erste Medium, mit dem sich Händler und Produzenten an eine breitere Öffentlichkeit wenden konnten: „Anders als diese vertrauten Mittel der Konkurrenz um Kunden und Käufer lieferte das Inserat einer überörtliche, überpersönliche, nicht an begrenzte Öffnungs- und Marktzeiten gebundene Nachricht über das eigene Warenangebot.“146 Der Zeitungswerbung mangelte es jedoch lange an Raum und Legitimität. Erste gewerbliche Anzeigen sind im 17. Jahrhundert nachweisbar. Seit dem 18. Jahrhundert förderte die Vielzahl von Intelligenzblättern in den deutschen Territorien das Anzeigenwesen zwar maßgeblich und gab diesem einen institutionalisierten Raum, doch gewerbliche Anzeigen blieben selten – es überwogen Anzeigen von Seiten der Bürokratie. Politische Zeitungen weigerten sich bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts oft ganz, gewerbliche Anzeigen aufzunehmen. Das privatwirtschaftliche Anzeigenwesen dehnte sich erst allmählich aus und diversifizierte sich inhaltlich auf ein breiteres Spektrum von Waren und Dienstleistungen, wobei diese Entwicklung je nach Me142 StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 714. 143 Ebd. 144 Vgl. die Register der Briefkopierbücher der Handelshäuser, in: Ebd., Nr. 1–21, 37–39 sowie 41–55. 145 Vgl. Schreiben mit Instruktionen an den Reisenden Calin, der für die Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger 1823 auf Reisen ging, in: Ebd., Nr. 8, Fol. 945–46. – Der Verkauf nach Muster etablierte sich auch in anderen Branchen im 18. und 19. Jahrhundert. Stefan Gorißen weist im Metallhandel ab dem späten 18. Jahrhundert die Etablierung von standardisierten Musterkarten nach, vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 220. Adelheid von Saldern weist zudem Musterbücher im Textilbereich und in der Papierproduktion nach, vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 127. 146 Homburg, Heidrun: Werbung – „die Kunst, die gelernt sein will“, S. 30.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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dienlandschaft und wirtschaftlicher Entwicklung sehr heterogen verlief. Ein sprunghafter Anstieg der Zeitungswerbung lässt sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausmachen.147 Die geringe Nutzung von Zeitungswerbung zu Beginn des 19. Jahrhunderts spiegelt sich in der Werbetätigkeit der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger. Sie schalteten Anzeigen nur unregelmäßig, oft im Abstand von mehreren Jahren, und bewarben dabei vorrangig Handels- oder Luxuswaren, wie hochqualitative Weine,148 leere Weinfässer,149 oder mehrere tausend „Italienische Pappelsätzlinge“.150 Sie warben für neu eingetroffene oder besondere Waren, die sie nur ausnahmsweise im Sortiment führten.151 Die Werbetätigkeit über Zeitungen nahm jedoch mit dem Aufbau des Handelshauses in der Rheinschanze zu. Das am Rheinufer ansässige Handelshaus publizierte seine Fuhr- und Frachtverbindungen,152 im Hafen liegende Schiffer oder Schifferinnen153 oder die Wiederaufnahme von Schiffsverbindungen nach den Wintermonaten.154 Anzeigen wurden damit in den 1830er und 1840er Jahren ein relativ selbstverständliches Werbemittel für die Rheinschanze – als Handelsplatz, der ohne urbanes Umfeld in besonderem Maße auf Aufträge aus den umliegenden Gemeinden und Städten angewiesen war. Die Nutzung von Zeitungswerbung veränderte sich zudem im Fall von Philipp Markus Lichtenberger seit den 1820er Jahren durch sein unternehmerisches Engagement für die Gothaer Versicherungsgesellschaften sowie später für die ersten pfälzischen Eisenbahngesellschaften.155 Diese Unternehmen waren bestrebt ein breites Publikum anzusprechen – und banden Zeitungen systematischer und regelmäßiger in ihre Werbetätigkeit ein, als es bei den Speyerer Handelshäusern der Fall war.156 147 Vgl. zur Werbung um frühen 19. Jahrhundert: Reinhard, Dirk: Von der Reklame zum Marketing, S. 169–204, S. 231 f., S. 269 f. und S. 429–430, sowie: Homburg, Heidrun: Werbung – „eine Kunst, die gelernt sein will“, S. 25–52. 148 Vgl.: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 4 vom 25. 01. 1827, S. 14. 149 Vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 8 vom 18. 01. 1817. 150 Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 4 vom 27. 01. 1825. 151 Vgl. z. B.: Werbung unter anderem für Gips, ‚Oelkuchen‘ und Sattgut, in: Speyerer wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 15 vom 12. 04. 1827, S. 64. 152 Vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 12 vom 16. 01. 1834 oder Nr. 196 vom 30. 09. 1836. 153 Vgl.: Ebd., Nr. 173 vom 30. 08. 1834. 154 Vgl.: Ebd., Nr. 12 vom 16. 01. 1834. 155 Vgl. Anzeigen zum Verkauf von Eisenbahnaktien mit der Nennung von Lichtenberger & Co. und Joh. Heinr. Scharpff jr. in der Rheinschanze, in: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 33 vom 14. 02. 1836; Nr. 16 vom 23. 01. 1838; Amts- und Intelligenzblatt des königlich Bayerischen Rhein-Kreises, Nr. 79 vom 26. 12. 1837, S. 663 f.; sowie: Ausserordentliche Beilage zu Nr. 15 des Amts- und Intelligenzblattes für die Pfalz vom Jahre 1843, sowie zu Anzeigen der Gothaer Versicherungsgesellschaft, vgl. u. a.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 274 vom 17. 11. 1725, S. 1216 und Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 37 vom 11. 09. 1828, S. 148. 156 Die Versicherungen beauftragte Lichtenberger & Co. mit der Werbung für ihr Unternehmen in Zeitungen oder über die Verteilung von Berichten und Werbeunterlagen, vgl. hierzu die Korrespondenz mit den Versicherungsunternehmen in Gotha, u. a.: StALu, WS1, Nr. 6, Fol. 574 f. und Nr. 13, Fol. 629.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Die von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. genutzten Anzeigenformate dienten der Information über verfügbare Waren. Da die Kaufleute Waren und Rohstoffe en gros handelten, richtete sich die Zeitungswerbung vorrangig an Gewerbetreibende.157 Die Anzeigen waren kurz und bestanden aus einer Auflistung von Waren mit einem Verweis auf das Handelshaus als Bezugsquelle. Dabei wurde auf „niedere“ oder „billig[e]“ Preise verwiesen, ohne diese zu nennen.158 Die Waren wurden zudem mit Zusätzen wie „beste Qualität“159 empfohlen – eine differenzierte Beschreibung ihrer Eigenschaften unterblieb. Werbung für Produkte und Handelswaren vollzog sich bei Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. überwiegend in der geschäftlichen Korrespondenz. Dies betraf vor allem den Rohtabakhandel und den Weingroßhandel. Aus dem Bereich der Versicherungsverkäufe und dem Rauch- und Schnupftabakverkauf oder bei der Bereitstellung von Speditionsdienstleistung sind kaum explizite Werbemaßnahmen per Korrespondenz überliefert. Offenbar war es gängige Praxis, dass Handelshäuser Speditions-, Kommissions- oder Finanzdienstleistungen erbrachten, so dass diese Tätigkeiten nicht explizit beworben wurden. Versicherungen wurden in der kaufmännischen Korrespondenz gar nicht beworben – der Aufbau eines engmaschigen Agentennetzwerks in vielen Territorien des Deutschen Bundes durch die Gothaer legt es nahe, dass der Vertrieb mündlich vollzogen wurde. Warum die eigenen Manufakturtabake in der Korrespondenz kaum beworben wurden, dieser Frage gilt es im Folgenden noch differenzierter nachzugehen, da die spezifische Ausgestaltung der Werbung je nach Ware oder Dienstleistung Auskünfte über die Marktstruktur – und über die verschiedenen Zielgruppen, die adressiert wurden – geben können. Bei der Werbung über Korrespondenz spielten illustrierte und bedruckte Geschäftsunterlagen eine wichtige Rolle, die Briefen oder versandten Waren beigelegt wurden. Die Handelshäuser nutzten dabei Formen von Geschäftsunterlagen, die sich im Verlauf der Frühen Neuzeit entwickelt hatten und seit dem 18. Jahrhundert im Handel weit verbreitet waren – wie zum Beispiel die Studie Heinz Zimmermanns zur Arzneimittelwerbung im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main belegt.160 In den Unternehmensnachlässen finden sich für die Speyerer Handelshäuser unterschiedliche Geschäftsunterlagen. Für Joh. Hein. Scharpff sind gedruckte Rundschreiben,161 kleine Werbekärtchen162 und illustrierte Preislisten überliefert.163 Aus dem Handelshaus Lichtenbergers liegen illustrierte Tabakverpackungsmaterialien,164 Frachtbriefe165 und Stiche des Unternehmens in der Rheinschanze166 vor. 157 Vgl. die hohen Mengenangaben in den Anzeigen, u. a.: Speyerer wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 15 vom 12. 04. 1827, S. 64. 158 Vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 8 vom 18. 01. 1817. 159 Ebd., Nr. 158 vom 12. 08. 1838. 160 Vgl. Zimmermann, Heinz: Arzneimittelwerbung in Deutschland, S. 60–136. 161 LBibSp, N41, Mappe III,1 und 2. 162 Ebd., Mappe IV, 2. 163 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 121, sowie: LBibSp, N41, Mappe III, 1 und 2, sowie Mappe IV,1. 164 Ebd., Mappe III,1 und 2. 165 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 121. 166 Vgl. die Erwähnung von Stichen der Rheinschanze in dem Brief von Heinrich Wilhelm Lichtenberger an Kaspar Hauser, vgl.: Ebd., Nr. 128.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Als Briefbeilagen dienten vor allem Preislisten und gedruckte Werberundschreiben. Die Preislisten von Joh. Hein. Scharpff wurden am oberen Rand mit dem Namen der Firma und zuweilen mit einer kurzen Beschreibung der eigenen Geschäftstätigkeit gekennzeichnet und bestanden sonst aus einfachen Tabellen, in denen das Warenangebot aufgeführt wurde. Die aktuellen Preise wurden von Hand eingetragen, so dass die Formulare längerfristig nutzbar waren und in größeren Stückzahlen produziert werden konnten. Die Frachtbriefe des Unternehmens in der Rheinschanze waren repräsentativer und aufwändiger gestaltet. Sie wurden mit lithografierten Ansichten des Handelshafens bedruckt und der Text wurde aufwändig verschnörkelt. Auf den Frachtbriefen präsentierten sich die ansässigen Unternehmen unter Angabe ihrer Firma und ihrer Handelsaktivitäten. Die Abbildung der Unternehmensgebäude auf Rechnungen oder Frachtbriefen war eine klassische Form der Selbstrepräsentation von Unternehmen im 19. Jahrhundert. Dies belegt ein Vergleich mit Geschäftsunterlagen anderer Unternehmen in den Nachlässen von Scharpff und Lichtenberger.167 Dass beide Arten von gedruckten Geschäftspapieren auch für die eigene Buchführung genutzt wurden und in vielfältigen Varianten im Unternehmensnachlass überliefert sind, verweist auf die Erschwinglichkeit gedruckter Papiere. In einem Schreiben an Magdalena Dietz, einer alleinstehenden Druckerin aus Mannheim, aus dem Jahr 1816, versprachen Lichtenberger & Co. ihr für das Drucken von Tabaketiketten einen Lohn von 20 Kreuzern pro 100 Exemplare.168 Im November desselben Jahres boten Lichtenberger & Co. Rauch- und Schnupftabake zu einem Pfundpreis von 10 bis 84 Kreuzern an, je nach Tabakqualität. In die illustrierten Tabakpapiere wurde dabei je ein Viertel oder ein Fünftel eines Pfundes eingeschlagen. Tabake in einem Warenwert von rund zwei Kreuzern erhielten somit bereits eine bedruckte Verpackung.169 Während die klassischen Geschäftsunterlagen der Handelshäuser – Frachtscheine, Rechnungen, Preislisten – vorrangig genutzt wurden, um das Unternehmen und seine Handelstätigkeit in ästhetisch ansprechender Form zu präsentieren, wurden Verpackungsillustrationen für die Tabakmanufaktur vielfältiger gestaltet und produktbezogener genutzt. Die überlieferte Sammlung an Tabaksverpackungen verweist auf eine große Palette von Produkten, die mit Illustrationen beworben wurden. Die Illustrationen verwiesen thematisch auf den Verpackungsinhalt oder es fanden sich auf ihnen Darstellungen aus dem kolonialen Tabakanbau und dem Überseehandel sowie Szenen aus dem ländlichen Leben in Mitteleuropa. So finden sich mit Federn gekrönte, schwarze Menschen, die am Strand unter Palmen Tabak rauchen, während Kaufleute ihre Schiffe beladen. Daneben gibt es Blumenstillleben, Darstellungen von einer Entenjagd, Lithografien der Rheinschanze, herrschaftliche Wappen oder Herstellermarken von Lichtenberger & Co. 167 Vgl. die im Unternehmensnachlass überlieferten Geschäftsunterlagen von Interaktionspartnern der Handelshäuser, in: LBibSp, N41, Mappe II, 3. 168 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 533. – Das Papier und die Druckerstöcke wurden gesondert abgerechnet. 169 Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 333.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Abb. 3: Tabakpreisliste von Joh. Hein. Scharpff (ca. 1819).

Abb. 4: Weinpreisliste von Joh. Heinrich Scharpff (ca. 1805).170

Abb. 5: Illustration eines Frachtbriefes auf der Rheinschanze (1829).171 170 Beide Bilder entstammen einem der überlieferten Preiskopierbücher, vgl.: StALu, WS1, Nr. 115. 171 Ebd., Nr. 121.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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Beispiele illustrierter Tabakverpackungen von Scharpff und Lichtenberger172

Abb. 6–9: Illustrierte Tabaketiketten von Joh. Hein. Scharpff in der Rheinschanze und Lichtenberger & Co. in Speyer (erste Hälfte 19. Jahrhundert).

Abb. 10: Herstellermarke173 und gedruckte Unterschrift von Lichtenberger & Co. für Tabakverpackungen. 172 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 124. 173 Ähnliche Herstellermarken weist Heinz Zimmermann in der Arzneimittelproduktion seit dem 16. Jahrhundert nach, vgl.: Zimmermann, Heinz: Arzneimittelwerbung in Deutschland, S. 114–117.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Die Individualität der Tabakillustrationen und der damit beworbenen Produkte lässt sich anzweifeln, betrachtet man eine im Unternehmensnachlass überlieferte Preisliste der Tabakmanufaktur Gebrüder Schlamp aus Frankfurt am Main, die auf ihrer großformatigen Liste die Illustrationen ihrer Tabaketiketten mit abdruckte.174 Von den 21 Illustrationen der Gebrüder Schlamp finden sich vier Bilder in identischer Ausführung in der Etikettensammlung von Lichtenberger & Co. wieder. Alle weiteren Etiketten haben von den Inhalten der Bilder bis zur Darstellungsweise eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit zu diesen. Es entwickelte sich offenbar eine einheitliche Bildsprache in der Tabakverpackung, die auf regional oder überregional bekannte – in der Kaufmannsliteratur publizierte – Rauch- bzw. Schnupftabakrezepte Bezug nahm, die von vielen Manufakturen in ähnlicher Weise produziert wurden. Illustrationen wurden in diesem Kontext voneinander kopiert – womöglich wurden die gleichen Lithografen beauftragt. Eine individuelle Kennzeichnung wurde lediglich über die Hinzufügung des Firmennamens oder der Herstellermarke vollzogen. Das Produkt selbst erfuhr keine spezifische Charakterisierung durch einzelne Produzenten.175 Waren wurden in der Korrespondenz im Rahmen der Geschäftsabwicklung beworben. Dabei gab es unterschiedliche Vorgehensweisen. Zum einen verschickten die Handelshäuser Rundschreiben, die oft an viele Akteure oder Akteurinnen gleichzeitig gesandt wurden.176 Diesen wurden gedruckte Preislisten beigelegt. Des Öfteren wurden solche allgemeinen Werbemaßnahmen mit den Berichten zur Tabakernte oder der aktuellen Marktlage in der Region verbunden. Die Rundschreiben wurden an bereits bekannte Akteure oder Akteurinnen versandt, aber auch an Häuser, mit denen noch kein Kontakt bestand. Hierbei kam es zu einer Standardisierung der Werbung, da die Rundschreiben im Abstand einiger Monate oder Jahre nur in Bezug auf die Ergebnisse der jeweiligen Ernte und das aktuelle Warenangebot angepasst werden mussten.177 Die Rundschreiben wurden jeweils mit den Namen der einzelnen Adressaten oder Adressatinnen in der Anrede versehen und – bei Bedarf – mit individuellen Beilagen versehen, um eine spezifische Ansprache einzelner zu gewährleisten. Die Rundschreiben oder Berichte waren nüchtern geschrieben und kommunizierten den Anspruch, lediglich zu informieren. Im Jahr 1816 schrieb Scharpff in einem allgemeinen Bericht er „beabsichtige mit Gegenwärtigem hauptsächlich“ seinen Geschäftspartnern und Geschäftspartnerinnen „die Preiße meiner lagernden, fermentierten Tabaks-Blätter anzuzeigen“, um diese „bey Bedürfen“ dem „gütigen Andenken“ zu empfehlen.178 Es folgte eine Liste in der Tabake verschie174 Vgl.: LBibSp, N41, 1,1–2. 175 Dies hatte auch zur Folge, dass einmal bedruckte oder geprägte Tabakpapiere nicht mehr an andere Tabakproduzenten gehandelt werden konnten, während das sonst offenbar durchaus gängig war, vgl.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 155. 176 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 10, Fol. 165 f.; Nr. 14, Fol. 139 f.; Nr. 18, Fol. 688 f. oder Nr. 21, Fol. 186. 177 Vgl. ein Rundschreiben von Lichtenberger & Co. vom Herbst 1827, in dem er Geschäftsfreunden in Gotha ankündigte, dass er in der Folge alle sechs Monate über Veränderungen auf dem Tabakmarkt berichten und seine Angebote übersenden würde, in: Ebd., Nr. 12, Fol. 436. 178 Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 405.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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dener Qualitäten aus den Jahrgängen 1814 und 1815 aufgelistet wurden. Hinzugesetzt wurden Erläuterungen zur aktuellen Situation auf dem pfälzischen Tabakmarkt, in deren Kontext die Kaufleute sich darum bemühten, ihre Angebote als vorteilhaft darzustellen: Die 1814er Waare ist durchgehend sehr aufgeräumt. Der 1815er Jahrgang hat eine ziemliche Quantität ausgeliefert, und die Güte des Tabaks kommt derjenigen des 1814er Gewächses […] gleich. Einige Fluren nur haben diesmal hin und wieder etwas Rost erzeugt, der aber auf die Qualität, keinen nennenswerten Einfluß macht. Das Peiffenguth übertrift selbst noch durch schöne, helle Farbe und zartes Blatt dasjenige von 1814, und das Carottenguth kann demselben gleich geschäzt werden. Sandblatt und Geitzen sind ebenfalls besser als bey vorlezter Erndte, ausgefallen. Seit einiger Zeit fand lebhaftes Kaufen statt, wodurch endlich die Preiße bey Landleuten in die Höhe getrieben worden sind. Die Käufer waren anfangs so rasch, daß manche schlechte Partien übersehen und mit anderen Guten untermischt, durchgiengen. – Dies Verfahren mögte nun wohl zur Folge haben, daß Einige jetzt etwas billigere Preise offerieren, um dadurch – wenn auch ohne Nutzen – der schlechtern Waare schnell entledigt zu seyn. – Ich darf dagegen meinen Freunden versichern, ihnen mit einem schönen, sorgfältig sortirtem Blatt aufwarten zu können und glaube voraussetzen zu dürfen, der Kenner wird darin mehr Werth legen, als im umgekehrten Falle auf den etwaigen kleinen Preiß-Differenz.179

Die Schreiben bildeten inhaltlich eine Kombination von Informationen über Marktbedingungen und Werbung, die durch eine positive Positionierung in den beschriebenen Marktsituationen vorgenommen wurde. Den Berichten wurde sprachlich der Anschein von Objektivität gegeben. Diese Kommunikationsform war anschlussfähig an die als Freundschaft konstruierten Geschäftspartnerschaften, die zu beiderseitigem Nutzen dienen sollten – durch die Berücksichtigung der Interessen der anderen bei Transaktionen und der vertrauensvollen Informationsübermittlung. So schrieb Scharpff 1816 beispielsweise, er hege den „Wunsch, daß dieser Bericht“ seinen Geschäftspartnern „nützlich seyn möge“.180 Und er versicherte den Adressaten bei neuen Aufträgen die „reine Beherzigung“ ihrer „Interessen“.181 Auffällig ist in der Korrespondenz jedoch, dass die Kaufleute immer wieder auf Marktsituationen hinwiesen, in deren Kontext sie ihre eigenen Angebote als besonders gut darstellen konnten.182 Neben allgemeinen Werbebriefen wurden einzelne Waren, deren Absatz besonders gefördert werden sollte, in gesonderten, handschriftlich verfassten Rundschreiben beworben. Hierunter fielen zum Beispiel holländisches Salz183 oder Kolonialtabake – also hochwertigere, nicht immer verfügbare Waren.184 Neben an ein mehr oder weniger breites Spektrum von Geschäftskontakten gesandten Werbebriefen wurde Werbung auch individuell zugeschnitten. Im September 1823 richteten Lichtenberger & Co. zum Beispiel an Josef Walter in Landau, 179 180 181 182

Ebd., Nr. 39, Fol. 405. Ebd. Ebd. Zu weiteren Preisauskünften und Berichten, vgl. u. a.: Ebd., Nr. 38, Fol. 702 f.; Nr. 52, Fol. 101 f. 183 Ebd., Nr. 2, Fol. 814. 184 Ebd., Nr. 9, Fol. 354.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

einen Tabakmanufakturinhaber, ein Werbeanschreiben mit einem Angebot von Kolonialtabak, der in Kürze in der Rheinschanze eintreffen sollte: Wir erwarten dieser Tage einen Transport Richmond Stiele emballirte Ballen […] wovon wir Ihnen hierbey durch Fuhrmann Neukirch […] das Muster übersenden. Die Ware ist so ausgezeichnet schön, daß wir von dieser Parthie an keinen Andern als an Sie abzugeben gedenken. Wenn Sie ein nahmhaftes Quantum nehmen, so wollen wir Ihnen hiervon den äußersten Preis à f. 11½ setzen.185

Die Charakteristika der Werbung zwischen einzelnen Akteuren oder Akteurinnen waren zum einen, dass die Kaufleute die Angebote an die Geschäftstätigkeit der Einzelnen anpassten, zum anderen, dass sie dabei kommunizierten, aufgrund der bestehenden Geschäftsfreundschaft ein besonders attraktives Angebot zu machen. Dies spiegelt sich auch in dem obigen Quellenzitat, in dem Lichtenberger & Co. dem Tabakfabrikanten Walter einen Tabak anboten, der „so ausgezeichnet schön“ sei, „daß wir von dieser Parthie an keinen Andern als an Sie abzugeben gedenken.“186 In einem weiteren Brief nach Landau aus dem Jahr 1816 betonten Lichtenberger & Co., dass sie attraktive Preise „aus besonderer Rücksicht“ auf den Empfänger gewährten und fügten hinzu, dass sie die Rauch- und Schnupftabake ansonsten „schon im Durchschnitt um 2 oder 5 Kreuzer per Pfund theurer“187 verkauften. Bei dieser Werbung wurde in besonderem Maße die Beziehung zwischen den Akteuren angesprochen. Am Ende der Schreiben setzten die Kaufleute oft hinzu, dass die guten Angebote „zu einem bedeutenden Auftrag“188 veranlassen müssten und appellierten dadurch an den Adressaten oder die Adressatin, das Angebot durch eine rege Einkaufstätigkeit zu honorieren. Auch im Zuge von vollzogenen Warenverkäufen wurde in der Korrespondenz auf die Qualität und Preiswürdigkeit der eigenen Waren und auf noch vorhandene Warenbestände verwiesen, um zu weiteren Einkäufen zu animieren.189 Briefe, in denen Rechnungen übersandt wurden, konnten zu ausgedehnten Werbeschreiben werden, wie sich an einem Schreiben Scharpffs aus dem Jahr 1817 an einen Nürnberger Handelspartner zeigen lässt: Unsere Weine sind sämtlich von auserlesener Qualität und gut gehalten, so, daß Sie in dieser Hinsicht sich gewiß bey mir befriedigt finden werden. Die hohen Preise sind eine Folge des schlechten Resultats oder vielmehr des gänzlichen Mißwachses der diesjährigen Herbstes. 15er Wein sind auf dem Lande fast nicht mehr zu finden und kosten allgemein f. 500,- pro Fuder; frühere Jahrgänge […] sind fast alle vergriffen […]. Es liegt in der Natur unserer GebirgsWeine eine besondere Milde und ein Angenehmes im Geschmack wodurch sie sich vorzüglich zum Untermischen unter die im Allgemeinen härteren Rheingauer Weine gut eignen und daher immer starken Abgang finden. Unsere Preise sind alle pro Frankfurther Stück gestellt, doch gebe ich Ihm solche in jeder beliebigen kleinen Quantität so wie in Bouteillen ab […]. Angenehm wäre es mir mit Ihren gefälligen Aufträgen beehrt zu werden.190

185 186 187 188 189 190

Ebd., Fol. 354. Ebd., Nr. 39, Fol. 405. Ebd., Nr. 2, Fol. 333. Ebd. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 329 und 641. Ebd., Nr. 39, Fol. 372 f.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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In Einzelfällen legten Scharpff und Lichtenberger ihren Kunden oder Kundinnen bei Warenzusendungen auch ungefragt Proben bei, um Anschlussgeschäfte zu initiieren: Wir haben Ihnen etwas weniges zur Probe von rothem Löwen, unsern eigenthümlichen Wappen, worin wir nur ausgesucht schöne Waare verpacken laßen, dieser Sendung beygefügt. Hoffentlich wird dieser Taback bey Ihnen Beyfall finden, und es soll uns freuen größere Bestellungen darauf von Ihnen zu erhalten.191

Diese Praktik bestand vor allem beim Absatz von Rauch- und Schnupftabaken an Zwischenhändler und -händlerinnen.192 Da Tabak ein Modeprodukt war und von Lichtenberger & Co. ein variierendes Spektrum von Sorten nach unterschiedlichen Rezepturen angeboten wurde, war dies ein Weg, die Abnehmer und Abnehmerinnen auf neue, beliebte oder besonders edle Sorten aufmerksam zu machen.193 Der Werbung für eigene Produkte kam vor dem Hintergrund einer krisenanfälligen landwirtschaftlichen Produktion in Mitteleuropa im frühen 19. Jahrhundert, die stark variierende Qualitäten und Quantitäten von Erzeugnissen produzierte, eine besondere Rolle zu. Die Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger verfügten über kein immer gleiches Warenangebot, das die Kunden und Kundinnen jederzeit beziehen und von dessen gleichbleibender Qualität sie überzeugt sein konnten.194 Die unterschiedliche Entwicklung der Tabak- und Weinjahrgänge hatte zur Folge, dass Scharpff und Lichtenberger nicht in der Lage waren, nachgefragte Rohstoffe und Produkte jederzeit zu liefern. Schreiben an Geschäftspartner oder -partnerinnen, dass man zurzeit mit bestimmten Waren nicht versorgt sei, waren keine Seltenheit.195 Umso wichtiger war es, die Geschäftskontakte auf verfügbare Waren aufmerksam zu machen. Im September 1823 schrieben Lichtenberger & Co. an J. B. Feldbausch in Landau, einen stetigen Abnehmer von Tabaken: Wir haben eine Parthie von dem beliebten Karottenguth wovon Sie in vorigem Jahr von uns empfingen. Nicht zweifelnd daß dieses Ihnen sehr gut conveniren werde machen wir es uns zum Vergnügen Ihnen solches à f. 8,– mit Emballage zu offeriren und wir wollen uns hirauf Ihren Auftrag erbitten ehe der Vorrath zu Ende geht.196

Anhand dieses Quellenbeispiels lässt sich auch zeigen, dass die Kaufleute mit diesem Vorgehen Erfolg haben konnten. So konnten Lichtenberger & Co. Feldbausch im nächsten Brief bereits eine Rechnung über einen Ballen 1822er Karottengut übersenden im Wert von 54,19 fl.197 Hierbei handelte es sich zwar um eine kleine Einkaufsmenge für einen Tabakhändler und damit nur um einen Testkauf, aber die

191 Ebd., Nr. 9, Fol. 528. 192 Vgl. darüber hinaus, z. B.: Ebd., Nr. 2, Fol. 64 und 842. 193 Vgl.: Hobein, Beate: Von Tabaktrinkern und Rauchschlürfern, S. 14–26, sowie: Goodman, Jordan: Tabacco in History, S. 59–89. 194 Vgl. die Beschreibungen von Missernten und Hungerjahren im frühen 19. Jahrhundert, in: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, u. a. S. 100–106. 195 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 491 f. 196 Ebd., Nr. 9, Fol. 354. 197 Vgl.: Ebd., Fol. 363.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Sendung enthielt zumindest, wenn man den zuvor angesetzten Preis zugrunde legt, rund 200 kg Tabak. Die Werbung per Korrespondenz war der zentrale Weg, über den Kaufleute überregional Sichtbarkeit erzeugten. Die Absatzmärkte jener Zeit konstituierten sich vorrangig aus einem Netzwerk aus Korrespondenzpartnern, die einzeln angesprochen werden mussten. Aus dem Bedürfnis nach individueller und immer wiederkehrender Ansprache, um Geschäftsbeziehung zu pflegen und über aktuelle Angebote zu unterrichten, resultierte ein hoher Arbeitsaufwand im Kontor. Dieser wurde verringert durch vorgedruckte Ernteberichte und Preislisten. Neben die Werbung per Korrespondenz traten allmählich neue Formen der Werbung in Printmedien, die erstmals eine Adressierung eines breiteren Publikums ermöglichten, die von Scharpff und Lichtenberger für ihre eigenen Geschäftstätigkeiten allerdings noch kaum genutzt wurden. Die gängige Werbung blieb an einzelne Geschäftsbeziehungen gebunden, ebenso wie die vielfältigen Informationsflüsse über Marktbedingungen. Der geringe Umfang von Werbemaßnahmen für Rauch- und Schnupftabake aus der eigenen Manufaktur deutet daraufhin, dass diesen Produkten im Fernhandel keine Bedeutung zukam. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie über mündliche Kommunikation und persönlichen Kontakt regional abgesetzt werden konnten. Die repräsentative Illustration der Tabake unterstützte dabei die eigene Positionierung auf dem Markt.198 Die Vorstellungen vom ‚ehrbaren Kaufmann‘, der zum Wohle seiner Geschäftsfreunde agierte, prägten die Ausgestaltung der Werbung im Warengroßhandel. Im Mittelpunkt standen der Unternehmensinhaber oder die Unternehmensinhaberin und seine Solidität als Verkaufsargument. Dieses Grundkonzept spiegelte sich in den defensiv konzipierten Schreiben, die den Anschein einer sachlichen Information über Marktverhältnisse vermittelten. Lediglich durch eine Einordnung in das Marktgeschehen konnte der Verkäufer oder die Verkäuferin sein oder ihr Angebot als attraktiv im Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen. Repräsentative Firmenunterlagen, wie Frachtbriefe, unterstützten dabei die Selbstdarstellung als professionelle und florierende Handelshäuser. 5.1.4 Zwischenfazit: Zur Positionierung der Kaufleute auf Märkten Das frühe 19. Jahrhundert bildete eine Übergangsphase von einer kleinräumig organisierten Wirtschaft zu großräumigen Marktprozessen. Diese Entwicklung wurde durch vielfältige Informationsflüsse ermöglicht, die es den Akteuren und Akteurinnen vor allem im Handel erlaubten, großräumig zu agieren. Die wachsende Zeitungs- und Publikationslandschaft ermöglichte es den Speyerer Kaufleuten, sich im Deutschen Bund über politische und gesellschaftliche Veränderungsprozesse als Rahmenbedingungen ihres Wirtschaftens zu informieren. Die Geschäftskorrespondenz verweist dabei auf einen ausgeprägten Zeitungs- und Buchkonsum. Dieser war in Kombination mit privater Korrespondenz sowie persönlichen Gesprächen 198 Vgl. hierzu Kapitel 5.3.1.

5.1 Informationsflüsse und die Erschließung von Märkten

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und Reisen insoweit für eine unternehmerische Aktivität ausreichend, als dass die Kaufleute in ihrer Geschäftskorrespondenz die formal-institutionellen Rahmenbedingungen nahezu ausklammern konnten und lediglich in tiefgreifenden Umbruchssituationen versuchten, Informationen über Geschäftsbriefe zu generieren. Eine Untersuchung der Kommunikation über politische Rahmenbedingungen in den Briefkopierbüchern ermöglicht es, historische Situationen ausfindig zu machen, in denen das Institutionensetting von den Wirtschaftsakteuren und -akteurinnen als unübersichtlich kommuniziert wurde. Erstaunlich ist, dass lediglich die Phase der sogenannten Befreiungskriege gegen Napoleon und die anschließende Phase der herrschaftlichen Neuordnung sich im Untersuchungszeitraum als eine solche Phase in den Quellen abbildet. Formal-institutionelle Wandlungsprozesse wurden unter konsolidierten Herrschaftsverhältnissen in den Briefen kaum thematisiert. Printmedien, privater Briefverkehr und Gespräche garantierte in ausreichendem Maße ein souveränes Handeln in Bezug auf das formelle Institutionensetting. Informationsflüsse über Marktbedingungen blieben im Groß- und Fernhandel an binäre und schriftliche Kommunikationsprozesse zwischen Akteuren oder Akteurinnen gebunden. In der Geschäftskorrespondenz wurden regelmäßig vielfältige Informationen über Angebot und Nachfrage und über Akteure oder Akteurinnen weitergeben. Vor dem Hintergrund, dass für Geschäftsbeziehungen stets das Ideal vertrauensbasierter Geschäftsfreundschaften kommuniziert wurde und Markterschließung vorrangig über Beziehungen zu und Kenntnisse über andere vonstattenging, bestand ein besonderes Bedürfnis der Information über Akteure oder Akteurinnen – über ihre Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit. Um im Kontext der informellen Rahmenbedingungen legitim zu handeln, entwickelten sich spezifische Schreib- und Verwaltungspraktiken, um dem Anspruch zu genügen, zum allgemeinen Wohl zu handeln: Die Praktik der Informationsweitergabe auf beigelegten Zetteln. Diese Praktik ermöglichte bei Bedarf auch detaillierte Informationsweitergaben trotz der Konzeption der Geschäftsbeziehungen als ‚Geschäftsfreundschaften‘ und der damit einhergehenden Verpflichtungen, diskret und nicht gegen das Interesse des anderen zu handeln. Die Informationsweitergabe veränderte sich bei Philipp Markus Lichtenberger im Fall seiner Tätigkeit für die Gothaer Versicherungsgesellschaften. Er nahm in diesem Kontext stärker die Rolle eines loyalen Mitarbeiters ein, der aktiv die Interessen der Versicherung dadurch zu wahren versuchte, dass er das Angebot und die Konkurrenzsituationen auf dem Markt beobachtete, Veränderungen aktiv an die Versicherung weitergab, seine eigenen Einschätzungen mitteilte und dem Unternehmen auf Anfrage beratend zur Seite stand. Als Agent bürgte er für seine Kundinnen und Kunden. An die Versicherung gab er jedoch keine detaillierten Informationen über Akteure oder Akteurinnen weiter – er beschränkte sich auf Angaben zu den zu versichernden Gebäuden und den Brandschutzmaßnahmen vor Ort. Versuche der Versicherung, differenzierte Einblicke in die versicherten Unternehmen oder Haushalte zu erhalten, lehnte er grundsätzlich ab. Das Verhältnis zwischen einer großen Versicherungsgesellschaft, die nicht mehr namentlich und organisatorisch einer Person zuzuordnen war, und ihren Agenten bildete ein anderes Verhältnis, als das zwischen Geschäftspartnern im kaufmännischen Milieu. Im Schriftver-

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

kehr bestand mehr Zurückhaltung bei der Weitergabe von personenbezogenen Informationen. Märkte wurden von den Kaufleuten aktiv erschlossen. Die Handelshäuser verstärkten ihre Sichtbarkeit durch Werbemaßnahmen. Die Werbetätigkeit von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. basierte zum einen auf traditionellen Praktiken, wie Werberundschreiben, persönlicher Vorstellung auf Reisen und der Versendung repräsentativer Geschäftspapiere, zum anderen griffen die Akteure bereits neue Werbemedien auf – und inserierten Annoncen in regionalen Zeitungen. Die Nutzung von Zeitungen wurde jedoch erst im Kontext frühindustrieller, überregionaler Unternehmungen – wie Eisenbahn- und Versicherungsgesellschaften, systematischer und regelmäßiger eingesetzt. Im Großen und Ganzen behielten individuelle Werbemaßnahmen, die auf die Bedürfnisse Einzelner zugeschnitten waren und als Brief übersandt wurden, ihre zentrale Stellung. In Werbebriefen gingen Informationsweitergabe über Marktverhältnisse und Werbemaßnahmen Hand in Hand. Der Werbung wurde der Anschein gegeben, bloß Information zu sein, damit die Empfänger oder die Empfängerin sich objektiv eine Meinung über die Marktsituation bilden konnte. Diese Art der Werbung war anschlussfähig an das Konzept des ‚ehrbaren Kaufmanns‘, der in Geschäftsfreundschaften zum Wohle seiner Geschäftspartner oder -partnerinnen handelt. Die Werbung bezog sich selbst in der Vermarktung von Manufakturprodukten weniger auf die Waren, in dem diese als höherwertig oder andersartig als die anderer Akteure oder Akteurinnen angepriesen wurden, sondern vielmehr auf die beruflichen Kenntnisse und die Zuverlässigkeit, mit der die Kaufleute eine im Verhältnis zum Marktangebot gute Qualität und eine erfolgreiche Abwicklung von Geschäften garantierten. Eine ähnliche Beobachtung machte Clemens Wischermann und hielt vor rund einem Jahrzehnt fest, dass bis weit ins 19. Jahrhundert noch „in den meisten Fällen die Integrität des Geschäftsinhabers […] über die Einschätzung und das Vertrauen der Kunden“199 entschied. Er geht davon aus, dass erst die stetige Präsenz von Neuigkeiten – Moden und neuen Produkten – und von standardisierter Produktion im ‚Industriezeitalter‘ gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer stärkeren Bewerbung der spezifischen Produkte, zur „Entpersönlichung der Herkunft“200 und schließlich zu einem wachsenden Bedürfnis der Imagegestaltung – und somit zum Aufstieg der modernen Wirtschaftswerbung – führte. Im frühen 19. Jahrhundert existierten im Tabakhandel durchaus bereits Moden und Produktneuerungen.201 Im Fokus der Werbung blieben jedoch die Beziehung der Akteure und Akteurinnen zueinander und der Ruf des Produzenten.

199 Wischermann, Clemens: Die industrielle Revolution, S. 124. 200 Ebd. 201 Vgl.: Goodman, Jordan: Tabacco in History, S. 59–89.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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5.2 ROHSTOFF- UND WARENEINKAUF Im folgenden Kapitel werden die Geschäftsabläufe der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. beim Einkauf und der Weiterverarbeitung von Rohstoffen und Waren für den eigenen Handel rekonstruiert und analysiert.202 Für das frühe 19. Jahrhundert stellt sich in Anbetracht der sich seit der Frühen Neuzeit ausweitenden Fernhandelsströme und der überregionalen Geschäftstätigkeit von Scharpff und Lichtenberger die Frage, auf welche Märkte die Unternehmen beim Einkauf zurückgriffen und wie sie die damit verbundenen Transaktionen im Kontext des historischen Institutionensettings abwickelten. Die Analysefragen des Kapitels sind dabei: Auf Basis welcher Rohstoffe und Waren betrieben die Speyerer Kaufleute ihre Geschäfte? Auf welche Märkte, Akteure und Akteurinnen wurde dabei zurückgegriffen? Was verraten die Quellen in den Briefkopierbüchern über Handels- und Korrespondenzpraktiken beim Einkauf? Zunächst dient eine Darstellung des Tabak- und Weinanbaus in der Pfalz zur Beantwortung der Frage, auf welche Rohstoffbasis die Speyerer Handelshäuser in ihrem Umfeld zurückgreifen konnten (Kapitel 5.2.1.). Da die Geschäftskorrespondenz hierüber wenig verrät, werden zur Kontextualisierung des Handels weitere Quellen und Sekundärliteratur hinzugezogen. Im Anschluss werden die Briefkopierbücher daraufhin analysiert, welche Aussagen sich über den Einkauf von Wein und Tabak als zentralen Handelswaren treffenlassen – und über die damit verbundenen Geschäftsabläufe und Kommunikationsprozesse (Kapitel 5.2.2). Schließlich wende ich mich den sonstigen getätigten Einkäufen zu, die die Kaufleute zum Unterhalt ihrer bürgerlichen Haushalte und ihrer Unternehmen über das Kontor abwickelten (Kapitel 5.2.3). Im Anschluss führe ich die Ergebnisse in einem Zwischenfazit zusammen (Kapitel 5.2.4). 5.2.1 Tabak und Wein in der Pfalz Der alltägliche Briefverkehr aus den Kontoren von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. gibt auffallend wenig Auskunft über den Anbau und den Einkauf von Tabak und Wein. Wurde im Briefverkehr mit Dritten auch häufig in Rundschreiben oder im Kontext von Verkaufsverhandlungen über die Entwicklung des Tabak- und Weinanbaus im Jahresverlauf und die verfügbaren Qualitäten und Quantitäten auf dem Markt kommuniziert, so wurden grundlegende Informationen, wie die Ausdehnung des Anbaugebietes, die angebauten Sorten und die Tätigkeiten von Pflanzern oder Pflanzerinnen, Händlern oder Händlerinnen und weiterverarbeitenden Betrieben kaum thematisiert. Daraus lässt sich ableiten, dass die Händler ihr differenziertes Wissen über den Tabak- und Weinanbau im Kontext ihrer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit, durch Reisen, persönlichen Austausch, Zeitungen 202 Die inhaltliche Unterteilung der zwei folgenden Kapitel (Kapitel 5.2. zum Waren- und Rohstoffeinkauf und Kapitel 5.3. zum Warenhandel) erfolgt vorrangig, um eine systematische Quellenanalyse zu ermöglichen. Wareneinkauf und Vertrieb waren in der ökonomischen Realität unteilbar verknüpft und wurden im Kontor zentral koordiniert.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

und Kaufmannsliteratur gewannen. Die Kaufleute von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. waren zudem mit der sie umgebenen Landwirtschaft eng verbunden. Sie bewirtschafteten eigene Felder und Weinberge und waren hierdurch informiert über die Entwicklungen im Jahresverlauf. Der Tabakanbau in der Pfalz lässt sich bis ins frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Jedoch kam es erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im kurpfälzischen Gebiet zu einer weiten Verbreitung dieser Sonderkultur. Der Anbau wurde, bedingt durch die geografischen Gegebenheiten in der linksrheinischen Pfalz, vorrangig in der fruchtbaren Ebene östlich des Haardt-Gebirges betrieben, deren Wirtschaft allgemein stark durch den Anbau unterschiedlicher Feldfrüchte geprägt war. Die Anbaugebiete befanden sich vorrangig in den Kantonen Speyer, Mutterstadt, Neustadt, Germersheim und Kandel.203 Unter der französischen Herrschaft vollzog sich in dem Gebiet der linksrheinischen Pfalz ein erheblicher Ausbau der Anbauflächen. Dies schlug sich in zunehmenden Ernteerträgen in den Jahren 1807 und 1808 nieder und stand in Zusammenhang mit der Errichtung der Kontinentalsperre (1806), die den Import überseeischer Tabake erschwerte. Bereits 1807 belief sich die regionale Tabakernte dem Regionalhistoriker Werner Weidmann zufolge auf 1.610.289 kg, die Ernte des Jahres 1808 erbrachte 2.264.796 kg. Steigende Preise auf dem Tabakmarkt ließen die Anpflanzungen lukrativ werden, konnten zeitweise doch Preise von 22 bis 25 fl. pro Zentner erzielt werden. Aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen drang der Tabakanbau in neue Gebiete vor, wie dem Arrondissement Kaiserslautern oder dem Gebiet um Frankenthal und Grünstadt. Die Erhöhung der Tabaksteuer im Jahr 1808 beeinflusste diese Entwicklung kaum. Sie führte lediglich zu einem Rückgang der Tabakweiterverarbeitung in der Region. Bis zur Aufhebung der Kontinentalsperre verlangsamte sich die Ausdehnung der Anbauflächen jedoch wieder.204 Im Jahr 1811 kam in der Pfalz das staatliche Tabakmonopol zum Tragen. Bereits die Ernte des Jahres 1810 wurde vom französischen Staat aufgekauft – allerdings wurde nur eine gewisse Quote des Tabaks übernommen, der Rest wurde zwangsweise verbrannt. Zudem kam es zu monatelangen Verzögerungen bei der Bezahlung des Tabaks von Seiten der französischen Regie, was bei einigen Bauern und Bäuerinnen existentielle Nöte auslöste. Ab 1811 wurde die Anbaufläche für Tabak für alle Departements von staatlicher Seite festgeschrieben. Sie ging damit erheblich zurück. Viele Bauern wechselten zum Anbau anderer Kulturen – besonders Hanf-, Rüben- und Hirseanbau profitierten davon. Die verbliebenen Tabakbauern mussten auf einen Erlass der französischen Regierung hin ihre Pflanzen in größerem Abstand setzen, so dass sich der Ertrag verringerte.205 Mit dem Ende der französischen Herrschaft wurde das Tabakmonopol aufgehoben und die Pfälzer Bauern und Bäuerinnen konnten wieder eigenständig wirtschaf-

203 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 181; Götschmann, Dirk: Wirtschaftsgeschichte Bayerns, S. 31–33; sowie: Haan, Heiner: Die Anfänge der Industrialisierung in der Pfalz, S. 641. 204 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 182 f. 205 Vgl.: Ebd., S. 183 f.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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ten. Wein und Tabak bildeten im Rheinkreis nach 1816 die wichtigsten Sonderkulturen und waren Kern des regionalen Exportgeschäftes. Der Fall der Kontinentalsperre brachte es jedoch mit sich, dass nun vermehrt überseeische Rohstoffe auf den Markt strömten. Dies führte zu einem stärkeren Konkurrenzverhältnis. Besonders in Hinblick auf die im Vergleich zu amerikanischen Tabaken als mangelhaft empfundene Qualität geriet der pfälzische Tabak unter Druck.206 Die Gewinnspanne der Pflanzer und Pflanzerinnen schrumpfte in den kommenden Jahren stetig. Im Jahr 1817 konnten sie für ein Zentner Tabak noch 16 bis 22 fl. erzielen, zwei Jahre später waren es lediglich noch 6 oder 7 fl. und im Jahr 1822 hatte der Preis mit 5 fl. einen absoluten Tiefstand erreicht. Der Preisverfall wurde auch durch die zollpolitische Isolierung des Rheinkreises begünstigt, die den Absatz erschwerte.207 Der Tabakanbau in der Pfalz unterlag in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts starken Ernteschwankungen. Krankheiten und Schädlinge konnten zu enormen Ernteeinbußen führen. Zusätzlich wurde die Ernte stark vom Wetter im Jahresverlauf beeinflusst. Die zu erwartenden Erträge waren zudem davon abhängig, in welchem Ausmaß die Bauern und Bäuerinnen von Jahr zu Jahr Tabak anpflanzten. Missernten oder niedrige Tabakpreise konnten zum Wechsel der Anbaukulturen und zur Verkleinerung von Anbauflächen motivierten. Gute Preise und reiche Ernten führten tendenziell zur Ausdehnung der Kultur. Vonseiten der Pflanzer und Pflanzerinnen wurde der Anbau in der Pfalz vor allem in Hinblick auf äußere Kriterien, wie Blattgröße und Ertragsmenge, betrieben, da sie sich so von den Großeinkäufern, die nach Gewicht, Optik und Geruch der Blätter kauften und die ihre eingekauften Rohstoffe nicht immer im Einzelnen vor Ort sichten konnten, gute Preise erhoffen konnten. Auf den Feldern gab es zu dieser Zeit keinen sortenreinen Anbau. Von den Bauern und Bäuerinnen wurden Mischungen verschiedener Blattqualitäten und Tabaksorten verkauft.208 Um 1830 erholte sich der Tabakseinkaufspreis in der Pfalz und stieg zeitweise wieder auf 10 fl. In jene Jahre fielen einige Bemühungen zur Verbesserung der Qualität, zum Beispiel durch eingeführtes und akklimatisiertes virginisches Tabakssaatgut. Im Jahr 1830 erreichte die Pfalz mit einem Ertrag von 2.147.850 kg ungefähr wieder den Stand von 1807/1808. Der allmähliche Aufschwung im Tabakbau in den 1830er Jahren mündete schließlich in einen sprunghaften Aufschwung ab 1850, der mit einer erneuten Ausweitung der Anbaufläche einherging.209 Die Weinkultur hatte in der Pfalz ebenfalls eine lange Tradition. Im 18. und 19. Jahrhundert bildete Wein das wichtigste Exportgut der Region. Hansjörg Grubers grundlegender Arbeit zur pfälzischen Wirtschaft im frühen 19. Jahrhundert zufolge wurde Wein auf einem Fünfzigstel der Gesamtfläche des Rheinkreises angebaut.210 Es wurden vor allem Weißweine produziert. Die bekanntesten Weinsor206 Amerikanischer Tabak galt in jener Zeit als hochwertiger als der Pfälzische, vgl. u. a.: Allgemeine Encyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 723 f. 207 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 185–188. 208 Vgl.: Ebd. 209 Vgl.: Ebd., S. 187–189; sowie: Kermann, Joachim: Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Pfalz zur Zeit der Revolution von 1849, S. 316. 210 Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 38.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

ten der Pfalz waren Traminer, Riesling, Rulander, Gutedel und Muskateller. Diese Weine wuchsen besonders in den Gemarkungen der Gemeinden Ruppertsberg, Deidesheim, Forst, Wachenheim, Dürkheim, Ungstein, Mußbach (Neustadt an der Weinstraße), Gimmeldingen (Neustadt an der Weinstraße), Grünstadt, Edenkoben, Landau, Annweiler (am Trifels) und (Bad) Bergzabern. In der Region um Frankenthal, Speyer, Germersheim und Kandel wurde ebenfalls Wein angebaut, aber dieser hatte vorrangig regionale Bedeutung und konnte mit den Weinen der erstgenannten Orte nicht konkurrieren. Die zum Weinbau verwendete Fläche bestand aus rund 30.318 Tagwerken. Die zur Ausfuhr verfügbare Menge wurde vonseiten der Kreisregierung am 11. März 1824 mit 234.115 Hektolitern angegeben. Die Pfalz produzierte, verglichen mit den anderen bayerischen Kreisen, die größte Quantität an Wein, auch wenn in Bayern noch weitere bedeutende Anbaugebiete existierten – wie im Untermainkreis, der zudem über eine größere Anbaufläche verfügte.211 Weinqualität und -ertrag waren wie im Tabakanbau stark abhängig von Klima, Standort und Bodenbeschaffenheit. Schlechtes Wetter und Schädlinge konnten zu verheerenden Ernteausfällen führen. So waren es beispielsweise die Jahre 1808, 1822 und 1833, in denen der Sauerwurm einen Großteil der Ernte vernichtete. Trotz der Entwicklung einer Vielzahl von Gegenmaßnahmen durch die Bauern und Bäuerinnen fehlte es an einem effektiven Bekämpfungsmittel.212 Eine weitere Belastung vor allem für kleine Weinbauern und -bäuerinnen ohne eigenen Waldbesitz stellte die Beschaffung von Holz dar, das für die Rebenerziehung und die Weiterverarbeitung bzw. Lagerung der Weine nach der Ernte benötigt wurde. Die Kapitalisierung des Holzhandels und verstärkte staatliche Eingriffe und Regulierungen durch den Ausbau der Forstverwaltung führten zu steigenden Holzpreisen und einer Knappheitssituation.213 Der Wein bildete, gerade was geringere und preisgünstige Qualitäten betraf, neben dem Branntwein das gängiste alkoholische Getränk der Region.214 Die produzierten Weinmengen konnten aber keinesfalls innerhalb der Pfalz konsumiert werden, sondern waren auf überregionale Absatzmärkte angewiesen. Die unterschiedlichen Ernteerträge und die Rahmenbedingungen auf den überregionalen Märkten führten in der Folge zu unterschiedlichen Preiskonstellationen in der Pfalz. Die Weinpreise blieben im Vergleich zur französischen Zeit aber durchweg auf einem niedrigen Niveau. Ein Grund dafür sieht die Forschung, wie auch bei der Entwicklung der Tabakpreise, im formellen Institutionensetting nach 1815 – in der zollpolitischen Abschottung der angrenzenden Staaten Preußen, Hessen-Darmstadt und Baden. Den Recherchen Hansjörg Grubers zufolge sanken die Preise für das Fuder – 1 Fuder entspricht 10 Hektolitern – […] von 200 Gulden vor 1806 auf 70 bis 80 Gulden in den Jahren 1819/20. In den nächsten zehn Jahren mußte das Fuder zeitweise für 18 bis 20 Gulden verkauft werden.215 211 Vgl.: Ebd., S. 39. 212 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 164 und S. 173–180. 213 Vgl.: Ebd., S. 169, sowie als ausführliche Studie zu den Ausmaßen der Waldressourcenkrise in der Pfalz im 19. Jahrhundert und den Auswirkungen auf die Winzer und Bauern: Grewe, Bernd-Stefan: Der versperrte Wald, S. 153–156, 432–436 und 440–444. 214 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 36. 215 Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 38.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Folglich gingen die Weinanbauflächen zwischen 1824 und 1833 merklich zurück.216 Ein Zollverein und zollrechtliche Entlastungen durch den bayerischen Staat wurden zu wichtigen Forderungen der Weinbauern und Weinbäuerinnen.217 In der Pfalz war der Wein zwar eine stark verbreitete Sonderkultur, oft waren die zur Verfügung stehenden Wingerte jedoch klein und der Anbau wurde im Nebenerwerb betrieben. Wirtschaftliche Not aufgrund fehlender Marktzugänge, Missernten sowie die Verkleinerung der Besitzungen durch die Tradition der Realteilung führten dazu, dass viele Winzer und Winzerinnen ihre Güter versteigern oder sich verschulden mussten. Für die bedrückende Lage im Weinbau spricht nach Werner Weidmanns Auffassung auch die Tatsache, dass Bauern und Bäuerinnen zweitweise gezwungen waren, ihren Wein in offenen Bottichen bereits als Most zu verkaufen, weil es ihnen an Fässern mangelte und sie die Verkaufserlöse zur Abtragung ihrer Schulden zeitnah benötigten.218 Der Geograph Klaus Karst arbeitete in seiner Studie zum Weinbau in Bad Dürkheim allerdings heraus, dass ein Verkauf von Trauben und Most durch die Bauern und Bäuerinnen in der Frühen Neuzeit keine Besonderheit darstellte und nicht allein von ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage abhing, da es ihnen grundsätzlich an eigenen Verarbeitungsmöglichkeiten mangelte – aufgrund der wenigen, verfügbaren Kelteranlagen, die oft gemeinschaftlich genutzt wurden, und der nicht vorhandenen Lagermöglichkeiten bzw. der mangelhaften Kellertechnik.219 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann die Geschichte des Weinbaus in der Pfalz aber keinesfalls als Niedergangsgeschichte oder als Geschichte der wirtschaftlichen Stagnation geschrieben werden. Vielmehr bildete der Weinbau für einige, die sogenannten ‚Flaschenbarone‘ oder den ‚Gebirgsadel‘, die Basis für ihren wachsenden Wohlstand. Dieser wurde vor allem in der Zeit der französischen Herrschaft begründet. Besonders die gesetzlichen Liberalisierungen und die ‚Nationalgüterversteigerungen‘, die freie Verfügbarkeit von Land in den Folgejahren, die Truppendurchzüge und Stationierungen sowie der Zugang zum großen Binnenmarkt Frankreichs ermöglichten den Aufbau großer, ertragreicher Weingüter, eine Ausdehnung der Rebfläche sowie private Initiativen zur Modernisierung des Weinbaus. Der Qualitätsweinanbau, oft nach dem Vorbild des Rheingaus als der führenden, deutschen Anbauregion, gewann besonders auf großen Weingütern an Boden. Vielfältige Neuerungen, wie der sortenreine Anbau oder der Wechsel zu edlen Rebsorten, ermöglichten die Produktion höherwertiger, für den Export geeigneter Weine, die mitunter schon nach Lagen benannt wurden. Die Weiterverarbeitung der Weintrauben wurde dabei noch mit einfachen Gerätschaften vollzogen. Doch auch im technischen Bereich kam es in den 1830er Jahren zu Innovationen und Modernisierungstendenzen, zum Beispiel durch die Verbreitung von Traubenmühlen und ihre Ergänzung mit einem Traubensieb sowie durch die Anschaffung einer ersten hydraulischen Presse im Jahr 1835 durch den wohlhabenden Weingutsbesitzer Dac216 217 218 219

Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 161. Vgl. Ebd., S. 173–180; sowie: Schumann, Fritz: Rebe und Wein in Neustadt, S. 661. Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 169. Vgl.: Karst, Klaus: Der Weinbau in Bad Dürkheim/Wstr., S. 131–136.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

qué in Neustadt. Innovative Gerätschaften wurden dabei oft aus dem französischen Weinbau übernommen.220 Parallel zur qualitativen Aufwertung des Anbaus sowie dessen quantitativer Steigerung eroberte sich der pfälzische Wein zu Beginn des 19. Jahrhunderts überregionale Absatzwege. Die Gruppe der großen und erfolgreichen Winzer, wie sie der Historiker Henning Türk in seinen Studien zum ‚Weinbürgertum‘ am Beispiel der Deidesheimer Familie Jordan erforscht hat, bildete eine finanzielle Oberschicht der Region. Männer aus diesen Familien entwickelten sich zu bedeutenden Unternehmern und politischen Akteuren in der Phase der (Früh)Industrialisierung.221 In die frühe Zeit der bayerischen Herrschaft fallen einige institutionelle Bestrebungen – vor allem von Seiten des Staates – zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im Weinbau der Pfalz. Der von Bayern initiierte Landwirtschaftliche Verein222 sowie die (regionale) bayerische Verwaltung bemühten sich um die Förderung dieses Wirtschaftszweiges. Ihre Initiativen, die sich unter anderem in der Verleihung von Preisen, der Publikation von Artikeln zum Weinbau in Zeitungsorganen und vereinzelten Maßnahme zur Unterstützung der Bauern und Bäuerinnen beim Fassankauf niederschlugen, konnten aber nur sehr begrenzt Wirksamkeit entfalten.223 In bayerischer Zeit ist im Vergleich zur französischen Herrschaft eine Stagnation bzw. in manchen Regionen der Pfalz sogar ein Rückgang der Anbaugebiete festzustellen. Einen weit bedeutenderen Rückgang des Weinanbaus datiert Werner Weidmann aber erst auf die Zeit ab den 1840er Jahren, als eine veränderte Verkehrsinfrastruktur, die Ausbreitung von Bierbrauereien einhergehend mit einem steigenden Bierkonsum sowie höheren Ansprüchen an die Qualität der Weine zu einer veränderten Marktkonstellation führten. Diese Entwicklungen gingen zulasten des Weinbaus in der Ebene.224 Das Ausmaß des Tabak- und Weinanbaus in der Pfalz bot bezogen auf die Menge der produzierten Rohstoffe eine solide Grundlage für den Betrieb von Weinund Tabakhandelshäusern sowie Tabakmanufakturen. Tabak- und Weinanbau wurden immer von Handel begleitet – sei es, dass die Bauern oder Bäuerinnen ihre Waren auf dem regionalen Markt vertrieben oder die großen Weingüter bereits selbst im überregionalen Absatz tätig wurden. Das frühe 19. Jahrhundert wird in der regionalhistorischen Forschung bezogen auf die Struktur des Handels als Übergangszeit angesehen: Regionale Kaufleute betätigten sich demnach im Vorfeld der französischen Revolution vor allem als ‚Allrounder‘, indem sie eine Vielzahl von Waren – vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse – in der Region an- und verkauften, während sich um 1800 zunehmen auf einzelne Warengruppen spezialisierte Großhandelshäuser herausbildeten. Die Entwicklung des Handels wurde dabei durch institutionelle Wandlungsprozesse beeinflusst. Vor der Eingliederung der Pfalz in das französische Herrschafts220 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 170–172. 221 Vgl.: Ebd., S. 154–160, sowie: Türk, Henning: Ludwig Andreas Jordan, S. 105–126. 222 Zum landwirtschaftlichen Verein Bayerns, vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 44–46. 223 Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 38. 224 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 161.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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gebiet führte die territoriale Zersplitterung des alten Reiches und die starken Eingriffe der Territorialherrschaften225 – in Bad Dürkheim beispielsweise durch ein Weinimportverbot und eine starke Regulierung des Exports226 – zu einer weitgehenden Unterbindung von Handelsaktivitäten. Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur und der Wegfall von Restriktionen durch die Integration in den französischen Markt verbesserten die Rahmenbedingungen maßgeblich und bildeten damit eine Grundlage für die zunehmende Herausbildung eines Wein- und Tabakgroßhandels. Im Fall von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lässt sich von einer Fokussierung auf den Wein- und Tabakhandel sprechen, die Kaufleute wurden je nach wirtschaftlicher Situation aber auch noch im Handel mit anderen Waren (u. a. Holz, Salz oder Kolonialwaren) tätig. Doch wie prägte sich die Geschäftstätigkeit der Kaufleute nach 1815 konkret aus? Welchen Einfluss hatte das historische Institutionensetting auf ihre Geschäftsabläufe und welche Handlungsspielräume konnten sie nutzen? 5.2.2 Der Einkauf von Rohstoffen für den Handel Die Konzentration der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auf den Export pfälzischer Tabake und Weine unterscheidet sie beispielsweise von den von Adelheid von Saldern untersuchten Schoeller-Häusern und ihren Geschäften in der Textilbranche, die grundsätzlich auf den Bezug von Merinowolle über weite Strecken – zum Beispiel aus Spanien – angewiesen waren, da der regionale Markt die benötigte Qualität an Rohstoffen nicht liefern konnte. Um Rohstoffe für die Fabrikation feiner Tuche zu beziehen, spielten für die Schoellers Messen und überregionale Wollhandelsplätze – wie Frankfurt am Main, Leipzig oder Breslau – verbunden mit weiten Reisen eine wichtige Rolle.227 Die Speyerer Handelshäuser Scharpffs und Lichtenbergers agierten in der Tabak- und Weinbranche beim Rohstoffeinkauf weitaus kleinräumiger. Meist beschränkten sie sich auf den Einkauf in der Region. Im Fall des Weineinkaufs griffen sie gelegentlich über die Pfalz hinaus, auf Orte im Rheinland südlich von Mainz und Wiesbaden.228 Der Tabakeinkauf erstreckte sich zeitweise auch auf das rechte Rheinufer rund um Mannheim, Heidelberg oder Schwetzingen229 – in dem ehemaligen kurzpfälzischen Herrschaftsgebiet konnte sich der Tabakanbau ebenso vorteilhaft entwickeln wie linksrheinisch. Die beiden Anbaugebiete waren historisch eng verflochten.230 Dies bildete einen Grund, warum Johann Heinrich Scharpff in französischer Zeit seinen Tabak- und Weinhandel auch von Mannheim aus, als einem wichtigen Zentrum des (kur)pfälzischen 225 Vgl.: Schumann, Fritz: Der pfälzische Weinbau, S. 5–15. 226 Vgl.: Karst, Klaus: Der Weinbau in Bad Dürkheim/Wstr., S. 157–159; sowie: Schumann, Fritz: Rebe und Wein in Neustadt, S. 671. 227 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 106–109. 228 Vgl. die überlieferten Weinlisten mit Ortsangaben, in: LBibSp, N41, Mappe IV,1. 229 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 61; Nr. 13, Fol. 7; Nr. 21, Fol. 504, sowie: Nr. 51, Fol. 13, 129 f., 133, 136, 275 und 373. 230 Vgl.: Bankuti, Franz A.: Tabak in der Kurpfalz, S. 35–37.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Tabakhandels, bestritt und dort auch nach 1815 einen Unternehmensstandort unterhielt. Im gesamten Untersuchungszeitraum reisten die Speyerer Kaufleute oft in das nahegelegene Handelszentrum, unterhielten dort Lager oder nutzen ihr Handelsgeschäft in der Rheinschanze als vorgelagerten Brückenkopf, um sich das rechtsrheinische Gebiet geschäftlich zu erschließen. Die Konzentration auf regionale Rohstoffe sowie die Konzentration auf Wein und Tabak ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Johann Heinrich Scharpff seit 1822 mit seinem Schwiegersohn Philipp Markus Lichtenberger parallel die Rheinschanze zu einem Fernhandelsplatz entwickelte. Zwischen den Unternehmen fand in der Folge eine Arbeitsteilung statt. Die Speyerer Handelshäuser konzentrierten sich auf den Einkauf und Handel regionaler Tabake und Weine, während der Rheinschanze-Hafen in umfangreicherem Maße in die Handelsströme über den Rhein eingebunden war. An diesem Ort wurde entsprechend eine breitere Palette landwirtschaftlicher Güter und Kolonialwaren gehandelt.231 Die häufige Abwesenheit von Einkaufskorrespondenzen in den Briefkopierbüchern von Lichtenberger und Scharpff verweist auf die Wirtschafts- und Kommunikationsstruktur in der Pfalz. Das alltägliche Wirtschaften basierte auf mündlicher Kommunikation, so dass vielfältige Verhandlungen und Transaktionen keinen Niederschlag in den Kopierbüchern fanden. Die Tabak- und Weineinkäufe wurden offenbar auf ähnliche Art und Weise vollzogen, wie Otto Heymann es 1909 in seiner Studie zur Entwicklung des pfälzischen Tabakhandels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieb.232 Der Einkauf wurde persönlich bei den Bauern und Bäuerinnen getätigt, indem die Kaufleute nach der Ernte die Ortschaften in den Anbaugebieten bereisten, darauf verweisen die Erwähnungen von Reisen in der Geschäftskorrespondenz.233 Johann Heinrich Scharpff reiste beispielsweise regelmäßig „ins Gebirg“234 – ins Haardt-Gebirge, um Winzer oder Winzerinnen zu besuchen. Erst durch Reisen konnten die Kaufleute sich bei der Vielzahl von Tabakbauern und -bäuerinnen einen Überblick über das Angebot verschaffen und vor Ort entsprechend einkaufen. In den Unternehmensnachlässen sind außerdem zwei Reisenotizbücher überliefert, in denen Kaufleute die Entwicklung in den Anbaugebieten dokumentierten.235 Die Praxis des persönlichen Kaufens vor Ort hielt sich im Tabakhandel unabhängig von dem steigenden Bildungsgrad der Landbevölkerung und der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.236 231 Zwischen den Handelshäusern in Speyer sowie dem Handelshaus in der Rheinschanze lassen sich in der Korrespondenz zahlreiche Warenflüsse rekonstruieren. Dabei wurden zum Beispiel Kolonialwaren nach Speyer versandt, die offenbar vielfältig in der Rheinschanze gehandelt wurden, vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 111, 175, 193 f., 206, 267, 272 f., 320 f., 296 f. 408, 416, 425 f., 427, 439–441, 445 f., 535 f., 593, 626, 628 und 642 f.; sowie: Nr. 54, Fol. 175 f. 232 Vgl.: Heymann, Otto: Die Entwicklung des Pfälzer Tabakhandels, S. 10–21. 233 Vgl. u. a. in: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 292; Nr. 2, Fol. 105; Nr. 3, Fol. 29; Nr. 4, Fol. 145; Nr. 5, Fol. 141; Nr. 16, Fol. 1161; Nr. 17, Fol. 450 und 879; Nr. 19, Fol. 242 f.; Nr. 19, Fol. 658 und Nr. 21, Fol. 335, 450 und 859. 234 Ebd., Nr. 51, Fol. 54. 235 Vgl.: Ebd., Nr. 87 und 88. 236 Vgl.: Heymann, Otto: Die Entwicklung des Pfälzer Tabakhandels, S. 10–21.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Es war grundsätzlich schon möglich, mit den Bauern oder Bäuerinnen schriftlich zu kommunizieren, wie ein Schreiben aus dem Jahr 1829 zeigt. In jenen Jahren war der Tabak auf den Feldern der Bauern und Bäuerinnen stark mit „Rost“ befallen. Lichtenberger & Co. beauftragten daraufhin die Kaufleute in der Rheinschanze in „Rheingönheim, Mundenheim, Maudach, Friesenheim, Oppau, Frankenthal, Oggesheim, Mutterstadt, Eppstein, Ruchheim, Assenheim, Schauernheim, Fussgönheim, Ingelheim, Hassloch, Meckenheim, Dannstadt unverzüglich“ eine „Annonce“ auszuhängen, um im Vorfeld des alljährlichen „Tabaksbrechen[s]“ die Bauern und Bäuerinnen für die Ernte zu instruieren.237 Ein öffentlicher Aushang in der Dorfmitte konnte demnach helfen, die Landbevölkerung über die Nachfrage der Kaufleute zu unterrichten – die Kommunikation nahm dabei jedoch einen öffentlichen Charakter an. Im Unternehmensnachlass des Handelshauses Scharpff findet sich in einem Preiskopierbuch aus den Jahren 1801 bis 1803 ein eingelegtes Blatt, in dem detailliert die Tätigkeiten des Pflanzers oder der Pflanzerin in der Tabakkultur beschrieben wurde. Von der Anzucht des Tabaks auf einem kleinen Landstück über das Setzen der jungen Tabakpflanzen aufs Feld, über die Pflege der Pflanzen (hacken, „häufeln“238, endspitzen und ausgeizen) bis hin zur Ernte, Trocknung und Fermentation der Blätter wurden die Arbeitsschritte genau dokumentiert. So erläutert der unbekannte Schreiber um 1800: Der Unterschied von Schwer- & Pfeiffenguth ist der: ersteres wächst auf einem schweren[…] Boden, letzterer dagegen auf einem sandischen: vom ersteren ist daher das Blatt bräunlich, fett, glatt und dick, von letzerem dagegen dünn, hellbraun und gelb. Zum Spinnen braucht man ein langes Blatt, zum Schneiden ist aber ein kürzeres ebensogut.[…] Die Sandblätter sind kurze dünne farbige und leichte Blätter blos zum Schneiden geeignet.239

Die Beobachtung des Tabakwachstums und die Beurteilung der Qualität auf Basis äußerer Merkmale, wie Farbe, Blattstärke und -größe, Ausmaß des Schädlingsoder Krankheitsbefall, Geruch und Trockenheit waren wichtig für einen erfolgreichen Handel. Zusätzlich zu Informationen über die Qualität der Tabake eines Jahrgangs waren für den Händler oder die Händlerin Informationen über die Menge der zur Verfügung stehenden Tabake je Region oder Ort notwendig sowie über die Preisentwicklung. Der Tabak- und der Weinmarkt waren höchst volatil, wie sich in der Briefkorrespondenz im Verlauf der Jahre zeigt. Das Schwanken der Preise erschwerte das Geschäft, da die Gewinnspannen je nach Zeitpunkt des Ein- und Verkaufes und der Entwicklung der Märkte stark variieren konnten. Die benötigten Informationen über die aktuelle Lage auf dem Markt konnten die Kaufleute aus der Entwicklung ihrer eigenen, landwirtschaftlichen Produktion, aus ihren umfangreichen Kenntnissen über die Region und über ihre vielfältigen Geschäfts- und Privatkontakte in der 237 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 160 f. Die ‚Annonce‘ ist leider nicht überliefert. Da sie aber kurz vor der Ernte noch verteilt werden sollte, deutet daraufhin, dass sich die Kaufleute entweder frühzeitig gute Rohstoffe sichern oder den Bauern Hinweise zum Vorgehen bei der Ernte geben wollten. 238 Vgl.: Ebd., Nr. 144. 239 Ebd.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Pfalz generieren. Die Kaufleute profitierten demnach bei ihren Einkäufen von der Nähe zu den Wein- und Tabakbauern und -bäuerinnen. Der persönliche Rohstoffeinkauf auf dem Land war arbeits- und zeitintensiv. Während den Haupteinkaufszeiten war es wichtig, dass viele Kaufleute aus den Unternehmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in der Pfalz anwesend waren, um die Einkäufe und Einlagerungen zu koordinieren und abzuwickeln.240 Andere anfallende Arbeiten und Reisen mussten diesen Aufgaben untergeordnet werden.241 Die Rheinschanze und die Speyerer Handelshäuser liehen sich in dieser Zeit bei Bedarf kaufmännisches Personal, um die Arbeiten zu bewältigen.242 Kaufleute waren nicht nur in der Buchführung tätig, sondern überwachten und koordinierten die praktischen Arbeiten. So hielt sich Heinrich Lichtenberger im Frühjahr 1829 mehrere Tage in Speyer auf, um umfangreiche Weinabfüll- und Einlagerungsarbeiten im Nachgang einer großen Versteigerung durchzuführen und stand in dieser Zeit der Rheinschanze, in der er zu hauptsächlich arbeitete, nicht zur Verfügung.243 Aus Speyer wurden nicht nur Kaufleute entsandt, um Einkäufe vorzunehmen. Im Februar 1829 entsandten Lichtenberger & Co. beispielsweise ihren „Arbeiter Adolph“244 nach Rheingönheim.245 Bei dem ‚Arbeiter‘ handelte es sich um einen fest angestellten Bediensteten, dessen Namen über einige Jahre hinweg gelegentlich in Briefen von Lichtenberger & Co. aufzufinden ist. Dies bildet insofern eine Besonderheit, da im Schriftverkehr selten Arbeiter oder Arbeiterinnen als Akteure oder Akteurinnen explizit und namentlich genannt wurden. So wurde Adolph im Jahr 1822 durch Lichtenberger & Co. zum Beispiel bei der Weiterverarbeitung von Samen in der Speyerer Ölmühle der Familie Holzmann eingesetzt. Hierbei erhielt er einen Tageslohn von 26 Kreuzern und kann daher als einfacher Landarbeiter mit einem leicht überdurchschnittlichen Einkommen, verglichen mit den gängigen Tagelöhnen in der Landwirtschaft der Region, angesehen werden, der im Unternehmen unterschiedlichen Arbeiten nachging.246 Die Rolle von Mitarbeitern ohne kaufmännische Ausbildung im Einkauf belegt auch ein Geschäft des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff aus dem Jahr 1818. Im August des Jahres wandte sich ein Herr Loebel aus Nürnberg an das Handelshaus mit der Anfrage, ob im Rheinkreis Schachtelhalm angebaut würde und die Speyerer Kaufleute diesen gegen eine Provision für ihn einkaufen könnten.247 Die Kaufleute korrespondierten in der Folge mehrfach mit dem Nürnberger und reichten ihm „mit 240 241 242 243 244 245 246 247

Vgl.: Ebd., Nr. 16 Fol. 936. Vgl.: Ebd., Nr. 13, Fol. 473 f. Vgl.: Ebd., Fol. 816 f. Vgl.: Ebd., Fol. 816 f. und Fol. 847. Ebd., Nr. 13, Fol. 740. Vgl.: Ebd. Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 659 f. Zeitgenössischen Werken, wie ökonomischen Lexika und Enzyklopädien, lässt sich entnehmen, dass es zu jener Zeit zwei verschiedene, als ‚Schachtelhalme‘ vertriebene Pflanzen gab, die entweder im Handwerk und in vielen Haushalten – zum Polieren zum Beispiel besonders von Zinngeschirr und Holz – oder in Apotheken als Arzneipflanze eingesetzt wurden, vgl.: Norrmann, B. P. H. (Hg.): Vollständiges Wörterbuch der Produkten- und Waarenkunde, S. 631 f., sowie: o. A.: Naturgeschichte mit Hinsicht auf Brauchbarkeit, S. 10 f.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Vegnügen die Hand“,248 um eine neue Geschäftsverbindung aufzubauen. Sie tätigten zunächst Testkäufe. Dies geschah, indem ein ‚Arbeiter‘ des Handelshauses auf den Feldern des Umlandes nach Schachtelhalmvorkommen Ausschau hielt. Nach dem Versand einer kleinen Menge, die offenbar zur Zufriedenheit des Adressaten ausfiel, gestaltete sich die Suche nach einer größeren Menge – im Herbst 1818 bestellte Loebel 40 Zentner Schachtelhalm – jedoch schwierig. Scharpff berichtet nach Nürnberg, dass er seinen Arbeiter schon seit „14 Tag […] herumlaufen“ ließ, bis er endlich „noch ein Feld aufgefunden“ habe, auf dem er einen Teil der Menge schneiden konnte.249 Die Korrespondenz belegt auch in diesem Fall, dass Mitarbeiter ohne kaufmännische Ausbildung halfen, den regionalen Markt auszukundschaften, Informationen über Warenangebote einzuholen und gekaufte Rohstoffe einzulagern. Die kommunizierten Schwierigkeiten beim Einkauf verweisen darauf, dass die Informationsflüsse innerhalb der Region im Fall von Schachtelhalmen weitaus spärlicher flossen als im Wein- und Tabakhandel. Es lässt sich die Frage stellen, ob Schachtelhalm überhaupt gezielt für den Handel angebaut wurde – darauf deutet bisher in den Nachlässen der Handelshäuser, die vielfältige Güter spedierten, nichts hin. Eine kleinräumige Strukturierung des Schachtelhalmmarktes mit einem hohen Anteil an Selbstversorgung könnte erklären, warum die Speyerer Kaufleute sich schwer taten, einen Anbieter zu finden. Informationsflüsse in kaufmännischen Kreisen beschränkten sich noch auf ein eng umrissenes Spektrum von Waren, die überregional gehandelt wurden. Joh. Hein. Scharpff, Lichtenberger & Co., Joh. Hein. Scharpff jr. in der Rheinschanze und weitere Handelshäuser ihres Umfeldes kauften Rohstoffe auch gemeinschaftlich ein.250 Hierdurch konnten Reisen einzelner Kaufleute effektiver genutzt werden. Innerhalb Speyers fand zudem eine Umverteilung der Rohstoffe durch Zwischenhandel statt, der aufgrund von Bekanntschaften und dem Wissen über die Geschäftstätigkeit des anderen möglich wurde. Die Geschäfte konnten dabei beachtliche Ausmaße annehmen. So erwarb Johann Heinrich Scharpff im August 1814 beispielsweise Tabake im Wert von 8.966,28 fl. von Johann Michael Freytag sowie Elsäßer Tabake im Wert von 7.000,00 fl. bei Hetzel & Sohn.251 Schlugen sich gemeinschaftliche Einkäufe und Warentransfers zwischen verwandten und bekannten Kaufleuten auch nur unregelmäßig im Briefverkehr nieder, so deuten die Quellen doch daraufhin, dass Scharpff und Lichtenberger von familiären Verbindungen und Geschäftsbeziehungen in ihrem nahen Umfeld durchaus profitierten. In den Tabakorten der Pfalz waren beim Einkauf von Rohstoffen oft Akteure oder Akteurinnen zwischengeschaltet, die als Makler fungierten und den Reisenden behilflich waren, Rohstoffe ausfindig zu machen. Diese Makler dienten mitunter auch als Korrespondenzpartner und konnten auch dabei helfen, einen guten Einkaufszeitpunkt zu bestimmen. Für ihre Dienste erhielten sie eine Provision.252 Makler oder Maklerinnen betrieben diese Tätigkeit häufig nebenberuflich. Es handelte 248 249 250 251 252

Ebd., Nr. 47, Fol. 548 f. Ebd., Fol. 634. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 740; Nr. 41, Fol. 508 f.; Nr. 42, Fol. 730 und Nr. 51, Fol. 332. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 411. Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,1, sowie Mappe IV,4.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

sich bei ihnen oft um Gewerbetreibende, die in den Anbauorten ansässige waren.253 1816 zahlen Lichtenberger & Co. zum Beispiel Franz Anton Cayenz, dem Wirt der Gaststätte ‚Zum Elephanten‘ in Germersheim,254 eine Provision von 6 Kreuzern pro Zentner Tabak, die dieser in Sondernheim – drei Kilometer südlich seines Wohnortes – einkaufte. Der Einkauf umfasste rund 260 Zentner Tabak. Als Provision wurden ihm 25,46 fl. ausgezahlt. Dieses Beispiel zeigt, dass die Betätigung als Makler für regionale Gewerbetreibende ein lukratives Zubrot darstellen konnte. Die an Cayenz gezahlte Provision umfasse immerhin rund zehn Tageslöhne eines Arbeiters in der Landwirtschaft.255 Zusätzlich erstanden Lichtenberger & Co. im gleichen Jahr Fässer von ihm und boten ihm Rum zum Kauf an, so dass dieser Geschäftskontakt von beiden Seiten genutzt werden konnte.256 Die Abwicklung von Tabakeinkäufen konnte vor dem Hintergrund der Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen, die potenziell an den Transaktionen partizipieren und ihre Gewinne daraus ziehen wollten, bisweilen zu Konflikten führen. 1821 hatten Joh. Hein. Scharpff beispielsweise den Kaufmann Wilhelm Sachs aus Mannheim mit dem Einkauf von Tabaken in Seckenheim beauftragt. Dieser wiederum beauftragte einen regional ansässigen Makler damit und forderte von Scharpff im Anschluss, dass dieser ihm und dem Makler jeweils eine Provision zahlte. Scharpff widersprach dieser Forderung, da er den Makler nicht selbst beauftragt hatte. Er war lediglich bereit, die gewöhnliche Provision von bis zu 12 Kreuzern pro Zentner zwischen beiden Akteuren aufzuteilen. Aus seiner Sicht war es illegitim, dass Sachs ihm zusätzliche Kosten aufbürden wollte, die nicht den gängigen Einkaufskonditionen entsprachen.257 Im Weinhandel bestand eine intensive geschäftliche Vernetzung der Speyerer Handelshäuser zu regionalen Winzern. Ein Kooperationspartner bildete die Winzerfamilie Lingenfelder im rund 25 Kilometer entfernten Gimmeldingen (Neustadt an der Weinstraße), zu der beide Handelshäuser über Jahre hinweg Geschäftsbeziehungen unterhielten. Die überlieferten Rechnungen für den „Herbst“ einzelner Jahre sowie die Korrespondenzen rund um die Einlagerungen von Weinfässern in Gimmeldingen verdeutlicht die enge Zusammenarbeit.258 Die Speyerer Handelshäuser interagierten demnach vielfältig mit Jacob, Johann Wilhelm und Thomas Lingenfelder.259 Dem Kontakt nach Gimmeldingen kam aufgrund der Lage des Ortes am Haardtrand eine wichtige Bedeutung zu, da sich in direkter Umgebung viele Weinbaugemeinden befanden, die hochwertige Weine produzieren konnten. Auf ihren Reisen suchten die Speyerer Kaufleute Gimmeldingen daher regelmäßig auf, um sich über die Marktsituation zu informieren.260 253 Vgl. Heymann, Otto: Die Entsicklung des Pfälzer Tabakhandels, S. 13. 254 Vgl.: Frankenthaler Wochenblatt, Nr. 17 vom 26. 04. 1823, S. 65, sowie: Beilage zum Amtsund Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 88 vom 16. 09. 1831. 255 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 45 f. In der Landwirtschaft erhielten Tagelöhner häufig eine Kombination von Naturalien und Geld – als Vergleichswert diente hier der Tageslohn ohne Kost und sonstige Naturalien. 256 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 438. 257 Vgl.: Ebd., Nr. 51, Fol. 126 f. 258 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,1, sowie Mappe IV,4. 259 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 55: Korrespondenz mit Lingenfelder. 260 Vgl.: u. a. Ebd., Fol. 646 f.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Zwischen 1804 und 1822 sind in den Unternehmensnachlässen umfangreiche Abrechnungen überliefert, in denen Thomas oder Johann Wilhelm Lingenfelder für Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Weineinkäufe abrechneten, die sie gegen Zahlung einer Provision vornahmen.261 1822 kaufte Thomas Lingenfelder beispielsweise in Ruppertsberg bei Deidesheim, in Meisenbach (bei Thalfröschen), in Gimmeldingen und in Königsbach (an der Weinstraße) ein.262 Die Einkäufe hatten einen beachtlichen Umfang. Im November 1804 übersandte Lingenfelder Scharpff eine Abrechnung über die Transaktionen der Jahre 1803 und 1804 im Wert von 12.442,25 fl. Für den darauffolgenden März ist eine weitere Abrechnung über 12.499,17 fl. überliefert. Im Fall der Lingenfelder lässt sich auf Basis zeitgenössischer Publikationen zudem rekonstruieren, wie vielseitig die Winzerfamilie in die Wirtschaft involviert war: so waren die Lingenfelder im Weinbau tätig, verfügten über ausgedehnten Landbesitz263, betrieben eine eigene Gaststätte ‚Zum Lamm‘264 und waren als Weinmakler im regionalen Einkauf und Versand von Weinen für die Kaufleute Scharpff und Lichtenberger tätig. Für eine Nähe zur Kaufmannschaft spricht zudem, dass Johann Wilhelm Lingenfelder für Joh. Hein. Scharpff und für Lichtenberger & Co. zeitweise überregional im Warenvertrieb tätig war.265 Aus ländlichen Winzern entwickelten sich reisende Kaufleute. Dem entspricht auch die Tatsache, dass ein Lingenfelder aus Gimmeldingen im Jahr 1823 in Speyer als Kaufmann in der Gastwirtschaft „Zum Pflug“ angekündigt wurde.266 Im Jahr 1827 wurde Wilhelm Lingenfelder zudem als Weinhändler und Gutsbesitzer im Intelligenzblatt des Rheinkreises aufgeführt.267 Für Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. waren die drei Herren aus der Winzerfamilie allerdings nicht nur als Einkäufer oder Makler tätig. Sie organisierten darüber hinaus Warentransporte, lagerten Weine ein, bauten Moste zu Weinen aus, kümmerten sich um die Pflege der Fässer und füllten Weine ab. Sie zahlten die dabei involvierten Fuhrleute, Tagelöhner bzw. Tagelöhnerinnen oder Knechte aus und rechneten die Unkosten gebündelt mit den Speyerer Handelshäusern ab.268 Damit wurden sie zu wichtigen Dienstleistern für ihre Speyerer Geschäftspartner. Die Preisbildung beim Wein- und Tabakeinkauf in einzelnen Ortschaften der Pfalz war relativ einheitlich. Der Studie Heymanns zum Tabakhandel im späten 19. Jahrhundert zufolge lag dies darin begründet, dass die Bauern sich untereinander über die erzielten Preise informierten.269 Die Korrespondenz Scharpff und 261 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,4. 262 Vgl.: Ebd. 263 Vgl. den Verweis auf Landbesitz verschiedener Mitglieder der Familie Lingenfelder rund um Gimmeldingen, in: Beilage zum Intelligenz-Blatte des Rheinkreises, Nr. 137 vom 19. 08. 1827, S. 817 f.; Nr. 144, Speyer vom 02. 09. 1827, S. 863 und Nr. 137 vom 23. 12. 1830, S. 1007. 264 Vgl.: Beilage zum Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 89 vom 31. 07. 1830, S. 672. 265 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 8, Fol. 379–381; Nr. 38, Fol. 221, sowie: Nr. 39, Fol. 611, 619, 652, 661 f., 676, 677 und 704. 266 Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 17 vom 24. 04. 1823, S. 67. 267 Vgl.: Beilage zum Intelligenz-Blatte des Rheinkreises, Nr. 89, Speyer vom 29. 05. 1827, S. 532; Nr. 157, Speyer vom 19. 08. 1827, S. 817. 268 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,1. 269 Vgl.: Heymann, Otto: Die Entwicklung des Pfälzer Tabakhandels, S. 14.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Lichtenbergers deutet auf eine ähnliche Preisbildung hin, da sie nach außen bereits im Vorfeld von Einkäufen Preise kommunizieren konnten und angaben, lediglich einen eingeschränkten Verhandlungsspielraum zu haben. Gängig war die Angabe von Preisspannen, wie sie Lichtenberger & Co. 1839 an einen Handelspartner kommunizierte. Er bezog sich dabei auf die bisher getätigten Einkäufe von Händlern auf dem Land, bei denen 10 bis 14 fl. pro Zentner erzielt worden seien. Die Einkaufsaktivitäten seien bisher zurückhaltend. Daher erwarte er nach der Trocknung der Tabake bei den Bauern einen Preis zwischen 10 und 12 fl.270 Der Zeitpunkt zum Einkauf bestimmten die Kaufleute nach der Ernte jedes Jahr aufs Neue unter Berücksichtigung der Preise und der angebotenen Warenqualität und -quantität. Das begrenzte Angebot von Tabaken und Weinen auf dem regionalen Markt und die schwankenden Preise machten es notwendig, den Zeitpunkt so festzulegen, dass die Kaufleute anderen Großeinkäufern zuvorkamen, um aus einem ausreichenden Rohstoffangebot auswählen zu können. Die verfügbare Menge an Tabaken in guter Qualität konnte die Nachfrage oft nicht decken, während minderwertige Tabake mitunter über Jahre auf dem Lager liegen blieben und nur in Mangelsituationen gewinnbringend verkauft werden konnten.271 Das Zeitfenster zum jährlichen Einkauf von Tabaken wurde dadurch begrenzt, dass die Kaufleute den Tabak erst nach einer ersten Trocknung in den Herbst- und Wintermonaten von den Bauern oder Bäuerinnen übernehmen konnten.272 Die Abläufe im Handelshaus wurden maßgeblich durch die jährlichen Abläufe in der Landwirtschaft vorgegeben, besonders wenn die vorhergehenden Jahrgänge eine schlechte Ernte gebracht hatten und der Handel auf neue Rohstoffe angewiesen war. Ähnliches war auch im Weinhandel der Fall. Der Wein wurde im Herbst geerntet, musste danach aber zunächst zu jungen Weinen weiterverarbeitet werden. Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. verfügten außerhalb Speyers über Weinkeller und Tabaklager. Über die Weinlagerbücher lassen sich Keller in Gimmeldingen273 und in Mannheim274 nachweisen. Um 1830 war Lichtenberger zudem im Besitz einer Weinniederlage und eines Tabaklagers in Oggersheim.275 Und auch in der Rheinschanze verfügten die Kaufleute über Lagerhäuser.276 Die Tabaklager außerhalb der Stadt Speyer vergrößerten das Lagervolumen und erleichterten die Koordination von Warenflüssen. In Mannheim und in der Rheinschanze war es möglich, Waren aus dem Ausland auch im Ausland zu lagern, um sie dort weiter zu handeln – und so die Zollabgaben bei der Ein- bzw. Ausfuhr einzusparen.277 Die 270 271 272 273 274 275

Vgl.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 189–191. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 905 f.; Nr. 18, Fol. 879. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 18, Fol. 426, sowie: Nr. 21, Fol. 189–181. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 97 und 98. Vgl.: Ebd., Nr. 107. Vgl.: Imhoff, Andreas: Die Inspektionsreisen der pfälzischen Regierungspräsidenten 1830– 1848, S. 7. 276 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 17, Fol. 75. 277 Vgl. die Anweisungen von Lichtenberger & Co. an die Rheinschanze, Waren im Freihafen im ‚Ausland‘ zu lagern und nur bei Bedarf zu verzollen und einzuführen, u. a. in: Ebd., Nr. 17, Fol. 58 f.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Handelshäuser erhielten hierdurch Handlungsspielräume über Territorialgrenzen hinweg. Betrachtet man das Einkaufsverhalten der Speyerer Handelshäuser in den Briefkopierbüchern über die Pfalz hinaus, so stellt sich konkret die Frage, ob die Zollschranken im Deutschen Bund mit dazu beitrugen, dass die Kaufleute kaum Tabake aus anderen Staaten bezogen und auch der Weineinkauf seinen Schwerpunkt in der Pfalz behielt. Angenommen werden kann, dass die landwirtschaftliche Produktion des Rheinkreises aufgrund der geringen Kosten beim Einkauf eine attraktive Basis bildete. Ob die Kaufleute an einem weiteren Ausgreifen ihrer Einkäufe interessiert waren und lediglich die Marktordnung sie daran hinderte, lässt sich auf Basis der Geschäftskorrespondenz allerdings im Detail nicht klären – da der formal-institutionelle Handlungsrahmen als Einflussfaktor hier kaum thematisiert wurde. In den Briefkopierbüchern der Handelshäuser lässt sich jedoch untersuchen, welche Rohstoffe wo und in welchem Maße von überregionalen Märkten zugekauft wurden und aus welchen Gründen oder in welchen Bereichen Einkäufe trotz einem Interesse der Kaufleute nicht zustande kamen. Gerade nicht oder nur einmalig zustande gekommene Geschäfte lassen Schlüsse zu, inwiefern das institutionelle Setting die Handelsaktivitäten beschränkte. Einkäufe von Waren über weite Strecken, zum Beispiel französischer Weine oder Kolonialtabake, stellten in den Handelsgeschäften von Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff nur Gelegenheitsgeschäfte dar.278 Lediglich amerikanische Tabake wurden mehr oder weniger kontinuierlich zugekauft, da sie für die Produktion in der Manufaktur benötigt wurden. Bei den von außen zugekauften Weinen und Tabaken handelte es sich durchweg um gleich- oder höherwertige als sie die Pfalz liefern konnte. Es wurden vorrangig Kolonialtabake eingekauft, manchmal auch Tabake aus dem niederländischen Amersfoort.279 Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes, um 1815, finden sich zudem einzelne Verweise auf den Ankauf französischer Tabake.280 Nach den territorialen Umstrukturierungen und der Wiedererrichtung einer französischen Außenzollgrenze lässt sich dies jedoch nicht mehr feststellen. Bei Weinen und alkoholischen Getränken finden sich in der Korrespondenz edle französische Produkte, wie Champagner281 oder Rum,282 der dem Handelshaus aus Amsterdam zukam. Gelegentlich versuchten die Kaufleute auch Produkte aus anderen Anbaugebieten zu beziehen. Zum Beispiel loteten Lichtenberger & Co. im Jahr 1816 durch die Kontaktaufnahme zu Reitlinger & Co. in Wien die Möglichkeiten zum Ankauf von ungarischen Tabaken aus.283 In solchen Fällen blieb es jedoch bei einem Informationsaustausch per Korrespondenz oder verein-

278 Vgl. die Nennung von Malaga-Wein oder Champagner in den überlieferten Weinlisten, in: LBibSp, N41, Mappe IV, 1. 279 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 716 f., sowie: Nr. 1, Fol. 60 f., 179, 234, 250, 306 f., 415 f. und 540 f. 280 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe IV,4, sowie: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 665, 732 f. und 768. 281 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 193 f. 282 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 118. 283 Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 415.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

zelten Probeeinkäufen. In keinem Fall führte dies zu einer Umstrukturierung oder Ausdehnung der jährlichen Wareneinkäufe auf neue Märkte. Für Kolonialtabake bestand die Möglichkeit des Direktbezugs von europäischen Seehandelsplätzen. Im Mittelpunkt der Einkäufe stand dabei die niederländische Handelsstadt Amsterdam. Als traditionelle Handelsstadt und Finanzplatz hatte Amsterdam seit dem 17. Jahrhundert einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. In der Zeit der französischen Herrschaft über die Niederlande litt sie jedoch unter einem starken Rückgang des Handels – bedingt auch durch die Kontinentalsperre, die das europäische Festland von diversen globalen Handelsströmen abschnitt oder diese in illegale Bahnen verschob.284 Zudem litt der Handel unter dem vorübergehenden Verlust der niederländischen Kolonien an England.285 Das Ende der französischen Herrschaft, der Wegfall der Kontinentalsperre, die Rückgabe vieler Kolonien sowie die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress ermöglichten Amsterdam eine erneute Belebung des Außenhandels. Positive Auswirkungen auf den Kolonialhandel hatte zudem das Ende des Britisch-Amerikanischen Krieges im Jahr 1815.286 Im Jahr 1838 war in einer „Allgemeinen Encyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten“ zu lesen, dass Amsterdam als Handelsstadt „noch immer höchst bedeutend“287 war. In der 180.000-Seelen-Stadt (1814) wurde eine breite Palette von Waren gehandelt. Sie bildete einen wichtigen Kolonialwarenmarkt für das europäische Festland. Im Amsterdamer Hafen liefen 1830 jährlich rund zehn Schiffe aus Südamerika und 40 bis 60 Schiffe aus Nordamerika ein. 1830 wurden über Amsterdam 8.539 Fässer Maryland-Tabak und 3.231 Fässer Kentucky- und Virginie-Tabak auf das europäische Festland eingeführt.288 Die Konzentration der Speyerer Kaufleute auf niederländische Handelsstädte bei ihrem Einkauf von Kolonialtabaken hatte vor allem infrastrukturelle Gründe. Für den Handel mit Amsterdam bestand mit dem Rhein eine tragfähige Kommunikations- und Verkehrsverbindung. Die eingekauften Rohstoffe wurden über die Wasserstraße mit Zwischenstationen in Köln sowie in Mainz oder Mannheim flussabwärts in Richtung Speyer transportiert.289 Die Abrechnungen in der Korrespondenz zeigen, dass der Transport über den Fluss günstiger war als der Warentransport über Land zum Beispiel aus dem Bremer Hafen über Hannoversch Münden und Höchst nach Speyer.290 Die Bremer und Hamburger Händler waren nur selten in der Lage, den Speyerern attraktive Angebote zu unterbreiten, musste ihr Tabakpreis dazu doch merklich unter dem der niederländischen Handelsplätze liegen oder das 284 Die Frühneuzeithistorikerin Margrit Schulte-Beerbühl geht davon aus, dass dem Schmuggel oder Praktiken zur Umgehung der Kontinentalsperre eine enorme Bedeutung zukam und Handel zwischen den Kolonien und dem Kontinent in einem recht bedeutenden Umfang durchaus trotz der Sperre möglich wurde, vgl. u. a.: Trading with the enemy. 285 Vgl.: o. A.: Allgemeine Encyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 28. 286 Vgl.: Heideking, Jürgen / Mauch, Christof: Geschichte der USA, S. 1–38, sowie: Suatter, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 132. 287 o. A.: Allgemeine Encyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 19. 288 Vgl.: Ebd. und S. 725, sowie: Bocris, Georg Christian: Beschreibung aller im Handel vorkommenden Tabaks-Gattungen, S. 4 f. 289 Vgl.: z. B. StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 58 f. 290 Vgl.: Ebd., Fol. 267 und Nr. 8, Fol. 66, 344, 647 f. und 324.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Warenangebot bedeutend attraktiver sein.291 Auf die Attraktivität eines Warenbezuges aus Amsterdam deuten auch die Bestrebungen von Lichtenberger & Co. im Jahr 1817 nach einer schlechten Tabakernte dort minderwertige amerikanische und niederländische Tabake einzukaufen, um pfälzische Rohstoffe zu substituieren.292 Trotz der gesetzlichen Liberalisierungen in der Rheinschifffahrt,293 die relativ moderate Kosten zur Folge hatten, brachte der Warentransport über die Wasserstraßen aber auch vielfältige Herausforderungen mit sich. Die Speyerer Kaufleute achteten stets darauf, dass ihre bestellten Waren aus Amsterdam gegen Ende des Jahres, vor der „Hemmung der Schifffahrt“294 im Winter, bei ihnen ankamen, da sie ansonsten zwischengelagert werden mussten, was zusätzliche Kosten verursachte. Zudem waren die Waren in diesem Fall vorläufig nicht verfügbar. Während der Unterbrechung der Schifffahrt stagnierte der Wareneinkauf. Nur in Einzelfällen wurden dringend benötigte Waren über Land transportiert.295 Neben witterungsbedingte Komplikationen im Jahresverlauf traten weitere Gefahren. Im Jahr 1821 kam es beispielsweise bei einer Warenversendung von J. C. Wächter in Amsterdam auf dem Rhein zu einem Schiffsunglück, durch das eine Ladung Kolonialtabake verloren ging.296 Ab Beginn der 1820er Jahre gingen die Kaufleute daher dazu über, ihre Warentransporte bei der „Cölln-Mainzer-Rhein-Schiffahrts-Assecuranz“ zu versichern, um ihre Risiken zu verringern.297 In der Korrespondenz gaben Lichtenberger & Co. gegenüber Kaufleuten in den Seehäfen regelmäßig an, „einen bedeutenden Absatz“298 von amerikanischen Tabaken zu haben und versprachen umfangreiche Geschäfte, sofern sie bei ihren Testkäufen gute Ware geliefert bekämen. Der Vorstellung von vertrauensbasierten Geschäftsfreundschaften folgend, kommunizierten sie, dass sie daran interessiert seien, zuverlässige und langfristige Beziehungen zum beiderseitigem Nutzen aufzubauen.299 Die Amsterdamer Geschäftspartner wiederum versuchten unter Bezugnahme auf dieses Konzept den Einkauf für die Speyerer zu monopolisieren, in dem sie die Erwartungshaltung kommunizierten, kontinuierlich mit Aufträgen bedacht zu werden.300 Die stetige Selbstdarstellung als ehrbare Kaufleute und der Appell an ansässigen Akteure in den Seehäfen, Geschäftsfreundschaften zu beiderseitigem Nutzen aufzubauen, konnten im Fall der Speyerer Kaufleute keine Basis für stabile und florierende Geschäftsbeziehungen zu den Seehäfen bieten. Es bestanden nur einzelne Korrespondenzbeziehungen nach Amsterdam, Rotterdam, Bremen oder Hamburg mit denen pro Briefkopierbuchband mit einer Laufzeit von sechs bis acht291 292 293 294 295 296 297 298 299 300

Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 66, 344, 647 f. und 324. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 513. Vgl.: Strauch, Dieter: Die Entwicklung des Rheinschifffahrtsrechts zwischen 1815 und 1868. Zu Bitten um die rechtzeitige Versendung von Waren, vgl. z. B.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 21. EBd., Fol. 101 f. und 220. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 481 f. Ebd., Fol. 255. Ebd., Nr. 7, Fol. 155 f. und Fol. 164 f. Ebd., Nr. 37, Fol. 981. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 3, Fol. 567 und 862 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

zehn Monaten nur wenige Briefwechsel stattfanden. Der Briefwechsel kam zudem häufig nach kurzer Zeit wieder zum Erliegen. Lediglich im Fall von Amsterdam lagen die Briefwechsel pro Band in den ersten zehn Briefkopierbüchern von Lichtenberger & Co. konstant im niedrigen zweistelligen Bereich von zwölf bis 25 Briefen. Ab dem Herbst des Jahres 1825 sank die Korrespondenz für acht der restlichen elf Bücher jedoch auf weniger als fünf Briefe. Die Korrespondenzstatistik zeigt, dass mit anderen Seehäfen noch weniger korrespondiert wurde.301 Die nur lückenhaft überlieferten Briefkopierbücher von Joh. Hein. Scharpff zeichnen ein ähnliches Bild: In acht der 13 überlieferten Briefkopierbuchregistern kommt Amsterdam als Korrespondenzort vor, jedoch wurde nur zu Beginn und in den Jahren vor der Auflösung des Handelshauses 1828 in größerem Umfang mit der Stadt korrespondiert. Nach Rotterdam sind ebenfalls in acht der 13 Bücher Briefe überliefert, die Quantität war hier aber geringer. Briefe nach Bremen oder Hamburg wurden nur in Ausnahmefällen versandt.302 Für beide Handelshäuser ist somit festzuhalten, dass sie zu Beginn des Untersuchungszeitraumes mehr Korrespondenz gen Norden schickten, als dies später der Fall war – die Bemühungen, Tabake von den Häfen zu beziehen, haben offenbar nachgelassen. Gleiches gilt für die Reisetätigkeiten der Kaufleute in die Seehäfen: Sind diese zu Beginn des Untersuchungszeitraumes noch jährlich in den Briefen vermerkt, so nahmen die Ankündigungen von Reisenden bei Amsterdamer Geschäftspartnern mit der Zeit spürbar ab.303 Eine einige Jahre überdauernde Geschäftsbeziehung unterhielten beide Speyerer Handelshäuser zu dem in Amsterdam niedergelassenen Kaufmann Heinrich Petif.304 Bei Petif handelte es sich um einen Kaufmann, der zuvor in der Pfalz eine Krappmanufaktur in Mußbach (Neustadt an der Weinstraße) besaß305 und dessen Bruder in Mainz als Kaufmann ansässig war.306 Offenbar kannten die Parteien sich bereits vor seiner Übersiedlung in die Niederlande, was den Aufbau der Handelsbeziehung erleichterte. Heinrich Petif war um 1815 zunächst der einzige Geschäftspartner der Speyerer in Amsterdam – erst allmählich gelang es, weitere Kontakte zu knüpfen, wie zum Beispiel 1822 durch Vermittlung eines Kreuznacher Geschäftsfreundes zum Tabakhändler J. C. Waechter.307

301 Vgl. die Register der Briefkopierbücher Lichtenberger & Co., in: Ebd., Nr. 1–21. 302 Vgl. die überlieferten Register der Briefkopierbücher von Joh. Hein. Scharpff, in: Ebd., Nr. 37– 55. 303 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 96, 97 und 195; Nr. 2, Fol. 513; Nr. 3, Fol. 1034; Nr. 4, Fol. 83 und 156; Nr. 7, Fol. 210, sowie: Nr. 21, Fol. 143. 304 Heinrich Petif hatte sich einige Jahre vor dem Wiener Kongress in Amsterdam niedergelassen. 1811 wurde er in Mannheim als Kaufmann aus Amsterdam in einer Zeitung angekündigt, vgl.: Badisches Magazin, Nr. 152 vom 28. 08. 1811, S. 608. 305 StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 44, ein Kaufmann Heinrich Petif ist auch als Käufer von ‚Nationalgütern‘ in Mußbach (Neustadt an der Weinstraße) im Jahr 1804 überliefert, vgl.: Schieder, Wolfgang (Hg.): Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departments, Teil 4, S. 350. 306 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 368. 307 Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 155 f.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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Die Warenflüsse aus den Seehäfen nach Speyer blieben trotz des wachsenden Tabakangebots vor Ort selten. In den Jahren, in denen Waren bezogen wurden, konnten die Einkäufe aber einen beachtlichen Umfang annehmen – es war keine Seltenheit, dass Tabakfässer im zweistelligen Bereich oder Tabak im Gewicht von mehreren hundert Zentnern den Besitzer wechselten.308 Die Austauschbeziehungen waren dabei äußerst eindimensional: Tabaklieferungen von Amsterdam flossen gegen Geldzahlungen nach Speyer. Dieses Verhältnis wurde nur gelegentlich durch Dienstleistungen Scharpffs oder Lichtenbergers aufgebrochen. Sie vertraten Amsterdamer Kaufleute gelegentlich juristisch bei Bankrotten in Speyer309 oder holten für sie Auskünfte ein.310 Um besser zu verstehen, warum sich trotz der relativ guten Transportmöglichkeiten über den Rhein und der Möglichkeit der Versicherung der Waren ab den 1820er Jahren keine konstanten Handelsbeziehungen zwischen Speyer und den niederländischen Seehäfen etablieren konnten, lohnt ein detaillierterer Blick auf die abgewickelten Geschäfte im Schriftverkehr. In der Korrespondenz mit den Seehäfen ist auffällig, dass die Tabakqualität bei den Geschäftsabschlüssen stetigen Kommunikationsbedarf mit sich brachte. In den Briefen beschworen die Kaufleute ihre Geschäftspartner in der Ferne geradezu – durch immer wiederkehrende Ermahnungen und Betonungen – ihnen Tabak in bester Qualität – von heller Farbe, mit gutem Geruch, trocken und gut verpackt – zu übersenden.311 Beschwerden und Reklamationen lassen sich im Schriftverkehr von Lichtenberger & Co., die im Untersuchungszeitraum weitaus mehr amerikanische Tabake aus den Niederlanden bezogen als Joh. Hein. Scharpff, in jedem Jahr finden, in dem in Amsterdam eingekauft wurde – zeitweise kam es in einem Jahr auch mehrfach zu Konflikten mit ein und demselben Handelspartner.312 Im Jahr 1819 führte eine umfangreiche, aber offenbar verdorbene Tabaklieferung sogar zum Abbruch der Geschäfte mit dem Kaufmann van den Biesen.313 Ein Hinweis auf die Gründe für die stetigen Konflikte liefert ein Brief von Lichtenberger & Co. an Heinrich Petif in Amsterdam aus dem Jahr 1821. Hierin gaben die Speyerer Kaufleute an, dass sie sich durchaus darüber im Klaren seien, dass Fässer mit amerikanischem Tabak nur äußerst selten bei ihrer Ankunft auf dem Kontinent keine Beschädigung aufwiesen. Offenbar hatte Heinrich Petif von den Schwierigkeiten nach Speyer berichtet, auf dem Amsterdamer Markt qualitativ hochwertigen Tabak ausfindig zu machen. Lichtenberger & Co. bestanden jedoch 308 Vgl.: Einkauf von Lichtenberger & Co. von 28 Fässern amerikanischen Tabaks in Bremen bei Küster & Hertling, vgl.: StALu, WS1, Nr. 8, Fol. 324. Vgl. ebenso die Korrespondenz mit Schabbehard & Cie. In Bremen, in: Ebd., Fol. 185, 267, 286, 350, 417 f., 606, 640 und 979. 309 Vgl.: Ebd., Nr. 50, Fol. 383 f. und 536. 310 Vgl.: Ebd., Fol. 9. 311 Vgl. u. a.: Ebd., Nr, 4, Fol. 82; Nr. 7, Fol. 10 und Nr. 37, Fol. 882 f. 312 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 603 f.; Nr. 2, Fol. 513; Nr. 3, Fol. 682 f., 954 f., 1034, 361, 554 und 648; Nr. 4, Fol. 324, 372 f. und 447 f.; Nr. 5, fol. 73–75, 101, 142 f., 164, 222 und 324 f.; Nr. 6, Fol. 903–908, 915 f., 939–941 und 977; Nr. 8, Fol. 66, 99, 244,344, 443, 584, 647 f., 689, 768– 770, 825 und 877; sowie: Nr. 9, Fol. 396 f. 313 Ebd., Nr. 5, Fol. 191.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

weiterhin auf der Lieferung von „gesunder“ Ware.314 Es gelang den Amsterdamer Kaufleuten in der Folgezeit aber offenbar nicht, die geforderte Qualität sicherzustellen, da sie die Kolonialtabakfässer vor ihrem Ankauf und vor dem Weiterversandt nur stichprobenartig überprüfen konnten. Das Aus- und Einpacken sowie Sichten der Fässer war zu zeit- und kostenintensiv. Zur Kompensation kleinerer Mängel an gelieferten Waren hatte sich die Abrechnung mit einer Refaktie, einem Abzug vom Nettogewicht und vom Kaufpreis, im Handelsgebrauch etabliert.315 Diese Praktik konnte die auftreten Warenmängel aber nicht in ausreichendem Maße kompensieren. In einzelnen Fällen, sofern die Zeit dazu blieb, übersandten Lichtenberger & Co. Muster von Tabaken und baten die Kaufleute, in gleicher Qualität einzukaufen – aber auch diese Strategie half nur selten, die Qualität der Waren sicherzustellen.316 Die Speyerer Kaufleute waren jedoch trotz vielfältiger Beschwerden nach der Beilegung von Konflikten oft bereit, sich erneut von den Geschäftspartnern beliefern zu lassen. Die Geduld, die sie mit ihren Geschäftspartnern in den Seehäfen hatten, ist darauf zurückzuführen, dass sie nur über wenige Korrespondenzkontakte verfügten und diese trotz vielfältiger Reisen offenbar schwer zu knüpfen waren. Im Fall schlechter Tabaklieferungen kam es oft zu Kompromissen, da der Rückversandt oder der Schaden bei einer Ablehnung der Sendung für den Verkäufer enorme Ausmaße hatte und daher nur im Extremfall zumutbar erschien. Die Kombination von Rohtabakhandel und Rauch- und Schnupftabakproduktion im Fall von Lichtenberger & Co. bot zudem die Möglichkeit, dass im Großhandel unverkäufliche Rohstoffe in der Manufaktur untergemischt bzw. weiterverarbeitet werden konnten, um sie so verkaufsfähig zu machen.317 Als einzige effiziente und zuverlässige Methode, qualitativ hochwertige Kolonialtabake in den Seehäfen einzukaufen, wurde in der Korrespondenz der Einkauf in persönlicher Anwesenheit der Speyerer Kaufleute kommuniziert. So baten die Kaufleute aus dem Hause Lichtenberger & Co. im Jahr 1821 Heinrich Petif in Amsterdam sie zu informieren, wann Tabake günstig im Hafen eingekauft werden könnten. Es wird so dann jemand der unserigen nach Amsterdam kommen, um nach Umständen einen stärkeren oder minderen Einkauf in solcher Waare zu machen die hir uns am dienlichsten ist. Auf diese Weise wird alle Ungewöhnlichkeit und der durch das hin- und herschreiben entstehende Zeitverlust vermieden und wir können uns mit Ihnen selbst am besten berechnen.318

Drei Jahre zuvor, im Sommer 1819, hatten die Kaufleute nach dem Empfang von schlechter Ware in einem Schreiben nach Amsterdam freimütig bekannt, dass sie nicht mehr bereit wären, nach von den amerikanischen Händlern vorgelegten Mustern einzukaufen, da diese „betrügerisch“ handeln würden, und schrieben weiter: 314 Ebd., Fol. 10. 315 Vgl.: Bender, Johann Heinrich: Grundsätze des deutschen Handlungs-Rechts, S. 361. 316 StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 54 f. In Einzefällen ließen sich Lichtenberger & Co. auch aus Amsterdam Warenproben übersenden, ehe sie einkauften, vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 386 f. 317 Ebd., Nr. 7, Fol. 10. 318 Ebd., Nr. 7, Fol. 186.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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… wir sind hierüber der Art zu unserm Schaden belehrt, daß wir auch nicht ein einziges Faß Blätter oder Rippen in Amsterdam mehr kaufen möchten, ohne Stück vor Stück in unserer Gegenwarth stehn zu laßen und genau zu untersuchen.319

Aber auch eine stetige Reisetätigkeit in die Niederlande war aufgrund von Kosten und Aufwand keine tragfähige Lösung, um einen kontinuierlichen Warenfluss nach Speyer zu initiieren. Der Schriftverkehr verweist vielmehr auf einen Rückgang der Reisetätigkeit parallel zum Rückgang der Warenflüsse.320 Die Korrespondenz der Handelshäuser legt somit den Schluss nahe, dass neben den allgemeinen Risiken, die den Transport von Waren über weite Strecken begleiteten, bereits die Kontrolle der Warenqualität und die Abstimmung zwischen Einkäufern und Abnehmern zentrale Herausforderungen bildeten, die Transferprozessen von den europäischen Seehäfen nach Speyer entgegenstanden. Es mangelte an objektiven Kriterien und effizienten Methoden, um im Geschäftsablauf die Qualität von Tabaken sicherzustellen. Die Speyerer Kaufleute zogen es aus diesen Gründen vor, Kolonialtabake an europäischen Handelsplätzen im Hinterland zu erstehen – obwohl die Preise hier häufig höher lagen, da die Zwischenhändler an ihren Waren mitverdienten.321 Wichtige Zwischenhandelsplätze für niederländische und amerikanische Tabake waren für Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. die nahegelegene Stadt Mannheim,322 das rund 84 Kilometer entfernte Mainz und das rund 100 Kilometer entfernt gelegene Frankfurt am Main.323 Transaktionen in diesem Radius konnten zuverlässiger abgewickelt werden. Wurde Tabak zunächst von Frankfurter, Mainzern oder Mannheimer Händlern auf ihre eigene Rechnung eingekauft, so kontrollierten diese die Ware in ihren Lagern und bürgten für die Qualität beim Weiterverkauf. Frankfurt, Mainz und Mannheim wurden von den Speyerern oft bereist. Dabei konnten Waren in Augenschein genommen und Handelskontakte persönlich gepflegt werden, so dass die Marktsituation leichter einzuschätzen war. Hinzu kam, dass bei den Einkäufen die Transportrisiken geringer waren, die Rohstoffe schneller zur Verfügung standen und sich bei Reklamationen die Kommunikation einfacher gestaltete. Im Bereich des Weineinkaufs lassen sich ähnliche Phänomene beobachten. Der Einkauf wurde im gesamten Untersuchungszeitraum vorrangig persönlich vollzogen. Ein Import über weite Distanzen blieb stets auf einem niedrigen Niveau – auch wenn die vielfältigen Korrespondenzkontakte der Kaufleute es mit sich brachten, dass zum Beispiel Kaufleute aus den anderen Provinzen Bayerns versuchten, ihren Wein per Korrespondenz an die Pfälzer abzusetzen.324 Die bestehende Fokussierung von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auf den Rheinkreis als Rohstofflieferant wurde durch die bayerische Zollgesetzgebung der 1820er Jahre konserviert. Pfälzische Kaufleute durften ihre Weine und 319 320 321 322 323

Ebd., Nr. 5, Fol. 142 f. Vgl. die Korrespondenz mit Amsterdam, in: Ebd., Nr. 1–21 und 37–55. Ebd., Nr. 3, Fol. 954 f. Vgl u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 61; Nr. 13, Fol. 7, sowie: 51, Fol. 13, 136, 275 und 373. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 60 f., 179, 234, 250, 306 f., 374, 386 f., 415 f., 540 f. und 565; Nr. 14, Fol. 146 f., 153, 154, 176, 261 f., 274 und 1000; Nr. 37, Fol. 641, 716 f., 665, 732 f. und 768. 324 Ebd., Nr. 14, Fol. 189.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Tabake von nun an zollvergünstigt nach Bayern versenden, wenn sie sich auf den Handel mit pfälzischen Produkten beschränkten oder ihre Warenlager von den regionalen Verwaltungsinstanzen überwachen ließen. Das die Kaufleute sich danach richteten, dokumentieren eindrücklich die regelmäßigen Schreiben an die regionalen Zollbehörden und das Speyerer Bürgermeisteramt, in denen Lichtenberger & Co. ihre Warenaus- und -eingänge von einzelnen Lagern offenlegten.325 5.2.3 Die Handelshäuser als Abnehmer regionaler Waren und Dienstleistungen Die Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. benötigten vielfältige Waren und Dienstleistungen, um ihren Geschäften nachzugehen, ihre Manufaktur zu betreiben und ihre Mitarbeiter und deren Familien zu unterhalten. Die Kaufleute waren daher auf komplexe Weise ökonomisch mit ihrer Umwelt verflochten. In der Alltagskorrespondenz aus dem Kontor wurde dabei keine Trennung zwischen geschäftlichen oder privaten Einkäufen gemacht. Zweck und Ziel der Einkäufe wurden selten kommuniziert – die eingekauften Waren und Gerätschaften deuten jedoch daraufhin, dass zumindest für die Haushaltung der Inhaberfamilien bei Bedarf auch über die Kontore eingekauft wurde. Im Folgenden wird in den Blick genommen, wie sich die Speyerer Kaufleute die diversen Waren und Dienstleistungen beschafften, die für ihren Alltag zusätzlich zu den Rohstoffen und Waren im Zentrum ihrer Handelstätigkeit – Tabak und Wein – notwendig waren. Es stellt sich hierbei die Frage nach den Formen, „in denen sich die Aneignung und der Umgang von und mit Gegenständen und Gegenstandsgruppen des täglichen Bedarfs und der langlebigen Sachkultur vollzogen“.326 Kann bei Handelswaren, die über weite Strecken und in großen Mengen zwischen Handelshäusern transferiert wurden, davon ausgegangen werden, dass Einkauf und Vertrieb bereits stark von überregionalen Marktprozessen beeinflusst wurden, so lässt sich fragen, inwiefern auch Alltags- bzw. Verbrauchsgüter diesen Marktprozessen unterlagen. Dabei nehme ich auch das Verhältnis von Eigenproduktion und Marktangebot in der Quellenanalyse in den Blick. Die Frage, inwieweit Arbeitsprozesse und Warenproduktionsprozesse im bürgerlichen Haushalt und den Handelsunternehmen bestritten oder inwieweit auf Angebote von extern zurückgegriffen wurde, kann bei der Untersuchung der Unternehmen als Organisationen in ihrer historischen Ausgestaltung aufschlussreich sein. Unter dem Aspekt des Einkaufs oder der Beschaffung summiere ich dabei auch den Einkauf von Arbeitskraft, oder anders formuliert, die Anstellung und Anwerbung von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen für die Unternehmen. In modifizierter Art und Weise lässt sich auch hier die Frage nach der ‚Eigenproduktion‘, das heißt nach der Integration von Akteuren oder Akteurinnen aus dem direkten, familiären Umfeld und die Frage danach stel325 Vgl.: Regelmäßige Korrespondenz mit dem Zollkontrollamt und dem Bürgermeisteramt in Speyer ist in den Briefkopierbüchern allerdings einzige für Lichtenberger & Co. überliefert und hier nur für die Jahre 1828 und 1829, vgl.: Ebd., Nr. 13 und 14. 326 Spohn, Thomas: Der Umgang mit den Dingen, S. 122.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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len, wie die Unternehmen darüber hinaus ihre Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen anwarben bzw. geeignete Kandidaten und Kandidatinnen ausfindig machten. Ein Vergleich der Korrespondenz mit entfernten Handelszentren wie Mainz, Köln, Amsterdam oder Frankfurt am Main mit der Korrespondenz in Orte des regionalen Umfelds belegt beim Einkauf der diversen, alltäglich benötigten Waren und Dienstleistungen eine Fokussierung der Akteure auf ihr regionales Umfeld. Während sich der geschäftliche Schriftverkehr über weite Strecken fast ausschließlich mit dem Handel von Tabak und Wein und den damit verbundenen Dienstleistungen beschäftigte, ermöglicht eine Analyse des Schriftverkehrs innerhalb des städtischen oder regionalen Umfeldes einen Blick auf die multidimensionale Eingebundenheit der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in die pfälzische Wirtschaft. Überregionale Märkte hatten im frühen 19. Jahrhundert nur einen beschränkten Einfluss auf das Agieren Einzelner in ihrem Alltag – selbst im Fall von finanzkräftigen Akteuren oder Akteurinnen. Die Ansiedelung innerhalb Speyers, als dem Zentrum der Provinz des Rheinkreises, und damit in der bevölkerungsreichsten Stadt der Region, erleichterte die Beschaffung vielfältiger Güter im direkten Umfeld. Selbst wenn der Historiker Hans Fenske Speyer in der ersten Hälfte 19. Jahrhunderts als eine landwirtschaftlich geprägte Stadt mit einer relativ geringen Wirtschaftskraft und einem niedrigen Wohlstandsniveau beschreibt, so boten die von ihm angegeben 596 Gewerbetreibenden in 97 Gewerben doch ein großes Angebot an Produkten und Dienstleistungen.327 Vielfältige Waren und Hilfs- oder Betriebsstoffe bezogen die Kaufleute ganz selbstverständlich aus dem städtischen oder regionalen Umfeld – von ihnen bekannten Anbietern bzw. Anbieterinnen. Der alltägliche Einkauf wurde dabei dezentral, unter Einbezug verschiedener Gewerbetreibenden,328 Kleinkrämer und Handelshäuser329 vollzogen, da es noch keine zentralen Warenhäuser oder Ladengeschäfte gab, in denen zuverlässig ein breites Spektrum an Waren angeboten wurde. Bei der Analyse der Briefkopierbücher von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. fällt auf, dass sich die alltäglichen Einkäufe von Gebrauchsgütern und Nahrungs- und Genussmitteln nur in geringem Umfang in der Korrespondenz niederschlugen. Dieser Befund verweist darauf, dass der Großteil der Einkäufe persönlich getätigt wurde.330 Am ehesten schlug sich der Einkauf bei anderen Kaufleuten oder Handelshäusern im Briefverkehr nieder – wie beispielsweise ein Essigkauf von Joh. Hein. Scharpff oder ein Brandweinkesselverkauf von Lichtenberger & Co. bei Johann Michael Freytag.331 Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die schriftliche Abwicklung von Geschäften zwischen Kaufleuten gängige Routine war und so auch zwischen Handelshäusern einer Stadt genutzt wurde. Schriftliche Kommunikation im städtischen Umfeld war kostengünstig, da eigene Bedienstete als Boten 327 328 329 330

Vgl.: Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 132. Vgl. zum Bau von Möbeln durch einen Speyerer Schreiner: StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 347. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 48, Fol. 584. Persönlich getätigte Einkäufe schlugen sich lediglich in den Abrechnungsbüchern der Unternehmer wieder, vgl. die zwei überlieferten Journale im Unternehmensnachlass: Ebd., Nr. 111 und 116. 331 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 119 und Nr. 39, Fol. 437.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

genutzt werden konnten, und sie ermöglichte eine zeitsparende Abwicklung von Geschäften. In besonderem Maße sind in den Korrespondenzen zwischen Joh. Hein. Scharpff und den Handelshäusern der Schwiegersöhne des Inhabers, Lichtenberger & Co. und Ludwig Heinrich Schlegel, sowie zwischen Lichtenberger & Co. und Casimir Lichtenberger vielfältige Transaktionen im Alltag dokumentiert. Die Handelshäuser waren besonders prädestiniert, sich auszutauschen, waren sie doch für die Betreibung ihrer Geschäfte und den Unterhalt ihrer Haushalte auf ähnliche Güter angewiesen. Die engen, ökonomischen Beziehungen der Häuser zueinander führten dazu, dass sie einander persönlich Waren überließen und diese dann später – im Rahmen ihres mehr oder weniger regelmäßigen Schriftverkehrs – niederschrieben und in Rechnung stellten.332 Die Warenflüsse zwischen den Kontoren Johann Heinrich Scharpffs, Ludwig Heinrich Schlegels, Philipp Markus und Casimir Lichtenbergers lassen die Kaufleute lokal als ‚Allrounder‘ erscheinen, die zur Versorgung ihrer Haushalte und Handelshäuser sowie als Gelegenheitsgeschäfte mit vielfältigen Waren handelten, einen großen Teil der notwendigen Rohstoffe und Waren selbst produzierten und sich gegenseitig mitversorgten. Unter den Warentransfers zwischen den Kontoren finden sich zum einen Waren, die für die eigenen Handelshäuser benötigt wurden, wie Fässer,333 Fassdauben,334 Säcke335 und Kisten,336 Flaschen,337 Packtuch338 und Packseil,339 einen Kistenkarren,340 (Pack)Winden,341 ein Schreibpult,342 Papier,343 Federkiele,344 eine Deichsel345 und eine Droschke.346 Hinzu traten Waren und Gerätschaften zur Bewirtschaftung der eigenen Ländereien, wie Weinbergpfähle.347 Als Nutztiere zum Transport von Personen und Waren dienten Pferde, die bei Gelegenheit ebenfalls untereinander geliehen oder verkauft wurden.348 Zur Versorgung 332 Vgl. z. B. die Abrechnungen von Transaktionen in: Ebd., Nr. 43, Fol. 212 f., 218, 312, 578, 579 f. und 624. 333 Vgl.: Ebd, Nr. 3, Fol. 870; Nr. 6, Fol. 402; Nr. 11, Fol. 250 und 1075–1078; Nr. 41, Fol. 263; Nr. 39, Fol. 504; Nr. 42, Fol. 24; Nr. 43, Fol. 578; Nr. 43, Fol. 212 f. und 672; Nr. 51, Fol. 313; Nr. 54, Fol. 630; Nr. 55, Fol. 116. 334 Vgl.: Ebd., Nr. 16, Fol. 984. 335 Vgl.: Ebd., Nr. 13, Fol. 932. 336 Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 378 und Fol. 419. 337 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 865 f. ; Nr. 43, Fol. 578 und 579 f. 338 Vgl.: Ebd., Nr. 11, Fol. 238 und 575; Nr. 16, Fol. 1170; Nr. 46, Fol. 225; Nr. 51, Fol. 313; Nr. 52, Fol. 293; Nr. 55, Fol. 147 und Nr. 43, Fol. 578. 339 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 574. 340 Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 150. 341 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 451; Nr. 4, Fol. 378 und Fol. 419. 342 Vgl.: Ebd., Nr. 43, Fol. 218. 343 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 451; Nr. 3, Fol. 455 f., 610 und 611; Nr. 15, Fol. 832. 344 Vgl.: Ebd., Nr. 52, Fol. 459. 345 Vgl.: Ebd., Nr. 10, Fol. 439. 346 Vgl.: Ebd., Nr. 15, Fol. 750. 347 Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 378 und Nr. 53, Fol. 452. 348 Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 417, Nr. 39, Fol. 762 und Nr. 43, Fol. 218. Die Kaufleute haben jedoch nur über eine überschaubare Anzahl von Pferden verfügt. Pferde waren zu Beginn des 19. Jahr-

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

205

der Familie oder der Bediensteten sowie zum gelegentlichen Zwischenhandel wechselten Zucker („Melis und Candis“349), Branntwein,350 Weinessig,351 verschiedene Pflanzenöle,352 Schießpulver,353 Tuch,354 Hemden355 und „Kittel“356 den Besitzer oder die Besitzerin. Hinzu traten landwirtschaftliche Erzeugnisse, die vielseitig einsetzbar und zu verarbeiten waren, wie Hafer,357 Flachs,358 Raps,359 Korn,360 Holz,361 Heu,362 Hanf-,363 Mohn-364 und Kleesamen,365 „Büschel Waiden“,366 Steine367 oder „Mohnkuchen“.368 Hanf-, Mohn- und Kleesamen erstand vorrangig Casimir Lichtenberger, da er sie in seiner Mühle zu Pflanzenöl weiterverarbeiten konnte. Diese Zusammenstellung von Gütern verweist auf durch die Landwirtschaft und durch Subsistenzwirtschaft geprägte Haushalte mit eigener Produktion und Verarbeitung. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen Thomas Spohns zur Versorgung in der Kleinstadt Unna bis ins frühe 19. Jahrhundert. Abgesehen von einzelnen Importprodukten, wie Kaffee oder Zucker, stützten sich die Unnaer Einwohner bei ihrer Versorgung überwiegend auf die Eigenproduktion.369 Es handelte sich bei den Warentransfers zwischen Handelshäusern der Speyerer Familien Scharpff, Schlegel und Lichtenberger aber nicht nur um Kauf- und Verkaufsakte, sondern auch um das Leihen bzw. kostenlose zur Verfügung stellen von Gegenständen und Gerätschaften, die die Handelshäuser dann häufig „in Natura“370 zurückerhielten. In der schriftlichen Kommunikation erscheinen Tauschen und Leihen als selbstverständlich – der Warenverkehr zwischen verwandten

349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370

hunderts in Speyer noch rar und Ausdruck von Wohlstand. 1825 kamen gerade mal 368 Pferde auf 1813 Haushalte, vgl.: Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 130–134. Auch dieser Befund deckt sich mit den Angaben Spohns zu Unna in jener Zeit, vgl.: Spohn, Thomas: Der Umgang mit den Dingen, S. 137–141. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 599. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 503. Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 379. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 1049; Nr. 15, Fol. 415. Vgl.: Ebd., Nr. 15, Fol. 743. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 227; Nr. 11, Fol. 883 f.; Nr. 15, Fol. 137. Vgl.: Ebd., Nr. 52, Fol. 459. Ebd., Nr. 15, Fol. 439. Vgl.: Ebd., Nr. 11, Fol. 249 f.; Nr. 43, Fol. 578. Vgl.: Ebd., Nr. 43, Fol. 672. Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 298; Nr. 15, Fol. 853; Nr. 16, Fol. 1179; Nr. 17, Fol. 29, 32 und 69; Nr. 55, Fol. 190. Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 378 und Fol. 419. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 227; Nr. 16, Fol. 984; Nr. 39, Fol. 612; Nr. 41, Fol. 302 f.; Nr. 42, Fol. 835 und Nr. 43, Fol. 84. Vgl.: Ebd., Nr. 41, Fol. 302 f. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 811. Vgl.: Ebd., Nr. 16, Fol. 956. Vgl.: Ebd., Fol. 73 f. Ebd., Nr. 54, Fol 327; vgl.: Nr. 10, Fol. 439; Nr. 10, Fol. 975. Vgl.: Ebd., Nr. 10, Fol. 336 und 1141. Vgl.: Ebd., Nr. 15, Fol. 242 f.: Gemeint sind hier Presskuchen aus der Pflanzenölproduktion. Vgl.: Spohn, Thomas: Der Umgang mit den Dingen, S. 137–144. StALu, WS1, Nr. 52, Fol. 239, sowie u. a. in: StALu, WS1, Nr. 43, Fol. 672.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

oder eng bekannten Akteuren und Akteurinnen war nicht in dem Maße monetarisiert, wie es im Fernhandel der Fall war. Doch selbst im Fernhandel, in dem vor allem auf Wechsel verkauft wurde, wurde ein Tauschhandel von den Kaufleuten in Einzelfällen als attraktive Alternative kommuniziert. Zum Beginn des Untersuchungszeitraumes tauschten Joh. Hein. Scharpff bei Friedrich Michel in Landau ihren Tabak gegen eine Lieferung Papier. Im Jahr 1818 fragten Lichtenberger & Co. zudem bei Gelvink, Krafft & Co. in Nürnberg an, ob sie pfälzischen gegen bayerischen Tabak tauschen könnten.371 Tauschakte boten sich in jenen Fällen an, wenn beide Parteien in größerem Umfang an den Waren des jeweils anderen interessiert waren. Dabei wurde den Waren in der Korrespondenz allerdings zunächst ein monetärer Wert zugeordnet, um sie dann im Verhältnis zueinander tauschen zu können. Tauschgeschäfte über weite Strecken bildeten jedoch Ausnahmen.372 Im Fall von selbstproduzierten Nahrungs- und Genussmitteln sind auch vereinzelt Akte des Schenkens bzw. der Umverteilung innerhalb des sozialen Umfeldes der Kaufleute festzustellen, ohne dass dabei eine direkte Gegenleistung in Form von Geld, Arbeit oder Waren eingefordert wurde. Dies lässt sich besonders zwischen Lichtenberger & Co. und dem Handelshaus in der Rheinschanze nachweisen, da zwischen den geografisch entfernten, aber sozial und ökonomisch eng vernetzten Handelshäusern in umfangreichem Maße schriftlich kommuniziert wurde. Den mit dem Handel verbundenen Warentransfers wurden gelegentlich Getränke und Nahrungsmittel beigefügt – wie Körbe und Säcke mit Gemüse oder Obst und einzelne Weinfässer, die vorrangig für Heinrich Wilhelm Lichtenberger, aber auch für andere Mitarbeiter gedacht waren. Ob es sich dabei um gelegentliche Aufmerksamkeiten handelte, wie die Kaufleute es bei Weinübersendungen schrieben, oder um eine Mitversorgung, lässt sich auf dieser Quellenbasis allerdings nicht abschätzen.373 Bei den Transaktionen zwischen den Speyerer Kaufleuten der Familien Scharpff, Lichtenberger und Schlegel handelte es sich um einen Warenaustausch, der aufgrund der engen Bekanntschaft und der ökonomischen Schnittstellen der Unternehmen bzw. Haushalte stattfinden konnte. Die transferierten Güter waren nicht Teil eines öffentlich kommunizierten Angebotes. Der Austausch diente dabei unter anderem der Überbrückung von Knappheits- oder Mangelsituationen, um die eigenen Geschäfte und privaten Haushalte zu führen. Dies war für die Handelshäuser bei gewerblichen Gütern besonders wichtig, da beispielsweise Papier, Fässer oder Seil kosten- und zeitaufwendig von lokalen Handwerkern produziert oder von außen eingekauft werden mussten.374 Sie waren nur begrenzt vor Ort verfügbar. Ihr Verbrauch war je nach Geschäftsentwicklung aber schwer zu kalkulieren. Diese Güter wurden unter den Kaufleuten daher gerne geliehen oder gehandelt. Der urbane Raum und das familiäre Umfeld bildeten aber keinesfalls den alleinigen Bezugspunkt der routinemäßigen Versorgung mit Nahrungsmitteln und Ge371 Vgl.: Ebd., Nr. 4, Fol. 451. 372 Vgl. zu den Bezahlpraktiken und Finanzflüssen im Geschäftsablauf Kapitel 5.4.2. 373 Vgl.: Übersendung von zwei Säcken Kartoffeln für die Kaufleute Haape und Stolz in der Rheinschanze 1828, in: StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 309 f., sowie weitere Übersendungen an Kaufleute in der Rheinschanze u. a., in: Ebd., Fol. 884 f.; Nr. 14, Fol. 56 und 311. 374 Vgl. u. a. Einkäufe von Papier in Landau, in: Ebd., Nr. 1, Fol. 250 f., 263 f. und 287.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

207

brauchsgütern. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse zur regionalen Ökonomie der Pfalz ist anzunehmen, dass auch das Umland um Speyer dazu diente, landwirtschaftliche Rohstoffe zu beziehen. Wie beim Großeinkauf von Tabak und Wein schlugen sich diese Zukäufe aber nur selten in der Korrespondenz nieder. Nur gelegentlich, wenn zum Beispiel Joh. Hein. Scharpff bei ihrem Korrespondenzpartner Lingenfelder in Gimmeldingen nachfragen ließen, ob und zu welchem Preis dort 1.000 Weinbergpfähle zu erstehen wären375 oder wenn Lichtenberger & Co. ein Kleesamenangebot,376 das ihnen in Germersheim unterbreitet worden war, an die Rheinschanze übermittelten, lassen sich diese Einkäufe schlaglichtartig nachweisen. Neben landwirtschaftlichen Rohstoffen wurden auch Waren und Gebrauchsgüter gelegentlich von außen zugekauft. Für ihren Bezug spielten allerdings urbane Handels- und Gewerbezentren eine wichtigere Rolle als das ländliche Umfeld Speyers. Die Einkäufe erstreckten sich dabei auf einen Radius, der verglichen mit der Ausdehnung des Kommunikationsnetzwerkes der Unternehmen und den Transferprozessen im Kontext ihres Tabak- und Weinhandels eine bedeutend geringere Ausdehnung annahm. Lediglich im Fall von hochpreisigen Kolonialwaren griffen die Einkäufe weiter aus, zum Beispiel wenn Lichtenberger & Co. Rum377 oder Zucker378 in Amsterdam einkauften. Waren wurden vorrangig aus Nachbarstädten oder von den nächstgelegenen großen Handelsplätzen bezogen. Bei den Einkäufen von außen handelte es sich neben klassischen Importwaren, wie Gewürzen,379 Kaffee oder Zucker,380 auch um vielfältige Gewerbeerzeugnis-se. Darunter befanden sich Erzeugnisse, die teilweise auch innerhalb Speyers produziert werden konnten oder angeboten wurden, wie die Käufe von Stiefeln,381 Kordel,382, Eau de Rose,383 Tapeten,384 Salmiak385 und Tabakspapier386 in Lan-dau, Fässern in Germersheim,387 Bleiplatten zur Herstellung von Tabaksdosen in Neustadt388 oder in (Bad) Kreuznach,389 gedruckten Tabaksetiketten390 und 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384

385 386 387 388 389 390

Vgl.: Ebd., Nr. 39, Fol. 477. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 449. Vgl.: Ebd., Nr. 1, fol. 118. Ebd., Nr. 7, Fol. 545 f. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 549 f., sowie eine weitere Zinober-Bestellung in: Ebd., Fol. 641. Vgl.: Ebd., Fol. 737, 818, 845, 898. Vgl.: Ebd., Nr. 45, Fol. 801 f. Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 129. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 667. Vgl.: Ebd., Fol. 754 und 774. Die Tapeten wurden bei Ludwig Kaussler bestellt, einem Händler aus Landau, der im Intelligenzblatt damit warb, die „neuesten, geschmackvollsten, diesjährigen Dessins […] von Pariser und anderen der besten französischen Fabricken“ auf Lager zu haben, vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 6 vom 13. 04. 1822, S. 260, sowie: Ebd., Nr. 246 vom 06. 08. 1823, S. 1106. StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 485. Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 250 f., 263 f. und 287. Vgl.: Ebd., Fol. 438. Vgl.: Ebd. Nr. 1, Fol. 23, 51, 89 f., 143, 186, 341 und 386. Vgl.: Ebd., Fol. 318, 325 f., 354 f. und 442 f. Vgl.: Ebd., Nr. 2: Korrespondenz mit der ‚Jungfer Dietzin‘, die als Druckerin für Lichtenberger & Co. tätig war.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Salmiak391 in Mannheim, Siegel-392 und „Tabakslack“393 in Worms, Tafelsenf in Mainz,394 Ocker,395 „Nelken, Zinober und Magnesia“396 sowie Tabakschneidemessern397 in Frankfurt am Main, einzelnen Fässern Ocker in Würzburg,398 Bücher in Nürnberg399 oder drei „Kinderkittel[n]“400 in Köln belegen. Das Kaufen per Korrespondenz bildete eine Praktik, die die Kaufleute vom regionalen Markt unabhängiger werden ließ. Die damit verbundenen Risiken sorgten aber dafür, dass nur in begrenztem Umfang – vor allem bei guter Kenntnis der Geschäftspartner und -partnerinnen sowie bei geringen Warenmengen – in entfernten Städten eingekauft wurde. Der Einkauf der vielfältigen Waren wurde nicht immer über den direkten Kontakt von Anbieter bzw. Anbieterin und Abnehmer bzw. Abnehmerin vollzogen. Vielmehr wurden Geschäftsfreunde auch vermittelnd tätig und kauften per Korrespondenz oder auf Reisen für die Speyerer Kaufleute ein.401 Geschäftspartner oder -partnerinnen konnten darüber hinaus genutzt werden, um kleine Mengen benötigter Waren gemeinschaftlich und dadurch kostensparend einzukaufen. Gemeinschaftliche Einkäufe lassen sich, wie auch im Bereich des Großhandels, in besonderem Maße in Kooperation von Joh. Hein. Scharpff, Lichtenberger & Co. und – zu Beginn des Untersuchungszeitraumes – Ludwig Heinrich Schlegel feststellen.402 Aber auch andere in Speyer oder in der Umgebung ansässige Akteure und Akteurinnen konnten mit den Kaufleuten kooperieren.403 Einkäufe in Kooperation mit nichtverwandten Kaufleuten sind jedoch insgesamt selten nachzuweisen. In der Kommunikation über Wareneinkäufe fällt auf, dass sehr allgemein über die Waren geschrieben wurde bzw. das sie – abgesehen von ihrem Preis und eventuell der Angabe ihrer Menge – in ihrer spezifischen Ausgestaltung oder Qualität kaum charakterisiert wurden. Das fällt besonders dann auf, wenn Waren bei Dritten über weite Entfernungen bestellt wurden. So erstaunt es, wenn in einzelnen Sätzen beispielsweise Kleidungsstücke bestellt und abgerechnet wurden, bedenkt man die Ergebnisse der konsumhistorischen Forschung zum 18. und frühen 19. Jahrhundert.404 Stiefel oder Hemden gab es, je nach sozialem Stand und Nutzung, schließlich in ganz unterschiedlichen Ausgestaltungen. Besonders die seit der Frühen Neu391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404

Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 12, 21, 792 und 805. Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 76, 415 und 437. Vgl.: Ebd., Fol. 194. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 127, 179, 533, 717 und 867. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 519. Vgl.: Ebd., Fol. 549 f., sowie eine weitere Zinober-Bestellung in: Ebd., Fol. 641. Vgl.: Ebd., Fol. 529 und Fol. 814. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 10, 32, 320 und 337, Nr. 9, Fol. 78 und 556, sowie: Nr. 10, Fol. 802, 874 f. und 1072 f. Vgl.: Ebd.,Nr. 3, Fol. 53, 109 und 190. Vgl.: Ebd., Nr. 10, Fol. 338. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 657, sowie: Ebd., Nr. 4, Fol. 709. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 175. Vgl.: Ebd., Fol. 371. Vgl.: Malanima, Paolo: Europäische Wirtschaftsgeschichte, S. 364–367, sowie: Prinz, Michael: Der lange Weg in den Überfluss, S. 6.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

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zeit in Europa aufkommenden Moden werden auch an dem Bürgertum der pfälzischen Provinzhauptstadt nicht spurlos vorbeigegangen sein. Die Korrespondenz zeichnet somit ein sehr einfaches und pragmatisches Bild der Einkaufsprozesse, das mit den konsumhistorischen Erkenntnissen nicht unmittelbar in Einklang zu bringen ist. Warum es bei der wenig konkreten Kommunikation über einzukaufende Waren vor dem Hintergrund der wachsenden Menge und Auswahl an Konsumgütern blieb, kann hier nicht abschließend geklärt werden. Denkbar ist, dass die Kenntnisse der Geschäftspartner und -partnerinnen durch persönliche Bekanntschaft und mündlichen Austausch dabei halfen, füreinander angemessene Waren einzukaufen – oder dass die Briefe mit den Warenbestellungen bei diesen Fällen nicht Wort für Wort in die Kopierbücher übertragen wurden. Das regionale Umfeld war neben seiner zentralen Stellung als Lieferant für vielfältige Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter auch jener Bereich, aus dem die Handelshäuser vorrangig gewerbliche Dienstleistungen bezogen. Zum Unterhalt der eigenen Handelshäuser, zum Aufbau von weiterverarbeitenden Betrieben sowie zum Unterhalt der eigenen Haushalte mit den dazugehörenden Immobilien konnten sich die Kaufleute auf die ansässigen Gewerbe stützen.405 Die städtischen Handwerker übernahmen auch Arbeitsaufträge in der Rheinschanze, da vor Ort keine Handwerksbetriebe ansässig waren. Zwar bot sich bei einigen Dienstleistungen bereits die Alternative, in Nachbarstädten oder -orten angesiedelte Gewerbetreibende in Anspruch zu nehmen,406 doch ersparte der Rückgriff auf bekannte Akteure und Akteurinnen aus dem direkten Umfeld der Kaufleute Geld – aufgrund wegfallender Korrespondenz-, Transport- und Reisekosten. Die in Speyer vorhandenen Gewerbe ermöglichten es zudem, dass nicht alle für das Handelsgeschäft benötigten Waren und Dienstleistungen unternehmensintern produziert bzw. erbracht werden mussten. Der Rückgriff auf ansässige Gewerbetreibende ermöglichte, langfristige und zuverlässige Geschäftsbeziehungen zu etablieren. Zur Abwicklung der Handelsgeschäfte griffen Scharpff und Lichtenberger zum Beispiel häufig auf ansässige Transportdienstleister und -dienstleisterinnen zurück, wie die Schiffer Peter Eberle407 und Valentin Ueberle.408 Dies diente der Risikominderung, da die Akteure und Akteurinnen im Kontext der vielfältigen Warenlieferungen ihre Solidität mit der Zeit unter Beweis gestellt hatten und im Konfliktfall leicht auf sie zugegriffen werden konnte.409 405 Vgl. zum Beispiel die Arbeiten des Speyerer Zimmermeisters Schilly, in: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 546 und Nr. 11, Fol. 918 oder des Tünchermeisters Baureis, in: Ebd., Nr. 20, Fol. 160 f. Zur Herstellung von Drucksachen, wie Zirkularen und Preiscouranten, griffen die Kaufleute auf die Dienstleistungen der Speyerer Druckerei von Jacob Christian Kolb zurück, dem Vater des im Vormärz durch sein politisches Wirken bekannt gewordenen Verleger und Publizisten Georg Friedrich Kolb, der den zentralen Druckereibetrieb in der Stadt unterhielt und auch die lokalen Zeitungen verlegte, vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 214; zu Georg Friedrich Kolb, vgl.: Braeuer, Walter: „Kolb, Georg Friedrich“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 411 f. 406 Vgl. u. a. den Briefverkehr mit der Druckerin Magdalena Dietz in Mannheim, in: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 290, 311, 533, 658, 715, 728 und 802. 407 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 296, 382 und 486. 408 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 37. 409 Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 855.

210

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Eine zentrale Stellung für den Aufbau von Manufakturen hatten innerhalb Speyers die Mühlenbesitzer und -besitzerinnen am Speyerbach inne, deren Mühlen zum Mahlen diverser landwirtschaftlicher Rohstoffe, wie Getreide, Ölsaaten, Krapp oder Tabak genutzt wurden. Konnte Mehl oder Öl direkt von der Mühle aus weitervertrieben werden, so bildeten gemahlene Tabake oder gemahlener Krapp für die Brüder Philipp Markus und Casimir Lichtenberger Vorprodukte, die zur Herstellung von Rauch- und Schnupftabaken bzw. von Farbstoffen benötigt wurden. Philipp Markus ließ seine Tabake zu Beginn des Untersuchungszeitraumes regelmäßig in der Mühle des Kaufmanns J. M. Freytag410 oder in der Mühle von C. A. Holtzmann411 (bzw. ab 1822 bei dessen Witwe412) gegen die Zahlung eines fixen Lohnes mahlen. Durch die Hochzeit Casimirs gelangte die Holtzmannsche Mühle nach dem Tod der Witwe in den Familienbesitz der Lichtenbergers und bildete für Casimir die Grundlage zur Weiterentwicklung seiner Krappmanufaktur. Da die Mühle durch die Krappweiterverarbeitung nicht ausgelastet war, konnten Lichtenberger & Co. weiterhin gegen Zahlung eines Mahllohns auf sie zugreifen.413 Das Geschäftsverhältnis gestaltete sich vertrauensvoll. Philipp Markus konnte die Mühle eigenständig nutzen und teilte seinem Bruder lediglich im Nachgang zur Abrechnung mit, welche Mengen an Rohstoffen er hatte mahlen lassen.414 Zur Gewinnung von kaufmännischem Personal für Handelshäuser gab es im frühen 19. Jahrhundert drei Wege. Zum einen wurden nachwachsende Generationen aus der eigenen Familie in die Handelshäuser integriert.415 Im Kreis der Familie wurde jedoch auf eine externe Ausbildung zum Kaufmann Wert gelegt, so dass junge Männer zunächst einige Jahre fortgingen. Die Besetzung von Stellen konnte sich zweitens über geschäftliche Beziehungen vollziehen, indem Verwandte oder ehemalige Mitarbeiter durch persönliche Kontaktaufnahme in eine Anstellung bei als solide bekannten Geschäftspartnern oder -partnerinnen vermittelt wurden.416 Und schließlich konnten zu besetzende Stellen auch in lokalen oder überregional gelesenen Zeitungen inseriert werden.417 Den Weg in Zeitungen fanden Stellen nur

410 411 412 413 414

Ebd., Nr. 1, Fol. 438 sowie Nr. 4, Fol. 37. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 1038. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 929 f. Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 298. Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 298; Nr. 14, Fol. 1114; Nr. 15, Fol. 569 und 853; Nr. 16, Fol. 416, sowie: Nr. 17, Fol. 80. 415 Johann Heinrich Scharpff stellt 1813 seinen Schwiegersohn Ludwig Schlegel als Handlungscommis an, vgl.: LBibSp, N41, Mappe I, 3. Nach einem gescheiterten Versuch ein eigenes Handelshaus zu betreiben, wurde Schlegel 1821 mit der Leitung des Handelshauses in der Rheinschanze betraut, vgl.: LASp, K33, Karton 7, Nr. 176. Auch Ludwig Lichtenberger war zeitweise bei Scharpff und später im Handelshaus seiner Bruders, bei Lichtenberger & Co., als Handlungsreisender angestellt, vgl. StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 29, 37, 66, 80, 276, 283 f., 400, 474, 489–491 und 506, sowie: Nr. 5, Fol. 434 und 436. 416 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 55, Fol. 45. Johann Heinrich Scharpff war mit der Familie Holtzmann seit seiner ersten Ehe verwandtschaftlich verbunden, vgl.: Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers, S. 291 417 Vgl. z. B.: Speyerer wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 48 vom 01. 12. 1825.

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

211

in Ausnahmefällen, während die ersten beiden Optionen die gängigen Wege zur Gewinnung von Kaufleuten für die eigenen Unternehmen bildeten. Für die Rekurierung von qualifizierten Arbeitskräften für die Tabakmanufaktur, begaben sich die Kaufleute mitunter überregional auf die Suche. So fragten Lichtenberger & Co. bei J. M. Brandt in Kreuznach an, ob er zwei gute „Schnitter“ wüsste, die bereit wären auf 8 á 14 Tage Probezeit hierher zu kommen, zu dem Lohn von 20 kr. für Blatt mittel und grob Schnitt und zu 24 kr. für Rippen. Unsere Arbeitsstände sind von Morgens 6 bis abends 6 und je nachdem es pressirt von morgens 5 bis abends 10 Uhr.418

Dies deutet daraufhin, dass geschulte Arbeiter und Arbeiterinnen im Bereich der Tabakweiterverarbeitung mobil und überregional gefragt waren, liegen zwischen (Bad) Kreuznach und Speyer doch immerhin 80 Kilometer. Offenbar zogen es die Kaufleute trotz der weiten Entfernung in gewissen Bedarfssituationen vor, geschultes Personal anreisen zu lassen, als es selbst auszubilden. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Wareneinkäufe, der externe Einkauf von Dienstleistungen sowie die Anwerbung von Personal und die damit verbundenen Kommunikationsprozesse ein differenziertes Bild der ökonomischen Beziehungen von Joh. Hein. Scharpff sowie Lichtenberger & Co. zu ihrer Umwelt bieten. Überregionale oder gar globale Marktprozesse nahmen lediglich Einfluss auf den Groß- und Fernhandel. Für das alltägliche Einkaufen von Rohstoffen, Waren- und Gebrauchsgegenständen ebenso wie die Anwerbung von Personal und den Einkauf von Dienstleistungen spielten hingegen die Kontakte im urbanen bzw. regionalen Umfeld eine zentrale Rolle. Die Überlieferung in den Briefkopierbüchern verweist neben dieser starken Konzentration auf persönliche und mündliche Geschäftsabwicklungen im Umfeld der Kaufleute aber auch auf die Möglichkeit, das Wissen und die Kontakte aus dem eigenen Großhandelsgeschäft zu nutzen, um bei Bedarf auch einfache Gewerbeerzeugnisse, wie Weinbergpfähle oder Papier, über weitere Strecken zu beziehen oder Manufakturarbeiter bzw. -arbeiterinnen anzuwerben. Die relative Selbstverständlichkeit externer Einkäufe waren zu dieser Zeit ein Spezifikum kaufmännisch tätiger Bürger und Bürgerinnen, war es anderen Bevölkerungsgruppen doch weit weniger möglich auf Reisen und per Korrespondenz in anderen Orten einzukaufen. Die Einkäufe wurden vor allem dadurch ermöglicht, dass es sich häufig um kleine Mengen von Waren handelte, bei denen die Risiken im Fernhandel überschaubar blieben. Die familiären und beruflichen Kontakte der Kaufleute stärkten den Zugang zu Waren, Dienstleistungen und Personal regional ebenso wie überregional nachhaltig, da durch sie das Wissen der Kaufleute über das vorhandene Angebot wuchs und der Zugang zu Waren maßgeblich erleichtert wurde. Die landwirtschaftliche Eigenproduktion und die vielfältigen eingelagerten Waren und Rohstoffe ermöglichten es den Kaufleuten zudem, Waren je nach Bedarf untereinander umzuverteilen – sei es durch Tausch, als Leihgabe oder durch Verkauf. Diese ökonomischen Beziehungen boten eine Alternative zum Marktgeschehen und konnten die Deckung spezifischer Bedarfe auf schnellem Wege sicherstellen. 418 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 4, Fol. 661.

212

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

5.2.4 Zwischenfazit: Regionale Ressourcen als Basis von Unternehmertum Die Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. agierten vorrangig in oft als ‚vormodern‘ charakterisierten Wirtschaftsstrukturen – in Strukturen, die sich grundlegend von denen global gedachten Marktwirtschaft im Kontext der sich herausbildenden Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts unterschieden. Die Kaufleute handelten auf Basis eines regionalen Rohstoff-, Waren- und Dienstleistungsangebots – und trotz ihres weitreichenden, ökonomischen Kommunikationsnetzwerkes veränderte sich dies im Untersuchungszeitraum kaum. Obwohl die Transport- und Verkehrsinfrastruktur in Mitteleuropa zuverlässige Kommunikationsprozesse über weite Strecken ermöglichte, konzentrierten sich die Speyerer Kaufleute auf den Einkauf regionaler Waren. Sie waren vorrangig Exporteure. Als Tabak- und Weinanbaugebiet konnte die Pfalz dabei eine zuverlässige Rohstoffbasis bieten, um die Existenz der Handelshäuser über Jahrzehnte sicherzustellen. Die Einkaufsstrukturen im Umfeld der Unternehmen veränderten sich im 18. und 19. Jahrhundert kaum: Eingekauft wurden landwirtschaftliche Erzeugnisse bei den Bauern oder Bäuerinnen direkt oder vermittelt durch Kaufleute und Gewerbetreibende der Region. Briefverkehr konnte umfangreiche Einkaufsreisen nicht ersetzen – aufgrund einer mangelhaften Postinfrastruktur, der Unübersichtlichkeit der Angebotssituation und der geringen Verbreitung der ökonomischen Korrespondenztätigkeit auf dem Land. Die regionale Wirtschaft basierte, auch aus Gründen der Qualitätssicherung, auf den Praktiken der persönlichen Aushandlung und Inaugenscheinnahme vor Warentransaktionen. Der Großeinkauf an unterschiedlichen Orten der Region war kosten- und zeitintensiv und bedurfte der Mitarbeit zahlreicher Akteure und Akteurinnen. Er wurde dadurch möglich, dass die Handelshäuser zum einen auf eine größere Gruppe von Akteuren und Akteurinnen aus ihrem eigenen Haus zurückgreifen konnten – hier spielten neben den Kaufleuten auch zuverlässige Arbeiter eine Rolle, die im Umland von Speyer als Einkäufer eingesetzt wurden. Hinzu traten Kaufleute und Makler, die für das Unternehmen auf Provisionsbasis arbeiteten. Die Aufträge für Einkäufe konnten somit zwar nach außen abgegeben werden, allerdings geschah dies nur durch die Zwischenschaltung bekannter und regional ansässiger Akteure aus einem kaufmännischen oder gewerblichen Milieu und weniger durch die Beauftragung weit entfernter Handelskontakte oder der Bauern und Bäuerinnen selbst. Eine klare Arbeitsteilung innerhalb der regionalen Wirtschaft existierte dabei nicht. Kaufleute, Gewerbetreibende und Arbeiter oder Arbeiterinnen waren ‚Allrounder‘. Sie alle kombinierten in ihren ökonomischen Aktivitäten verschiedene Geschäftsbereiche. Ein Handel mit Tabaken aus anderen deutschen Territorien durch die Speyerer Handelshäuser lässt sich nicht nachweisen – obwohl im frühen 19. Jahrhundert in fast allen Territorialstaaten Deutschlands Tabak angebaut wurde. Lediglich amerikanische und niederländische Tabake (Amersfoorter) wurden regelmäßiger zugekauft. Versuche, diese Tabake durch einen Direktbezug aus den niederländischen und deutschen Seehandelshäfen einzukaufen, waren nur in Einzelfällen – vor allem beim persönlichen Einkauf vor Ort – erfolgreich. Und das, obwohl der Rhein als

5.2 Rohstoff- und Wareneinkauf

213

Verkehrsverbindung abgesehen von den Wintermonaten durchaus einen relativ kosten- und zeiteffizienten Transportweg darstellte. In der Geschäftskorrespondenz der Speyerer Handelshäuser erscheinen weniger der Transport und die damit verbundenen Kosten als zentrales Problem beim Einkauf von Waren über weite Strecken, sondern vielmehr die Qualitätssicherung. Es mangelte vor dem Hintergrund des variierenden Marktangebotes an allgemein anerkannten Maßstäben zur Einordnung der Qualitäten. Unterschiedliche Erwartungshaltungen führten zu Auseinandersetzungen mit Geschäftspartnern, die kosten- und zeitintensiv waren. Zentrales Problem im Kolonialwarenhandel bildete die Qualitätskontrolle. Tabake wurden in Fässer gepackt und auf dem Seeweg versandt. Ihre Qualität konnte nur durch das Auspacken und Sichten jedes einzelnen Fasses in den Häfen sichergestellt werden – dies war im Kontext der großen Tabakversteigerungen und Versendungen ins Hinterland aber zu kosten- und zeitintensiv, so dass die Kaufleute in Speyer beim Auspacken der Fässer immer wieder auf verdorbene Waren stießen. War der Direktbezug aus den europäischen Seehäfen auch kostengünstiger als der Kauf bei Zwischenhändlern oder -händlerinnen, so konnten diese für die Kaufleute doch weitaus zuverlässiger spezifische Bedarfe decken, da ihre Waren von Speyer aus regelmäßig besichtigt werden konnten, die Zwischenhändler oder -händlerinnen für die Qualität bürgten und im Fall von Unzufriedenheit die Kommunikation und Reklamationen kosten- und zeiteffizienter möglich waren. Die weiteren Waren- und Rohstoffflüsse in den Briefkopierbüchern zum Unterhalt der Handelshäuser sowie den damit verbundenen Haushalten, der Einkauf von Dienstleistungen und die Anwerbung von Personal verweisen auf die multidimensionale Eingebundenheit der Akteure und Akteurinnen in ihr wirtschaftliches Umfeld. Im Schriftverkehr lässt sich zwischen ‚privatem‘ bürgerlichem Haushalt und den Unternehmen keine trennscharfe Linie ziehen. Eine Überschneidung dieser heute getrennt gedachten Sphären ist auf der Ebene des Rohstoff- und Warenverbrauchs, aber auch auf der Ebene der Integration verschiedener Personen als Arbeitskräfte zu beobachten. Die Eigenproduktion von Rohstoffen und Waren auf Basis des Landbesitzes des Unternehmensinhabers wurde für den Unterhalt der Familie und des Unternehmens verwendet. Die landwirtschaftliche Selbstversorgung bildete zudem eine Grundlage für einen Zwischenhandel mit Rohstoffen und Waren zwischen verwandten oder bekannten Akteuren und Akteurinnen im urbanen Umfeld. Neben einen noch stark von Selbstversorgung mit alltäglichen Verbrauchsgütern geprägten bürgerlichen Haushalt trat weniger der Markt als Bezugsquelle für Güter, sondern vor allem die Eigenproduktion des direkten Umfeldes der Kaufleute. Die durch Verwandtschaft verbundenen Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff, Lichtenberger & Co. sowie Joh. Hein. Scharpff jr. in der Rheinschanze stellten einander im Bedarfsfall auch Arbeitskräfte zur Verfügung. Nach außen bildete das Unternehmen keine in sich geschlossene Organisation, die das überwiegende Maß der notwendigen Arbeits- und Produktionsprozesse intern koordinierte und Akteure oder Akteurinnen fest an sich band. Vielmehr wurden viele Arbeitsprozesse ausgelagert und die Dienstleistungen Dritter in Anspruch genommen. Diese Akteure und Akteurinnen arbeiteten gegen die Zahlung einer Provision oder eines Lohns und der Erstattung von Unkosten. Das regionale Umfeld des Un-

214

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

ternehmens bildete demnach eine Art Netzwerk von Gewerbetreibenden, auf das nach Bedarf zurückgegriffen werden konnte. Die starke regionale Fokussierung der Handelshäuser in ihrer privaten und geschäftlichen Versorgung deckt sich mit den Erkenntnissen der konsumhistorischen Forschung zum 18. und 19. Jahrhundert, in der vor allem die kleinräumige Struktur und das nachhaltige – sprich langfristige – Wirtschaften auf Basis der regionalen Ressourcen als Charakteristikum für das Wirtschaften herausgearbeitet wurde.419 Doch natürlich blieben das Reisen, das Studium von Zeitungen und Printpublikationen und das weitgespannte Kommunikationsnetzwerk der Kaufleute nicht ohne Folgen für ihr Einkaufsverhalten. Die aufgebauten Kommunikations- und Interaktionsroutinen im Kontext der ausgreifenden Korrespondenz aus dem Kontor ermöglichte den Kaufleuten eine gewisse Unabhängigkeit vom regionalen Angebot – besonders im Bereich der Gewerbeerzeugnisse und der Luxusgüter. Die Gewerbetreibenden und Händler der Pfalz erhielten hierüber Konkurrenz, da beispielsweise Schuhe, Kleidung und Tapeten von den Kaufleuten auch außerhalb eingekauft werden konnten. Dies war vor allem beim Einkauf kleiner Warenmengen für den Eigenbedarf möglich und verlief dann vollkommen konfliktfrei. Das Kommunikationsnetzwerk der Kaufleute führte zu einer Erweiterung des verfügbaren Warenangebots und eröffnete Zugang zu neuen Bezugsquellen. 5.3 DER HANDEL MIT WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN Stand im letzten Kapitel vor allem der Einkauf von Waren- und Rohstoffen sowie Dienstleistungen und Personal durch die Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. im Zentrum der Analyse, so wendet sich das folgende Kapitel der Abwicklung von Verkaufsgeschäften zu. Dabei stehen zunächst das Ausmaß und die Verteilung des Waren- und Dienstleistungsabsatzes im Fokus (Kapitel 5.3.1), um darauf folgend die Praktiken und Kommunikationsprozesse beim Vertrieb von Waren und Dienstleistungen in den Blick zu nehmen (Kapitel 5.3.2). Im Anschluss steht ein Zwischenfazit, in dem ich die Erkenntnisse über die alltägliche Abwicklung der Geschäfte unter den Rahmenbedingungen des frühen 19. Jahrhunderts resümiere (Kapitel 5.3.3). 5.3.1 Ausmaß und Struktur des Absatzes Bei der Rekonstruktion des Warenabsatzes der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lässt sich an die Studie Hans Megners zum Handelshaus Joh. Hein. Scharpff anknüpfen, in der er anhand eines Briefkopierbuches den Tabak- und Weinhandel für die Jahre 1820 und 1821 statistisch ausgewertet hat. Tabake und Weine ließen sich Megner zufolge aus dem Speyerer Kontor relativ kon419 Vgl. u. a.: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss; Spohn, Thomas: Der Umgang mit den Dingen.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

215

stant in ähnliche Regionen absetzen. So gelang der Verkauf von Wein- und Tabak vorrangig an der Mainlinie und von dort aus nordwärts: Die nördliche Begrenzung wurde dabei von einer gedachten Verbindungslinie Venlo – Münster – Wittenberg gebildet, folgte also im wesentlichen dem 52. Grad. […] Im Westen dehnte sich das Scharpffsche Absatzgebiet auf der beschriebenen Höhe bis zur belgisch-holländischen Grenze aus, im Osten erstreckte es sich bis zur Elbe, gelegentlich sogar noch darüber hinaus.420

Die von Megner herausgearbeiteten Schwerpunkte im Tabak- und Weinabsatz decken sich mit den zu Beginn dieser Studie ermittelten Schwerpunkten im Kommunikationsnetzwerk der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co.421 Die Parallelen zwischen der Korrespondenzverteilung und dem Warenabsatz in den Jahren 1820 und 1821 legen den Schluss nahe, dass sich der Warenhandel im gesamten Untersuchungszeitraum auf einen ähnlichen Aktionsradius ausdehnte. Ein Verdienst der Studie Megners ist es zudem, dass er die Quantität des Handels von Joh. Hein. Scharpff herausarbeiten konnte. Über die Briefkopierbücher wurde im Jahr 1820 rund 165.000 Liter Wein für 54.313,29 fl. und 789 Ballen Tabak für 42.844,40 fl. abgesetzt. Im darauffolgenden Jahr waren es rund 132.000 Liter Wein für 47.630,21 fl. und 358 Ballen Tabak für 20.823,34 fl.422 Dies belegt, dass das Handelshaus sich durch eine geografisch breite Verteilung seiner schriftlichen Kommunikation sowie durch Reisen ein lukratives Geschäft sichern konnte. Zwischen dem Tabak- und Weinabsatz des Handelshauses konnte Megner lediglich einen signifikanten Unterschied feststellen, der sich in der Erschließung der bayerischen Gebiete südlich der Mainlinie niederschlug – in diese Region konnten größere Mengen Tabak abgesetzt werden, während sie für den Weinhandel nicht erschlossen wurde. Im Folgenden dienen die Ergebnisse Megners als Ausgangspunkt, um den Warenabsatz der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. mit Bezug auf die deutsche Wirtschaftsgeschichte zu kontextualisieren und differenzierter zu analysieren. Das Ausmaß und die Ausgestaltung des Warenabsatzes im Zeitverlauf untersuche ich dabei beispielhaft für den pfälzischen und bayerischen Markt.423 Bayern bietet sich als Fallbeispiel an, da es sich hierbei aufgrund des formal-institutionellen Rahmens um einen für die Pfälzer im Untersuchungszeitraum potenziell leicht zugänglichen Markt handelte, an dem sich die Absatzmöglichkeiten für pfälzischen Waren im frühen 19. Jahrhundert erforschen lassen.

420 Megner, Hans: Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff, S. 97. 421 Vgl. Kapitel 3.1. 422 Offen bleibt hierbei die Frage, wie oft und in welchem Umfang es zu Reklamationen und Rücksendungen kam, die die Einnahmen verringert haben könnten und deren Details sich nur teilweise in den Briefkopien fassen lassen. Diese wurden nicht gegengerechnet. 423 Eine statistische Auswertung des gesamten Warenhandels für den Untersuchungszeitraum, wie sie Hans Megner für ein Briefkopierbuch in seiner Diplomarbeit vorgenommen hat, ist aufgrund des Überlieferungsumfangs kaum möglich und erscheint als wenig sinnvoll, da in den Briefkopien nicht immer zuverlässig konkrete Zahlen für die getätigen Transaktionen und Reklamationen überliefert sind. Das Weglassen von Rechnungswerten in den Briefkopien betraf vor allem den Rauch- und Schnupftabakhandel mit pfälzischen Städten.

216

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz Der Weinverkauf des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff in den Jahren 1821 und 1822 nach Hans Megner424

Region

Jahr

Kundenanzahl

Spätere Rheinprovinz425

1820

37

84¼ Stück, 4 Ohm

31.079,02

1821

40

53½ Stück, 5 Ohm

21.863,37

1820

25

21½ Stück, 22½ Ohm

8.536,13

1821

50

26½ Stück, 43½ Ohm, 85 Bouteillen

10.693,21

Sächsisch-thüringischer Raum427 1820

13

3½ Stück, 7 Ohm

1.889,35

1821

40

8½ Stück, 43½ Ohm

7.396,55

1820

13

12 Stück, 2 Ohm

6.026,18

1821

15

8¼ Stück, 12 ¾ Ohm

4.365,37

1820





1821

5

½ Stück, 2 ¾ Ohm, 2 Bouteillen

537,15

1820

7

3½ Stück, 2½ Ohm

2.013,12

1821

4

5½ Stück,½ Ohm

2.494,52

1820

14

9 Stück, 7½ Ohm

3.650,05

1821

2

Hessischer

Raum426

Westfälischer Raum428 Hannoverscher Raum429

Bayerischen Raum am oder nördlich des Mains430 Sonstige

(Bayern)431

Warenmenge

2

Erlös (fl, kr)



191,42

Die Statistik des Weinabsatzes per Korrespondenz in den Jahren 1820 und 1821 belegt die Erschließung verschiedener deutscher Regionen als Absatzmärkte. Die später als Rheinprovinz benannten, preußischen Gebiete bildeten dabei einen herausragenden Absatzschwerpunkt von Joh. Hein. Scharpff. 424 Die folgende Statistik ist eine Zusammenfassung der detaillierteren Statistik Megners. In der geografischen Einteilung folgt sie seiner Unterteilung, vgl.: Megner, Hans: Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff, S. 105–140. 425 Absatzorte: Aachen, Bendorf, Bonn, Cleve, Duisburg, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Holten, Hückeswagen, Kaldenkirchen, Kaiserwert, Koblenz, Köln, Lennep, Linz, Lüttringhausen, Mühlheim, Neuwied, Rönsahl, Venlo und Wesel. 426 Absatzorte: Alsfeld, Bobenhausen, Ems, Frankfurt am Main, Fulda, Friedberg, Fritzlar, Grünberg, Gudensberg, Grebenstein, Hofgeismar, Homberg, Hornbach, Hünfeld, Kassel, Kelsterbach, Laubach, Lauterbach, Lich, Lichtenau, Limburg, Mainz, Marburg, Nidda, Rüdesheim, Seligenstadt, Ulrichstein, Wanfried, Wetzlar, Wiesbaden, Witzenhausen und Fritzlar. 427 Absatzorte: Altenburg, Anhalt-Köthen, Bautzen, Bercka, Borna, Buttlar, Claurthal, Dornbusch, Eisenberg, Eisleben, Erfurt, Frauensee, Gera, Greitz, Halle, Hildburghausen, Hohenstein, Leipzig, Mühlhausen, Naschhausen, Riesa, Schleitz, Torgau, Vacha, Walthershausen, Weimar, Wittenberg und Zeitz. 428 Absatzorte: Altena, Bielefeld, Hamm, Herdircke, Iserlohn, Münster, Neuenrode und Paderborn. 429 Absatzorte: Göttingen, Nörten und Zellerfeld. 430 Absatzorte: Aschaffenburg, Bamberg, Bayreuth, Hof, Lichtenfels, Marktbreit und Marktheidenfeld. 431 Absatzorte: Amberg, Augsburg, Kempten, Memmingen, München, Neustadt, Nürnberg und Schwabach.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

217

Die Weinverkäufe sind im Kontext des Weinanbaus und -konsums in Mitteleuropa zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu betrachten. In jener Zeit gab es im Deutschen Bund ebenso wie in Frankreich eine Vielzahl von Weinbauregionen. Hierunter befanden sich Regionen, deren Erzeugnisse überregional ein höheres Ansehen genossen als der pfälzische Wein. So betonte Henderson in seiner „Geschichte der Weine“ aus dem Jahr 1833 zum Beispiel, dass vor allem den Weinen aus dem Mittelrheintal die qualitative Vorrangstellung unter den deutschen Produkten zustünde und widmete den pfälzischen Weinen keine Zeile seiner Darstellung.432 In einem mehrbändigen „Landwirtschaftliche[n] Conversations-Lexicon für Praktiker und Laien“433 aus dem Jahr 1838 werden die unterschiedlichen Anbaugebiete differenzierter dargestellt. Auch hier wurden die Weine des Rheingaus bzw. des Mittelrheintals als die edelsten gekennzeichnet, während die Pfälzer Weine erst an fünfter Stelle genannt wurden – nach „Rheinweinen“, „Moselweinen“, „schwäbischen Weinen“ und „Frankenweinen“.434 Zu den pfälzischen Weinen wurden dabei auch jene gezählt, die in ehemals kurpfälzischen Territorien rechts des Rheins produziert wurden. Finden sich im Lexikon wohlwollende Worte über die badischen Weine, so wird bezüglich der linksrheinischen Pfalz lediglich erwähnt, dass hier in ertragreichen Jahren 100.000 Fuder Wein produziert würden, ohne deren Qualität zu thematisieren. Die Weinproduktion der deutschen Bundesstaaten ohne Österreich wurde in dem Lexikon jährlich auf 2.481.780 Eimer Wein geschätzt, wovon in den bayerischen Anbaugebieten 545.718 Eimer produziert würden.435 Die Quantität der Weinproduktion in Europa deutet auf eine regelmäßige Konsumtion von Wein in nahezu allen Bevölkerungsgruppen hin – besonders in den Anbaugebieten.436 Niedrigpreisige Getränke wurden aufgrund von Transport- und Zollkosten kaum über weite Strecken verkauft und konnten in vielen Territorien aus der regionalen Produktion direkt bezogen werden. Der Fernhandel beschränkte sich auf edle und ältere Weine.437 Eine Durchsicht der Briefkopierbücher von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zeigt, dass der Weinabsatz der Handelshäuser zum einen auf den Verkauf an Konsumenten bzw. Konsumentinnen und Gewerbetreibende in Speyer und zum anderen auf den Fernhandel hochwertiger Weine in andere deutsche Terri432 Vgl. Henderson, Al.: Geschichte der Weine, S. 235–245. 433 Lengerke, Alexander von (Hg.): Landwirtschaftliches Conversations-Lexikon für Parktiker und Laien. 434 Ebd., S. 813. – Die Tatsache, dass ‚Rheinweine‘ ein höheres Renommee hatten, spiegelt sich in einem Werbeschreiben von Joh. Hein. Scharpff, in dem er angab, dass sich die pfälzischen Weine besonders gut unter diese untermischen ließen, da sie besonders milde seien, vgl.: StALu, WS1, Nr. 41, Fol. 372 f. 435 Vgl.: Lengerke, Alexander von (Hg.): Landwirtschaftliches Conversations-Lexikon für Praktiker und Laien, S. 813. 436 Vgl. zur Entwicklung des Weinkonsums seit dem Mittelalter, u. a.: Malanima, Paolo: Europäische Wirtschaftsgeschichte, S. 357. – Vgl. zum Anbau und Konsum in der Pfalz: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 36 f. und 153–180. Arme Bevölkerungsgruppen griffen in der Pfalz jedoch auf den noch günstigeren Brandwein zurück. 437 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 174.

218

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

torien ausgerichtet war. Der Weinhandel von Joh. Hein. Scharpff nahm dabei umfangreichere Ausmaße an als bei Lichtenberger & Co. Hat Megner für die Jahre 1820 und 1821 auch nachweisen können, dass der Warenwert und die Anzahl der Abnehmer und Abnehmerinnen im Bereich des Weinabsatzes von Joh. Hein. Scharpff umfangreicher waren als beim Tabakverkauf, so belegen die Briefkopierbücher hingegen, dass beide Handelshäuser im Zeitverlauf den Tabakhandel zunehmend in den Fokus ihrer Aktivitäten rückten. Der Warenabsatz in Speyer wird in den Briefkopierbüchern nur an jenen Stellen fassbar, an denen schriftliche Zahlungsaufforderungen an säumige Kunden oder Kundinnen versandt oder Handel zwischen Kaufleuten der Stadt über Korrespondenz abgerechnet wurde, da der Großteil der Geschäfte im urbanen Kontext mündlich getätigt wurde. Der Verkauf innerhalb der Stadt lässt sich daher nicht quantifizieren. Und doch ermöglichen die Quellen einen Zugang zum Warenabsatz im direkten Umfeld der Kontore, geben sie doch durch die regelmäßigen Zahlungsaufforderungen einige Hinweise auf die Zusammensetzung der Weinabnehmer und -abnehmerinnen und den Umfang der getätigten Warenverkäufe. Demnach vertrieben Joh. Hein. Scharpff beispielsweise in den Jahren 1817 und 1818 Weine innerhalb Speyers vor allem an kleine Gewerbetreibende, wie Gastwirte,438 oder an Endkonsumenten und -konsumentinnen, wie den Forstmeister Bühler,439 den Hauptmann Denis,440 den Friedensrichter Ziegenhain,441 den Postsekretär Reibelt,442 den Müller Jung443 und den Sattler Zahn.444 Endabnehmer waren vorrangig finanzkräftige Beamte, aber zuweilen auch Handwerker, die Weine unregelmäßig und wahrscheinlich zu bestimmten Anlässen, wie Hochzeiten, einkaufen. Es handelte sich bei den Verkäufen um kleinere Mengen Wein von wenigen Ohm bis hin zu einzelnen Stückfässern. Diese Absatzstruktur überdauerte im Fall beider Handelshäuser den gesamten Untersuchungszeitraum. Die allgemeine Tendenz, dass im Groß- und Fernhandel des frühen 19. Jahrhunderts vor allem teure Weine, die von wohlhabenden Bevölkerungsteilen konsumiert wurden, im Zentrum der Geschäfte standen, spiegelt sich im Fernhandel von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. wider. Nach Bayern vertrieben die Kaufleute, betrachtet man die Städte Nürnberg, Bamberg und München als hochfrequentierte Orte in der Geschäftskorrespondenz, Weine vor allem an Wirtshausbesitzer, wohlhabende Adlige oder Beamte. Ein Verkauf an Kaufleute gelang nur in Ausnahmefällen445 – offenbar bildete der pfälzische Wein kein Produkt, in das diese in größeren Mengen investieren wollten, auch wenn die Speyerer sich aktiv mit Werbeschreiben um den Aufbau von Geschäftsbeziehungen zu ihren Kollegen

438 439 440 441 442 443 444 445

Vgl.: StALu, WS1, Nr. 41, Fol. 622 f. Vgl.: Ebd., Nr. 42, Fol. 27 und 362. Vgl.: Ebd., Fol. 27, 363 und 601. Vgl.: Ebd., Nr. 45, Fol. 588. Vgl.: Ebd., Fol. 587. Vgl.: Ebd., Nr. 42, Fol. 362. Vgl.: Ebd., Fol. 600. Vgl.: Ebd., Nr. 50, Fol. 572 und 737.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

219

bemühten.446 Um 1825 hielt Carl Lorenz Mayer, ein Kaufmann aus München, zweitweise einige Weine Scharpffs auf Lager, konnte diese aber weder zeitnah, noch zu den erhofften Preisen absetzen.447 Kooperationen wie diese blieben daher Ausnahmefälle und die Speyerer Kaufleute beschränkten sich darauf, Endabnehmer oder -abnehmerinnen direkt zu beliefern. Gehandelt wurden nach Bayern pfälzische Weine unterschiedlicher Jahrgänge448 – vor allem Weine, die bereits einige Jahre gereift waren – und gelegentlich auch ausländische Weine, wie Champagner oder Chambertin, bei denen Lichtenberger & Co. zeitweise als Zwischenhändler fungieren konnten.449 Bestellt wurden durchweg einzelne Fässer. Die Kunden oder Kundinnen bezogen teilweise mehrfach Wein, es kam aber nicht zu langfristig angelegten Absatzbeziehungen, in denen regelmäßig Waren bezogen wurden. Trotz der grundsätzlich ähnlichen Zielgruppen im Weingroßhandel setzten sich die Abnehmer und -abnehmerinnen im Fernhandel mit Bayern unterschiedlich zusammen. Joh. Hein. Scharpff konnten vorrangig Personen aus dem Kreis der Gastwirte und Gastwirtinnen gewinnen,450 an die sie Weine durch mit Weinproben ausgestattete Reisende vertrieben.451 Unter den Weinabnehmern und -abnehmerinnen fand sich z. B. der Besitzer des Wirtshauses zum Bayerischen Hof in Nürnberg452 – eines der renommiertesten Häuser der Stadt, in dem die regionale Oberschicht Festessen abhielt und das bayerische Königspaar sich gelegentlich einquartierte.453 Wirte oder Wirtinnen, die die städtische Oberschicht in ihren Räumen bewirteten, hatten Bedarf an Importweinen. Unter den Abnehmern und Abnehmerinnen der Weine von Lichtenberger & Co. fanden sich im Vergleich zu Joh. Hein. Scharpff viele Militärs und Beamte, wie Obristen,454 Generalmajore,455 Generallieutnante,456 ein Generalzolladministrationsrat457 oder ein Rentbeamter.458 Die Ergebnisse der Studie Hans Megners zum Tabakabsatz von Joh. Hein. Scharpff verweisen ebenfalls auf die Erschließung vielfältiger Märkte in den deutschsprachigen Territorien mit einem Absatzschwerpunkt in der späteren preußischen Rheinprovinz. 446 447 448 449 450 451 452 453

454 455 456 457 458

Vgl.: Ebd., Nr. 43, Fol. 22 f.; Nr. 54, Fol. 19 f., und Fol. 20. Vgl.: Ebd., Nr. 54, Fol. 16. Vgl.: Ebd., Nr. 41, Fol. 372 f. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 43 f. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 861; Nr. 43, Fol. 270 und 543; Nr. 47, Fol. 768; Nr. 50, Fol. 572, sowie: Nr. 54, Fol. 82. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 42, Fol. 100 f., 161 f., 291 f., 838–840 und 861, sowie: Nr. 43, Fol. 197 f., 270, 330 und 409 f. Vgl.: Ebd., Nr. 54, Fol. 28 und 101. Vgl. u. a.: Königin Therese nimmt 1838 Quartier im Bayerischen Hof in Nürnberg: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 123, Augsburg vom 03. 05. 1838, S. 981; 1828 wurden bei den Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung des Dürer Denkmals der Stadt Nürnberg im Bayerischen Hof gespeist, vgl.: Toelken, Ernst Heinrich (Hrgs.): Berliner Kunst-Blatt, S. 72. StALu, WS1, Nr. 47, Fol. 492. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 43 f. und Fol. 447. Vgl.: Ebd., Nr. 18, Fol. 597 f. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 1068. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 474 f.

220

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz Der Tabakverkauf des Handelshauses Joh. Heinr. Scharpff in den Jahren 1820 und 1821 nach Hans Megner459

Region

Jahr

Tabakballen

Erlös

Spätere Rheinprovinz460

1820

27

461

24.164,45

1821

35

182

10.882,54

1820

10

39

2.436,57

1821

19

48

2.830,46

1820

15

79

3.969,51

1821

22

71

3.894,43

1820

8

25

1.782,35

1821

4

6

341,39

1820

1

2

195,46

1821

4

9

548,37

1820

6

79

4.726,51

1821

2

17

792,38

1820

9

63

3.603,02

1821

3

17

1.104,29

1820

6

41

1.964,53

1821

2

8

427,48

Hessischer

Raum461

Sachsen und

Thüringen462

Westfälischer

Raum463

Hannoverscher

Raum464

Bayerischer Raum nördlich vom und am Main465 Bayerisches Gebiet südlich des Sonstige467

Mains466

Kundenanzahl

Der überregionale Tabakhandel in Deutschland konzentrierte sich auf unverarbeitete Tabakblätter. Diese waren aufgrund der Zoll- und Abgabensysteme gegenüber Tabakfertigprodukten im Handel bessergestellt.468 Der breite Absatz von Blättertabaken durch Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. resultierte aus der hohen Wertschätzung pfälzischer Tabake in den deutschen Territorien. Tabak wurde bereits seit der Frühen Neuzeit auf dem Kontinent konsumiert – seit dem 16. Jahrhun459 Nach: Megner, Hans: Das Handelshaus Johann Heinrich Scharpff, S. 148–174. 460 Absatzorte: Barmen, Bonn, Deutz, Duisburg, Dülcken, Düsseldorf, Essen, Gummersbach, Koblenz, Köln, Krefeld, Lennep, Linz am Rhein, Lüttringhausen, Mühlheim an der Ruhr und Solingen. 461 Absatzorte: Frankfurt am Main, Gelnhausen, Herborn, Kassel, Lauterbach, Marburg und Ziegenhain. 462 Absatzorte: Altenburg, Arnstadt, Dessau, Eisenberg, Eisleben, Erfurt, Frankenhausen, Gera, Halle, Jena, Köthen, Leipzig, Mühlhausen, Naumburg, Oschatz, Querfurt, Torgau, Unterwiesenthal. 463 Absatzorte: Alpe, Dorsten, Hagen, Paderborn, Lüdenscheid, Warburg. 464 Absatzorte: Göttingen, Münden, Nörten und Osterode. 465 Absatzorte: Aschaffenburg, Bamberg, Hammelburg und Schweinfurth. 466 Absatzorte: Amberg, Augsburg, Nürnberg, Passau, Schwabach und Ulm. 467 Absatzorte: Aarau, Bonndorf, Donaueschingen, Innsbruck, Luxemburg und Thun. 468 Vgl. z. B. die Zollpolitik Badens in Bezug auf Tabak: Müller, Hans Peter: Das Großherzogtum Baden, S. 85; sowie Bayerns, u. a. in: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 188.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

221

dert zunächst als Arzneimittel, später auch zu Zwecken der Rekreation. Ausgehend von England und den Niederlanden breitete sich der Tabakkonsum in allen europäischen Regionen und in nahezu allen Bevölkerungsschichten aus.469 Im frühen 19. Jahrhundert wurde Tabak in den deutschen Staaten als Pfeifen- und als Schnupftabak konsumiert.470 Neben dem Import aus den amerikanischen Kolonien, entwickelten sich in Europa bedeutende Anbaugebiete, da der Kolonialtabak aufgrund hoher Transportkosten und vielfältiger Abgaben teuer blieb – und dies trotz eines stetigen Preisverfalls und einer Ausweitung der Anbauflächen in den Kolonien sowie einer Steigerung der Exportmengen.471 In einer „Allgemeine[n] Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten so wie für Geschäftsleute überhaupt“, die 1838 in Leipzig in dritter Auflage erschien und „von einer Gesellschaft Gelehrter und praktischer Kaufleute“ herausgegeben wurde, wurde der Tabakanbau in den deutschsprachigen Territorien wie folgt dargestellt: In Deutschland wird in vielen Gegenden T[abak] cultivirt, doch nirgends von ausgezeichneter Güte. Die bekanntesten Sorten sind: Der Pfälzer Taback […], vornehmlich aus der Gegend von Worms und Speyer. Im J[ahr] 1834 schätzte man die Ernte in der Rheinpfalz auf 250 000 Ctr. […] – Der Pfälzer-Taback kommt unter allen deutschen Sorten dem amerikanischen am nächsten. – Von Hanauer, Rheingauer und Hessentaback […], kommen auch ziemlich bedeutende Quantitäten in den Handel, die aber nur geringe Tabacke geben. Der Nürnberger zeichnet sich durch seine goldene, zum Theil durch künstliche Mittel (Schwefel u.) bewirkte Farbe und Leichtigkeit im Rauchen aus. – Im Hannöverschen wird bei Nienburg, Nordheim, Göttingen, Liebenau und Stolpenau an der Weser, starker Tabacksbau betrieben. In Preußen findet Tabacksbau bei Guben und Gorau in der Lausitz und bei Ohlau in Schlesien statt. In Tyrol, besonders im südlichen Theile, bildet der Tabacksbau einen wichtigen Zweig der Landwirtschaft. […].472

Die gute Qualität des pfälzischen Tabaks bot trotz der weiten Verbreitung des Tabakanbaus eine vorteilhafte Basis für den Export. Die Statistik Megners zeigt, dass pfälzische Tabake selbst nach Bayern abgesetzt wurden, das über einen eigenen Anbau verfügte, der vergleichsweise hochwertige Rohstoffe lieferte. Der Tabakhandel mit Bayern wurde beeinflusst durch den eigenen Anbau und durch die vielfältigen, darauf aufbauenden Weiterverarbeitungsbetriebe. Der Tabakanbau hatte einen starken Schwerpunkt im Rezartkreis. In seiner 1830 erschienen „Tabak-Kunde“ verwies der Kaufmann Johann Heinrich Leuchs auf die „vorzüglichsten Tabakfabriken […] zu Nürnberg und den benachbarten Orten, Augsburg (bes. Schnupftabak), München, Regensburg, Passau, Bamberg, nächstdem zu Freisingen, Hafnerzell, Landshut, Aschaffenburg, Amberg, Schweinfurt, Würzburg

469 Bis ins 18. Jahrhundert entwickelte sich Tabak dem Wirtschaftshistoriker Jordan Goodmann zufolge auf dem gesamten europäischen Kontinent zu ein Massenkonsumgut, vgl.: Goodman, Jordan: Tabacco in History, S. 59–84. Zur Entwicklung des Tabakkonsums, siehe auch: Malanima, Paolo: Europäische Wirtschaftsgeschichte, S. 359 f. 470 Vgl. zu den Konsumformen des Tabaks und den wechselnden Modeerscheinungen: Goodman, Jordan: Tabacoo in History, S. 67–71, sowie: Hobein, Beate: Von Tabaktrinkern und Rauchschlürfern, S. 14–21. 471 Vgl.: Goodman, Jordan: Tabacco in History, S. 59–65. 472 o. A.: Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 724.

222

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

etc.“.473 Er gab zudem an, dass Bayern Tabake importierte und seine heimischen Tabake teilweise wieder exportieren konnte. Importiert wurden Rohtabake, exportiert wurden Rohtabake und Produkte aus den Manufakturen.474 Dieses Bild des bayerischen Tabakhandels spiegelt sich im Warenabsatz von Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff wider. Das Königreich bildete in den Jahren 1815 und 1840 Absatzgebiet für lose, lediglich fermentierte Tabake aus dem Rheinkreis, die in größeren Mengen – in Ballen verpackt – gehandelt wurden. Der Absatz blieb auf gewerbliche Großabnehmer beschränkt. Unter den Abnehmern und Abnehmerinnen lassen sich die Nürnberger Kaufleute und Manufakturbesitzer Herzog & Schäffer,475 Schwarz & Co.,476 Jacob Friedrich Pfähler,477 Daniel Pfirrmann,478 Rothkeppel & Schmitt,479 Plattner & Cie.480 sowie in Bamberg Johann Peter Raulino & Co.,481 Joh. Benedikt Gross,482 Wilhelm Rocholl483 und Franz Heinrich Thorbecke484 nachweisen. In München waren unter anderem Franz Michel485 und J. A. Maffey486 Tabakabnehmer von Lichtenberger & Co. Bedeutende und regelmäßige Abnehmer waren Johann Peter Raulino & Co. (Bamberg), Plattner & Cie. (Nürnberg) und Franz Michel (München). Die Einkäufe einzelner Jahre geben einen Einblick in die Menge und den Wert der gehandelten Ware im Fall dieser Großabnehmer. Johann Peter Raulino, Kaufmann und Tabaksfabrikant,487 Bergwerksbesitzer und Inhaber einer Manufaktur zur Produktion von Kalisalzen,488 erwarb im Spätsommer 1821 in vier Bestellungen 40 Ballen Deckblatt und Karottengut im Rechnungswert von 2.364 fl. und im darauffolgen-

473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487 488

Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 63. Vgl.: Ebd., S. 63. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 67 f. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 1008, vgl. zur Tabakmanufaktur Schwartz: o. A.: Bericht der allerhöchst angeordneten Königlich Bayerischen Ministerial-Commission über die im Jahre 1834 aus den 8 Kreisen des Königreichs Bayern in München stattgehabten Industrie-Ausstellung, S. 124. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 326, vgl. zur Tabakmanufaktur Pfählers: Königlich-Baierischer Polizey-Anzeiger von München, Nr. LVII vom 23. 07. 1823, S. 578. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 1326. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 873. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 18, Fol. 597 f., vgl. zur Tabakmanufaktur Plattner: o. A.: Bericht der allerhöchst angeordneten Königlich Bayerischen Ministerial-Commission, S. 124. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 268, vgl. zur Tabakmanufaktur Raulino: Baireuther Zeitung, Nr. 172 vom 01. 09. 1823, S. 759. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 246 f., vgl. zur Tabakmanufaktur Gross: o. A.: Ein Blatt in König Ludwigs Lorbeer-Kranz, S. 49. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 17, Fol. 327, vgl. zur Tabakmanufaktur Rocholl: Allgemeiner Geschäfts-Kalender für das Königreich Bayern aus dem Jahr 1837. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 308 f., vgl. zur Tabakmanufaktur Thorbecke: Allgemeine Zeitung, Nr. 146 vom 15. 05. 1828, S. 584. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 51. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 18. Fol. 660. Vgl. o. A.: Verzeichnis der Industrie-Ausstellung von 1835, S. 79. Vgl. o. A.: Das Neueste und Nützlichste der Erfindungen, Entdeckungen und Beobachtungen, S. 134.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

223

den Sommer erneut Karottengut für 715,15 fl. in zwei Bestellungen.489 Plattner & Cie., Tabakfabrikanten aus Nürnberg,490 erstanden zwischen Dezember 1833 und April 1834 dreimal Tabake (ebenfalls vorrangig Karottengut) im Rechnungswert von 1.935,25 fl., im Sommer des darauffolgenden Jahres 13 Ballen Karottengut im Rechnungswert von 1.092,05 fl. sowie im Februar 1835 erneut 22 Ballen Karottengut.491 Obwohl die einzelnen Verkäufe beachtliche Ausmaße annehmen konnten, belegen die in der Korrespondenz überlieferten Geschäfte, dass es Lichtenberger & Co. trotz stetiger Werbetätigkeit nicht gelang, langfristige und kontinuierliche Absatzbeziehungen nach Bayern aufzubauen. Die bayerischen Geschäftspartner oder -partnerinnen bezogen mitunter über einen Zeitraum von mehreren Jahren große Mengen Tabak, die Bestellungen erfolgten jedoch sehr unregelmäßig und die Absatzbeziehungen kamen dann wieder vollkommen zum Erliegen. Geschäftsbeziehungen konnten nur eine sehr eingeschränkte Bindekraft entwickeln. Das Fehlen fester Absatzbeziehungen im Fernhandel stand im Kontrast zu dem kommunizierten Anspruch der Kaufleute, dass ökonomische Transaktionen auf langfristigen und vertrauensvollen Geschäftsfreundschaften basieren sollten, die ein zuverlässiges Auskommen aller involvierter Parteien sichern sollten. Spezifisch für den bayerischen Markt war der starke Handel mit Karotten. Diese bildeten ein Vorprodukt bei der Herstellung von Schnupftabak, der besonders in Süddeutschland vielfältig produziert und konsumiert wurde.492 Das gehandelte Karottengut bildete einen qualitativ hochwertigen Tabak, da hierfür spezifische ‚fette‘ und aromatische Tabakblätter vonnöten waren. Ebenso wurden von Pfeifengut nach Bayern vorrangig höherpreisige Qualitäten gehandelt. Nur hochwertige Rohstoffe konnten vor dem Hintergrund der Zoll- und Abgabensysteme und der bayerischen Eigenproduktion gewinnbringend gehandelt werden. Hochpreisige, amerikanische Tabake konnten von Speyer aus allerdings nicht nach Bayern abgesetzt werden. Offenbar bezogen die bayerischen Kaufleute Kolonialwaren von anderen Handelsplätzen des Kontinents oder direkt aus den Seehäfen. Zu der Frage, ob sich die Absatzmenge und die Absatzstruktur der Handelshäuser Joh. Hein. Schrapff und Lichtenberger & Co. im Tabak- und Weinhandel aufgrund der wirtschaftspolitischen Liberalisierungstendenzen im Deutschen Bund veränderten, lassen sich auf Basis der Briefkopierbücher zumindest einige Tendenzen festhalten. So fällt bezogen auf die Menge der Korrespondenz mit verschiedenen Territorien und Städten auf, dass diese sich abgesehen von den allgemein auffindbaren, jährlichen Schwankungen nur geringfügig in ihrer Ausdehnung und in der Frequentierung einzelner Regionen veränderte. Die Erschließung bedeutender, 489 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 7, Fol. 189 f., Fol. 502 und Fol. 889, sowie Nr. 14, Fol. 268 und Fol. 905 f. 490 Vgl.: o. A.: Bericht der allerhöchst angeordneten Königlich Bayerischen Ministerial-Commission über die im Jahre 1834 aus den 8 Kreisen des Königreichs Bayern in München stattgehabten Industrie-Ausstellung, S. 124. 491 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 17, Fol. 586 f., Fol. 682 f. sowie Fol. 897 f. und Nr. 18, Fol. 65 und Fol. 597 f. 492 Vgl.: Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 56.

224

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

neuer Absatzmärkte ist aufgrund der Korrespondenzstatistik für beide Handelshäuser auszuschließen. Einzelne Briefe weisen jedoch daraufhin, dass die zunehmende Liberalisierung der Wirtschaftsverfassungen zur Folge hatte, dass die Nachfrage nach pfälzischem Tabak allgemein stieg und die Tabakpreise ein hohes Niveau erreichten. 1830 stieg der Preis für gute Tabakqualitäten, nach dem ein Handelsvertrag zwischen dem bayerisch-württembergischen und dem preußisch-hessischen Zollverein geschlossen worden war,493 zum Beispiel auf über 20 fl. pro Zentner. Hiervon profitierte das Handelshaus Lichtenberger & Co., da es seine Tabake teurer verkaufen konnte. Die Kaufleute erwähnten in den Briefen der 1830er Jahre ihren Kunden und Kundinnen gegenüber regelmäßig, dass gewisse Tabake durch die veränderten Rahmenbedingungen schneller Absatz fanden oder nicht mehr lieferbar waren.494 Die wirtschaftspolitischen Liberalisierungen hatten demnach durchaus Einfluss auf die Handelsgeschäfte – diese bezogen sich aber zunächst allein auf die Lukrativität von Geschäften und schlugen sich nicht in einer spontanen Erschließung neuer Märkte nieder. Der Rauch- und Schnupftabakvertrieb aus der Manufaktur von Lichtenberger & Co. unterschied sich von seiner Verteilung und den Abnehmern bzw. Abnehmerinnen her signifikant von dem Wein- und Rohtabakabsatz der Speyerer Kaufleute im Groß- und Fernhandel. Beeinflusst durch die formal-institutionellen Rahmenbedingungen im alten Reich wie auch im Deutschen Bund entwickelten sich in den großen Handels- und Gewerbezentren nahezu aller deutschen Regionen im Verlauf der Frühen Neuzeit tabakweiterverarbeitende Gewerbe. Dies lag vor allem daran, dass viele deutsche Territorialstaaten durch protektionistische Zölle die Produktion der eigenen Manufakturen schützten. Im frühen 19. Jahrhundert verfügten so z. B. Bremen,495 das sächsische Leipzig,496 der Rheinhandelsplatz Köln,497 die freie Reichsstadt Frankfurt am Main,498 das preußische Trier,499 die badischen Städte Mannheim und Heidelberg500 sowie die bayerischen Städte Augsburg501 und Nürnberg502 oder das württembergische Ulm503 über große Weiterverarbeitungsbetriebe. Und auch in kleineren Städten und Orten im Umfeld von Tabakanbaugebieten entstanden bedeutende Weiterverarbeitungsstätten, wie die Manufaktur Kraemer im pfälzischen St. Ingbert.504

493 Vgl zum Handelsvertrag: Amts- und Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 48 vom 26. 07. 1832, S. 449–455. 494 StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 770, sowie: Nr. 14, Fol. 561. 495 Vgl.: o. A.: Bremen, die Tabakstadt Deutschlands. 496 Vgl.: Schadowski, Dieter: Rauch- Schnupf- und Kautabak Fabriken, S. 8. 497 Vgl.: Boerner, August: Kölner Tabakhandel und Gewerbe. 498 Vgl.: Schadowski, Dieter: Rauch- Schnupf- und Kautabak Fabriken, S. 8. 499 Vgl.: Ebd., S. 102. 500 Vgl.: Swiaczny, Frank: Die Juden in der Pfalz und in Nordbaden, S. 129–131. 501 Vgl.: Bettger, Roland: Das Handwerk in Augsburg beim Übergang der Stadt, S. 49. 502 Vgl.: Schadowski, Dieter: Rauch- Schnupf- und Kautabak Fabriken, S. 8. 503 Vgl.: Hepach, Wolf-Dieter: Ulm im Königreich Württemberg, S. 40 f. 504 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 186, sowie: Leuchs, Joh. Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 63.

225

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

Einen ersten Eindruck von dem Ausmaß des Tabakverkaufs durch die Manufaktur Lichtenberger vor dem Hintergrund der vielfältigen Konkurrenz innerhalb des Deutschen Bundes bieten drei im Unternehmensnachlass überlieferte „Verkaufbücher“, die den Warenvertrieb aus der Manufaktur für fünf Jahre in seiner Gesamtheit dokumentieren. Jährliche Einnahmen durch den Warenverkauf der Manufaktur Lichtenberger & Co.505 (1815–1820)

Jahr

Einnahmen gesamt (in fl. zu 60 kr.)

Monatsdurchschnitt (in fl. zu 60 kr.)

1815

144.075,57

12.006,18

1816

151.610,05

12.634,10

1817

124.720,55

10.393,25

1818

103.386,03

8.615,30

1819

84.934,48

7.077,54

1820

87.619,13

7.301,36

Der Großteil der Einnahmen, die in diesen Büchern dokumentiert wurden, entstammte dem Verkauf von weiterverarbeiteten Tabaken, während nur in wenigen Fällen fermentierte Blättertabake über die Manufaktur verkauft wurden. Die Statistik belegt, dass es sich der Tabakmanufaktur zu Beginn des Untersuchungszeitraumes um ein etabliertes Geschäft handelte, in dem regelmäßig große Mengen an Waren abgesetzt werden konnten. Vergleicht man den Tabakabsatz um 1820 mit dem Wein- und Rohtabakabsatz von Joh. Hein. Scharpff in der Korrespondenz desselben Jahres, so konnten in der Manufaktur Lichtenbergers Einnahmen in ähnlicher Höhe generiert werden, wie sie für Joh. Hein. Scharpff für sein gesamtes Tabak- und Weinhandelsgeschäft belegt sind. Bezüglich der Jahreseinnahmen der Manufaktur lässt sich in der Statistik jedoch ein negativer Trend ablesen. So bildeten die Jahre 1815 und 1816 mit über 140.000 fl. pro Jahr die einnahmestärksten, während die Manufaktur in den Jahren 1819 und 1820 nur noch weniger als 90.000 fl. pro Jahr erwirtschaften konnte. Die eingeschränkte Überlieferung ermöglicht es jedoch keinesfalls, daraus Schlüsse für den gesamten Untersuchungszeitraum zu ziehen. Deutet die kleinräumige Struktur der deutschen Tabakmärkte im frühen 19. Jahrhundert bereits daraufhin, dass die Manufaktur Lichtenbergers vorrangig einen regionalen Markt bediente,506 so ermöglicht eine Analyse der Briefkopierbücher einen differenzierteren Blick auf die Vertriebsstrukturen, die Abnehmer und Abnehmerinnen sowie den Umfang der abgesetzten Waren. Auf Basis der Briefko-

505 Nach: StALu, WS1, Nr. 118, 133 und 134. 506 Lichtenberger & Co. lehnten einzelne Einkaufsversuche zum Beispiel von gemahlenem Tabak durch bayerische Akteure oder Akteurinnen mit dem Argument ab, da sich ein solche Transaktion nicht lohnen würde und verwiesen auf ihr Rohtabakangebot, vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 789.

226

5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

pierbücher ist es möglich, das Ausmaß des Absatzes jenseits der Stadt Speyer zu rekonstruieren.507 Absatzschwerpunkte bildeten die benachbarten urbanen Zentren der Pfalz – wie Landau, Germersheim508 und Neustadt.509 Im Folgenden wird der Absatz nach Landau in der Pfalz, als dem bedeutendsten Korrespondenz- und Absatzort zu Beginn des Untersuchungszeitraumes, beispielhaft analysiert. Warenverkäufe von Lichtenberger & Co. nach Landau in der Pfalz510 auf Basis der Briefkopierbücher des Handelshauses

Jahr

Einnahmen (fl, kr)

Jahr

Einnahmen (fl, kr)

(1815511)

(3.242,28)

1828

877,42

1816

15.626,32

1829

4.390,31

1817

16.585,03

1830

4.514,02

1818

8.511,12

1831

685,49

1819

3.789,29

1832

19,04

1820

3.145,42

1833

1.186,08

1821

2.787,59

1834

321,16

1822

2.467,56

1835

845,20

1823

2.909,29

1836

559,08

1824

615,50

1837

194,03

1825

2.976,47

1838

72,51

1826

1.507,22

1839

129,46

1827

2.997,17

(1840512)

(52,12)

Summe:

81.006,18

Der Warenabsatz in das 30 km entfernte Landau setzte sich vorrangig aus dem Verkauf von Rauch- und Schnupftabaken aus der Manufaktur Lichtenbergers sowie

507 Der Rauch- und Schnupftabakabsatz am Unternehmensstandort entzieht sich der Analyse, da die Verkäufe vor Ort mündlich vollzogen und lediglich in Abrechnungsbüchern dokumentiert wurden. 508 Vgl. u. a. die zahlreichen kommentarlosen Übersendungen kleinerer Rechnungen, die meist auf Tabakverkäufe verweisen, wie die weiteren Schreiben an die Adressaten und Adressatinnen zeigen, in: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 29, 71, 113, 127, 149, 167, 178, 228, 215, 270, 372, 396, 555, 556, 566, 638, 719, 797, 799, 850, 899, 950, 979. 509 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 1, 23, 27, 31, 88, 101, 155, 178, 216, 254, 288, 290, 341, 393, 396, 447, 466, 560 und 616. 510 Auswertung auf Basis der Geschäftskorrespondenz in den Briefkopierbüchern: Ebd., Nr. 1–21. 511 Das Jahr 1815 ist in den Briefkopierbüchern erst ab Ende Oktober überliefert, so dass diese Zahl nur für die letzten drei Monate des Jahres steht, vgl.: Ebd., Nr. 1. 512 Die Überlieferung der Geschäftskorrespondenz endet bereits im November 1840, so dass kein Gesamtwert für dieses Jahr ermittelt werden konnte, vgl.: Ebd., Nr. 21.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

227

aus gelegentlichen Rohtabakverkäufen513 zusammen. Lediglich im Jahr 1817 kamen in größerem Umfang Salzverkäufe hinzu – aus dem in Kooperation mit anderen Speyerer Kaufleuten gegründeten Salzhandelshaus, das in den Jahren 1817 und 1818 bestand.514 In der Statistik des Warenabsatzes fällt auf, dass die Einnahmen von Jahr zu Jahr stark schwankten. Höchstwerte von über 15.000 fl. wurden zu Beginn des Untersuchungszeitraumes erzielt, während die Einnahmen in den rund anderthalb Jahrzehnten danach tendenziell abnahmen. Der Rückgang des Warenabsatzes wurde begleitet von einem stetigen Rückgang der Geschäftskorrespondenz nach Landau – sind zu Beginn des Untersuchungszeitraumes einige hundert Briefe pro Register nachweisbar, so wurden Ende der 1830er Jahre bis 1840 nur noch Briefe im niedrigen zweistelligen Bereich versandt. Die Geschäftskorrespondenz bildete den gängigen Weg des Rauch- und Schnupftabaksabsatzes für Lichtenberger & Co. Dies belegt die routinierte Übersendung von Abrechnungen in hoher Frequenz nach Landau – im Abstand weniger Tage oder Wochen. Der Vertrieb per Korrespondenz wurde begünstigt von der Nähe der Akteure oder Akteurinnen zueinander – man kannte sich meist persönlich – und dem geringen Umfang der Einzellieferungen, die das Risiko im Geschäftsablauf gering hielten.515 Lichtenberger & Co. vertrieben Rauch- und Schnupftabake an kleine Gewerbetreibende in Form von einzelnen Körben und Fässern, die mit kleinen Päckchen oder Dosen unterschiedlicher Tabaksorten bepackt waren. Diese setzten den Tabak wiederum an die Endabnehmer oder Endabnehmerinnen ab. Die Mengen der verkauften Güter variierten zwischen wenigen Pfund einer Sorte Tabak für wenige Gulden bis hin zu ganzen Fässern, die mit mehreren hundert Pfund bepackt waren. Landau, als zweitgrößtes urbanes Zentrum der Pfalz, bildete einen vielversprechenden Absatzmarkt – mit ihrem Festungsbau und der Kommandoschaft des bayerischen Militärs im Rheinkreis. Um 1831 waren mit zwei Infanterieregimentern in Friedenszeiten 48 Offiziere, 120 Unteroffiziere, 24 Spielleute und 1.320 Gefreite und einfache Soldaten in der Stadt stationiert. Hinzu kamen die berittenen Truppen, die mit vier Offizieren und 14 Unteroffizieren, zwei Trompetern, einem Schmied, einem Sattler und 130 Gefreiten in Landau stationiert waren. Zusätzlich gab es eine Abteilung Kanoniere zur Sicherung der Festung.516 Hinzu kam, dass die Stadt in bayerischer Zeit ein Verwaltungszentrum für das Umland bildete.517 Dass das Militär eine wichtige Zielgruppe im Warenvertrieb bildete, dokumentiert ein Brief nach Landau, in dem Lichtenberger & Co. ihrem Geschäftspartner im Jahr 1816 zu einem spezifischen Tabak – der Tabaksorte „Elephant“ – rieten, da dieser „bey dem Bayerischen Militär sehr beliebt“ sei.518

513 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 225, 264, 599, sowie: Nr. 2, Fol. 210. 514 Vgl. Kapitel 5.4.1. 515 Auf die kleinteilige Struktur des Warenabsatzes verweisen auch die Abrechnungen in den wenigen, überlieferten Verkaufsbüchern, vgl.: StALu, WS1, Nr. 118, 133 und 134. 516 Vgl.: Kolb, Georg Friedrich: Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern, S. 214 f. 517 Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 13. 518 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 4, Fol. 615.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Der Rückgang im Absatz von Rauch- und Schnupftabaken nach Landau, der sich in der obigen Statistik abzeichnet, verweist auf eine Umstrukturierung des Tabakmarktes in der Pfalz bis 1840. Bei dem Versuch die Anzahl der größeren Tabakmanufakturen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu erfassen stößt man in den zeitgenössischen Publikationen und in regionalhistorischen Studien auf unterschiedliche Zahlen, je nachdem, welche Betriebsform und -größe in die Statistiken aufgenommen wurde. Werner Weidmann geht in seinen Studien zur pfälzischen Wirtschaftsgeschichte um 1816 von 16 Tabakmanufakturen aus, die rund 150 Personen beschäftigten.519 Größere Betriebe gab es in Speyer, Landau, Zweibrücken, Pirmasens, Grünstadt, Blieskastel, (Bad) Bergzabern, Altenstadt, St. Ingbert und Ebernburg. Die Manufakturen von Lichtenberger in Speyer (mit rund 40 Arbeitern um 1821), von Sancerotte et Comp. in Blieskastel, von Kienlein in Zweibrücken (rund 20 Arbeiter), von Walter in Landau und von Kraemer in St. Ingbert wurden als führend angesehen.520 Die Tabakweiterverarbeitung bildete in der Pfalz aber nicht immer ein lukratives Geschäft. Es kam des Öfteren zu Insolvenzen von Manufakturen, wie 1818 in Frankenthal und Zweibrücken.521 Die dichte Besetzung des Marktes erschwerte es einzelnen Betrieben, ihren Warenabsatz sicherzustellen. Landau bildete in den 1820er und 1830er Jahren neben Speyer einen Schwerpunkt im Tabakmanufakturwesen der Pfalz.522 Hier entwickelten sich eine Reihe tabakweiterverarbeitender Betriebe, die Lichtenberger & Co. dadurch Konkurrenz machen konnten, dass sie vor Ort – ohne den Aufschlag von Versandkosten – Produkte an die Bevölkerung und die ansässigen Gewerbetreibenden absetzen konnten. Für Germersheim und Neustadt an der Weinstraße konnten bisher keine großen Weiterverarbeitungsbetriebe nachgewiesen werden. Diese beiden Städte konnten Lichtenberger & Co. auf niedrigerem Level, aber weitaus konstanter als Landau als Absatzorte dienen.523 In Folge des Absatzeinbruchs beim Vertrieb von Manufakturtabaken nach Landau bemühten sich die Kaufleute von Lichtenberger & Co., Kolonialtabake und pfälzische Rohtabake an weiterverarbeitende Betriebe in dieser Stadt abzusetzen. So lassen sich Jahre in der Statistik mit vergleichsweise hohen Einnahmen, wie das Jahr 1829, dadurch erklären, dass Lichtenberger & Co. große Lieferungen von Blättertabaken an einzelne Produzenten, wie Johann Trauth,524 Joseph Wal519 Haan, Heiner: Die Anfänge der Industrialisierung in der Pfalz, S. 637. 520 Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 185 f. 521 Vgl.: Ebd., S. 186; Haan, Heiner: Die Anfänge der Industrialisierung in der Pfalz, S. 641 und 648; sowie: Ders.: Zur historischen Wirtschaftskarte des bayerischen Rheinkreises 1820, S. 272. 522 Vgl. u. a.: Leuchs, Joh. Carl: Vollständige Tabak-Kunde, S. 63 – er nennt um 1820 zwei Manufakturen in Landau und drei in Speyer; Haan, Heiner: Industriekarte der Pfalz um 1820, S. 433– 439. – Haan weist um 1820 zwei Manufakturen mit mehr als 10 Arbeitern in Landau nach, aber lediglich eine (Stolz & Deifel) in Speyer – Lichtenberger & Co. kommen in seiner Studie nicht vor. 523 Vgl. die Register der Briefkopierbücher, in: StALu, WS1, Nr. 1–21. 524 Johann Trauth wird 1842 als Tabakfabrikant aus Landau im königlich bayerischen Amts- und Intelligenzblatt genannt, vgl.: Beilage zum Amts- und Intelligenzblatt für die Pfalz, Nr. 125 vom 16. 12. 1842, S. 986.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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ter525 oder Andreas Kern526 verkaufen konnte. Aus diesen Tabaklieferungen konnten kurzzeitig hohe Einnahmen generiert werden – zum Beispiel erhielt Joseph Walter 1829 eine Tabaklieferung im Wert von 1.955 fl.527 Großeinkäufe wurden von Landauer Akteuren vor allem persönlich auf Reisen in die Provinzhauptstadt vorgenommen – wie in den Briefen Verweise auf die Anwesenheit der Kunden in Speyer belegen.528 Werbeschreiben und Verhandlungen im Schriftverkehr belegen, dass diese Handelsbeziehungen bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bestanden. Und doch ist davon auszugehen, dass der Rohtabakhandel das weggefallene Rauch- und Schnupftabakgeschäft nicht ersetzen konnte. Aufgrund des direkten Zugangs der Landauer Akteure und Akteurinnen zum pfälzischen Tabakanbau und der Anwesenheit vielfältiger, im Tabakhandel tätige Akteure und Akteurinnen, konnte das Handelshaus Lichtenberger in diesem Geschäftszweig keine exponierte Stellung einnehmen. Rohtabakhandel nach Landau blieb ein Gelegenheitsgeschäft. Der Geschäftsbrief war kein Ort, um über Konkurrenzverhältnisse zu kommunizieren und noch weniger, um sich strategisch über die eigene Geschäftsausrichtung zu beraten. Der Schriftverkehr vermittelt vielmehr den Eindruck, als hätten die Kaufleute die Veränderungen in den Marktkonstellationen schnell akzeptiert und versucht, die verlorengegangenen Absatzmöglichkeiten durch neue Geschäfte zu kompensieren. Lichtenberger & Co. trieben ganz selbstverständlich mit Landauer Manufakturbesitzern Handel, der sich in seinen Abläufen nicht von anderen Transaktionen unterschied. Sie belieferten die Manufakturbesitzer sogar gelegentlich mit Gerätschaften zur Tabakverarbeitung und unterstützten damit den Aufbau ihrer Betriebe.529 Sie unterließen es zudem vollkommen durch aggressive Werbetätigkeit per Korrespondenz den Versuch zu unternehmen, ihren Kundenstamm in der Stadt zu halten oder auszubauen.530 Kaufleute im frühen 19. Jahrhundert übernahmen neben ihrer Handelstätigkeit auch Speditionsdienstleistungen für Dritte, da sie Experten auf dem Gebiet der Waren- und Rohstoffversendung waren und über die notwendigen Lagermöglichkeiten verfügten. Reine Speditionsunternehmen, die sich auf den Warentransport spezialisierten, existierten nicht. Der Warenversandt wurde im Zusammenspiel von Kaufleuten und selbständigen Schiffern bzw. Schifferinnen und Fuhrleuten abgewickelt. Für den Handel über weite Distanzen waren daher Korrespondenzbeziehungen zu 525 Joseph Walter wird u. a. 1827 als Tabaksfabrikant von Landau im Intelligenzblatt des Rheinkreises genannt, vgl.: Beilage zum Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 112 vom 07. 07. 1827, S. 674. 526 Andreas Kern wird u. a. 1826 im Landauer Wochenblatt als Tabakfabrikant genannt, vgl.: Landauer Wochenblatt, Nr. 15, Landau vom 14. 04. 1826, S. 58. Walter war zunächst in Landau ansässig, produzierte Tabake aber später vorrangig in Godramstein (heute ein Stadtteil von Landau), vgl.: o. A.: Bericht über die Pfälzische Industrie-Ausstellung zu Kaiserslautern im Herbst 1860, S. 164. 527 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 132 f. 528 Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 132 f., 164. 529 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 432, sowie: Nr. 18, Fol. 824. 530 Vgl. die Korrespondenz mit Landauer Akteuren und Akteurinnen beim Verkauf von Manufakturatabaken, in: Ebd., Nr. 17–21, die vor allem aus nüchternen Abrechnungsbriefen bestand, die nur selten zur Bewerbung der eigenen Produkte genutzt wurde.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Kaufleuten notwendig, die an zentralen Warenumschlagplätzen ansässig waren. Für Speditionsdienstleistungen war es dabei gängige Praxis, eine kleine Provision und eventuell anfallendes Lagergeld zu zahlen.531 Die Kaufleute in größeren urbanen Zentren – wie Mainz und Köln, aber auch Landau in der Pfalz – bildeten mit ihren Speditionsdienstleistungen Verkehrsknotenpunkte, da sie die Weiterversendung in kleinere Orte der Umgebung oder auch den Warenumschlag zum Weiterversandt in Handels- und Gewerbezentren anderer Regionen übernahmen. Ihre Speditionsdienstleistungen boten Kaufleute selten aktiv an. Sie konnten von anderen Kaufleuten selbstverständlich abgerufen werden. Es bedurfte im Vorfeld einzelner Warentransfers oft auch keinerlei Aushandlungsprozesse. Bei wiederkehrenden Transaktionen war es jedoch förderlich, wenn sich die involvierten Parteien kannten, da die Solidität der Akteure und Akteurinnen dann besser eingeschätzt werden konnte. Die Hinzuziehung von Spediteuren verursachte nicht nur Kosten – sie half auch, Risiken zu verringern. Sie konnten z. B. angewiesen werden, Waren nur gegen Barzahlung zuzustellen und damit helfen, Zahlungsflüsse sicherzustellen.532 Lichtenberger & Co. in Speyer übernahmen seit September 1821533 die Funktion einer Agentur für die im gleichen Jahr gegründete „Versicherung für den deutschen Handelsstand“ in Gotha. Lichtenberger & Co. konnten für die Gothaer Feuerversicherungsanstalt in Speyer und der näheren Umgebung erfolgreich eine ganze Reihe von Kunden und Kundinnen akquirieren, die über viele Jahre bei der Gesellschaft versichert blieben.534 Aus der Familie Lichtenberger in Speyer waren bei der Gothaer Feuerversicherung in den 1820er Jahren das Unternehmen Lichtenberger & Co. sowie Philipp Markus Lichtenberger als Privatperson und sein Bruder Casimir Lichtenberger mit seiner Krappmanufaktur versichert. Aus der angeheirateten Familie Scharpff finden sich Johann Heinrich Scharpff und später dessen Witwe Auguste als Versicherungsnehmer bzw. -nehmerinnen. In der Rheinschanze waren in den 1820er Jahren Besitztümer der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff jr., Lichtenberger & Co. sowie des Kaufmannes Friedrich Haapé bei der Gothaer versichert, die jeweils eigene Gebäude- und Mobilienversicherung für den Handelsplatz hielten. Die weiteren Kunden und Kundinnen entstammten schwerpunktmäßig dem Speyerer Bürgertum. Sie waren vorrangig der städtischen Oberschicht zuzuordnen, wie der königliche Regierungssekretär Heinrich Bertheau,535 der erste Sekretär bei der Kammer der Finanzen der Provinzregierung, Georg Friedrich Keim,536 der Apotheker und „zweyter beigeordneter Bürgermeister“ Sues, der spätere Bürgermeister Georg Friedrich Hilgard,537 der Steuereinnehmer Friedrich Wil531 532 533 534

Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 788. Vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 996 und Nr. 13, Fol. 504. Ebd., Nr. 7, Fol. 324. Vgl. den Schriftverkehr von Lichtenberger & Co. mit der Feuerversicherungsbank in Gotha, in: Ebd., Nr. 1–15. 535 Vgl.: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 40 vom 02. 10. 1823, S. 260. 536 Vgl.: Anzeige der im Rheinkreise des Königreichs Baiern angestellten Civil-Beamten von 1823, S. 4. 537 Vgl.: o. A.: Königlich Bayerisches Amts- und Intelligenzblatt für die Pfalz, Nr. 41 vom 18. 08. 1838, S. 330.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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helm Mühlhäuser538 und der Oberzollinspektor Casimir Schemmel.539 Aus dem Unternehmertum waren Ch. Fch. Weltz & Co., der Krappfabrikant und Handelsmann J. M. Freytag, Gustav Adolph Moers und Carl Korn bei der Gothaer versichert. Aus der Pfalz waren zudem der Tabaksfabrikant Joseph Walter aus Landau, der Apotheker Philipp Braun aus Landstuhl, der Kaufmann, spätere bayerische Landtagsabgeordnete und Hofrat Joseph Benzino540 aus Landstuhl und der Kaufmann Franz Wies541 aus Blieskastel Lichtenbergers Kunden. Aus der badischen Nachbarstadt Mannheim stammten der Tuch- und Tabakhändler und das spätere Mitglied der Frankfurt Nationalversammlung Wilhelm Sachs542 sowie der Handelsmann Abraham Weißenburger.543 Diese Zusammenstellung von aus der Geschäftskorrespondenz zwischen Speyer und Gotha ermittelten Versicherungskunden und -kundinnen verweist auf den vor allem im finanzkräftigen Bürger- und Beamtentum der Region bestehenden Bedarf nach Versicherungsdienstleistungen. Während Unternehmer durch sie ihre geschäftlichen Risiken zu minimieren versuchten, versicherten Beamte ihren privaten Besitz. Finanziell schwächere Bevölkerungsgruppen konnten sich Versicherungen jenseits der staatlichen Brandschutzversicherung, die über einen Beitrittszwang verfügte, offenbar nicht leisten. Die durch Lichtenberger akquirierten Kunden und Kundinnen schenkten der Gothaer Versicherung bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung ihr uneingeschränktes Vertrauen. Über Konflikte oder Äußerungen der Unzufriedenheit finden sich in der Korrespondenz keine Hinweise. Dies mag aber auch daran gelegen haben, dass die Versicherung stetig expandierte und jährlich Dividenden auszahlen konnte, und daran, dass es bei den pfälzischen Kunden oder Kundinnen kaum zu versicherungsrelevanten Zwischenfällen kam. Ab 1827 war Lichtenberger auch als Agent der neu gegründeten Gothaer Lebensversicherung tätig.544 Obwohl er in seiner Korrespondenz den Aufbau dieses Versicherungszweiges interessiert begleitete und das Unternehmen in Zeitungen und bei seinen Geschäftspartnern und -partnerinnen bewarb, konnte er in der Pfalz keine Kunden oder Kundinnen gewinnen. Wurden Transportversicherungen und Mobiliarversicherungen von den Gewerbetreibenden auch schnell angenommen, so bestand nach Lebensversicherung offensichtlich keine Nachfrage. Es ist denkbar, dass finanzkräftige Bürger und Bürgerinnen, die sich die teuren Versicherungen tendenziell leisten konnten, ihre Familie durch die gängigen Erbregelungen und Testamente in ausreichendem Maße als abgesichert betrachteten.

538 Vgl.: Beilage zum Intelligenz-Blatte des Rheinkreises, Nr. 68 vom 19. 06. 1829, S. 539. 539 Vgl.: Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 43 vom 23. 12. 1829, S. 362. 540 Vgl.: o. A.: Anzeige der Civilbeamten im Rheinkreise des Königreichs Baiern von 1825, S. 154, sowie: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, Nr. 29 vom 05. 06. 1837, S. 421. 541 Vgl.: Beilage zum Intelligenz-Blatte des Rheinkreises, Nr. 130 vom 02. 12. 1830, S. 959. 542 Vgl.: Best, Heinrich / Weege, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, S. 289 f. 543 Vgl.: Beilage zum Amts- und Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 82 vom 28. 08. 1831, S. 636. 544 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 12, Fol. 370 f., 626 und 635.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Der Absatz von Wein, Rohtabaken, Tabakfertigprodukten sowie Speditionsund Versicherungsdienstleistungen der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. war im Untersuchungszeitraum unterschiedlich strukturiert. Wein und Rohtabake konnten die Handelshäuser kontinuierlich in viele Regionen des Deutschen Bundes exportieren. Der Rohtabakhandel war ein vielversprechendes Geschäft, da der pfälzische Tabak im Vergleich zu anderen deutschen Erzeugnissen einen guten Ruf genoss und von vielen Manufakturen zugekauft wurde. Eine Schwierigkeit im Großhandel von Tabaken und Weinen bildete jedoch die Tatsache, dass die Handelshäuser ihre Waren immer wieder aufs neue Bewerben mussten, da sich kaum stabile und zuverlässige Absatzbeziehungen etablierten. Der Groß- und Fernhandel blieb damit ein wenig planbares Geschäft, auch wenn hier in guten Jahren große Gewinne erzielt werden konnten. Die Manufaktur Lichtenbergers konnte aufgrund von Zöllen und Abgaben sowie der Konkurrenz verarbeitender Betriebe in vielen deutschen Städten nur einen regionalen Markt bedienen. In der Pfalz war der Markt von der Angebotsseite her stark besetzt – durch eine Vielzahl von verarbeitenden Betrieben. Dabei befand sich die Marktkonstellation im Untersuchungszeitraum in einem Wandel. Aufgrund von Manufakturneugründungen verloren Lichtenberger & Co. Landau als Absatzort. Zwar versuchten Lichtenberger & Co. den Wegfall Landaus als Absatzort dadurch zu kompensieren, dass sie den dort ansässigen Manufakturen ihre Rohtabake und Gerätschaften anboten – aber als Rohtabakhändler konnten sie sich innerhalb der Pfalz aufgrund der mannigfaltigen Konkurrenz keine exponierte Stellung erarbeiten. Speditionsdienstleistungen und der Versicherungsvertrieb waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts für Handelshäuser selbstverständliche Gelegenheitsgeschäfte, denen jedoch nur eine geringe finanzielle Bedeutung zukam. Vielmehr erfüllten diese Tätigkeiten eine wichtige Funktion für den gesamten Handel, da sie Warentransfers erst ermöglichten bzw. Transaktionen absichern halfen. Die neu eingeführten Mobiliarversicherungen der Gothaer fanden dabei in der Pfalz erfolgreich Absatz, während für Lebensversicherungen in der Region schlichtweg keine Nachfrage bestand. 5.3.2 Die Abwicklung von Handelsgeschäften Um zu verstehen, welche Funktion Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff im Warenhandel erfüllten und was den Handel und ihren Zugang zu Märkten beeinflusste, lohnt es sich, die Behandlung des Rohstoffs Tabak vom Feld des Pflanzers oder der Pflanzerin bis zum Abnehmer oder der Abnehmerin beispielhaft nachzuvollziehen. Am 02. 02. 1825 übersandten Lichtenberger & Co. ihrem Handelspartner Johann Jacob Wirth, dem Inhaber einer Tabakmanufaktur in Augsburg,545 in einem Brief eine detaillierte Zusammenstellung ihrer Kosten und Arbeitsschritte, um ihn von der Preiswürdigkeit ihrer Warenangebote zu überzeugen.546 Diese Auf545 Vgl.: Seida und Landensberg, Franz Eugen von: Neuestes Taschenbuch von Augsburg, S. 283. 546 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 10. Fol. 727–732.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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stellung sah wie folgt aus: Im Frühjahr 1825 kauften die Kaufleute in Ortschaften, die für ihre gute Tabakqualität bekannt waren, für 6 fl. pro Zentner Blättertabak ein.547 „Waaggeld, Courtage und Kosten beym Einkauf und Empfang“548 veranschlagten sie dabei mit 12 Kreuzern pro Zentner. Im Anschluss fand die Fermentation und Trocknung im Lichtenbergerschen Unternehmen statt. Die dabei anfallenden Arbeitskosten wurden ebenfalls mit 12 Kreuzern pro Zentner veranschlagt. Durch die Fermentation trat ein Gewichtsverlust ein, den Lichtenberger & Co mit rund 25 Prozent angaben, so dass der Tabak nach Abzug dieses Gewichtsverlustes schon 7,32 fl. pro Zentner kostete. Nun wurde die Ware für den Versandt vorbereitet („Aussuchen, Certificat, Plombage &&“549). Unter diese Arbeitsschritte fielen vor allem das arbeitsintensive Sortieren der Blätter und die Vorbereitung der Waren zum Versand. Die zollrechtliche Vorbereitung zur Einfuhr in die Kernprovinzen Bayerns war aufwendig. Die Tabake wurden unter Aufsicht der Beamten verpackt, auf der städtischen Wage gewogen, mit Waagscheinen und Ursprungszeugnissen versehen und versiegelt oder verplombt. So wurde gewährleistet, dass die Ware in unveränderter Form nach Bayern eingeführt wurde.550 Die bei der Sortierung und zollrechtlichen Abfertigung anfallenden Kosten beliefen sich auf stolze 32 Kreuzer pro Zentner. Beim Verkauf der Ware rechneten die Kaufleute für sich schließlich noch einen Gewinn hinzu, den sie mit 11 Kreuzern pro Zentner angaben. Der Preis des als qualitativ hochwertig angepriesenen Tabaks belief sich somit im Speyerer Hafen auf 8,15 fl. pro Zentner.551 Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff verkauften ihre Waren im Fernhandel „frei [ab Speyer] zur Fuhre oder aufs Schiff“.552 Waren wurden zu dem Preis abgerechnet, für den die Kaufleute sie dem Fuhrmann oder Schiffer übergaben. Hatte der Tabakpreis sich bis zum Schiff oder zur Fuhre bereits um rund 27 Prozent erhöht – im Verhältnis zum Rohtabakpreis bei einem Pflanzer oder einer Pflanzerin – so kamen nun noch Transportkosten (Fuhrmanns-, Spediteurs- und/ oder Schifferlöhne) und Abgaben (u. a. Zölle, Weg- und Brückengelder) sowie eventuelle Lagergebühren hinzu, die bei Warenumschlägen oder Zwischenlagerungen anfallen konnten. Zur Bestreitung dieser Kosten wurde mit den Transportdienstleistern oder -dienstleisterinnen ein Pauschalpreis vereinbart. Auf dem Weg bestritten diese dann aus eigener Kasse die anfallenden Steuern und Abgaben. Am Ziel angekommen erhielten sie vom Warenempfänger oder der Warenempfängerin den Pauschalpreis ausbezahlt. Dieser bezog sich auf die gesamte Wegstrecke und wurde pro Zentner berechnet. Damit deckten sie ihre Auslagen. Der Rest der Summe blieb ihnen als 547 Im Untersuchungszeitraum bildeten 6 fl. pro Zentner einen sehr niedrigen Einkaufspreis für pfälzische Tabake. Zu Hochzeiten konnte der Preis fast das Dreifache betragen, vgl: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 188. 548 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 729. 549 Vgl.: Ebd. Fol. 728. 550 Vgl. zum komplizierten Procedere bei der Einfuhr pfälzischer Waren nach Bayern z. B.: Amtsblatt der Königlich Baierischen Regierung des Rheinkreises, Nr. II vom 20. 02. 1819, S. 9–25. 551 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 727–730. 552 Vgl: Ebd., Nr. 37, Fol. 22 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Transportlohn.553 Lichtenberger gab seinem Handelspartner Wirth in Augsburg gegenüber 1825 an, dass er die Frachtkosten von Speyer bis Augsburg für 2,45 fl. bis 3 fl. pro Zentner aushandeln könne. Der Transport nach Augsburg führte somit noch einmal zu einer Steigerung des Tabakpreises um ein Drittel. Zusätzlich musste der bayerische Eingangszoll für pfälzische Tabake von 25 Kreuzern pro Zentner von dem Käufer oder der Käuferin getragen werden, der auf dieser Wegstrecke in den Pauschalpreis der Transporteure oder Transporteurinnen nicht eingerechnet wurde.554 Bei Ankunft in Augsburg hatte sich der Preis des Zentners Tabaks vor diesem Hintergrund noch einmal von 8,15 fl. auf 11,25 fl. pro Zentner erhöht. Die vorbereitenden Arbeitsschritte durch Lichtenberger und der Transport nach Bayern konnten demnach zu einer Verdopplung des Tabakpreises führen. Dieses Beispiel illustriert einprägsam die Abläufe im Fernhandel und die damit einhergehenden Kosten. Das Rechenbeispiel Lichtenbergers kann als realistisch angesehen werden, da er es sich vor dem Hintergrund der vielfältigen Informationsflüsse im kaufmännischen Schriftverkehr nicht leisten konnte, überzogene Forderungen zu stellen. Außerdem ist zu bedenken, dass Bayern mit seinen Zollvergünstigungen für Pfälzer Tabake und Weine einen vergleichsweise leicht zugänglichen Markt bildete. Die Aufgaben der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. im Tabakhandel bildeten insbesondere die Auswahl und die Vorbereitung der Rohtabake zum Versand sowie ihre sichere, institutionenkonforme Absendung. Einkauf und Weiterverarbeitung waren in der Tabak- und Weinbranche im frühen 19. Jahrhundert nicht zu trennen. Die Kaufleute konnten sich nicht auf den Handel beschränken, da die Bauern und Bäuerinnen die Rohstoffe in nicht haltbarer oder transportabler Form verkauften. Im Lager der Kaufleute musste vor dem Verkauf eine Sortierung und Fermentation des Tabaks vorgenommen werden. Ebenso fand der Wein häufig als Most seinen Weg in die Lager der Kaufleute und musste dort zunächst zu Wein ausgebaut werden. Die Entwicklung vom Handel zum Wein- oder Rauch- und Schnupftabakproduzenten war aus diesem Grund nur ein kleiner Schritt. Die Abläufe in der Landwirtschaft beeinflussten neben den Rohstoffeinkäufen auch die Vertriebstätigkeit in den Kontoren von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Der in der Pfalz eingekaufte Tabak lagerte im Allgemeinen bis nach der zweiten, sogenannten Maifermentation, bei den Kaufleuten, um zu gewährleisten, dass er beim Transport seine Qualität nicht mehr veränderte. Im Mai bis Juli versandten die Kaufleute Werbeschreiben, in denen sie auf die Versandfähigkeit des neuen Tabakjahrgangs verwiesen.555 Die Annahme von Warenbestellungen vollzog sich im Anschluss auf verschiedenen Wegen. Mündliche Aufträge an Reisende wurden von diesen per Brief nach Speyer übersandt. Das Handelshaus wandte sich 553 Vgl. zu dieser Geschäftspraktik u. a.: Ebd., Nr. 9, Fol. 159. 554 Bis zum Jahr 1825 war der Einfuhrzoll für Tabake aus dem Rheinkreis nach Bayern bereits mehrfach gesenkt worden, so dass die 25 Kreuzer einen niedrigen Zollsatz bildeten. Vgl. die zollrechtlichen Erlässe Bayerns in den Amts- und Intelligenzblättern des Rheinkreises der Jahre 1816 bis 1825. 555 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 4, Fol. 769; Nr. 7, Fol. 1057 f.; Nr. 10, Fol. 122 und 165–167 sowie: Nr. 18, Fol. 61–64.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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dann mit der Bestätigung der Bestellung und eventuellen Rückfragen an den Kunden oder die Kundin und übernahm die Abwicklung des Geschäfts. Ferner gingen Bestellungen per Post im Kontor ein oder sie wurden persönlich in Speyer vorgenommen. Im Rohtabak- und Weinhandel war es verbreitete Praxis, die Waren vor einem Kauf persönlich zu begutachten oder auf Basis von Warenproben zu kaufen.556 Im Weinhandel wurden abgefüllte Flaschen als Probe mitgeführt oder versandt. Im Tabakhandel dienten kleine Ballen als Probe, da ein Kauf allein nach einem Muster von wenigen Blättern als unsicher galt. Der Verkauf nach einer Probe erweiterte den Handlungsspielraum von Kaufleuten, da hierdurch die kosten- und zeitintensive Reisetätigkeit reduziert werden konnte. Eine Alternative bot ein Testkauf von überschaubaren Mengen Tabak.557 Testkäufe galten als Bewährungsprobe für einen Geschäftspartner oder eine Geschäftspartnerin und sollten helfen, vertrauen zu fassen, um in Zukunft größere Warenmengen zu transferieren.558 Im Zentrum der Verkaufsverhandlungen stand die Aushandlung von Warenpreisen. Die in Werbe- oder Angebotsschreiben übersandten Preise mussten auf Anfrage plausibel begründet werden. Verwiesen werden konnte auf die Qualität der Ware, die aktuellen Marktverhältnisse sowie auf die Kosten beim Einkauf, Transport, der Lagerung, Sortierung, Verpackung, dem Handel oder der Weiterverarbeitung der Waren. Die Marktprozesse wurden dabei potenziell global gedacht. Entwicklungen im Kolonialtabakhandel beeinflusste die Preise von und die Nachfrage nach deutschen Rohstoffen.559 Daneben traten die Akteurs- und Wirtschaftskonzepte im Briefverkehr, die das informelle Institutionensetting für die Preisverhandlungen vorgaben. Preisentwicklungen auf den Märkten wurden als eine vom Akteurshandeln abhängige Variable kommuniziert. Als einflussreiche Akteursgruppen wurden neben den Bauern und Bäuerinnen, die möglichst viel Einkommen aus ihrem Rohstoffverkauf generieren wollten, vor allem die Aufkäufer bzw. Aufkäuferinnen in den Briefen identifiziert. Während Kaufleute Rohstoffe zwar grundsätzlich günstig erstehen wollten, so hatten sie doch aufgrund ihrer finanziellen Ausstattung verschiedene Handlungsspielräume und konnten damit das Marktgeschehen beeinflussen. So wurde zum Beispiel die Französische oder die Österreichische Tabakregie als Gefahr für das Marktgleichgewicht angesehen, da sie viele Tabakhändler und -händlerinnen in ihre Dienste stellen und in einen kurzen Zeitraum große Mengen aufkaufen konnten.560 Sie rückten damit in die Nähe von „Speculanten“561, da ihnen ein raffgieriges Aufkaufen von Waren und eine Spekulation auf steigende Preise nachgesagt wurde, ohne dass sie ein eigentliches Interesse am Tabak und dessen Weiterverarbeitung hatten. Das schnelle Aufkaufen und das ‚Hochtreiben‘ von Preisen galt als rücksichtlos den anderen Marktakteuren und -akteurinnen gegenüber, die 556 557 558 559 560 561

Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 256 oder Nr. 9, Fol. 288 f. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 281. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 3, Fol. 53 und 707. Vgl.: Ebd., Nr. 39, Fol. 543. Vgl.: Ebd., Nr. 18, Fol. 998 und Nr. 37, Fol. 36 f. und Nr. 42, Fol. 161 f. Ebd., Nr. 39, Fol. 144.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

für den Betrieb ihrer Gewerbe auf die Rohstoffe angewiesen waren. Dies bot die Basis, um im Briefverkehr eine kritische Haltung zu extremen Preisschwankungen einzunehmen, die für die Kaufleute die Risiken in ihren Geschäften steigerten. So hat auch Adelheid von Saldern in ihrer Studie zu den Schoeller-Häusern am Beispiel der Wollpreise herausarbeiten können, dass hohe Preissteigerungen oft in Verbindungen mit unlauterem, manipulativem Geschäftsgebaren gesetzt wurden. Bei hohen Preisen war es legitim – und vielleicht notwendig, um die eigene Integrität zu wahren – sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, um die Aufwärtsspirale der Preise nicht zu unterstützen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder sozialverträgliche Geschäfte abzuwickeln.562 Die Kaufleute nutzten die Erkenntnis, dass die Preise im Jahresverlauf einen stetigen Wandel durchliefen, dazu sich als gemeinnutzenorientiert zu inszenieren. So kommunizierten sie des Öfteren in Zeiten hoher Preise, dass sie nicht zu den aktuellen Marktpreisen verkaufen, sondern ihren Berechnungen die von ihnen in günstigeren Zeiten bezahlten Einkaufspreise zugrunde legen würden. Damit unterstrichen sie zum einen ihre kaumännische Kompetenz und zum anderen ihre Orientierung am Nutzen des Geschäftspartners oder der Geschäftspartnerin. Der veranschlagte Gewinn durfte generell nur moderat ausfallen, damit die Kaufleute dem Anspruch eines Wirtschaftens zum Wohle aller Parteien gerecht werden konnten. Dies führte dazu, dass Preise nicht beliebig hoch gestellt werden konnten, wollte ein Tabakverkäufer als solide gelten. In den Preisverhandlungen wurden auch die Geschäftsbeziehungen zwischen den Korrespondierenden thematisiert. Im Jahr 1822 schrieb Joh. Hein. Scharpff nach Frankfurt an Peter Gebhardt: Ich kann Sie versichern, daß mir bei diesem Geschäft wenig oder gar nichts übrig bleibt, und ich muß mich dieses blos mit der angenehmen Hoffnung begnügen, daß Sie mich in der Folge durch Ihre fernern schätzbaren Aufträge entschuldigen werden. […]563

In diesem Schreiben, dessen Formulierungen und Argumentationsweisen sich in vielen anderen wiederfindet, betonte der Schreiber oder die Schreiberin nicht nur einen geringen Gewinn einkalkuliert zu haben, sondern vielmehr auf einen Gewinn bei einem Geschäft zu verzichten. Ein niedriger Preis war kommunikativ stets mit der Bitte verbunden das vorbildliche Verhalten mit weiteren Aufträgen zu würdigen – und damit gemeinschaftlich am Aufbau einer tragfähigen Geschäftsverbindung mitzuwirken. Von Seiten Scharpffs und Lichtenbergers wurde zudem in den Briefen oft kommuniziert, dass sie bekannten Geschäftspartnern oder -partnerinnen Rabatte oder besondere Preise einräumen würden: Um Ihnen aber zu beweisen wie gern wir Ihnen vor jedem andern unserer Abnehmer einen Vorzug einräumen, so wollen wir Ihnen 6 % Disconto zugestehen; und wir hoffen, daß Sie hierbei Gelegenheit finden werden, etwas ansehnliches von unserm Taback verkaufen zu können.564 562 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 306 f. Ein ähnliches Einkaufsverhalten findet sich bei den Speyerer Kaufleuten, vgl. z. B. StALu, WS1, Nr 2, Fol. 712 oder Nr. 15, Fol. 113. 563 Ebd., Nr. 52, Fol. 101. 564 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 679.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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Solch ein Entgegenkommen wurde auch in den direkten Zusammenhang zu dem Konzept der Geschäftsfreundschaften gestellt, die eine verstetigte Basis für die eigenen Handelsgeschäfte zu beiderlei Nutzen bilden sollten. Entsprechend schrieben Joh. Hein. Scharpff 1815 an einen Warenabnehmer: Gewöhnlich gestatten wir unseren Handelsfreunden 2 % Sconto für baare Zahlung und diesen genießen auch Sie, im Fall Sie auf diese Art Zahlung leisten wollen.565

Preisrabatte sollten der Kundenbindung dienen. In Preisverhandlungen wurde andererseits auch erwartet, dass der potenzielle Warenabnehmer oder die potenzielle Warenabnehmerin den Preis nicht „gar zu strenge“566 niedrig ansetzte und auch von seiner Seite das Ideal eines auskömmlichen Gewinns für alle Beteiligten beherzigte.567 Auf die Beziehungen zwischen Akteuren oder Akteurinnen rekurrierte auch die Vorstellung eines Gewohnheitspreises. Im Kontext andauernder Geschäftsbeziehungen mussten Preisveränderungen explizit kommuniziert und durch die Angabe von veränderten Rahmenbedingungen legitimiert werden. Diese Erwartungshaltung äußert sich in Quellen, in denen die Kaufleute der Häuser Scharpff und Lichtenberger Waren oder Dienstleistungen von Dritten einkauften. Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes ließen Lichtenberger & Co. mehrere Jahre regelmäßig Tabake in der Holtzmannschen Mühle in Speyer mahlen. Als C. A. Holtzmann ihm im Sommer 1818 eine offenbar ungewöhnlich hohe Rechnung über den Mahllohn stellte, weigerte sich Lichtenberger mit dem Verweis auf die vorangegangenen Transaktionen vehement, zu zahlen: In übergebener Rechnung haben Sie uns gegen unsere frühere Übereinkunft beym Tabaksmahlerlohn nun 30 kr. p[ro] C[en]t[ne]r übersetzt, was wir für einen Irrthum Ihrerseits ansahen. Da Sie aber wie es scheint hartnäkig auf Ihre Forderung bestehen, so sagen wir Ihnen daß wir nunmal nicht mehr bezahlen. Die Beweise hierzu liefern wir durch Ihre letzte Rechnung […] Wir wißen übrigens nicht was Sie zu einer Preis-Erhöhung veranlaßte – ohne uns wenigstens nicht die Ursache davon zu sagen. Wir zalten noch nirgends mehr denn f. 1 pro Ctr. […].568

Preise in der regionalen Wirtschaft, in der konstante Beziehungen bestanden, wurden häufig als Gewohnheitspreise kommuniziert. Preisveränderungen unterlagen hier in besonderem Maße einem Zwang zur Legitimation. Im Kontext bereits bestehender Geschäftsbeziehungen wurden im Fernhandel auch gelegentlich Waren bestellt ohne Preis, Qualität oder Quantität bis ins Detail auszuhandeln. So orderte Josef Walter aus Landau im Winter 1823 in einem mündlichen Auftrag bei einem Reisenden von Lichtenberger & Co., Herr Trauth, einen Ballen Geizen und 400 bis 600 Pfund unfermentiertes 1823er Deckblatt, das ihm die Kaufleute „so billig als möglich“ berechnen und nach dem Jahreswechsel zukommen lassen sollten.569 Diese Bestellpraktik konnte nur dann funktionieren,

565 566 567 568 569

Ebd., Nr. 37, Fol. 463. Ebd., Fol. 77 f. Ebd., Nr. 42, Fol. 77 f. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 1038. Ebd., Nr. 9, Fol. 565.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

wenn die Akteure und Akteurinnen einander vertrauten, dass Preise moderat veranschlagt wurden. Als Einflussfaktor auf die Preisgestaltung findet sich in den Briefen zudem die Vorstellung, dass eine hochwertige Ware die Zahlung eines angemessenen – „gerechten Preis[es]“570 – verdiene. Darin schlug sich die Vorstellung nieder, dass Waren durch ihre Produktion, die damit verbundene Arbeit und anfallenden Kosten sowie aufgrund ihrer Qualität einen Preis hatten, der nicht durch Marktmechanismen unterwandert werden durfte. Beispielsweise schrieb Joh. Hein. Scharpff 1822 diesem Gedanken folgend an Peter Gebhard in Frankfurt, dass dieser bei den Preisverhandlungen berücksichtigen solle, dass ihm eine hochwertige Ware angeboten werde – einen Ausstich vom Jahre 1819 – die allein aufgrund seiner Qualität einen gewissen Preis verdiene.571 Die Verhandelbarkeit von Preisen variierte je nach gehandelten Waren und verhandelnden Akteuren oder Akteurinnen. Beim Rauch- und Schnupftabakhandel aus der Manufaktur wurden die Preise von Lichtenberger & Co. festgesetzt und waren kaum verhandelbar. Zwar kam es mitunter zu Beschwerden von Abnehmern und Abnehmerinnen über das Preis-Leistungs-Verhältnis, doch konnten Lichtenberger & Co. diese im Normalfall mit dem Verweis darauf abblocken, dass gute Tabakqualität eben ihren Preis habe. Einwände bezogen sich häufig auf den Preis im Vergleich mit Tabaken anderer Produzenten oder auf vermeintliche Beschwerden der Endkonsumenten oder -konsumentinnen über die Warenqualität. Die Abnehmer und Abnehmerinnen hatten dabei wenig Verhandlungsmacht, da sie als kleine Zwischenhändler oder -händlerinnen nur geringe Warenmengen abnahmen.572 Im Rohstoffhandel waren Preisverhandlungen hingegen präsenter, auch wenn die Speyerer Kaufleute im Fernhandel bemüht waren diese zu unterbinden, indem sie angaben, den Preis bereits möglichst niedrig angesetzt zu haben. Die mitgeteilten Preise wurden stets als „äußersten Preiß“573 kommuniziert. Verhandlungen waren im Normalfall allerdings kurz. Langwierige Verhandlungen wurden aufgrund ihrer Zeitund Kostenintensität als unangemessen angesehen. Die Speyerer Kaufleute erbaten sich mit einem Verweis auf das begrenzte Marktangebot schnelle Entscheidungen.574 Sie boten ihre Waren vorrangig unter dem Vorbehalt an, dass diese beim Eingang der Bestellung noch nicht verkauft waren – sie boten an „was frey bleibt“.575 Vor dem Hintergrund zeitweiser Lieferschwierigkeiten und dem regelmäßigen Ausverkauf von Tabak- und Weinjahrgängen konnte dies Kaufentscheidungen beschleunigen.576 Obwohl der Markt als sich stetig wandelnder kommuniziert wurde, galt es doch, sich als Unternehmer oder Unternehmerin zu präsentieren, der oder die Kunden oder Kundinnen zuverlässig mit Waren und Rohstoffen versorgen konnte. Bei 570 Vgl.: Pierenkemper, Toni: Theorieproblem einer Wirtschaftsgeschichte im institutionellen Paradigma, S. 15. 571 Vgl.: Ebd. 572 Vgl. die Korrespondenz mit Landau, in: StALu, WS1, Nr. 1–21. 573 Ebd., Nr. 9, Fol. 168. 574 Ebd., Fol. 191 f. 575 Ebd., Nr. 9, Fol. 168. 576 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 41, Fol. 144 und Nr. 42, Fol. 161 f.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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einer sich anbahnenden Geschäftsverbindung zum Lederfabrikanten Utzschneider577 in München gaben Joh. Heinr. Scharpff 1817 z. B. an, „beständig ein starkes Lager“ an fermentiertem, pfälzischen Blättertabak zu halten, durch das sie „im Standte“ seien, ihre „Abnehmer stehts mit guter gesunder & preiswürdiger Ware zu bedienen“.578 In den Briefen wurde dabei die Vorstellung kommuniziert, dass sich Händler oder Händlerinnen durch eine wiederholte Lieferung überzeugender Qualitäten einen „Ruf“ erwerben und damit auf dem Markt „behaupten“ konnten.579 Das ‚behaupten‘ bezog sich dabei auf die Vorstellung, dass für gute Ware ein fairer Preis zu zahlen war. Eine kompetente und sorgfältige Auswahl von Tabaken musste sich demnach auszahlen. Die Lieferung einer gleichbleibend guten Qualität bildete jedoch eine Herausforderung vor dem Hintergrund der krisenanfälligen landwirtschaftlichen Produktion. Tabake und Weine wurden in Fässern,580 Kisten oder Körben befördert. Für Verpackungen gab es im Rohstoff- ebenso wie im Fertigproduktehandel eine Art Pfandsystem. Dies galt für Fässer, Kisten und Körbe, da diese teuer und zeitintensiv in der Herstellung waren und nur im begrenzten Umfang zur Verfügung standen. Den Warenabnehmern oder -abnehmerinnen wurde die Verpackung zunächst mitberechnet und bei ihrer Rücksendung wieder gutgeschrieben – die Gutschrift variierte dabei je nach Zustand der zurückerhaltenen Verpackung.581 Selbst über weite Strecken – z. B. beim Warenverkauf nach Bayern – wurden Fässer anschließend wieder retour geschickt.582 Lediglich das Leinengewebe für Tabakballen wurde nicht zurückgefordert. Die Auswahl der Transporteure oder Transporteurinnen erfolgte nach Wunsch der Kunden oder Kundinnen. Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. verfügten über konstante Geschäftsbeziehungen zu Transportdienstleistern aus der Region sowie zu Spediteuren an zentralen Warenumschlagplätzen, wie Frankfurt am Main, Mainz oder Köln. Auf diese griffen sie bei eigenen Einkäufen und im Fall, dass der Kunde oder die Kundin keine Vorgaben machte, zurück. Der Warenversand nach Bayern erfolgte auf wenigen zentralen Routen, die sich im Untersuchungszeitraum kaum veränderten. Bevorzugt wurde der Landweg, weniger oft der Wasserweg über Rhein und Main in Anspruch genommen. Auf dem Landweg wurden die Waren auf relativ direkten Routen transportiert, nach Nürnberg z. B. auf einer Route über Heilbronn – unter Nutzung der Zollstation Dinkelsbühl zur Einfuhr ins Königreich Bayern. Die Routen der Fuhrleute nach München führten über Knittlingen und Cannstadt (Stuttgart).583 Knittlingen bildete nach der Gründung des Süddeutschen Zoll577 Vgl.: Bauernfeind, Carl Maximilian von: „Utzschneider, Josef von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1895), S. 420–440. 578 StALu, WS1, Nr. 38, Fol. 583. 579 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 679. 580 Zur zentralen Funktion von Fässern als Verpackung für zahlreiche Waren, vgl.: Frank, Alfred: Marken auf Fässern, S. 45. – Die Schwierigkeit beim Handel in Fässern bestand in ihrer Eichung bzw. Bestimmung des Fassungsvermögens, das oft je nach Bötcher und Region variierte. 581 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 641. 582 Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 9, Fol. 174 und 208. 583 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 7, Fol. 962 und Nr. 14, Fol. 79 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

vereins die württembergische Zollstation, an der die Waren ins Vereinsgebiet eingeführt wurden. Auf dem Wasserweg nach Bayern wurden die Waren zunächst über den Rhein versandt und in Mainz, Frankfurt am Main oder Höchst am Main umgeschlagen. Von dort wurden sie über den Main bis nach Kitzingen transportiert, von wo aus sie über Land bis nach Nürnberg oder Bamberg versandt wurden. An der Zollstation Dettingen (heute: Karlstein am Main) wurden sie ins Königreich Bayern eingeführt.584 Die mit den Fuhrleuten vereinbarten Lieferzeiten nach München, Nürnberg und Bamberg bewegten sich zwischen 8 bis 14 Tagen.585 Fuhrleute verkehrten nur in größeren zeitlichen Abständen, was zu Verzögerungen beim Warentransport nach Bayern führen konnte. 1840, am Ende des Untersuchungszeitraums, berichteten Lichtenberger & Co. beispielsweise an einen Geschäftspartner, dass ein Fuhrmann aus Walldürn alle zwei Wochen von Nürnberg nach Speyer führe.586 Zudem kam es vor, dass Fuhrleute ihren Weg nicht antraten, da ihre Fuhre nicht ausreichend ausgelastet war, oder dass sie Waren nicht mehr mitnehmen konnten.587 Der Versand von Waren auf dem Wasserweg konnte von Speyer aus ebenfalls nicht immer unmittelbar nach dem Zustandekommen eines Geschäftes vorgenommen werden, da die Schiffer und Schifferinnen zwischen Speyer und Mainz, Frankfurt oder Höchst am Main nur in Abständen von mehreren Wochen verkehrten.588 Im Winter machte Eis die Wasserwege für viele Wochen vollkommen unpassierbar. Die niedrige Frequenz und das Ausbleiben von Transporteuren oder Transporteurinnen führte auch im Jahr 1840 noch dazu, dass Lichtenberger & Co. ihren Geschäftspartnern oder -partnerinnen zuweilen keine Auskunft darüber geben konnten, wann der nächste Schiffer in Speyer in Ladung ging.589 Im Fall der Transportkosten lässt sich zwischen 1815 und 1840 auf Basis der Geschäftsbriefe ein positiver Trend ausmachen. Während Lichtenberger & Co. zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch mehrfach einen Fuhrlohn von Speyer nach Nürnberg von rund 4,00 fl.590 bis 4,30 fl.591 pro bayerischen Zentner exklusive der anfallenden Zölle bei der Durchfuhr Badens und bei der Einfuhr nach Bayern angaben, so sank der Fuhrlohn in den Folgejahren stetig, bis um die Jahre 1839 und 1840 2,20 fl.592, badischer Transitzoll inklusive, die Normalität darstellte. Gelegentlich konnten Waren gegen Ende des Untersuchungszeitraumes sogar weit unter 2 fl. versandt werden.593 Für die Städte Bamberg und München sind in den Quel584 Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 243 f., 326, 387 f., 889 und 1008. 585 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 797; Nr. 7, Fol. 589 f. und Fol. 282 f.; Nr. 14, Fol. 13, Fol. 215, Fol. 793– 795 und Fol. 1038 und Nr. 18, Fol. 281. 586 Ebd., Nr. 21, Fol. 767 f. 587 Gelegentlich versandten die Kaufleute mehr Waren als bestellt wurden, um Fuhren zu „komplettieren“. Vgl. zu Komplikationen beim Warenversand u. a.: Ebd. Nr. 6, Fol. 250 und 428; Nr. 7, Fol. 279; Nr. 9, Fol. 255 und Nr. 13, Fol. 396 f. 588 Ebd., Nr. 7, Fol. 962, sowie: Nr. 21, Fol. 308 f. 589 Ebd., Nr. 21, Fol. 308 f. 590 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 606. 591 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 146. 592 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 474 f., 600, 681, 765 und 826. 593 Vgl.: Ebd., Nr. 17, Fol. 37 f.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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len wesentlich weniger Angaben zu finden. Die Tarife zwischen Speyer und München auf dem Landweg lagen in der Mitte des Untersuchungszeitraumes bei 3,45 fl. pro Zentner und fielen bis zum Ende der 1830er Jahre um rund 40 Kreuzer.594 Für die Route zwischen Speyer und Bamberg lässt sich Ende der 1830er Jahre auf dem Landweg ein Preis von 2,00 fl. bis 2,21 fl. pro Zentner ermitteln.595 Die Transportpreise auf dem Rhein waren stabiler als die Fuhrlöhne. Auch hier lässt sich ein Preisverfall im Untersuchungszeitraum ausmachen. So betrugen die Kosten pro Zentner für die Strecke von Speyer nach Frankfurt um 1817 zunächst 36 Kreutzer596 und sanken über die Jahre hinweg auf 28 Kreuzer.597 Die Strecke von Speyer nach Mainz war aufgrund der geringeren Distanz 10 Kreuzer billiger.598 Die Anschlusstouren von Mainz, Frankfurt oder Höchst nach Kitzingen waren vom Preis her vergleichbar. Aus diesem Grund rieten die Kaufleute ihren Abnehmern und Abnehmerinnen, die Waren in Mainz umschlagen zu lassen.599 Für die gesamte Fahrt von Speyer nach Kitzingen ist ein Preis aus dem Jahr 1829 überliefert, der bei 2,20 fl. pro bayerischem Zentner lag.600 Die Transportpreise zu Wasser waren im Vergleich zu den Fuhrpreisen erschwinglich. Über die Wasserstraßen konnten jedoch immer nur ein Teil der Strecke in die bayerischen Städte zurückgelegt werden. Zu den Schifferlöhnen und Wasserzöllen waren daher noch weitere Fuhrlöhne hinzuzurechnen, so dass im Einzelfall schwer zu rekonstruieren ist, welche Transportalternative günstiger war. Ein Vorteil des Warenversendens über Rhein und Main war die verkürzte Lieferzeit. Waren aus Speyer erreichten Höchst zu Beginn der 1820er Jahre bereits nach zwei Tagen.601 Wie auch beim Einkauf von Kolonialtabaken in Amsterdam lag die Herausforderung im Fernhandel von Tabak und Wein vor allem in der Abstimmung der Parteien über die Qualität der Ware sowie im sicheren und schnellen Transport ohne Qualitätsverluste.602 Bei der Übersendung von Waren und der damit einhergehenden Rechnungsstellung wurden Scharpff und Lichtenberger nicht müde, auf die Vorteilhaftigkeit des Geschäftes hinzuweisen. Diese Vorgehensweise sollte Reklamationen und Konflikten vorbeugen. Als Reaktion auf Kritik versuchten die Kaufleute zunächst kommunikativ ihre Waren ins rechte Licht zu rücken, wie im Oktober 1823 als Lichtenberger & Co. an J. B. Feldbausch in Landau schrieben: Das Karottenguth von der heutigen Sendung welches nach der gewöhnlichen Art fermentirt ist, haben wir so auswählen laßen, daß es nun eine gute Mischung mit dem letzt erhaltenen giebt; was Sie an diesem übrigens für moderigen Geruch halten ist nichts anderes als Rohheit, die sich durch die stärkere Fermentation die Ihnen dieser Tabak machen wird, ganz verliehrt, und daß

594 595 596 597 598 599 600 601 602

Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 909 f. Vgl.: Ebd., Fol. 308 f. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 231 und 804. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 308 f. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 1008. Vgl.: Ebd. Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 139 f. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 962. Vgl. Kapitel 5.2.2.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz eben dieser Taback einen Vorzug haben muß, geht daraus hervor, weil nicht allein wir es aus Erfahrung wißen, sondern auch weil ein anderes dortiges Hauß bey einer starken Parthie diesen Tabak vorzugsweise benannt hat.603

Zur Betonung der Tabakqualität diente neben dem Verweis auf die eigene Kektnisse und Sorgfalt die Bezugnahme auf einen anderen Händler. Dass es sich bei dem zufriedenen Kunden um ein ‚dortiges Haus‘ handelte, also ein Handelshaus aus Landau, unterstrich die Glaubwürdigkeit, da Feldbausch in seinem urbanen Umfeld herausfinden konnte, wer Tabaklieferungen aus Speyer bezogen hatte. Die stetig vorgenommenen Einstufungen der Waren nach durchnummerierten Qualitätsstufen oder Jahrgängen und der Verkauf nach Proben führten nicht immer zu Geschäften, die zur beiderseitigen Zufriedenheit abgeschlossen wurden. Reklamationen wurden zeitnah erwartet, um als legitim zu gelten, und mussten begründet werden.604 Im Jahr 1826 kam es zwischen Joh. Hein. Scharpff und F. Bellermann & Co. in Erfurt zu einem Konflikt, als diese die Zahlung eines seit Monaten ausstehenden Rechnungsbetrages mit dem Argument verweigerte, sie wollten den erhaltenen Wein gar nicht behalten. Scharpff appellierte daraufhin an sie, sich doch den gängigen kaufmännischen Normen entsprechend zu verhalten: Obgleich ich mir früher nichts daraus gemacht und […] [den Wein] auch zurückgenommen hätte, so werden sie, als Kaufmann, selbst einsehen, daß ich dieses jetzt, nachdem sie den Wein 6 Monate lang besitzen und die Verfallzeit [d. h. der Zahlungsfrist, R. L.] da ist, nicht mehr thun kann. Von Ihrer Billigkeit überzeugt, hoffe ich daß Sie keine weitern Einwendungen machen, […].605

Reklamationen waren allgegenwärtiger Teil des Handelsgeschäfts. Die Korrespondenz mit Bayern zeigt beispielsweise, dass zu Beginn des Untersuchungszeitraumes kaum ein Handelskontakt von Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff, der von mehreren Warentransaktionen begleitet wurde, ohne Nachverhandlungen und Reklamationen auskam.606 Die Nachverhandlungen konnten dabei durch Kompromisse, wie einen Preisnachlass, teilweise innerhalb weniger Wochen beigelegt werden607 – andere Konflikte konnten Jahre andauern.608 Grundsätzlich bildeten Reklamationen, sofern ein Kompromiss gefunden werden konnte, keine grundlegende Gefährdung für zukünftige Interaktionen. Auch Scharpff und Lichtenberger reklamierten Warenlieferungen, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen, und gingen dabei soweit, die Annahme ihnen zugesandter Waren bei Erhalt bereits zu verweigern.609 Es kam dabei häufiger zwischen Kaufleuten im Tabakhandel zu Reklamationen, als dass es mit Endabnehmern oder -abnehmerinnen einzelner Weinfässer zu Konflikten kam. Letztere ließen sich zudem schneller beilegen, indem die Kauf603 604 605 606

StALu, WS1, Nr. 9, Fol. 427. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 281 oder Nr. 38, Fol. 173 f. Ebd., Nr. 55, Fol. 405. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 389 und 422 f.; Nr. 7, Fol. 269–271, 347 476, 502, 577 f.; Nr. 9, Fol. 802, 847 f. und 1072 f.; Nr. 37, Fol. 491 f.; Nr. 43, Fol. 408; Nr. 50, Fol. 608 f. 607 Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 577 f. 608 Vgl.: Ebd., Nr. 54, Fol. 196, 1077 und 1201. 609 Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 2, Fol. 337.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

243

leute auf ihre redliche und vorschriftsmäßige Abwicklung der Geschäfte verwiesen.610 Dies könnte von der Warenmenge beeinflusst worden sein, die jeweils den Besitzer oder die Besitzerin wechselte. Weinabnehmer oder -abnehmerinnen nahmen im Normalfall nur einzelne Fässer ab, während im Tabakhandel des Öfteren viele Ballen von mehreren hundert Zentnern den Besitzer oder die Besitzerin wechselten. Die Kunden und Kundinnen im Weinhandel stellten einfach den Bezug von Weinen aus Speyer wieder ein, wenn ihnen die Ware nicht gefiel, bestanden aber nicht auf einer Erstattung oder einen Schadensersatz. Für Kaufleute hingegen gehörten mehr oder weniger langwierige und komplexe Auseinandersetzungen zur Geschäftsroutine. Am Beispiel Bayerns zeigt sich, dass die Konflikte mit Tabakabnehmern und -abnehmerinnen in ihrer Heftigkeit und in ihrer Frequenz im Zeitverlauf abnahmen.611 Einfluss hierauf könnte die Verbesserung der Rahmenbedingungen, durch Möglichkeiten der Warenversicherung und durch gesunkene Transport- und Zollkosten, gehabt haben. Außerdem könnte eine Art Gewöhnung eingetreten sein, da die bayerischen Tabakhändler und -händlerinnen vertrauter wurden mit dem pfälzischen Warenangebot. Denn erst seit den zollrechtlichen Vergünstigungen der pfälzischen Tabake bei ihrer Einfuhr nach Bayern (ab 1818) wurden Rohtabake in größerem Umfang aus der Pfalz dorthin gehandelt. Ebenso könnte vonseiten der Speyerer Kaufleute ein Lerneffekt eingetreten sein, was die bayerischen Tabakmoden und die Nachfrage der Produzenten anbetraf. An individuellen Geschäftsbeziehungen und dem Wissen über einzelner Akteure oder Akteurinnen dürfte es hingegen weniger gelegen haben, da sich nach Bayern kaum stabile und langfristige Beziehungen im Warenabsatz etablierten. Das Hauptargument für Reklamationen bildete ein kommunizierter Verstoß gegen getätigte Absprachen oder die gängigen Handlungsnormen. Reklamationsgründe bildeten zum Beispiel zu wenig oder zu viel übersandte,612 verdorbene613 oder zu spät gesandte Waren,614 eine falsche Tabakqualität, die vom Muster oder der Charakterisierung im Angebotsschreiben abwich,615 ein nicht überzeugendes Preis-Leistungsverhältnis616 oder eine Gewichtsabweichung bzw. eine beschädigte Verpackung.617 Im Kern aller Reklamationsschreiben stand demnach die Frage, ob beide Parteien ihrem stetigen Versprechen, ein für den Geschäftspartner oder die Geschäftspartnerin günstiges Geschäft abzuschließen, nachgekommen waren. Grundsätzliches Problem dabei war jedoch, dass sich über weite Entfernungen nicht beurteilen ließ, welche Mängel an Warenlieferungen aufgetreten waren bzw. welche Reklamationsgründe berechtigt waren. So konnten Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. nur auf ihr rechtmäßiges und ehrenhaftes Handeln verweisen 610 611 612 613 614 615 616 617

Vgl.: Ebd., Nr. 17, Fol. 924, sowie: Nr. 18, Fol. 1027–1230. Vgl. die Korrespondenz mit bayerischen Akteuren in: StALu, WS1, Nr. 14–21. Ebd., Nr. 2, Fol. 337. Vgl.: Ebd., Fol. 389 und 422 f. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 476 und 502. Vgl.: Ebd., Fol. 269–271 und 347. Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 390 f., 529, 535 und 617. Vgl.: Ebd., Fol. 802, 847 f. und 1072 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

und die Qualität und korrekte Abwicklung der Geschäfte betonen, um dem entgegenzutreten. Dass es in diesem Kontext an objektiven Kriterien mangelte, die Qualität einer Ware zu bestimmten, verdeutlicht eine Analyse der Konflikte. Kriterien wie Aussehen, Geruch und Feuchtigkeit wurden in den Aushandlungsprozessen selten als zuverlässige Gradmesser für die Qualität eines Tabaks anerkannt. Den Briefen von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zufolge führten die schwankenden Ernten von Jahr zu Jahr dazu, dass die Qualitätsstufen im Warenhandel in ihrer konkreten Ausgestaltung variierten. Dies hatte Auswirkungen auf Farbe, Geruch und Konsistenz der Blätter. Die Speyerer Kaufleute gaben stets an, für den vereinbarten Preis die besten, aktuell verfügbaren Rohstoffe zu liefern. Waren Kunden oder Kundinnen mit einer Qualität unzufrieden, so wurde ihnen zunächst „freunschaftlich“ dazu „geraten“,618 sich erneut über die verfügbaren Tabakqualitäten zu informieren und sich bei Bedarf dann hochwertigeren – aber teureren – Qualitäten zuzuwenden.619 Feuchtigkeit konnte als schädlich für eine Transaktion interpretiert werden, da feuchter Tabak schneller verdarb. Zuweilen war eine gewisse Restfeuchtigkeit für die Weiterverarbeitung aber auch gewünscht, so dass ein Interpretationsspielraum blieb, wann ein Tabak über eine angemessene Trockenheit verfügte.620 Auch durch den Transport bedingte Veränderungen wurden in den Nachverhandlungen nicht immer als Qualitätseinbuße akzeptiert – es konnte sich den Auskünften Scharpffs und Lichtenbergers zufolge auch um Veränderungen handeln, die bei guter Lagerung nach einer gewissen Zeit wieder verflogen. In diesem Fall hielten sie es für zumutbar, wenn der Empfänger oder die Empfängerin die Waren zunächst lagerte und einige Wochen oder Monate später erneut begutachtete. Einen Grund für einen Preisabzug stellte dieser Umstand nicht zwangsläufig dar.621 Kaufleute gerieten durch Reklamationen unter Druck, da auswärts lagernde Waren und Rücksendungen Kosten erzeugten. Wollte ein Kunde oder eine Kundin Waren nicht annehmen, so bildete eine Preisreduzierung häufig den einfachsten Ausweg aus dem Konflikt.622 Hierzu waren die Kaufleute aber nicht immer bereit. Ein zweiter Ausweg konnte sein, dass der Geschäftspartner oder die Geschäftspartnerin die Ware vor Ort kommissionsweise verkaufte, um den Verlust für die Speyerer zu verringern. Schließlich ermöglichte ein breitgespanntes Netz an Geschäftskontakten, dass die Waren anderen Akteuren oder Akteurinnen in der Umgebung angeboten wurden. Auch wenn Dritte nicht bereit waren, die Warenlieferungen abzunehmen, konnten zuverlässige Geschäftspartner und -partnerinnen Waren bei sich zwischenlagern, um sie vor dem Verderben zu schützen und für einen Weiterverkauf zur Verfügung zu halten. Bei der Kompromisssuche appellierten die Kaufleute stets an das soziale Gewissen der anderen. Sie sollten selbst vor dem Hintergrund aufgetretener Konflikte helfen, Schaden von ihnen abzuwenden.623 In den 618 619 620 621 622 623

Ebd., Nr. 1, Fol. 357 f. Ebd. Ebd., Nr. 37, Fol. 281. Ebd., Nr. 42, Fol. 591. Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 666 f. Vgl.: Ebd., Nr. 54, Fol. 127 und 302.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

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meisten Fällen konnte ein Kompromiss gefunden werden. Nur in Ausnahmefällen mussten Waren zurückgesandt werden – im Jahr 1825 war dies bei Tabaken von Scharpff beispielsweise der Fall, die schon länger in Bayern lagerten, ohne dass sich dort ein Abnehmer oder eine Abnehmerin gefunden hatte.624 Konflikte eskalierten vorrangig dadurch, dass Warenabnehmer oder -abnehmerinnen jegliche Kooperationsbereitschaft einstellten. So weigerte sich der bayerische Tabakfabrikant Raulino im November 1814 beispielsweise, drei Ballen Tabak, die er zu den verabredeten Konditionen nicht behalten wollte, nach Auftrag von Joh. Hein. Scharpff stattdessen an Benedict Gross in Bamberg abzugeben. In diesem Fall beschloss Scharpff, einen Advokaten einzuschalten und vor Gericht zu gehen, um seine Waren zurückzuerhalten.625 Im Fall, dass Konflikte im Nachgang von Warentransaktionen eskalierten, war es möglich, juristische Instanzen zur Vermittlung einzuschalten. In Speyer war vor allem das Friedensgericht eine Instanz, auf die bei fehlerhaften Warenlieferungen zurückgriffen wurde. Das Friedensgericht sicherte die Waren, um betrügerische Fremdeinwirkungen oder ein Verderben aufgrund von schlechter Lagerung auszuschließen, und ermöglichte eine Begutachtung durch unterschiedliche Parteien. 1816 ließen Lichtenberger & Co. beispielsweise fünf Ballen Tabak, die ihnen von J. C. Rhau in Nürnberg geliefert worden waren, unter Verschluss nehmen und unter Aufsicht des Friedensgerichts auspacken, um die Ware vor weiterem Verderben zu schützen, da der Tabak ihnen nass und schimmlig erschien.626 Konnte auch auf diesem Wege – durch die Begutachtung der Waren durch die involvierten Parteien oder von ihnen beauftragten Gutachtern – kein Kompromiss gefunden werden, musste ein Gerichtsverfahren angestrengt werden. Der Verweis auf die Einschaltung eines Handels- oder Friedensgerichts war mitunter aber auch nur eine Drohgebärde, um einen Kompromiss herbeizuführen.627 Vor Gericht wurden Konflikte im Tabak- und Weinhandel allgemein nur sehr selten ausgetragen.628 Lichtenberger & Co. waren als Agenten der Gothaer Versicherungen auch im Vertrieb von Dienstleistungen tätig. Die Tätigkeiten Lichtenbergers als Agent für die Feuerversicherung bestanden vorrangig darin, Versicherungsanträge aufzunehmen, die Solidität der Antragssteller oder Antragstellerinnen zu überprüfen und die Anträge postalisch in Gotha einzureichen. Er verwaltete die im Rücklauf eingehenden Policen, reichte sie an die Versicherten weiter, bat sie um die Unterschrift eines Depositwechsels und rechnete Prämiengelder ab. Darüber hinaus unterrichtete er seine Kunden und Kundinnen im Vorfeld vom Ablauf ihrer Versicherung und verwaltete ihre Verlängerungsanträge. Für die Tätigkeiten als Agent wurde Lichtenberger mit standardisierten Formularen und Rundschreiben für Informations- und Werbetätigkeiten ausgestattet, so dass seine Agententätigkeit bereits nach einem standardisierten Schema organisiert war.629 Jährlich erhielt Lichten624 625 626 627 628 629

Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 269–271 und 347. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 491 f. Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 2, Fol. 501. Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 390 f., 529, 535 und 617. Vgl. zur Hinzuziehung von Gerichten im Kontext des Warenhandels auch Kapitel 5.4.2. StALu, WS1, Nr. 7, Nr. 937 sowie Nr. 9, Fol. 27.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

berger eine Jahresabrechnung der Bank, Dividendenanweisungen für seine Kunden und Kundinnen, seine Provisionsauszahlung sowie einen Bericht über die Geschäftsentwicklung.630 Versicherungsfälle, die abgewickelt werden mussten, sind in den Quellen nur in Ausnahmefällen zu fassen. Von Bränden in Speyer unterrichtete Lichtenberger die Bank regelmäßig.631 Aber nur ein Brand im Jahre 1828 war größeren Ausmaßes und begründete einen Versicherungsfall, der zudem die Familie Lichtenberger direkt betraf. Es war der einzige Versicherungsfall unter Lichtenbergers Kunden und Kundinnen, der bisher in den Quellen ermittelt werden konnte. Betroffen war dabei die Krappmühle Casimir Lichtenbergers. Am 26. März 1829 schrieben Lichtenberger & Co. nach Gotha, um diesen Fall anzuzeigen: In der letzt vergangenen Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ist in der zu Speyer gelegenen Hauptkrappmühle des Herrn Casimir Lichtenberger, Police. No. 93028, eine Feuersbrunst ausgebrochen, die, so bedeutend sie an sich ist, von weit nachtheiligeren Folgen für den Versicherten sowie für die Bewohner dieser Stadt hätte werden können. Nach den uns obliegenden Pflichten hat sich der unterzeichnete Bevollmächtigte (Herr Philipp Lichtenberger, Chef unseres Hauses war durch Unpässlichkeit vom Erscheinen seinerseits abgehalten) auf die Brandstätte begeben und war daselbst mit den erst angekommenen Spritzen eingetroffen, wo er die Mühle rettungslos in Flammen antraf. Das Feuer scheint in einer der Dörrstuben ausgebrochen zu sein. Gegen die Ausbreitung des Brandes und zur Verminderung des Schadens sind alle Mittel angewendet worden. […] Den empfindlichsten Schaden erleidet der Versicherte dadurch, daß ihm sein Hauptwerk mit den Maschinen, zu deren Wiederherstellung viele Zeit und Kosten erforderlich, in einer Zeit zu Grunde gegangen sind, wo er noch einen großen Theil der letztjährigen Krappwurzeln zu fabrizieren hat und dadurch in seinem Geschäft gehemmt ist.632

In den Folgetagen wurde ein komplexes Procedere eingeleitet, um den Brandfall zu untersuchen und die Schäden zu dokumentieren. Lichtenberger & Co. standen von nun an stetig in Briefkontakt mit Gotha. In der Korrespondenz wurde der Fall dabei äußerst sachlich behandelt. Die Versicherungsangelegenheit benötigte einen knappen Monat zur Abwicklung. Eine Woche verbrachten Lichtenberger & Co. damit, Gutachten und Berichte anfertigen zu lassen und an die Versicherung zu übersenden. Mit der Abwicklung des Versicherungsfalls beauftragte Lichtenberger einen von ihm bevollmächtigten Mitarbeiter. Dabei wurde zunächst eine fachmännische Begutachtung und Dokumentation des Brandschadens sowie der Gebäudewerte vor und nach dem Brand vorgenommen. Als objektive Instanz wurde das königliche Friedensgericht hinzugezogen, welches Zeugenanhörungen zu den Ursachen und dem Verlauf des Brandes durchführte. Das Gericht bestellte zudem externe Sachverständige, die das Gelände begutachteten. Von Seiten des Landesgerichts und des Polizeikommissariats wurden ebenfalls Zeugnisse verfasst, die belegten, dass Casimir Lichtenberger und seine Arbeiter und Arbeiterinnen alles getan hatten, um den Brand zu löschen. Insgesamt reichte Lichtenberger & Co. sieben verschiedene Gutachten zur Dokumentation des Vorfalls ein.633 630 631 632 633

Vgl.: Ebd., Nr. 8, Fol. 804, sowie Nr. 10, Fol. 116. Ebd., Nr. 10, Fol. 882; Nr. 11, Fol. 1176. Ebd., Nr. 13, Fol. 856. Ebd., Fol. 898–892.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

247

In einer Zusammenfassung der Unterlagen durch Lichtenberger & Co. wurde der Wert der Mühle vor dem Brand auf 6.277,18 Reichstaler und der ursprüngliche Wert der gesamten Gebäude und Waren auf dem Gelände auf 27.598,21 Reichstaler geschätzt. Die Verlustwerte wurden für die beschädigten Gebäude mit 4.000 Reichstalern sowie für die verbrannten Waren mit 8.600 Reichtalern veranschlagt. Im Ganzen hatte der Brand demnach einen Schaden von 12.600 Reichstalern verursacht. Auf einen Antrag der zwei Lichtenberger-Brüder gestattete die Versicherung, nachdem die Krappwurzeln abgewogen und ein Muster beim königlichen Friedensgericht hinterlegt worden war, die Weiterverarbeitung der Ernte, um den Verlust des Unternehmens gering zu halten.634 Noch bevor der Versicherungsfall abgewickelt war, ging Casimir zudem dazu über seine verbleibenden Mobilien und Immobilien stärker zu versichern.635 Am 21. April 1828 gaben Lichtenberger & Co. der Versicherung schließlich die Rückmeldung, dass sie den Betroffenen über die Brandschadensberechnung und die gewährte Entschädigungssumme von 7.745,16 Reichstalern benachrichtigt hätten. Die in Speyer entstandenen Kosten für die Abwicklung des Falls in Höhe von 39,21 Reichstalern hatte der Versicherte zu tragen.636 Der Fall verweist auf die Schwierigkeit der Versicherung von sich dynamisch entwickelnden Unternehmungen. In den 1820er Jahren war es bei der Gothaer möglich, Gebäude, in Lagern vorhandene Waren und weitere ‚Mobilien‘ (mobiler Besitz, wie z. B. Wohnungs- und Hausinventar) zu versichern. Da sich die Auslastung der Lager jedoch stetig ändern konnte, die Kunden oder Kundinnen ihre Gebäude umbauten, ihre Wohnung wechselten oder ihre Immobilien unterschiedlich bewirtschafteten, wurde über die Versicherungen mitunter nur teilweise abgedeckt, was sich in einem Unternehmen oder Haushalt entwickelte. Um für eine gute Abdeckung von Risiken zu sorgen, wurden von Seiten der Kunden oder Kundinnen größere Veränderungen der Versicherung mitgeteilt, die diese auf der Police vermerkte und die Versicherungsbedingungen anpasste. Lichtenberger & Co. meldeten zum Beispiel im Dezember 1829, dass sie sich im Vorfeld der Inkrafttretung neuer Zollbestimmungen zur Integration der Pfalz in den Süddeutschen Zollverein zum Jahresbeginn 1830 „stärker als gewöhnlich mit Waaren versehen haben, unsere Waarenversicherung No. 122824 um Reichstaler 8.000 bestehend in Colonialwaaren, Taback, Baumwollen-, Wollen- und Seidewaaren gütigst erhöhen zu wollen“.637 Glaubt man den Ausführungen der Lichtenberger-Brüder und den Gutachten der externen Instanzen, so hatte Casimir Lichtenberger dies nach der Krappernte im Jahr 1828 versäumt. Wenige Monate später kam es für Casimir erneut zur Katastrophe. Ende Oktober 1829 schrieben Lichtenberger & Co. an die Versicherung in Gotha:

634 635 636 637

Ebd., Fol. 866. Ebd., Fol. 873 und 917. Ebd., Nr. 13, Fol. 922. Ebd., Nr. 14, Fol. 430.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz Zum Beweis wie nöthig es ist, bei Anfragen vom Krappfabriken etc. mit besonderer Vorsicht zu Werk zu gehen, haben wir, glücklicherweise für die Bank unbeschadet, die Anzeige zu machen, daß am 21. dieses Abends 5 Uhr in dem März d. J. erst abgebrannten und wieder neu aufgebauten Etablissement des H[err] Casimir Lichtenberger am Speyerbach dahier, worin seit einigem Monaten wieder gearbeitet wird, und zwar in dem Dörrgebäude, Feuer ausgebrochen ist, welches diesen Theil des Gebäudes nach Verlauf einer Stunde total in Asche gelegt hat. Die daranstehende, jetzt durch eine gute Brandmauer geschützte Mühle so wie das gegenüberstehende Magazin sind diesesmal unversehrt geblieben. […] Der Schaden mag R[eich]st[aler] 4.[000] à 5.000 betragen. Der Gegenstand war weder bey uns und noch anderweitig versichert.638

Nach dem ersten Brand in seiner Krappdörranlage war es dem Geschädigten nur noch für wenige Monate gelungen, seine Krappmanufaktur zu versichern. So hatte ihm die Versicherung im April 1829 erneut einen Versicherungsschein auf vier Monate ausgestellt.639 Auf Seiten der Feuerversicherung hatte ein Lernprozess eingesetzt. Die Krappdörreinrichtung erschien ihr als Versicherungsgegenstand nun ungeeignet. Ein neuer Versicherungsantrag Casimirs wurde abgelehnt.640 Philipp Markus‘ Briefe nach Gotha waren jedoch weiterhin von Loyalitätsbekundungen zur Versicherung durchzogen, deren Entscheidung, Krappdörren grundsätzlich nicht mehr zu versichern, er vorbehaltlos mittrug. Hierdurch konnte er sich als integrer Geschäftspartner inszenieren, der sich den Interessen der als gemeinnützig kommunizierten Versicherungsanstalt unterordnete. Die Interessen seines Bruders konnten vor diesem Hintergrund keine Rolle mehr spielen. Die ökonomische Beziehung zwischen Casimir und Philipp Markus Lichtenberger blieb davon unbeeinträchtigt, wie die selbstverständliche Interaktion per Korrespondenz in den Folgejahren zeigt.641 Eine Betrachtung der Abläufe bei den Warenverkäufen im Tabak- und Weinhandel von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. verweist auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Fern- und Großhandel des frühen 19. Jahrhunderts. Hohe Transportkosten und -risiken, die sich im Verlauf des Untersuchungszeitraums erst allmählich verringerten, traten neben die zentralen Herausforderungen der Qualitätsbeurteilung und Preisfestlegung im Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, um zu einem für beide Parteien zufriedenstellenden Geschäft zu gelangen. Die Preisaushandlung bildete mitunter einen komplexen Prozess, der argumentativ nicht allein vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation, sondern insbesondere mit Bezugnahme auf die individuelle Geschäftsbeziehung und das Ideal eines dem Allgemeinwohl verpflichteten, ehrbaren Kaufmann stattfand. Dieses Ideal hielt jedoch keine klar ableitbaren Handlungsregeln bereit. Vielmehr verband sich damit eine Reihe von Vorstellungen, wie ein Preis festgelegt werden sollte, um allgemeinwohlorientiert zu sein. Dies führte zu stetigem Aushandlungsbedarf. 638 Ebd., Fol. 319 f. – Manufakturen im frühen 19. Jahrhundert erwiesen sich in ihrer Bauweise selbst nach Neu- und Umbauten nicht immer als zweckmäßig und wurden des Öfteren erst mit der Zeit an die Produktionsbedingungen angepasst oder für diese optimiert, vgl.: Haan, Heiner: Die Haans, S. 39. 639 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 932, 941 und 977. 640 Ebd., Nr. 13, Fol. 874. 641 Vgl. die Briefe an Casimir Lichtenberger in: Ebd., Nr. 13 und 14.

5.3 Der Handel mit Waren und Dienstleistungen

249

Daneben trat das Problem der grundsätzlichen Qualitätsbestimmung von Waren. Der Mangel an objektiven Kriterien für die Feststellung von Warenqualitäten führte vor allem im Warengroßhandel dazu, dass Kunden oder Kundinnen vorgaben, dass Warenlieferungen nicht ihren Erwartungen entsprachen. Die Kaufleute waren dann gezwungen, nachzuverhandeln. Die Berechtigung dieser Einwände ließ sich von Speyer aus kaum überprüfen, da Reisen und Rücksendungen zu kostenintensiv ausfielen, um hierüber eine Klärung der Situation herbeizuführen. Häufig konnte allein durch Preissenkungen oder Zwischenlagerung und Weiterverkauf eine Lösung des Konflikts herbeigeführt werden. Bezogen auf das Handelsgeschäft bildeten stetige Reklamationen und Nachverhandlungen ein enormes Risiko, da es dadurch nachträglich zu Gewinneinbußen oder – im schlechtesten Fall – sogar zu Verlusten kommen konnte. Auch die Geschäftspraktik, Tabake nach Mustern zu verkaufen, konnte vor diesen Konflikten kaum schützen, da es schwer war ein representatives Muster für eine Lieferung vieler Ballen Tabak zu vorzulegen und die versandte Ware auch auf dem Weg zum Kunden ihre Qualität noch verändern konnte. Trotz der vielfältigen Konflikte zwischen Kaufleuten blieb der Gang vor juristische Instanzen jedoch selten. Im Absatz kleinerer Warenmengen an Endabnehmer oder -abnehmerinnen waren die Risiken im Handel weit geringer. Hier konnten die Kaufleute die Preise für ihre Waren vorgeben. Es kam kaum zu Reklamationen. Bei Zufriedenheit bestellten die Kunden oder Kundinnen erneut – bei Unzufriedenheit blieb dies aus. Erhaltene Warenlieferungen wurden lediglich dann reklamiert, wenn ihnen offensichtlich auf dem Transportweg Schaden zugefügt worden war. In diesem Fall haftete allerdings der Transportdienstleister oder die Transportdienstleisterin und nicht das Handelshaus. Der Charakter der Geschäftsabschlüsse veränderte sich im überregionalen Vertrieb von Versicherungsdienstleistungen. Lichtenberger agierte hier nicht als selbständiger und allein verantwortlicher Kaufmann, sondern als Mitarbeiter eines großen Unternehmens. Er ordnete sich den Entscheidungen der Versicherungsgesellschaft widerspruchslos unter und gab damit die Verantwortung für die getätigten Entschlüsse ab. Die Anpassung Lichtenbergers ging hierbei so weit, dass er die Interessen seines Bruders seiner Tätigkeit für die Versicherung zeitweise unterordnete. Versicherungsfälle blieben in Speyer die Ausnahme. Im Schadensfall zahlte die Versicherung anstandslos – wie sich am Fall des Brandes in der Krappmanufaktur Casimir Lichtenbergers zeigen ließ.

5.3.3 Zwischenfazit: Handel auf regionalen und überregionalen Märkten Mit ihrer Kombination von Rohtabak- und Getränkegroßhandel und dem Handel verarbeiteter Tabake konnten Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff ein breites Spektrum von Abnehmern und Abnehmerinnen bedienen. Mit dem Handel exklusiver Weine konnten sie die Nachfrage bei Gastwirtschaften und einem finanzstarken Publikum aus Beamten und Adligen bedienen, die ihre Waren über weite Strecken direkt von im Anbaugebiet ansässigen Kaufleuten bezogen. Der pfälzische

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Rohtabak fand bei Zwischenhändlern und weiterverarbeitenden Betrieben entfernter Regionen aufgrund seiner vergleichsweise hochgeschätzten Qualität Absatz. Rauch- und Schnupftabake wurden an Endabnehmer bzw. -abnehmerinnen und kleine Zwischenhändler und -händlerinnen im regionalen Umfeld der Handelshäuser abgesetzt. Mit ihren Waren konnten die Unternehmen in Anpassung an das formale Institutionensetting unterschiedliche Märkte ebenso wie die Nachfrage unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bedienen. Die Kombination verschiedener Geschäftszweige sicherte die Kaufleute ab, da besonders der Groß- und Fernhandel aufgrund der sich stetig veränderten Marktkonstellationen und dem Mangel an zuverlässigen Absatzbeziehungen das Auskommen der Handelshäuser langfristig kaum sichern konnte. Die stetige Präsenz von Apellen an Verhandlungspartner oder -partnerinnen sowie Selbstrepräsentationen der Kaufleute als ‚ehrbare Kaufleute‘, die Geschäfte unter besonderer Rücksicht auf die Interessen des Anderen abwickeln bildeten den Rahmen für Verhandlungen im Vorfeld von Warentransaktionen. Der Bezug bzw. die kommunikative Selbstverpflichtung auf diese Konzepte konnten kosten- und zeitintensive Konflikte und Reklamationen jedoch nur unzureichend unterbinden oder den Aufbau langfristiger und zuverlässiger Geschäftsbeziehungen sicherstellen. Diese Erkenntnis könnte darauf verweisen, dass entweder die stetig postulierten Handlungsnormen nicht genug Bindekraft entwickelten oder sich davon kaum präzise Handlungsvorgaben ableiten ließen, um eine zuverlässige Interaktion beider Parteien sicherzustellen. An objektiven Kriterien zur Bestimmung von Warenqualitäten, vor deren Hintergrund ein sozialverträglicher, fairer Preis hätte definiert werden können, fehlte es schlichtweg. Nach der Versendung von Waren mussten sich die Kaufleute zudem auf ihre Erfahrungen und die Auskünfte der involvierten Akteure und Akteurinnen verlassen, da ein Rückversand oder eine Einsichtnahme zur Kontrolle zu konstenintensiv waren. Die Interaktion über weite Strecken war damit risikoreich und von dem Wohlwollen und der Kooperationsbereitschaft des Interaktionspartners oder der Interaktionspartnerin abhängig. Der Vertrieb früher Versicherungsdienstleistungen von Lichtenberger & Co. im Auftrag der Gothaer Feuerversicherungsanstalt gestaltete sich hingegen relativ konfliktfrei. Die Tätigkeit als Versicherungsagent bildete ein nebensächliches Geschäft des Handelshauses, das wie Speditionsdienstleistungen weniger dazu dienen konnte, in zuverlässigem und hohem Maße Einkommen zu generieren, sondern vielmehr zur Verbesserung der regionalen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft von einzelnen Akteuren und Akteurinnen engagiert betrieben wurde. Hierbei stand die Beziehung zwischen der Versicherung in Gotha und ihrem Agenten im Mittelpunkt der ökonomischen Kooperation. Die Versicherung war in hohem Maße auf die Zuverlässigkeit und das Urteilsvermögen Lichtenbergers angewiesen, da sie sich selbst von der Situation vor Ort kaum ein Bild machen konnte, ohne unverhältnismäßig hohe Kosten zu generieren. Der Agent vermittelte zwischen Angebot und Nachfrage und verpflichtete sich, die Interessen der Versicherung nach außen zu vertreten. Der Vertrieb lief erfolgreich an – eine ganze Reihe regionaler Kunden bzw. Kundinnen konnte gewonnen werden. Die Versicherung entschied über alle eingereichten Anträge positiv. Nach einem Brand in den Betriebsanlagen von Casi-

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

251

mir Lichtenberger ersetzte die Versicherung den entstandenen Schaden anstandslos. Die Mobilienversicherungen der Gothaer bildeten für die Gewerbetreibenden der urbanen Zentren der Pfalz somit eine zuverlässige Absicherung gegen zuvor nur schwer versicherbare Risiken. In den Folgejahren durchlief die Versicherung jedoch einen Lernprozess. Akzeptierte sie zunächst alle Personen, die in größeren Gemeinden mit ausreichenden Brandschutzeinrichtungen lebten und deren Gebäude gewissen Mindestansprüchen gerecht wurden, so begann sie im Nachgang von Bränden Akteure und Akteurinnen zunehmend aufgrund der von ihnen betriebenen Gewerbe aus der Versicherung grundsätzlich auszuschließen. Die Beurteilung der individuellen Person durch den Versicherungsagenten rückte damit beim Vertragsabschluss in Gotha in den Hintergrund – die Beurteilung der Brandgefahren einzelner Gewerbe bildete ein zuverlässigeres Kriterium, um Risiken für die Versicherung zu mindern. 5.4 KAPITALAKKUMULATION UND KOORDINATION VON FINANZFLÜSSEN Die Frage nach dem Kapital, auf dem Unternehmen basierten, ist eine klassische Frage der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte.642 Die Komplexität und Unübersichtlichkeit der Finanzmärkte in den deutschen Territorien des frühen 19. Jahrhunderts bedingen, dass bisher keine flächendeckenden, belastbaren Informationen über die Situation und die Möglichkeit der Akquirierung von Kapital für Unternehmen vorliegen.643 Die Briefkopierbücher der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger ermöglichen eine Konkretisierung. Sie bieten einen Einblick in den Umgang mit Kapitalien als Teil des alltäglichen Wirtschaftens. Dies gestattet es danach zu fragen, wie Kapital akquiriert wurde und in welchem Maße und in welche Bereiche die Unternehmer an der Spitze der Handelshäuser investierten – und wie sich das Investitionsverhalten in den Quellen niederschlägt und kommuniziert wurde. Daran anschließend kann gefragt werden, inwiefern die Investitionen zum Ausbau des unternehmerischen Engagements beitrugen. Des Weiteren lässt sich nach der Verwaltung und dem Einsatz des Betriebskapitals im Kontor fragen. Hierdurch werden die Praktiken und Kommunikationsprozesse bei der Koordination von Finanzflüssen in den Blick genommen und damit auch, wie zeit- und kostenintensiv der Geldeinzug war und wie flexibel und zuverlässig die Kaufleute über ihr Betriebskapital verfügen konnten. Die Unternehmer Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger waren aber nicht nur als Handeltreibende und Investoren mit den Finanzmärkten verflochten. Ihre Unternehmen waren auch Finanzdienstleister und erfüllten damit wichtige Funktionen für das Funktionieren der Finanzmärkte selbst. 642 Vgl. u. a.: Kocka, Jürgen: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung, S. 65–70. 643 Auch aktuelle Werke zur Geschichte der mitteleuropäischen Finanzmärkte, zur Bankengeschichte und zur Unternehmensgeschichte der Neuzeit thematisieren die Situation im frühen 19. Jahrhundert nur in oberflächlichen Darstellungen, vgl. u. a.: Tilly, Richard H.: Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte, S. 85–101; Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806– 1848); Wandel, Eckhard: Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert, S. 1–4.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

In den folgenden Kapiteln frage ich vor diesem Hintergrund nach der Akquise und der Investition von Kapitalien durch die Kaufleute im Bereich ihrer ökonomischen Aktivitäten ebenso wie in Unternehmen Dritter (Kapitel 5.4.1), nach der Koordination und Verwaltung des Betriebskapitals im Kontor (Kapitel 5.4.2) sowie nach der Rolle der Handelshäuser als Finanzdienstleister innerhalb der Wirtschaft (Kapitel 5.4.3). 5.4.1 Investitionen Als Grundlage ihrer Unternehmen benötigten Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger neben Arbeitskraft und beruflichen Kenntnissen umfangreiche Kapitalmengen – zur Finanzierung von Immobilien, zur Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und zum Einkauf und Handel von Waren. Die Frage, wie Unternehmerinnen oder Unternehmer das notwendige Kapital akkumulieren, also „Ersparnisse mobilisieren und diese in […] Anlagekapital […] überführen“644 konnten, um ihre Unternehmen auf- und auszubauen, spielt besonders für das 19. und 20. Jahrhundert eine herausgehobene Rolle im Kontext der Industrialisierungsforschung, da zum Aufbau von Industriebetrieben weitaus umfangreichere Investitionen in Fabriken und ihre Maschinen notwendig wurden, als es bei Handelsgesellschaften oder vorindustriellen Gewerbebetrieben der Fall war.645 Verfügbares Kapital für unternehmerische Aktivitäten wurde im 18. und frühen 19. Jahrhundert vorrangig auf Basis von Handelsaktivitäten und aus Grundbesitz akkumuliert. Gerade Kaufmannsfamilien gelang es mitunter beachtliche Vermögen anzuhäufen. Der vorhandene Wohlstand bildete eine Ursache, warum sich innerhalb der frühindustriellen Unternehmerschaft viele Kaufleute finden lassen. Sie verfügten potenziell über ein angemessenes Startkapital zum Aufbau neuer Unternehmenszweige.646 In der wirtschaftshistorischen Forschung zum 19. Jahrhundert hat die sogenannte Kapitalmangelthese eine lange Tradition. Ihr Kern bildete die Annahme, dass Kapital für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen in der Übergangsphase zur Industrialisierung zunächst eine ‚Mangelware‘ darstellte, da der steigenden Nachfrage in der sich entwickelnden Wirtschaft kein angemessenes Angebot entgegenstand, das für Unternehmerinnen und Unternehmer in Form von mitteloder langfristigen Krediten leicht zugänglich gewesen sei. Grundlage dieser These bilden die vielen Klagen zeitgenössischer Akteure und Akteurinnen über Kapitalknappheit in den Quellen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dieser Mangel betraf jedoch weniger die klassischen Wirtschaftszweige, wie den Handel oder vorindustrielle Gewerbebetriebe, sondern stärker Unternehmensneugründungen im industriellen Bereich. Heute wird zudem nicht mehr davon ausgegangen, dass in 644 Pierenkemper, Toni: Wirtschaftsgeschichte. Die Entstehung …, S. 75. 645 Vgl.: Ebd., S. 27. 646 Vgl.: Ebd., S. 75–77; Kocka, Jürgen: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung, S. 43– 47. Vgl. auch einzelne Fallbeispiele aus der unternehmenshistorischen Forschung, wie: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, oder: Haan, Heiner: Die Haans.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

253

den deutschen Territorien ein genereller Mangel an Kapital bestand – „im Sinne des absoluten Mangels an vorhandenen, prinzipiell investierbaren Ersparnissen“.647 Vielmehr wird angenommen, dass der Mangel durch die für eine forcierte Industrialisierung ineffiziente Organisation des Kapitalmarktes auf der einen Seite und das eher vorsichtige Investitionsverhalten kapitalkräftiger Akteure und Akteurinnen im Bereich der Industrie auf der anderen Seite bedingt wurde.648 Die oft nur zögerlichen Investitionstätigkeiten wurden wiederum hervorgerufen durch die in den Augen der Akteure und Akteurinnen schlecht abschätzbaren Risiken bei der Investition in industrielle Betriebe, die Kapital langfristig banden.649 Hierzu passt auch die Einschätzung des Regionalhistorikers Hans Fenske, der in seiner Studie zur regionalen Wirtschaftsgeschichte der Speyerer Oberschicht geradezu eine Unlust zu großen Investitionen in Industrieunternehmen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts attestierte – auch wenn die Gründe hierfür noch näher zu erforschen sind.650 Es stellt sich die Frage, inwiefern eine solche ‚Investitionsunlust‘ im Fall von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. feststellbar ist bzw. wie sich das Investitionsverhalten der Akteure konkret ausgestaltete. Die Unternehmungen von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger waren keine Neugründungen ‚auf grüner Wiese‘ mit Hilfe von externen Krediten. Die Unternehmen wuchsen auf der Basis eigenen Kapitals und durch die unternehmerischen Aktivitäten der Kaufleute. Dabei bildeten die Handelshäuser den überdauernden Kern der Unternehmungen, von denen aus neue Geschäftszweige, wie die Tabakmanufaktur oder der Handelshafen in der Rheinschanze, aufgebaut wurden. Im Zentrum stand dabei das Kapital der Unternehmensinhaber. Dies schloss allerdings nicht aus, dass auch Kapitalien anderer Akteure und Akteurinnen in die Unternehmungen einflossen. Gerade bei Handelsgesellschaften war es gängig, Teilhaber in die Organisation zu integrieren, die sich mit Kapital und Arbeitsleistung einbrachten und gewinnbeteiligt wurden. Über das Anlage- oder Investitionskapital, seine Höhe und Entwicklung, geben die Briefkopierbücher der Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger konkret keine Auskunft. Ebenso geben sie keine Auskunft über die Motive und Entscheidungsprozesse vor einer Investition. Hierüber wurde im Alltagsschriftverkehr nicht kommuniziert.651 Die Bücher dokumentieren jedoch – vorrangig durch nüchterne Abrechnungsbriefe – Investitionstätigkeiten und geben Einblicke in einzelne Finanzflüsse und darauf bezogene Kommunikationsprozesse. Damit ermöglichen es die Quellen, das Investitionsverhalten der Unternehmer und das damit verbundene 647 Vgl.: Kocka, Jürgen: Der Unternehmer in der deutschen Frühindustrialisierung, S. 65. 648 Vgl.: Tilly, Richard H.: Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte, S. 91–99. 649 Vgl. zur Kapitalmangelthese u. a.: Tilly, Richard H.: Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte, S. 92–94. 650 Vgl.: Fenske, Hans: Speyer im. 19. Jahrhundert, S. 140. 651 Das Kapital von Unternehmen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert ist aufgrund der schwierigen Überlieferungslage und der unterschiedlich entwickelten Buchführung aber auch auf Basis von Rechnungsbüchern kaum zu ermitteln. Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion der Kapitalien in Unternehmen z. B.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 174–183.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

ökonomische Engagement in den Blick zu nehmen und dessen Charakteristika herauszuarbeiten. Die Investitionstätigkeit von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger bezog sich auf das unmittelbare soziale und geografische Umfeld ihrer Unternehmen in der pfälzischen Provinzhauptstadt Speyer. Das weitgespannte Kommunikationsnetzwerk der Handelshäuser, so lässt sich bereits vorwegnehmen, führte nicht zu großräumigem Investitionsdenken. Innerhalb der Pfalz investierten die Unternehmer in den Ausbau ihrer eigenen Unternehmen sowie auch in den Aufbau neuer Organisationen in Kooperation mit Dritten. Diese Projekte entwickelten sich aus der engen, ökonomischen Verflechtung und einer ausgeprägten Kooperationsbereitschaft regionaler Wirtschaftsbürger. Neben der alltäglichen Kooperation im Warenhandel und beim Erbringen von Dienstleistungen interagierten vorrangig wohlhabende Speyerer Kaufleute und Unternehmer in unterschiedlichen Konstellationen bei der Erschließung von Geschäftsfeldern. In den Briefkopierbüchern sind vielfältige solcher gemeinschaftlichen Projekte überliefert – aus den Bereichen Wein-652 und Tabakhandel,653 Holzhandel,654 Salzhandel655 und beim Aufbau von Speditionsgeschäften.656 Darüber hinaus investierten Akteure und Akteurinnen der Region gemeinschaftlich in Infrastrukturprojekte. Um 1814 hielten zum Beispiel mehrere Kaufleute, hierunter auch ein Bürger aus Wissembourg, das zu jener Zeit Teil der bayerischen Pfalz war, Anteile am Speyerer Hafenkran.657 1820 bauten Scharpff und Lichtenberger unter Mitarbeit weiterer Kaufleute den verkehrsgünstig gelegenen Handelsplatz in der Rheinschanze mit einem neuen Rheinhafen auf.658 Ebenso basierte der Bau der ersten pfälzischen Eisenbahn,659 als einem frühindustriellen Projekt, auf gemeinschaftlichem Engagement. Bei kooperativen Projekten konnte es sich um einmalige Investitionen in den gemeinschaftlichen Einkauf und Verkauf zum Beispiel großer Mengen Wein aus Frankreich handeln.660 Es entwickelten sich aber auch durch Gesellschaftsverträge institutionalisierte, eigenständige Unternehmen – vorrangig Handelsgesellschaften sowie im Fall der Eisenbahn eine frühe Aktiengesellschaft. Ein Großteil der kooperativ aufgebauten Gesellschaften wurde jedoch nach wenigen Monaten oder Jahren wieder abgewickelt – ob aufgrund von Verlusten oder Unrentabilität, lässt sich aus den Quellen kaum rekonstruieren. Die Vielfalt der Investitionen und gemeinschaftlichen Unternehmungen, die bei Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. oft nur am Rande und kurze Zeit in den Quellen ihren Niederschlag finden, erschweren 652 653 654 655 656 657 658

Vgl.: LBSp, N41, Mappe IV,4. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 3, Fol. 738, sowie: Nr. 43, Fol. 417 f. Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 161. Vgl.: Ebd., Fol. 849. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 738. Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 345. Vgl.: Limbach, Rabea: Die frühindustriellen Unternehmer Scharpff und Lichtenberger, sowie: Furtwängler, Martin: Unter Trikolore und weißblauer Fahne, S. 249–259. 659 Vgl. zum Bau der pfälzischen Eisenbahnen: Sturm, Heinz: Die pfälzischen Eisenbahnen. 660 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 185: Einkauf von Weinen in Bordeaux 1815 gemeinsam mit den Handelshäusern Hetzel und Freytag aus Speyer, die über Amsterdam den Rhein hinab nach Speyer transportiert wurden.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

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es, über das finanzielle Engagement und die Arbeit der Kaufleute zu unterschiedlichen Zeitpunkten einen Überblick zu erhalten.661 Am dichtesten überliefert ist innerhalb der Korrespondenz der Aufbau eines Salzhandelsgeschäftes. Anhand dieses Beispiels lassen sich die Investitionstätigkeit und die Entwicklung eines neuen Geschäftszweiges differenzierter untersuchen. Die neu gegründete Handlung importierte zu Beginn des Untersuchungszeitraumes grobkörniges Salz aus den Niederlanden über den Rhein in die Pfalz und verkaufte es in großen Mengen im regionalen Umfeld.662 Bei diesem Geschäft kooperierten Johann Heinrich Scharpff und dessen Schwiegersöhne Philipp Markus Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel mit dem Kaufmann Johann Michael Freytag,663 dem Handelshaus Hetzel & Sohn664 sowie mit F. H. Köhler.665 Die Parteien stellten anteilig das Betriebskapital und besetzten die Geschäftsleitung, die Schlegel übernahm.666 Wie sich in den Verkaufsbüchern der Tabakmanufaktur und in den Briefkopierbüchern von Lichtenberger & Co. nachweisen lässt, konzentrierten sich die Salzverkäufe aber nicht ausschließlich auf Schlegels Handelskontor, sondern wurden auch in den Kontoren anderer involvierter Akteure abgewickelt.667 In das Geschäft wurden zudem weitere Kaufleute aus der Region einbezogen, die Lager unterhielten und Salz gegen Provision weiterverkauften.668 Mit dem neuen Salzhandelsgeschäft nutzten die Kaufleute einen durch die herrschaftlichen Umgestaltungsprozesse der Jahre 1815 bis 1817 entstehenden Handlungsspielraum. Sie bildeten damit keinen Einzelfall – das Handelshaus Lilie aus Zweibrücken widmete sich in jener Zeit dem Import von Salz aus Frankreich.669 Im Königreich Bayern war der Salzhandel einige Jahre zuvor durch ein staatliches Monopol reguliert worden. Die Deckung des regionalen Salzbedarfs im Rheinkreis

661 Die regionale Konzentration von Investitionen und bei der Erschließung von Geschäftszweigen in Kombination mit einem überregionalen Handel findet sich in ähnlicher Weise bei der von Stefan Gorißen erforschten Firma Harkort. Gorißen weist ebenfalls daraufhin, dass eine lückenlose Rekonstruktion von Geschäftszweigen und deren Entwicklung auf Basis eines umfangreichen Unternehmensnachlasses aufgrund von Überlieferungslücken und unterschiedlichen Buchführungspraktiken kaum möglich ist, vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 172–174. – Kaufleute benötigten im frühen 19. Jahrhundert häufiger mehrere Anläufe, um ein rentables Unternehmen aufzubauen, vgl. auch: Haan, Heiner: Die Haans, S. 34 f. 662 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 814. 663 Vgl.: Ebd., Fol. 849, sowie: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 28 vom 14. 07. 1825, S. 124. 664 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 738; das Handelshaus Hetzel & Sohn aus Speyer inserierten ihre Warenangebote, vgl.: Speyerer wöchentlichen Anzeige-Blatt, Nr. 33 vom 14. 08. 1828, S. 132. 665 Vgl.: Ebd., Nr. 39, Fol. 106. 666 Die Höhe des Kapitalstocks geht aus den Korrespondenzen nicht hervor. Hier ist lediglich überliefert, dass Hetzel & Sohn 4.000 fl. zuschossen, vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 435. 667 Vgl. u. a. die Korrespondenz mit Landau in: Ebd., Nr. 2. 668 Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 842 und 853. 669 Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 57.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

überließ die Regierung nach der Herrschaftsübernahme aber zunächst den vor Ort ansässigen Kaufleuten.670 Der Import und Handel von Salz war nach dem Ausschluss der linksrheinischen Pfalz aus dem französischen Reich ein vielversprechender Geschäftszweig. Der Rheinkreis verfügte mit der Saline Philippshall bei (Bad) Dürkheim nur über eine geringe Eigenproduktion, da der Salzungsgrad der dortigen Quellen gering war.671 Demzufolge bestand in der Region ein hoher Bedarf an importiertem Salz, der sich nach der Errichtung der Salzhandlung in Speyer in einem regen Absatz niederschlug.672 Im März 1817 musste Lichtenberger seinen treuen Geschäftspartner Andreas Kern aus Landau auf dessen Nachfrage hin sogar vertrösten: Heute ist zwar wieder Salz hier angekommen; da aber so gleich von überall Fuhren kamen, so können wir Ihnen nicht versprechen, ob bis morgen noch etwas davon übrig bleiben wird. Am besten wäre es Sie geben uns immer Ihren Bedarf hiervon auf, wo wir sodann dasselbe zu Ihrer Verfügung aufbewahren würden.673

Dass die Kaufleute trotz umfangreicher Importe nicht in der Lage waren, die Nachfrage erschöpfend zu bedienen, blieb kein Einzelfall. Die importierten Salze fanden oft so rasant schnellen Absatz, dass neue Lieferungen bereits im Vorhinein bei Geschäftspartnerinnen und -partnern angekündigt wurden, damit diese sich ihren Anteil sichern konnten.674 Lange, risikoreiche Transportwege und der hohe Finanzbedarf beim Einkauf erschwerten es, die Nachfrage zeitnah zu decken.675 Die ankommenden Salzlieferungen hatten beeindruckende Ausmaße. So ging im Juni 1817 allein von einer Salzlieferung ein Anteil von 1.000 Säcken zu je 98 bis 100 kg in ein Germersheimer Zwischenlager.676 Und als die bayerische Regierung im Sommer 1817 begann, den pfälzischen Salzhandel in das Staatsmonopol zu integrieren, gaben die Kaufleute an, mindestens noch 10.000 bis 15.000 Säcke Salz aus ihren Lagern absetzen zu müssen, um diese weitgehend zu räumen.677 Das Salzhandelsgeschäft fand mit der Einführung des bayerischen Staatsmonopols sein Ende.678 Im Oktober 1817 ließ Ludwig Heinrich Schlegel von Seiten des Speyerer Bürgermeisteramtes ein Inventar seines letzten Lagers anlegen, in dem nur noch ein Rest von 28 Säcken Salz zu finden war.679 Das gemeinschaftliche Geschäft von Lichtenberger, Schlegel, Scharpff, Freytag, Hetzel und Köhler war damit einem staatlich überwachten Ende zugeführt worden. Die Abwicklung der Gesell670 Im Sommer 1816 publizierte sie im Amtsblatt des Rheinkreises Erlässe zur Besteuerung und zum Import von ausländischem Salz. Importiertes Salz durfte nur an bestimmten Grenzorten eingeführt werden und wurde mit 12 Francs pro Zentner besteuert, vgl.: Amtsblatt für das königlich-baierische Gebiet auf dem linken Rheinufer, Nr. 6 vom 19. 07. 1816, S. 89–91. 671 Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 56. 672 Vgl. u. a. die Geschäftskorrespondenz mit Landau und Germersheim in: StALu, WS1, Nr. 2. 673 Vgl.: Ebd., Fol. 760. 674 Vgl.: Ebd., Fol. 760 und 813 f. 675 Ebd., Fol. 853. 676 Vgl.: Ebd., Fol. 842. 677 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 853. 678 Vgl.: Ebd., Fol. 537. 679 StASp, Bestand 3, Nr. 249.

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schaft durch den Verkauf der Waren, die Eintreibung ausstehender Gelder680 und die abschließende Abrechnung der Geschäfte durch Schlegel681 zog sich bis zum März 1818, was bei einigen Teilhabern Unmut hervorrief.682 Die Abrechnung schloss mit einem Verlust von 849,24 fl. Dabei handelte es sich lediglich um die Abrechnung der zuletzt getätigten Geschäfte, während die sonstige Korrespondenz darauf verweist, dass das Geschäft durchaus lukrativ war und die Teilhaber auf Basis der vorhergehenden Abrechnungen bereits Kapitalrückzahlungen und womöglich auch Gewinnbeteiligungen erhalten hatten.683 Der abschließende Verlust des Geschäfts, den die fünf Kapitalgeber unter sich aufteilten, war laut Lichtenberger auf Komplikationen bei den letzten Warenlieferungen sowie beim Verkauf der Salze an die Salinenverwaltung verbunden: Der Hauptverlust rührt daher, weil wir den Schiffer von ca. 5.000 Säke ca. 20 kr. pro Sack mehr Fracht bezahlen musten als wir dafür vergütet erhielten, zu dem fand sich bei der Uebernahme ein bedeutendes Manco, und wir waren genötigt die Säke auf das verkaufte Gewicht von 98 Kilogramm auffüllen zu lassen.684

Der Salzbedarf des Rheinkreises sollte in den Folgejahren durch den Import von Salz aus den bayerischen Kernlanden gedeckt werden.685 Neben der selbstverständlichen Investition größerer Kapitalmengen in Handels- oder handelsnahe Unternehmungen durch Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger ging Lichtenberger ab den 1820er Jahren auch dazu über, Kapital in innovative Geschäftszweige zu investieren. Diese Geschäftsfelder waren dem Bereich des Infrastrukturausbaus sowie des Versicherungswesens zuzuordnen. Lichtenberger war offenbar daran interessiert, durch sein Engagement für seine Handelsunternehmen bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um sie lukrativer und risikoärmer zu gestalten. Dies ist vor dem Hintergrund verständlich, dass die vielfältigen Projekte der Kaufleute oft kurzlebig waren – aufgrund der Wandlungsprozesse im formellen Institutionensetting oder aufgrund wirtschaftlicher Krisen. Die Tatsache, dass allein Philipp Markus Lichtenberger in Bereiche investierte, die der Frühindustrialisierung zuzuordnen sind, lässt sich vorrangig mit der Lebensspanne der Akteure erklären. Johann Heinrich Scharpff starb bereits 1828 und investierte in den Jahren zuvor kaum mehr in neue Geschäftsfelder, sondern übergab Unternehmenszweige, wie die Rheinschanze, zur Leitung seinem Schwiegersohn. Philipp Markus Lichtenberger, 29 Jahre jünger als sein Schwiegervater, konnte hingegen in weit umfangreicherem Maße an den Entwicklungen der Frühindustrialisierung partizipieren und wirkte aktiv an den seit den 1820er Jahren entstehenden, frühindustriellen Unternehmungen mit. Warum er zu keinem Industriellen erster Stunde wurde, lässt sich dadurch erklären, dass er seinen Kerngeschäften im 680 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 3, Fol. 300. 681 Vgl.: Ebd., Fol. 205. 682 Vgl. die Schreiben Hetzel & Sohns an Lichtenberger, die sich für die ausstehende Endabrechnung des Salzhandels rechtfertigen mussten: Ebd., Nr. 3, Fol. 738. 683 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 435. 684 Vgl.: Ebd., Fol. 771. 685 Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 56.

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Bereich des Handels und der Weiterverarbeitung von Nahrungs- und Genussmitteln treu blieb – vielleicht, da er in der Pfalz keine Möglichkeiten sah, einen lukrativen Industriebetrieb aufzubauen. In der Tabakweiterverarbeitung kam es erst viele Jahrzehnte später zur Entwicklung von Maschinen zur Weiterverarbeitung der Rohstoffe und damit zum Aufbau von Fabriken.686 Was die Investitionstätigkeit Philipp Markus Lichtenbergers abseits seiner Handelsgeschäfte anbetrifft, so ist festzuhalten, dass seine Investitionen in frühe Versicherungsgesellschaften oder Aktiengesellschaften im Infrastruktur- und Transportbereich überschaubar blieben. Er war beispielsweise Inhaber von zwei Aktien der Mainzer „Rheinschifffahrts-Assecuranz Gesellschaft“, die ihm 1839 eine Dividende von 85,28 fl. einbrachten.687 Die Investitionen in die pfälzischen Eisenbahngesellschaften dürften sich ebenfalls im zweistelligen Aktienbereich bewegt haben. Leider lässt sich der konkrete Aktienbesitz der Familie Lichtenberger erst in Aktionärslisten der Bexbacher Bahn aus späteren Jahren nachweisen. Die Kinder Lichtenbergers, Friedrich und Caroline, besaßen demnach jeweils Aktien im niedrigen, zweistelligen Bereich (23 und 18 Aktien), die sie von ihrem Vater übernommen haben könnten.688 Lichtenberger lehnte ihm angetragene Aktienkäufe auch zeitweise ab. 1838 wies er beispielsweise eine Beteiligung am Aufbau einer geplanten „Rheinischen See-Schiffahrts-Gesellschaft“ 689 in Köln zurück. Ihm sei sein Engagement in den Aufbau pfälzischer Eisenbahnen wichtiger, schrieb er nach Köln, zudem habe er bereits kürzlich am Aufbau einer Segelschifffahrtsverbindung in die Niederlande mitgewirkt.690 Lichtenberger konzentrierte sein Kapital auf wenige, ausgewählte Projekte rund um die Pfalz.691 Im Kontext frühindustrieller Unternehmungen trat Lichtenberger nicht nur als Investor auf, sondern stellte auch seine Arbeitskraft bzw. die seines Handelshauses in den Dienst der Unternehmen, um deren Auf- und Ausbau zu unterstützen. Sein Handelshaus war im Vertrieb von Aktien für die zwei seit den 1820er und 1830er Jahren geplanten pfälzischen Eisenbahnen, die Lauterburger und die Bexbacher Bahn,692 tätig, die er mithilfe seiner vielfältigen Geschäftskontakte unter anderem ins bayerische Königreich vertrieb – an Nürnberger, Fürther und Münchner Wirtschaftsbürger.693 Unter jenen Akteuren, die durch die Vermittlung des Hauses Lichtenbergers Aktien erstanden, fällt in den Quellen besonders J. A. Maffey aus München ins Auge, der Aktien für beide Eisenbahnen im Wert von 50.000 fl. erwarb.694 Maffey, der in der Korrespondenz als Kaufmann und Tabakfabrikant auftrat, entwickelte sich in jenen Jahren mit dem Aufbau einer Eisenbahnfabrik zu ei686 687 688 689 690 691

Vgl.: Ziegler, Dieter: Die Industrielle Revolution, S. 134 f. StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 96. Vgl.: StASp, Bestand 3, Nr. 390, 391 und 393. Vgl.: StALu, LUA 45/2, P. 232. Vgl.: Ebd. Wie sein Bruder investierte auch Casimir Lichtenberger mit Aktienkäufen in Schifffahrts-, Eisenbahn- und Versicherungsgesellschaften, vgl.: LBibSp, H3, Nr. 7142: Vermögensstand des Hauses Casimir Lichtenberger in Speyer (1848). 692 Vgl. zur Entstehung der pfälzischen Eisenbahnen: Sturm, Heinz: Die pfälzischen Eisenbahnen. 693 StALu, WS1, Nr. 20, Fol. 929; Nr. 21, Fol. 30 und 60 f. 694 Ebd., Nr. 20, Fol. 929.

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nem frühen Industriepionier in Bayern.695 Aktienverkäufe vermittelten Lichtenberger & Co. auch an bayerische Beamte im Rheinkreis, wie den Präsidialsekretär Berthau. Dieser erstand 30 Aktien im Wert von 15.000 fl. für die Bexbacher Eisenbahn.696 Der Aufbau der Aktiengesellschaften für die pfälzischen Eisenbahnen zog sich über Jahre hin. Lichtenberger übersandte den von ihm angeworbenen Aktionären gelegentlich Berichte über den Fortgang der Vorhaben. Politische Verhandlungen mit Nachbarstaaten für einen späteren Anschluss der Bahnen, Verhandlungen der Eisenbahngesellschaft mit der bayerischen Regierung zur Erlangung des notwendigen Privilegs zum Bau, zwischenzeitliche Finanzierungsprobleme und Konflikte über den Verlauf der Strecke zogen die Planungen in die Länge. Viele Aktionärinnen und Aktionäre zogen ihre Gelder zwischenzeitlich wieder ab.697 Die Eisenbahngesellschaft zum Bau der Lauterburger Bahn wurde schließlich wieder aufgelöst,698 während die Bexbacher Bahn 1844 in die erste Bauphase trat. Das erlebte Philipp Markus Lichtenberger allerdings schon nicht mehr, er verstab 1842.699 Kapitalinvestitionen standen bei Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger selten für sich allein. Vielmehr ging mit Investitionstätigkeiten immer auch eigene Arbeit einher – sei es durch die Bereitstellung von Arbeitskräften und Immobilien für gemeinschaftlich gegründete Handelsgesellschaften oder durch die Leistung von Arbeiten im eigenen Kontor. Im Bereich der Eisenbahn- und Versicherungsgesellschaften wurden die Kaufleute von Lichtenberger & Co. zu Agenten der Unternehmen, die sich im Bereich der Kapitalakquise ebenso wie bei der Abwicklung von Alltagsgeschäften einbrachten. Die Kombination von Kapitalinvestition und eigener Mitarbeit war die konsequente Umsetzung des nach außen kommunizierten Selbstbildes der Akteure als ‚ehrbare Kaufleute‘, in dem sie stetig die eigene Arbeit im Sinne eines Allgemeinwohls betonten und sich gegenüber einem lediglich zinsorientierten Wirtschaften abgrenzten. Neben der gemeinschaftlichen Investition mehrerer Kaufleute und Gewerbetreibenden in (neue) Geschäftszweige, große Waren- und Rohstoffeinkäufe oder 695 Seit 1837 saß Maffey im Verwaltungsrat der München-Augsburger Eisenbahngesellschaft. Zudem begann er mit dem Aufbau einer eigenen Eisenbahnfabrik. Die erste Eisenbahn wurde dort 1841 fertiggestellt – und ab 1845 wurden ihm auch Aufträge zum Bau von Lokomotiven vonseiten der pfälzischen Ludwigsbahn zuteil. Mit seinen eigenen, umfangreichen Investitionen generierte er somit langfristig die Nachfrage für seine neue Unternehmensgründung, vgl.: Fink, Willibald: „Maffei, Joseph Anton“, in: Neue Deutsche Biographie, Band 15, S. 645–647. 696 StALu, WS1, Nr. 20, Fol. 54. 697 Ebd., Nr. 21, Fol. 159 f.: Lichtenberger & Co. berichten einem Herr Eidam aus Nürnberg, dass zum Bau der Bexbacher Eisenbahn übergegangen werden soll und Gelder nicht mehr zurückgezahlt werden könnten. 698 Es kam zu zahlreichen Geldrückzahlungen, die teilweise über die Briefkopierbücher Lichtenbergers abgewickelt wurden, vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 30, 74–76 und 161. 699 Philipp Markus Lichtenbergers Sohn, Heinrich Wilhelm, trat mit seinem Engagement für die Eisenbahngesellschaft in die Fußstapfen seines Vaters. Und auch Philipps Bruder Casimir Lichtenberger war bereits zu dessen Lebzeiten Aktionär und engagierter Befürworter der Eisenbahnen. Das Engagement der Lichtenberger spiegelt sich unter anderem in den überlieferten Akten zum Aufbau der frühen Eisenbahnen, vgl. u. a.: StASp, Bestand 3, Nr. 390, 391 und 393.

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Infrastrukturprojekte, investierten gelegentlich auch Bürgerinnen und Bürger in die Unternehmungen Scharpffs und Lichtenbergers, die nicht unternehmerisch tätig waren und lediglich ihr Kapital gegen Zinsen zur Verfügung stellten.700 Bis zum Jahresbeging 1818 hatte ein Forstmeister Bühler beispielsweise 2.000 fl. bei Lichtenberger investiert, die dieser ihm in den folgenden Monaten wieder zurückerstattete.701 Für 1821 sind ähnliche Kapitalrückerstattungen für vier Speyerer Bürger und Bürgerinnen überliefert, deren Summen jedoch in den kopierten Anschreiben nicht genannt wurden.702 Sieben Jahre später richteten Lichtenberger ein Schreiben an Professor Friedrich Fahr, einen Lehrer der Speyerer Lateinschule,703 und benachrichtige diesen ebenfalls über die Rückgabe seines Kapitals in Höhe von 800 fl.704 Die Gelder wurden zurückerstattet, ohne dass die Kapitalgeber oder -geberinnen darum gebeten hatten. Die Begründung war in allen Fällen ähnlich kurz. So schrieb Lichtenberger an Fahr: „Da die Geschäfte von der Art sind, daß wir keine fremden Kapitalien mehr benutzen können, so müßen wir Ihnen die mit dem 1ten August verfallenden f. 800,- zurückgeben.“705 Verwiesen wurde in allen Fällen auf die als schwierig empfundene wirtschaftliche Entwicklung, die eine zuverlässig gewinnbringende Nutzung des Kapitals nicht zulassen würde. Investitionen Dritter, so kommunizierten die Kaufleute, bedurften einer besonderen Abwägung der Chancen und Risiken, da das Fremdkapital im Interesse des Kapitalgebers oder der Kapitalgeberin keinem größeren Risiko ausgesetzt werden durfte. Grundlage zum Aufbau von Handelshäusern, Handwerksbetrieben oder Manufakturen war neben verfügbarem Geld oder Kredit auch der eigene Immobilienbesitz des Gründers oder der Gründerin – als langfristig investiertes Kapital. Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger verfügten über umfangreichen Immobilienbesitz, der für die eigenen Unternehmen genutzt werden konnte. Scharpff konnte seine Unternehmungen auf umfangreiche Besitzungen stützen, die er über Jahrzehnte als Kaufmann erworben oder von seinem Vater geerbt hatte.706 Philipp Markus Lichtenberger hingegen musste sich eine solche Basis als junger Mann nach seiner Übersiedlung nach Speyer in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts erst aufbauen. Beide Unternehmer verfügten nach 1815 neben standesgemäßen Wohnimmobilien für ihre Familien mit eigenen Geschäftsräumen und Lagerflächen für den Betrieb ihrer Handelshäuser über weitere Häuser und Lagerräume sowie über landwirtschaftliche Nutzflächen innerhalb der Stadt und in der näheren

700 Im Fall Scharpff weist bisher lediglich ein Schreiben auf externe Kapitalgeber hin, die nicht in das Unternehmen involviert waren, in dem Scharpff 1828 an einen Herrn Mühlhäuser in Speyer schrieb, er wolle ihm sein Kapital „bis Montag […] bar zurück zahlen“, vgl.: StALu, WS1, Nr. 55, Fol. 770. 701 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 594. 702 Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 641. 703 Vgl.: Anzeige der Beamten und Angestellten im Staats- und Communaldienste des Rheinkreises (1830), S. 112. 704 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 118 f. 705 Vgl.: Ebd. 706 Zum Erbe Johann Heinrich Scharpffs, vgl.: StASp, 1A 800, Nr. 63/10.

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Umgebung.707 Johann Heinrich Scharpff besaß darüber hinaus einige Gebäude in Mannheim.708 In den lokalen Zeitungen von Speyer lässt sich zu jener Zeit die Konstituierung eines städtischen Immobilienmarktes feststellen. In Zeitungsinseraten wurden einer breiten Öffentlichkeit vor allem zur Versteigerung stehende Gebäude und Ländereien, aber auch Mietobjekte angeboten.709 Die Verteilung von gewerblich nutzbaren Räumlichkeiten und landwirtschaftlichen Nutzflächen, so zeigt sich im kaufmännischen Schriftverkehr, wurde innerhalb der Speyerer Bürgerschaft jedoch vorrangig im Kreise von Verwandten oder gut bekannten Akteuren und Akteurinnen koordiniert. In den Briefkopierbüchern Scharpffs und Lichtenbergers fällt vor allem die stetige Umverteilung von Immobilien zwischen einer kleinen Akteursgruppe durch Miet- und Pachtverhältnisse auf, die aus Johann Heinrich Scharpff und seinen beiden Schwiegersöhnen Philipp Markus Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel bestand. Dabei standen die Besitztümer Johann Heinrich Scharpffs im Mittelpunkt. Für Lichtenberger sind in den Briefkopierbüchern von 1816 bis zum Todesjahr Scharpffs (1828) immer wieder Miet- und Pachtverträge für Lagerräume und Scheunen sowie umfangreiche landwirtschaftliche Nutzflächen aus dem Besitz seines Schwiegervaters überliefert.710 Der Aufbau des Handelsplatzes in der Rheinschanze wurde durch den Ankauf von Land und Gebäuden von Seiten Scharpffs erst ermöglicht. Dieser Immobilienbesitz blieb auch nach der Übernahme des Handelsgeschäftes durch Philipp Markus Lichtenberger im Jahr 1826 die Grundlage des Unternehmens und wurde von der Gesellschaft angemietet. Bis zur Insolvenz seines Handelshauses im Jahr 1817711 konnte auch Ludwig Heinrich Schlegel Immobilien und Ländereien seines Schwiegervaters für die Betreibung seiner Geschäfte nutzen.712 In weit geringerem Umfang – war er aufgrund seines eigenen Besitzes doch weniger darauf angewiesen – mietete sich Johann Heinrich Scharpff bei seinen Schwiegersöhnen ein oder die Schwiegersöhne vermieteten sich untereinander Immobilien.713 Innerhalb der zwei Kaufmannsgenerationen wurde die Verteilung und Nutzung von Immobilien über Mietverträge geregelt. Nur in Einzelfällen und für begrenzte Zeiträume – meist in akuten Bedarfsfällen – stellten sich die Kaufleute kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung.714 Die enge Beziehung der durch Hochzeiten verbundenen Kaufleute erleichterte vor allem den Zugang zu Immobilien. Der Land- und Immobilienbesitz der Kaufleute Johann Heinrich Scharpff, Philipp Markus Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel sicherte eine solide Ba707 Vgl. zum Immobilienbesitz der Protagonisten in Speyer Kapitel 2. 708 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 12, Fol. 43. 709 Vgl. hierzu das „Speyerer Wöchentliche Anzeige-Blatt“ sowie die Intelligenzblätter des Rheinkreises im Untersuchungszeitraum. 710 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 273; Nr. 3, Fol. 507; Nr. 37, Fol. 412 und Fol. 507; Nr. 41, Fol. 412 und 312; Nr. 46, Fol. 63 f.; Nr. 55, Fol. 772 sowie: Nr. 13, Fol. 130 und 669 f. 711 Vgl.: LBibSp, N41, Mappe I,3. 712 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 41, Fol. 302 f. sowie Nr. 46, Fol. 63 und Fol. 222. 713 Vgl. Ebd., Nr. 1, Fol. 175; Nr. 2, Fol. 240 sowie: Nr. 3, Fol. 507. 714 Vgl.: Lichtenberger durfte 1827 kurzfristig ein Lager von Scharpff nutzen, dass er schließlich auf Basis eines Mietvertrages weiternutzen wollte, vgl.: Ebd., Nr. 12, Fol. 388.

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sis, um Unternehmen flexibel zu entwickeln.715 Der Immobilienbesitz konnte aber nicht immer den Bedarf decken. Scharpff und Lichtenberger kauften oder mieteten daher über längere Zeiträume Ländereien und Immobilien von Dritten hinzu. Dabei handelte es sich vorrangig um Lagerflächen für Handelswaren. Lichtenberger hatte um 1816 beispielsweise eine Scheuer von der „Hospital Commission“ der Stadt gegen einen Pachtzins von 88 fl. jährlich gemietet.716 Neben der Nutzung eigener und angemieteter Immobilien konnten Scharpff und Lichtenberger für die Zwischenlagerungen eigener Waren auf die Räumlichkeiten von Geschäftspartnerinnen oder -partnern gegen ein Lagergeld zurückgreifen. Dies war vorrangig bei der Spedition und kurzfristigen Zwischenlagerung von Waren außerhalb Speyers der Fall.717 Die zeitlich begrenzte Warenlagerung bildete eine selbstverständliche Dienstleistung von Kaufleuten – ergänzend zu Speditionsdienstleistungen. Ländereien oder Gebäude befanden sich des Öfteren nicht nur im Besitz eines Akteurs oder einer Akteurin. Vielmehr fand die Investition in Immobilien auch in Kooperation statt. Johann Heinrich Scharpff konnte bis 1816 beispielsweise über Räumlichkeiten in Haßloch verfügen. Das dortige Haus befand sich im gemeinschaftlichen Besitz von Johann Heinrich Scharpff und dem Speyerer Kaufmann Johann Michael Freytag. Mit seiner Lage im Zentrum der fruchtbaren, pfälzischen Ebene – zwischen Haardtgebirge und Rhein – wurde das Gebäude für die Zwischenlagerung von eingekauften Waren genutzt. In gemeinschaftlichem Besitz befand sich ab 1817 auch ein „Kleehaus“,718 das Lichtenberger und Schlegel gemeinschaftlich ersteigert hatten. Die gemeinsame Investition in Immobilien ermöglichte es den Kaufleuten ebenso wie bei der Investition in neue Geschäftsfelder Kapital zu agglomerieren und Risiken zu streuen. Für den Unterhalt und die Versicherung der Baulichkeiten waren sie gemeinschaftlich verantwortlich und teilten die Kosten und Arbeiten unter sich auf. Zum Immobilienbesitz gehörten neben dem eigenen Wohnhaus nicht nur gewerblich genutzte Räumlichkeiten und Flächen. Vielmehr vermietete Johann Heinrich Scharpff auch kontinuierlich Wohnraum. Aus seiner Geschäftskorrespondenz geht hervor, dass er Wohnungen und Häuser in Speyer an Militärs und Verwaltungsbeamte vermietete, die aufgrund ihrer Posten von Bayern in die pfälzische Provinzhauptstadt übersiedelten. Er profitierte damit von der seit 1816 aufgrund von Truppenstationierungen und der Errichtung von bayerischen Verwaltungsstrukturen entstehenden Nachfrage. Gelegentlich wurde Wohnraum von Scharpff sogar über die regionalen Zeitungen angeboten.719 Mietverhältnisse kamen jedoch auch in diesem Bereich vorrangig durch persönliche und mündliche Kontaktaufnahme zustande. Aus dem Kontor von Joh. Hein. Scharpff wurden im Anschluss per Korres715 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 13, Fol. 130 und 669 f.: Im Jahr 1828 führte die angekündigte Einführung einer Zollaußengrenze für den Rheinkreis z. B. zur Anlage eines neuen Lagers durch Lichtenberger. 716 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 55. 717 Vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 175. 718 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 70. 719 Vgl.: Speierer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 49 vom 04. 12. 1823, S. 295; Nr. 36 vom 08. 09. 1825, S. 155 sowie: Nr. 18 vom 03. 05. 1827, S. 76.

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pondenz der Eingang von Mietzahlungen abgerechnet, die durchzuführenden Gebäudereparaturen verwaltet und versucht, Konflikte beizulegen. Zwischen 1816 und 1828 mieteten sich der Zahlmeister der Kreiskasse des Rheinkreises Georg Boyé720 (bis 1825), Karl Peter Wilhelm von Theobald (ab 1825) in seiner Position als Generalmajor und Brigadier721 sowie Herr Watzky mit seiner Ehefrau,722 der ebenfalls in Staatsdiensten stand, bei Scharpff ein. Für Karl Peter Wilhelm von Theobald ließ Scharpff eigens ein Haus renovieren und standesgemäß herrichten.723 1825 zeigte zudem Philipp Jacob Heimberger, Regierungsrat bei der Kammer der Finanzen der Provinzregierung,724 Interesse an einer Wohnung, die ihm Scharpff für 250 fl. Miete jährlich anbot.725 Und nicht nur bereits vorhandene Gebäude wurden an bayerische Verwaltungsbeamte und Militärs vermietet. Scharpff ließ ein Wachhaus für das königliche Infanteriebrigadekommando in der Rheinschanze erbauen, das er vor dem Bau mit 400 fl. Jahresmiete veranschlagte.726 Vermietet werden konnten zudem nicht nur Häuser und Wohnungen. Scharpff vermietete in den Jahren 1820 und 1821 phasenweise sogar Möbel an den in Speyer ansässigen Rittmeister Baron von Hertling, der bei dem „3. königlich baierischen Chevauxlegers-Regiment“727 in Speyer stationiert war. Es handelte sich dabei mit mehreren Tischen, Stühlen und Kommoden um den Großteil einer Wohnungseinrichtung, die der Baron für 2,12 fl. pro Monat nutzen konnte.728 Am Beispiel der Einmietung bayerischer Beamter zeigen sich, neben der zentralen Stellung der Kaufleute auf dem städtischen Immobilienmarkt, die engen, räumlichen Verhältnisse innerhalb Speyers, die zu einer großen Nähe von bürgerlichem Leben und gewerblicher Arbeit führten. So wurden oft nur Wohnungen oder Teile von Gebäuden vermietet oder verkauft, während andere Teile weiterhin von den Kaufleuten und ihren Bediensteten genutzt wurden. Dies war auch der Fall, als Philipp Markus Lichtenberger aufgrund von finanziellen Engpässen im eigenen Unternehmen 1816 seinen Familien- und Unternehmenssitz an den ersten Regierungspräsidenten der Pfalz, von Stichaner, verkaufte. Er behielt sich dabei vor, den Keller des Hauses als Lagerfläche zu nutzen – und vermietete diesen in der Folgezeigt an seinen Schwiegervater.729 Es lässt sich resümieren, dass Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger durchaus vielfältige Investitionen vornahmen. Die Investitionstätig720 Vgl.: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 38 vom 22. 09. 1825, 163; vgl. zu Georg Boyé: o. A.: Anzeige der Beamten und Angestellten im Staats- und Communal-Dienst des Rheinkreises, S. 114. 721 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 55, Fol. 699 f.; zu von Theobald, vgl.: Lühe, Hanns Eggert Willibald von der (Hg.): Militair Conversations-Lexikon, S. 113. 722 So ist in einem der Briefe von einer Versetzung Herr Watzkys nach Speyer die Rede, vgl.: StALu, WS1, Nr. 55, Fol. 345. 723 Vgl.: Ebd., Fol. 699 f. 724 Vgl: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, Nr. 6 vom 09. 02. 1826, S. 234. 725 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 55, Fol. 340. 726 Vgl.: Ebd., Nr. 52, Fol. 336. 727 Vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 40 vom 18. 05. 1821, S. 290–292. 728 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 48, Fol. 347. 729 Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 507.

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keit bezog sich dabei auf den Ausbau und die flexible Anpassung der eigenen Handelsgeschäfte an das sich verändernde Institutionensetting und auf die Schaffung geeigneter infrastruktureller Rahmenbedingungen zur Absicherung der eigenen Geschäfte. Der Investitionstätigkeit lag eine stark kooperative Komponente inne, da die Unternehmer häufig mit bekannten Akteuren aus der Region gemeinschaftliche Investitionen tätigten. Damit konnten sie Risiken streuen und größere Kapitalmengen agglomerieren. Investitionstätigkeit war für Scharpff und Lichtenberger außerdem immer mit eigener Mitarbeit verbunden. Aus diesem Grund lassen sich vielfältige Kommunikationsprozesse rund um die Investitionstätigkeit in der Geschäftskorrespondenz nachweisen. In Immobilienbesitz legten Scharpff und Lichtenberger langfristig Kapitalien an und investierten damit in einer klassischen Art und Weise. Landwirtschaftliche Nutzflächen und Immobilien bildeten die Grundlage ihrer Unternehmungen. Der vorhandene Besitz wurde besonders zwischen Johann Heinrich Scharpff, Philipp Markus Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel im zeitverlauf über Mietverträge flexibel umverteilt, um die familieneigenen Unternehmungen an die aktuelle Marktsituation anzupassen. Gewerblich nutzbare Immobilien wurden vor allem über private Kontakte zugänglich, während ein allgemein zugänglicher Immobilienmarkt noch kaum existierte. Neben Gewerbeimmobilien investierte vor allem Scharpff auch in Wohnimmobilien. Dieser Immobilienbesitz bildete vorrangig eine Anlagemöglichkeit, die eher der Absicherung diente als der unternehmerischen Gewinnmaximierung oder der Erschließung eines neuen Geschäftsbereichs. 5.4.2 Verwaltung und Koordination von Finanzflüssen Kapital spielte für Lichtenberger & Co. und Joh. Hein. Scharpff nicht nur als Investitionskapital eine Rolle. Im Alltagsgeschäft weitaus präsenter war das Umlaufvermögen oder das Betriebskapital,730 das die alltäglichen Geschäftsabläufe erst ermöglichte. Stetige Herausforderung für die Kaufleute im Kontor war die Herstellung einer angemessenen Liquidität für die anfallenden Transaktionen. Besonders interessant wird die Untersuchung von Kapitalflüssen in Unternehmen des frühen 19. Jahrhunderts, wenn man sich die schwierige Lage auf den mitteleuropäischen Finanzmärkten vor Augen führt, die durch eine Vielzahl von Währungen geprägt wurden, deren Münzquantitäten, -qualitäten und Wechselkurse stetig im Wandel begriffen waren. Tendenziell kann dabei in den deutschen Territorien von einer Unterversorgung mit Münzgeld, bezogen auf eine allmählich wachsende Wirtschaft bei einer zunehmenden Monetarisierung ökonomischer Transferpro730 Vgl.: Hierunter subsumieren sich „die Vermögensteile eines Unternehmens, die zum kurzfristen Verbrauch und zur Weiterveräußerung bestimmt oder der finanziellen Geschäftsabwicklung dienen. […] Zum Umlaufvermögen gehören Vorräte wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Forderungen gegen Kunden aus Lieferungen sowie flüssige Mittel wie Kassenbestände und Bankguthaben“, vgl.: Der Brockhaus: Wirtschaft, S. 603. Im folgenden Kapitel werden Waren- und Rohstoffbestände jedoch ausgeklammert, da sich diese in den Quellen im Zeitverlauf nicht erfassen lassen. Der Fokus liegt auf den Finanzflüssen im Geschäftsablauf der Handelshäuser.

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zesse, ausgegangen werden. Die institutionellen Rahmenbedingungen, in denen Bargeldtransfers über weite Strecken teuer und risikoreich waren, führten im Verlauf der Frühen Neuzeit in Europa zur Entwicklung von Geldsubstituten und Kreditsystemen. Diese behielten bis zur Umstrukturierung der Kapitalmärkte im Zuge der Industrialisierung – einhergehend mit der Herausbildung von Großbanken – gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Funktion.731 Vor diesem Hintergrund ermöglicht eine Untersuchung des Umgangs mit Kapital in der Korrespondenz der Kaufleute, den konkreten Kommunikationsformen und Praktiken bei der Koordination von Kapitalflüssen, der Eintreibung ausstehender Gelder und den Möglichkeiten der kurzfristigen und flexiblen Kapitalakquise oder der Kapitalumverteilung auf den Grund zu gehen. Eine solche Untersuchung kann aufzeigen, wie flexibel die Akteure agieren konnten – angewiesen auf eine finanzielle Basis für ihre Geschäftstätigkeiten. Die Finanzflüsse von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. spiegeln sich in der überlieferten Buchführung wider. In dieser hatte sich seit der Frühen Neuzeit das Rechnen in einem Rechen- oder Buchgeld etabliert,732 in das erhaltene Geldbeträge umgerechnet und dadurch für die Rechnungsführung vereinheitlicht wurden. Das Buchgeld konnte mit der gängigen Währung der Region oder des Territoriums zusammenfallen, wich aber oft von diesem ab, da bis zur Vereinheitlichung des Währungssystems im Kaiserreich vielfältige Münzen in unterschiedlicher Qualität und Menge in den deutschen Territorien in Umlauf waren. Die in der Pfalz geläufige Rechnungswährung bildete zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Gulden zu 60 Kreuzern im 24-Gulden-Fuß.733 Der Gulden war in vielen Regionen Süd- und Westdeutschlands Rechnungswährung, während in Norddeutschland vorwiegend in Talern gerechnet wurde. In den 1830er Jahren diente der Gulden unter anderem in Baden, Bayern, Frankfurt am Main, Hessen-Darmstadt, Nassau und Württemberg als Buchgeld.734 Er war als geprägte Münze in Süddeutschland bis in die 1830er Jahre jedoch kaum vorhanden. Es wurde vorrangig in Kronentalern gezahlt. Erst mit der Gründung des Süddeutschen Münzvereins im Jahr 1837 zwischen Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau und Frankfurt am Main wurde die Guldenmünze erneut geprägt und stand zum Zahlungsverkehr in einer gewissen Menge zur Verfügung.735

731 Vgl.: Pohl, Hans: Das deutsche Bankenwesen (1806–1848), S. 15–17. 732 Zum Rechen- oder Buchgeld in der zeitgenössischen Literatur, vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil. 1, S. 78–88. 733 Vgl.: Schneider, Konrad: Konventionsfuß, S. 194. Inwieweit der Franc im späten 18. Jahrhundert unter der französischen Herrschaft in die Buchführung der Pfälzer Eingang fand, ist bisher nicht erforscht – in den Büchern Scharpffs und Lichtenbergers ist diese Währung nicht zu finden. In einem überlieferten Kontokorrentbuch von Joh. Hein. Scharpff aus den Jahren 1805 bis 1809 ist für einige Transaktionen lediglich eine parallele Kontenführung in Gulden und Reichstalern überliefert, vgl.: StALu, WS1, Nr. 113. 734 LBibSp, N41, Mappe II,13. 735 Vgl. zu den Währungen im Deutschen Bund: Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers, S. 151; Sprenger, Bernd: Das Geld der Deutschen, S. 156–180 sowie: Rittmann, Herbert: Deutsche Münz- und Geldgeschichte der Neuzeit, S. 100–170.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Die Praktik der Abrechnung in einem Buchgeld konstruierte eine einheitliche Abrechnungspraktik in Zeiten, in denen die deutschen Territorien noch weit entfernt von einer Münzeinheit und der Verfügbarkeit ausreichender Bargeldmengen für den Warenverkehr waren. Preislisten und Abrechnungen in Gulden wurden von den Speyerer Kaufleuten auch im überregionalen Handel versandt – wenn auch nicht anzunehmen ist, dass die vielfältigen Handelspartner und -partnerinnen ebenfalls diese Rechnungswährung nutzten. So finden sich in den Unternehmensnachlässen aus den 1820er Jahren Unterlagen Frankfurter Handelshäuser in Reichsthalern („Rhtaler“736) und ein deutschsprachiges „Preis-Courrant“737 französischer Kaufleute in Francs. Für den Fernhandel brachte die Vereinheitlichung des kaufmännischen Rechnungswesens auf Basis regionaler Gepflogenheiten mit sich, dass Preise und Rechnungssummen für die Buchführung und für Preiskalkulationen stetig umgerechnet werden mussten.738 Das Buchgeld als frühneuzeitliche Innovation ermöglichte die Gewährung von Krediten. Die Eröffnung laufender Rechnungen (Kontokorrents739) für Geschäftspartnerinnen und -partner und somit die Führung von Konten für Dritte (Kontokorrentbeziehungen740), eröffnete die Möglichkeit, Geldansprüche und eingegangene Gelder zu verrechnen – in besonderem Maße mit dem sich allmählich durchsetzenden Instrument der doppelten Buchführung.741 Die Kontokorrentführung diente vorrangig der Koordination von Finanzflüssen und der Sicherung von Liquidität an entfernten Orten, weniger waren die laufenden Rechnungen Sparkonten, zur sicheren Aufbewahrung und Verzinsung von Kapitalien.742 So konnten geografisch entfernte Kundinnen und Kunden der Handelshäuser Joh. Hein Scharpff und Lichtenberger & Co. ihre Schulden nicht nur in Speyer begleichen, sondern auch auf ihre Konten bei geografisch entfernten Geschäftspartnern und -partnerinnen einzahlen.743 Kaufleute und Bankiers, bei denen Konten bestanden, waren zudem in der Lage im Auftrag der Speyerer Kaufleute Rechnungen in ihrem Umfeld zu begleichen.744 Sie konnten dabei kurzfristig Rechnungen mit den vor Ort präferierten Zahlungsmitteln begleichen, während Geldversendungen über weite Strecken oder der Einkauf von auf die entsprechenden Orte gezogenen Wechsel für die Speyerer kosten- und zeitintensiv waren. Handelsreisende nutzten die Kontokorrentbeziehungen, um auf Reisen eingenommene Gelder an entfernten Orten einzuzahlen und

736 737 738 739 740 741 742 743 744

LBibSp, N41, Mappe IV, 1. Ebd. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 802. Das Kontokorrent wird definiert als „Abschrift der gegenseitigen Rechnungsverhältnisse zweier Handelsleute, oder ihrer wechselseitigen Forderungen und Schulden gegeneinander“, vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Theil 1, S. 84 f. Vgl.: Mueller, Reinhold C.: Kontokorrent, S. 193 f. Bis ins frühe 19. Jahrhundert wurde die doppelte Buchführung vieler Orts nur unvollständig genutzt, vgl. hierzu auch das Beispiel der Firma Harkort, in: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 174–183. Vgl.: Mueller, Reinhold C.: Kontokorrent, S. 193 f. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 589 und 661; Nr. 21, Fol. 65 sowie: Nr. 14, Fol. 284. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 65 sowie: Nr. 37, Fol. 719.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

267

in ihr Handelshaus zurückfließen zu lassen.745 Das Gutschreiben oder der Eintrag von Geldausständen auf Abrechnungskonten einhergehend mit einer zeitlich verzögerten Rückforderung der Gelder bildete dabei eine zentrale Form der Kreditgenerierung. Das Buchgeld erweiterte als „Surrogat für Edelmetall“746 unmittelbar die in Umlauf befindliche Geldmenge. Zur überregionalen Koordination von Kapital- und Warenflüssen waren die Kaufleute in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers somit auf Kontokorrentbeziehungen angewiesen. Dabei war es wichtig, dass sie über zuverlässige Korrespondenzpartner oder -partnerinnen in zentralen, infrastrukturell gut angebundenen Handelszentren verfügten. Besonders die dort Ansässigen konnten maßgeblich helfen, Geldflüsse zu bündeln und Kapital zurück in die Speyerer Handelsgesellschaften fließen zu lassen.747 Ohne Kontokorrentbeziehungen ließen sich Gelder nur über kosten- und zeitintensive Reisen einziehen. Zentraler Knotenpunkt für Finanzflüsse war Frankfurt am Main. Lichtenberger & Co. ebenso wie Joh. Hein. Scharpff gewährten um 1829 bei einer Zahlung auf Frankfurt in Papieren mit einer kurzen Laufzeit zwei Prozent Nachlass, um ihre eingehenden Gelder dort zu bündeln.748 Joh. Hein. Scharpff kooperierte dort vorrangig mit dem Bankhaus Metzler seel. Sohn & Co. Die Kaufleute des Hauses Lichtenberger griffen zusätzlich auf die Dienstleistungen des Bankhauses Goll & Söhne zurück.749 Die Erkenntnis, dass Frankfurt für die Pfälzer einen zentralen Bezugspunkt für Finanztransaktionen bildete, ist im Kontext der europäischen Wirtschaftsgeschichte wenig erstaunlich, bedenkt man, dass es sich bei der Stadt im frühen 19. Jahrhundert nach wie vor um den zentralen Finanzplatz auf dem europäischen Kontinent handelte.750 Die Beziehungen von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zu den Bankhäusern Metzler und Goll beruhten auf Gegenseitigkeit. Während die Bankiers für die Kaufleute überregional, in vielen Staaten des Deutschen Bundes und darüber hinaus, Gelder eintrieben und Zahlungen vornahmen, halfen die Kaufleute ihrerseits bei der Durchsetzung von Ansprüchen der Banken in Speyer und der nahen Umgebung.751 In Frankfurt gingen für die Speyerer Kaufleute Gelder unter anderem aus Bayern,752 von

745 746 747 748 749

Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 489–491 und Nr. 38, Fol. 514 f. Mueller, Reinhold C.: Kontokorrent, S. 194. Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 363. Ebd., Nr. 21, Fol. 318. Das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff konnte zum Ende der 1820er Jahre zudem Geschäftsbeziehungen zu dem 1805 in Frankfurt gegründeten Bankhaus Mumm & Co. aufbauen, die jedoch – aufgrund der Auflösung des Handelshauses 1829 – nicht lange währten, vgl.: StALu, WS1, Nr. 55 sowie zum Bankhaus Mumm & Co.: Lerner, Franz: „Mumm“, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 579 f. 750 Vgl.: Cassis, Youssef: Metropolen des Kapitals, S. 60–61; North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 213 sowie: Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806–1848), S. 18. 751 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 696 und Nr. 51, Fol. 10 und 31. 752 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 37, Fol. 531, 651 und 695; Nr. 42, Fol. 197 f., 367 f.; Nr. 46, Fol. 368 sowie Nr. 50, Fol. 737.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Handelsplätzen am Mittel- und Niederrhein,753 aus dem thüringisch-sächsischen Raum,754 den Niederlanden,755 aus Frankreich756 und der Schweiz757 ein. Die zentrale Stellung Frankfurts ermöglichte es den Kaufleuten somit flexibel auf den mitteleuropäischen Märkten zu agieren. Bei gelegentlichen Handelsaktivitäten in viele Regionen des Deutschen Bundes und der Nachbarstaaten war es oft ausreichend, die Finanzflüsse über Frankfurt abzuwickeln. Und auch für die Transaktionen zwischen pfälzischen Akteuren und Akteurinnen konnte Frankfurt eine wichtige Stellung einnehmen. So war es nicht selten der Fall, dass Speyerer Kaufleute, die untereinander Handel trieben, sich größere Geldsummen auf Frankfurter Bankhäuser anwiesen, die den Handelspartnern oder -partnerinnen dort ausgezahlt oder auf ihrem Konto gutgeschrieben wurden.758 Eine ähnliche Funktion für die pfälzische Wirtschaft konnte das Bankhaus Ladenburg in Mannheim einnehmen, das aufgrund seiner Lage leichter erreichbar war.759 Die Konzentration von Finanzflüssen auf zentrale, von Speyer entfernt gelegene Handels- und Finanzplätze brachte für die Transaktionen aber auch Herausforderungen mit sich. Zur Übermittlung von Geldern waren die Kaufleute und Unternehmer verschiedener Regionen auf Kontokorrentbeziehungen oder auf den Einkauf von auf Frankfurter Akteure gezogene Wechsel angewiesen. Frankfurter Wechsel waren bei überregional agierenden Akteuren und Akteurinnen daher begehrt, was mitunter zu einem Mangel auf den Finanzmärkten führte.760 Fehlende Frankfurter Wechsel mussten von den Kaufleuten mitunter durch Bargeldsendungen ausgeglichen werden – auch wenn dies weit gefährlicher war.761 Über Frankfurt wurden in hohem Maße Gelegenheitsgeschäfte abgewickelt. Die Kaufleute des Hauses Scharpff nutzten diese Möglichkeit z. B. bei ihrem Handel mit bayerischen Städten. Sie verfügten dort selbst über keine Kontokorrentbeziehungen, die sie zuverlässig zum Einzug von Geldern nutzen konnten – dies lag aber auch darin begründet, dass es ihnen nicht gelang, in diese Städte kontinuierliche Absatzbeziehungen aufzubauen. Lichtenberger & Co. hingegen nutzten zur Abwicklung für ihre im Gegensatz zum Handelshaus Scharpff umfangreicheren Trans753 Vgl. Finanzflüsse aus Mainz, u. a. in: Ebd., Nr. 1, Fol. 317 und 545, sowie aus Köln, u. a.: Nr. 1, Fol. 123 f. und 209. 754 Vgl. zu den selbstverständlichen Finanzflüssen von Erfurt und Leipzig nach Frankfurt auf Konten von Scharpff und Lichtenberger, u. a.: Ebd., Nr. 4, Fol. 56 f. und 147 f.; Nr. 14, Fol. 71 und 140 f.; Nr. 37, Fol. 34 und 444 sowie: Nr. 37, Fol. 791. 755 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 5, 87, 145, 169, 168, 520, 526 und 606 sowie: Nr. 37, Fol. 591 f. und 733 f. 756 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 37, Fol. 950 sowie: Nr. 1, Fol. 382 und 480. 757 Vgl. die Korrespondenz mit Basel, u. a. in: Ebd., Nr. 1, Fol. 66 und 656 sowie: Nr. 10, Fol. 860 und 942 f. 758 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 39, Fol. 103: Joh. Hein. Scharpff übermachen J. M. Freytag in Speyer 8.000 fl. auf Goll & Söhne in Frankfurt am Main. 759 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 41, Fol. 508 f. 760 Vgl.: 1816 Versandt von 1.100 fl. in bar von Lichtenberger & Co. nach Frankfurt, aus Mangel an „Frankfurter Papier“, vgl.: Ebd., Nr. 1, Fol. 349. Zu weiterer Korrespondenz über fehlende Wechsel auf Frankfurt, vgl. z. B.: Ebd., Fol. 445. 761 Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 1, Fol. 583: Lichtenberger & Co. übersenden 6.000 fl. mit dem Postwagen an Goll & Söhne in Frankfurt.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

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aktionen mit Bayern die Dienstleistungen von Kaufleuten oder Bankhäusern vor Ort. Zentraler Finanzdienstleister war zwischen 1824 und 1840 der „Königl[iche] Handelsappellationsgerichts-Assesor und Marktsvorsteher“762 Leonhard Kalb in Nürnberg, der ein Speditions-, Kommissions- und „Wechselgeschäft“763 unterhielt.764 In der Korrespondenz der Handelshäuser in Regionen, mit denen über längere Zeiträume hinweg in umfangreicherem Maße interagiert wurde, lässt sich stets in einem der urbanen Zentren mindestens ein Handelshaus oder Unternehmen nachweisen, das bei der Koordination von Finanzflüssen unterstützend tätig war. Das Handelshaus Lichtenberger & Co. verfügte so zum Beispiel neben den Beziehungen zu Kalb in Nürnberg für den bayerischen Raum seit den 1820er Jahren über eine tragfähige Kontokorrentbeziehung zu J. A. Lucius im preußischen Erfurt, die relativ effektiv Geldeintreibungen und Zahlungsliquidität in der sächsisch-thüringischen Region sicherstellen konnte.765 Bei wachsenden Transaktionen mit einer Region – mit einer zunehmenden Kommunikation mit diversen Akteuren oder Akteurinnen – stieg das Risiko, dass die Masse der Geldforderungen aus der Ferne, auch unter Nutzung der Geschäftsbeziehung Metzlers und Golls in Frankfurt, nicht mehr zuverlässig und kosteneffizient durchgesetzt werden konnten. Eine zunehmende Verflechtung mit einem entfernten Markt ließ Kontokorrentbeziehungen zu Akteuren oder Akteurinnen vor Ort erforderlich werden. Unterstützung durch Geschäftspartner und -partnerinnen bei der Einziehung von Geldern konnte bei umfangreichen Geschäftstätigkeiten auch regional, in der Pfalz, hilfreich sein. In Landau, als einem benachbarten Wirtschaftszentrum, unterhielten beide Handelshäuser enge Geschäftsbeziehungen, um Geldflüsse zu koordinieren. Im Fall Joh. Hein. Scharpffs handelte es sich dabei vorrangig um den Kaufmann und Landauer Stadtrat Friedrich Laux,766 während für Lichtenberger & Co. viele Jahre der Kaufmann und bayerischer Salzfaktor J. C. Steiner767 als Dienstleister fungierte.768 Das Beispiel Landau belegt auch, dass selbst in dieser relativ kleinen Stadt potenziell eine Vielzahl von Kaufleuten bei der Eintreibung und Verwaltung von Kapitalflüssen tätig werden konnten. Ebenso halfen die Kaufleute von Lichtenberger & Co. gegen Zahlung einer Provision einer Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen bei der Eintreibung ihrer Gelder. Die Geldeinziehung und -verwaltung im Einzelfall, ohne die Eröffnung eines langfristig geführten Kontos, war eine selbst762 Vgl.: o. A.: Adreß-Buch der königl. baier. Stadt Nürnberg, S. 22. 763 Vgl.: o. A.: Vollständiges Adreß-Buch und Handlungsschematismus der Stadt Nürnberg, S. 90. 764 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 165, 339, 629 und 641; Nr. 17, Fol. 5, 90 f., 160, 344, 455 f., 548 f., 613 f., 664, 742, 783 f., 789, 814, 933 f., 1004 und 1054 sowie: Nr. 21, Fol. 30, 57 f., 65, 157 f., 161, 185, 196, 202, 256, 297 f., 336 f., 422 f., 446 f., 449 f., 498, 569, 583, 600, 611, 681, 735, 826, 887, 979 und 1060. 765 Vgl. die Korrespondenz mit J. A. Lucius u. a. in: StALu, WS1, Nr. 14, 17 und 21. 766 Vgl.: Birnbaum, Johann von: Der Horstprozeß zwischen der Stadt Landau, S. 104. 767 Vgl.: o. A.: Anzeige der Civilbeamten im Rheinkreis (1825), S. 153. 768 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr, 5, Fol. 18, 24, 45, 53, 80, 93, 107, 122, 139, 146, 160, 188, 202, 226, 241, 273, 281, 298, 306, 319, 330, 348, 375, 381, 395, 422, 436, 451, 458, 469, 503, 514, 539, 556, 580, 596, 634, 642, 660, 669, 687, 701, 717, 730 und 754 sowie: Nr. 17, Fol. 71.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

verständliche Dienstleistung von größeren Handelshäusern. Im Falle von Lichtenberger & Co. lässt sich dabei im Zeitverlauf ein Trend hin zu einer Diversifizierung von Finanzflüssen über eine Vielzahl von Akteuren oder Akteurinnen an unterschiedlichen Orten ausmachen. Im Fall Scharpffs hingegen lässt sich eine solche Entwicklung nicht beobachten, da seine Geschäfte in den Jahren vor seinem Tod insgesamt rückläufig waren. In den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers ging die Kontenführung für Dritte mit oft jährlich vollzogenen Abrechnungsverfahren einher, in denen die Geschäftspartner oder Geschäftspartnerinnen ihre Kontostände abglichen.769 Die zur Prüfung übersandten Abrechnungen verdeutlichen, dass sich Geschäftspartner und -partnerinnen, je nach Intensität ihrer Beziehung, über viele Monate und manchmal sogar über Jahre Zahlungsausstände in teilweise beachtlicher Höhe gestatteten.770 Dies kann als informell organisiertes Kreditsystem angesehen werden, das es den Kaufleuten ermöglichte, Gelder bedarfsgerecht umzuverteilen. In besonderem Maße fand diese Form der Geldumverteilung zwischen Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger bzw. Ludwig Heinrich Schlegel771 und zu späteren Zeiten zwischen Philipp Markus und Casimir Lichtenberger772 statt. Hierbei ist auffällig, dass zu Beginn des Untersuchungszeitraums Scharpff seinem Schwiegersohn Lichtenberger vielfältige Kapitalien zur Verfügung stellte, während sich diese Tendenz bereits Mitte der 1820er Jahre umkehrte und Lichtenberger nun seinem Schwiegervater kontinuierlich mehrere tausend Gulden lieh.773 Dies zeigt, dass Scharpff seinem Schwiegersohn zunächst umfangreich unterstützte, während er in den Jahren vor seinem Tod selbst auf Kredite angewiesen war. Im Januar 1817 übersandte Lichtenberger & Co. beispielsweise eine Jahresabrechnung an Scharpff, die mit 6.154,16 fl. zu dessen Gunsten schloss.774 Die letzte überlieferte Abrechnung zwischen den beiden Handelshäusern wies im Juli 1828 hingegen einen Saldo von 4.644,56 fl. zu Gunsten Lichtenbergers aus.775 Auch bei Metzler und Goll sowie beim Bankhaus Ladenburg bestanden zuweilen umfangreiche Zahlungsausstände.776 Im Jahr 1826 glich Joh. Hein. Scharpff seine Ausstände bei den Frankfurter Bankhäusern aus, die zuvor 2.789,31 fl.777 so769 Vgl. zum Versand von Rechnungsabschlüssen an Geschäftspartner, vorrangig im Dezember und Januar jeden Jahres, u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 367, 439 und 461; Nr. 7, Fol. 689 f.; Nr, 21, Fol. 1029; Nr. 37, Fol. 891 f.; Nr. 50, Fol. 503–504; Nr. 54, Fol. 346 und 633. 770 Für das Jahr 1816: J. M. Freytag schuldet Lichtenberger & Co. 1386,44 fl. und Ludwig Beckenhaupt schuldet Lichtenberger 341,42 fl., vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 473 sowie Fol. 498. 771 Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 612 und 680 sowie: Nr. 41, Fol. 566. 772 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 13, Fol. 753 und 766. 773 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 273 und 492; Nr. 3, Fol. 973; Nr. 9, Fol. 595; Nr. 10, Fol. 1026; Nr. 11, Fol. 55, 522 und 1042 f.; Nr. 12, Fol. 304 und 766 f. 774 Vgl.: Ebd., Nr. 2, Fol. 492. Im Jahr zuvor, 1816, ist eine Jahresabrechnung zwischen Ludwig Heinrich Schlegel und seinem Schwiegervater Johann Heinrich Scharpff dokumentiert, die mit 11674,09 fl. zu Gunsten Scharpffs schloss, vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 612 und 680. 775 Vgl.: Ebd., Nr. 23, Fol. 211. 776 Vgl.: zu Zahlungsausständen von rund 10.000 fl. bei Ladenburg zu Beginn der 1820er Jahre: Ebd., Nr. 48, Fol. 466–467 und Nr. 51, Fol. 154 f. 777 Vgl.: Ebd., Nr. 55, Fol. 21.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

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wie 7.262,29 fl.778 betragen hatten. Die Bankhäuser wurden, bei gut laufenden Geschäften, aber auch zur Deponierung von Geldern genutzt. Kurz vor dem Tod Philipp Markus Lichtenbergers im August 1840 verfügte dieser beim Bankhaus Ladenburg über ein Guthaben von über 20.000 fl.779 Für andere Kaufleute und Gewerbetreibende sind nur lückenhaft Jahresabrechnungen überliefert, da Lichtenberger & Co. ebenso wie Joh. Hein. Scharpff die Kontostände den Handelspartnern und -partnerinnen zur Kenntnisnahme nur dann übersandten, wenn ihre Geschäftspartner und -partnerinnen Schulden bei ihnen hatten. Kontostände zu ihren eigenen Lasten wurden nur auf Anfrage übermittelt. Die Zahlungsausstände fielen innerhalb der nicht (eng) verwandten Speyerer Kaufmannschaft weitaus moderater aus, als zwischen den Handelshäusern Scharpff, Schlegel und Lichtenberger.780 Nur in Ausnahmen wurden Ausstände von über tausend Gulden geduldet. Dies war beispielsweise im Januar 1817 bei Johann Michael Freytag der Fall, einem entfernten Verwandten Lichtenbergers, der ihm 1.386,44 fl. schuldete.781 Im Regelfall handelte es sich um Ausstände im zwei- oder dreistelligen Bereich und es fanden im Abstand von einigen Monaten entsprechende Zahlungsaufforderungen statt.782 Die Kontostände in der Korrespondenz verweisen damit auf ein informelles Kreditsystem, das vorrangig innerhalb einer kleinen, verwandten Gruppe von Kaufleuten zur wechselseitigen Unterstützung diente. Klassisches Zahlungsmittel war im 19. Jahrhundert nach wie vor das Münzgeld.783 Bargeld benötigten die Speyerer Kaufleute Scharpff und Lichtenberger vorrangig, um auf dem regionalen Markt Geschäfte zu tätigen. Münzgeld war oft das einzige anerkannte Zahlungsmittel beim Einkauf von Rohstoffen und Waren bei Bauern, Maklern und Gewerbetreibenden. Besonders im Nachgang der Tabak- und Weinernte benötigten Scharpff und Lichtenberger daher große Bargeldmengen.784 Vor dem Hintergrund der generell mangelhaften Verfügbarkeit und teilweise schlechten Qualität der in Umlauf befindlichen Münzen bildete die Akkumulation dieser Bargeldmengen eine besondere Herausforderung.785 Da die Handelshäuser nicht laufend über genügend Bargeld verfügten, benötigten sie Beziehungen, um dieses kurzfristig zu akquirieren. Hier halfen umfangreiche Bargeldtransfers zwischen den Handelshäusern Johann Heinrich Scharpffs, den Lichtenberger-Brüdern und Ludwig Heinrich Schlegel.786 Dabei war es keine Seltenheit, dass einige tau-

778 779 780 781 782 783 784 785 786

Vgl.: Ebd., Fol. 21. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 832 f. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 301 f., 331, 339 f., 435 und 440, Nr. 21, Fol. 449 f. Vgl.: Jahresabrechnung zwischen Lichtenberger & Co. und J. M. Freytag im Jahr 1817, in: Ebd., Nr. 2, Fol. 473. Vgl.: Ebd., Nr. 1–21. Vgl.: Zu Münzen und Währungssystemen im frühen 19. Jahrhundert: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 1, S. 62–78. Entsprechend häufig finden sich in der Korrespondenz Verweise auf akuten Geldbedarf zu Abwicklung größerer Geschäfte, vgl. z. B.: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 504. Vgl.: Rittmann, Herbert: Deutsche Münz- und Geldgeschichte der Neuzeit, S. 130 f. Vgl.: die Korrespondenz zwischen Lichtenberger & Co. und J. H. Scharpff & Co. in den Briefkopierbüchern, u. a. StALu, WS1, Nr. 37.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

send Gulden das Haus wechselten.787 Um in diesem Kreis Gelder zu akquirieren genügte ein persönliches Gespräch oder ein kurzes Anschreiben mit einer Begründung der Geldknappheit. Begründet wurde die Bitte um eine Bargeldübersendung oder die Begleichung einer Rechnung mit einem vorübergehenden Bargeldmangel, der durch vielfältige Zahlungsausstände verursacht worden sei. Diese Art der Bargeldakkumulation war zuverlässig – innerhalb einiger Tage, spätestens nach einigen Wochen standen umfangreiche Beträge zur Verfügung.788 Darüber hinaus waren Bankhäuser in der Lage, Guthaben oder Kredite kurzfristig in Münzen zur Verfügung zu stellen.789 Die Barzahlung dominierte auch im regionalen Warenabsatz bei Geschäften mit kleineren Abrechnungssummen im zweistelligen Guldenbereich. Im Fall Lichtenberger & Co. lassen sich beim Verkauf kleinerer Tabak- und Weinmengen an regionale Händler und Händlerinnen oder Gewerbetreibende stetige Münzgeldübersendungen nachweisen.790 Der Verkauf gegen Bargeld ersparte im Anbetracht der vielen Verkaufsakte Arbeit und Kosten, da keine Wechsel ausgestellt und eingetrieben werden mussten.791 Bei zeitnaher Barbezahlung der gelieferten Waren gewährten Lichtenberger & Co. einen Rabatt („5 % Disconto“792) und erhöhten damit den Anreiz für eine sofortige Begleichung von Rechnungen. Bei Stammkunden oder -kundinnen, die zum Beispiel über längere Zeiträume wiederholt Rauch- und Schnupftabake bezogen, ließen sich Zahlungsansprüche schnell durchsetzen, indem neue Tabake erst nach dem Ausgleich der vorigen Rechnungen ausgeliefert wurden.793 Bargeldtransaktionen wurden entweder vor Ort, in den Kontoren Scharpffs und Lichtenbergers, vollzogen, oder durch Reisende oder durch bekannte, regionale Transportdienstleister und -dienstleisterinnen zum Zielort transportiert.794 Letztere Form der Zahlungsabwicklung wurde durch die konstanten Geschäftsbeziehungen zu einer Gruppe regionaler Fuhrleute, Boten bzw. Botinnen und Schiffer oder Schifferinnen, die auf den für Scharpff und Lichtenberger zentralen Handelsrouten verkehrten, ermöglicht.795 Dabei entwickelten sich über Jahre hinweg Vertrauens787 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 1, Fol. 336 und 338; Nr. 2 Fol. 178 sowie: Nr. 49, Fol. 585; Nr. 55, Fol. 17. 788 Vgl.: Ebd., Nr. 1–21 und 37–55. 789 Vgl. u. a. Joh. Hein. Scharpff bitten das Bankhaus Ladenburg im März 1820 4.000 fl. bar für sie bereit zu halten, vgl.: Ebd., Nr. 48, Fol. 139. 790 Vgl. u. a. die Bargeldversendungen von Tabakkäufern aus Landau in der Pfalz: Ebd., Nr. 1, Fol. 1, 35, 59, 165 f., 216, 250 f., 257, 261, 301 f., 311, 327, 339 f., 370, 404, 420, 445, 435, 462, 509, 514, 556, 601 und 610 sowie: Ebd., Nr. 20, Fol. 451, 551 und 669. 791 1814 verweigerte Joh. Hein. Scharpff die Annahme von Wechseln bei seinem Geschäftspartner Heinrich Grebenau aus Speyer, der ihm diesen an Stelle von Bargeld übersandte, da ihm die Einlösung des Wechsels zu kosten- und zeitintensiv war, vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 288. 792 Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 208. 793 Vgl.: Lichtenberger & Co. schrieben u. a. 1816: „Wir haben es uns zum Grundsatz gemacht, nie jemand auf eine Rechnung zu verkaufen, bevor die alte berichtigt ist […]“, siehe: Ebd., Nr. 2, Fol. 306. 794 Vgl. z. B.: Geldtransporte durch die Bötin Eve von Landau nach Speyer: Ebd., Nr. 1, Fol. 365, sowie durch den Fuhrmann Neukirch, vgl.: Ebd., Fol. 215 und 543. Zu Geldeinziehungen durch reisende Kaufleute, vgl.: Ebd., Fol. 504. 795 Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 208.

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verhältnisse. Die Akteure und Akteurinnen transportieren dann nicht nur Waren, sondern auch Briefe und Münzpakete.796 Die Vielfalt der in den deutschen Territorien in Umlauf befindlichen Münzsorten führte dazu, dass bei Barzahlungen unterschiedliche Münzen angenommen oder abgegeben wurden, um die notwendigen Finanzflüsse zu gewährleisten. Die Vielfalt der Zahlungsmittel im Handel verdeutlicht eine Barsendung, die das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff mit einem der Lichtenberger-Brüder im Juli 1815 zur Gutschrift nach Frankfurt am Main an das Bankhaus B. Metzler seel. Sohn & Co. sandte. Als Inhalt der Geldlieferung wurden wie folgt aufgezählt: 170 „Ducaten“, 115 „Napoleon“, 3.000 „holländische Ducaten“, 1.500 „Napoleon d’or“, 80 Friedrichs d’or, 100 „Friedr[ichs] d’or doppelt“, 100 „einfache Friedr[ichs] d’or“, 200 „Oester[eichische] Ducaten“, 5 „doppelte L[ouis] d’or“ und 12 „einfache“ Louis D’or sowie 8 Gulden und 40 Kreuzer.797 In der Bargeldlieferung befanden sich somit diverse Münzen französischer, niederländischer und deutscher Regionen. Das Bankhaus Metzler nahm die „Barschaften“ in Empfang und schrieb Scharpff dafür 22.989,77 Reichstaler gut.798 Bankhäuser, die auf den Handel mit Geld spezialisiert waren, nahmen selbst exotische Münzen an – wie russischen Rubel von Scharpff im Jahr 1815.799 Sie wechselten auch und stellten Kapital in Münzsorten je nach Kundenwunsch zur Verfügung.800 Einblicke in die Komplexität des Geldmarktes und den damit verbundenen Komplikationen beim Bargeldverkehr bieten die wenigen, in der Korrespondenz überlieferten Konflikte über Zahlungstransfers. Im Sommer 1815 korrespondierten Joh. Hein. Scharpff beispielsweise mit dem Bankhaus Goll & Söhne in Frankfurt. Dieses hatte einen auf Köster & Lichtenberger in Nancy gezogenen Wechsel in Höhe von 1.500.000 Francs vorliegen, den es wiederum an das Bankhaus Ladenburg in Mannheim zum Geldeinzug gegen Provision übersandt hatte. Das Handelshaus Joh. Hein. Scharpff hatte sich gegenüber Ladenburg bereit erklärt, stellvertretend für die verwandtschaftlich verbundene Firma Köster & Lichtenberger801 den Wechsel in Mannheim zu begleichen. Ladenburg stellte ihm, Scharpffs eigenen Angaben zufolge, zunächst frei, den Wechsel in einer beliebigen Währung auszugleichen. Er bot dem Bankhaus daraufhin an, in Napoleon D’or, einer französischen 796 Zu dieser Gruppe von vertrauenswürdigen Fuhrleuten gehörte zum Beispiel der Fuhrmann Neukirch auf Zaiskamm, der regelmäßig zwischen Landau und Speyer verkehrte, vgl.u. a.: Ebd., Fol. 208 und Fol. 663. 797 Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 677. 798 Vgl.: Ebd., Fol. 718. 799 Ebd., Fol. 950 f. 800 Ebd., Nr. 55, Fol. 570: Das Bankhaus Metzler in Frankfurt erhielt eine Einzahlung auf Scharpffs Konto in preußischen Kurantmünzen, wechselt diese und übersendet eine Barzahlung in Gulden. – Umrechnungspraktiken sind in den Briefkopierbüchern Scharpffs und Lichtenbergers nur selten fassbar, da es sich bei den Abrechnungsbriefen in den Korrespondenzbüchern nur um Begleitschreiben von Rechnungen handelt. Umrechnungskurse, Provisionszahlungen oder Unkostenabrechnungen sind auf Basis der einseitigen Kommunikationsüberlieferung daher nicht rekonstruierbar. 801 Bisher konnte nicht geklärt werden, welcher Akteur aus der Familie Lichtenberger in dieses Unternehmen involviert war.

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Goldmünzensorte, zu einem bestimmten Kurs zu zahlen. In der Folge weigerte sich Ladenburg jedoch, dieses Geld anzunehmen und bestand darauf, dass Scharpff ihm den Betrag in Francs vergütete. Scharpff bat das Bankhaus Goll daraufhin vertrauensvoll um Auskunft. In seinem Brief beschuldigte er Ladenburg, sich nicht an die bereits ausgehandelten Zahlungsmodalitäten zu halten. Dabei unterstellte er den Mannheimer Bankiers, sie würden nur deshalb nun auf eine Zahlung in Francs bestehen, weil gerade gewisse „Geld-Preiße stark gesunken“802 seien und sie sich durch eine Zahlung in einer anderen Münzsorte eine bessere Deckung erhofften. In seinen Anschuldigungen ging Scharpff noch weiter: Er schrieb nach Frankfurt, Ladenburg habe sich mit seinen Geschäften verspekuliert und versuche nun die Verluste auf Dritte abzuwälzen.803 Dieser Konflikt belegt, dass die Kaufleute ebenso wie Privatbankiers Münzkurse und die Qualität von Währungen stetig vor Augen haben mussten und ihre Kenntnisse über den Geldmarkt in ihre ausgehandelten Zahlungsmodalitäten einfließen ließen, um günstige Geschäfte abzuschließen. Der Wert verschiedener Münzen war zum einen abhängig von ihrem im Münzfuß gesetzlich festgelegten Edelmetallgehalt und den sich daraus ergebenden Wertrelationen zu anderen Münzen. Zum anderen wurde der Wert einer Münze im Handelsgeschäft aber auch von Marktmechanismen beeinflusst, so dass der Wert, der den Münzen bei Tauschgeschäften zugestanden wurde, variieren konnte.804 Die Kaufleute in Speyer mussten bei der Annahme oder Weitergabe von Münzen daher je nach Entwicklung der Kurse mit Verlusten rechnen. Das Beispiel verweist aber auch auf die Herausforderung, die mit Bargeldtransfers verbunden war, denn das Bestehen auf eine spezifische Münzsorte setzte voraus, dass diese beschafft werden konnte. Zur Vermeidung von Verlusten bei Bargeldtransaktionen lassen sich in der Korrespondenz Scharpffs und Lichtenbergers verschiedene Geschäftspraktiken ausfindig machen. Zunächst einmal waren die Kaufleute nicht immer bereit, alle Münzsorten oder Qualitäten als Zahlungsmittel anzuerkennen.805 Die Privatbankiers der Häuser Ladenburg, Metzler und Goll dienten den Kaufleuten als Informanten über Geldkurse. Bei der Einzahlung von Münzen auf ihre Bankkonten gaben sie den Bankiers zudem des Öfteren einen Mindestwert an, unter dem sie die Münzen nicht bereit waren, einzuzahlen oder baten sie, ihre Münzgelder unter „Beherzigung […] [ihres] Interesses“806 zu einem günstigen Zeitpunkt und zu einem guten Kurs zu wechseln oder zu verrechnen. Wechselkurse wurden als zeitlich variabel und in einem gewissen Maße verhandelbar angesehen. Barzahlungen und Versendungen von Münzgeld bildeten, so alltäglich sie im regionalen Umfeld der Unternehmen auch waren, im Geschäftsverkehr nur einen geringen Anteil an den Finanzflüssen. Seit der Frühen Neuzeit hatte sich in Europa 802 803 804 805

StALu, WS1, Nr. 37, Fol. 855. Ebd., Nr. 37, Fol. 855. Vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 1, S. 67 f. Vgl. zu Klagen über unerwünschte Münzsorten oder schlechte Münzqualitäten: StALu, WS1, Nr. 1, Fol. 338 f. und 380. Mitunter waren Münzfälschungen in Umlauf, vgl. zur Ablehnung und Rückgabe von falschen Münzen durch die Kaufleute u. a.: Ebd., Nr. 7, Fol. 726. 806 Ebd., Nr. 37, Fol. 950 f.

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vielmehr ein komplexes, bargeldloses Zahlungssystem entwickelt, dessen Funktionsmechanismen und historisch-geografische Entwicklung der Wirtschaftshistoriker Markus A. Denzel erforscht hat und das im frühen 19. Jahrhundert bereits fest institutionalisierte, kaufmännische Praktiken bot, die gesetzlich abgesichert waren.807 Im Zentrum dieses Systems stand der Wechsel als bargeldloses Zahlungsmittel. Hauptvorteil des Wechsels war, dass er den Aufwand und die Risiken von Geldtransaktionen verringerte. Der Wechsel konnte zudem – ebenso wie Kontokorrentbeziehungen – der Gewährung von Krediten dienen, da er lange Zahlungsfristen beinhalten konnte. Wechsel bildeten die präferierte Zahlungsform im überregionalen Handel. In den zu Werbezwecken versandten Preislisten und Warenangeboten von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. forderten sie auf Gulden lautende Wechsel mit einer Zahlungsfrist von wenigen Monaten.808 Im Geschäftsalltag bildeten die Dokumentation und Verwaltung von Zahlungsansprüchen und Zahlungsaufforderungen einen großen Anteil an den im Kontor anfallenden Arbeiten.809 Wechsel konnten, dank der frühneuzeitlichen Innovation des Indossaments an Dritte übertragen werden. So war es alltäglich, dass Wechsel mit Begleitschreiben an Geschäftspartner und -partnerinnen zum Einzug der Gelder übersandt oder ihnen auf Reisen ausgehändigt wurden.810 Wechsel dokumentierten jedoch lediglich Zahlungsansprüche, die durchgesetzt bzw. von den ‚Bezogenen‘ eingelöst werden mussten. Auch aus diesem Grund waren Scharpff und Lichtenberger auf Geschäftspartner und -partnerinnen angewiesen, die in verschiedenen Regionen Geldansprüche durchsetzen konnten oder Wechsel handelten.811 Die Menge von Wechseltransfers innerhalb der Geschäftstätigkeit der Handelshäuser machte es notwendig, Geldansprüche für verschiedene Regionen gebündelt einzuziehen. Selbst innerhalb der Pfalz kooperierten von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. mit bekannten Kaufleuten und Unternehmerinnen und Unternehmern. Die anfallenden Kosten, abgerechnet als Provision und Unkosten für Reisen oder Briefverkehr, blieben dabei von der Entfernung und der Zentralität der Orte abhängig, da kleinere Orte abseits der urbanen Zentren schwieriger zu erreichen waren und seltener durch Kaufleute besucht wurden.812 Die Verwaltung ihrer Zahlungsansprüche und die Einziehung von Geldern – das „Incasso“813 – war fester Bestandteil der Arbeit im Kontor. Lediglich einzelne Geldforderungen wurden zum Einzug an Geschäftspartner oder -partnerinnen dele807 Vgl.: Denzel, Markus A.: Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sowie: North, Michael: Kommunikation, Handel, Bank und Geld, S. 27–44 und 79–95. Zum zeitgenössischen Gebrauch des Wechsels im frühen 19. Jahrhundert, vgl.: o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll, Teil 1, S. 121–189. 808 Vgl. u. a.: StALu, WS1, Nr. 121: „Preiss Nota“ von Joh. Hein. Scharpff jr. (1820). 809 Die Verwaltung von Wechseln erfolgte wahrscheinlich in Wechselkopierbüchern, von denen heute noch eins überliefert ist, vgl.: Ebd., Nr. 132. 810 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 186 oder Nr. 37, Fol. 791. 811 Die Speyerer Kaufleute wurden selbst zu Geldeintreibern in der Pfalz z. B. für bayerische Akteure und Akteurinnen, vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 871 f. und 1131. 812 Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 288. 813 Ebd.

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giert. Die Möglichkeit einer Auslagerung an einen Inkassodienstleister existierte im frühen 19. Jahrhundert nicht. Das Forderungsmanagement war innerhalb der Handelshäuser zudem langfristig angelegt. Auch nach Jahren wurde Zahlungsansprüchen noch nachgegangen814 – auch wenn die aktuellen Aufenthaltsorte und die Situation der Schuldner oder Schuldnerinnen neu ermittelt werden mussten.815 Auffällig ist in der Geschäftskorrespondenz innerhalb Speyers, dass es bereits im unmittelbaren Umfeld der Handelshäuser schwierig war, alle ausstehenden Zahlungen einzutreiben. So bildeten höflich erinnernde oder ermahnende Schreiben an säumige Schuldner und Schuldnerinnen einen immerwährenden Teil der Geschäftsabläufe.816 Langwierige Verhandlungen um Rückzahlungsmodalitäten mit schlussendlichen Androhungen von Klagen finden sich entsprechend häufig – oft bei kleinen Gewerbetreibenden, die Waren von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. bezogen und denen eine Bezahlung später offenbar schwer fiel. Es kam aber auch des Öfteren vor, dass Beamte oder Militärs ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkamen.817 Die Eintreibung von Geldern unterlag einem routinierten Kommunikationsverfahren, das durch die zeitgemäßen Höflichkeitsformen und das in der Kommunikation stetig präsenten Akteursbild eines ‚ehrbaren Kaufmannes‘ geprägt wurde, der in einer freundschaftlichen Beziehung zu seinen Geschäftspartnern und -partnerinnen stehen sollte. Bei ausstehenden Zahlungen wurde zunächst der Schuldner oder die Schuldnerin angeschrieben oder persönlich aufgesucht. Zahlungsaufforderungen wurden als höfliche, fast beiläufige Erinnerungsschreiben formuliert. Im Frühjahr 1824 schrieb Lichtenberger beispielsweise an die Witwe Baumann in Landau, eine langjährige Abnehmerin von Schnupf- und Rauchtabaken: Um einen Irrthum vorzubeugen wollen wir Sie blos aufmerksam machen, daß Sie uns noch vom 23ten vorigen Monats her für eine kleine Sendung Tabak f. 2,40 kr. schulden.818

Aufforderungen zur Zahlung wurden bei Summen im drei- oder vierstelligen Bereich in Schreiben oft explizit begründet – besonders, wenn eine wiederholte Bitte notwendig wurde. Dabei wurde kaum auf die vorangegangenen Absprachen bezüglich des Zahlungstermins Bezug genommen, sondern viel grundsätzlicher mit dem 814 Die Kaufleute von Joh. Hein. Scharpff wandten sich z. B. 1815 nach München an den Advokaten Huber, um dort Geldansprüche durchzusetzen, die auf einen Wechsel beruhten, den sie von einem bankrotten Düsseldorfer Geschäftspartner zur Deckung erhalten hatten und auf den sie auch nach mehreren Jahren noch keine Zahlungen erhalten konnten, siehe: Ebd., Nr. 37, Fol. 976. 815 Die Kaufleute im Kontor Scharpffs recherchierten z. B. per Korrespondenz die Umstände eines Verpflegungskommissärs Brugger, an den sie noch eine Forderung hatten, vgl.: Ebd., Nr. 54, Fol. 321. 816 Vgl. u. a. zu Zahlungsaufforderungen von Lichtenberger & Co. an Speyerer Akteure und Akteurinnen: Ebd., Nr. 4, Fol. 64, 69, 95, 401, 697 und Nr. 21, Fol. 215, 218, 400 f., 460 und 798 sowie zu Zahlungsaufforderungen von Joh. Hein. Scharpff, vgl. u. a.: Nr. 39, Fol. 400 und Nr. 53, Fol. 927; Nr. 55, Fol. 75, 302, 342 f., 343, 397, 424, 508, 564 und 674. 817 Vgl.: Ebd., Nr. 42, Fol. 27, 189 f., 362 f., 499 und 601: Joh. Hein. Scharpff müssen 1817 den Forstmeister Bühler, den Hauptmann Denis, den Ingenieur Höfner und den Postdirektor Reibelt in Speyer mehrfach um die Begleichung einer Weinrechnung anschreiben. 818 Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 588.

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Finanzbedarf des eigenen Unternehmens im laufenden Geschäft argumentiert. Johann Heinrich Scharpff schrieb in einer, immer wieder durch die Kaufleute in ähnlicher Weise formulierten Aufforderung an einen seiner Schuldner in Speyer im Dezember 1816: Es ist jetzt die Zeit wo ich viele Einkäufe in Taback mache und daher eine dieser Absicht entsprechende Cassa besitzen muß. Sie erlauben mir darum die Freyheit Sie um gefällige Berichtigung der beyden Weinposten vom 5ten und 9ten October zu bitten, und falls Sie die Abtragung dieses Betrags von f. 540,56 kr. im Augenblicke etwas genieren sollte, so wird mir eine abschlägliche Zahlung nicht minder angenehm seyn.819

In den Zahlungsaufforderungen wurde kommuniziert, dass die Kaufleute bereit waren, auf die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin oder des Schuldners Rücksicht zu nehmen. Bei verwandten oder gut bekannten Geschäftspartnern und -partnerinnen, wie dem Kaufmann und Fabrikanten Joseph Walter aus Landau, mit dem Lichtenberger & Co. zeitweise intensiv kooperierten,820 gaben sich die Kaufleute im Vorfeld anstehender Zahlungen mitunter großzügig. Sie schrieben, dass die Rückzahlung der Gelder sie zurzeit „nicht so preßirt“821 und der Geschäftspartner daher eine für ihn günstige Möglichkeit zur Geldübersendung abwarten könne. Die Kontokorrentbeziehungen der Handelshäuser, besonders im Kontext vertrauensvoller Geschäftsfreundschaften, führten bei den Kaufleuten auch dazu, dass sie Geschäftsfreunden kleinere Mengen Betriebskapital zur Verfügung stellten, in Situationen, in denen sie selbst über eine ausreichende Liquidität verfügten. Bestand kein akuter Finanzbedarf, konnte lediglich unzuverlässiges Verhalten der Schuldnerin oder des Schuldners als Grund angegeben werden, um auf eine zeitnahe Zahlung zu bestehen.822 Grundsätzlich zeigten sich die Kaufleute gegenüber von Schuldnern verhandlungsbereit – unabhängig davon, ob diese aktiv kommunizierten, nicht zahlen zu können, oder die Gelder einfach ausblieben. Spätere Zahlungsziele – einen „kleinen Ausstand“823 – und eine Abzahlung in Raten waren gängige Angebote, sofern die Schuldnerin oder der Schuldner seinen Mangel an Liquidität glaubhaft kommunizieren konnte.824 Der Kommunikationsprozess, in dem die Schuldnerin oder der Schuldner zunächst nicht verurteilt, sondern ein Kompromiss gesucht wurde, ist anschlussfähig an das im Briefverkehr stetig präsente Akteurskonzept des ‚ehrbaren Kaufmannes‘, der im Geschäftsverkehr danach streben sollte, zum Wohle aller Beteiligten zu handeln. Rückblickend lässt sich jedoch die Frage stellen, ob sich diese Kommunikationspraktik nicht auch aus einem gewissen Pragmatismus heraus entwickelt hat. Wie die stetige Präsenz von Zahlungsaufforderungen zeigt, gingen Gelder in vielen Fällen nicht wie zuvor verabredet ein. Die wirtschaftliche Lage wurde grundsätzlich als schwierig kommuniziert. Liquiditätsprobleme bis hin zum Bank819 Vgl.: Ebd., Nr. 41, Fol. 493. 820 Vgl. die Korrespondenz zwischen Lichtenberger & Co. und Joseph Walter, u. a. in: Ebd., Nr. 14 und 15. 821 Ebd., Nr. 9, Fol. 265. 822 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 53, Fol. 927 und Nr. 55, Fol. 75. 823 Ebd., Nr. 9, Fol. 672 f. 824 Vgl.: Ebd., Nr. 53, Fol. 927.

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rott von Gewerben und Handelsgesellschaften waren stetig präsent.825 Philipp Markus Lichtenberger ebenso wie Johann Heinrich Scharpff erlebten im Untersuchungszeitraum mehrere Insolvenzen in ihrem unmittelbaren (verwandtschaftlichen) Umfeld.826 Darüber hinaus wurden sie bei ihnen bekannten Kaufleuten aus ihrem städtischen Umfeld vom Frankenthaler Bezirksgericht mehrfach als Insolvenzverwalter („Syndicke“) eingesetzt.827 Dass die Kaufleute vor diesem Hintergrund alltäglich gegenüber einer großen Anzahl von Akteuren und Akteurinnen in Vorleistung gingen, erstaunt. Um Schuldnerinnen oder Schuldner zu zuverlässigem Zahlen anzuhalten, wurde von Ihnen ein „Ehrenwort“ eingefordert, oder ihnen ein „heiliges Versprechen“ abgenommen.828 Damit wurden sie verpflichtet, sich an die geltenden, informellen Institutionen im Geschäftsverkehr zu halten – aber dies führte keinesfalls in allen Fällen zu einem zuverlässigen Handeln.829 Es kam vielmehr immer wieder vor, dass Zahlungsversprechungen auch nach vielen Monaten nicht nachgekommen wurde, Briefe unbeantwortet blieben830 oder Schuldner oder Schuldnerinnen bei mehrfachem Aufsuchen nicht anzutreffen waren.831 Da die Geldeintreibung auf einer grundsätzlichen Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft basierte, blieb den Kaufleuten in diesen Fällen nichts anderes übrig, als die Schuldner und Schuldnerinnen ausfindig zu machen und mit Hilfe sozialen Drucks einen neuen Dialog aufzubauen, in dem sie an die Integrität und die Ehre des Akteurs oder der Akteurin appellierten. Die Einlösung von Wechseln oder Zahlungsansprüchen durch Geschäftspartner oder Geschäftspartnerinnen war ebenfalls des Öfteren langwierig und zeitaufwendig. Immer wieder kamen Wechsel „retour“.832 Wurden Dritte beauftragt, Gelder einzuziehen, so nahmen sie damit eine Vermittlerrolle ein. Sie suchten die Schuldne825 Vgl. hierzu auch die Ergebnisse Adelheid von Salderns zu Insolvenzen in der Schoeller-Familie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 73–82. 826 Im Jahr 1814 musste der Handelsmann Karcher aus Kreuznach, mit dem Lichtenberger zuvor eng kooperierte, Insolvenz anmelden, vgl.: Rheinischer Merkur, Nr. 55, Koblenz vom 11. 05. 1814. Vier Jahre später befand sich Johann Caspar Scharpff, ein Neffe Johann Heinrichs, in einem Insolvenzverfahren, vgl.: Neue Speyerer Zeitung, Nr. 89 vom 25. 07. 1818 sowie: Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 61 vom 31. 07. 1818, S. 411. Im Jahr 1819 wurde ein Insolvenzverfahren gegen Ludwig Heinrich Schlegel, einen Schwiegersohn Johann Heinrich Scharpffs, eingeleitet, vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 56 vom 27. 07. 1918, S. 413. 827 Philipp Markus Lichtenberger war zwischen 1821 und 1823 als Insolvenzverwalter im Fall Ludwig Beckenhaupts eingesetzt, vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 144 vom 18. 12. 1821, S. 774. In den Jahren 1825 und 1826 wiederum übernahm er die Verwaltung der Masse des insolventen Jacob Friedrich Bernhard, vgl.: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 49 vom 08. 12. 1825 sowie: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 34 vom 09. 02. 1826, S. 139. Johann Heinrich Scharpff war 1824 als ‚Syndicke‘ des Speyerer Handelsmannes Heinrich Grebenau eingesetzt, vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 133 vom 09. 05. 1824, S. 365 f. 828 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 42, Fol. 362 und 600. 829 Vgl.: Ebd. 830 Vgl.: Ebd., Nr. 55, Fol. 75. 831 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 480. 832 Ebd., Nr. 21, Fol. 247.

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rin oder den Schuldner auf, hielten sie oder ihn zur Zahlung an und baten im Weigerungsfall um eine Erklärung.833 So schrieben Lichtenberger & Co. an ihren engen Geschäftspartner J. C. Steiner in Landau im Sommer 1823 zum Beispiel über den Versuch einen Wechsel einzulösen, der Schuldner habe erklärt, er wolle „den Außstellern directe Anschaffung machen“.834 Weitere Konflikte über die Zahlungsmodalitäten betrafen die Abwicklung der Zahlung,835 den Zahlungszeitpunkt,836 die Höhe der Zahlungen,837 Nachverhandlungen oder Reklamationen per Korrespondenz838 oder die geforderten Währungen oder Form der Wechsel. Schließlich konnte die Nichteinlösung von Wechseln auch von der Liquidität der Schuldner und Schuldnerinnen abhängen.839 Im Anschluss retournierten die Geschäftspartner oder -partnerinnen den Wechsel an den Gläubiger oder die Gläubigerin und nannten ihm die Gründe – oder verwiesen auf ein unkooperatives Verhalten. Ein eigenständiges Aushandeln von Zahlungskompromissen durch Dritte wurde zunächst nicht erwartet. Nicht eingelöste Wechsel wurden auch bei sich abzeichnenden Kompromissen zurückgesandt mit dem Verweis, dass der Geschäftspartner oder die Geschäftspartnerin eigenständig über das weitere Vorgehen nicht hätten entscheiden können.840 Nur in Ausnahmefällen wurden Wechsel ohne konkrete Anweisungen der Übersenderin oder des Übersenders „in Händen“841 behalten, um ihre Einlösung abzuwarten oder auf diese hinzuarbeiten. Nach einer Rücksendung eines nicht einlösbaren Wechsels waren die Kaufleute bei ihnen vertrauen Geschäftsfreunden und gut bekannten Schuldnern und Schuldnerinnen auch bereit, die Gelder, ohne dass sie den Wechsel noch vorliegen hatten, in Empfang zu nehmen und abzurechnen.842 Es war nicht ungewöhnlich, wenn Wechsel mehrfach zwischen verschiedenen Parteien hin- und her gesandt und im Zuge dessen die Situation besprochen und Anweisungen zum weiteren Vorgehen übermittelt wurden.843 Die mehrfachen Versendungen stellten dabei sicher, dass der Gläubiger oder die Gläubigerin jederzeit sein oder ihr Vorgehen neu bestimmen konnte. Um die Geldeinzüge durch Dritte effektiver zu gestalten, übersandten die Kaufleuten zusammen mit Wechseln des Öfteren Schilderungen zur Situation und Anweisungen, wie der Geschäftspartner oder die Geschäftspartnerin im Nichtzahlungsfall vorgehen sollte – von der Aushandlung von Ratenzahlungen oder neuen Zahlungszeiträumen844 bis hin zur Einleitung einer Klage.845 In diesem Kontext wurden weitreichende Informationen über den Schuldner oder die Schuldnerin und 833 834 835 836 837 838 839 840 841 842 843 844 845

Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 336 f. Ebd., Nr. 9, Fol. 223 f. Vgl.: Ebd., Nr. 51, Fol. 31. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 9, Fol. 102, 273 f. und 663. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 264. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 273 f. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 187 f., 233 f., 264 und 411. Ebd., Fol. 223 f. Ebd., Nr. 21, Fol. 705. Vgl. z. B.: Ebd., Nr. 9, Fol. 8 und 29 f. Vgl.: u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 144. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 157 f. und Fol. 185. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 144.

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seine oder ihre finanziellen Umstände und das bisherige Geschäftsgebaren weitergegeben, um ein adäquates Vorgehen zu ermöglichen. Dabei wurde sogar gelegentlich die Korrespondenz der Schuldnerin oder des Schuldners zur Information übergeben.846 Akteure und Akteurinnen, die sich unzuverlässig verhielten und auch auf Basis von veränderten Zahlungsmodalitäten ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, büßten nach und nach das Vertrauen ihrer Gläubiger und Gläubigerinnen ein.847 In diesem Fall gingen die Kaufleute von einem respektvollen und vertrauensvollen (meist schriftlich geführten) Gespräch, in dem sie den Ausführungen des Schuldners oder der Schuldnerin zunächst grundsätzlich Glauben schenkten, zu einem kontrollierenden, tief in das Leben des Akteurs oder der Akteurin eindringenden Handeln über. Das Vorgehen im Fall eines Vertrauensverlustes spiegelt sich dabei besonders in der Kommunikation der Speyerer Kaufleute mit ihren Reisenden. Grund für ein nachdrückliches Vorgehen gegenüber Schuldnern und Schuldnerinnen war ein langfristiges Nichteinhalten von Zahlungsabsprachen. In den Schreiben der Kaufleute findet sich stetig der Apell, „dergleichen Sachen nie so lange in Unordnung zu lassen“848 – Geschäfte also schnell auf Basis der getroffenen Absprachen abzuwickeln. Unzuverlässiges Verhalten äußerte sich darin, dass Schuldner oder Schuldnerinnen die Kaufleute „von Tag zu Tag mit Versprechungen herum“849 zogen, „ohne solche zu erfüllen“.850 Handelsreisende im Auftrag Scharpffs und Lichtenbergers waren, neben ihren Tätigkeiten beim Verkauf und Einkauf von Handelswaren und Rohstoffen, auch immer Geldeintreiber.851 Die Geldeintreibungen waren für die Planung der Reisen oft sogar ausschlaggebend und konnten zum hauptsächlichen Arbeitsfeld der Handelsreisenden werden.852 Die wiederholte, persönliche Führsprache auf Reisen beschleunigte die Kommunikation mit dem Schuldner oder der Schuldnerin. Die Anwesenheit eines Kaufmannes, der bei Bedarf vor Ort verweilte, und beauftragt wurde, differenzierte Informationen über die finanziellen Umstände des Schuldners oder der Schuldnerin einzuholen – sie „auszukundschaften“853 – erhöhte den Druck, zu zahlen. Die langen Briefe, die die Speyerer Kaufleute an ihre reisenden Kollegen richteten, vermitteln einprägsam, wieviel Energie Kaufleute in Geldeintreibungen investieren mussten und mit welch detektivischen Methoden sie versuchten, ihre An846 Vgl.: Ebd. 847 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 55, Fol. 674: Scharpff gibt an, dass er einen Professor Kellerhofen aus „Achtung“ bisher nicht verklagt habe, dieser ihn aber immer wieder vertröste. 848 Ebd., Nr. 48, Fol. 364. 849 Vgl.: Ebd., Nr. 9, Fol. 187 f. 850 Ebd., Fol. 8. 851 Vgl. u. a. für das Handelshaus Lichtenberger: Ebd., Nr. 2, Fol. 480; Nr. 3, Fol. 150, 233 f., 469 f., 835; Nr. 10, Fol. 183 und für das Handelshaus Scharpff: Nr. 38, Fol. 101, 155, 179, 279 f., 442, 603 und 753 f.; Nr. 39, Fol. 741; Nr. 42, Fol. 439–444, 501, 577–582, 652, 656– 659, 660 f., 679, 700–702, 722–24, 755–758 und 803; Nr. 54, Fol. 539–545, 632–635, 666– 668, 677, 679 f., 697–699, 703–705, 739–741 und 752 f. 852 Vgl.: Ebd., Nr, 42, Fol. 439–444. 853 Ebd., Nr. 54, Fol. 540.

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sprüche durchzusetzen. Im Jahr 1817 bereiste Johann Wilhelm Lingenfelder aus Gimmeldingen für Joh. Hein. Scharpff unter anderem die Region um das westfälische Münster und versuchte dort von Mitte Juli bis Anfang September vergeblich eine große Guldensumme im vierstelligen Bereich von einem Herrn Jacoby einzuziehen. Da Jacoby vorgab, nicht zahlen zu können, berichtete Lingenfelder immer wieder über die Situation nach Speyer, von wo aus ihm per Korrespondenz Anweisungen übersandt wurden. In den Schreiben wurde der Reisende dazu angehalten, dem Schuldner entschlossen „zu Leibe“ zu rücken und ihm selbst mit „persönlicher Haft“ zu drohen.854 Ähnliche Appelle für ein nachdrückliches Vorgehen finden sich in anderen Schreiben, in denen die Reisenden dazu angehalten wurden, sich nichts vormachen oder sich nicht vertrösten zu lassen, sondern die Schuldner und Schuldnerinnen entschlossen „anzugreifen“.855 Auf Lingenfelder ruhte bei der Suche nach einer Übereinkunft eine große Verantwortung, die ihm gegenüber immer wieder betont wurde – aus dem heimischen Kontor kamen ihm regelmäßig Briefe mit Ermahnungen zu, das Beste für das Handelshaus zu erwirken und alles persönlich in Augenschein zu nehmen. Auf die Aussage eines in Münster ansässigen Advokaten gegenüber Lingenfelder, dass nur eine Klage den Kaufleuten noch zu ihrem Geld verhelfen könne, erwiderte Scharpff aus dem Kontor nur, dass der Advokat auch lediglich Geld verdienen wolle. Er hielt Misstrauen gegenüber Dritten für angebracht und verließ sich allein auf die persönlichen Recherchen seines Reisenden.856 Lingenfelder wurde beauftragt, die Geschäftsbücher Jacobys einzusehen, um sich davon zu überzeugen, dass dieser seinen Gläubigern kein Kapital vorenthielt. Zudem sollte er die Warenlager besichtigen, um hochwertige Waren in Zahlung zu nehmen und im besten Fall in Münster wieder zu veräußern. Außerdem sollte er ermitteln, ob Jacoby noch über Zahlungsansprüche bei Dritten verfügte und ob diese Geldansprüche kurzfristig durchsetzbar waren – in diesem Fall war das Handelshaus bereit Wechsel in Zahlung zu nehmen. Zudem überprüfte und bereiste Lingenfelder den Immobilien- und Landbesitz des Schuldners. Da Jacoby in Staatsdiensten stand wurde Lingenfelder zusätzlich beauftragt, herauszufinden, ob sie als Gläubiger von Seiten der Dienststelle ausgezahlt werden könnten. Zusätzlich wurde ein Kontakt zum Bruder Jacobys aufgebaut, um entweder die Begleichung der Schulden von dieser Seite zu erwirken oder eine Bürgschaft zu erhalten. Da diese umfangreichen Maßnahmen und Recherchen jedoch wenig Erfolg brachten und es kaum absehbar war, dass die Gelder in Gänze gezahlt würden, war Scharpff schließlich bereit bei einer außergerichtlichen Einigung auf 25 bis 50 Prozent seiner Gelder zu verzichten. Ein juristisches Vorgehen wurde als aussichtslos betrachtet, da der Schuldner nachgewiesenermaßen zahlungsunfähig war. Dieses Quellenbeispiel, das in einer außergewöhnlich dichten und langen Korrespondenz überliefert ist, war kein Einzelfall – persönliche Recherchen bis zum 854 Ebd., Nr. 42, Fol. 723 f. 855 Vgl.: Ebd., Nr. 39, Fol. 741. 856 Vgl. zum Briefwechsel mit Lingenfelder: Ebd., Nr. 42, Fol. 577–582, 652, 656–659, 660 f., 679, 700–702, 722–724, 755–758 und 803.

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Herantreten an die Verwandtschaft,857 den Arbeitgeber858 oder bis hin zu Klage-859 oder Haftandrohung860 sind in den Quellen immer wieder zu finden. Da die Kaufleuten im Vorfeld eines juristischen Verfahrens, das teuer und langwierig war und dessen Nutzen als schwer abschätzbar galt, keine Handhabe zur Durchsetzung ihrer Rechte hatten, waren sie bestrebt, den sozialen Druck auf den Schuldner oder die Schuldnerin zu erhöhen. So versandten die Kaufleute häufig Bitten um Unterstützung an Geschäftsfreunde vor Ort, hielten parallel ihre Reisenden per Schreiben zu einem nachdrücklichen Vorgehen an, übersandten dem Schuldner oder der Schuldnerin ermahnende Briefe und nahmen mitunter zusätzlich die Korrespondenz zu einem Advokaten vor Ort auf.861 Der Reisende galt hierbei als effektivstes Mittel zur Interessensdurchsetzung. Zudem war es ein probates Mittel, die auf zahlungsunwillige Schuldner oder Schuldnerinnen gezogenen Wechsel an Dritte weiterzureichen, bei denen die Speyerer Kaufleute Zahlungen zu leisten hatten. Die neuen Wechsel-Besitzer traten dann erneut mit ihren Ansprüchen an die Schuldnerin oder den Schuldner heran, was ebenfalls den Druck erhöhte.862 Wechsel von unzuverlässigen Zahlern oder Zahlerinnen, mit denen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht wurden oder von denen man durch Dritte wusste, dass sie zahlungsunfähig waren, wurden nicht mehr angenommen – ebenso wurde auch bei Aufträgen Dritter der Einzug von Geldern verweigert. Dies bildete eine wirksame Sanktions- und Schutzmaßnahme, da die unzuverlässigen Akteure und Akteurinnen dadurch von Kapitalflüssen abgeschnitten wurden.863 Das Vorgehen der Speyerer Kaufleute im Nichtzahlungsfall zeigt, dass juristische Verfahren, so regelmäßig sie auch in der Korrespondenz angesprochen wurden, nur selten als hilfreiche Option beurteilt wurden.864 Vor dem Kontakt zu einem Advokaten standen vielfältige, eigene Bemühungen. Von Schuldnern und Schuldnerinnen wurde dabei eingefordert, ihre ökonomische Situation offenzulegen, ohne dass bereits eine juristische Handhabe bestand. Eine Klage wurde nur dann in die Tat umgesetzt, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin offensichtlich noch über finanzielle Ressourcen verfügte.865 1818 schrieb Johann Heinrich Scharpff an den von ihm beauftragten Landauer Advokaten in Unmut über ein lang andauerndes, juristisches Verfahren: Ohngeachtet ich Sie […] angelegentlichst ersuchte, die Sache gegen Scolari doch so viel als nur möglich zu beschleunigen […], so erfahre ich nun doch, daß bis jetzt noch immer in dieser Angelegenheit nicht verhandelt worden seye. Durch diesen Verschub verschlimmert sich aber jene Sache immer mehr, und was ich so oft wiederhohlt habe nehmlich wenn darum nicht rasch 857 858 859 860 861 862 863 864

Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 2, Fol. 651; Nr. 42, Fol. 652. Vgl.: Ebd., Nr. 10, Fol. 411. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 46, Fol. 342; Nr. 47, Fol. 471; Nr. 48, Fol. 346; Nr. 53, Fol. 927. Vgl.: Ebd., Nr. 10, Fol. 183 sowie: Nr. 39, Fol. 741 oder Nr. 45, Fol. 632–635. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 13, Fol. 101, 270, 713 f. und 979 f.; Nr. 41, Fol. 276 f. Vgl. u. a.: Ebd., Fol. 1094 und 1170. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 21, Fol. 527 und 728. Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 9, Fol. 71 und 133; Nr. 14, Fol. 144; Nr. 21, Fol. 274; Nr. 42, Fol. 652; Nr. 46, Fol. 342 und Nr. 48, Fol. 364 sowie: Nr. 54, Fol. 353. 865 Vgl. zu den nur gelegentlichen, juristischen Verfahren in der Korrespondenz.: StALu, WS1, Nr. 14, Fol. 144 sowie: Nr. 52, Fol. 298.

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gehandelt würde, so werfen wir nur gutes Geld gegen schlechtes […] suchen Sie das Ende dieser verhaßten Geschäfte bald herbeyzuführen.866

Juristische Verfahren waren teuer und zeitaufwendig867 und verstärkten lediglich den Druck, Verpflichtungen nachzukommen oder halfen, Ansprüche langfristig zu sichern. Private Absprachen und Übereinkommen wurden juristischen Verfahren immer vorgezogen.868 Die Langwierigkeit von Geldeinziehungen im Fall juristischer Verfahren belegt die Insolvenz des Handelsmannes Ludwig Beckenhaupt. Dieser hatte Anfang der 1820er Jahre ein Handelsgeschäft auf der Speyerer Maximilianstraße neben der Hauptwache betrieben. Das Verfahren gegen ihn zog sich über mindestens drei Jahre. So sind bereits 1821 in der Korrespondenz Scharpffs erfolglose Geldeinziehungsversuche nachzuweisen, auch im Auftrag des Amsterdamer Handelshauses Lomann & Comp.869 Im Dezember des Jahres wurde vom königlichen Handelsgericht in Frankenthal das Insolvenzverfahren gegen Beckenhaupt eröffnet. Da er offenbar zahlungsunfähig war und ein Arrangement mit seinen Schuldnern und Schuldnerinnen nicht zustande gekommen war, wurde das ‚Falliment‘ durch die gerichtliche Einsetzung von Insolvenzverwaltern, abgewickelt. Als Insolvenzverwalter – als „Agenten bei gedachtem Falliment“870 – wurden die Handelsleute Philipp Markus Lichtenberger und Heinrich Schulz eingesetzt, die unter der Aufsicht des Bezirksrichters Closmann standen. Die Aufnahme und Eintreibung der Insolvenzmasse gestaltete sich langwierig – bis in den Spätsommer 1823 waren die Insolvenzverwalter bemüht, Besitztümer des verstorbenen Handelsmannes durch Versteigerungen in Geld umzuwandeln.871 Der Korrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lomann & Comp. in Amsterdam lässt sich entnehmen, dass Scharpff auch beim laufendem Insolvenzverfahren bemüht war, einen „geheimen Vertrag“ mit Beckenhaupt abzuschließen, da er glaubte, dadurch seine eigenen und die Ansprüche seiner Geschäftspartner besser durchsetzen zu können.872 Zum potenziellen Erfolg von Gerichtsverfahren lassen sich aus der Korrespondenz der Handelshäuser grundsätzliche Trends ablesen. Innerhalb Speyers oder der näheren Umgebung konnten die Kaufleute noch relativ unkompliziert auf das Speyerer Friedensgericht873 sowie die regionalen Bezirksgerichte zugreifen. Innerhalb der Pfalz und teilweise auch in benachbarten Territorien, wie der badischen Stadt Mannheim, verfügten sie über tragfähige Kontakte – entweder direkt zu Advoka866 Vgl.: Ebd., Nr. 45, Fol. 565. 867 Juristische Verfahren dauerten mindestens einige Monate, mitunter auch mehrere Jahre – entsprechende Klagen finden sich im Schriftverkehr, vgl. u. a.: Ebd., Nr. 45, Fol. 565. 868 Im Jahr 1823 ließ Johann Heinrich Scharpff z. B. ein juristisches Verfahren wieder einstellen – als sein Schuldner Johann Vollmer ihm einen neuen Vorschlag zur Ratenzahlung mit dem Versprechen gab – zeitnah einen Teil seiner Schulden abzutragen, vgl.: Ebd., Nr. 52, Fol. 259. 869 Vgl.: Ebd., Nr. 50, Fol. 383 f. und 536 sowie: Nr. 51, Fol. 77 f., 115 f., 157–159, 170, 204 und 318. 870 Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 144 vom 18. 12. 1821, S. 774. 871 Vgl.: Intelligenz-Blatt des Rheinkreises, Nr. 151 vom 14. 05. 1823, S. 684 f. sowie: Nr. 239 vom 31. 07. 1823, S. 1974. 872 Vgl.: StALu, WS1, Nr. 51, Fol. 116. 873 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 53, Fol. 927 sowie: Nr. 54, Fol. 54 f. und 535.

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ten,874 die sie wiederholt vertraten, oder zu engen Geschäftspartnern und -partnerinnen, die ihnen Advokaten vermitteln konnten.875 Je weiter jedoch die Entfernung und über je weniger enge Kontakte die Kaufleute verfügten, desto schwieriger war es, zuverlässige Advokaten zu finden und je schwieriger konnte die Durchsetzung von gesetzlichen Ansprüchen werden.876 Hierbei hatten persönliche Bekanntschaften und Beziehungen somit eine wichtige Funktion.877 Auch wenn diese in Anbetracht der Langwierigkeit von juristischen Verfahren allein schon innerhalb der Pfalz nicht zu überschätzen sind. Vielmehr bildete die juristische Durchsetzung von Ansprüchen generell ein schwieriges Unterfangen.878 Die Analyse des Umgangs mit Umlaufkapitalien in den Kontoren von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. verweist auf die Komplexität der Verwaltungsarbeiten und den damit einhergehenden Geldflüssen, die auf die schwierige Konstitution der Finanzmärkte zurückzuführen waren. Die Münzvielfalt und die Münzknappheit ließen vielfältige Wechsel-, Umrechnungs- und Beschaffungsprozesse notwendig werden, in denen (familiäre) Beziehungen zu anderen Handelshäusern und zu Privatbankiers eine zentrale Funktion einnahmen. Das Wechseln zwischen verschiedenen Währungen, deren Kurse sich stetig veränderten, brachte Risiken mit sich. Geldsubstituierende Praktiken, wie Geschäfte auf Wechsel und die Gewährung von Krediten auf laufenden Konten, ermöglichten zwar notwendige Handlungsspielräume und wurden im Alltag selbstverständlich eingesetzt. Zahlungsansprüche waren im Fall zahlungsunfähiger oder -unwilliger Schuldner und Schuldnerinnen besonders über weite Distanzen jedoch schwer durchzusetzen. Das Akteurskonzept des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ erforderte Nachsicht mit Dritten, wenn Zahlungen ausstanden und erst, wenn Akteure oder Akteurinnen längerfristig gegen das informelle Regelsystem handelten, wurden Sanktionen legitim. Abweichendes Handeln wurde dann öffentlich gemacht und durch Besuche und Recherchen sozialer Druck aufgebaut. Gelder einzuziehen blieb insgesamt zeit- und kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund war es für die Kaufleute schwer, ihre Geschäfte im Voraus zu planen. Eine Absicherung der eigenen Geschäfte wurde vor allem durch familiär verbundene Handelshäuser und enge Geschäftspartner oder -partnerinnen sichergestellt, zu denen Kontokorrentbeziehungen bestanden. Informelle Kredite halfen, finanzielle Engpässe durch kurzfristige Münzübersendungen und durch die Gestattung umfangreicher Kontoausstände zu überbrücken.

874 Vgl.: Ebd., Nr. 45, Fol. 489 und 565; Nr. 52, Fol. 38. 875 Vgl. zur Einleitung juristischer Verfahren durch Geschäftsfreunde: Ebd., Nr. 42, Fol. 650, 659 f., 607 f. und 767 f.; Nr. 54, Fol. 54 f. 876 Vgl.: Ebd., Nr. 37, Fol. 45–51. 877 Vgl.: Ebd., Fol. 491 f. und 976. 878 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 45, Fol. 489 und 565 sowie: Nr. 54, Fol. 566.

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5.4.3 Handelshäuser als Finanzdienstleister Auf die zentrale Rolle von Handelshäusern für das Funktionieren von Finanzmärkten im frühen 19. Jahrhundert verweist seit längerem die Bankengeschichte: da es in jener Zeit noch an Bankhäusern als auf Finanzgeschäfte spezialisierte Organisationen mangelte, übernahmen häufig Handelshäuser eine Vielzahl von Dienstleistungen.879 Es lässt sich daran anknüpfend fragen, welche Funktionen Handelshäuser wie Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. für die Wirtschaft besetzen und in welchem Bezug diese Stellung zu ihrer Geschäftstätigkeit stand. In den vorhergehenden zwei Kapiteln wurden bereits einige Finanzdienstleistungen, die Kaufleute füreinander erbrachten und die erst ein erfolgreiches Agieren auf überregionalen Märkten ermöglichten, dargestellt. Hierunter fällt vor allem die gegenseitige Kreditgewährung, die sich in der Bereitstellung von Bargeld oder in der Ausstellung und Weitergabe von Wechseln und in einem negativen Kontostand niederschlug. Hinzu kam die gegenseitige Unterstützung bei der Koordination von Finanzflüssen und der Durchsetzung von Zahlungsansprüchen durch Wechselhandel und Geldeinziehungen. Bei der Einziehung von Geldern für Dritte nahmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. in der Provinzhauptstadt des Rheinkreises eine zentrale Funktion für die Region ein. Sie gehörten zu einer Gruppe von kommunikativ weit vernetzten Kaufleuten, die anderen Akteuren und Akteurinnen beim Geldeinzug behilflich sein konnten. Dies geschah nicht uneigennützig – zum einen war es gängige Praxis für diese Dienstleistungen eine Provision zu erhalten und zum anderen verhalf dies anderen Akteuren und Akteurinnen zu neuer Liquidität, die ihnen auch ermöglichte, eventuelle Schulden bei Scharpff und Lichtenberger zu begleichen. Doch auch abseits der alltäglichen Handelsgeschäfte nahmen die Handelshäuser eine zentrale Stellung bei der Koordination regionaler wie überregionaler Finanzflüsse ein. Dies spiegelt sich in besonderem Maße in Anfragen der bayerischen Verwaltung an das Handelshaus Lichtenberger in den 1820er Jahren wider. Im Frühjahr 1826 stellte das königliche Salzamt in Speyer eine Anfrage, unter welchen Bedingungen das Handelshaus eingenommene Gelder in auf Augsburg oder München laufende Wechsel eintauschen könnte, um damit ihre Geldeinnahmen sicher nach Bayern zu transferieren.880 In einem späteren Schreiben bat das Salzamt um eine Auskunft, unter welchen Konditionen Lichtenberger & Co. zusätzlich den Transfer von Geldern von den „verschiedenen Salz Factorien des Rheinkreises“ in die Provinzhauptstadt koordinieren würden.881 Die Kaufleute nahmen den zweiten Auftrag nicht an, sondern verwiesen aus Kostengründen auf die Betreiber bzw. Betreiberinnen privater Postrouten in der Pfalz, die für andere Verwaltungsinstitutionen bereits reduzierte Tarife zum Bargeldtransfer anboten.882 Im Mai 1826 fragte schließlich die Kreiskasse an, zu welchen Konditionen die Kaufleute den Transfer von Geldern nach München organisieren würden. Lichtenberger & Co. übersandten 879 880 881 882

Vgl. u. a.: Pohl, Hans: Das deutsche Bankenwesen (1806–1848), S. 21. StALu, WS1, Nr. 11, Fol. 288 f. Vgl.: Ebd., Fol. 326 f. Vgl.: Ebd.

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ein differenziertes Angebot, in dem sie ihre Modalitäten zum Geldtransfer nach München darlegten.883 Sie erklärten sich bereit, den Geldtransfer teils in Form von Münzen durch regelmäßige Fuhren, teils über die direkte Einzahlungen aus ihren in Bayern erwirtschafteten Geldern bei der dortigen Zentralstaatskasse zu vollziehen. Dafür forderten sie 0,5 Prozent Provision, die vierteljährlich ausgezahlt werden sollte. Für die Sicherheit der Geldtransfers bürgten sie dabei, nicht jedoch bei „unabwendbaaren Ereignisse[n] höherer Gewalt“.884 Als „Caution“ waren sie bereit „nahmhaften Grund“885 in der Speyerer Gemarkung zu hinterlegen. Die Quellen schweigen sich darüber aus, ob Verträge mit dem Salzamt und der Kreiskasse zustande kamen. Dass die Verwaltung sich mit diesen Anfragen an Lichtenberger & Co. wandte, verweist jedoch auf die Stellung, die den Kaufleuten als Experten für Finanztransaktionen zugeschrieben wurde. Die finanziellen Dienstleistungen der Kaufleute wurden gelegentlich auch von Privatpersonen in Anspruch genommen. So logierte im Frühjahr 1840 ein junger Herr namens Robert O’Hara Burke in Speyer.886 Speyer erreichte Burke im März 1840 mit seiner Tante, einer „Lady O’Donel“,887 die ihn hier einquartierte und die für seine Reise notwendigen Finanzflüsse in der Folgezeit aus der Ferne über das Bankhaus Ladenburg in Mannheim koordinieren ließ. Lichtenberger wurde von den Ladenburgs beauftragt, Burke regelmäßig ein Taschengeld auszuzahlen und die anfallenden Rechnungen zu begleichen. Im Anschluss rechneten Lichtenberger & Co. ihre Auslagen mit dem Bankhaus ab. Burke verweilte rund sechs Wochen in der Stadt, in denen er den Abrechnungen zufolge Kosten von 110,22 fl. verursachte.888 Ordnet man die rund 110 Gulden Ausgaben für einen sechswöchigen Aufenthalt des jungen Iren in den historischen Kontext ein, so muss er als Junggeselle einen gediegenen Lebensstil gepflegt haben. Der Rechnungsbetrag kann ungefähr mit dem Jahresgehalt eines Tagelöhners gleichgesetzt werden, der bei einer Sechstagewoche gerade mal rund drei Gulden pro Woche verdiente.889 Gelegentlich nutzen auch regionale Beamte und Militärs die Finanzdienstleistungen der Kaufleute. Lichtenberger & Co. koordinierten zum Beispiel im Jahr 1817 Bargeldübersendungen und Geldeinziehungen des Generaleinnehmers Fliesen von Speyer nach (Bad) Kreuznach890 und von Frankfurt nach Speyer.891 Nutz883 884 885 886

887 888 889 890 891

Vgl.: Ebd., Nr. 11, Fol. 330 f., 427 f. und 428. Ebd., Fol. 427 f. Ebd., Fol. 427 f. Es handelte sich hierbei um den in Irland geborenen Entdecker, der im Jahr 1860 in Australien zu einer Expedition aufbrach, um erstmals den noch weitgehend unbekannten Kontinent zu durchqueren. Von dieser Expedition kehrte er nicht mehr lebend zurück. Als Heranwachsender hatte sich Robert O’Hara Burke zur schulischen Ausbildung auf dem europäischen Kontinent aufgehalten – vorrangig in Belgien. In Speyer hielt er sich vermutlich als Zwischenstopp auf einer Reise nach Österreich auf, wo er in der Folgezeit in die Armee eintrat. Vgl.: Encyclopaedia Britannica, Volume 4, Part 4, S. 835. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 21, Fol. 603. Vgl.: Ebd., Nr. 21, Fol. 603 und 647. Vgl.: Weidmann, Werner: Die pfälzische Landwirtschaft, S. 31. Vgl.: StALu, WS1, Nr. 2, Fol. 636. Vgl.: Ebd., Nr. 3, Fol. 729.

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nießer von Geldtransaktionen waren ferner der regional ansässige Forstmeister Bühler892 sowie der königlich-bayerische Generalkommissar und Regierungspräsident Freiherr von Adrian.893 Neben Handelshäusern konnten von Beamten und Militärs auch offizielle, der Finanzverwaltung des Königreichs Bayern zugeordnete Institutionen, wie Hallämter oder Kreiskassen, genutzt werden, um Gelder über große Distanzen zu transferieren.894 Bei Todesfällen von Familienoberhäuptern oder Insolvenzen von Unternehmen wurden ebenfalls die Dienstleistungen von Kaufleuten und ihren Unternehmen zur Verwaltung von Kapitalien und Finanzflüssen in Anspruch genommen. Lichtenberger & Co. verwalteten nach dem Tod Johann Heinrich Scharpffs im Auftrag seiner Erbinnen den Einzug ausstehender Gelder aus den Geschäften des Verstorbenen.895 Lichtenberger musste dabei, wie er Leonhard Kalb in Nürnberg 1829 mitteilte, bei den einzelnen Transaktionen nach den Anweisungen der Witwe handeln. So schrieb er nach Nürnberg, dass er die Zustimmung von Madame Scharpff zu einer verlängerten Zahlungszeit und einer Zahlung in Raten durch „Zureden“896 gewinnen konnte, sie aber Bedingungen stellte – sie wollte sichergestellt wissen, dass die Gelder auch wirklich eingingen. Ließen sich besonders Frauen bei Todesfällen durch männliche Kaufleute aus ihrer Familie vertreten, so hieß dies augenscheinlich nicht, dass sie nicht selbst Entscheidungen trafen. Aber nicht nur Todesfälle und Insolvenzen im familiären Umfeld beschäftigten die Kaufleute Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger. Sie waren des Öfteren auch als „Syndike“897 – als Insolvenzverwalter – an der Abwicklung von Geschäften und der Durchsetzung von Zahlungsansprüchen insolventer oder verstorbener Unternehmer beteiligt.898 Ebenso wurden sie von offizieller Seite zuweilen als Vormund eingesetzt, um die Finanzen von minderjährigen (Halb-)Waisen zu verwalten.899 Bei der Abwicklung einer Erbschaftsangelegenheit und einer Insolvenz strebten die Kaufleute eine zeitnahe Abwicklung aller Finanzflüsse an.900 Offensichtlich waren Unternehmen oder Erbschaftsangelegenheiten aber auch mit Appellen 892 Vgl.: Ebd., Fol. 578, 594 und 735. 893 Vgl.: Ebd., Nr. 16, Fol. 193, 199, 269, 272 f. und 292. 894 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 1068: Generalszolladministrationsrat von Siebein aus München begleicht eine Weinrechnung bei Lichtenberger & Co. über eine Auszahlung durch das Hallamt in der Rheinschanze sowie: Ebd., Nr. 21, Fol. 157 f., Fol. 185 und Fol. 196: Fürst Carl Theodor von Wrede begleicht eine Rechnung durch eine Anweisung auf das Rentamt in Ellingen. 895 Vgl. u. a. die Korrespondenz mit Carl Lorenz Mayer in München, in: Ebd., Nr. 14, Fol. 56 f. und 289. 896 Vgl.: Ebd., Fol. 189 f. 897 Vgl.: Ebd., Nr. 7, Fol. 831–832. 898 Casimir Lichtenberger und Johann Heinrich Scharpff inserieren in lokalen Blättern, um als Insolvenzverwalter von Heinrich Grebenau seinen Schuldnern eine offizielle Zahlungsfrist zu setzen, vgl.: Speyerer Wöchentliches Anzeige-Blatt, Nr. 34 vom 19. 08. 1824, S. 135. 899 Vgl.: Lichtenberger & Co. schreiben 124 an Johann Heinrich Scharpff „als Vormund der Herr Johann Georg Holzmannschen Kinder“ und zahlen ihm Gelder für einen aus der Erbschaftsmasse der Kinder gekauften Garten, vgl.: StALu, WS1, Nr. 10, Fol. 439. 900 Vgl.: Ebd., Nr. 14, Fol. 502 f. und 889.

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zur Beschleunigung der Zahlungsflüsse nicht zeitnah abzuwickeln. Vielmehr konnten Geldeintreibungen viele Monate bis zu einigen Jahren in Anspruch nehmen und so den Abschluss der Bücher verzögern.901 In Ausnahmefällen fungierten die Speyerer Kaufleute auch als Kreditgeber für Privatpersonen. Zeitweilig erhielten einige Militärs und Beamte Kredite von Lichtenberger & Co. In den Jahren 1835 bis 1839 verliehen sie an den Regierungspräsidenten des Rheinkreises, Fürst von Wrede, mehrere tausend Gulden, der sich jedoch als langsamer Rückzahler entpuppte und den Lichtenberger stetig dazu anhalten musste, seinen Verpflichtungen nachzukommen.902 Im Jahr 1836 lieh Lichtenberger zudem dem Friedensgerichtsschreiber Labroise 250 fl., die ebenfalls nur nach mehrfachen mahnenden Schreiben zurückerhalten werden konnten.903 Die Kreditvergabe fand durch die persönliche Kontaktaufnahme der Beamten zu den Kaufleuten statt. Lichtenberger & Co. boten Kredite nicht öffentlich an und kommunizierten sie nicht als Teil ihres Geschäfts, sondern gewährten sie, sofern sie die Bittsteller oder Bittstellerinnen für vertrauenswürdig hielten. In den Briefen formulierten sie entsprechend, dass sie Kredite als „Gefälligkeit“ bereitstellten.904 In Ausnahmefällen sind in den Briefkopierbüchern von Scharpff und Lichtenberger auch Kreditvermittlungen nachzuweisen. Im letzten Briefkopierbuchband des Handelshauses Joh. Hein. Scharpff findet sich beispielsweise ein Schreiben an den Generalkassierer Fliesen, einen regionalen Beamten. Scharpff schrieb ihm, dass ein Herr Hohenemser aus Mannheim ihn „morgen werden dem beabsichtigten Geschäft besuchen“ würde und er riet ihm, „für den Fall als seine baare Cassa, die er mitbringt, zu jenem Zwecke nicht ausreicht“, dass er ruhig von ihm auch Wechsel auf Frankfurt in Zahlung nehmen könne.905 Bei dem vermittelten Kontakt handelte es sich wahrscheinlich um einen Bankier aus dem jüdischen Bankhaus H. L. Hohenemser & Söhne, die seit 1792 in Mannheim ihre Geschäfte betrieben.906 Scharpff und Lichtenberger waren neben ihren unternehmerischen Geschäftstätigkeiten als Kaufleute, so lässt sich zusammenfassen, zentrale Finanzdienstleister für die bessergestellte Gesellschaft Speyers. Sie transferierten Gelder für Beamte und Bürger und Bürgerinnen, verwalteten Nachlässe und Insolvenzen und vermittelten oder gewährten Kredite. Diese ökonomischen Aktivitäten vernetzte sie mit Akteuren aus der Verwaltung und mit nicht kaufmännisch tätigen Bürgern oder Bürgerinnen. Über Handelshäuser wurden Finanzmärkte für verschiedene, finanziell gutgestellte Gesellschaftsgruppen zugänglich, da sie Finanzflüsse auch jenseits der Handelsbranche gewährleisten konnten. Auf Basis ihres Rufs als solide Kaufleute konnten sie wie selbstverständlich vielfältige Finanzdienstleistungen erbringen. Diese blieben aber immer ein Gelegenheitsgeschäft – die Kaufleute 901 Vgl. u. a.: Ebd., Nr. 14, Fol. 189 f. und Fol. 1001. 902 Vgl.: Ebd., Nr. 19, Fol. 122 f., 148 f. und 780; Nr. 20, Fol. 62, 103, 189, 436 f. und 500 sowie: Nr. 21, Fol. 97, 137, 195 f. und 203. 903 Vgl.: Ebd., Nr. 19, Fol. 461, 869 f., 925 und 933. 904 Vgl.: Ebd., Nr. 19, Fol. 869 f. 905 Vgl.: Ebd., Nr. 41, Fol. 275. 906 Vgl.: Schäfer, Hermann: ‚Ladenburg, Wolf Haium‘, in: Neue Deutsche Biographie, Band 13 (1982), S. 386 f.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

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entwickelten sich, wie der Großteil ihrer Kollegen, auf dieser Grundlage nicht zu Bankiers. 5.4.4 Zwischenfazit: Handelshäuser als zentrale Akteure der Finanzmärkte Ein Überblick über die Kapitalakkumulation und die Investitionen der Unternehmer Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger ergibt ein Bild, das sich auf den ersten Blick mit den bisherigen Forschungsergebnissen zur Unternehmensgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts als kompatibel erweist, da den Kaufleuten vor allem eigenes bzw. familieneigenes Kapital als Grundlage von ökonomischem Engagement diente.907 Hinzu kam im Fall der Speyerer Unternehmer jedoch eine starke kooperative Komponente innerhalb des regionalen Wirtschaftsbürgertums. Durch gemeinschaftliche Investitionen in (neue) Geschäftszweige und in Immobilien gelang es ökonomisches Engagement zu diversifizieren, Kapital zu akkumulieren und Unternehmungen flexibel an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Risiken und Kosten wurden gemeinschaftlich getragen. Diese Kooperationen standen bisher wenig im Fokus der wirtschaftshistorischen Forschung, die sich aktuell vorrangig mit der Bedeutung familiärer Netzwerke für Unternehmer oder Unternehmerinnen in der neuzeitlichen Geschichte beschäftigt.908 Zwar erwecken die Geschäftstätigkeiten von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. den Anschein, dass Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Kaufleuten einen vertrauensvollen Umgang förderten, Familie war jedoch nicht das alleinige Kriterium für eine umfangreiche Kooperation. Es handelte sich bei dem für Finanztransaktionen und zur Kreditgenerierung genutzten Verwandtschaftsnetzwerk nur um eine kleine Gruppe von Akteuren und weniger um ein großes Familiennetzwerk, in das ein Großteil der direkten oder weiteren Verwandtschaft integriert war. Die Ergebnisse der Quellenanalyse lassen somit die Frage aufkommen, inwieweit die Familie als Ressource für Kapital und Arbeitskraft ersetzbar war oder inwieweit eine Ergänzung durch weitere Netzwerke notwendig oder möglich war. Kapital wurde hauptsächlich in Handelsunternehmen, Immobilien- und Landbesitz sowie im Bereich der Infrastrukturverbesserung investiert. Damit besaß das Investitionsverhalten der Unternehmer eine klassische Struktur, bezogen auf die vormoderne Wirtschaft.909 Die vielfältige Erschließung neuer Geschäftsfelder und 907 Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 130–139; Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums, S. 258 f. sowie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 52–73. – Die von von Saldern untersuchten Akteure konnten dabei auf ein umfangreiches, familiäres Netzwerk zurückgreifen, das in einem solchen Ausmaß bei Scharpff und Lichtenberger bei der Kapitalakquise nicht nachweisbar ist. 908 Vgl. u. a.: Hilger, Susanne / Soénius, Ulrich S. (Hg.): Familienunternehmen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert; Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert; Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums; Lutz, Martin: Siemens im Sowjetgeschäft; Panke-Kochinke, Birgit: Die Osnabrücker Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie Gosling; Pierenkemper, Toni: Zur Finanzierung von industriellen Unternehmensgründungen sowie: Soénius, Ulrich S.: Wirtschaftsbürgertum im 19. und 20. Jahrhundert. 909 Vgl. u. a.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 69 f. sowie: Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums, S. 259 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Investitionsmöglichkeiten belegt eine stetige Suche nach Möglichkeiten zur Absicherung und zur Fortentwicklung der ökonomischen Tätigkeiten. Die Vielzahl der erschlossenen Investitionsmöglichkeiten verweisen dabei auf eine gewisse Risikobereitschaft und Umtriebigkeit.910 Die Investitionen führten aber oft nur kurzzeitig zu rentablen Geschäften. Viele Unternehmungen mussten nach wenigen Jahren wieder eingestellt werden. Möglicherweise war es gerade diese Erfahrung, die dazu führte, dass vor allem in Handelsbereiche investiert wurde, in denen die Kaufleute auf bereits vorhandene Immobilien, Arbeitskräfte und Geschäftskontakte zurückgreifen konnten. In innovativen Feldern anderer Branchen legten die Akteure nur in sehr begrenztem Rahmen Geld an – vorrangig tat dies Philipp Markus Lichtenberger im Verlauf der 1820er und 1830er Jahre. Waren die Kaufleute der Handelshäuser Scharpffs und Lichtenbergers bezogen auf ihren Warenhandel auch selbstverständlich überregional aktiv, so beschränkten sie doch ihre Investitionen auf die regionale Wirtschaft und jene Branchen, die einen unmittelbaren Bezug zu ihren Handelshäusern hatten. Diese Beschränkung half, Risiken zu mindern und die pfälzische Wirtschaft zugunsten eines florierenden Außenhandels umzugestalten.911 Die Konzentration auf die nähere Umgebung lag offenbar auch darin begründet, dass die Unternehmer in ihrem als entwicklungsbedürftig empfundenen Umfeld ausreichend neue Projekte anstoßen und ihre Geschäfte immer wieder neu ausrichten konnten. Ein Kapitalmangel, in dem Sinne, dass die Unternehmer Projekte aufgrund von Geldknappheit nicht umsetzten, lässt sich in der Korrespondenz nicht nachweisen. Im Gegenteil deuten einige Quellen daraufhin, dass die Kaufleute lieber nur begrenzt investierten und die Aufnahme von ‚fremden‘ Kapitalien in ihre Unternehmungen kaum zuließen oder anstrebten. Als ‚ehrbare Kaufleute‘ kommunizierten sie nach außen, dass sie Investitionen lieber unterließen, als dass sie Dritte Risiken aussetzten. Investitionen bedurften, ebenso wie die Vermietung und der Verkauf von Immobilien, einer persönlichen Bekanntschaft oder Kontaktaufnahme. Das Pressewesen des frühen 19. Jahrhunderts entwickelte sich noch kaum zu einem Spiegel des lokalen, geschweige denn überregionalen Immobilien- oder Kapitalmarktes. Ebenso wenig traten Bankiers oder Kaufleute öffentlich als Kreditgeber auf und kommunizierten die Kreditvergabe als für viele Akteure oder Akteurinnen zugängliche Dienstleistung. Im Bereich der Investitionsmöglichkeiten warben frühe Aktiengesellschaften zwar für ihre Aktien – zu Investitionen kam es im Fall von Scharpff und Lichtenberger aber nur, wenn sie ein eigenes Interesse an der Entwicklung der Unternehmen hatten und über Kontakte zu involvierten Akteuren verfügten.

910 Andere Fallstudien haben ähnliche Tendenzen in der Unternehmensentwicklung herausgearbeitet und ließen die Unternehmer des frühen 19. Jahrhunderts damit als flexibel und anpassungsfähig erscheinen, vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 52–64 sowie: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 170–182. 911 Ein ähnlich vielfältiges, ökonomisches Engagement, das abseits des Exportgeschäfts vor allem regional verankert war, hat Stefan Gorißen auch bei der von ihm untersuchten Firma Harkort im Ruhrgebiet nachgewiesen, vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 173.

5.4 Kapitalakkumulation und Koordination von Finanzflüssen

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Die Investition in Grundstücke und Immobilien war ein gängiges Mittel, um Kapital langfristig anzulegen.912 Die Bereitstellung und Umverteilung von Immobilien vorrangig über das familiäre Umfeld der Unternehmer ermöglichte die flexible Anpassung von gewerblichen Nutzflächen, wie von Lager- und Produktionsräumen, an die wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Unternehmen. Am Beispiel Johann Heinrich Scharpffs lässt sich zudem die zentrale Stellung von Kaufleuten oder Unternehmern auf dem städtischen Immobilienmarkt Speyers herausarbeiten. Hier könnte bei weitergehenden Studien die Frage gestellt werden, ob die vielseitige Vermietung von Immobilien an Beamte und finanzkräftige Bürger Auswirkungen auf die soziale Stellung und die Vernetzung der Unternehmer innerhalb der Region hatten. Die eigentlichen Einnahmen aus Immobilienvermietungen waren im Verhältnis zu den erwirtschafteten Gewinnen im Handel und der Warenproduktion gering. Immobilien waren vielmehr eine stabile Geldanlage in einer Zeit, in der die Wirtschaft und die eigenen Geschäfte als krisenanfällig wahrgenommen wurden. Die Betrachtung der Verwaltung der Umlaufkapitalien und der Abwicklung von Finanztransaktionen in der Korrespondenz hat es ermöglicht, die Liquidität und Verfügbarkeit von Kapital in den Unternehmen im Kontext der komplexen Situation auf den mitteleuropäischen Finanzmärkten im frühen 19. Jahrhundert einzuschätzen – und herauszuarbeiten, wie diese Liquidität sichergestellt werden konnte. Die Briefkopierbücher zeigen auf, wie die Situation ein großräumiges unternehmerisches Engagement erschwerte. Zugleich konnten anhand der Quellen die Geschäftspraktiken und Kommunikationsformen herausgearbeitet werden, die überregionalen Handel dennoch ermöglichten. Es waren komplexe Kommunikations- und Handlungspraktiken, die erforderten, eine Vielzahl von vertrauenswürdigen Akteuren und Akteurinnen einzubinden, um Kredite zu generieren und Zahlungsansprüche durchzusetzen. Das hauptsächlich eingesetzte Instrument, um in diesem Kontext gegen unzuverlässiges Verhalten vorzugehen, bildete die soziale Sanktionierung durch die Öffentlichmachung von Fehlverhalten und durch den Aufbau von sozialem Druck. Juristische Wege wurden selten eingeschlagen, da ein Verfahren nur in wenigen Fällen als aussichtsreich angesehen wurde. Dies lag auch an der Einsicht, dass eine Zahlungsunfähigkeit bei Schuldnern und Schuldnerinnen leicht eintreten konnte und kosten- und zeitintensive Gerichtsverfahren in diesen Fällen kein Erfolg beschieden sein konnte. Für die Handelshäuser Scharpff und Lichtenberger war es unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im frühen 19. Jahrhundert eine stetige Herausforderung, liquide zu bleiben. Im Kontext der neuzeitlichen Möglichkeiten der Geldsubistitution und Kreditgenerierung halfen vor allem verwandte Kaufleute aus den Familien Scharpff, Lichtenberger und Schlegel sowie frühe Banken in Mannheim und Frankfurt, zu denen enge Geschäftsbeziehungen bestanden, durch die Gewährung umfangreicher Kontoausstände und die Beschaffung großer Bargeldmengen, Geldengpässe zu überwinden. Kapitalien für neue Investitionen konnten zwar aus den Handelsgeschäften der Speyerer Kaufleute agglomeriert werden. In welchem 912 Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 69 f. sowie: Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums, S. 259 f.

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5 Die Geschäftstätigkeit in der Korrespondenz

Umfang und in welcher Zeit dies möglich war, wird jedoch selbst für die Kaufleute schwer abschätzbar gewesen sein, waren sie dabei doch von einer Vielfalt von Akteuren und Akteurinnen abhängig. Es fehlte die langfristige Planbarkeit. In der Korrespondenz ist der unterschiedliche Umgang mit formalen Krediten oder Investitionen externer (Privat)Personen und mit der stetigen informellen Umverteilung und Kreditgenerierung zwischen Wirtschaftenden, besonders – aber nicht nur – im familiären Umfeld, auffällig. Bei der offiziellen, vertraglich abgesicherten Zurverfügungstellung von Kapital zum Beispiel durch Speyerer Beamte oder Privatpersonen, wurde ein besonderer Anspruch kommuniziert, nach dem diese ‚fremden‘ Kapitalien keinem Risiko ausgesetzt werden durften. Die Investitionen von Dritten hielten Scharpff und Lichtenberger aus diesem Grund gering und zahlten Gelder häufig nach kurzer Zeit wieder zurück, mit dem Verweis auf die unsichere, wirtschaftliche Situation. Über die stetig stattfindende informelle Umverteilung großer Kapitalmengen über persönliche Absprachen und Geschäftskorrespondenz zwischen Verwandten und gut bekannten Kaufleuten, wurde anders kommuniziert. Zwar waren die Parteien einander verpflichtet, die Gelder wieder zurückzahlen und bei den Finanzflüssen das Wohl des oder der Anderen berücksichtigen, aber informell zugestandene Zahlungsausstände und zur Verfügung gestellte Gelder wurden nicht explizit als ‚Fremdkapital‘ kommuniziert, wie es bei Privatinvestitionen oder Kapitalbereitstellungen von Bankiers der Fall war. Die informelle Umverteilung von Geldern im Geschäftsverkehr bildete eine Notwendigkeit und eine Selbstverständlichkeit für die Handeltreibenden, auf die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht verzichtet wurde. Für die mitteleuropäischen Finanzmärkte nahmen Handelshäuser wie Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. eine zentrale Stellung ein. Sie ermöglichten weitläufige Finanztransaktionen, trieben Geldausstände ein und gewährten Kredite. Sie waren als Dienstleister eine Stütze des Finanzsystems. In dieser Rolle wurden sie von Bürgerinnen und Bürgern, Beamten und staatlichen Organisationen als Finanzexperten genutzt. Finanzdienstleistungen blieben aber Gelegenheitsgeschäfte. Die Position der Kaufleute als Finanzdienstleister der Region verweist ebenso wie ihre Position als Immobilien- und Landbesitzer auf die komplexe Vernetzung der Akteure mit der sie umgebenden Wirtschaft und der Gesellschaft. In diesem Kontext wurde Arbeit nicht nur aufgrund von eigenem Profitstreben erbracht, sondern ist auch im Gesamtkontext zu sehen, in dem vielfältige Akteure und Akteurinnen aufeinander angewiesen waren – zur Bestreitung ihrer Existenz im Kontext eines kooperativen Wirtschaftens.

6 FAZIT: NEUE PERSPEKTIVEN AUF UNTERNEHMEN DES FRÜHEN 19. JAHRHUNDERTS Die vorliegende Studie zu den Speyerer Handelshäusern Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. leistet einen Beitrag zur Erforschung von Unternehmen und Unternehmertum vor dem Durchbruch der Industrialisierung in Deutschland. Dabei liegt der Ertrag der Studie auf drei Ebenen: Zunächst liegt ihr Wert in der Erschließung einer bisher kaum in der Forschung beachteten Quellengattung und in einer damit verbundenen, neuen Forschungsperspektive. Die Erforschung von Briefkopierbüchern lenkt den Blick auf alltägliche Kommunikationsprozesse und Wirtschaftspraktiken. Zweitens erschließt diese Dissertation einen innerhalb der Wirtschaftsgeschichte kaum erforschten Raum, die bayerische Rheinpfalz zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und drittens ermöglicht die Arbeit mit ihrer institutionentheoretischen Fundierung einen theoriegeleiteten Blick auf unternehmerisches Handeln. Im Folgenden fasse ich vor diesem Hintergrund die zentralen Erkenntnisse über die Unternehmensentwicklung von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. sowie über die in ihnen agierenden Unternehmer, Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger, zusammen – in dem Bewusstsein, dass ich mir trotz eines breiten Ansatzes in der theoretischen Hinführung und einem breiten Quellenstudium nur gewisse Aspekte der komplexen Unternehmensentwicklung erarbeiten konnte. Ich diskutiere dabei die Ergebnisse vor dem Hintergrund aktueller Studien zu deutschen Unternehmen in einem ähnlichen Untersuchungszeitraum: Stefan Gorißens Studie zur Firma Harkort und Adelheid von Salderns Studie zur Unternehmerfamilie Schoeller. Diese umfangreichen Einzelstudien bilden den aktuellen Stand der Forschung zu Unternehmen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in Deutschland ab. Zudem ordne ich die Ergebnisse in die pfälzische und deutsche Wirtschaftsgeschichte ein. Mein Fazit strukturiere ich nach den Erkenntnissen, die ich aus der Quellenanalyse gewonnen habe. Als erstes nehme ich die Struktur der Unternehmen in den Blick und beantworte die Frage, welche Märkte bedient wurden und welche Auswirkungen die Marktstrukturen auf die Organisation von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. – die Geschäftsbereiche und die Abwicklung von Geschäften – genommen hat. Damit trage ich die neuen Erkenntnisse zusammen, die sich aus der Erforschung pfälzischen Unternehmertums als bisher vernachlässigter Unternehmergruppe ergeben. Sie helfen, die wirtschaftlichen Entwicklungen in einer im Industrialisierungsprozess eher als peripher angesehenen Region, nachzuvollziehen. Im zweiten Abschnitt schaue ich detaillierter auf die spezifischen Ausprägungen von Kommunikations- und Handlungspraktiken der Handelshäuser, die die Abwicklung von Geschäften ermöglichten und in ihrem Ablauf sowie in ihrem Zu-

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schnitt prägten. Diese Perspektive trägt der Quellengattung Rechnung, die in dieser Studie herangezogen wurde. So ermöglichen gerade Studien auf Basis von Briefkopierbüchern einen differenzierten Blick auf alltägliches Wirtschaften und dessen Prägung durch historische Rahmenbedingungen. Drittens frage ich schließlich inwiefern das historische Institutionensetting – bestehend aus formellen und informellen Regeln – Auswirkungen auf die Spielräume für ökonomisches Handeln im frühen 19. Jahrhundert hatte. Damit erschließe ich das Potenzial des institutionentheoretischen Zugangs dieser Arbeit. Zum Abschluss erörtere ich einige offene Fragen, die Thema weiterführender Forschung sein können. Pfälzisches Unternehmertum am Übergang zu einer großräumigen Marktwirtschaft Im Zentrum dieser Studie ökonomischer Kommunikations- und Handlungspraktiken im frühen 19. Jahrhundert standen Geschäftsbriefe. Diese Quellengattung gibt auf der Ebene quantitativer Auswertungen Auskunft über den geografischen Kommunikations- und Aktionsradius von Unternehmen – und somit über die Märkte, auf denen sie agierten und an deren Struktur und Entwicklungsprozesse sie sich anpassten. Das Kommunikationsnetzwerk der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. dehnte sich auf viele Territorialstaaten des Deutschen Bundes und gelegentlich darüber hinaus, nach Frankreich, in die Schweiz und in die Niederlande, aus. Die Korrespondenz beider Handelshäuser hatte dabei eine ähnliche Ausdehnung. Überregionale Kommunikationsschwerpunkte bildeten das Rheinland, Westfalen und die sächsisch-thüringische Region. Aber auch der bayerische Markt und die Pfalz waren als direktes Umfeld der Handelshäuser hochfrequentiert. Scharpff und Lichtenberger bildeten damit im Fern- und Großhandel aktive Unternehmen. Die Handelstätigkeit von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lässt sich auf der einen Seite von einer kleinen Gruppe globaler Akteure und Akteurinnen im Europa des frühen 19. Jahrhunderts abgrenzen, wie zum Beispiel dem Londoner Bankhaus N M Rothschild & Sons, das Korrespondenzen bis nach Mexiko oder Sankt Petersburg unterhielt,1 oder von den von Adelheid von Saldern untersuchten Dürener Schoellers, die ihre hochwertigen Tuchwaren unter anderem in südeuropäische Staaten oder nach Russland verkauften.2 Auf der anderen Seite standen den Kaufleuten in der Wirtschaft jene Akteure oder Akteurinnen gegenüber, die mit ihren Tätigkeiten auf ihr lokales oder regionales Umfeld beschränkt blieben. Ihnen lässt sich im frühen 19. Jahrhundert die Mehrheit der Bevölkerung zuordnen. Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger waren somit Akteure mit 1 2

Vgl.: Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons, S. 35–89. Innerhalb Europas existierte eine Vielzahl von Privatbanken im frühen 19. Jahrhundert, die aber häufig einen weitaus geringeren Geschäftsradius hatten und denen oft nur regionale Bedeutung zukam, vgl.: Ebd., S. 17. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 114–128.

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einem Aktionsradius mittlerer Reichweite, die sich jedoch von der breiten Masse der Wirtschaftenden signifikant abhoben. Die Analyse der Briefkopierbücher hat neben dem Aktionsradius auch die Struktur des Warenabsatzes und seine Entwicklungstendenzen am Beispiel einzelner Regionen offengelegt. Hierbei zeigt sich, wie die Unternehmen sich mit der Auswahl ihrer Waren und Produkte und mit der Organisation ihres Vertriebs an regionale und überregionale Marktsituationen anpassten bzw. vorhandene Nachfragekonstellationen für sich nutzten. Ein Vergleich der pfälzischen Tabak- und Weinhändler mit den Ergebnissen anderer Studien verweist auf unterschiedliche Absatzstrukturen von Unternehmen des frühen 19. Jahrhunderts. Diese entwickelten sich beeinflusst durch den Standort und die kommunikations- und verkehrsinfrastrukturellen Anbindungen, die verfügbaren Rohstoffe oder Waren, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Nachfrage. Die in der Metallbranche tätigen Harkorts in Hagen, die Papier- und Tuchproduzenten Schoeller aus Düren sowie die Scharpffs und Lichtenbergers in Speyer waren nach 1815 mit ihren Hauptstandorten alle in kleineren Städten des Deutschen Bundes angesiedelt, die – aufgrund des hohen Entwicklungsstands der Postsysteme – in schneller Frequenz mit einer Vielzahl urbaner Zentren kommunizieren und interagieren konnten.3 Die dichte Überlieferung von Korrespondenz aus den Häusern Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. verweist dabei auf die Alltäglichkeit des Briefeschreibens über weite Strecken zwischen urbanen Zentren. Der Briefverkehr war zum stetigen Begleiter des alltäglichen Wirtschaftens geworden. Im Zentrum der Vertriebstätigkeit dieser Organisationen standen unterschiedliche Waren. Produzierten die Schoellers hochwertige Tuche und Papiere, die als Luxusgüter hochpreisig verkauft wurden, so waren es im Fall der Harkorts hochwertige Gebrauchsgüter wie Sensen. Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. vertrieben überregional Nahrungs- und Genussmittel – und dies im Fall des Tabaks in weitgehend unverarbeiteter Form. Zwar bedienten sie mit ihren Weinen mitunter finanzkräftige Bevölkerungsgruppen, dies aber nur sehr begrenzt – Handel mit pfälzischen Weinen war ein Gelegenheitsgeschäft. Im Rohtabakhandel entwickelte sich zwar eine überregionale Nachfrage nach pfälzischem Tabak, da dieser in seiner Qualität die anderen deutschen Erzeugnisse übertraf, er stand jedoch hinter amerikanischen Erzeugnissen zurück. Pfälzische Tabake wurden zu Produkten verarbeitet, die sich nach der Ausbreitung des Tabakkonsums im Europa der Frühen Neuzeit an eine breite Kundschaft richteten. Erschwerend kam hinzu, dass das formelle Institutionengefüge mit hohen Zöllen für verarbeitete Waren sowie die Besetzung des mitteleuropäischen Marktes mit einer Vielzahl von Produzenten und Produzentinnen keinen großräumigen Absatz von Manufakturtabaken ermöglichte. Die Qualität der pfälzischen Erzeugnisse im Kontext der überregionalen Marktsituation bedingte somit, dass sich Scharpff und Lichtenberger keine überregionale oder gar globale 3

Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 217–220 sowie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 272 f.

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Marktnische erschließen konnten. Dies gelang den Schoellers und Harkorts mit ihren weiterverarbeiteten Waren in weit umfangreicherem Maße. Der Warenabsatz wurde auch durch den Aufbau der Unternehmen und ihre Beziehungen nach außen unterschiedlich strukturiert. Während die Schoellers den überregionalen Absatz über eigene Niederlassungen und Kooperationen mit Kommissionären oder Großhandelshäusern koordinierten, die eigene Warenlager unterhielten, war ein solch verstetigtes Absatznetzwerk weder bei der Firma Harkort noch bei Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. anzutreffen. Scharpff und Lichtenberger vertrieben ihre Waren vorrangig über Geschäftskorrespondenz und Reisende direkt an eine Vielzahl von Endabnehmern und Endabnehmerinnen oder kleine Zwischenhändler und Zwischenhändlerinnen. Die Korrespondenz als Medium der individuellen Geschäftsabwicklung spielte damit eine zentrale Rolle, da jeder Geschäftsabschluss über das Speyerer Kontor abgewickelt wurde. Daneben halfen lediglich die über weite Distanzen jährlich stattfindenden Rundreisen den Verkauf zu koordinieren und forcieren.4 Die Nachfrage auf überregionalen Märkten beeinflusste somit die Absatzorganisation der Unternehmen. Auf den ersten Blick ähnlich erscheinende Absatzstrukturen sind aber nicht unbedingt auf ähnliche Marktsituationen und Strategien zurückzuführen. Die Harkorts entwickelten sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts von Kaufleuten, die vor allem Großhändler in wenigen, zentralen Handelsstädten mit einer Vielzahl von Metallprodukten versorgten, hin zu Kaufleuten, die einen breiten Kreis von Abnehmern oder Abnehmerinnen in einer steigenden Anzahl von Orten direkt belieferten. Gorißen sieht hierin einen Vorteil für die Unternehmen, da weniger Akteure oder Akteurinnen zwischengeschaltet waren und sich dadurch höhere Gewinne erwirtschaften ließen.5 Direktvertrieb bildete hier eine effiziente Antwort auf eine konstante, zuverlässige Nachfrage. Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. vertrieben ihre Waren ebenso meist direkt an Endabnehmer und -abnehmerinnen sowie Kleinhändler und Kleinhändlerinnen. Sie waren aber bestrebt, eine entgegengesetzte Entwicklung zu vollziehen, wie die Harkorts: Sie versuchten, Kommissionsverhältnisse aufzubauen oder Waren an zentrale Großhändler bzw. Großhändlerinnen zu verkaufen, um den Warenabsatz zu verstetigen. Kooperationen kamen jedoch selten zustande und blieben stets fragil. Offenbar war der Handel der pfälzischen, landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht lukrativ genug. Externe Kaufleute zum Beispiel aus Bayern waren kaum bereit, große Warenmengen auf eigenes Risiko einzukaufen oder für deren Weiterverkauf auf Provision zu sorgen. Adelheid von Saldern hingegen konnte im Fall der Schoeller-Häuser nachweisen, dass es ihnen über den Aufbau von Niederlassungen und die Etablierung langfristiger Geschäftsbeziehungen zu Kommissionären gelang, einen stabilen Absatz sicherzustellen.6 Für ihre hochwertigen Tuche bestand eine konstante und umfang4 5 6

Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 187–191 sowie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 121–125. Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 186–187. Der Aufbau langfristiger Beziehungen zu Kommissionären, denen Adelheid von Saldern einen zentralen Stellenwert im Warenabsatz der Schoeller-Häuser attestierte, stellte aber auch die

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reiche Nachfrage in verschiedenen Regionen, die den Aufbau eines relativ festen, verstetigten Absatznetzwerkes ermöglichte. Die unterschiedlichen Absatzstrukturen der Hagener Eisenproduzenten, der Dürener Textilproduzenten sowie der Speyerer Tabak- und Weinhändler spiegeln somit die unternehmerischen Strategien im Umgang mit verschiedenen Marktkonstellationen: Scharpffs und Lichtenbergers Strategie konzentrierten sich auf eine Absicherung und Verstetigung des Geschäfts, was ihnen jedoch nicht in dem Maße gelang, wie den Schoellers. Die Harkorts hingegen waren auf fest institutionalisierte Absatzstrukturen nicht (mehr) angewiesen. Diese Unterschiede in der Entwicklung sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Schoellersche und der Harkorter Warenabsatz in weit größerem Maße als eine Expansionsgeschichte beschrieben werden kann. Adelheid von Saldern und Stefan Gorißen konnten in ihren Studien entsprechende Entwicklungstrends herausarbeiten, wie die Ausweitung von Absatzmärkten und die zunehmende Spezialisierung im Handel auf qualitativ hochwertige Fertigprodukte und eine damit einhergehende Steigerung der Gewinne – auch wenn dieser Trend durchaus von Krisen- und Stagnationsphasen unterbrochen wurde. Die Handelsgeschäfte von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. vermitteln hingegen eher den Eindruck eines stagnierenden und unsicheren Geschäftszweigs. Größere Expansionsprozesse durch die Erschließung neuer Absatzmärkte oder eine bedeutende Steigerung des Absatzes sind zwischen 1815 und 1840 nicht nachweisbar. Der Fernhandel von Rohtabak und Wein aus der Pfalz bedurfte der stetigen Kontaktpflege und breitgestreuter, kontinuierlicher Werbemaßnahmen. Neben dem Warenabsatz bildete die Verwaltung und die Durchsetzung der aus den diversen Warentransaktionen resultierenden Geldansprüche im Nachgang der Geschäfte eine große Herausforderung. Ohne festes Vertriebsnetzwerk bestand auch kein ausgeprägtes und stabiles Netzwerk für Geldtransaktionen. Unterschiedliche Möglichkeiten des Warenabsatzes beeinflussten neben der Organisation einzelner Arbeitsfelder, wie der Distribution, auch den Aufbau von Unternehmen. Die Unternehmensstruktur von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. folgte ebenfalls anderen Entwicklungspfaden als die der Schoellers oder Harkorts. Die relative Stagnation im Fernhandelsgeschäft hatte aber keineswegs zur Folge, dass die Organisationen sich nicht fortentwickelten. Die im Zeitverlauf erschlossenen Tätigkeitsfelder – von Produktion und Distribution – sowie die getätigten Investitionen standen lediglich in einer anderen Beziehung zueinander. Nicht nur die Absatzstrukturen spiegeln somit Strategien im Umgang mit Marktkonstellationen, sondern auch die gesamte Struktur der Unternehmen. In der zum Ende der Studie über die Firma Harkort entwickelten „Typologie der vorindustriellen Kaufmannschaft“7 präsentiert Stefan Gorißen drei klassische Idealtypen vorindustrieller Unternehmer oder Unternehmerinnen, die er über die Struktur ihrer Unternehmen definiert: den ‚Nur-Kaufmann‘, dessen Geschäft

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Tuch- und Papierfabrikanten vor vielfältige Herausforderungen und die Beziehungen waren durchaus im Wandel begriffen, vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 248–251. Vgl.: Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 369.

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allein im Ein- und Verkauf von Waren auf Märkten bestand, den ‚Verleger‘, der „die dezentralen heimgewerblichen Exportgewerbe koordinierte und das entscheidende Scharnier zwischen der regionalen protoindustriellen Produktion und den entfernten Absatzmärkten bildete“8 sowie den ‚Betreiber von Manufakturen‘, der den gesamten, vorgelagerten Produktionsprozess seiner Handelstätigkeit in sein Unternehmen integrierte. Diese drei Idealtypen unterschieden sich vor allem durch ihre Orientierung in Bezug auf die Produktionssphäre, aber auch zum Beispiel durch ihren Standort. Reine ‚Nur-Kaufleute‘ agierten im frühen 19. Jahrhundert vorrangig in großen, urbanen Handels- und Gewerbezentren, während die anderen beiden Typen eher geneigt waren, sich in ländlicheren Regionen niederzulassen – in der Nähe von selbständigen Gewerbebetrieben oder dort, wo Platz war, zum Aufbau eigener Produktionsstätten.9 Vor dem Hintergrund der Gorißschen Typologie lassen sich empirische Befunde zu verschiedenen vorindustriellen oder frühindustriellen Unternehmen einordnen. Die Harkorts bildeten für Gorißen einen vierten Kaufmannstypus. Sie gehörten zu einer Gruppe von Kaufleuten, die zwischen Verlegern und Manufakturbetreibern angesiedelt waren, da sie nicht „mehrere Stufen eines arbeitsteiligen Produktionszusammenhanges unter einem Dach zusammenfassten, sondern mit einer begrenzten Zahl von Arbeitern produzierten und ihrerseits in eine dezentrale Produktionsstruktur eingebettet“10 blieben. Sie integrierten in ihre Unternehmen einzelne Verarbeitungsschritte wie die Produktion von Stabeisen und Stahl.11 Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. unterscheiden sich sowohl von den drei zentralen Idealtypen als auch von den Harkorts als viertem Unternehmertypus. Distribution und Produktion waren in ihrem Fall weniger klar aufeinander bezogen. Scharpff und Lichtenberger bildeten einen Unternehmertypus, der zwischen ‚NurKaufmann‘ und Manufakturbetreibern oder -betreiberinnen angesiedelt war. Der Fernhandel von Scharpff und Lichtenberger wurde, sieht man einmal von den im Unternehmen geleisteten Sortierarbeiten und der Haltbarmachung landwirtschaftlicher Erzeugnisse ab, vorrangig von Marktprozessen geprägt. Beides fand in Interaktion mit potenziell austauschbaren, diversen Akteuren und Akteurinnen statt. Der Einkauf bezog sich fast ausnahmslos auf landwirtschaftliche Erzeugnisse der Pfalz, die im Anschluss überregional vertrieben wurden. Überregionale Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage schlugen sich in der Preisgestaltung und der Absatzfähigkeit von Rohstoffen nieder. Die Struktur des Handels von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. ist somit tendenziell dem Geschäftsmodell des ‚Nur-Kaufmanns‘ zuzuordnen. Die Manufaktur, die vor 1815 zunächst von Johann Heinrich Scharpff und später von Philipp Markus Lichtenberger betrieben wurde, stand im Untersuchungszeitraum in keinem Zusammenhang zum Groß- und Fernhandel der Häuser. Vielmehr bedienten Lichtenberger & Co. mit ihren Rauch- und Schnupftabaken einen regionalen Markt, der sich durch die Ausweitung des Tabakkonsums im Verlauf der 8 9 10 11

Vgl.: Ebd., S. 371. Zur Typologie der vorindustriellen Kaufleute, vgl.: Ebd., S. 369–367. Gorißen, Stefan: Vom Handelshaus zum Unternehmen, S. 373. Vgl.: Ebd., S. 262 f. und 373.

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Frühen Neuzeit entwickelt hatte.12 In der Tabakbranche war der Einstieg in die Produktionssphäre aufbauend auf den Kenntnissen der Kaufleute bei der Lagerung, dem Versand, der Sortierung und der Fermentation der Rohstoffe sowie ihrer Erfahrungen im Warenvertrieb kein großer Entwicklungsschritt. Die Investitionen blieben im Vergleich zum Aufbau industrieller Produktionsstätten gering. Die in der Manufaktur produzierten Waren deckten ein umfangreiches Spektrum von Rauchund Schnupftabaksorten ab, um verschiedene Bevölkerungsschichten der Pfalz zu bedienen. Die Kombination von Rohstoffgroßhandel und Tabakmanufaktur ermöglichte regionale wie überregionale Absatzmöglichkeiten parallel zu nutzen. Das Unternehmen vergrößerte damit seine Einnahmen und wurde krisenfester. Eine ähnliche Strategie lag auch der Neugründung des Handelsunternehmens in der Rheinschanze zugrunde. Dieses diente als Spedition für die Speyerer Handelshäuser und widmete sich daneben neuen Geschäftsfeldern, die sich aus der Einbindung des Unternehmens in die Rheinhandelsströme entwickeln ließen – wie der Kolonialwarenhandel und die Warenspedition. Der Aufbau dieses Unternehmens ist wie der Aufbau der Manufaktur einer Diversifizierungsstrategie zuzuordnen. Die Kombination von Groß- und Fernhandel mit einer eigenen Produktion und eine Ausrichtung des Vertriebs sowohl auf einen regionalen wie auch auf einen überregionalen Markt beschreibt eine Unternehmensentwicklung, die innerhalb der Pfalz in bayerischer Zeit offenbar weit verbreitet war. Der Schwerpunkt des Großhandelsgeschäfts blieb auf den Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und den Import von Kolonial- und Luxuswaren fokussiert.13 Auf Basis der regionalen Nachfrage entwickelten sich zum Beispiel in Speyer einige, von Kaufleuten aufgebaute Manufakturen, die landwirtschaftliche Erzeugnisse zu relativ massentauglichen Produkten verarbeiteten. Zu denken ist dabei beispielsweise an die „Essigfabrik“ des Kaufmanns Folz.14 Die Kaufleute waren aufgrund ihrer finanziellen Spielräume und beruflichen Kenntnisse in der Lage, die Weiterverarbeitung in größeren Produktionsstätten zu bündeln und den Vertrieb über ihre Läden und Kontore zu organisieren. Neben Produktionsstätten für Nahrungs- und Genussmittel oder relativ alltägliche Konsumgüter bestanden in der Pfalz nur wenige Unternehmen, wie die metallverarbeitenden Betriebe der Gienanths,15 denen es gelang, sich weiträumige Exportmärkte zu erschließen.16 Die Geschäftstätigkeit von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger steht damit stellvertretend für einen Typus vorindustrieller Unternehmer oder Unternehmerinnen, der in der Pfalz stark vertreten war17 – und wahrscheinlich auch für einen Typus, der in anderen

12

13 14 15 16 17

Vgl. zur allmählich wachsenden Nachfrage am Beispiel Preußens, die im Verlauf des 18. Jahrhundert die Entwicklung von Manufakturen im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelproduktion ermöglichte: Ellerbrock, Karl-Peter: An der Schwelle zur Konsumgesellschaft, S. 275– 279. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 74 f. Vgl.: Fenske: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 132. Vgl. zur Einführung: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 50–53. Vgl.: Fenske, Klaus: Speyer im 19. Jahrhundert, S. 132. Vgl.: Gruber, Hansjörg: Die Entwicklung der pfälzischen Wirtschaft, S. 69–73.

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Regionen Mitteleuropas, deren Wirtschaft ähnlich strukturiert war, im 18. und frühen 19. Jahrhundert vielfältig aufgefunden werden kann.18 In der Unternehmensentwicklung von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. spielte weniger das Ziel von möglichst großem Wachstum und Marktexpansion, sondern vielmehr die realistische Einschätzung der begrenzten Nachfragesituation und das Bedürfnis nach einer Absicherung des eigenen Status eine zentrale Rolle. Dies spiegelt sich in der Investitionstätigkeit der Unternehmer. Sie waren bestrebt, mit dem Kauf von Immobilien, mit ihrem Engagement für das noch junge Versicherungswesen und ihren Investitionen in Infrastrukturprojekte, die Rahmenbedingungen für ihre Handelsgeschäfte zu verbessern. In neue Geschäftsfelder investierten sie häufig kooperativ und verteilten damit Risiken zwischen regionalen Akteuren. Die Unternehmensstrategie war somit anders gelagert, als dies bei den bisher häufiger untersuchten, frühindustriellen Akteuren oder Akteurinnen der Fall war. Aber auch die Strategie der Scharpffs und Lichtenbergers bildete eine erfolgreiche Anpassung an die Rahmenbedingungen des frühen 19. Jahrhunderts. Sie konnten über Jahrzehnte hinweg solide wirtschaften und ihren ökonomischen und sozialen Status innerhalb der Region sichern. Der Umstieg auf andere ökonomische Tätigkeiten – zum Beispiel durch einen Wechsel der Branche oder eine Umsiedlung in eine andere Region – wurde nicht angestrebt. Auch wenn die Biografien von Scharpff und Lichtenberger zeigen, dass sie mobil waren und ihr ökonomisches Engagement im Kontext tiefgreifender Wandlungsprozesse, wie sie mit dem Aufbau der französischen Herrschaft über die Pfalz oder der territorialen Neuordnung auf dem Wiener Kongress einhergingen, flexibel anpassten. Dies betraf ihre Geschäftsfelder ebenso wie ihre Unternehmensstandorte in der Region. Die Harkorts, die Schoellers, die Scharpffs und die Lichtenbergers suchten und fanden somit unterschiedliche Wege zur Anpassung an die historischen Marktkonstellationen. Auf Basis der Analyse der Geschäftsfelder und der Organisationsformen der Unternehmen lassen sich erste Überlegungen dazu anstellen, warum sich die Schoellers und die Harkorts im frühen 19. Jahrhundert bereits zu Industriellen entwickelten, während dies bei den Scharpff und Lichtenberger nicht der Fall war. Eine stabile oder wachsende Nachfrage auf überregionalen Märkten nach hochpreisigen Fertigprodukten ermöglichte es in der Metall-, Textil- und Papierbranche, die eigene Produktion kontinuierlich fortzuentwickeln. Sie rückte bei den Harkorts und Schoellers damit in den Mittelpunkt ihrer unternehmerischen Aktivitäten.19 Für Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. sowie für die Mehrheit der Kaufleute, deren Geschäftsfelder nicht den frühen Leitsektoren der Industrialisierung zuzuordnen sind, stellten jedoch weder der regionale noch die überregionalen Märkte eine solche Nachfrage zur Verfügung, um über eine Spezialisierung der Produktion expansiv Märkte zu erschließen und dabei einen stetigen Weg der Integration, Spezialisierung und Technisierung einzuschlagen. 18 19

Vgl. zur Entwicklung der Nahrungsmittelgewerbe vor dem Hintergrund wachsender Nachfrage seit dem 18. Jahrhundert, vgl.: Ellerbrock, Karl-Peter: An der Schwelle zur Konsumgesellschaft. Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 129–144.

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Kommunikations- und Handlungspraktiken in der Wirtschaft Kommunikation bildet die Grundlage von Informationsflüssen und Transaktionen auf Märkten. Handeln wurde in der neuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte Europas zunehmend schriftlich vermittelt. Schriftliche Kommunikationsformen ergänzten und ersetzten persönliche Anwesenheit, mündliche Kommunikation und Handeln vor Ort, die in der Vormoderne Wirtschaften bestimmten. Neue Kommunikationsmedien und Kommunikationspraktiken vergrößerten Handlungsspielräume. Sie ermöglichten die Interaktion über Distanzen. Schriftliche Kommunikation bildete damit eine wichtige Basis für die Entwicklung globaler Märkte. Im Zentrum dieser Studie zu Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. standen die Abwicklung alltäglicher Transaktionen und die Ausgestaltung der damit verbundenen Kommunikationsprozesse. Ein zunehmendes Agieren auf großräumigen Märkten in Interaktion mit einer Vielzahl von Akteuren oder Akteurinnen bildete im Verlauf der neuzeitlichen Geschichte einen Trend, der Unternehmer und Unternehmerinnen vor große Herausforderungen stellte. Zu ihrer Bewältigung wurden neue Kommunikations- und Handlungspraktiken benötigt. Die Möglichkeit einer Interaktion über weite Distanzen wurde zum Beispiel von der Entwicklung kaufmännischer Buchführungssysteme, den Praktiken des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der Entwicklung von Briefschreibetechniken beeinflusst. Die ökonomischen Kommunikationsformen bildeten dabei jenes Feld, das in der Unternehmensgeschichte bisher am wenigsten als strukturierendes Element von Transaktionsprozessen thematisiert wurde. Hier konnte die vorliegende Studie eine Lücke schließen. Die in Form von Kopierbüchern systematisch gesammelten Briefe von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. sind einem Schreibgenre zuzuordnen, das der rein ökonomisch-sachbezogenen Kommunikation dienen sollte. Die vorliegende Studie hat mit der Einordnung und Untersuchung der Geschäftskorrespondenz dazu beigetragen, den Blick für unterschiedliche Kommunikationsformen bzw. ihre Nutzung innerhalb der Wirtschaft zu schärfen. So differenzierte Adelheid von Saldern in ihrer Studie zu den Schoeller-Häusern, in der sie wegweisende Impulse für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Kommunikationsformen innerhalb der Wirtschaftsgeschichte setzte, noch nicht zwischen dem offiziellen Alltagsbriefverkehr von Unternehmen, der in Form von Briefkopierbüchern gesammelt wurde und in juristischen Auseinandersetzungen als Beleg diente, und jenem ökonomischem Schriftverkehr, der dem vertrauensvollen Austausch zwischen (oft verwandten) Unternehmern diente – den Unternehmerbriefen. Beide Varianten der schriftlichen Kommunikation erfüllten unterschiedliche Zwecke und waren inhaltlich und sprachlich normiert. Beide Formen des Briefeschreibens hatten gemeinsam, dass sie vom privaten Briefverkehr konsequent getrennt wurden und sich in ihnen eine auf wirtschaftliche Inhalte fokussierte Kommunikationssphäre entwickelte.20 Die in den Briefkopierbüchern Scharpffs und Lichtenbergers gesammelten Kopien sind Zeugnis einer stark formalisierten und routinierten Form des Briefeschrei20

Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 271–312.

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bens, die unter anderem über Kaufmannslehrbücher vermittelt wurde und sich im Verlauf der Frühen Neuzeit in Europa parallel zur Ausbreitung des Briefverkehrs herausgebildet hat. Dies belegt die starke Ähnlichkeit zwischen den Schreibformen der Speyerer Handelshäuser und Beispielbriefen in der Kaufmannsliteratur. Die starke Formalisierung des Schriftverkehrs erleichterte die Kommunikation über weite Distanzen mit vielfältigen Akteuren und Akteurinnen. Die Sachbezogenheit und Kürze der Briefe unterstützte eine schnelle und fokussierte Kommunikation. Die ausschließliche Bezogenheit auf die alltägliche Geschäftstätigkeit ermöglichte es zudem, die Korrespondenz in der arbeitsteilig strukturierten Wirtschaft zur Bearbeitung weiterzureichen – in und außerhalb der Unternehmen, zum Beispiel zur Bearbeitung durch kaufmännische Angestellte im Kontor oder im Kontext der Geldeinziehung durch Geschäftspartner oder -partnerinnen. Die Entwicklung des Geschäftsbriefs kann somit auch als Prozess der Anonymisierung angesehen werden. Kaufleute, die am Schriftverkehr und den dahinter stehenden Arbeitsprozessen mitwirkten, wurden potenziell austauschbar. Geschäftsbriefe verbreiteten sich in der Frühen Neuzeit ausgehend von Handelshäusern in allen Gewerbezweigen, die in überregionale Marktprozesse eingebunden waren. Im frühen 19. Jahrhundert war neben Handelshäusern auch die Korrespondenz zum Beispiel mit Schiffern, Krämern bzw. Krämerinnen oder Gastwirten bzw. Gastwirtinnen in dieser Form möglich, wie die Kopierbücher von Scharpff und Lichtenberger belegen. Die Geschäftskorrespondenz, die die Arbeitsprozesse im Kontor in hohem Maße prägte, hatte gerade für die Beschaffung von Informationen über Marktkonstellationen und Marktakteure oder -akteurinnen eine zentrale Funktion. Da Briefe jeweils nur an einen Akteur oder eine Akteurin gerichtet werden konnten, waren die Informationsbeschaffung und die Werbetätigkeit – zur Erzeugung von Sichtbarkeit auf Märkten – mit viel Arbeits- und Verwaltungsaufwand verbunden und blieb an den Aufbau einzelner Korrespondenzbeziehungen gebunden. Die Existenz einer zuverlässigen Kommunikationsinfrastruktur und die Entwicklung einer spezifischen Briefschreibepraktik allein erklärt jedoch nicht die Zugänglichkeit von Märkten für Einzelne. Es muss vielmehr hinterfragt werden, welche Rolle der Brief bei der Aushandlung und Abwicklung von Transaktionen einnehmen konnte. Unterschiedliche Kommunikations- und Handlungspraktiken ermöglichten es in ihrem Zusammenspiel erst im Kontext des historischen Institutionensettings und den vorhandenen Wirtschaftsstrukturen regional wie überregional zu agieren. Ökonomischem Handeln auf überregionalen Märkten stand das wachsende Risiko bei einer Interaktion mit wenig bekannten und weit entfernten Akteuren oder Akteurinnen entgegen. Eine Geschäftsaushandlung und -abwicklung ausschließlich auf der Basis von Briefverkehr war im frühen 19. Jahrhundert vor allem dort erfolgversprechend, wo die Warenmengen und die Distanzen überschaubar blieben bzw. die Akteure oder Akteurinnen sich kannten und in einem vertrauensvollen Verhältnis zueinander standen. Dies zeigt der Manufakturtabakhandel von Lichtenberger & Co. mit seiner routinierten und korrespondenzbasierten Distribution innerhalb des Rheinkreises. Je größer die Distanzen wurden und je umfangreicher die

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Warentransfers, desto hinderlicher waren die hohen Kosten und Risiken für eine Interaktion über schriftliche Kommunikation. Dem Schriftverkehr von Scharpff und Lichtenberger lässt sich entnehmen, dass die traditionelle Praktik des persönlichen Abschlusses von Geschäften in Anwesenheit beider Parteien unter Einsichtnahme der Waren nicht nur in der Pfalz, in der die Wirtschaft kleinräumig strukturiert und durch mündliche Kommunikation geprägt wurde, sondern auch über weite Distanzen im Fern- und Großhandel als sicherster Weg galt, um erfolgreich zu interagieren. Der persönliche Geschäftsabschluss wurde stets präferiert, sofern ein Treffen ein Geschäft nicht unverhältnismäßig verteuerte. Auch die sich etablierende Praktik des Kaufs nach Probe, die per Post oder mit Reisenden versandt wurde, konnte die persönliche Inaugenscheinnahme kaum ersetzen. Traten Komplikationen im Nachgang eines Geschäfts auf, galt ein persönlicher Besuch als Mittel der Wahl zur Beilegung. So mussten zum Beispiel zahlungsunwillige Schuldner oder Schuldnerinnen regelmäßig bereist werden, um im persönlichen Gespräch eine Lösung zu finden und in ihrem direkten Umfeld sozialen Druck aufzubauen. Die Präferenz der Wirtschaftenden zur persönlichen Kommunikation führte dazu, dass die Reisetätigkeit und die persönliche Kontaktpflege stetige Bestandteile des Handels blieben, die auch durch alltägliche Korrespondenz nicht ersetzt werden konnte. Der Vorzug eines persönlichen Geschäftsabschlusses ist bei Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass ihre Geschäftsverbindungen nach außen fragil und stetig im Wandel begriffen blieben. Besonders im Bereich des Rohtabakhandels bildete die Verständigung über Warenqualitäten und Preise aufgrund variierender Ernten und dem offensichtlichen Mangel an objektiven Qualitätskriterien eine stetige Herausforderung und es kam häufig zu Reklamationen und Nachverhandlungen. Verringerten sich Porto- und Transportkosten im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch tendenziell und verbesserte sich die Transportinfrastruktur zunehmend, so brachte eine Nichtannahme und eine Rücksendung weiterhin hohe Kosten mit sich, die bei vermehrtem Auftreten das Handelsgeschäft der Kaufleute grundsätzlich in Frage stellen konnten. Das formale Institutionensetting konnte solch opportunistisches Verhalten nicht unterbinden. Zur Beilegung von Konflikten wurden juristische Verfahren nur selten als nützliches Instrument aufgefasst – sie waren langwierig, kostenintensiv und brachten, verglichen mit privaten Anstrengungen zur Geldeintreibung oder im Vergleich zu den Möglichkeiten informeller Sanktionierung von Fehlverhalten, selten ein vorteilhaftes Ergebnis. Die Wertschätzung des persönlichen Geschäftsabschlusses hatte Auswirkungen auf die Reichweite der Handelsgeschäfte von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Sie führte zum Beispiel dazu, dass die Kolonialtabake kaum aus den norddeutschen oder niederländischen Seehäfen, sondern von Zwischenhändlern an Handelsplätzen am Rhein und am Main bezogen wurden, die regelmäßig bereist wurden. Obwohl es Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. kaum gelang, ein stabiles Netzwerk für ihren Warenabsatz aufzubauen, blieben sie für ihren überregionalen Warenabsatz auf zuverlässige Interaktionen mit Spediteuren in Handels- und

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Gewerbezentren angewiesen. Und diese Kontakte standen Scharpff und Lichtenberger in ausreichenden Maße zur Verfügung, da es sich zwischen Kaufleuten und überregional agierenden Gewerbetreibenden zu einer Selbstverständlichkeit entwickelte hatte, grundlegende Dienstleistungen auch für wenig bekannte Akteure oder Akteurinnen bereitzustellen, um im allgemeinen Interesse überregionale Wirtschaftsprozesse zu ermöglichen. Zu diesen grundlegenden Dienstleistungen gehörten gelegentliche Zwischenlagerungen, Speditionen oder Geldeintreibungen, die in einem überschaubaren Rahmen blieben. Diese Dienstleistungen wurden gegen Zahlung von Auslagen und Provision erbracht. Die Selbstverständlichkeit in der Bereitstellung zeigt sich einerseits in der routinierten Abwicklung entsprechender Anfragen mit Akteuren oder Akteurinnen, zu denen zuvor kein Kontakt bestanden hatte, und andererseits in der zunehmenden Integration einer Vielzahl von Kaufleuten in unterschiedlichen Städten, die beispielsweise bei der Geldeintreibung für Scharpff und Lichtenberger tätig wurden. Speditions- und Finanzdienstleistungen wurden als Angebot von Kaufleuten zwar kaum explizit nach außen beworben, andere Kaufleute konnten im Fall einzelner Transaktionen aber ohne große Hürden darauf zugreifen. Langfristige und stabile Beziehungen in eine Vielzahl an Regionen zu unterhalten, wurde so bei einem geringen, nur gelegentlichen Handel hierdurch obsolet. Aufgrund der Unsicherheiten im Fernhandel und der Vielzahl an schwer koordinierbaren und mitunter nur langfristig durchsetzbaren Geldansprüchen etablierten sich in der Kaufmannschaft zudem unterschiedliche Praktiken, die halfen, im Geschäftsalltag liquide zu bleiben. Neben den gängigen Formen der kurzzeitigen Kreditgenerierung durch den Kauf auf Wechsel und die Führung von Konten für Geschäftspartner oder Geschäftspartnerinnen, ermöglichten informelle Kredite aus dem urbanen Umfeld der Handelshäuser eine kurzfristige Akquirierung von Mitteln. Hierbei spielten Beziehungen zu verwandten Kaufleuten, wie sie zwischen Johann Heinrich Scharpff, Philipp Markus Lichtenberger, Casimir Lichtenberger und Ludwig Heinrich Schlegel zumindest zeitweise bestanden, eine zentrale Rolle. Besonders zwischen ihren Handelshäusern war es gängige Praxis, einander kurzfristig große Mengen (Bar-)Geld auf eine informelle Anfrage hin bereitzustellen. Nicht verwandten Kaufleuten und Unternehmern oder Unternehmerinnen wurden nur in geringem Maße und kurzfristig Kredite über Kontoausstände und Wechsel gewährt. Daneben standen im Fall von Scharpff und Lichtenberger langfristige Geschäftsbeziehungen zu wenigen Privatbanken in Mannheim und Frankfurt am Main. Sie ermöglichten die Auszahlung von Geldern in spezifischen Währungen und gewährten umfangreiche Ausstände auf ihren Konten. Die Bankiers erweiterten damit den Handlungsspielraum der Kaufleute über die Ressourcen der wenigen, familiär verbundenen und eng kooperierenden Akteure hinaus. Sie halfen zudem bei der Koordination von Finanzflüssen, da sie an zentralen Handelsstädten angesiedelt waren und hier Gelder sammeln bzw. zur Verfügung stellen konnten. Von verwandten Kaufleuten ebenso wie von Bankiers wurden vor allem informelle Kredite bereitgestellt, die sich in Kontoausständen niederschlugen und flexibel an die Geschäftsentwicklung angepasst werden konnten. Der einzige Unterschied war dabei, dass die Bankiers sich diese Dienstleistung bezahlen ließen, wäh-

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rend im familiären Kreis deutlich nachzuvollziehen ist, dass nur das geliehene Geld ohne Zinsen zurückgefordert wurde. Vertraglich festgehaltene Investitionen oder fixe Kredite scheinen für die Handelshäuser eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Dies ist auch vor dem Hintergrund des stetig kommunizierten Selbstverständnisses der Akteure als ‚ehrbare Kaufleute‘ zu sehen, demzufolge es als illegitim galt, ‚fremde‘ Kapitalien wirtschaftlichen Risiken auszusetzen. Das ‚fremd‘ bezog sich dabei auf Akteure oder Akteurinnen außerhalb der eigenen Verwandtschaft und besonders auf jene, die nicht unternehmerisch tätig waren. Fragt man nach der Rolle schriftlicher Kommunikation für Wirtschaftsprozesse und nach Handlungspraktiken, so ist zudem zu berücksichtigen, dass besonders abseits der urbanen Zentren der Pfalz und auch für einen Großteil der in Speyer ansässigen Handwerker oder kleinen Gewerbetreibenden die Wirtschaft im frühen 19. Jahrhundert kleinteilig strukturiert blieb und auf mündlicher Kommunikation basierte. Auch dies beeinflusste die Organisation der Arbeitsprozesse in den Speyerer Handelshäusern, die besonders ihre Einkaufstätigkeit ebenso wie das Einholen differenzierter Informationen durch vielfältige Reisetätigkeiten und persönliche Kontaktaufnahmen abdeckten. Lediglich die Kooperation mit anderen reisenden Kaufleuten und die Zwischenschaltung regional ansässiger Makler ermöglichte es zum Beispiel, den Einkauf im Tabak- und Weinhandel effektiver zu gestalten, da hierdurch nicht alle Produzenten auf dem Land persönlich aufgesucht werden mussten. Allerdings veränderte die Zwischenschaltung von Akteuren oder Akteurinnen die Kostenstruktur und die Risiken beim Einkauf. Die allgemein noch in hohem Maße durch Subsistenz und regionale Angebotsund Nachfrageprozesse strukturierte Wirtschaft beeinflusste ebenso wie die Entwicklung großräumiger Märkte die Organisation von Arbeitsprozessen und die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. In der regionalen Wirtschaft der Pfalz existierten andere oder weniger klare Strukturen der Arbeitsteilung, als dies in der Marktwirtschaft des 20. Jahrhunderts der Fall war, da viele Akteure oder Akteurinnen im Kontext von Subsistenzwirtschaft und der Beschränktheit ihres Aktionsradius gewohnt waren, eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeiten selbst zu erbringen und miteinander zu kombinieren. Dies prägte ebenso die lokale Versorgung der bürgerlichen Haushalte wie auch der Handelsunternehmen, aber auch den Warenvertrieb nachhaltig. Die regionalen Strukturen verlangten den Unternehmern und Unternehmerinnen vielfältige Anpassungsleistungen bzw. spezifische Kenntnisse ab. Kaufleute bildeten eine Art Bindeglied oder vermittelnde Instanz zwischen den überdauernden Wirtschaftsstrukturen der Vormoderne und der aufkommenden, sich globalisierenden Marktwirtschaft. Die Strukturen der Arbeitsteilung in der Wirtschaft werden unübersichtlicher, je näher man sich im Quellenstudium den alltäglichen Transaktionen einzelner Akteure oder Akteurinnen annähert. Anhand der Geschäftstätigkeit der Speyerer Handelshäuser zeigt sich, dass eine Vielzahl von Arbeiten im Umfeld des Handelsunternehmens von unterschiedlichen Berufsgruppen oder sozialer Schichten im Nebenoder Haupterwerb erfüllt wurden. Zu denken ist hierbei beispielsweise an den Einkauf von Rohstoffen, der von kaufmännischen Mitarbeitern, aber auch von zuver-

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lässigen Arbeitern aus dem eigenen Unternehmen übernommen werden konnte. Zudem konnten externe Kaufleute oder in den Anbaugebieten ansässige Gastwirte oder Gewerbetreibende in den Einkaufsprozess integriert werden. Und dabei standen die tätigen Akteure und Akteurinnen in ganz unterschiedlichen Verhältnissen zu den Handelshäusern – sie konnten vertraglich gebunden sein oder auch selbständig gegen die Zahlung einer Provision oder eines Lohns arbeiten. Angestellte Mitarbeiter der Handelshäuser waren häufig ‚Allrounder‘ – Kaufleute konnten im Kontor, auf Reisen, bei der Koordination und Umsetzung von landwirtschaftlichen Arbeiten oder der Einlagerung und Verarbeitung von Rohstoffen eingebunden werden. Und auch langjährige Arbeiter des Unternehmens gingen potenziell unterschiedlichen, handwerklichen Tätigkeiten beim Unterhalt der Handelshäuser oder der bürgerlichen Haushalte sowie des Immobilienbesitzes der Inhaber nach. Zudem ist festzustellen, dass es in den Unternehmen Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zwar bedeutende Geschäftsschwerpunkte gab, die Kaufleute aber vor dem Hintergrund einer kleinteilig strukturierten und durch Subsistenz geprägten Wirtschaft stets selbst potenzielle ‚Allrounder‘ blieben, die in der Lage waren, sich und andere mit einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu versorgen, eine Vielzahl von Dienstleistungen zu erbringen und auf Anfrage oder bei eigenem Bedarf in der Lage waren, unterschiedliche Waren und Gebrauchsgüter zu besorgen oder herzustellen. Das Kontor diente dabei nicht nur als Schaltzentrale des Handelshauses, in dem Informationen agglomeriert und Handelswaren vertrieben wurden, an diesem Ort wurden bei Bedarf auch ökonomische Belange abgewickelt, die den bürgerlichen Haushalt oder die sonstigen Besitztümer und Geschäftszweige von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger betrafen. Die große Flexibilität bezogen auf die Arbeitsteilung und Organisation von Arbeitsprozessen sowie die unscharfen Grenzen zwischen Unternehmen und Umwelt bildeten eine Notwendigkeit, um in der pfälzischen Wirtschaft zu agieren. Um Arbeitsprozesse zu organisieren, bedurfte es trotz der relativen Flexibilität der Einzelnen ein vielfältiges Wissen über die ökonomische Tätigkeit einer Vielzahl von Akteuren oder Akteurinnen. Der Aufbau von Geschäften auf kleinteiligen Produktionsstrukturen – wie sie in der pfälzischen Landwirtschaft vorherrschend waren – hatte Auswirkungen auf die Sesshaftigkeit der Unternehmer und ihr Bestreben, die lokalen Geschäftsmöglichkeiten gewinnbringend auszuschöpfen. Denn nur in der Pfalz kannten Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger ihr soziales Umfeld und konnten auf die notwendigen Arbeitskräfte und Dienstleister oder Dienstleisterinnen routiniert zurückgreifen. Dies passt auch zu den Erkenntnissen Adelheid von Salderns, die der Gründung neuer Geschäftszweige oder Unternehmen in geografischer Distanz zum Familiensitz eine gewisse ‚Waghalsigkeit‘ für das frühe 19. Jahrhundert attestierte. Neue Unternehmenszweige an anderen Orten konnten sich im Fall der Schoellers vor allem dann positiv entwickeln, wenn an alte Beziehungen angeknüpft werden konnte – zum Beispiel wenn im Vorfeld bereits andere Akteure oder Akteurinnen aus ihrer Heimat zum zukünftigen Unternehmensstandort abgewandert waren.21 21

Vgl.: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 316.

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Zur Strukturierung und Absicherung von Transaktionen durch Institutionen In den Briefkopierbüchern von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. lassen sich Institutionen fassen, die als gesellschaftlich ausgehandelte Reglungsaspekte die Struktur von Märkten sowie das Handeln und die Kommunikation einzelner Akteure oder Akteurinnen in der Wirtschaft beeinflussten. Sie wurden Teil der Kommunikation und in Kommunikationsprozessen ausgehandelt. Institutionen bilden sich in den untersuchten Briefen als Erzählungen von richtigem oder legitimem Handeln ab und können in Bezug auf die Form, in der sie kommuniziert wurden, untersucht werden. Außerdem richten sich die Kommunikations- und Interaktionsprozesse auch implizit an Institutionen aus, die von der sozialen Umwelt als bindend mitgedacht wurden. Diese galten als Hintergrundwissen der Korrespondierenden und wurden in anderen Kommunikationssituationen oder -medien ausgehandelt und tradiert. Formale Institutionen, die sich in Gesetzen und Verordnungen der deutschen Staaten niederschlugen, wurden in der Geschäftskorrespondenz von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. als bindend kommuniziert. Sie wurden nur am Rande Teil der Kommunikation, sofern die Wandlungsprozesse im formal-institutionellen Setting das Tagesgeschäft betrafen. Im Allgemeinen galten diese Institutionen – trotz der staatlichen Vielfalt und Unübersichtlichkeit im Deutschen Bund – als nicht kommunikationswürdiges Hintergrundwissen. Zeitungen und Printpublikationen waren im Zusammenspiel mit mündlicher Kommunikation die zentralen Informationskanäle für politische Wandlungsprozesse und konnten in ausreichendem Maße den formal-institutionellen Rahmen abbilden. Vereinfacht wurde der Umgang mit den komplexen, formalen Institutionensettings in den deutschen Territorialstaaten durch ökonomische Praktiken. Ein Beispiel hierfür ist die Arbeitsteilung zwischen Kaufleuten und Warentransporteuren bzw. -transporteurinnen. Die Kaufleute von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. versandten ihre Waren im Normalfall ‚frei ab Speyer‘. Die anfallenden Transportkosten wurden durch die Empfänger oder Empfängerinnen mit den Transportdienstleistern oder -dienstleisterinnen im Nachgang der Transaktion abgerechnet. Da die Transporteure oder Transporteurinnen häufig nur einzelne Strecken bedienten, kannten sie die relevanten Wirtschaftsgesetzgebungen und bestritten die anfallenden Kosten aus ihren Löhnen. Sie bildeten Experten des institutionenkonformen Transports. Auch die Verteilung des Warenabsatzes im Fern- und Großhandel von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. weist auf den Einfluss des formellen Institutionensettings hin. So lässt sich die Erschließung von Märkten durch die Kaufleute nicht allein durch die geografische Lage oder Infrastruktur erklären, vielmehr richtete sich die Geschäftstätigkeit auch an der Zoll- und Abgabenpolitik der Staaten aus. Dies zeigt sich im Detail beispielsweise an Hamsterkäufen vor Zollerhöhungen oder der Einführung einer Zollgrenze um den Rheinkreis im Jahr 1829 – oder anhand der Verzögerung von Warenversendungen bis angekündigte Zollvergünstigungen in Kraft traten. Auf übergreifender Ebene beeinflussten die Zollge-

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setzgebung aber auch die grundsätzliche Zugänglichkeit von Märkten. Die Zölle begünstigten beispielsweise, dass aus Speyer Rohtabake in andere Staaten, aber Manufakturtabake nur regional abgesetzt werden konnten. Die allmählichen Liberalisierungen der Wirtschaftspolitik in den deutschen Staaten bis hin zur Gründung des Deutschen Zollvereins veränderte die Geschäftsstruktur von Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. kaum. Die bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen Kaufleuten verschiedener Regionen führten offenbar dazu, dass eine Umstrukturierung der Warenflüsse unter Einbeziehung neuer Märkte nur mittel- oder langfristig möglich war. Bei einer Beurteilung des Einflusses der Liberalisierungstendenzen auf die Geschäftstätigkeit der Kaufleute ist jedoch auch zu berücksichtigen, in welcher Situation sich die Unternehmen zum Zeitpunkt der Gesetzesänderungen befanden. Johann Heinrich Scharpff und sein Unternehmen erlebten die Gründung der Zollvereine nicht mehr. Philipp Markus Lichtenberger war bei der Gründung bereits ein älterer Mann, der sich in den 1830er Jahren keine nennenswerten neuen Geschäfte mehr erschloss und bereits dazu überging, Geschäftszweige – wie die Rheinschanze – an seine Kinder zu übertragen. Es stellt sich daher grundsätzlich die Frage, inwiefern Lichtenberger noch bestrebt war, neu entstehende Handlungsspielräume zu nutzen. Heinrich Wilhelm, sein ältester Sohn, konzentrierte sich in jenen Jahren vor allem auf den Auf- und Ausbau des Unternehmens in der Rheinschanze. Neben den formalen beeinflussten informelle Institutionen das Handeln der Akteure und Akteurinnen. Diese wurden auch in umfangreicherem Maße Teil der Briefkommunikation. Sie schlugen sich in Form von Appellen und in Akten der Selbstdarstellung und -legitimierung in der Korrespondenz nieder. Im Zentrum der Kommunikation standen dabei Idealvorstellungen vom Funktionieren einer Wirtschaft und vom legitimen bzw. ‚richtigen‘ Akteurshandeln. Es gab offenbar ein stetiges Bedürfnis der Briefschreiber oder -schreiberinnen bei der Abwicklung einzelner Transaktionsprozesse unter Bezugnahme auf idealisierte Akteurskonzepte den Adressaten oder die Adressatin zu einem verlässlichen Handeln anzuhalten und sich selbst als zuverlässig institutionenkonform Handelnde darzustellen. Im frühen 19. Jahrhundert bildeten die Erzählungen von einem ‚ehrbaren Kaufmann‘, der im Kontext von vertrauensbasierten ‚Geschäftsfreundschaften‘ zum Allgemeinwohl wirtschaftete und seine Kapitalien vorrangig zur Fortführung der eigenen Arbeit einsetzte, das Kernkonzept, an dem sich ökonomische Kommunikation und kommuniziertes Handeln ausrichteten. Diese Erkenntnis ist anschlussfähig an die bisherige Forschung zu Akteurs- und Wirtschaftskonzepten, auch wenn das Konzept der Geschäftsfreundschaft hier erstmalig differenzierter untersucht wurde.22 Der Mehrwert der vorliegenden Studie liegt vorrangig auf der Untersuchung des Einflusses dieser Konzepte auf konkretes Wirtschaften. Handeln wurde im All22

Vgl. zur bisherigen Thematisierung von „Geschäftsfreundschaften“ die Studie von Adelheid von Saldern, die aber stärker untersucht hat, welche Qualität Geschäftsbeziehungen annahmen und weniger, welche Funktion die Erzählung über Freundschaft für die interagierenden Akteure oder Akteurinnen erfüllen konnte: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 332 f.

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tag von Kaufleuten nur dann als legitim eingestuft, sofern es an diese rahmenden Erzählungen anschlussfähig war. Ein Beispiel hierfür bildete im Geschäftsschriftverkehr die Vorstellung, dass Preise so festzulegen waren, dass sich niemand an einem Handelsgeschäft bereicherte, sondern alle Parteien einen mäßigen Gewinn erwirtschafteten. Nur dies war mit der Vorstellung eines Wirtschaftens zum Allgemeinwohl kompatibel. Aus den Erzählungen über ‚richtiges‘ und ‚ehrbares‘ Verhalten von Kaufleuten ließen sich somit informelle Regeln – Institutionen – für das tägliche Wirtschaften ableiten. Die damit einhergehenden Erwartungshaltungen blieben jedoch vage und ließen den einzelnen Akteuren und Akteurinnen Verhandlungsspielraum. Die Vorstellung eines Wirtschaftens zum Allgemeinwohl bildete den argumentativen Rahmen für Preisverhandlungen. Wie die Preise im Einzelfall festgesetzt wurden, hing vom Erfahrungshorizont der Akteure und Akteurinnen, von der aktuellen Marktsituation, von der Quantität und Qualität der Waren und der investierten Arbeit, von vorangegangenen Interaktionen der Korrespondierenden und von dem Verlauf der Verhandlungen ab. Preisverhandlungen bildeten einen komplexen Prozess unter kommunikativer Bezugnahme auf unterschiedliche Einflussfaktoren. Das Allgemeinwohl bildete lediglich einen Richtwert, der grobe Abweichungen sanktionsfähig werden ließ. Die Erzählung von vertrauensvollen Geschäftsfreundschaften zwischen soliden Kaufleuten als Basis erfolgreichen Wirtschaftens hatte vor allem Auswirkungen auf die gegenseitige Beurteilung der Akteure oder Akteurinnen und den grundsätzlichen Willen zur Kooperation und Interaktion. Vertrauen als Basis von Geschäftsbeziehungen bildete eine Art Sozialkapital, das durch verlässliches und institutionenkonformes Handeln in Interaktion mit Dritten agglomeriert werden konnte. Stetig weitergegebene Informationen über die Vertrauenswürdigkeit von Akteuren oder Akteurinnen – kombiniert mit Informationen über ihre ökonomischen Aktivitäten sowie die finanziellen und familiären Hintergründe – halfen im Vorfeld von Transaktionen, Risiken abzuschätzen und Interaktionspartner oder -partnerinnen auszuwählen.23 Die Erzählungen von ‚richtigem‘ und ‚ehrenwertem‘ Handeln in einer Wirtschaft, die dem Allgemeinwohl dienen sollte, wurden ebenso wie das formale Institutionensetting als gegeben und bindend kommuniziert. Die Geschäftskorrespondenz bildete kein Medium, in dem die damit verbundenen Konzepte konkretisiert, diskutiert oder hinterfragt wurden. Ihre Grundlegung – beispielsweise in religiös fundierten Wertvorstellungen – wurde nicht Teil der Kommunikation. Die Akteurskonzepte erscheinen dadurch auf der einen Seite sehr stabil, da sie einen unumstrittenen Konsens bei den interagierenden Kaufleuten abbildeten, sie blieben auf der anderen Seite aber sehr vage, da sie der Konkretisierung und Gewichtung bedurften. In Anbetracht der Vielfalt der interagierenden Akteure und Akteurinnen verschiedener Regionen sowie religiös geprägter Weltanschauungen kann jedoch angenommen werden, dass überhaupt erst dieser relativ abstrakte Charakter der Institutionen einen allgemeinen Konsens schaffen konnte. 23

Vgl. auch: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 317–319.

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In Anbetracht der Unsicherheiten und Risiken, die mit überregionalen Transaktionen oder Kooperationen verbunden waren, erscheint die Erzählung von ‚ehrbaren Kaufleuten‘, die in vertrauensbasierten ‚Geschäftsfreundschaften‘ interagierten, zudem eine Art Kompensationsstrategie gewesen zu sein: Absender oder Absenderinnen gaben vor, sich der ‚Spielregeln‘ bewusst zu sein und ihr Handeln zuverlässig am Wohl ihrer Interaktionspartner oder Interaktionspartnerinnen auszurichten. Empfänger und Empfängerinnen sollten auf ein institutionenkonformes Handeln verpflichtet werden. Diese Strategie führte aber nur sehr bedingt zu einer Verminderung der Risiken im Groß- und Fernhandel. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass diese informellen Institutionen eine weiträumige Kommunikation und Interaktion stützte, so gelang es mit ihrer Hilfe nicht, den Fernhandel zu einer verlässlichen und planbaren Einkommensquelle zu machen. Sanktionsfähig wurden Verstöße gegen die informellen Institutionen erst bei der offensichtlichen Eskalation einer Situation. Die Sanktionen konnten zudem nur begrenzt zu einer Lösung der Situation im Sinne der Geschädigten beitragen. Durch den kooperativen Ausschluss unzuverlässiger Akteure und Akteurinnen von weiteren Transaktionen konnten zukünftige Risiken verringert, nicht aber vergangene Verluste wieder behoben werden. Informelle und formelle Institutionen, als gesellschaftliche Reglungsaspekte, entwickelten sich historisch im Wechselverhältnis zur Umwelt, in der die Akteure und Akteurinnen lebten und arbeiteten. Die Institutionen bildeten vor diesem Hintergrund den Versuch der Etablierung von Spielregeln für die Wirtschaft. Sie können als Antworten verstanden werden, die auf spezifische Herausforderungen gefunden wurden: Das Konzept vertrauensvoller und langfristig angelegter Geschäftsfreundschaften wurde vor dem Hintergrund eines zunehmend großräumigeren und dadurch anonymer werdenden Markt entwickelt, auf dem aufgrund der Reichweite der Interaktionen und der zunehmenden Auflösung der Zunftssysteme, Transaktionen nicht länger durch vorgegebe Strukturen abgesichtert wurden. Die Briefkopierbücher der Speyerer Kaufleute haben es auch ermöglicht, das Verhältnis von Unternehmern und Unternehmen auf Basis der von Selbstbezeichnungen und der Selbstrepräsentation der Akteure nach außen zu untersuchen. Die Frage nach der Abgeschlossenheit und Selbständigkeit der Unternehmen wird auch aktuell in der Unternehmensgeschichte thematisiert. Dabei wird danach gefragt, wann ein Unternehmen, das Akteure oder Akteurinnen auf Basis einer hierarchisch strukturierten, arbeitsteiligen Kooperation an sich bindet, eine Selbständigkeit erlangt, so dass die Organisation nicht mehr mit einer Person – zum Beispiel dem Unternehmer oder der Unternehmerin – gleichzusetzen ist.24 Die Beziehung zwischen Unternehmen und Unternehmern wurde im frühen 19. Jahrhundert beeinflusst von den vorherrschenden, stark akteursbezogenen Wirtschaftskonzepten in der Kommunikation von Kaufleuten und Unternehmern oder Unternehmerinnen. Der Unternehmer nahm in den Handelshäusern Scharpff und Lichtenberger als Inhaber eine zentrale Position ein. Es sind aber auch Trends der Ablösung und Verselbstständigung des Unternehmens als Organisation von der Unternehmerperson 24

Vgl.: Banken, Ralf: Handlung, Firma, Unternehmen.

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festzustellen. So verselbständigten sich mit der Zeit zum Beispiel Firmennamen. Über eine Benennung der Organisation abweichend vom Namen des Inhabers oder Leiters wurde eine Kontinuität der Organisation nach außen suggeriert. Ebenso zeigt das Schreiben im Plural und der Verweis auf die eigenen ‚Unternehmungen‘ bzw. ‚Handelshäuser‘ sowie die komplexen, ausdifferenzierten und vom Privathaushalt zunehmend getrennten Buchführungspraktiken, dass bei den Zeitgenossen auch eine Wahrnehmung von Unternehmen als komplexen ökonomischen Organisationen existierte. Die anhaltend starke Verknüpfung von Unternehmen mit ihren Inhabern im Verständnis der Zeitgenossen ermöglichte jedoch die Zuordnung einer klaren Verantwortlichkeit und damit die Basis zum Aufbau einer personenbezogenen, vertrauensvollen Geschäftsbeziehung – wie sie zur Absicherung von Transaktionen als notwendig angesehen wurde. Die allmähliche Verselbständigung des Unternehmens hingegen ermöglichte im Kontext sich globalisierender Märkte stärker die Konstruktion einer Unternehmenstradition. Die Beibehaltung des Namens des Firmengründers über dessen Tod hinaus ermöglichte es, den Ruf eines Unternehmens und seine Bekanntheit zu wahren und sich so – als Marke – längerfristig auf Märkten zu verorten. Aber nicht nur das Konzept von ‚ehrbaren Kaufleuten‘ als zentralen Akteuren ihrer Unternehmen prägten die wirtschaftlichen Transaktionsprozesse. Auch idealisierte Konzepte von Interaktion und Beziehungen zwischen den Akteuren, wie das Konzept einer ‚Geschäftsfreundschaft‘, nahmen hier Einfluss. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch nach der Rolle von sozialen Netzwerken bzw. sozialen Beziehungen für das Wirtschaften von Scharpff und Lichtenberger fragen. Dabei ist festzuhalten, dass enge, soziale Beziehungen – vertrauensvolle Freundschaften – als optimale Basis für ökonomische Interaktion oder Kooperation kommuniziert wurden. Ein konkretes ‚Netzwerk‘ von Sozialbeziehungen, das aufgrund einer bestimmten Qualität der Beziehungen nach außen abgrenzbar wäre, Stabilität erlangte und als Organisationsstruktur analysiert werden könnte, gewinnt in der hiesigen Studie jedoch kaum an Konturen. Inwiefern sich vor dem Hintergrund aktueller Debatten um Netzwerke in der Unternehmensgeschichte ein Netzwerk als Struktur zur Koordination von Wirtschaftsprozessen herausarbeiten ließe, dies wäre in zukünftigen Studien, die verschiedene Quellen kombinieren – wie Privatbriefe und Unternehmerbriefe als parallele Formen der Kommunikation – und damit die sozialen Beziehungen noch genauer in den Blick nehmen könnten, weiterhin zu diskutieren.25 Auch die Frage, welche Rolle das Konzept einer (Unternehmer)Familie als einer Gruppe besonders verbundener und loyaler Akteure und Akteurinnen für Kaufleute im 18. und 19. Jahrhundert spielte, bildete im letzten Jahrzehnt eine vieldiskutierte in der wirtschaftshistorischen Forschung.26 Im Fall von Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger lässt sich kein solch klares Fazit zie25 26

Vgl. zur Erforschung von Unternehmern des frühen 19. Jahrhunderts mithilfe eines Netzwerkansatzes: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 13–22. Vgl. u. a.: Hilger, Susanne / Soénius, Ulrich S.: Familienunternehmen im Rheinland; Groppe, Carola: Der Geist des Unternehmertums sowie: Saldern, Adelheid von: Netzwerkökonomie im frühen 19. Jahrhundert, S. 209–242 und 325–327.

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hen, wie in anderen Studien, in denen der Familie eine zentrale Bedeutung für die Finanzierung, den Aufbau und die Entwicklung von Unternehmen attestiert wurde. Dies liegt daran, dass Familienbeziehungen und Familienkonzepte in der Geschäftskorrespondenz kaum thematisiert wurden. Und auch anhand der Geschäftstätigkeit lässt sich bisher kein breites Familiennetzwerk rekonstruieren, das durch Kooperation die ökonomischen Projekte oder das Tagesgeschäft stützten. Und doch lassen sich in den Briefkopierbüchern intensive Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Verwandten nachweisen. Durch vielfältige Geldtransfers, Warenflüsse und Kooperationen beim Aufbau von Geschäftszweigen konnten diese in besonderem Maße das ökonomische Engagement einzelner absichern und befördern. Andererseits gab es jedoch auch eine Vielzahl von (nahestehenden) und teilweise kaufmännisch tätigen Verwandten, mit denen ökonomische Kooperation in keiner Weise stattfand oder zu denen der Kontakt per Korrespondenz sogar aktiv unterbunden wurde. Verwandtschaft kombiniert mit unternehmerischem Engagement konnte demnach zur Entwicklung einer Geschäftsbeziehung beitragen, die besonders tragfähig sein konnte – dies war aber keine Zwangsläufigkeit. Auch Verwandte mussten sich an den als relevant kommunizierten, informellen und formellen Institutionen messen lassen. Und es war legitim, zu ‚unehrenhaft‘ handelnden den Kontakt abzubrechen – selbst wenn es der eigene Bruder war. Bei weiterführenden Studien ist vor diesem Hintergrund weiterhin der Frage nachzugehen, wieviel Bindekraft Familienkonzepte im Unternehmertum des 19. Jahrhunderts entwickeln konnten. Im Fall von Scharpff und Lichtenberger war diese sehr begrenzt.

Erkenntniswert und offene Fragen Die vorliegende Studie hat sich intensiv mit einer bisher wenig reflektierten Quellengattung in der Wirtschaftsgeschichte auseinandergesetzt und gezeigt, wie vielfältige Erkenntnisse sich aus der offiziellen Geschäftskorrespondenz von Kaufleuten im Kontext einer sonst defizitären unternehmenshistorischen Überlieferung gewinnen lassen. Auf dieser Basis ist es gelungen, ein differenziertes Bild vom Wirtschaften der Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. zu entwickeln. Damit liegt nun ein umfangreicher Beitrag zur bisher wenig erforschten Wirtschaftsgeschichte der Pfalz vor. Zudem bildet die Studie einen Beitrag zum Wirtschaften vor- und frühindustrieller Kaufleute in verschiedenen Regionen und Wirtschaftsbranchen in Deutschland. Die Studie gibt dabei sowohl Auskünfte über die allgemeine Struktur und die Entwicklung der Geschäftstätigkeiten der Handelshäuser, wie auch über die alltägliche Organisation und Abwicklung von Arbeitsprozessen auf regionalen und überregionalen Märkten. Darüber hinaus gibt sie Einblicke in die von den Akteuren rezipierten Wirtschaftskonzepte und Institutionensettings, die die Kommunikation und das Handeln vor dem Hintergrund der Marktstrukturen im frühen 19. Jahrhundert beeinflussten. Es ist somit nicht allein gelungen, neue Akteure und ihre Unternehmen – und damit eine neue Fallstudie – in die Wirtschaftsgeschichte einzubringen. Die inten-

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sive Auseinandersetzung mit den Geschäftsbriefen eröffnet neue Perspektiven für die Wirtschaftsgeschichte. Ein differenzierterer Blick auf alltägliche, ökonomische Prozesse hilft, die Funktionsmechanismen der Wirtschaft im Detail besser zu verstehen. Hierdurch können Handlungsspielräume und -optionen von Akteuren und Akteurinnen, als Basis jeglicher Unternehmensentwicklung, im Wechselverhältnis zu unterschiedlichen Marktstrukturen ‚ausgemessen‘ werden. Die Untersuchung von schriftlicher Kommunikation ermöglicht dabei interessante Einblicke in die Entwicklung von Handlungs- und Kommunikationspraktiken am Übergang zur neuzeitlichen Marktwirtschaft. Studien zu verschiedenen ökonomischen Kommunikationsformen, zu verschiedenen Regionen und zum Briefverkehr in verschiedenen Sprachen könnten das Bild ergänzen und helfen, die Ergebnisse zur Ausprägung und Gestaltung von ökonomischen Kommunikations- und Interaktionsprozessen zu konkretisieren und zu diskutieren. So ließe sich in vergleichenden Studien fragen, wie sich die Handlungspraktiken und Kommunikationsformen je nach regionalem Kontext im Zeitverlauf veränderten – und damit auch die ihnen inhärente Thematisierung von Institutionen, als Spielregeln der Wirtschaft. So ist es vor dem Hintergrund der bisherigen Studien zur Entwicklung ökonomischen Denkens und zu Wirtschaftskonzepten denkbar, dass sich bei einer zunehmend einheitlichen Gestaltung der formalen Institutionen in Deutschland im Verlauf des späten 19. Jahrhunderts und bei einer systematischeren, staatlichen Reglementierung von Wirtschaftsprozessen sowie der stetigen Vermehrung von Informationsflüssen die Ordnungsvorstellungen der Akteure und Akteurinnen im Geschäftsschriftverkehr veränderten.27 Das Bedürfnis, Handeln kommunikativ an informelle Konzepte eines ‚ehrenwerten Kaufmanns‘ zu binden, und die damit verbundenen, sozialen Sanktionsmechanismen könnten in Geschäftsbriefen in dem Maße in den Hintergrund gerückt sein, wie das formale Institutionensetting von Unternehmern oder Unternehmerinnen im Zeitverlauf als zuverlässiger Handlungsrahmen angesehen wurde, der sie vor opportunistischem Verhalten schützte. Dies könnte einen Ursprung zur Entwicklung moderner Konzepte eines ‚homo oeconomicus‘ als wirkmächtigem Akteurskonzept für Unternehmer oder Unternehmerinnen gebildet haben. Es stellt sich auch die Frage, in welchem konkreten Wechselverhältnis die alltäglichen Erfahrungen von Wirtschaftenden mit theoretischen Überlegungen zur Wirtschaft in ökonomischer Literatur oder in öffentlichen Diskursen in der Presse standen. Wurden bisher Institutionensettings und wirtschaftliche Ordnungsvorstellungen im 19. Jahrhundert vor allem auf Basis von Medien (Zeitungen oder Buchpublikationen) rekonstruiert und analysiert, so blieb dabei der Zusammenhang zwischen mehr oder weniger öffentlich geführtem Diskurs oder staatlicher Festschreibung und ökonomischem Handeln einzelner schwer rekonstruierbar. Um den Ein27

Vgl. zum Beispiel die Studien zur Herausbildung des ‚homo oeconomicus‘ als Akteurskonzept in der ökonomischen Literatur der Neuzeit sowie Studien zu öffentlichen Diskursen über legitimes Wirtschaftshandeln in Presseerzeugnissen: Plumpe, Werner: Die Geburt des „Homo oeconomicus“; Engel, Alexander: Homo oeconomicus trifft ehrbaren Kaufmann, oder: Hodenberg, Christina von: Der Fluch des Geldsacks.

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flüssen des Institutionensettings auf Handeln näher zu kommen, bedarf es daher der Erforschung von ökonomischer Kommunikation – da uns das Handeln von Akteuren und Akteurinnen in der Geschichte nicht unmittelbar zugänglich ist. Die Ergebnisse der vorliegenden Quellenanalysen verweisen auf den Mehrwert der Nutzung des Akteurszentrierten Institutionalismus in Verbindung mit dem „evolutorisch-verhaltenstheoretische[n]“ Akteurkonzept von Viktor Vanberg. Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie den Akteur oder die Akteurin zwar als beeinflusst von Institutionen ansehen, Institutionen entstehen aber auch erst durch die Kommunikation und das Handeln von Akteuren und Akteurinnen – es besteht somit ein Wechselverhältnis zwischen dem Akteur oder der Akteurin und seiner oder ihrer Umwelt. Und Vanberg, Mayntz und Scharpf räumen dem Akteur oder der Akteurin einen individuellen Handlungsspielraum ein. Institutionen sind keine Determinanten von Handeln. Darauf deutet auch die Vagheit der Konzepte legitimen Handelns und ihrer Bezugspunkte im Geschäftsschriftverkehr der Kaufleute hin. Das informelle Institutionensetting konnte lediglich die Vielzahl potenzieller Handlungsalternativen eingrenzen. Klare Handlungsvorgaben in spezifischen Situationen ließen sich hieraus aber nur sehr bedingt ableiten. Es bedurfte stetiger Aushandlungsprozesse. Zudem führte offenbar die Vielzahl und Komplexität unterschiedlicher, institutionalisierter Regelsysteme im frühen 19. Jahrhundert – unabhängig ob es sich um Institutionen formaler oder informeller Natur handelte – dazu, dass sie stetig bewertet und auf ihre Relevanz bezogen auf eine spezifische, ökonomische Tätigkeit hin eingeordnet werden mussten. Zum Ende dieser Studie stellt sich auch die Frage, wie allgemeingültig die herausgearbeiteten Erkenntnisse für Kaufleute oder Gewerbetreibende des frühen 19. Jahrhunderts sind. Sie wurden insofern als allgemeingültig für eine breite Masse kaufmännisch (vor)gebildeter Akteure und Akteurinnen in deutschsprachigen Territorien im Untersuchungszeitraum angenommen, da die sprachlichen wie inhaltlichen Normierungen im Schriftverkehr in dem weiten Kommunikationsnetzwerk der Akteure und Akteurinnen keinerlei Konflikte hervorriefen. Um diese These zu belegen, wären weitere Fallstudien in vergleichender Perspektive zu deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen wünschenswert.

7 ANHANG 7.1 QUELLENVERZEICHNIS Archivquellen Stadtarchiv Ludwigshafen (StALu) LUA 45/1–2 M 15 WS1 WS15 ZRI/2330 Unverz.

Quellensammlung zum Handelshaus in der Rheinschanze Akte des bayerischen Finanzministeriums „Ludwigshafen in der Rheinschanze“ betreffend (1831–1837) Unternehmensnachlass der Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. Aktienbrauerei Ludwigshafen am Rhein Akten der Stadtverwaltung vor 1945: Aktienbrauerei Ludwigshafen am Rhein Stammbaum der Familie Lichtenberger (1925)

Stadtarchiv Mannheim (StAMa) Historische Adressbücher der Stadt Mannheim 1815 bis 1862. IHK, Zug 35/1966, Nr. 1, 2 und 6: Mitgliederlisten der Handlungsinnung und Lehrlingsverzeichnisse. Verlassenschaftsakten von Philipp Daniel Lichtenberger und seiner Ehefrau Eleonora, geb. Reuß., Lfd. Nr. 2958, 5590 und 5591. Verlassenschaftsakten der Familie Scharpff in Mannheim, 32/2001, Lfd. Nr. 4114, 4115, 5119, 5120, 6127, 6128, 6130, 6131.

Stadtarchiv Speyer (StASp) Bestand 1 A: Archiv der Reichsstadt Speyer 800

Nachlässe und Inventarien der Familie Scharff/Scharpff

Bestand 2: Archiv der Munizipalität 1792–1813 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 34 Nr. 34 Nr. 35 Nr. 53 Nr. 104 Nr. 189 Nr. 201

Mutter-Rolle für die Grundsteuer der Stadt Speyer Güterwechselbücher Acta betreffend Bürger-Register 1797–1812 Standesamt Bürgeraufnahmen der Stadt Speyer Einführung und Erhebung des Oktrois (1803–1812) Acta betreffend Runkelrüben-Zucker-Fabriken und die Pflanzung von Runkelrüben Einwohnerstatistik von Speyer (1800) Bürgerliste des Kantons Speyer 1804

Bestand 3: Archiv der Stadtverwaltung 1814 – etwa 1880 Nr. 4 Nr. 8

Nr. 53 Nr. 188a

Acta betreffend Eintheilung der Stadt in Quartiere u. Benennung der Straßen. Besuche König Ludwig I., des Prinzen Leopold und König Maximilians II. in Speyer. (1829–1862) Wahl, Ernennung und Rücktritt der Bürgermeister und Adjunkten Übersicht über den Stand der Lagerkeller dahier bis zum Ende des Jahres 1832

316 Nr. 245 Nr. 249 Nr. 254 Nr. 276 Nr. 306 Nr. 347 Nr. 339, 390, 391 Nr. 411 Nr. 414 Nr. 930

7 Anhang Vorstellung des Bürgermeisteramtes, der Schiffer und der Handelsleute von Speyer, gegen die Absicht von Joh. Heinrich Scharpf die Rheinschanze zu einem Umschlagplatz zu bestimmen Besteuerung des ausländischen Salzes, Aufnahme der Salzvorräte (1814–1819) Bemühung um die Errichtung einer Handelskammer in Speyer. Erteilung der Konzession für eine Tabakfabrik Zusammenstellung der Fabriken und gewerblichen Fabrikationsanlagen Dampfschleppschiffahrt (Eisenbahn) (Rheinschanz-Bexbacher-Eisenbahn) Acta betreffend den landwirtschaftlichen Verein der Pfalz Weinlese in Speyer Alphabetische Bevölkerungsliste (1819).

Bestand 4: Sammlungen Nr. 8 Nr. 11 Nr. 35 Nr. 141 Nr. 801

Güterwechselbuch der Stadt Speyer Bayerische Gebäudebrandversicherung Mutterrolle für die Grundsteuer der Stadt Speyer von 1805 bis 1808. Kirchenbücher der Stadt Speyer Schmuckblatt „Speyer. Lichtenberger & Co. Taback Fabrik“

Landesbibliothek Speyer (LBibSp) N41 – Firmen Joh. Heinr. Scharpff jr. und Lichtenberger, Scharpff & Comp./Rheinschanze

Landesarchiv Speyer (LASp) H1, Nr. 1516 H1, Nr. 1523 H1, Nr. 1831 H3, Nr. 201 H3, Nr. 2114 H3, Nr. 7142 H45, Nr. 851 K33 K38

Handelsetablissement und Handel in der Rheinschanze, Mannheim gegenüber, vor der Organisation des Lichtenberger’schen Etablissements Akte der königlichen Regierung des Rheinkreises zum Gebrauch falscher Maaße und Gewichte durch das Handlungshaus Lichtenberger et. Comp. in der Rheinschanze. Ankauf eines Hauses zu Speyer für die Wohnung des königl. Hofkommissars und Überlassung des Kreisdirektionsgebäudes daselbst von Philipp Lichtenberger Acta der königl. Bayer. Regierung der Pfalz, Kammer des Innern, LudwigsHafen, Den Landungs-Platz in der Schachtel betr. Anklage gegen Heinrich Wilhelm Lichtenberger, Kaufmann und Bürgermeister in Ludwigshafen (1841) Niederlassung der armen Schulschwestern des Hl. Dominikus. Darin. Aufstellung des Vermögensstand des Hauses Casimir Lichtenberger (1848) Die Mühle des Casimir Lichtenberger am Woogbach in Speyer Akten des Notariats Oggersheim. Akten des Notariats Rencker, Speyer

7.1 Quellenverzeichnis

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Gedruckte Quellen Zeitungen und Zeitschriften Badisches Magazin, Nr. 152, Mannheim vom 28. 08. 1811. Baireuther Zeitung, Nr. 172, Bayreuth vom 01. 09. 1823. Bayreuther Allgemeine Zeitung von und für Bayern, Nr. 146, Nürnberg vom 26. 05. 1834. Allgemeine Zeitung von und für Bayern. Ausgaben: Nr. 146 vom 15. 05. 1828, Nr. 2 vom 03. 01. 1838; Nr. 68 und 69 vom 07. 02. 1838; Nr. 56 vom 25. 02. 1838; Nr. 114 und 115 vom 02. 03. 1838. Amts- und Intelligenzblatt der Königlich-Baierischen Regierung des Rheinkreises. Speyer 1831– 1837. Amtsblatt der Königlich-Baierischen Regierung des Rheinkreises. Speyer 1818–1830. Amtsblatt für das Königlich-Baierische Gebiet auf dem linken Rheinufer. Speyer 1816–1817. Beilage zu Nr. VIII des herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Regierungs und Intelligenzblatts vom 24. 02. 1810. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 123, Augsburg vom 03. 05. 1838. Frankenthaler Wochenblatt, Nr. 17, Frankenthal vom 26. 04. 1823. Intelligenz-Blatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises. Speyer 1818–1830. Königlich bayerisches Amts- und Intelligenzblatt für die Pfalz. Speyer 1838–1853. Königlich-Baierischer Polizey-Anzeiger von München, Ausgaben: Nr. XXXVIII vom 12. 05. 1810 und Nr. LVII vom 23. 07. 1823. Landauer Wochenblatt, Nr. 15, Landau vom 14. 04. 1826. Neue Speyerer Zeitung. Speyer 1817 bis 1838. Regensburger Intelligenzblatt, Nr. 12, Regensburg vom 20. 03. 1811. Rheinischer Merkur, Nr. 55, Koblenz vom 11. 05. 1814. Speierer wöchentliches Anzeige-Blatt. Speyer 1823–1828. Berliner Kunst-Blatt, 3. Heft, Berlin vom März 1828. Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Baiern, Ausgaben: Nr. 52 vom 22. 09. 1818; Nr. 12 vom 22. 12. 1818 und Nr. 33 vom 18. 05. 1824. Wochenblatt für die Amtsbezirke Zweibrücken, Homburg und Cusel, Nr. 2 vom 05. 01. 1845.

Monographien Allgemeiner Geschäfts-Kalender für das Königreich Bayern aus dem Jahr 1837, Erster Jahrgang, Bamberg 1837. Allgemeines Post- und Reise-Handbuch für Deutschland, Frankreich, die Schweiz, Italien, Spanien, Grossbritannien, die nordischen Reiche und einige andere Länder, nebst einem alphabetischen Ortsverzeichnis. Nürnberg 1816. Almanach du commerce de Paris, Departements de la france et des principales villes du mont. Paris, Jahrgänge 1810 und 1820. Bender, Johann Heinrich: Grundsätze des deutschen Handlungs-Rechtes nach den besten Hülfsmitteln und vorzüglichsten Gesetzen. Darmstadt 1824. Beylich, Otto: Bericht über die Pfälzische Industrie-Ausstellung zu Kaiserslautern im Herbst 1860. Kaiserslautern 1861. Birnbaum, Johann von: Der Horstprozeß zwischen der Stadt Landau und dem Dorfe Queichheim, in sechzig Jahren viermal. Zweybrücken 1827. Birnbaum, Johann von: Geschichte der Stadt und Bundesfestung Landau und dazu gehörigen Belege. Kaiserslautern 1830. Bocris, Georg Christian: Beschreibung aller im Handel vorkommenden Gattungen deren Productions-Länder, Kultur, Eigenschaften und Gebrauch. Bremen 1833. Braeuer, Walter: „Kolb, Georg Friedrich“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 411–412. Demian, J. A.: Geographisch-statistische Darstellung der deutschen Rheinlande nach dem Bestande vom 1. August 1820. Koblenz 1820.

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7 Anhang

Erhardt, H.: Der Tabak mit besonderer Rücksicht auf die für Kultur und Handel wichtigen Arten nebst Varietäten. Heidelberg 1841. Garloff, Johann Jacob: Das Ganze des Tabaksbaues oder gründliche Anweisung, wie der Tabak gesaet, gepflanzt, auf dem Felde besorgt und gepflegt, von seinen Feinden und Krankheiten bewahrt, getrocknet, auf dem Boden behandelt und aufbewahrt werden soll. Nebst einem Anhaenge von der besondern Zubereitung und Veredelung des Tabaks zum Rauchen. Leipzig 1837. Geissel, Johannes von: Der Kaiser Gruss. An den König Ludwig von Bayern. Speyer 1829. Gerstner, G.: Der Rheinkreis des Königreichs Baiern. Ein statistisches Gemälde nebst zwei Beilagen über öffentliche Gerichte und Gewerbswesen. Augsburg 1821. Jahn, Karl Friedrich: Post-Reise-Handbuch nach den neuesten und besten Materialien bearbeitet. 4. Aufl., Berlin 1833. Kolb, Georg Friedrich: Statistisch-topographische Schilderung von Rheinbayern. Band 1: Die Statistik. Speyer 1831. Kolbeck, Johann Paul: Gründliche und umfassende Abhandlung über Taback, Anbau und Behandlung desselben. Ingolstadt 1822. König, Johann Michael: Reformations-Geschichte der Stadt Speyer oder das evangelische Speyer nebst anderen sich darauf beziehenden merkwürdigen Nachrichten und Noten und einem Anhange, von 1149 bis 1834. Speyer 1834. König, Johann Michael: Übersicht wahrhafter und merkwürdiger Thatsachen des Bauern-Aufruhrs in Deutschland im Jahre 1525. Nach einem Manuscripte von Peter Harrer, gewesener Gemeindeschreiber des weil. Herr Pfalzgrafen Ludwig V. in Heidelberg. Speyer 1830. König, Johann Michael: Unterhaltungsstücke nebst anderen merkwürdigen Gegebenheiten und Erzählungen. Zum Unterricht und zum Vergnügen für jedes Alter und Geschlecht aus allen Ständen. Speyer 1828. Lengerke, Alexander von (Hg.): Landwirtschaftliches Conversations-Lexikon für Praktiker und Laien. 4. Band, Prag 1837. Leuchs, Johann Carl: Vollständige Tabak-Kunde oder wissenschaftlich-praktische Anleitung zur Bereitung des Rauch- und Schnupftabaks und der Cigarren. Nach neuen Verbesserungen, Nürnberg 1830. Lühe, Hanns Eggert Willibald von der (Hg.): Militair Conversations-Lexikon, VIII. Band, Adorf 1841. Norrmann, B. P. H.: Vollständiges Wörterbuch der Produkten- und Waarenkunde. Eine alphabetische Beschreibung der Natur- und Kunstprodukte, die im Großhandel vorkommen, den nothwendigen naturhistorischen, ökonomischen, politischen, technologischen, geographischen statistischen, und mehreren den Waarenhandel betreffenden praktischen Erläuterungen. Hamburg 1806. o. A.: Adreß-Buch der königl. Baier. Stadt Nürnberg. Nürnberg 1822. o. A.: Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten so wie für Geschäftsleute überhaupt. Oder vollständiges Wörterbuch des Handels, der Fabriken und Manufacturen, des Zollwesens, Münz-Maaß- und Gewichtskunst, des Bank- und Wechselwesens, Staatspapier- und Usanzenkunde, der Buchhaltung, des Handelsrechts, mit Einschluß des See- und Wechselrechts, der Schifffahrt, des Fracht- und Assecuranz-Wesens, der Handels-Geographie, so wie der Waarenkunde und Technologie. Leipzig 1838. o. A.: Anzeige der Beamten und Angestellten im Staats- und Communal-Dienst des Rheinkreises, Speyer 1827. o. A.: Anzeige der Beamten und Angestellten im Staats- und Communaldienst des Rheinkreises. Speyer 1830. o. A.: Anzeige der Civilbeamten im Rheinkreis des Königreichs Bayern. Speyer 1825. o. A.: Anzeige der Civilbeamten im Rheinkreise des Königreichs Baiern von 1825. o. A.: Bericht der allerhöchst angeordneten Königlich Bayerischen Ministerial-Commission über die im Jahre 1834 aus den 8 Kreisen des Königreichs Bayern in München stattgehabten IndustrieAusstellung. München 1835. o. A.: Das Neueste und Nützlichste der Erfindungen, Entdeckungen und Beobachtungen, besonders der Engländer, Franzosen und Deutschen in der Chemie, Fabrikwissenschaft, Apothekerkunst, Oekonomie und Waarenkenntniß. 14. Band, Nürnberg 1815.

7.1 Quellenverzeichnis

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o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll oder Anleitung ein vollkommener Geschäftsmann zu werden. 1. Teil, Prag 1815. o. A.: Der Kaufmann wie er seyn soll oder Anleitung ein vollkommener Geschäftsmann zu werden, Teil 2. Prag 1815. o. A.: Des Rheinkreises Jubelwoche oder geschichtliche Darstellung der Reise Ihrer Majestäten des Königs Ludwig und der Königin Therese von Bayern durch die Gauer des Rheinkreises vom 7ten bis zum 14ten Junios 1829. [o. A.] 1829. o. A.: Ein Blatt in König Ludwigs Lorbeer-Kranz. Denkschrift auf die Festfeier bei der höchst erfreulichen Anwesenheit J. J. K. K. Majestäten König Ludwigs und der Königin Therese von Bayern in Bamberg am 24. Bis 26. Juni 1830 als Mitfeyer des Allerhöchsten Namens- und Geburtstags-Festes Seiner Majestät des Königs. Bamberg 1830. o. A.: Geschichte der Harmonie-Gesellschaft Speyer nebst Mitglieder-Verzeichnis nach dem Stand von 1909. Speyer [o. J.]. o. A.: Naturgeschichte mit Hinsicht auf Brauchbarkeit im gemeinen Leben. Zweyte Abteilung: das Pflanzen- und Mineralreich. 2. Band, Wien 1806. o. A.: Verzeichnis der Industrie-Ausstellung von 1835 aus den acht Kreisen des Königreichs Bayern eingesandten Gegenstände, München 1835. o. A.: Vollständiges Adreß-Buch und Handlungsschematismus der Stadt Nürnberg und des ganzen Burgfrieds. Nürnberg 1842. o. A: Allgemeines Post- und Reise-Handbuch für Deutschland, Frankreich, die Schweiz, Italien, Spanien, Grossbritannien, die nordischen Reiche und einige andere Länder nebst einem alphabetischen Verzeichniß, vermittelst dessen alle Postrouten der vorzüglichsten Orte in Europa, deren Lage, Bevölkerung, Merkwürdigkeiten und Gasthöfe sogleich zu finden sind. Nürnberg 1816. Reither, K.: Erinnerungen, den Zöglingen des königl. Kath. Schullehrer-Seminars zu Speyer zur Feier des fünfundzwanzigsten Jubiläums dieser Anstalt. Speyer 1864. Reither, K.: Erinnerungern, den Zöglingen des königl. kath. Schullehrer-Seminars zu Speyer zur Feier des fünfundzwangzigjährigen Jubiläums dieser Anstalt. Speyer 1864. Rischwitz, Adolph: Handels-Geographie und Handelsgeschichte. Ein Handbuch für Handels-, Gewerbs- und polytechnische Schulen, sowie besonders auch für Kaufleute und Fabricanten. Leipzig 1843. Say, Johann Baptist: Ausführliche Darstellung der Nationalökonomie oder der Staatswissenschaft. Zweiter Band. Heidelberg 1830. Schiebe, August: Universal-Lexikon der Handelswissenschaft. Erster Band. Leipzig 1837. Seida und Landensberg, Franz Eugen J. A. von: Denkbuch der französischen Revolution vom ersten Aufruhr in der Vorstadt St. Antoine den 28. Apr. 1789 bis zum Todestages Ludwigs’s XIV. den 21. Jänner 1793. Memmingen 1817. Seida und Landensberg, Franz Eugen J. A. von: Neuestes Taschenbuch von Augsburg. Oder: Topographisch-statistische Beschreibung der Stadt und ihrer Merkwürdigkeiten mit Beziehung auf die älteren geschichtlichen Ereignisse. Augsburg 1830. Siebenpfeiffer, Philipp Jacob: Rheinbayern. Eine vergleichende Zeitschrift für Gesetzgebung, Justizpflege, gesammte Verwaltung und Volksleben des constitutionellen In- und Auslandes, zumal Frankreichs. Zweibrücken 1830 und 1831. Ungewitter, F. H.: Geschichte des Handels, der Industrie und Schiffahrt von der ältesten Zeit an bis auf die Gegenwart. Für Kaufleute, Fabrikanten, Seeleute und überhaupt Alle, welche sich mit den Fortschritten der Menschheit in den technischen Künsten auf eine anschauliche und anziehen Weise vertraut machen wollen. 2. Aufl., Leipzig 1846. Zeller, Johann Friedrich: Die Neckar- Rhein- und Main-Schifffahrt zwischen Heilbronn, Mainz und Frankfurt. Geschichte, rechtlich und kaufmännisch betrachtet. Heilbronn 1809.

320

7 Anhang

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7.2 Literaturverzeichnis

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332

7 Anhang

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7.2 Literaturverzeichnis

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334

7 Anhang

schaft für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft vom 9. bis 13. April 1985 in Hohenheim. Stuttgart 1987. Pohl, Hans (Hg.): Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Referate der 12. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 22.–25. 4. 1987 in Siegen. Stuttgart 1989. Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806–1848). In: Institut für bankhistorische Forschung (Hg.): Deutsche Bankengeschichte. Band 2. Frankfurt am Main 1983, S. 1–142. Pohl, Manfred: Die Entwicklung des deutschen Bankwesens zwischen 1848 und 1870. In: Institut für bankhistorische Forschung (Hg.): Deutsche Bankengeschichte. Band 2. Frankfurt am Main 1983, S. 140–220. Poller, Oskar (Hg.): Zur Geschichte der Stadt Ludwigshafen am Rhein. Familien und Persönlichkeiten nebst frühen Einwohnerlisten. Ludwigshafen am Rhein 1979. Poller, Oskar: Die Entstehung Ludwigshafens. In: Oskar Poller (Hg.): Zur Geschichte der Stadt Ludwigshafen am Rhein. Familien und Persönlichkeiten nebst frühen Einwohnerlisten. Ludwigshafen am Rhein 1979, S. 6–8. Pott, Rosemarie: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Mainz unter dem Großherzogtum Hessen 1815–1914. Mainz 1968. Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne. Paderborn/München/Wien u. a. 2003. Prinz, Michael: „Konsum“ und „Konsumgesellschaft“. Vorschläge zu Definition und Verwendung. In: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne. Paderborn/München/Wien u. a. 2003, S. 11–34. Prinz, Michael: Einleitung. In: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne. Paderborn, München/Wien/Zürich 2003, S. 3–9. Quante, Christoph: Die geistesgeschichtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland. Münster 1984. Raimar, Josef: Die pfälzische Familie Lichtenberger. In: Pfälzische Genealogie (1953), S. 29–40. Raimar, Josef: Heinrich Wilhelm Lichtenberger. In: Pfälzische Biographie. Beilage zur Pfälzischen Familien- und Wappenkunde (1956), S. 1–4. Raimar, Josef: Alte Ludwigshafener Familien. In: Pfälzische Familien- und Wappenkunde. Biographie. Genealogie. Heraldik. (1/1953). Regula, Walter: Die mütterlichen Vorfahren Heinrich Wilhelm Lichtenbergers. In: Pfälzische Familien- und Wappenkunde. Biographie. Genealogie. Heraldik. (10/1969), S. 291–296. Reinhard, Dirk: Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung. Berlin 1993. Reinhard, Wolfgang / Stagl, Justin (Hg.): Menschen und Märkte. Studien zur historischen Wirtschaftsanthropologie. Wien/Köln/Weimar 2007. Reinhard, Wolfgang: Historische Wirtschaftsanthropologie. Einführung. In: Reinhard, Wolfgang / Stagl, Justin (Hg.): Menschen und Märkte. Studien zur historischen Wirtschaftsanthropologie. Wien/Köln/Weimar 2007, S. 3–11. Reininghaus, Wilfried: Das Archivgut der Wirtschaft. In: Kroker, Evelyn / Köhne-Lindenlaub, Renate / Reinighaus, Wilfried / Soénius, Ulrich S. (Hg.): Handbuch für Wirtschaftsarchive. Theorie und Praxis. München 2005, S. 61–84. Rings, Hanspeter: Mannheim auf Kurs. Hafen- und Schiffahrtsgeschichte der Stadt an Rhein und Neckar. Mannheim 2003 (Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim 20). Rittmann, Herbert: Deutsche Münz- und Geldgeschichte der Neuzeit bis 1914. München 1986. Rode, Jörg: Der Handel im Königreich Bayern um 1810. Göttingen 2000 (Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit). Rossfeld, Roman: Handelsreisende – travelling salesmen – voyageurs de commerce: eine Einführung. In: Hesse, Jan-Otmar / Kleinschmidt, Christian / Plumpe, Werner (Hg.): Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 2/2014, S. 125–134. Roth, Ralf: Wirtschaftsbürger als Werteproduzenten. In: Hahn, Hans-Werner / Hein, Dieter (Hg.): Bürgerliche Werte um 1800. Entwurf – Vermittlung – Rezeption. Köln/Weimar/Wien 2005, S. 95–118.

7.2 Literaturverzeichnis

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Schieder, Wolfgang: Regionalgeschichte als Problem. In: Frank Konersmann und Joachim P. Heinz (Hg.): Landes-, Regional- und Mikrogeschichte. Perspektiven für die Pfalz und ihre Nachbargebiete. Speyer 2014. (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 112), S. 149–157. Schiener, Anna: Der Fall Kaspar Hauser. Regensburg 2010. Schlaffer, Hannelore: Glück und Ende des privaten Briefes. In: Beyrer, Klaus / Täubrich, HansChristian (Hg.): Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation. Heidelberg 1996, S. 34–45. Schläppi, Daniel: Marktakteure und -beziehungen ohne „Markt“? Frühneuzeitliches Handeln und Aushandeln im Licht ökonomischer Theorien. In: Müller, Margrit / Schmidt, Heinrich R. / Tissot, Laurent (Hg.): Regulierte Märkte – Marchés régulés. Zünfte und Kartelle – Corporations et cartels. Zürich 2011, S. 121–139. Schmid, Alois (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 1. Teilband: Das neue Bayern von 1800 bis zur Gegenwart. 2. Überarb Aufl., München 2003. Schmitt, Friedrich (1962): Die provisorische Verwaltung des Gebietes zwischen Rhein, Mosel und französischer Grenze durch Österreich und Bayern in den Jahren 1814–1816. Meisenheim am Glan 1962 (Mainzer Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 10). Schneider, Konrad: Gulden (Silber). In: North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 152–153. Schneider, Konrad: Konventionsfuß. In: North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 194. Schneider, Konrad: Kronentaler. In: North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 206–207. Schneider, Konrad: Taler. In: North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 389–391. Schneider, Konrad: Währungsmünzen. In: North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 408. Schneider, Michael C.: Wirtschaft und Geschlecht um 1800. Forschungsperspektiven für SachsenWeimar-Eisenach. In: Frindte, Julia / Westphal, Siegrid (Hg.): Handlungsspielräume von Frauen um 1800. Heidelberg 2005, S. 331–340. Schötz, Susanne: Frauen in der Welt des Handels – Leipzig um 1800. In: Frindte, Julia / Westphal, Siegrid (Hg.): Handlungsspielräume von Frauen um 1800. Heidelberg 2005, S. 361–372. Schötz, Susanne: Frauen in der Welt des Handels; Leipzig um 1800. In: Frindte, Julia / Westphal, Siegrid (Hg.): Handlungsspielräume von Frauen im 1800. Heidelberg 2005, S. 361–372. Schötz, Susanne: Zur Erfolgsgeschichte von Putz- und Modewarenhändlerinnen im 19. Jahrhundert. In: Labouvie, Eva / Bunzmann, Katharina (Hg.): Ökonomien des Lebens. Zum Wirtschaften der Geschlechter in Geschichte und Gegenwart. Münster 2004, S. 163–183. Schreiner, Werner: Paul Camille von Denis. Erbauer bayerisch-pfälzischer Eisenbahnen. Neustadt an der Weinstraße 1987. Schremmer, Eckart (Hg.): Wirtschaftliche und soziale Integration in historischer Sicht. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg 1995 Stuttgart 1996. (VSWG Beihefte 128). Schremmer, Eckart: Die Wirtschaft Bayerns. Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung. Bergbau, Gewerbe, Handel. München 1970. Schulte-Beerbühl, Margrit / Vögele, Jörg (Hg.): Spinning the Commercial Web. International Trade, Merchants and Commercial Cities, c. 1640–1939. Frankfurt am Main 2004. Schulte-Beerbühl, Margrit: Trading with the enemy. Cladestine Networks during the napoleonic wars. In: Quaderni Storici, Bd. 143, S. 541–565. Schulz, Andreas: Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 75). Schumann, Fritz: Der pfälzische Weinbau auf dem Weg zum Hambacher Fest. In: Gesellschaft für Geschichte des Weines (Hg.): Schriften zur Weingeschichte. Variatio Delectat II, Bd. 67. Wiesbaden 1983, S. 5–26.

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338

7 Anhang

nehmen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert. Netzwerke-Nachfolge-soziales Kapital. Köln 2009, S. 177–187. Stockert, Harald: 1801–1815: Ein „goldenes Zeitalter“ unter badischem Greif? In: Nieß,Ulrich / Caroli, Michael: Geschichte der Stadt Mannheim. Band 2: 1801–1914. Heidelberg 2004, S. 1–57. Straubel, Rolf: Kaufleute und Manufakturunternehmer. Eine empirische Untersuchung über die sozialen Träger von Handel und Großgewerbe in den mittleren preußischen Provinzen (1763 bis 1815). Stuttgart 1995 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 122). Strauch, Dieter: Die Entwicklung des Rheinschifffahrtsrechts zwischen 1815 und 1868. In: von Looz-Corswaren, Clemens / Mölich, Georg (Hg.): Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert. Bottrop/Essen 2007 (Schriften der Niederrhein-Akademie 7), S. 61–92. Strauch, Dieter: Unternehmensrecht im 19. Jahrhundert. In: Scherner, Karl Otto (Hg.): Vom Gewerbe zum Unternehmen. Studien zum Recht der gewerblichen Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert. Darmstadt 1982, S. 208–250. Stremmel, Ralf; Weise, Jürgen (Hg.): Bergisch-märkische Unternehmer in der Frühindustrialisierung. Aschendorff 2004. Strouhal, Ernst: Der Ritter von der Industrie. Robinson Crusoe im Kontext von Daniel Defoes Verhaltenslehren für den Gentleman-Tradesman. In: Felderer, Brigitte / Macho, Thomas (Hg.): Höflichkeit. Aktualität und Genese von Umgangsformen. München 2002, S. 205–220. Sturm, Heinz: Die pfälzischen Eisenbahnen. Neuausgabe. Ludwigshafen am Rhein 2005 (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 53). Swiaczny, Frank: Die Juden in der Pfalz und in Nordbaden im 19. Jahrhundert und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in der Tabakbranche. Zur historischen Sozialgeographie einer Minderheit. Mannheim 1996 (Südwestdeutsche Schriften 20). Täubrich, Hans-Christian: Wissen ist Macht. Der heimliche Griff nach Brief und Siegel. In: Beyrer, Klaus / Täubrich, Hans-Christian (Hg.): Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation. Heidelberg 1996, S. 46–53. Teutenberg, Hans-Jürgen: Von der alten Schankwirtschaft zum feinen Restaurant. Streifzüge durch die Geschichte deutscher Gaststättenkultur. In: May, Herbert / Schilz, Andrea (Hg.): Gasthäuser. Geschichte und Kultur. Petersberg 2004 (Arbeit und Leben auf dem Lande 9), S. 27–54. Tilly, Richard H. (1990): Vom Zollverein zum Industriestaat. Die wirtschaftlich-soziale Entwicklung Deutschlands 1834 bis 1914. München 1990. Tilly, Richard H. (2003): Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte. Stuttgart 2003 (Grundzüge der modernen Wirtschaftsgeschichte 4). Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluß und seine Geschichte. München 1994. Türk, Henning: Ludwig Andreas Jordan. In: Harthausen, Hartmut (Hg.): Pfälzer Lebensbilder. Band 8. Speyer 2012. Vanberg, Viktor: Rationale Wahlhandlung, Regelorientierung und Institutionen. Eine evolutorische Perspektive. In: Wegner, Gerhard / Wieland, Josef (Hg.): Formelle und informelle Institutionen. Genese, Interaktion und Wandel. Marburg 1998. (Institutionelle und Evolutorische Ökonomik 6), S. 379–422. Ventzke, Marcus: „Dr. Buchholzin“ und andere Unternehmerinnen im „klassischen Weimar“. In: Frindte, Julia / Westphal, Siegrid (Hg.): Handlungsspielräume von Frauen um 1800. Heidelberg 2005, S. 341–360. Vogler, Bernard: Geschichte des Elsass. Stuttgart 2012. Voigt, Stefan: Institutionenökonomik. 2. Aufl. München 2009. Volkert, Wilhelm (Hg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1899–1980. München 1983. Walter, Rolf (1996): Marktintegration durch verbesserte Kommunikation im 19. Jahrhundert. In: Schremmer, Eckart (Hg.): Wirtschaftliche und soziale Integration in historischer Sicht. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg 1995. Stuttgart 1996. (VSWG Beihefte 128), S. 162–183.

7.2 Literaturverzeichnis

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340

7 Anhang

Wischermann, Clemens: Wirtschaftskultur und Wirtschaftsgeschichte. Von der Historischen Schule zur Neuen Institutionenökonomik. In: Hochgeschwender, Michael / Löffler, Bernhard (Hg.): Religion, Moral und liberaler Markt. Politische Ökonomie und Ethikdebatten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bielefeld 2011, S. 55–65. Wischermann, Clemens; Nieberding, Anne (Hg.): Die institutionelle Revolution. Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2004. Wysocki, Josef (Hg.): Wirtschaftliche Integration und Wandel von Raumstrukturen im 19. und 20. Jahrhundert. Berlin 1994 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, 232). Zimmermann, Heinz: Arzneimittelwerbung in Deutschland vom Beginn des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Dargestellt vorzugsweise an Hand von Archivalien der Freien Reichs-, Handels- und Messestadt Frankfurt am Main. Würzburg 1974. Zimmermann, Paul: „Zincke, Georg Heinrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), S. 313–315. Zorn, Wolfgang: Die wirtschaftliche Struktur Bayerns um 1820. In: Albrecht, Dieter / Kraus, Andreas / Reindel, Kurt (Hg.): Festschrift für Max Spindler zum 75. Geburtstag. München 1969, S. 611–632. Zorn, Wolfgang: Gesellschaft und Staat in Bayern des Vormärz. In: Conze, Werner (Hg.): Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815–1848. Stuttgart 1970 (Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 1), S. 113–142. Zumbini, Massimo Ferrari: Die Wurzel des Bösen. Gründerjahre des Antisemitismus: Von der Bismarckzeit zu Hitler. Frankfurt am Main 2003.

REGISTER NAMENSREGISTER Aufgrund des häufigen Vorkommens im Text wurden die Speyerer Handelshäuser Joh. Hein. Scharpff jr. bzw. Joh. Hein. Scharpff & Sohn sowie Lichtenberger & Co. bzw. Lichtenberger & Cie. sowie ihre Leiter, Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger, nicht in das folgende Namensregister aufgenommen. Adrian, Freiherr von 287 Aktienbrauerei Ludwigshafen am Rhein 111 Alter, Willi 70, 72 B. Metzler seel. Sohn & Co. 115, 267, 269, 270, 273, 274 Bader, Christine 57 Baumann, Witwe 267 Bayer, Tilde 75 Bayerische Brandversicherungsanstalt 49, 59, 159 Becker, Klaus-Jürgen 27 Becker-Cantarino, Barbara 125 Behringer, Wolfgang 87 Benzino, Joseph 231 Berghoff, Hartmut 132 Bergmann, Werner 120 Bertheau, Heinrich 230 Bogen, Peter Joseph 94, 102, 118, 119 Boyé, Georg 263 Brandt, J. M. 211 Braun, Philipp 231 Breidenbach & Haape 134 Buhl, Anna Elisabetha 46 Bühler 218, 260, 276, 287 Burke, Robert O’Hara 286 Cantillon, Richard 113 Cayenz, Franz Anton 192 Ch. Fch. Weltz & Co. 231 Cölln-Mainzer-Rhein-SchiffahrtsAssecuranz 197 Del Lungo Comiciotti, Gabriella 103, 130 Denis 218, 276 Denster, C. Ph. 57 Denzel, Markus A. 275 Dietz, Magdalena 104, 171, 207 Dyckerhoff, Jacob Friedrich 57 Eberle, Peter 209 Eglinger 57

Enders, C. W. 13 Engel, Alexander 111, 126 F. Bellermann & Co. 242 Fahr, Friedrich 260 Feldbausch, J. B. 177, 241, 242 Feldbausch, Madame 104 Fenske, Hans 203, 253 Fliesen 286, 288 Freiherr von Seida und Landsberg, Franz Eugen 151 Frevert, Ute 130–132 Freitag, Henrica 47 Freytag, Johann Michael 191, 203, 210, 231, 255, 256, 262, 268, 270, 271 Friedel, Maria Henrica 45 Fritsch 57 Gebhardt, Peter 236 Gebrüder Schlamp 174 Geissel, Johannes von 151 Gelvink, Krafft & Co. 206 Gorißen, Stefan 19, 23, 24, 25, 113, 132, 157, 160, 168, 255, 290, 293, 297 Gothaer Feuerversicherungsanstalt für den Deutschen Handelsstand 18, 62, 134, 135, 157, 158, 230, 245, 248, 250 Griese, Catherine Margarethe Elisabeth 46 Grimmel, Dr. 57 Grohe, Anna Maria 104 Gross, Joh. Benedikt 222, 245 Gruber, Hansjörg 19, 183, 184 H. L. Hohenemser & Söhne 288 Haapé, Friedrich 48, 53, 134, 140, 206, 230 Harkort 23, 24, 26, 157, 160, 255, 266, 290, 293, 295, 296–298, 300 Hasenstab, Franziska 57 Hauser, Kaspar 32, 92, 98, 99, 170 Heimberger, Philipp Jacob 263 Henderson, Al. 217

342 Heres, Carl Friedrich 46, 48 Hertling, Baron von 263 Küster & Hertling 199 Herzog & Schäffer 222 Hetzel & Sohn 191, 254, 255, 257 Hetzel, Georg Friedrich 94, 256 Heymann, Otto 188, 193 Hilgard, Georg Friedrich 230 Hodenberg, Christina von 115, 116 Hoffmann, Stefan-Ludwig 126 Holtzmann, C. A. 210, 237 Holtzmann, Johann Karl Alexander 47 Holzmann, Johann Georg 133, 287 Holzmann, Maria Henrica 46, 47 Homburg, Heidrun 146 Hooks, Jochen 25 Horstmann, Dorothea 57 Huhn, H. 91 Hundt-Radowsky, Hartwig 120, 121 Jacoby 281 Joh, Nepomuk Schmetterer seel. Erben 128, 129 Joh. Goll & Söhne 99, 115, 128, 267–269, 270, 273, 274 Johann Peter Raulino & Co. 222, 245 Jordan, Ludwig Andreas 186 Jung 218 Kalb, Leonhard 269, 287 Karcher & Jung 60 Karcher 278 Karst, Klaus 185 Keim, Georg Friedrich 230 Kern, Andreas 229, 256 Keßler, Charlotte 57 Kienlein 228 Kirchner, E. 57 Klein, E. 57 Knorr 105 Köhler, F. H. 255, 256 Kolb, Georg Friedrich 89, 209 Kollmer von Oheimb-Loups, Gert 74 Korn, Carl 61, 92, 134–136, 138, 140, 158, 231 Korn, Friedrich 162, 168 Kraemer 228, 234 Kümmerer, J. N. 161 Labroise 288 Lauter, Clemens 162 Laux, Friedrich 90, 269 Lebensversicherungsbank für Deutschland, Gotha 18, 62, 157, 159, 164, 231 Leuchs, Johann Heinrich 221 Köster & Lichtenberger 273

Register Lichtenberger, Auguste 57 Lichtenberger, Carl Theodor 57 Lichtenberger, Caroline 57, 103, 258 Lichtenberger, Casimir 57, 58, 151, 204, 205, 210, 230, 246–248, 249, 258, 259, 270, 287, 304 Lichtenberger, Charlotte Rosina (geb. Scharpff) 46, 48, 55, 57, 58, 64 Lichtenberger, Eleonore 57 Lichtenberger, Friedrich 57 Lichtenberger, Gottlieb 57 Lichtenberger, Johann Carl Theodor 56, 57 Lichtenberger, Johann Christian 57 Lichtenberger, Johann Friedrich 57 Lichtenberger, Johann Friedrich Bernhard 57 Lichtenberger, Johann Ludwig 56, 57 Lichtenberger, Johann Theodor 57 Lichtenberger, Johannes 57 Lichtenberger, Johannetta 57 Lichtenberger, Ludwig 57, 58, 122, 123, 210 Lichtenberger, Maria Elisabetha 57 Lichtenberger, Paul 57 Lichtenberger, Philipp 57 Lichtenberger, Philipp Daniel 56–58 Lichtenberger, Scharpff & Comp. 63, 139 Lichtenberger, Veronica Dorothea 57 Liedtke, Rainer 25, 145, 151 Lingenfelder 281 Lingenfelder, Jacob 93, 192, 193, 207, 281 Lingenfelder, Johann Wilhelm 192, 193, 281 Lingenfelder, Thomas 192, 193 Lipps 134 Loebel 190, 191 Lomann & Comp. 163, 283 Lucius, J. A. 269 Ludwig I., König von Bayern 32, 65, 117 Lutz, Martin 36, 100, 121 Maffey, J. A. 222, 258, 259 Mäuler, Maria Sybilla 46 Mauser, Wolfram 125 Maximilian Joseph, König von Bayern 54 Mayer, Carl Lorenz 219, 287 Mayer, Friedrich Christian 46 Mayntz, Renate 36, 37, 314 Megner, Hans 27, 51, 214, 215, 216, 218–221 Michel, Franz 222 Michel, Friedrich 206 Moers, Gustav Adolph 231 Mohr 60 Mörz, Stefan 27 Mühlhäuser, Friedrich Wilhelm 231, 260 Müller, Jürgen 49, 50

Namensregister N M Rothschild & Sons 25, 151, 152, 294 Neukirch 176, 272, 273 Nickisch, Reinhard 97 Nordblom, Pia 19 Petif, Heinrich 102, 198, 199, 200 Petsch, Elisabetha Frederica 46 Pfähler, Jacob Friedrich 222 Pfälzische Ludwigsbahn 18, 63, 169, 254, 258, 259 Pfirrmann, Daniel 222 Plattner & Cie. 222, 223 Plumpe, Werner 116 Raimar, Joseph 47, 56 Raulino, Johann Peter & Co. 222, 245 Reibelt 218, 276 Reininghaus, Wilfried 28 Reis, Eleonore 57 Reitlinger & Co. 195 Rhau, J. C. 155, 245 Rheinische Seeschiffahrts-Gesellschaft 258 Rheinschiffahrts-Assecuranz Gesellschaft 102, 197, 258 Rothkeppel & Schmitt 222 Rothmann, Michael 137 Runtz, J. 46 Sachs, Wilhelm 192, 231 Saldern, Adelheid von 23–25, 27, 28, 90, 95, 100, 109, 113, 122, 134, 148, 160, 168, 187, 236, 278, 289, 293, 296, 297, 301, 306, 308 Sancerotte et Comp. 228 Scharpf, Fritz W. 36, 37 Scharpff, Anna Barbara 46 Scharpff, Anna Elisabetha 46 Scharpff, Auguste Juliane Henrietta ( geb. Wucherer) 46, 47 Scharpff, Carl David 46 Scharpff, Carl Heinrich 46 Scharpff, Catharina Wilhelmina 46 Scharpff, Catherina Carolina (geb. Heres) 46, 48, 55 Scharpff, Christina Maria 46 Scharpff, Friederica Carolina 46 Scharpff, Friedrich Heinrich 46 Scharpff, Friedrich Wilhelm 46 Scharpff, Georg David 45–48 Scharpff, Georg Heinrich Wilhelm 46 Scharpff, Georg Matern 46 Scharpff, Heinrich Karl Wilhelm 46 Scharpff, Jacob Matern 46 Scharpff, Johann Carl 46 Scharpff, Johann Carl Alexander 46 Scharpff, Johann Caspar 46, 278

343

Scharpff, Johann Christoph 46 Scharpff, Johann David 45, 46, 48 Scharpff, Johann Heinrich Wilhelm 46 Scharpff, Johann Jacob 46 Scharpff, Johann Philipp 46 Scharpff, Johann Sebastian 46 Scharpff, Johanna Charitas 46 Scharpff, Johanna Maria 46 Scharpff, Johanna Rosina 46 Scharpff, Johannes 46 Scharpff, Magdalena Christina 46 Scharpff, Maria Catherina 46 Scharpff, Maria Elisabetha 46 Scharpff, Maria Henrica 46 Scharpff, Petrus Matern 46 Scharpff, Regina Elisabetha 46 Scharpff, Wilhelm Christoph 46, 48 Schemmel, Casimir 231 Schlegel, Ludwig Heinrich 29, 46, 48, 49, 53–55, 64, 99, 123, 140, 204–206, 208, 210, 255–257, 261, 262, 270, 271, 278, 291, 304 Schlegel, Wilhelmine Rosina (geb. Scharpff) 46, 48 Schmitz, Carl 102, 133, 155 Schoeller 24, 28, 95, 100, 109, 122, 148, 160, 187, 236, 278, 293–297, 300, 301 Schwarz & Co. 222 Sieler, Eduard 93 Siry 128, 129 Soénius, Ulrich S. 23, 24 Sonntag 50 Sonntag, Martha Elisabetha 46 Spohn, Thomas 205 Steiner, J. C. 267, 279 Sterr, Eleonora Barbara 57 Stichaner, Joseph von 57, 98, 99, 263 Stolz, Georg 159, 206 Stolz, Friedrich 62 Stolz & Deifel 228 Sues 230 Süß, Johanna Rosina 46 Theobald, Karl Peter Wilhelm von 263 Therese, Königin von Bayern 65, 219 Thorbecke, Franz Heinrich 222 Trauth 97, 132, 156 Trauth, Johann 228 Türk, Henning 186 Ueberle, Valentin 209 Utzschneider 131, 239 Vanberg, Viktor 34, 35, 37, 145, 314 Veny 50 Völker, Louise 57

344 W. H. Ladenburg & Söhne 75, 90, 115, 121, 268, 270–274, 286 Wächter, J. C. 197 Wacker 57 Walter, Joseph 229, 231, 277 Watzky 263 Weidmann, Werner 19, 157, 182, 185, 186, 192, 217, 228 Weißenburger, Abraham 231 Wies, Franz 231

Register Wirth, Johann Jacob 232, 234 Wischermann, Clemens 33, 36–38, 167, 180 Wrede, Carl Theodor Fürst von 105, 106, 114, 287, 288 Wyrwa, Ulrich 120 Zahn 218 Zeiler, Mara Anna Theresia Elise von 46 Ziegenhain 105, 106, 218 Zimmermann, Heinz 170, 173 Zwack-Holzhausen, Franz Xaver von 60

Ortsregister

345

ORTSREGISTER Die Ortsbezeichnung Speyer wurde aufgrund der Häufigkeit im Text in das folgende Register nicht mit aufgenommen. Altenburg 69, 77, 79, 81, 85, 216, 220 Amersfoort 195 Amsterdam 41, 69, 77, 79, 85, 89, 92, 98, 102, 150, 153, 157, 163, 195–207, 241, 254, 283 Annweiler am Trifels 68, 70, 78, 184 Arnstadt 68, 77, 79, 220 Assenheim (heute: Hochdorf-Assenheim) 189 Augsburg 46, 48, 81, 83, 88, 98, 150, 216, 220, 221, 224, 232, 234, 259, 285 Bad Bergzabern 68, 70, 71, 78, 184, 228 Bad Cannstatt (heute: Stuttgart) 65, 120, 239 Bad Dürkheim 56, 68, 70, 71, 78, 89, 93, 184, 185, 187, 256 Bad Kreuznach 57, 60, 69, 76, 78, 81, 83, 84, 198, 207, 211, 278, 286 Bamberg 41, 69, 74, 75, 79, 81, 83, 85, 216, 218, 220–222, 240, 241, 245 Basel 65, 77, 79, 80, 81, 85, 268 Beinheim 88 Berghausen (heute: Römerberg) 59, 62 Bexbach 63, 258, 259 Blieskastel 89, 165, 228, 231 Bonn 81, 83, 84, 216 Boxberg 56 Bremen 102, 197–199, 224 Breslau 187 Coburg 68, 77, 79 Dannstadt (heute: Dannstadt-Schauernheim) 189 Deidesheim 79, 80, 184, 186, 193 Dettingen (heute: Karlstein am Main) 240 Dinkelsbühl 239 Dortmund 82–84 Dresden 79, 80 Drusenheim 88 Duisburg 81, 83, 84, 216, 220 Düsseldorf 81, 83, 84, 216, 220, 276 Edenkoben 69–71, 79, 184 Elberfeld 80, 83, 84, 216 Elsass 74, 77, 155, 156 Eppstein 189 Erfurt 68, 77, 78, 81, 84, 216, 220, 242, 268, 269 Essen 82, 84, 216, 220 Essingen 79, 80 Forst 184

Frankenstein 93 Frankenthal 68, 70, 71, 78, 81, 82, 89, 99, 150, 182, 184, 189, 228, 278, 283 Frankfurt am Main 41, 45, 47, 54, 65, 68, 76, 78, 80, 83, 88, 89, 99, 115, 116, 120, 128, 161, 168, 170, 174, 176, 187, 201, 203, 208, 216, 220, 224, 231, 236, 238–241, 265–270, 273, 274, 286, 288, 291, 304 Friesenheim 189 Fulda 69, 77, 79, 216 Fürth 258 Fussgönheim 189 Gera 69, 77, 79, 82, 85, 216, 220 Germersheim 68, 70, 71, 78, 81, 82, 88, 89, 93, 182, 184, 192, 207, 226, 228, 256 Gimmeldingen (heute: Neustadt an der Weinstraße) 68, 70, 78, 184, 192–194, 207, 281 Gotha 62, 68, 77, 78, 82, 85, 158, 159, 164, 166, 174, 230, 231, 245–248, 250, 251 Göttingen 216, 220, 221 Grünstadt 69, 70, 71, 79, 89, 182, 184, 228 Guben (Lausitz) 221 Gummersbach 82, 84, 220 Guntersblum 56, 57 Hafnerzell (heute: Obernzell) 82, 83, 221 Hagen 220, 295, 297 Hambach (heute: Neustadt an der Weinstraße) 57, 58, 157 Hamburg 196–198 Hanau 81, 83, 221 Hannoversch Münden 81, 84, 189, 196, 220 Haßloch 71, 262 Heidelberg 81, 85, 120, 187, 224 Heilbronn 65, 81, 85, 239 Höchst am Main (heute: Frankfurt am Main) 54, 68, 76, 78, 80, 83, 196, 240, 241 Homburg 69–71, 79 Ingelheim 189 Jena 79, 80, 220 Kaiserslautern 68, 70, 71, 79, 87, 89, 93, 182 Kandel 70, 79, 89, 182, 184 Karlsruhe 69, 75, 93, 120 Kassel 81, 85, 216, 220 Kirchheimbolanden 89 Kitzingen 240, 241 Knittlingen 239 Koblenz 49, 81, 83, 84, 216, 220

346

Register

Köln 68, 76, 79, 80, 82–84, 94, 102, 118, 119, 196, 203, 208, 216, 220, 224, 230, 239, 258, 268 Kusel 89 Landau in der Pfalz 41, 59, 68, 70, 71, 76, 78, 81, 82, 89, 91, 93, 104, 113, 150, 157, 175, 176, 177, 184, 206, 207, 226–232, 237, 238, 241, 242, 255, 256, 269, 272, 273, 276, 277, 279, 282 Lauterbourg 88, 258, 259 Leipzig 69, 77, 79, 80, 84, 97, 146, 168, 187, 216, 220, 221, 224, 268 Liebenau (Weser) 221 London 25, 77, 92, 98, 145, 151, 152, 294 Ludwigshafen am Rhein (siehe auch: Rheinschanze) 17, 26–28, 30, 31–33, 47, 51, 53, 55–57, 63, 68, 70, 78, 81, 89, 111 Mainz 41, 54, 58, 59, 65, 68, 76, 78, 80, 83, 87, 88, 102, 127, 133, 134, 150, 155, 162, 168, 187, 196–198, 201, 203, 208, 216, 230, 239, 240, 241, 258, 268 Mannheim 33, 48, 49, 51, 53, 54, 56–58, 62, 68, 75, 78, 80, 83, 85, 88, 90, 93, 104, 115, 118, 119, 121–123, 136, 150, 159, 161, 171, 187, 192, 194, 196, 198, 201, 208, 209, 224, 231, 261, 268, 237, 274, 283, 286, 288, 291, 304 Marburg 81, 85, 216, 220 Maudach 189 Meckenheim 189 Mittelrheintal 217 Mosel 168, 217 Mühlheim am Rhein (heute: Köln) 67, 80, 81, 84 Mühlheim an der Ruhr 67, 80, 83, 84, 220 München 41, 69, 74, 75, 82, 83, 85, 88, 128, 131, 149, 150, 156, 157, 216, 218, 219, 221–223, 239, 240, 241, 258, 259, 276, 285–287 Mundenheim 189 Münster 56, 81, 83, 84, 215, 216, 281 Mußbach (heute: Neustadt an der Weinstraße) 69, 70, 79, 184, 189 Mutterstadt 69, 70, 182, 189 Nancy 157, 273 Neustadt an der Orla 85, 226 Neustadt (heute: an der Weinstraße) 58, 68–70, 71, 78, 79, 81, 82, 85, 89, 93, 182, 184–186, 192, 198, 207, 216, 228 Nienburg 221 Nordheim 221 Nürnberg 41, 68, 74, 75, 79, 81, 83, 85, 88, 151, 155, 176, 190, 191, 206, 208, 216,

218, 219, 220, 221–224, 239, 240, 245, 258, 259, 269, 287 Obersteinbach 69 Offenheim 65 Oggersheim (heute: Ludwigshafen am Rhein) 88, 89, 194 Ohlau 221 Oława (siehe Ohlau) Olpe 81, 83, 84 Oppau (heute: Ludwigshafen am Rhein) 189 Philippshall 256 Pirmasens 69–71, 79, 89, 228 Radevormwald 82–84 Regensburg 221 Rheinschanze (siehe: Ludwigshafen am Rhein) 17, 27, 32, 48, 51, 53–55, 58, 61, 62–66, 68, 70, 71, 78, 81, 82, 88, 90, 95, 98, 117, 119, 120, 123, 136, 137, 139, 140, 141, 151, 169–173, 176, 188–191, 194, 206, 207, 209, 210, 213, 230, 253, 254, 257, 261, 263, 287, 299, 308 Rheinzabern 69, 70, 79, 88 Römerberg (siehe: Berghausen) Rotterdam 63, 92, 98, 197, 198 Ruchheim (heute: Ludwigshafen am Rhein) 189 Rudolstadt 69, 77, 79 Ruppertsberg 184, 193 Saarbrücken 63, 68, 76, 79 Schauernheim (heute: Dannstadt-Schauernheim) 189 Scheibenhardt 69–71 Schweigen (heute: Schweigen-Rechtenbach) 69–71, 79, 140 Schweighofen 69, 70, 79 Schwetzingen 187 Solingen 81–84, 220 St. Ingbert 224, 228 St. Wendel 69, 73, 76, 79 Stolpenau (Weser) 221 Straßburg 69, 77, 78, 81, 85, 88 Stuttgart 65, 120, 239 Trier 72, 82–84, 224 Ulm 69, 77, 81, 220, 224 Ungstein 184 Wachenheim 60, 69, 70, 79, 184 Weißenburg 156, 231, 254 Wissembourg (siehe: Weißenburg) Wiesbaden 187, 216 Wittenberg 215, 216 Worms 65, 69, 76, 79, 81, 208, 221 Zündorf (heute: Köln) 82, 84 Zweibrücken 56, 57, 68, 70, 71, 78, 81–83, 89, 93, 228, 255

Daniel Wilhelm

Die Kommunikation infrastruktureller Großprojekte Die Elektrifizierung Oberschwabens durch die OEW in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

PersPektIven der WIrtschAftsgeschIchte – bAnd 5 Am Beispiel der Elektrifizierung Oberschwabens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) zeigt diese Studie, dass die Umsetzung infrastruktureller Großprojekte nicht nur von technischer Machbarkeit und dem Vorhandensein finanzieller Ressourcen bestimmt wird, sondern ebenso von der kommunikativen Vermittlung damit in Zusammenhang stehender Entscheidungen. Die Stellung von Strommasten auf landwirtschaftlich genutzten Flächen oder die optischen Veränderungen des Landschaftsbildes durch Fernleitungen führten immer wieder zu Diskussionen und Konflikten. Parallelen zu gegenwärtigen Großprojekten sind dabei offensichtlich. Mit Fokus auf zentrale Aushandlungsprozesse, kommunikative Prozeduren und Argumentationsmuster legt Daniel Wilhelm dar, wie sich die Durchsetzung unternehmerischer Interessen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gestaltete. Durch ihren theoretischen Zugang weicht die Untersuchung ab von einer traditionell technikorientierten Geschichte der OEW und sieht in der Interaktion zwischen Unternehmen und Betroffenen die entscheidenden Kristallisationspunkte der Elektrifizierung.

365 Seiten mit 3 Tabellen sowie 1 Farb- und 1 s/w-Abbildung 978-3-515-10860-7 kArt. 978-3-515-10861-4 e-book

Aus dem InhAlt Die flächendeckende Elektrifizierung als Prozess kommunikativer Aushandlung | Theoretischer und konzeptioneller Bezugsrahmen | Die Unternehmenskommunikation der OEW in ihrem spezifischen Raum – Erwartungsrahmen und kommunikative Prais | Unternehmenskommunikation im Kontext der Elektrifizierung Oberschwabens – vier Fallbeispiele | Eine Bestandsaufnahme der medialen und direkten Kommunikation im Untersuchungszeitraum | Schluss und Ausblick | Quellen- und Literaturverzeichnis

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Clemens Wischermann / Katja Patzel-Mattern / Martin Lutz / Thilo Jungkind (Hg.)

Studienbuch institutionelle Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

PersPektiven der Wirtschaftsgeschichte - band 6 Das Studienbuch zeigt die Herangehensweise und Potenziale einer theoriegeleiteten Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte: Anhand konkreter Fall- und Quellenbeispiele legen die Autorinnen und Autoren dar, was theoretische Konzepte wie die Institutionentheorie für die Entwicklung von Thesen, die Auswahl und die Interpretation der Quellen leisten können – und welche neuen, interdisziplinären Perspektiven sie auf die Wirtschaftsgeschichte zu eröffnen vermögen. Welche Ansätze werden in der Praxis bereits angewandt, welche stehen aktuell zur Diskussion? Wie lassen sich Forschungskonzepte anderer Disziplinen auf die (wirtschafts-)historische Arbeit übertragen? Welchen Einfluss hat das auf die erzielten Ergebnisse? Dieser Band zeigt Möglichkeiten und diskutiert Grenzen. Er leistet damit einen Beitrag zur Debatte über die Nutzung und den Nutzen von Theorien in der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte und bietet einen einmaligen Ausgangspunkt für alle, die sich über die praktische Anwendung theoretischer Konzepte informieren möchten. Das Studienbuch richtet sich daher ausdrücklich auch an fortgeschrittene Studierende im Bachelor- und Masterstudium sowie an Promovierende. mit beiträgen von Katja Patzel-Mattern, Thilo Jungkind, Clemens Wisschermann, Martin Lutz, Rabea Limbach, Sandra Schürmann, Albrecht Franz, Daniel Wilhelm, Christina Lubinski, Armin Müller

292 Seiten mit 3 s/w-Abbildungen 978-3-515-11122-5 kart. 978-3-515-11123-2 e-book

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Die Studie zu den Speyerer Tabak- und Weinhandelshäusern Joh. Hein. Scharpff und Lichtenberger & Co. leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von Unternehmen und Unternehmertum vor dem Durchbruch der Industrialisierung in Deutschland. Johann Heinrich Scharpff und Philipp Markus Lichtenberger waren agile Unternehmer, die angesichts des sich auflösenden Zunftsystems, defizitärer Wirtschaftsgesetzgebungen und vormoderner, kleinräumiger Marktstrukturen über Jahrzehnte in der Lage waren, überregionale Unternehmungen zu entwickeln und zu verstetigen. Vor dem Hintergrund des sich laufend verändernden

Institutionengefüges zur Zeit des Deutschen Bundes fragt Rabea Limbach nach den Handlungsspielräumen und Strategien der beiden Unternehmer. Im Fokus stehen dabei die alltäglichen Kommunikationsprozesse und Wirtschaftspraktiken des frühen 19. Jahrhunderts. Für ihre Untersuchung erschließt Limbach eine in der Forschung bislang kaum beachtete Quellengattung: die über Jahrzehnte geführten Briefkopierbücher aus den Kaufmannskontoren, in denen ökonomischer Alltagsschriftverkehr dokumentiert wurde.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-12047-0

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