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German Pages [257] Year 2018
Helmut Neuhaus (Hg.) Die Brautbriefe Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher
BEIHEFTE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT KARL ACHAM, EGON BOSHOF, WOLFGANG BRÜCKNER, BERNHARD JAHN, EVA-BETTINA KREMS, FRANK-LOTHAR KROLL, TOBIAS LEUKER, HELMUT NEUHAUS, NORBERT NUSSBAUM, STEFAN REBENICH HERAUSGEGEBEN VON
KLAUS HERBERS HEFT 87
DIE BRAUTBRIEFE KARL HEGELS AN SUSANNA MARIA VON TUCHER Aus der Verlobungszeit des Rostocker Geschichtsprofessors und der Nürnberger Patriziertochter 1849/50
Herausgegeben von Helmut Neuhaus
BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR
Bibliogra sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra e; detaillierte bibliogra sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Karl Hegels Braut Susanna Maria (Susette) von Tucher. Bleistiftzeichnung. Karton, 26,9 × 34,7 cm. Privatbesitz.
© 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. Lindenstraße 14, D-50674 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Hans-Peter Schmit, Jena Wissenschaftlicher Satz: satz&sonders GmbH, Dülmen
ISBN 978-3-412-51221-7
Inhalt
Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Brautbriefe – ein eklektischer Blick auf privateste Korrespondenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Quellenwert der Brautbriefe Karl Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung und Beschreibung der Brautbriefe Karl Hegels . . . . . . . Zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Inhalte der Brautbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorgeschichte: Karl Hegel und Marietta Wiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Susanna Maria von Tuchers Verlobung mit Karl Hegel . . . . . . . . . . . . Rostock – Nürnberg – Rostock: eine Liebe auf Distanz . . . . . . . . . . . . Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kollegenfrauen in Rostock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Rostocker Professoren-Haushalt entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Hegels politisches Wirken 1849/50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lebenswelt Susanna Maria von Tuchers im Spiegel der Brautbriefe Karl Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eheschließung am 28. Mai 1850 in Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169 176 184 187 190 198 211 216
Zusammenleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227 232
Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
242
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Annäherung
Begegnet waren sie sich zum ersten Mal am Morgen des 20. September 1849 vor dem Schloß in Simmelsdorf, dem ländlichen Stammsitz der alten Nürnberger Patrizierfamilie Tucher von Simmelsdorf, nordöstlich der ehemaligen Reichsstadt an der Pegnitz gelegen: er, der Sohn eines der damals berühmtesten deutschen Philosophen, des 1831 verstorbenen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, und sie, die älteste Tochter des wohlhabenden Gutsbesitzers, Familienbevollmächtigten und ab 1855 Chefs der TucherBrauerei, Sigmund Karl Freiherr von Tucher, Hauptmann, dann Major à la suite eines Artillerie-Regiments der königlich-bayerischen Armee. Karl Hegel war ordentlicher Professor für Geschichte und Politik an der Universität Rostock und hatte gerade seine von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin gewünschte Tätigkeit als Chefredakteur der im Vorjahr gegründeten „Mecklenburgischen Zeitung“ beendet. Susanna Maria von Tucher lebte – nach dem einjährigen Besuch eines Töchterinstituts in Grandson am Neuenburger See im schweizerischen Kanton Waadt ab Herbst 1842 – wieder behütet im elterlichen Haus, zumeist „Vor dem Wöhrder Thore“ in Nürnberg, in den „Gärten bei Wöhrd“, und war erst kürzlich von einer Reise zu einer Cousine in Österreich zurückgekehrt. 1 Es war ein für Susanna Maria zwar angekündigter, aber dennoch überraschender, weil letztlich nicht erwarteter Besuch nach einem mehrtägigen Aus ug durch die nahe Landschaft um Muggendorf – wie sie in ihrem Tagebuch festhielt –, als „Onkel Wiss mit einem völlig unbekannten Herrn“ am Morgen des 20. September nach Simmelsdorf kam, und dieser Herr: „das war Karl Hegel!!“ 2 Bei dieser zunächst üchtigen ersten Begegnung konnte die Tucher-Tochter den in einer Kutsche in Begleitung des Nürnberger Kaufmanns und Fabrikbesitzers Johann David Wiß angereisten Hegel gar nicht erkennen, zumal der gemeinsame Onkel ihn – wohl bewußt irreführend – als „Vetter aus Amerika“ vorstellte. Sie konnte keine Erinnerung an ihn haben, während Hegel die junge Dame nicht völlig unbekannt war. Er hatte sie schon kurz nach ihrer Geburt im Jahre 1826 während eines Verwandtenbesuchs mit seiner Mutter und seinem Bruder Immanuel in Nürnberg gesehen und dann noch einmal als Berliner Universitätsabsolvent im Sommer 1838 ebenfalls während eines Familienbesuchs zum Auftakt seiner einjährigen Bildungs- und Studienreise durch Italien. Karl Hegel und Susanna Maria von Tucher waren zueinander Vetter und Base, verwandt über seine Mutter Maria Helena Susanna von Tucher, die mit dem Philosophen 1 Vgl. zum biographischen Hintergrund: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 157–162; Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 152. 2 Tagebuch Susanna Maria von Tuchers.
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Annäherung
Hegel verheiratet gewesen und eine Schwester von Susanna Marias Vater war. Karl besuchte im Frühherbst 1849 also – wohl auch von seiner in Berlin lebenden Mutter gewünscht – seinen Onkel und dessen Ehefrau, seine Tante Maria Magdalena, die aus der alten reichsstädtischen Patrizierfamilie Grundherr von Altenthann und Weiherhaus stammte. 3 Natürlich blieb der „Vetter aus Amerika“ nicht incognito, und die Begegnung zwischen Cousine und Cousin blieb auch nicht nur üchtig. Während langer Spaziergänge in der romantisch-dörflichen Gegend um Simmelsdorf, unweit der an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert von den Romantikern Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder entdeckten „Fränkischen Schweiz“ mit Muggendorf im Wiesenttal als Zentrum, lernten sie sich näher kennen und entwickelten auch beim gemeinsamen Klavierspiel 4 – uneingestandenerweise – mehr als nur Zuneigung zueinander. Kurz vor seiner – wegen eines Bahnunglücks – um einen Tag auf den 18. Oktober 1849 verschobenen Abreise nach Berlin weihte Karl Hegel die liebste Freundin seiner Cousine, Lina von Grundherr, geb. von Schwarz, mit der sie auch das Jahr in Grandson verbracht hatte, in sein Geheimnis ein und gestand ihr zuerst seine Liebe zu Susanna Maria. Der Geliebten gegenüber aber schwieg er, „um Dich nicht“ – wie er ihr am 20. Oktober 1849 von Berlin aus schrieb – „durch ein unerwartetes Geständniß zu erschrecken und zu verwirren, um Dich nicht zu einer ganz unvorbereiteten Entscheidung zu drängen.“ 5 Er war sich noch in Simmelsdorf und dann Nürnberg seiner Liebe so gewiß geworden, daß er – ohne formal um Susannas Hand anzuhalten – ihre Eltern, seinen Onkel kurz entschlossen und dann auch seine Tante, ins Vertrauen zog, die sich herzlich freuten, aber „Alles nur Deiner Entscheidung anheim stellte[n].“ 6 Aber daß Susanna Maria von Tucher ihn auch liebte, dessen konnte er nicht sicher sein.
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Erste Informationen zu den genannten Personen: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 355–405. Tagebuch Susanna Maria von Tuchers. Brautbrief Nr. 1; vgl. Abb. 4, S. 164f. Ebenda.
Die Briefe
Nr. 1 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Berlin, 20. Oktober 1849 An Susette von Tucher. [fol. 1r] Berlin, 20. Oct. 49. Liebe, gute Susette! Ich liebe Dich! – In diesem einfachen Worte, welches ich Dir hier als mein tiefst empfundenes Geständniß ausspreche, ist eine Unendlichkeit von Emp ndungen und Gedanken zusammengefaßt, die mich so in kurzer Zeit im Innersten meiner Seele bewegt haben, und ist zugleich die ebenso einfache Lösung gegeben von vielen bangen Zweifeln und von einer schmerzlichen Ungewißheit, die mir, bis ich jenes Wort mit seinem Sinn gefunden hatte, nicht wenig Unruhe und Qual in den letzten Tagen meines Aufenthalts bei Euch bereitete. Wie ich zu dieser Lösung gekommen, dies werde ich Dir vielleicht – wenn Du es mir vergönnst – einst später erzählen; für jetzt ist es genug, daß ich sie mit voller Klarheit erkenne und darin schon eine große Beruhigung gefunden habe, ehe ich Dir selbst noch das Geständniß davon ablegen konnte. Denn ich bin dadurch wieder mit mir selbst in Einklang gekommen, und meine Liebe zu Dir, die ich nicht gesucht, sondern unerwartet in mir entdeckt habe, erscheint mir, selbst wenn sie unerwidert wäre, wie ein Schatz, der meinem ganzen inneren Wesen einen höheren Werth und eine schönere Stimmung verleiht. Mein Herz, das vorher öde war und leer, doch unbefriedigt, weil liebebedürftig, ist nun erfüllt und beständig beschäftigt mit all' der Liebenswürdigkeit, die ich in Deinem himmlischen Wesen, Du liebe, gute Susette! ebenso tief gefühlt als klar erkannt habe. Ich bin dadurch nicht nur um Vieles reicher geworden, sondern ich glaube auch um so edler, vollkommener und Gott gefälliger zu werden, je mehr ich meine Seele mit meiner Liebe zu Dir nähre. [fol. 1v] Wie gesagt, ich bin erst in den letzten Tagen, beinahe möchte ich sagen Stunden, klar und entschieden geworden über diese meine Liebe zu Dir. Wie ein Bild davon erschien es mir, als ich gestern morgen nach durchreister Nacht endlich die Berlin, 20. Oct. 49. Ort und Datum stehen oben rechts. Susette Koseform des französischen Vornamens „Suzette“, deutsch: Susanne.
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Die Briefe
lichte Sonne aufgehen sah aus einem Meere von Nebeln, welches die Thäler noch bedeckte: so ging mir jene Klarheit und Gewißheit auf aus der trüben Fülle von Zweifeln, die meine Seele vorher quälte. Am Morgen, nachdem wir Abends vorher bei unserer herzlieben Lina zusammen gewesen, war ich entschieden: ich ging zur Lina und vertraute ihr meine Liebe zu Dir. Da sie mir sagte, daß sie nicht glaube, Du hättest eine Ahnung davon; da ich dies selbst nicht glauben konnte, weil mir selbst erst meine Liebe gewiß geworden, und da meine Abreise schon auf den Mittag desselben Tages angesetzt war, so faßte ich den Vorsatz, mein Geheimniß Dir gegenüber noch zu bewahren, um Dich nicht durch ein unerwartetes Geständniß zu erschrecken und zu verwirren, um Dich nicht zu einer ganz unvorbereiteten Entscheidung zu drängen. Denn nicht in einem Momente leidenschaftlicher Erregung wollte ich eine halb erzwungene Entschließung herbeiführen, sondern ich wünschte Dir Zeit und Ruhe zur inneren Sammlung und Selbstprüfung zu lassen, damit Du Dich mit Deinem Herzen und Gott berathen könntest, damit Dein Entschluß, je freier und reiner, auch umso wahrer und fester sein möchte. Ich will Dir den wichtigsten Schritt Deines Lebens, von dem auch mein Glück abhängt, nicht abgewinnen, liebe, theure Susette, weder durch Leidenschaft, noch durch Überredung, noch durch die Gunst unserer Verhältnisse und Beweggründe, sondern ich bitte Dich inständigst um Dein und mein selbst willen nur Deinem innersten Herzenszuge zu folgen, welcher Deiner reinen Seele die klare und unzweifelhafte Antwort geben wird auf die Frage, ob Du Dich mir mit ganzer Liebe und unbedingtem Vertrauen hingeben kannst, um uns beide zu einem vollkommeneren und schöneren Leben zu erheben, ob Du mit Zuversicht hoffen darfst, mit mir glücklich zu sein. Sieh', liebe Susette, ich kann Dir keine glänzende äußere Lage mit allen Genüssen und Bequemlichkeiten des Lebens anbieten, sondern nur eine einfache und beschränkte Häuslichkeit, keine hohe äußere Lebensstellung, wohl aber eine solche, der es an persönlicher [fol. 2r] Ehre nicht fehlt, und gestützt auf eine vorwurfsfreie Vergangenheit – denn, damit Du auch wissest, worauf ich am meisten stolz bin, das ist, daß ich weder der Welt, noch auch der, die ich liebe, und die sich mit mir für alle Zukunft verbindet, irgend etwas in meinem Leben abzubitten brauche. Doch was ich Dir mit meiner eigensten Persönlichkeit, mit mir selbst, zubringe, – worauf (so wie ich Dich kenne) das ganze Gewicht Deiner Entscheidung beruhen wird – so muß ich es allein dem Urtheil Deines Herzens überlassen, ob Du darin etwas, das Deiner Liebe würdig wäre, gefunden hast. Ich gestehe, daß ich in dieser Beziehung am meisten bange bin und daß meine Zaghaftigkeit wächst, je mehr ich bedenke, was Alles ich Dir, wenn Du mir folgen würdest, ersetzen soll. Eltern, Geschwister, Freundinnen der Jugend in einem selten so anziehenden und glücklichen Verein, die ganze Heimat, in der Dein Dasein Lina Carolina von Schwarz (1826–1896), Cousine sowohl Susanna von Tuchers als auch Karl Hegels. zubringe lies: mitbringe.
Die Briefe
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bewußt und unbewußt Wurzel gefaßt hat: welche Gaben hätte ich dafür anzubieten, um das Alles zu verlassen: – ich weiß, es sind keine, wenn sie nicht das Auge der Liebe auf nden und dafür ansehen möchte! Darum kann ich Deine Liebe, theure Susette, nur von ihr selbst hoffen und begehren: nur von ihr will ich die Entscheidung nehmen; ihr allein will ich mein ganzes Glück zu verdanken haben, nichts mir selbst, nichts der guten Meinung und dem Zureden Anderer, nichts der Erwägung äußerer Verhältnisse. Hörst Du wohl, liebe Susette. Also prüfe Dich ruhig und besonnen, wie Du bist, und wenn Du nichts in Deinem Herzen ndest, was mir Deine ganze Liebe verspricht, so weise mich ab, fest und ohne Zögern, und laß Dich nicht irren durch Andere, wer es auch sei, damit Du nicht Dich zugleich und mich unglücklich machst durch Leid ohne Liebe, das Du Dir auflegst. Demüthig werde ich auch solche Entscheidung von Dir hinnehmen, denn ich habe meinen Stolz vor Dir abgelegt, und wie ein Mann werde ich die Wunde meines Herzens überwinden, wenn ich auch nicht aufhören werde, Dich zu lieben, und kein Vorwurf gegen Dich soll je über meine Lippen kommen. – Der Zufall oder ein freundliches Geschick veranlaßte, daß ich noch einen Tag länger bei Euch bleiben mußte, als ich dachte. Ich war glücklich und unendlich befriedigt in Deiner Nähe, und auch wenn Du mir nicht nahe warst, waren doch alle meine Gedanken fortwährend nur bei Dir und bei meiner Liebe zu Dir: ich war zerstreut und fast [fol. 2v] gedankenlos bei Allem, was ich sonst noch hörte, sah und that, wenn ich es nicht auf Dich beziehen konnte. Als Deine liebe Mutter in dem letzten Morgengebete die Worte vorlas: „Gieb, Herr, daß ich nur gehe die Wege, die Dir angenehm sind“, da dachte ich, daß es für mich gewiß der Gott gefälligste Weg wäre, ein so himmlisches, liebes Wesen, wie Dich, zu lieben, und als ich auf dem Johannis Kirchhof unsere lieben Todten besuchte, die der Himmel in seinen liebenden Schoß aufgenommen hat, und dort einen sanften Grabesgesang anstimmen hörte, da ergriff es meine Seele mit solcher Wemuth, daß mich meine Gefühle überwältigten und ich auf dem Rückweg zu dem Entschluß kam, sofort zu Deinem Vater zu gehen und ihm meine Liebe anzuvertrauen. Seine herzliche Freude darüber und das ehrende Vertrauen, das er mir dabei bezeigte, vermehrten die Beruhigung, die ich auch schon darin fand, daß ich die Deine liebe Mutter Maria Magdalena von Tucher, geb. von Grundherr (1802–1876). Vgl. Taf. 11. Johannis Kirchhof Die Geschichte des kulturgeschichtlich höchst bedeutsamen St. Johannis-Friedhofs in der ehemaligen, westlich der Nürnberger Stadtmauer gelegenen Vorstadt St. Johannis, die 1825 in die frühere Reichsstadt eingemeindet wurde, reicht weit ins Mittelalter zurück. Mit dem angesehenen Vordersten Losunger Anton II. Tucher (1458–1524) wurde der erste Familienangehörige in der neuen Familiengruft nahe der Holzschuher-Kapelle beigesetzt, da seit 1518 Bestattungen innerhalb der Stadtmauer Nürnbergs verboten waren. Bis dahin lag die traditionelle Grablege der Tucher in der Sebalduskirche (Tucher-Epitaph). Deinem Vater (Johann) Sigmund Karl von Tucher (1794–1871), nach dem Erwerb des „Königlichen Bräuhauses“ in Nürnberg 1855 durch die Dr.-Lorenz-Tucher-Stiftung erster Chef der „Freiherrlich von Tucher'schen Brauerei“. Vgl. Taf. 10.
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Die Briefe
Gefühle, die mich innerlich bedrängten, aussprechen durfte; und daß er, der liebende Vater, Alles nur Deiner Entscheidung anheim stellte, war eben nur das, was ich selbst am meisten wünschte und von ihm erwartete. Nicht minder herzergreifend war mir die innige Rührung Deiner lieben Mutter, welcher ich nachher dasselbe Geständniß wiederholte. Doch daß Du nicht glaubst, liebe Susette, ich wolle die liebevolle Theilnahme Deiner theuren Eltern für mich bei Dir geltend machen! Die Liebe, die ich von Dir begehre, ist eine andere und darf nur eine ganz freiwillige sein. So hielt ich auch fest an meinem Vorsatz, weil ich ihn einmal gefaßt hatte, mich nicht sofort gegen Dich zu erklären, und es gab – um mir nicht ein solches Verdienst daraus zu machen – in den letzten Stunden auch keine Gelegenheit, die mich versucht hätte, ihn nicht zu halten. Beim Abschied entließest Du mich zuletzt mit einem Blick, der mir ins Innerste der Seele ging und Dein Bild darin gleichsam befestigte, so daß ich es beständig mit mir herumführe und es immer wieder mit Liebe betrachte, wodurch ein sehnsüchtiges Verlangen nach Deiner Nähe in mir entsteht, dem ich mich unwiderstehlich hingeben muß. Liebe, gute Susette, herzliebes Mädchen, ich lege meine Liebe in Gottes Hand und Dir ans Herz und frage Dich vor Gott, ob Du die meinige werden willst, ob Du mir ganz und für immer angehören kannst? – Die Antwort schreibe einfach von Deinem reinen Herzen ab und sende sie mir nach Rostock (Mecklenburg). Meine Mutter grüßt Dich mit unaussprechlicher Liebe von ihrem Schmerzenslager, wohin sie durch einen schweren Fall gebannt ist. Ich grüße Deine lieben Eltern und Geschwister viel tausend Mal, ebenso unsere Lina aufs innigste. Dein Vetter Karl Hegel.
Rostock (Mecklenburg) Hegel war seit 1841 außerordentlicher Geschichtsprofessor an der 1419 gegründeten Universität in der alten Hansestadt an der Ostsee im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Meine Mutter Maria (Marie) Helena Susanna Hegel, geb. von Tucher (1791–1855), Schwester (Johann) Sigmund Karls von Tucher. Vgl. Taf 15. Deine ... Geschwister Susette (Susanna Maria von Tucher [1826–1878]) hatte acht Geschwister, je vier Brüder und Schwestern, sämtlich auch Karl Hegels Vettern und Cousinen: Gottlieb Karl Sigmund (1830–1850), Maria Therese Karoline (1834–1905), Luise Karoline (1836–1901), Sophie Maria (1839–1871), Caroline Maria (1844–1913), Friedrich Wilhelm Sigmund (1846–1924); bereits gestorben waren Christoph Friedrich Karl (1827–1842) und Georg Christoph Karl (1824–1846).
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Die Briefe
Nr. 2 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 30. Oktober 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. Im Tucherischen Garten vor dem Wöhrder Thore. frei [fol. 1r] Rostock, 30. Oct. 49. Innigst geliebte Susette! Du Einzige und Liebste meines Herzens: wie soll ich Dir danken für die so heiß ersehnte und nun so voll gewährte Versicherung Deiner Liebe, für Deine Hingebung, womit Du mir ganz und für immer angehören willst! Meine Brust schwillt von dem Glück meiner Liebe, durch die ich mich über mich selbst gehoben fühle; denn „wo die Lieb' erwacht, da stirbt das Ich, der dunkele Despot.“ Ich umarme Dich als meine geliebte süße Braut und nehme Dich auf in mein innerstes Wesen: ich verlasse meine Einsamkeit, um alle Freuden und Leiden des Lebens mit Dir zu theilen. Möchte ich doch nur reich genug sein an Liebe, um Dir ebenso viel zurückzugeben, als ich empfange; möchte es mir nicht fehlen an allen guten Gaben des Geistes, damit Du nie einen Mangel in Deinem Sein oder eine Lücke in Deinem Herzen emp nden möchtest! Ich fühle zu lebhaft, liebe Susette, wie viel ich Dir zu ersetzen habe, um nicht deshalb bange zu sein. Denn ich darf Dir nicht verbergen, daß ich durch mein langes Alleinstehen im fremden Lande, fern von der Liebeswärme meiner nächsten Angehörigen, ein selbstgenügsames, hartes und sprödes Wesen angenommen habe, welches die Liebe erst wieder allmählich schmelzen oder erweichen muß, damit es selbst liebenswürdig erscheine und werde. Die Kämpfe des öffentlichen Lebens, welche ich seit anderthalb Jahren bestanden, haben mich vollends so gestählt, daß ich meiner Emp ndungen vollkommen Herr geworden bin; aber weil ich sie zu oft unterdrückt habe, um in der Ruhe des kalt abwägenden Verstandes die Überlegenheit zu behaupten, so sind Im Tucherischen Garten vor dem Wöhrder Thore Gartengelände im XXX. Distrikt der Sebalder Seite Nürnbergs an der Straße nach Wöhrd („Gärten bei Wöhrd“), nördlich der Pegnitz und östlich der Nürnberger Stadtmauer gelegen, 1825 in die ehemalige Reichsstadt eingemeindet, später Cramer-Klett-Park. Dort bewohnte die Familie von Tucher das Gebäude Nr. 187 (später: Äußere Cramer-Klett-Straße 12). frei portofrei; handschriftlicher Vermerk des Absenders im Anschriftenfeld des Briefumschlags unten links. Rostock, 30. Oct. 49. Ort und Datum stehen oben rechts. „wo die Lieb' erwacht, da stirbt das Ich, der dunkele Despot“ Hegel zitiert den aus Balch (Balkh) im Norden Afghanistans stammenden, persischsprachigen Dichter und islamischen Mystiker Dschal¯al ad-D¯n ar-R¯umi (Gal¯al-ad-D¯n R¯um¯) (1207–1273), der hauptsächlich im anatolischen Konya lebte und dort auch starb.
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Die Briefe
sie von selbst schwächer geworden, und mein Herz bedarf sehr der Liebe, um wieder zu erwarmen. Du wirst ihm wieder Leben geben, theure Susette; denn es hat sich Dir geöffnet, wie die halb erstarrte Blume dem [fol. 1v] frischen Thau und dem warmen Himmelslicht. Nicht darfst Du daher zweifeln und fragen, was Du mir sein und bieten könnest, wenn Du mir doch Dein Herz voll Liebe schenkst. Dein lieber Brief, der Bote meines höchsten Glücks, ist wohl hier schon zwei Tage gelegen, bevor ich selbst ihn und seinen reichen Inhalt in Empfang nehmen konnte. Du kannst Dir denken, mit welcher Spannung ich ihm entgegensah, mit welcher Ungeduld ich noch mehrere Tage in Schwerin, um nothwendiger Geschäfte willen, verweilte. Es war gestern Abends ½ 10 Uhr, da ich ihn emp ng und mit unendlicher Rührung las und wieder las und närrischer Weise an meine Lippen drückte. Du warst mit ihm der erste Gedanke meines Erwachens, und ich ng aufs neue an ihn zu lesen, obwohl ich ihn beinahe auswendig wußte. O liebe gute Susette, wenn ich Dich nur selbst erst bei mir hätte! – Heute morgen packte ich dann meine Sachen aus Koffern und Kisten aus – ein unleidliches Geschäft – und suchte meine alte Tischgesellschaft zu Mittag im Gasthofe auf. Nachher ging ich zu meinem lieben Freunde, dessen liebenswürdige Frau nicht minder meine Freundin ist – heißt Stannius und ist Professor der Medicin – welcher nach seiner neckischen Art mich sogleich fragte, ob ich verlobt sei: er fragte mich aber so, weil ich über die Zeit ausgeblüben und er mir schon lange eine liebe Frau gewünscht – und da ich die Frage kurzweg bejahte, so war große Freude im Hause. Denke Dir, liebe Susette, so machst Du schon hier große Freude! Morgen aber werde ich Dich, als meine (innig geliebte) Verlobte, mit meinem Namen auf eine Karte drucken lassen und die Karte an alle guten Freunde und Bekannte in Rostock versenden, worauf ich viele Glückwünsche empfangen werde, die ich alle mit in Deinem Namen annehme. Auch werde ich die Anzeige unserer Verlobung in einem Brief lithographiren lassen und den Brief allenthalben an meine Freunde in Schwerin, in Berlin, in Göttingen, in Heidelberg, in Halle, in Leipzig und wo ich sonst noch Freunde habe, hinschicken – und überall – das weiß ich gewiß – freudige Theilnahme nden. Ebenso wird Dein lieber Vater bei Euch die Anzeige machen – auch nach Erlangen (an
Dein lieber Brief Erster Antwortbrief Susettes, eingegangen wohl am 27. oder 28. Oktober 1849 in Rostock. Schwerin Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. nothwendiger Geschäfte Es ist zu vermuten, daß Hegel in Angelegenheiten seines landespolitischen Engagements am großherzoglichen Regierungssitz tätig war. Stannius Hermann Friedrich Stannius (1808–1883), von 1837 bis 1863 ordentlicher Professor der Medizin (Physiologie) an der Universität Rostock, verheiratet mit Berta Fromm (1818–1905), Tochter des Vizepräsidenten des Oberappellationsgerichts in Rostock, Friedrich Ernst Carl Fromm (1776–1846). ausgeblüben lies: ausgeblieben. Karte Visitenkarte des Brautpaares vom November 1849. Vgl. Abb. 1.
Die Briefe
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Abb. 1: Visitenkarte des Brautpaares (November 1849)
Hofmann) und München (an Lubin) werde ich sie schicken. So bist Du dann vor aller Welt meine liebe erkorene Braut – ich zittere vor Freude, indem ich Dich meine Braut nenne, und küsse Dich tausend Mal, innigst geliebte Susette! [fol. 2r] So eben gehen Briefe von meinen Lieben aus Berlin ein, in Begleitung Deines lieben Briefes an meine theure Mutter. Sie bezeigen mir aufs neue ihre innigste Theilnahme an unserem Glück. Auch geben sie mir gute Nachricht von der lieben Mutter, an der die eigenthümliche Kur des Streichens wahrhaft Wunder gethan hat. Die gute Wirkung dieser Kur konnte ich selbst noch in Berlin bemerken, da ich, um die Folgen des Unfalls und die eintretende Besserung abzuwarten, noch bis zum 25. Morgens dort blieb – von demselben Tage ist Dein Brief an mich und mein künftiges Lebensglück datirt. Wir hatten nur Ursache Gott zu danken dafür, daß kein Bruch, sondern nur eine Verstauchung des Hüftgelenkes und Lähmung des ganzen linken Beins stattgefunden hatte: am dritten Tage ließen die heftigen Schmerzen nach, so daß Hofmann Johann Christian Konrad Hofmann (1810–1877), von 1842 bis 1845 – in Hegels ersten Rostocker Jahren – ordentlicher Professor der evangelisch-lutherischen Theologie an der Universität Rostock, anschließend bis in sein Todesjahr an der Universität Erlangen. Lubin Es muß heißen: Lupin. Der Jurist Adolph Freiherr von Lupin (1811–1888) heiratete 1843 Magdalene Freiin von Niethammer (1826–1896), die älteste Enkelin des Philosophen und Theologen Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848), verheiratet mit Rosine Eleonore Döderlein (1770–1832). Als bayerischer Zentralschul- und Oberkirchenrat berief Niethammer 1808 seinen ihm eng vertrauten Philosophie-Kollegen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) als Rektor und Professor an das Nürnberger Egidiengymnasium.
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die liebe Mutter schlafen und auch das Bein wieder etwas bewegen konnte. Nach den neuesten Nachrichten, die ich nun so eben erhalte, ist noch eine weitere Besserung eingetreten; doch wird die liebe Mutter immer noch eine Zeitlang das Bett hüten müssen, bis sie das gelähmte Bein wieder gebrauchen kann. – Ihre Freude über unser Glück ist groß und unaussprechlich: Du weißt, was sie für eine reine und himmlische Seele ist, voll Aufopferung, Güte und Liebe, die nicht das Ihrige sucht. Es ist mir eine unendliche Befriedigung, daß ich ihr noch diese Freude, worin ihr sehnlicher Herzenswusch erfüllt ist, gemacht habe. Liebe Susette, Du wirst mir nun auch mittheilen, welchen Eindruck unsere Verlobung in Deinem nächsten und ferner stehenden Kreise gemacht hat: ich besorge, daß er an einer Stelle ein schmerzlicher gewesen ist, wenngleich ich mir deshalb keinen Vorwurf zu machen habe. Wir wollen uns gegenseitig in unsere innere und äußere Welt einführen, damit wir miteinander, so viel die schmerzliche, hoffentlich recht kurz dauernde Trennung es zuläßt, sowohl innerlich eins werden, als auch hier und dort zu Hause nden. Besonders ist es aber an mir, Dich in meine Dir ganz fremde Welt einzuführen, und ich will Dir nach und nach meine Umgebung und Lebensweise beschreiben und von den Freunden und Freundinnen erzählen, die ich Dir hier zuzuführen gedenke. Du wirst recht liebe Menschen und auch verwandte Seelen darunter nden, deren Umgang für Dich ebenso anziehend als bildend sein wird. Und Du hast so viel Selbständigkeit des Charakters, heißgeliebtes Mädchen, daß ich nicht zweifle, Du werdest Dich auch in [fol. 2v] der fremden Welt und norddeutschen Art zurecht zu nden und darin zu behaupten wissen. Abgelöst von der Scholle der lieben Heimat wirst Du noch mehr in Dir selbst Wurzel fassen und Deine Befriedigung in demjenigen nden, was von Zeit und Ort unabhängig ist: in unserem häuslichen Glück wollen wir uns den Himmel bereiten, so wie uns zu ihm bereit machen. Liebe Herzensbraut! Wir wollen schon jetzt eine recht innige Gemeinschaft mit einander p egen und durch ununterbrochene briefliche Mittheilung uns gegeneinander austauschen und so die Entfernung überwinden. Wir wollen unsere Briefe in der Form eines Tagebuchs abfassen, worin wir unsere Emp ndungen, Gedanken und Erlebnisse ohne Unterbrechung einzeichnen und solches etwa alle 8 Tage zugleich mit der Antwort auf den empfangenen Brief abschicken. Gleich morgen will ich damit beginnen und Dir in meinem nächsten Brief ein Beispiel davon, wie ich's meine, geben. Vielleicht können wir auch unseren Gedankenaustausch an irgend eine gemeinschaftliche schöne Lectüre anknüpfen und werde ich Dir dazu Vorschläge machen. Doch möchte ich zuvor von Dir wissen, ob Dir Deine häuslichen Geschäfte auch hinlängliche Zeit dazu übrig lassen und ob Du vielleicht selbst mir eine bestimmte Lectüre, die Dich gerade am meisten anzieht, vorzuschlagen wünschest. – Grüße Deine lieben Eltern aufs innigste und ebenso unsere liebe Lina, deren Schwestergruß ich mit derselben Liebe als Bruder erwidere, womit sie mir ihn so freundlich geboten hat. Sie wird mir verzeihen, wenn ich ihre lieben Zeilen nicht sogleich noch besonders beantworte: ich weiß, sie nimmt mit der ganzen Innigkeit ihrer Seele Theil
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an unserem Glück. Grüße alle die Lieben in Nürnberg, die Dir und mir nahe stehen. Melde mir noch in Deinem nächsten, wann Du diesen Brief empfangen hast, so wie auch, wann der Deinige abgeht, damit wir künftig die Zeit des Hin- und Hergehens der Briefe genau berechnen können. Dieser geht am 31. Oct. (Mittwoch) Mittags hier ab. So lebe denn wohl, meine theure, innig geliebte Braut, die ich als die meinige in mein Herz geschlossen habe, der ich mein ganzes künftiges Leben widmen will in aller Treue und Liebe. Dein Karl. Nr. 3 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 1.–9. November 1849 [fol. 1r] Geliebte Susette, theuerste Braut! 1. Nov. Der Erste, an den ich heute von unserer Verlobung geschrieben, ist mein Freund Gervinus in Heidelberg, dessen Name berühmt durch ganz Deutschland auch Dir nicht unbekannt sein wird; er und seine liebenswürdige Frau gehören seit lange zu meinen nächsten und liebsten Freunden, und es hat sich eigen getroffen, daß ich bei meiner Ankunft allhier neben Deinem Liebesboten auch von ihm und daneben von Manuel Briefe vorfand, so daß gerade die, die ich am meisten liebe, sich gleichzeitig zu meinem Empfang um mich zu versammeln schienen. – Ich lernte Gervinus in Heidelberg 1. Nov. Mit dem 1. November 1849 beginnt die Reihe der Tagebuch-Briefe Hegels. Das Datum ist in Kurzform – wie auch im Folgenden – auf den linken Briefrand geschrieben. Gervinus Georg Gottfried Gervinus (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker. Heidelberg Universitätsstadt am Neckar, in der Gervinus 1835 kurzzeitig außerordentlicher Professor war und mit dem Studenten Hegel eine lebenslange Freundschaft begründete. Von 1839 bis 1844 wirkte Gervinus als Privatgelehrter in Heidelberg und wurde dort 1844 Honorarprofessor an der Universität. seine liebenswürdige Frau Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893). Manuel Immanuel Hegel (1814–1891), zumeist „Manuel“ genannt, Karl Hegels jüngerer Bruder, von 1848 bis 1865 im Preußischen Staatsministerium in Berlin (ab 1849 als Regierungsrat und Leiter der Zentralstelle für Preß-Angelegenheiten, 1853 Geheimer und vortragender Rat, 1859 Geheimer Oberregierungsrat), 1850–1853 Mitglied der StadtverordnetenVersammlung Berlins für den Bezirk Tiergarten, später Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg.
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kennen als ich damals noch studierte, er war bereits Privatdocent und schrieb schon an seiner deutschen Literaturgeschichte, die ihn nachmals berühmt gemacht hat: Wenige erkannten ihn, und mit ihm verkehrten außer mir nur noch Georg Beseler, von dem Du auch gehört oder gelesen haben wirst; wir schlossen einen engen Bund geistiger Gemeinschaft und gleichen Strebens und haben seitdem, es sind 14 Jahre her, in mancherlei Lebensschicksalen treu zusammengehalten. Dort in Heidelberg lernte G[ervinus] auch seine Frau zuerst kennen, die, damals erst 16 Jahr alt, doch an Verstand über die Jahre gereift war: er heirathete sie, als er nach Göttingen berufen worden, und dort besuchte ich sie im Herbst 1837 kurz vor der Katastrophe, welche mit dem Regierungsantritt des Königs Ernst August und Umsturz der Verfassung in Hannover erfolgte. Gervinus gehörte mit Dahlmann, mit welchem ich dort auch zuerst befreundet wurde, zu den 7 Professoren von Göttingen, welche sich öffentlich gegen das königliche Unrecht erklärten und deshalb Amt und Land verlassen mußten. Im folgenden Sommer unternahm er eine Reise nach Italien mit seiner Frau und ich folgte ihm dorthin, wo wir uns in Neapel trafen. Wir blieben und wohnten zusammen 6 Monate lang in Rom: die liebenswürdige junge Frau machte Alles mit und bereitete deutschen Literaturgeschichte Zwischen 1835 und 1842 erschien Gervinus' Hauptwerk „Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen“ in fünf Bänden, das oftmals neu aufgelegt wurde und mit dem er sich in weiten Kreisen der Bevölkerung einen Namen gemacht hat. Beseler Georg Beseler (1809–1888), Politiker und ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft u. a. an den Universitäten Rostock (1837–1842) und Greifswald (1842–1859). Seit den 1830er Jahren entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Germanisten unter den Juristen und zum weithin bekannten Gegner der von Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) begründeten und maßgeblich geprägten „Historischen Rechtsschule“. In seinen ein halbes Jahrhundert umspannenden Memoiren „Erlebtes und Erstrebtes. 1809–1859“ (S. 30, 37) erinnert er sich Hegels, mit dem er ebenfalls in Heidelberg eine lebenslange Freundschaft begründete. Ernst August Ernst August I. (1771–1851), König von Hannover 1837–1851. Dahlmann Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), Politiker und Historiker. 7 Professoren von Göttingen Die „Göttinger Sieben“ waren der Staatsrechtler Wilhelm Eduard Albrecht (1800–1876), der Orientalist Heinrich Ewald (1803–1875), die Brüder Jacob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859), Juristen bzw. Sprach- und Literaturwissenschaftler, der Physiker Wilhelm Eduard Weber (1804–1891) und die beiden Historiker Dahlmann und Gervinus. Sie protestierten unter Rückgriff auf den von ihnen geleisteten Verfassungseid gegen die vom König zum 1. November 1837 verfügte Aufhebung des hannoverschen Staatsgrundgesetzes von 1833 und wurden daraufhin im folgenden Dezember ihres Universitätsamtes enthoben, Jacob Grimm, Dahlmann und Gervinus zusätzlich des Königreichs verwiesen. Reise nach Italien Gervinus' schon länger geplante Reise nach Italien (März 1838 bis Juni 1839) verlief in Teilen gleichzeitig mit Hegels Italienreise (August 1838 bis September 1839). Vgl. dazu Hegel, Leben, S. 40–106; Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 135– 142; Baar, Flucht. Erst kürzlich aufgefunden wurde das noch nicht edierte „Reisetagebuch Italien“, das Karl Hegel während seiner Reise auf losen Blättern führte.
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uns die gemütlichste Häuslichkeit; erst in Florenz trennten wir uns, da er früher als ich nach Deutschland zurückkehrte. Seitdem habe ich ihn nur wenige Male und nur kurze Zeit wiedergesehen, zuerst vor einigen Jahren auf der Germanistenversammlung in Frankfurt, von wo ich ihn auch noch in Heidelberg besuchte, darauf wieder auf der zweiten Germ[anisten] Vers[ammlung] in Lübeck, wo die liebe Victorie gleichfalls mit ihm war. Diesen also habe ich von Dir geschrieben und hinzugefügt, daß ich ihnen bald meine liebe Frau – verstehst Du, Dich, herzliebes Kind – in Person vorzuführen gedächte. 2. Nov. Liebe Susette! Es ist schon spät in der Nacht, doch muß ich noch ein Paar Worte mit Dir plaudern. – Ich kann immer noch nicht zum eigentlichen Arbeiten kommen, da mich zuerst die Anordnungen meiner Häuslichkeit, dann die Antrittsbesuche, endlich die Verlobungsanzeigen, wobei viel Briefe zu schreiben [fol. 1v] sind, daran verhinderten. Doch habe ich meine Vorlesungen angekündigt und erwarte die Zuhörer. Heute also habe ich die eben erst fertig gewordenen Verlobungskarten herumgeschickt, nur an die Collegen und näheren Bekannten, doch an die 70: eine Probe davon lege ich bei. Sieh' liebes Susettchen, wie hübsch unsere Namen zusammen stehen und wie bereitwillig ich Dir den Vorrang gewähre, denn ich will Dich hoch halten und Dir dienen in aller Liebe und Treue. Auch an die 60 Verlobungsbriefe sende ich aus: auf die meisten schreibe ich bloß die Adresse darauf, nur an die nächsten Freunde füge ich ein Mehreres hinzu, und so habe ich heute schon viel von Dir, mein süßes Mädchen, geschrieben. Ein Paket nach Schwerin habe ich abgeschickt und eines nach Heidelberg und das dickste, nach Berlin, ist auch fertig. Von den hiesigen Freunden empfange ich schon die Glückwünsche. – Gegen Abend war ich bei einem neu herbeigerufenen und
Germanistenversammlung in Frankfurt Die erste Germanistenversammlung fand vom 24. bis 26. September 1846 im „Römer“ in Frankfurt am Main statt, veranstaltet von der „Germanistik“ im umfassenden Verständnis zugewandten Historikern, Juristen, Sprach- und Literaturwissenschaftlern. zweite Germ[anisten] Vers[ammlung] in Lübeck Sie wurde unter der Leitung von Jacob Grimm vom 27. bis 30. September 1847 veranstaltet. In das „Album zur Erinnerung an die zweite Germanisten-Versammlung zu Lübeck“ schrieb Hegel eigenhändig: „C. Hegel. Deutsch ist, was von Herzen kommt, sagt das Sprichwort“. Das „Alphabetische Register der hier verzeichneten Theilnehmer“ nennt 113 Herren, darunter Beseler und Dahlmann, aber nicht Gervinus. Victorie Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), Musikwissenschaftlerin und Ehefrau Georg Gottfried Gervinus', die er 1836 in Heidelberg heiratete. Vorlesungen Für das Wintersemester 1849/50 hatte Hegel angekündigt: „D. Carolus Hegel, P. P. O., 1) publice de civitate historice disseret bis p. h.; privatim 2) historiam Megapolitanam ter. h. IV docebit; 3) historiam populi Germanici quinquies h. V tradet.“ (UA Rostock: Index Lectionum in Academia Rostochiensi, Wintersemester 1849/50, S. 12).
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Abb. 2a und b: Verlobungsanzeige Karl Hegels vom 31. Oktober 1849
erst vor kurzem angekommenen Collegen; er heißt Bruns, ist Jurist und war bis da Professor in Tübingen: er selbst ist aus Braunschweig, hat aber in Tübingen eine Schwäbin geheirathet, eine liebe und interessante Frau, die hier allgemein gefällt: ich interessire mich doppelt für sie, da sie ungefähr in derselben Lage ist, in der auch Du bald sein wirst – eine Süddeutsche im hohen Norden von Deutschland, herausgerissen aus ihrer gewohnten Lebensweise und einem lieben Familienkreise, nur auf neue Bekanntschaften angewiesen; doch sie scheint sich drein zu nden und sucht sich das Beste dabei heraus, obwohl es ihr, nach der schwäbischen Art, viel schwerer als Dir sein wird, sich hier ganz heimisch zu machen. Ich denke, Ihr Beide werdet Euch besonders an einander schließen, um es auch gegenseitig zu erleichtern.
Bruns Karl Georg Bruns (1816–1880), von 1849 bis 1851 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock, vorher Privatdozent an der Universität Tübingen, ab 1851 Ordinarius an den Universitäten Halle, Tübingen und Berlin. Schwäbin Charlotte Bruns, geb. Gmelin (1816–1900), Ehefrau Karl Georg Bruns' und Tochter des Esslinger Oberjustizrates August Hermann Gmelin (1786–1836).
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3. Nov. Heute war in Ludwigslust die Vermählung unseres geliebten Großherzogs und das ganze Land nahm Theil an seinem hohen Fest. Auch bei uns wurde es gefeiert durch ein Diner und Abends mit einem Ball, nachdem am Vormittage ein feierlicher Gottesdienst statt gefunden hatte. Es predigte mein Freund und College, Prof. der Theologie, Namens Krabbe, der ein gar lieber und wahrhaft frommer Mann ist, der einzige, dessen Predigten ich hier hören mag. Er nahm die Textesworte aus dem 25. Psalm, die da lauten: „Herr, Deine Wege sind eitel Güte und Wahrheit allen denen, die Deinen Bund und Dein Zeugniß halten.“ Vieles von dem, was er sagte, dürfte ich auch auf mich anwenden, der ich es gewiß für eine große und besondere Güte Gottes erkenne, daß ich Dich, Du liebe Seele, gefunden habe. Auch an dem Diner nahm ich Theil, um mir nachher den Ball zu ersparen: mit Dir hätte ich gern den Ball besucht, wenn es Dir Freude gemacht hätte zu tanzen oder viele geputzte Menschen zu sehen. Ich empng dort viele Glückwünsche von meinen Freunden. Ein Theologe, gleichfalls College von mir, den sie jetzt nach Erlangen hinziehen wollen, Delitzsch, fragte nach Bedeutung und Herkunft des Namens Susette und erinnerte sich einer Stelle des Hohen Liedes, die hebräisch mit dem Worte: le Susati anfängt und zu deutsch lautet: dem Rosse Pharao's vergleiche ich meine Geliebte. Wenn Dir das aber nicht gefällt, mein liebes Susettchen, mit einem, wenn auch [fol. 2r] gewiß sehr stattlichen, ägyptischen Rosse verglichen zu werden, so will ich Dir noch sagen, daß Susanna, woher doch Dein französisch auslaufender Name kommt, zu deutsch die Rose heißt, und gewiß vergleiLudwigslust Stadt und Barockschloß, südlich von Schwerin gelegen und benannt nach Herzog Christian Ludwig II. (1683–1756), bis 1837 Hauptresidenz der Herzöge, dann der Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin. Vermählung Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883) heiratete in erster Ehe Prinzessin Auguste (1822–1862), Tochter des Fürsten Heinrich LXIII. Reuss zu Köstritz (1786–1841) und der Grä n Eleonore zu Stolberg-Wernigerode (1801– 1827), mit der er sechs Kinder hatte. Krabbe Otto Carsten Krabbe (1805–1873), von 1840 bis zu seinem Tod ordentlicher Professor der evangelisch-lutherischen Theologie an der Universität Rostock und Universitätsprediger. „Herr, Deine Wege sind eitel Güte und Wahrheit allen denen, die Deinen Bund und Dein Zeugniß halten“ Psalm 25, 10. Delitzsch Franz Delitzsch (1813–1890), von 1846 bis 1850 ordentlicher Professor der evangelisch-lutherischen Theologie (Altes Testament) an der Universität Rostock, ab 1850 an den Universitäten Erlangen und Leipzig, verheiratet mit Clara Silber (1823–1894). Hohen Liedes „Das Hohelied Salomos“ ist das fünfte der Lehrbücher des Alten Testaments und stellt eine Sammlung von Liebesliedern dar. Ihr Name geht auf die Bibelübersetzung Martin Luthers zurück, hier zitiert nach dem 1912 genehmigten Text. le Susati Das Hohelied Salomos 1, 2; in Luthers Übersetzung: „Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein.“ dem Rosse Pharao's vergleiche ich meine Geliebte „Ich vergleiche dich, meine Freundin, meinem Gespann an den Wagen Pharaos.“
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che auch ich Dich lieber, als mit dem Rosse von Pharao, mit der Rose von Saron, deren lieblicher Duft mich umfangen hält. Als ich nach Hause kam, fand ich einen Brief von Manuel vor, worin er mir leider schreibt, daß das Be nden der lieben Mutter sich noch nicht weiter gebessert habe, als daß sie sich nur etwas aufrecht im Bette erheben kann, sonst aber auf derselben Stelle im Bette liegen muß, da sie Bein und Fuß nicht ohne Schmerzen bewegt. Gott gebe, daß es bald besser mit ihr wird! 5. Nov. Gestern habe ich hier nichts für Dich niedergeschrieben, aber um so mehr an Dich gedacht, meine geliebte Susette; denn ich war einen guten Theil des Tages, so wie auch heute noch, mit Briefen an meine Freunde beschäftigt, um ihnen unsere Verlobung anzuzeigen, und ich habe mir dabei Dein liebes Bild um so lebendiger vergegenwärtigt, als ich Dich hie und da, wenn auch nur in wenigen hervorstechenden Zügen, charakterisiren mußte. Ich habe Dich geschildert so, wie ich Dich liebe, wie Du mir das Herz abgewonnen hast, ohne Dir zu schmeicheln, denn dazu bin ich zu sehr an historische Auffassung und Treue gewöhnt. Unter diesen Briefen sind auch einige nach Baiern gegangen, nach München an Lubin (zugleich für Niethammer) und Dönniges, bei dessen Hochzeit ich in Berlin gewesen (er hat ein reiches Judenmädchen geheiratet), nach Erlangen an Hofmann – das Übrige überlasse ich dort Euch. Auch Vater Flottwell hat einen Brief von mir nach Königsberg bekommen. Rose von Saron Das Hohelied Salomos 2, 1; in Luthers Übersetzung: „Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal.“ zugleich für Niethammer Da Friedrich Immanuel Niethammer 1848 gestorben war, muß sein Sohn Julius Freiherr von Niethammer (1798–1882) gemeint sein, der mit seiner Frau, Sophie Freiin von Tröltsch (1804–1875), seinen Kindern und seinen Eltern in einem von seinem Vater in München gekauften Haus lebte; in diesem Haus wohnten zudem Adolph und Magdalene von Lupin. Im gastfreundlichen Hause Niethammers waren u. a. auch der Philosoph Hegel sowie seine Söhne Karl und Immanuel, Niethammers Patenkind, zu Gast gewesen. Julius von Niethammer war Reichsrat und wurde 1862 Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, während sein Vater seit 1808 außerordentliches, seit 1822 ordentliches Akademiemitglied war. Dönniges Wilhelm Dönniges (1814–1872), deutscher Historiker und bayerischer Staatsmann. reiches Judenmädchen Franziska Wolff (1823–1882), Tochter des jüdischen Kaufmanns Joseph Wolff aus Spandau, wurde 1841 evangelisch und heiratete 1842 in Berlin Wilhelm Dönniges; ihr erstgeborenes Kind war die spätere Schauspielerin und Schriftstellerin Helene Dönniges (1843–1911), die ein Patenkind Hegels war und deretwegen sich der Sozialist Ferdinand Lassalle (1825–1864) duellierte und den Tod fand. Vater Flottwell Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), preußischer Staatsmann, war in den Jahren 1849/50 u. a. kommissarischer Oberpräsident der Provinz Preußen in Königsberg, Schwiegervater Immanuel Hegels.
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Gestern Mittag war ich zu einem Freunde geladen, den ich Dir gleichfalls schon bekannt machen muß, weil ich Dir seine Frau empfehlen will: Professor Leist (Jurist) aus Göttingen, ebenso wie seine Frau, die eine Tochter des berühmten Ottfried Müller ist. Beide sind sehr liebe und angenehme Leute und die Frau besonders von feiner Bildung: sie hat zwei Kinderchen, denen sie sich mit der größten mütterlichen Sorgfalt widmet, und steht auch der Wirthschaft musterhaft vor. Du wirst in ihr eine norddeutsche Frau im besten Sinne erkennen. Dasselbe gilt von der Frau Stannius, die ich Dir schon einmal genannt habe und die eine geborene Mecklenburgerin ist. 8. Nov. Meine liebe Susette! Nun bin ich schon über eine Woche hinaus, seitdem ich diesen Brief begann. Schon gestern glaubte ich einen Brief von Dir bekommen zu können; heute ist mein Verlangen danach noch gesteigert (es ist jetzt ½ 9 Uhr Abends, bald nach 9 kommt die Post), und morgen würde mich die Ungeduld vollends quälen. Denke, theuerste Susette, daß ich nur erst einen einzigen Brief von Dir habe, und wie sehr mich danach verlangen muß, das zweite Wort Deiner Liebe zu vernehmen. – Du wirst erschrecken oder vielleicht lächeln und darauf sehr ernsthaft werden, wenn ich Dir erzähle, womit ich mich gestern und vorgestern beiläu g beschäftigt habe: – ich habe mich nach einer Wohnung für uns Beide erkundigt und auch schon in einigen Häusern danach umgesehen, aber bis jetzt noch nichts Sonderliches gefunden. Denn ich will Dir nicht verhehlen, und es sogleich auch gegen Deine lieben Eltern aussprechen, daß es mein sehnlichster Wunsch ist, Dich, da es nicht früher möglich scheint, doch bald nach Ostern (fällt auf den 31. März) heimzuführen. [fol. 2v] Und da eine gute Wohnung hier selten zu haben ist und in der Regel ein halbes Jahr vorher gekündigt, also auch, wenn man nicht es auf den glücklichen Zufall ankommen lassen will, gemiethet werden muß, so ist hier keine Zeit mehr zu versäumen. Doch freilich kommt es dabei vor allem auf Deine Zustimmung an, meine Geliebte, sowie auf die Genehmigung Deiner lieben Eltern, ob sie die Hochzeit bis zum April gestatten. Ich werde mich hierüber des Weiteren gegen die liebe Mutter auslassen und will deshalb hier nur
Leist Burk(h)ard Wilhelm Leist (1819–1906), von 1847 bis 1853 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock, verheiratet mit Julie Wilhelmine Müller (1826–1907), Tochter des Göttinger Klassischen Philologen, Archäologen und Althistorikers Karl Otfried Müller. Ottfried Müller Karl Otfried Müller (1797–1840), ordentlicher Professor verschiedener altertumswissenschaftlicher Disziplinen an der Universität Göttingen und Forschungsreisender. zwei Kinderchen Ein Sohn des Ehepaars Leist war Gerhard Alexander Leist (1862–1918), der spätere Professor der Rechtswissenschaft an den Universitäten Marburg, Gießen und Göttingen. Frau Stannius Berta Stannius, geb. Fromm (1818–1905), Ehefrau Hermann Friedrich Stannius'.
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an Dich die inständige Bitte richten, Du möchtest mir, bei Deiner Liebe zu mir, den dringenden Wunsch nicht versagen. Im Übrigen streite ich hier schon wieder in den Wegen unserer Politik, da ich mich unserem einheimischen Verfassungsstreit nicht entziehen kann, weil ich einmal eine öffentliche Person geworden bin, auf die das ganze Land hinsieht, ob sie schweigt oder redet. Dabei werden mir Haß und Ansehen, Achtung und Geringschätzung ungefähr in gleichen Wagschalen von den verschiedenen Parteien zugewogen. Meinerseits bin ich dagegen bemüht, in dem Gegner immer noch den Menschen anzuerkennen, so lange ich ihn achten kann: ist mir auch der verächtlich, so thue ich ihm nicht die Ehre an, ihn als meinen Gegner zu behandeln oder überhaupt nur zu beachten. 9. Nov. Freitag Nachm[ittag] Heißgeliebte Susette! Heute morgen hat mich Dein lieber Brief bei der Arbeit überrascht. Mit innerem Entzücken habe ich ihn gelesen und meinen Durst nach Deiner Liebe daran gestillt: ich umarme Dich in Sehnsucht und danke Dir und danke Gott für Deine Liebe, die mich so unendlich glücklich macht! Auch freut mich Alles, was Du mir schreibst, besonders was Du mir von Dir schreibst, wovon ich nicht genug hören kann, Du mein liebes, unerschöpfliches Thema! Auch danke ich Dir für die Bereitwilligkeit, womit Deine Liebe meinen Wünschen entgegen kommt! Unser Tagebuch wird uns bisweilen nicht nur an denselben Tagen, auch an denselben Stunden mit innig verwandten Gedanken zusammenführen. Siehe z. B. wie unsere Gedanken in der Kirche zusammengetroffen sind! Was die Lectüre betrifft, so möchte ich mit Dir einige von den schönsten Sachen unserer Dichter durchgehen, so z. B. Göthe's Iphigenie,
einheimischen Verfassungsstreit Als Rostocker Professor und leitender Redakteur der neugegründeten „Mecklenburgischen Zeitung“ in Schwerin war Hegel von Oktober 1848 bis September 1849 engstens mit den politischen Bewegungen in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz vertraut, die vor allem durch die Gegnerschaft von „Demokraten“ und „Liberalen“ geprägt waren. Nachdem sich am 31. Oktober 1848 eine erste gewählte Abgeordnetenversammlung mit dem Ziel konstituiert hatte, in beiden Großherzogtümern eine konstitutionelle Monarchie einzuführen, kam es am 10. Oktober 1849 lediglich zur Verkündung eines – am 23. August 1849 von Großherzog Friedrich Franz II. beschworenen – „Staatsgrundgesetzes für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin“, während sich Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) als entschiedener Gegner der Revolution von 1848 von den Verfassungsverhandlungen abwandte und mit dem Freienwalder Schiedsspruch vom 11. September 1850 auch für Mecklenburg-Schwerin die Rückkehr zur alten landständischen Verfassung bewirkte. Göthe's Iphigenie Johann Wolfgang von Goethes (1749–1831) Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ war erstmals 1787 im Druck erschienen.
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Tasso oder Dichtung und Wahrheit aus meinem Leben, Lessing's Nathan den Weisen u. A. Einen bestimmten Vorschlag will ich nicht machen, wähle Du selbst, was Du eben hast oder leicht haben kannst, und sage mir dann, was Du gewählt hast. Schreibe mir auch im Allgemeinen, wie weit Du Deine Lectüre schon ausgebreitet hast, ob Du auch schon zu den Alten z. B. Homer (in der Voß'schen Übersetzung), zu den Engländern z. B. Shakespeare (in der Schlegel=Tiekschen Übers[etzung]) gekommen bist? Danach würden sich auch meine weiteren Vorschläge bestimmen. Ich liebe besonders den Shakespeare und den Dante. – Dein letzter Herzenswunsch, Du liebes Wesen, ist mir aus der Seele genommen und ebenso der meinige. Ob ich ihn erfüllen kann, darüber kann ich für jetzt noch gar nichts sagen, weil ich nicht weiß, ob meine Entschließungen zu Weihnachten frei sein werden: ich werde ihn aber gewiß im Herzen bewahren und seiner Zeit erwägen. – Gleich heute Abend wird dieser Brief abgehen, und so wirst Du ihn hoffentlich am Montag Nachmittag erhalten. Der Deinige kam einen Tag später an, als er gekommen wäre, wenn Dein Bote ihn zur rechten Zeit abgegeben hätte: allein er ist, wie ich aus dem Poststempel ersehe, erst zwischen 5 und 6 Uhr auf die Post gekommen und so bis zum folgenden Tage liegen geblieben. – Von meiner lieben Mutter habe ich einen innigen Brief und bessere Nachrichten erhalten, worüber ich das Nähere in dem
Tasso Goethes Schauspiel „Torquato Tasso“ war erstmals 1790 im Druck erschienen. Dichtung und Wahrheit aus meinem Leben Goethes vierbändige Autobiographie „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit“ war in den Jahren 1811, 1812, 1814 und – nach seinem Tod als Teil von „Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand“ – 1833 erschienen. Lessing's Nathan den Weisen Gotthold Ephraim Lessings (1729–1781) „dramatisches Gedicht“ „Nathan der Weise“ erschien 1779 erstmals im Druck. u. A. und Anderes. Homer (in der Voß'schen Übersetzung) Der Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751–1826) hat beide großen Epen Homers ins Deutsche übersetzt: Homers Odüßee, Hamburg 1781, und: Homers Ilias, Hamburg 1793. Shakespeare (in der Schlegel=Tiekschen Übers[etzung]) Der Literarhistoriker August Wilhelm Schlegel (1767–1845), der Dichter Ludwig Tieck (1773–1853), seine Tochter Dorothea Tieck (1799–1841) und der Diplomat und Schriftsteller Wolf Heinrich Graf von Baudissin (1789–1878) übersetzten die Werke des Engländers William Shakespeare (1564–1616) ins Deutsche. Eng mit der Familie Tieck in Dresden befreundet, hat Ludwig Tieck den Grafen Baudissin bei der Herausgabe seiner Übersetzungen nicht als Miturheber erwähnt. Dante Hegel beschäftigte sich seit seinen Heidelberger Studiensemestern von 1835 bis 1836 – angeregt von dem Historiker Friedrich Christoph Schlosser (1776–1861) – immer wieder mit dem Werk des orentinischen Dichters und Philosophen Dante Alighieri (1265– 1321), hielt seine Rostocker Antrittsvorlesung mit dem Titel „Dante über Staat und Kirche“, die 1842 auch im Druck erschien, und präsentierte im Wintersemester 1844/45 „Vorträge für Damen über Dante's Göttliche Komödie im Hause des Magister Karsten“ (Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 149). Im Zusammenhang seiner sein Gesamtwerk als Historiker prägenden stadtgeschichtlichen Forschungen spielt Dantes Zeit eine wichtige Rolle.
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Anliegenden mittheilen werde. – Das Papier läßt mir nur noch soviel Raum, um Dir, meine innigst Geliebte, aus tiefer Brust ein Lebewohl zuzurufen. Auf ewig Dein Karl. Nr. 4 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 11.–18. November 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). frei 5 ¾ [fol. 1r] 11. Nov. Meine geliebte Susette! Es ist mir eine wahre Herzenserquickung heute am Sonntag Abend meine Arbeit und den politischen Streit zu verlassen, um mir Dein liebes Bild, Dein friedlich stilles Wesen zu vergegenwärtigen. Auch wird erst Deine beständige Nähe beruhigend auf mich wirken und eine gleichmäßig harmonische Stimmung in mir erhalten! Seitdem ich Dich liebe und das entzückende Bewußtsein, von Dir geliebt zu sein, mich ganz erfüllt, habe ich noch weniger, als sonst, das Bedürfniß, eine Erholung in der Zerstreuung nach außen hin zu suchen: ich nde meine liebste Erholung nicht in der Zerstreuung, sondern in der Sammlung meiner Gedanken und Emp ndungen, die ich auf Dich und unser zukünftiges Glück richte. Denn beschäftige ich mich damit, darauf zu sinnen, wie ich es anfangen und einrichten will, um Dich recht glücklich zu machen und in Deinem Glück das meinige zu nden; und wenn ich dabei nur zu oft darauf hingeführt werde, wie viel mir dazu an äußeren und inneren Mitteln abgeht, so über iegt mich wohl bisweilen eine Sorge, die aber gar bald wieder wie eine leichte Wolke zu dem reinen Himmel meines Glückes zer ieget. Denn ich vergegenwärtige mir Dein einfaches und anspruchloses Wesen, und wie Du an mir und meiner Persönlichkeit über alle Mängel hinweggesehen und Dich mir doch in voller Liebe dahingegeben hast, so wirst Du auch in dem beschränkteren äußeren Glück ein gleiches Genügen nden. – Das Bild von der Wolke, das ich eben gebrauchte, erinnert mich lebhaft an jenes lichte Wölkchen, welches ich eines Nachmittags in Simmelsdorf mit Deinem lieben Vater beobachtete: wir stritten uns, ob es ost: oder westwärts ziehe und Simmelsdorf Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich Nürnbergs gelegen. Das Alte Tucherschloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut. Hegel erinnerte sich der ersten Begegnung mit Susanna Maria von Tucher
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konnten uns nicht darüber einigen, und wie ich mich eine Minute darauf wieder danach umsah, so war es völlig in den blauen Himmel zer ossen. – Ich denke oft an das liebe Simmelsdorf, und meine Liebe ndet eine Vorbedeutung darin, daß Du mir dort zuerst entgegen tratst, mir zuerst, dem fremden unerkannten Vetter, Willkommen botest. Dennoch waren meine Augen geblendet, daß ich noch lange nicht erkannte die, die mir der Himmel zur lieben Braut und Gefährtin meines Lebens bestimmt hatte. Wenn ich Dich aber einmal in alle Geheimnisse meiner Liebe einführen werde, Du traute Seele, so werde ich Dir die einzelnen Momente genau bezeichnen, wo auch dort in Simmelsdorf schon mein Herz von einer geheimen Rührung ergriffen, wie von einem elektrischen Funken getroffen wurde. Doch mein Sinn folgte noch nicht meinem Herzen, und darum war er geblendet. – 13. Nov. Du siehst aus dem Datum, meine theuerste Susette, daß ich es nicht so streng nehme mit dem Tagebuch, um nicht auch mal einen Tag zu überspringen. Doch sind meine Gedanken darum nicht weniger oft bei Dir. Ich wünschte Dir jetzt die lieben Briefe meiner Freunde und Freundinnen mittheilen zu können, womit sie meine Verlobungsanzeigen erwidern. Du würdest daraus entnehmen, wo und von wem Du überall, als meine einzig Geliebte, eine liebevolle Aufnahme zu erwarten hast. Ich habe fürwahr alle Ursache, stolz auf viele derselben zu sein, da sie zu den besten und tüchtigsten Menschen gehören. Die treffliche Frau meines Freundes G. Beseler aus Greifswald, der jetzt in Berlin Abgeordneter ist – ich habe Dir schon, wie ich glaube, geschrieben, daß ich mit ihm und Gervinus zusammen in Heidelberg gelebt habe – hat mir einen so herzlichen Brief zugeschickt, daß ich Dir daraus etwas mittheilen muß. Sie freut sich, daß ich endlich dem einsamen Junggesellenleben entsagen wolle, da ich so viel Sinn für eine stille glückliche Häuslichkeit habe – (dies Zeugniß ist mir auch noch anderweitig gegeben worden) – und von je durch das liebevolle Walten meiner [fol. 1v] Mutter das freundliche Bild einer edlen, weiblichen Seele erkannt und geschätzt hätte: so erwartet sie, daß ich auch meine eigene Häuslichkeit sinnig und gemüthlich einrichten werde, daß ich meiner künftigen Frau der sein werde, was das höchste Glück für Frauen ist, – ein treuer liebevoller Freund, der Alles mit der Gattin theilt und ihr durch sein Vertrauen den größten Beweis seiner Liebe giebt. – Ach ja, liebe Susette, ich habe den in seinem Gedenkbuch und in seinen Memoiren: Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 157; Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 152. Frau [...] Beseler Emilie Karsten (1816–1900), Tochter des aus Bützow gebürtigen Mineralogen und Metallurgen Carl Karsten (1782–1853) und der Charlotte Adelheid (Adelaide) Rosenstiel (1788–1861). – „Auszüge aus den Brautbriefen“ Emilie Karstens und Georg Beselers aus den Jahren 1838/39 sind publiziert in: Fünfzig Jahre, S. 41–50. in Berlin Abgeordneter Georg Beseler war von 1849 bis 1852 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, das vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) gemäß der von ihm erlassenen Verfassung vom 5. Dezember 1848 genehmigt worden war.
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festen Vorsatz, Dir das zu sein, was meine Freundin schreibt. – Und sie spricht weiter von ihrem eigenen Glück in einer eilfjährigen Ehe, da nie auch nur der Schatten einer Unwahrheit zwischen ihr und ihrem Manne gestanden, und dieser habe sie durch sein Vertrauen so zu sich emporgehoben, daß sie sich als seine beste Freundin betrachten könne, die ihn nun aber auch ganz und gar verstehe und deren höchster Stolz es sei, ihm das Alles zu sein, was er erwarten dürfe und könne. Solches Glück wünscht sie auch mir (und ich habe die vollkommene Gewißheit, daß es mir durch Deine Liebe beschieden ist). Schließlich bittet sie mich, Dich zu grüßen, womit sie nicht glaube unbescheiden zu sein, da es treu und herzlich gemeint sei. – Ich denke mir, daß Du sie schon aus dieser Mittheilung lieb gewinnen wirst, da sich darin eine edle und liebenswürdige Seele ausspricht. Auch ist ihr Mann einer der edelsten und in jeder Beziehung ausgezeichnetsten, auf dessen Freundschaft ich gleichfalls stolz bin. – Deinen lieben freundlichen Gruß an meine hiesige Freundin, Frau Stannius, von der ich Dir zuerst schrieb, hatte ich vorgestern auszurichten die Gelegenheit: sie freute sich sehr darüber und Du kannst versichert sein, daß sie Dich mit herzlicher Liebe aufnehmen wird; denn, wie ich Dir schrieb, sie hat eben so viel Gemüth als Verstand und ist mir sehr zugethan. – Heute habe ich wieder viel in Politik gemacht, mündlich verhandelt, ein Wahlcomité begründet und für die Zeitung geschrieben. Was ich als das Rechte erkenne, muß ich betreiben; es läßt mir bei Tag und Nacht sonst keine Ruhe. 14. Nov. Ich gedenke heute meines geliebten Vaters, der heute vor 18 Jahren die Erde verließ. Ich wünschte, er wäre noch, ebenso wie Dein lieber Vater, Zeuge unseres Glücks. Auch ihm wurde in Nürnberg das gleiche Glück zu Theil, wo er das liebe, himmlische Wesen fand, das ich als meine Mutter verehre. Es ist eigen, wie viel äußerliche Ähnlichkeit ich mit ihm habe; zunächst im Aussehen, wie man sagt; dann aber auch in den Lebensschicksalen – um nur Einiges zu erwähnen, daß ich, wie er, eine Zeitlang an einem Wahlcomité Das Komitee diente den Wahlvorbereitungen für die Zusammensetzung des geplanten Unionsparlaments in der zu Preußen gehörenden thüringischen Stadt Erfurt, für das Hegel kandidieren sollte. Zeitung Mecklenburgische Zeitung, für die Hegel auch nach seinem Ausscheiden als deren leitender Redakteur noch eine Serie kenntnisreicher Artikel zur mecklenburgischen Verfassungsfrage schrieb, insbesondere auch in der Zeit nach dem Inkrafttreten des „Staatsgrundgesetzes für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin“ im August 1849. Hegel bewahrte den von ihm zu verantwortenden ersten Jahrgang der Zeitungen in gebundener Form in seiner Bibliothek auf: „Mecklenburgische Zeitung. 1. Jahrg. Oct. 1848–49. Herausgeg. v. Hegel. Gebunden.“ meines geliebten Vaters Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (Taf. 12) war am 14. November 1831 gestorben. 1811 hatte er Maria Susanne Helene von Tucher geheiratet, Karl Hegels Mutter.
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Gymnasium gewirkt habe, daß ich, wie er, eine Zeit unter außerordentlichen Umständen eine Zeitung redigiren mußte, und nun, daß ich, wie er, auch erst in späten Jahren ein so liebes Wesen in Nürnberg gefunden, mit dem ich gleichfalls überaus glücklich zu sein hoffe. – Der Tod meines Vaters war die erste schwere Erfahrung in meinem Leben und erschütterte mich sehr tief, obwohl ich seine eigentliche große Bedeutung noch wenig erkannte: erst nachher studierte ich eifrig seine Philosophie, bis ich nach mehreren Jahren erst allmählich erkannte, daß ich in ihr allein keine Befriedigung zu nden vermochte, weil sie mich zu sehr vom Leben abzog und zum eigenen Schaffen mir keinen Raum mehr übrig ließ. So wandte ich mich dem Alterthum und der Geschichte zu – in Heidelberg 1835 bis 1836. Im Sommer nach dem Tode meines Vaters, 1832, war ich mit der Mutter in Nürnberg, Beringersdorf und Simmelsdorf, welches ich damals vor diesen gegenwärtigen Jahren zuletzt sah; ich war leidend und blieb es auch nachher noch einige Zeit, aber der dortige Aufenthalt hatte mir doch sehr gut gethan. Damals lebte auch noch die gute Großmutter, eine musterhafte, liebe und edle Frau – Du warst ein kleines, artiges Kind, dessen ich mich gar wohl noch erinnere, dem ich es aber sicher nicht angesehen habe, was es mir einst noch sein würde – meine [fol. 2r] Geliebte, meine theure Braut und Gattin!
Gymnasium Der Philosoph Hegel war von 1808 bis 1816 Rektor und Professor des Gymnasiums am Egidienplatz in Nürnberg, Karl Hegel von 1839 bis 1841 Lehrer auf Probe und Hilfslehrer am Cöllnischen Gymnasium zu Berlin, nachdem er im März 1838 die Lehramtsprüfung mit Auszeichnung bestanden und für die preußischen Gymnasien „die unbedingte facultas docendi ertheilt“ bekommen hatte. Zeitung redigiren Der Philosoph Hegel war 1807/08 Chefredakteur der „Bamberger Zeitung“ in Bamberg, Karl Hegel 1848/49 der „Mecklenburgischen Zeitung“ in Schwerin. studirte ich eifrig seine Philosophie Hegel, der am 16. Oktober 1830 aus der Hand seines Vaters als Rektor der Berliner Universität seine Immatrikulationsurkunde erhalten hatte, hat bei ihm nach Ausweis der Anmeldungsbogen im Wintersemester 1830/31 und im Sommersemester 1831 verschiedene Vorlesungen gehört (vgl. Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 54f., mit Abb.). Erhalten sind seine Vorlesungsnachschriften zur „Philosophie der Weltgeschichte“ und zur „Logik“ (die beiden Handschriften be nden sich im Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum). Als Buch herausgegeben hat der Sohn ferner 1840 die 2. Auflage von „Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“ und 1887 zwei Bände „Briefe von und an Hegel“. Beringersdorf Östlich von Nürnberg gelegener alter Herrensitz, der seit 1514 im Besitz der Familie Tucher war. gute Großmutter Susanna Maria von Tucher, geb. von Haller (1769–1832), auch Susettes Großmutter.
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16. Nov. Die kluge und edle Porzia im „Kaufmann von Venedig“ sagt: – Denn bei Gefährten, die mit einander ihre Zeit verleben, – und deren Herz ein Joch der Liebe trägt, da muß unfehlbar auch ein Ebenmaß – von Zügen sein, von Sitten und Gemüth. Liebe Susette! Ich bin versichert, wir haben dieses Ebenmaß, und werden darum unsere Zeit glücklich mit einander verleben. – Gestern Abend habe ich mit mehreren Freunden und deren Frauen auf Deine Gesundheit angestoßen! Ich war zu Bruns eingeladen, von dessen Frau, der Schwäbin aus Tübingen, ich Dir schon geschrieben. Dann waren auch Stannius und Leist da mit ihren Frauen. Die Bruns gefällt unseren norddeutschen Frauen sehr: sie machte zum ersten Mal hier die Wirthin und erndtete viel Lob ein für ihre auf schwäbische Art zubereiteten und zierlich aufgetischten süßen Speisen. Ich dachte mir dabei Dich als meine liebenswürdige Frau und Wirthin, die mich in Stand setzen wird, meinen Freunden zurückzugeben, was ich ihnen längst schuldig geblieben bin. – Eben kommt Dein Brief, Du lieber Engel – Freitag Abends ¼ 10 Uhr. Sei mir gegrüßt Du süßer Liebesbote! 17. Nov. Meine theuerste Susette! Ich habe Deinen herzinnigen Brief vor mir und freue mich über die tägliche Mittheilung, die er mir bringt. Auch Deiner lieben Mutter sage ich meinen gerührten Dank für den ihrigen, worin sich ein Herz voll Liebe ausspricht, indem sie mir zugleich die Erfüllung meines höchsten Glücks in so nahe Aussicht stellt. Meine Liebe, denke ja nicht, daß ich Dich einer Schwäche zeihen werde, wenn Dich der Gedanke, Alles, was Du bisher geliebt hast, um meinetwillen verlassen zu müssen, bisweilen mit banger Schwermuth erfüllt. Kaum möchte ich wünschen, daß es anders wäre, weil es mir beinahe unnatürlich erschien. Deine Liebe zu mir darf nicht die Liebe zu Eltern und Geschwistern ausschließen, sondern soll sie in sich aufnehmen. Weh' dem, sagt Iphigenie, der fern von Eltern und Geschwistern ein einsam Leben führt: Du wirst kein einsames Leben führen, meine liebe Susette, sondern hoffentlich ein in der Liebe glückliches, und ich besorge nicht, daß Du mein Rostock mit Tauris und meine mecklenburgischen Freunde mit Scythen vergleichen wirst, sonst könnte mir bei Deiner Lectüre von Göthe's Iphigenie sehr bange werden. Ich werde vielmehr Deine Liebe zu den Deinigen theilen, und so wirst Du nicht fern von der Heimat sein, Porzia im „Kaufmann von Venedig“ Portia ist in Shakespeares zwischen 1596 und 1598 entstandener Komödie „Der Kaufmann von Venedig“ eine junge reiche Adelige und Erbin. Iphigenie „Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern/Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram/Das nächste Glück vor seinen Lippen weg“ – heißt es im Eingangsmonlog der Iphigenie in Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (Verse 15–17). Tauris In Goethes „Iphigenie auf Tauris“ eine Insel, eine ktive antike Landschaft. Scythen Die Skythen waren ein nomadisierendes Reitervolk, das sich zeitweise nördlich des Schwarzen Meeres niederließ.
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wenn Du bei mir bist; und wenn wir auch fern von ihnen sind, so werden wir sie doch wieder sehen, und wie wonnevoll ist solches Wiedersehen! Und dann bedenke auch, meine theure Geliebte, daß es gut für Dich und Deine geistige Ausbildung ist, – und was sind wir ohne das Streben nach Ausbildung! – aus dem Kreise Deiner Kindheit und Jugend herauszutreten, in welchem Du, von Liebe und Gewohnheit getragen, nur wenig Willensstärke zu üben brauchtest, nur wenig neue geistige Anregung erhieltest, um nun eine neue, ganz fremde Welt in Dich aufzunehmen, in der Du Dich, zwar an meiner Seite und von mir gestützt, doch als Frau, selbständig behaupten sollst, in der Du Gemüth und Geist durch eine Menge von neuen Anschauungen, Erfahrungen, Kenntnissen bereichern und erweitern wirst: – wie viel Rath muß das doch auch für Dich haben! Mit welchem frischen Muth wirst Du diese neue Lebensaufgabe ergreifen, und wie werden alle Deine Kräfte sich daran entwickeln und noch manche bisher verborgene Seiten Deines Charakters – verborgene, weil sie nicht in Thätigkeit gesetzt wurden – entfalten! Also liebe Susette, mir ist nicht bange um Deine vorübergehende Anwandlung von Schwermuth: sie wird überwunden werden nicht bloß durch die Liebe, sondern mehr noch durch die Thätigkeit, zu welcher die Liebe Dich aufrufen wird. 18. Nov. Heute den ganzen Tag, meine innig Geliebte, habe ich bei mir selbst darüber geklagt, daß dieser Brief gestern Abend nicht mehr abgehen konnte, weil eben zu der Zeit, da ich ihn zum Abschluß bringen und selbst auf die Post tragen wollte, meine Freunde Stannius und Bruns mich über elen: und wenn ich auch Stannius ohne Weiteres fortgeschickt hätte, so ungenirt wir mit einander stehen, so war doch Bruns, der erst zu diesem Semester hierher gekommen ist, zum ersten Mal bei mir, so daß ich, wollend oder nicht, mich seinem Besuche unterziehen und diesen Brief darüber liegen lassen mußte. Verzeih dies, lieber Engel, meinem Mißgeschick; ein ander Mal werde ich mich besser vorsehen, was ich leicht gekonnt, wenn ich den Brief früher geschlossen hätte. Doch ich muß noch ein Paar Worte an Deine liebe Mutter hinzufügen. – Schicke mir ja Deine Briefe unfrankirt. Ich umarme Dich mit ganzer Liebe Dein Karl. [unterer Rand fol. 1v] NB. zum 18. Nov. Ich habe Dir noch Manches auf Deinen letzten lieben Brief zu antworten, was Du erst in meinem folgenden nden wirst. Doch will ich es nicht verschieben, hier noch gleich die herzlichsten Grüße an unsere liebe Lina und ihren Friedrich anfügen: das Zusammentreffen der Geburtstage nde auch NB. Nota bene. Friedrich Friedrich Karl Alexander von Grundherr (1818–1908) war der Ehemann Linas (Carolina von Schwarz).
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ich recht hübsch, als ob uns der Himmel wechselseitig auf eng verbundene Freundschaft hätte verweisen wollen. Zu meinem Schrecken aber wurde ich gewahr, daß ich von Deinem Geburtstage nur weiß, daß er im März ist, und ich muß Dich daher bitten, mir auch den Tag anzugeben: der meiner Mutter ist am 17. März. Nr. 5 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 19.–25. November 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. frei [fol. 1r] 19. Nov. Innig geliebte Susette! Ich muß mich beinahe gewaltsam aus meinen politischen Speculationen herausreißen, um die Feder für Dich zu ergreifen: mein Herz gehört Dir, aber mein Kopf geht seinen eigenen Weg und ich muß ihn erst mit dem Zügel regieren, damit ich ihn auf die Stelle des Herzens zurückbringe, um mich so mit mir selbst in Harmonie zu bringen und mein getheiltes Sein zu einigen. Wenn ich aber so mich Dir ganz hingebe, fühle ich eine süße Befriedigung, nur gemischt mit sehnsüchtigem Verlangen nach Deiner Nähe. Oft stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn Du in diesem oder jenem Augenblick bei mir wärst, was wir miteinander vornehmen würden, wie Dir dieses und jenes erscheinen würde, welchen Eindruck eine Unterhaltung oder ein Benehmen, namentlich von Frauen, auf Dich machen möchte. Ich urtheile dann aus Deiner Seele heraus, in die ich mich hineinzuversetzen glaube. Meine liebe Susette, ich habe Dich viel beobachtet, ohne daß Du es merktest, habe Deine unwillkürlichen Regungen in dem leichten Wellenspiel Deiner Gesichtszüge verfolgt und erhascht, wie ein Dieb, und bin so allmählich in die Tiefe Deiner reinen und klaren Seele hineingedrungen, noch bevor Deine Liebe sie mir zur lieblichsten Wohnung einräumte: so schaue ich also mit Deinen Augen aus ihr heraus. Nun will es mir aber gar nicht so scheinen, als ob es dieser lieben himmlischen Seele, in der ich meine längst gesuchte Heimat gefunden, hier bei mir und in meiner Umgebung bange werden könnte: ist sie mir doch überhaupt gar nicht zaghaft und ängstlich vorgekommen, sondern ruhig, heiter und fest; ich glaube, sie würde auch schwere Stürme des Schicksals besonnen und ergeben ertragen, wie sie auch schon jetzt von solchen nicht verschont geblieben ist. Und einer solchen Seele sollten meine hiesigen norddeutschen Freundinnen imponiren? wieso denn und woher? weil sie etwa ein bischen Witz und Gewandtheit zum voraus haben? Damit wollen wir schon fertig werden, meine liebe Seele, und uns darum nicht für geringer halten und vor Niemandem demüthigen, es sei denn aus Liebe.
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20. Nov. Liebe Susette! Wenn ich hier mit ein Paar Freunden zusammen bin, so müssen sie auf Deine Gesundheit mit mir anstoßen, und weil sie wissen, daß sie mir damit einen Gefallen thun, so kommen sie mir zuvor und der Name meiner Geliebten wird immer wieder aufs neue verherrlicht. Da ich vorgestern zu Mittag bei Stannius war, ließ er seinen besten Asmannshäuser heraufholen und Frauen und Kinder mußten alle zusammen mit uns Dir ein dreimaliges Hoch ausbringen. Die Ohren müssen Dir davon geklungen haben. Wahrscheinlich warst Du zu derselben Zeit bei den Großeltern, und vielleicht hat auch da jemand Dir zu Gefallen mir ein Hoch ausgebracht. Nach einer Wohnung habe ich mich in diesen Tagen noch nicht weiter umgesehen, da ich etwas viel beschäftigt war. Am liebsten würde ich vor dem Thore miethen, wo die Häuser im Freien liegen und Gärten haben: aber es sind deren nicht viel und augenblicklich scheint nichts zu haben zu sein. Sonst habe ich in der Stadt wohl mancherlei Wohnungen gesehen, aber theils ist die Lage unangenehm, theils die innere Einrichtung ungemüthlich und unwirtschaftlich. Ich denke in Deinem Sinn zu handeln, wenn ich hauptsächlich auf die innere Behaglichkeit sehe und [fol. 1v] werde, ehe ich miethe, noch eine meiner Freundinnen mitnehmen, um die Wirthschaftlichkeit zu begutachten, damit Du es auch in dieser Beziehung nach Wunsch ndest. Der Preis einer Wohnung, so wie ich sie brauche, nicht zu klein aber auch nicht größer als nöthig, liegt zwischen 150–200 Thaler jährlich. Wenn ich hier zu bleiben glaubte, würde ich mir ein Häuschen vor dem Thore anbauen, um es nur ganz nach Wunsch einzurichten. 22. Nov. Meine theuerste Geliebte! Gestern Abend wurde ich verhindert Dir zu schreiben, weil mich mein Freund Stannius zu einem deutsch gewordenen Engländer hinführen wollte, von dem und dessen Frau er mir viel Anziehendes erzählt hatte. Er heißt Samson, hatte früher hier in Mecklenburg ein Landgut und lebt nun, wenn er nicht auf Reisen ist, in Rostock, mit einem Einkommen von 6–7000 Th[aler] jährlich. Da er mit solchem Einkommen in aller Welt leben könnte, aber doch Rostock als Wohnort vorAsmannshäuser Rotwein aus Lagen des Ortes Assmannshausen, ußabwärts am östlichen Rheinufer nördlich von Bingen gelegen. Großeltern Susanna Maria von Tuchers Großeltern mütterlicherseits waren Georg Christoph Karl von Grundherr (1777–1867) und seine Frau Anna (1774–1857); ihre Großeltern väterlicherseits sowie Hegels Großeltern mütterlicherseits waren bereits verstorben: Jobst Wilhelm Karl von Tucher (1762–1813) und seine Frau Susanna Maria, geb. von Haller (1769– 1832). Samson Es handelt sich wohl um den in der englischen Hafenstadt Harwich im Südosten Englands (Grafschaft Essex) als Sohn eines Anwalts geborenen Harry Sansum (* 1821), der 1850 das Rostocker Bürgerrecht als Kaufmann erwarb. 1852 heiratete er Mathilde Caroline von Reinecke, Tochter des in St. Petersburg geborenen Kaiserlich-Russischen Konsuls Jakob Georg von Reinecke (1790–1868).
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zieht, so siehst Du daraus, meine Susette, daß es doch hier nicht so übel zu leben sein muß. Freilich ist seine Frau von hier, aber sie wünschte sich lieber fort, weil sie an ihren Verwandten keine Freude haben kann. Die Bekanntschaft von dieser interessierte mich doppelt, weil ich dabei an Dich dachte, ob sie Dir vielleicht angenehm sein würde. Ich muß aber jetzt sagen, daß ich dies kaum glaube, weil mir die Frau in ihrer Feinheit und Eleganz des Benehmens zu wenig natürlich, zu wenig deutsch, und beinahe englisirt vorkam; für eine Engländerin würde ichs mir gefallen lassen, aber nicht für eine Deutsche: übrigens ist sie sehr, was man so nennt, gebildet. So eben treffen wieder liebe Briefe aus Berlin ein, und dabei ist einer von Dir, mein geliebtes Susettchen, an meine Mutter. Du Engel, wie Du mich liebst! Ich verdiene wirklich nicht so viel Liebe, aber ich nehme sie hin über mein Verdienst mit Dank gegen Dich, Geliebte, und Gott. – Meine liebe Mutter will sich mit der Deinigen um unsere künftige Einrichtung bemühen, und ich werde mich nun hier genau, gleich morgen, erkundigen, wie sich Alles am besten vorbereiten läßt. Die theure Mutter rühmt es, daß sie sich bei dem Gebrauch der ihr vom Arzte verordneten Mittel doch merklich besser be nde und gute Hoffnung habe, bald beweglicher zu werden. 24. Nov. Gestern Abend war ich wieder in Gesellschaft. Was wirst Du, liebste Susette, von unsrem hiesigen Leben denken, wenn Du so oft von dergleichen Abhaltungen liesest, die mich Dir hier entziehen? Doch wenn Du hier gewesen, so hättest Du natürlich dabei sein müssen: denn ohne Dich werde ich keine Gesellschaft besuchen. Ich halte es damit so, daß ich vor 8 Uhr meine Arbeit nicht verlasse, und dann bleibt man bis gegen 11 Uhr beisammen; nur größere Gesellschaften dauern länger. Gestern war ich bei einem bloßen Lebemann, der von seinen guten Konten lebt; doch hat seine Frau bei viel äußerer Kälte viel inneren Werth und wahre Bildung, weshalb ich sie aufrichtig schätze. Der Mann heißt Köster, ein sehr geselliger und unterhaltender Bonvivant; es ist hauptsächlich die Frau, die uns zusammenführt, weil sie auch von mir viel hält. Heute bin ich wieder nach Wohnungen aus gewesen und habe ein neues Haus vor dem Thore besehen; es ist aber noch zu unfertig, um über die Qualität der Wohnung urtheilen zu können. Auch nach dem hiesigen Preise der Möbel habe ich mich erkundigt, da mir die l[iebe] Mutter dies aufgegeben hat. Ich werde einen Preiscourant danach aufsetzen und denselben nach Berlin zur [fol. 2r] Vergleichung mit den dortigen Preisen schicken. Die Frau Bruns, die Schwäbin, wird uns besonders mit Rath nützlich sein können – und ist auch dazu sehr bereitwillig – wie wir es mit der Einrichtung am besten halten sollen, da sie sich auch erst vor kurzem ganz neu eingerichtet hat, nachdem sie beim Wegzug von Tübingen dort sämmtliche Möbel verkauft u. nur Köster Georg Christoph Köster (* 1790), Rostocker Kaufmann und Weinhändler, war verheiratet mit Johanne Caroline Agnes Levenhagen aus Stralsund. Preiscourant Zusammenstellung von Marktpreisen.
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die Wäsche nebst Betten hierher mitgebracht. Sollte es daher noch nöthig sein, daß Deine liebe Mutter sich in directe Verbindung mit einer hiesigen Hausfrau zu setzen beabsichtigte, so würde ich am liebsten diese gute Schwäbin, Frau Professor Bruns, vorschlagen, obwohl ich mit dieser erst seit kurzem bekannt geworden bin. Doch ich glaube, wir werden auch ohne solche Zwischenperson fertig werden, da meine liebe Mutter in Berlin schon alles Nöthige besorgen wird, und was hier an Ort und Stelle zu thun ist, werde ich selbst mit Hilfe meiner Freundinnen anordnen. 25. Nov. Meine liebe gute Susette! Heute morgen hat mich Dein lieber Brief überrascht, den ich erst zum Abend erwartete. Glaube mir, jeder Deiner lieben Briefe ist mir ein neuer Beweis dafür, was für einen herrlichen Schatz ich in Dir und in Deiner Liebe gefunden. Du brauchst nicht zu besorgen, daß ich an sie einen andern Maßstab lege, als den höchsten, den einer echten weiblichen Seele, die sich darin ebenso unbefangen als innig und liebevoll ausspricht. Ich lege keinen Werth auf die Künste des Stils, die nicht der unmittelbare und reine Ausdruck einer wahren Emp ndung sind: denn wie eben die Höhe aller Kunst nur darin besteht, den reinen und einfachen Ausdruck der Natur in ihrer Schönheit und ursprünglichen Wahrheit zu erreichen, so dient ihr auch allein die Natur, sei es in äußerer Form oder innerer Emp ndung, Phantas[ie] und Gedanken zum höchsten, lebendigen Vorbild. Magst Du Deine Gedanken und Gefühle mehr oder weniger geordnet niederschreiben, so spricht sich darin immer Dein wahrer Cha[ra]kter aus, eben der, den ich liebe, weil ich ihn erkannt habe, den ich durch meine Liebe mit meinem ganzen inneren Wesen verschmelzen möchte. Sieh', liebe Susette, anders meinte ich es nicht, wenn ich Dir einmal sagte, man müsse an Alles den höchsten Maßstab anlegen und dürfte sich nicht in dem Mittelmäßigen befriedigen. Das Mittelmäßige ist der unwahre oder unreine Ausdruck der Natur, der ihren echten Charakter nur andeutet, aber ihm nicht entspricht, der uns nur oberächlich an das erinnert, was er ausdrücken soll, aber es nicht in voller Lebendigkeit wiedergibt. Willst Du daher das Schöne in der Kunst beurtheilen, so frage Dich nur nach dem unmittelbaren Eindruck, den es Dir macht, ob es die äußere Gestalt oder den inneren Charakter vollkommen und schön hervorruft und ausprägt, ob es die innerste Emp ndung in Dir, Deine ganze Seele, ergreift oder nur ein ober ächliches Gefallen der Sinne, welches Dein Inneres beinahe unberührt läßt, hervorbringt. Die Bildung des Geschmackes besteht nur darin, daß wir diese verschiedenen Wirkungen leichter unterscheiden lernen, indem wir unser Gefühl an dem Echten und Vollkommen[en] üben und unser Inneres für dasselbe empfänglicher machen. – Ich will für diesmal schließen, meine theuerste Susette, weil ich noch ausgehen muß und diesen Brief nicht liegen lassen will. Du hast vergessen, mir Deinen Geburtstag an-
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zuzeigen. Einen Gruß soll ich bestellen von meiner Freundin Theodora Karsten, Frau eines lieben Collegen, die Dir als echte mecklenburgische Hausfrau mit größter Bereitwilligkeit zu Hülfe sein wird. Grüße Deine lieben Eltern, die liebe Lina und Friedrich, die ehrwürdigen Großeltern, den braven Kieser und wer sonst nach mir fragt – die Geschwister nicht zu vergessen, die gute Marie und Luise. Wie geht es Gottlieb auf der Universität? – Ich umarme Dich mit ganzer Liebe Dein Karl. Nr. 6 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 26. November–3. Dezember 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] 26. Nov. Meine liebste Susette! Du hast Recht, die Politik nimmt mich sehr viel in Anspruch, aber ich kann nicht davon loskommen, weil sie schon einen Theil meines Lebenselementes ausmacht, und da mich einmal die öffentliche Meinung hier zu Lande auf einen ein ußreichen politischen Posten gestellt hat und Viele mich auf diesem für nothwendig halten, so kann ich ihn nicht, wenn ich auch weniger Lust hätte, ihn zu behaupten, mit Ehren verlassen, weil es sonst schiene, als ob ich die von mir bisher vertheidigte Sache verlassen wollte. Ich stehe in der Mitte zwischen zwei mächtigen Parteien, von Theodora Karsten Ehefrau Hermann Karstens (1809–1877), von 1836 bis 1877 ordentlicher Professor der Mathematik, Mineralogie und Physik an der Universität Rostock. Kieser Heinrich Kieser (1813–1893), in Stuttgart geborener Herzoglich-Leuchtenbergischer bzw. Fürstlich-Eichstättischer Bergmeister in Obereichstätt an der Altmühl im ehemaligen Hochstift Eichstätt, dem Königlich-Bayerischen Oberbergamt in München unterstehend, um 1850 „Leuchtenbergischer Bergmeister in Nürnberg“, später als Regierungsrat Bergamtsvorsteher im Württembergischen Bergamt, Leiter des Zentral-Eichungsamtes und Kollegialmitglied der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, 1880 Erhebung zum Ritter der württembergischen Krone. Marie Maria Therese Karoline von Tucher (1834–1905), älteste Schwester Susettes und Cousine Hegels. Luise Luise Karoline von Tucher (1836–1901), zweitälteste Schwester Susettes und Cousine Hegels. Gottlieb Gottlieb Karl Sigmund von Tucher (1830–1850), ältester lebender Bruder Susettes und Vetter Hegels, war seit dem Wintersemester 1849/50 an der Universität Erlangen in der Juristischen Fakultät immatrikuliert und war Mitglied der Burschenschaft der Bubenreuther in Erlangen.
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welcher die eine unser neues Staatsgrundgesetz im demokratischen Sinne umbilden und ausbeuten möchte, die andere aber es ganz umstürzen will, um ihre alten Privilegien zu behaupten. Wir sind so glücklich an unserem jungen Großherzog Friedrich Franz einen Fürsten zu besitzen, der mit klarem und redlichen Sinn das Beste seines Volkes will und unter vielen ihm gebotenen Versuchungen treu an seinem gegebenen Worte festgehalten hat. Darum ist ihm auch die aufrichtige Liebe aller derer, die es ebenso treu, wie er, meinen zu Theil geworden, während sich diejenigen, die es anders von ihm erwarteten, mit Groll und Unmuth von ihm abwenden: es sind dieselben, die im vorigen Jahre nicht den Muth hatten, der Umsturzpartei entgegenzutreten, während wir widerstanden. Nun da sie neue Hoffnung gefaßt, alle ihre früheren Vorrechte wiederzugewinnen, richtet sich ihre Feindschaft gegen die, welche früher ihre einzige Stütze gewesen, jetzt aber ihnen mit derselben Entschiedenheit die Spitze bieten um das rechte Maß nach der einen, wie nach der andern Seite hin zu erhalten. Du wirst nden, liebe Susette, daß auch meine sociale Stellung davon einigermaßen berührt ist, obgleich ich in den Kreisen, auf die ich im Umgang vorzugsweise angewiesen bin, fast überall nur einer übereinstimmenden Gesinnung begegne, und auch wo dies nicht der Fall ist, habe ich in denselben Kreis[e]n gleicher Bildung doch noch Freunde, welche von dem politischen Gegner noch den Menschen in allen übrigen Beziehungen zu unterscheiden wissen. Dies ist jedoch nur wenigen gegeben, die eine höhere Freiheit der Bildung besitzen, und viel öfter habe ich es gesehen, daß selbst ältere Freundschaftsbande durch den politischen Gegensatz wie ein Strohalm zerrissen wurden. Liebe Susette, ich muß Dich schon in meine politische Sphäre ein wenig einweisen, um Dich darauf vorzubereiten, weil Du ja an Allem, was mich beschäftigt, Antheil nehmen willst und sollst, um mich ganz zu verstehen. – Heute Nachmittag ist hier so viel Schnee gefallen, daß er Fuß hoch liegt und nur schwer durchzukommen ist: ich erinnere mich selten einer so früheren Schneebedeckung unserer Landschaft. Der Mond scheint durch zerrissene Wolken hell und magisch auf das weiße Kleid der Erde: ich möchte wissen, ob er auch in Dein Kämmerlein so scheint, meine süße Geliebte, wenn Du um dieselbe Stunde, wo ich an Dich zu schreiben p ege, Dein Herz voll Liebe in treulichen Worten gegen mich aussprichst. – 28. Nov. Meine süße Geliebte! Gestern Abend schrieb ich zwar nicht an Dich, beschäftigte mich aber doch schreibend mit unserem künftigen Glücke; denn ich schrieb an meine liebe Mutter über unseren Hausstand und die dazu nöthige wirthschaftliche Einrichtung, indem ich ihr einen Preis-Courant von den hiesigen Möbeln und anderen Dingen zuschickte, damit sie denselben mit den Berliner Preisen vergleichen möchte. Ich glaube doch, daß wir uns einen großen Theil unserer Sachen in Berlin anschaffen müssen, weil hier die meiste Handwerker-Arbeit theuerer und dabei weniger gefällig ist. Übrigens bin ich sehr für das Einfache, nur für das Nöthige und Nützliche; unsere Civilisation nöthigt unserem Leben und Hausstand ohnehin schon zu viele Bedürfnisse auf, daß
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ich mich mehr abwehrend als nachgebend dazu verhalte, um den Ballast, der die freie Bewegung unserer Persönlichkeit hemmet, nicht noch mehr zu häufen. Zwar liebe ich das Schöne und auch in den gewöhnlichen Dingen das Zierliche oder Elegante, aber ich nde beides weit öfter mit dem Einfachen als [fol. 1v] mit dem Künstlichen und Kostbaren verbunden. So erscheinen mir unter den Möbeln, die ich hier gesehen, die theuren selten als die geschmackvolleren, weil die geschnitzte oder gedrechselte Arbeit, die sie theuer macht, in der Regel unschön und außerdem unzweckmäßig ist. Denn die Zweckmäßigkeit ist, ebenso wie die Einfachheit, gleichfalls in der Regel eine Begleiterin der Schönheit, in sofern diese überhaupt noch mit einem Zwecke, der außer ihr liegt, verbunden ist. Die reine Schönheit trägt den Zweck in sich selbst und dient keinem andern. Verzeih' daß ich anfange zu philosophiren, liebes Susettchen, statt daß ich Dir mehr von unserer künftigen Einrichtung erzählen sollte. Übrigens glaube ich, daß wir auch in Geschmacksachen sehr mit einander harmoniren werden. Denn Du liebst gleichfalls das Einfache und bist gewiß auch dem Zierlichen und Schönen hold, ohne zu wünschen, daß es auch ein Kostbares sein möchte. 29. Nov. Liebes Susettchen! Ist es denn bei Euch auch schon so kalt wie hier? Heute morgen waren es 10 Grad Kälte. Durch den starken Schneefall war die Communication nach Hamburg und Berlin einen halben Tag unterbrochen. Wir werden es bald an unseren Briefen ersehen, wie es mit der Regelmäßigkeit der Communication über das Fichtelgebirge steht. Unser Hafen ist eingefroren, die Schiffer stehen hoch im Eise, das mit Schnee bedeckt nun eine große weiße Fläche mit dem Lande bildet. Eine Bemerkung von Guizot in seiner neusten Schrift über Washington muß ich Dir hier niederschreiben, weil, als ich sie heute las, mich deren Wahrheit frappierte: „Um seine Aufgabe in dieser Welt wohl zu erfüllen, muß der Mensch von der Höhe aus sie betrachten; steht seine Seele nur in gleicher Linie mit seiner That, so fällt er bald herunter und wird unfähig, sie würdig zu vollführen.“ Das heißt mit anderen Worten: der bestimmte Beruf, dem wir angehören, so sehr wir ihm uns hingeben, darf doch nicht allein unser ganzes Sein ausfüllen, sondern wir müssen zugleich über ihm stehen, um ihn mit Freiheit zu handhaben und den höheren und letzten Zweck unseres Daseins niemals aus dem Auge zu verlieren. Vielleicht ndest Du nichts Neues und Besonderes an dieser Bemerkung, weil sie Dich nicht näher angeht, denn die Frauen Fichtelgebirge Bis auf 1.000 Meter Höhe ansteigendes Mittelgebirge im Norden Bayerns, zwischen Thüringer und Frankenwald im Westen und Erzgebirge im Osten gelegen, mit der Stadt Hof als wichtiger Eisenbahnstation im Nord-Süd-Verkehr. Guizot in seiner neuesten Schrift über Washington Der französische Politiker und Schriftsteller François Pierre Guillaume Guizot (1787–1874), Außenminister 1840 bis 1848, hat in den Jahren 1839/40 ein sechsbändiges Werk „Vie, correspondance et écrits de Washington“ vorgelegt, dem 1841 eine weitere Studie über den ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George Washington (1732–1799), folgte.
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sind in der Beziehung glücklicher als die Männer, daß ihr Beruf sie nicht so oft von ihrer rein menschlichen Bestimmung entfernt, als dies bei der immer einseitigen Berufsthätigkeit der Männer der Fall ist. Darum ist es gut und nöthig, daß die Frauen uns daran erinnern, was wir noch außer unserem Beruf für das Leben sein sollen, und die beste Erinnerung dieser Art ist die Liebe, meine liebenswürdige Susette, die Liebe, die uns mit dem geliebten Wesen zu einer höheren, sittlicheren und freieren Persönlichkeit weiht und erhebt. 1. Dec. Meine theuerste Geliebte! Denke, was ich heute für einen wichtigen Schritt gethan: ich habe eine Wohnung für uns gemiethet! Lange habe ich danach gesucht und endlich, ohne zu suchen, durch einen glücklichen Zufall etwas gefunden, was für uns paßt – wie ich wenigstens glaube. Dennoch ist es mir schwer geworden, mich ohne Deinen Beitrag und ohne Deine Einwilligung zu entscheiden: ich möchte Dir es so gern auch in den wirthschaftlichen Gelegenheit[en] möglichst recht und bequem machen. Um diesen Theil der Wohnung zu begutachten nahm ich heute Mittag die Frau Prof. Karsten, eine tüchtige mecklenburgische Hausfrau, mit, welche mir auch dasjenige angab, was noch fehlte – namentlich am Herd, für dessen Ergänzung ich möglichst Sorge tragen werde. Im Übrigen erschien sie mir anständig und gemüthlich und mit mehr Raum versehen als nöthig, so daß wir auch noch einen Gast ohne alle Umstände darin beherbergen können: darum besann ich mich um so weniger sie zu nehmen, als ich mich schnell entscheiden mußte, weil schon ein anderer Miether mir in den Weg zu kommen drohte und als sie sich auch durch den billigen Preis (150 Th[aler] jährlich) zur besonderen Berücksichtigung empfahl. Ich muß Dir jetzt eine kurze Beschreibung davon geben, damit Du Dir eine ungefähre Vorstellung von Deinem künftigen Nestchen machen kannst. – Das Haus ist zweistöckig [fol. 2r] wie die meisten hier, ziemlich mitten in der Stadt, die aber von Süden nach Norden wenig Breite hat, dagegen von West nach Ost sehr in die Länge ausgedehnt ist. Nordwärts liegt der sogen[annte] Strand, d. i. die Straße und der Ausladeplatz, der sich längs dem Hafen hinzieht, in dem die zahlreichen (mehrere hundert) Schiffe im Winter ihre Zu ucht suchen. Dort hinaus laufen die sogen. Strandstraßen, parallel nebeneinander, und von diesen ist eine die Schnickmannsstraße, in welcher unser Haus liegt: nur hundert Schritte von da ist man am Hafen, am Strande der Warnow, wo man den freien Blick über das Wasser und die freundlichen Ufer gewinnt. Aber auch in der entgegengesetzten südlichen Richtung hat man nicht weit bis zum Freien: es mögen etwa 400 Schritt sein, so ist man auch Schnickmannsstraße Eine von Süden nach Norden zum Ufer „Der Strand“ und zur Warnow führende, nach einem Patriziergeschlecht benannte Straße (heute Schnickmannstraße) im Zentrum Rostocks, an deren nördlichen Ende das „Schnickmanns Thor“ stand und der „Schnickmanns-Hafen“ neben Schiffswerften lag (vgl. Tiedemann, Plan von Rostock, 1860: Taf. 16). unser Haus Es ist das Haus mit der Nummer 30 (früher: 1515).
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dorthin beim Thor angelangt, vor welchem sich der Stadtwall hinzieht, der Rostock im Süden begrenzt. Hier ist der gewöhnliche Spaziergang unserer schönen Welt, und auch mein täglicher, den ich dann in der Regel noch ein gutes Stück auf der Landstraße nach Doberan hin fortsetze. – So ist die Lage unseres Hauses und zwar an der Ecke einer Querstraße, welche die Strandstraßen mit einander verbindet: die Vorderseite ist gegen Westen gerichtet, was insofern für einen Vorzug angesehen wird, als es nicht gegen Norden ist, da man hier die nach Norden gelegenen Wohnungen im Allgemeinen für ungesund hält. Sie ist drei Fenster breit, doch sind diese ziemlich weit auseinander. Unten im ersten Stock, wie man hier sagt, also zu ebener Erde, wohnt der Hauswirth, ein ordentlicher Mann, seines Gewerbs ein Nagelschmidt: die Werkstatt ist hinten auf dem Hof und stört in keiner Weise. Der zweite und der dritte Stock sind unser: ich bemerke hierbei, daß unsere Häuser beinahe durchweg Giebelhäuser sind oder als solche angelegt waren, daher weniger Breite als Tiefe haben, woher es kommt, daß man selten eine etwas größere Familienwohnung in einer einzigen Etage ndet; wir müssen es uns also schon gefallen lassen, mein süßes Susettchen, daß wir uns, wie die meisten Ehepaare hieselbst, in zwei Stockwerke theilen, so daß Du Dein Revier unten, ich das meinige, d. h. die Arbeitsstube, oben erhalte. Jetzt will ich Dich zuerst in Deinem Revier herumführen. Wenn Du eine freundliche, nicht hohe Treppe hinaufgekommen bist, betrittst Du den Vorplatz, auf dem sich Dir ringsum nicht weniger als 5 Thüren zum Eingang darbieten. Sicherlich gehst Du zuerst gerade aus auf die größte, die Hauptthüre, zu. Da kommst Du in Dein Wohnzimmer, mit blauer Tapete angethan, hinlänglich geräumig und groß: nur der gelbe altmodische Ofen gefällt mir nicht und werde ich einen neuen weißen dafür setzen lassen. Dieses Zimmer nimmt zwei Fensterbreiten ein, so daß ihm zur Linken noch ein einfenstriges übrig bleibt, welches gleichfalls einen besonderen Ausgang nach dem Flur hat. Hierher kannst Du Dich vor dem ersten Angriff der Besuche zurückziehen, und, wenn Du willst, die Rückzugslinie auch noch weiter bis in einen halbdunklen Alkoven verfolgen. Aber Du kannst hier auch Dein eigentliches Nest aufschlagen und von dieser Basis aus Deine Existenz, so oft es Dir gefällt, in das größere Wohnzimmer hinein erweitern. Treten wir jetzt wieder zu einer der beiden Thüren aus der einen oder andern Stube hinaus auf den Vorplatz, so haben wir dort noch 3 Thüren, und zwar die eine zum Mädchenzimmer, die andere zur Küche, die dritte zu zwei Zimmern, einem größeren und einem kleineren, welche als Schlafzimmer dienen können. Doch ich will Dir lieber gleich den ganzen Plan hinzeichnen, wonach Du Dich orientieren kannst. (S[iehe] die Beilage). Du wirst auch die Thüren und Fenster darauf vermerkt nden. Querstraße Es handelt sich um die zwischen „Schnickmanns-Strasse“ und „Wokrenter-Strasse“ von Westen nach Osten verlaufende Straße „Sperlingsnest“. Hauswirth Johann Friedrich Kuhfeld (1792–1861/62), Nagelschmied. Nagelschmidt Ein auf die Herstellung von Eisennägeln spezialisierter Schmied. Alkoven Kleiner Raum mit Schlafgelegenheit, Bettnische.
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Abb. 3a und b: Skizzen Karl Hegels vom Grundriß der ersten Rostocker Wohnung (November /Dezember 1849)
Das Ganze liegt, wie Du siehst, hübsch beisammen: die Küche ist nahe bei: zur Speisekammer läßt sich eine Tapetenthür vom Wohnzimmer aus öffnen; sonst ist auch ein Eingang zu derselben von der Küche. Diese, die Küche, ist hell und geräumig, hat aber, worauf mich besonders meine Freundin aufmerksam machte, einen erheblichen Mangel: nämlich der Herd ist nach hiesiger älterer Art, wie man sie noch in vielen Häusern antrifft, bloß von Backstein aufgebaut, so daß man das Feuer nur oben auf anmacht. Frau Bruns, die süddeutsche Hausfrau, konnte sich in diese [fol. 2v] Einrichtung nicht nden, und ich glaube daher, daß sie auch Dir wenig behagen würde. Demnach habe ich von dem Wirth verlangt, daß er für einen sogen[annten] englischen Herd sorgen müsse mit Zuglöchern und Öffnungen, worin man die Kochgefäße setzt. Desgleichen muß auch für einen Waschkessel auf dem Herde gesorgt werden, weil es sonst keine besondere Waschküche gibt. Auch dies ist ein zweiter erheblicher Mangel, der wie mir die Hausfrau sagte und ich selbst einsehe, schwer zu ertragen ist: ich gestehe, daß mir dieser Mangel bedeutende Scrupel macht, bis ich Deine Meinung darüber gehört habe, ob man sich auch so behelfen kann. Da der Hof nur klein und enge ist, so ist der Platz zum Trocknen der Wäsche nur auf dem achen Dache eines Hintergebäudes zu nden, wie die Einrichtung hier auch sonst vielfach vorkommt. Sonst gibt es auch hinlänglichen Bodenraum im Vordergebäude, so wie die in der 2. Etage bemerkten englischen Herd
wohl ein gußeiserner Ofen mit Dampfabzug.
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Bodenkammern zum Aufbewahren von Holz und Torf. – So weit die Wirthschaftlichkeit, von der eben nicht viel zu rühmen ist in Betracht des mangelhaften Herdes und der fehlenden Waschküche. – Wir steigen nun hinauf zur zweiten Etage, um mich daselbst zu besuchen. Dort siehst Du zuerst den Eingang in ein kleines Vorzimmer mit einem Fenster und zu beiden Seiten desselben eine Stube, von welchen ich die nach Süden für mich zum Arbeitszimmer nehmen würde. Sie ist hell und freundlich, indem sie nach vorn ein größeres und zur Seite ein kleines Fenster hat. Da diese ganze Etage erst in diesem Sommer, ziemlich leicht, aufgebaut ist, so ist die Einrichtung, Tapeten, Ofen, Dielen, noch ganz neu und ansprechend. Die andere kleinere Stube nebst einem unheizbaren Cabinet könnte für einen Gast reservirt werden und kann außerdem noch einen Theil meiner Sachen, z. B. Bücher, deren ich ziemlich viele habe, aufnehmen. Außer disen Zimmern be nden sich hier noch ein Paar Bodenkammern für Holz und dergl[eichen]. Höher hinauf kommt man zum Boden, von dem aus man auch noch zu einem achen Dach über den Zimmern der 2. Etage gelangt. Hier gewinnt man einen freien Blick die Straße hinauf und hinab und übersieht auch noch ein Stück von dem Hafen. Im Sommer könnte man sich da ein Zelt aufbauen, um in Ermangelung eines Hausgartens, auf dem Dach frische Luft zu schöpfen: auch lassen sich von dort die Sterne aufs beste observiren. – So, liebes Susettchen, ist das Hauswesen beschaffen, in das ich Dich einführen will: sage mir Deine Meinung darüber ohne Rückhalt, besonders über die mangelhafte wirthschaftliche Einrichtung, und gieb mir etwa an, wie Du den Herd haben willst, weil ich ihn für uns neu herrichten lasse. 3. Dec. Deinen herzlieben Brief, meine süße Geliebte, habe ich gestern zur erwarteten Stunde mit Entzücken auf dem Tische gefunden, da ich mich eben von meinem erschrecklichen Mittagsessen losgemacht hatte, welches bis in die Nacht fortgesetzt wurde. Es war mir innig wohl zu Muthe, da ich ihn zwei Mal hintereinander durchlas. Deine Liebe erfüllt mich mit neuem frischen Lebensgefühl, das mich zu einer erhöhten Thätigkeit anspornen wird. Ich bin gewiß, daß Du, liebes Susettchen, mir alles das im seligsten Maße sein wirst, was meine Freundin von sich im Verhältniß zu ihrem Manne schreibt, meine treue, innige Lebensgefährtin im vollsten Sinne des Worts. Auch von einer anderen liebenswürdigsten Frau, Victorie genannt, der Frau meines Freundes Gervinus in Heidelberg soll ich Dich herzlichst grüßen. Ich habe gestern einen Brief von ihm erhalten, und ist mein Versprechen, Dich nächstens zu ihnen zu bringen, aufs freudigste von ihnen beiden aufgenommen worden. – Deine Nachrichten über die lieben Deinigen und meinigen in Nürnberg sind mir sehr willkommen gewesen, besonders auch die von dem unerwarteten Besserbe nden Antonias und von Kieser's näher gerückter Hochzeit: also er kommt uns doch noch zuvor; ich hätte das kaum gedacht. – Doch ich muß ein Ende machen, weil mein Papier zu Ende geht und ich auch noch in einer Antonia
Nicht eindeutig zu identi zierende Person.
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politischen Conferenz erwartet werde. Grüße tausend Mal Deine lieben Eltern und Deine süße Lina. Leb' wohl, liebes Herz. Dein Karl. NB. Ich bitte künftig um etwas schwärzere Tinte, auch im Namen meiner Mutter, die Deine zwar sehr lieben, aber blassen Zeilen nicht zu lesen vermochte. Schwarz sei die Tinte, wenn auch weiß wie Schnee Dein liebes Herz. Nr. 7 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 5.–11. Dezember 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] 5. Dec. Meine liebe Susette! Es ist gewiß wünschenswerth und gut, wenn es sein kann, daß jeder wichtigen thatsächlichen Veränderung in unserem Leben eine Gewöhnung unserer Gedanken und Emp ndungen an dieselbe vorhergeht. Diese Bedeutung und diesen Gewinn enthält die schöne Übergangszeit, in welcher wir uns jetzt be nden. Sie bereitet uns vor zu unserer künftigen unzertrennlichen Verbindung, indem sie die Bande der Liebe immer fester und fester um uns knüpft, bis sie zu einer inneren Nothwendigkeit unseres Wesens in der Art geworden ist, daß die wirkliche Verbindung nur als die äußere Erfüllung von dieser eintritt. Meine Natur ist weniger dazu geeignet sich in die Überraschung eines plötzlichen Wechsels der Zustände schnell und leicht zu nden wie es den mehr praktischen Menschen gegeben ist, sondern ich muß immer eine gewisse Zeit haben, um mir das Neue, was mir entgegentritt, anzueignen, da es langsamer, aber dann auch tiefer auf mich wirkt. In dieser Weise entschließe ich mich auch nicht gern schnell und im Augenblick, sondern ich lasse den Entschluß reifen, bis ich ihn meinem Wesen gleichsam eingewöhnt habe, um dann um so fester an ihm zu halten. – Unser künftiges Zusammenleben schwebt mir so in meinen Gedanken vor, indem ich mich innerlich darauf vorbereite, und so süß mir Deine lebendige Nähe wäre, so ist es mir doch nicht in jeder Rücksicht unlieb, daß wir im Stande der Verlobten von einander entfernt sind. – Gestern Abend war ich in einer großen Gesellschaft von Männern u. Frauen bei meinem Collegen, dem Theologen Delitzsch; es war so ein norddeutsches, insbesondere mecklenburgisches Essen und Trinken, dergleichen man bei eurem einfacheren Leben gar nicht kennt; unter den Toasten, die mich ehren sollten, war auch einer, worin Deine Haube und Dein Pantoffel vorkam: – was wirst Du dazu sagen, mein
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süßes Susettchen! – Gewiß wäre ich früher mit Dir nach Hause gegangen, wenn Du dabei gewesen wärst; so aber mußte ich bis beinahe 2 Uhr Nachts aushalten und habe mir von all' dergleichen Schlemmereien nur einen ziemlich wüsten Eindruck hinweggenommen. Warum muß denn alles Vergnügen sofort ins Übermaß ausarten, wodurch es sich nur in sein Gegentheil verkehrt? 6. Dec. Meine geliebte Braut! Mit Freude habe ich in Deinem letzten Briefe den Ausdruck einer größeren Zuversicht in Beziehung auf den geselligen Verkehr und Umgang, den Du hier antreffen wirst, gefunden. Wirklich hast Du hier auch unter den Frauen eine reiche und vielseitige Auswahl, wie ich eben in der lezten Gesellschaft, in der ich war, bemerken konnte. Du ndest darunter auch noch andere süddeutsche außer der lieben Schwäbin: da ist z. B. eine Schweizerin aus Genf, eine sehr liebe, gute Frau meines Collegen Röper, des Botanikers, der eine Zeit lang Professor in Basel war; ferner eine Badenserin, die ich in jener Gesellschaft zum ersten Mal sah, weil sie noch nicht lange hier ist, die Frau eines Arztes, namens Kortüm; zwei andere Frauen von Collegen sind aus Leipzig, eine aus Göttingen, eine aus Berlin usw. Du wirst Dich gewiß bald an mehrere von diesen oder anderen Frauen, unter denen die einheimischen durchaus nicht an Liebenswürdigkeit zurückstehen und bei allen das freundschaftliche Entgegenkommen nden. Heute morgen war unser künftiger Hauswirth bei mir, mit dem ich noch Mehreres beredet habe, daß er die Wohnung passender herrichtet, und dazu einen ordentlichen Herd und zwei neue Öfen setzen läßt. Ich lege ihm dafür etwas auf die Miethe zu. Der Mann scheint recht ordentlich zu sein und ist sehr bereitwillig, mir Alles nach Wunsch einzurichten, da er besonderen Werth darauf legt, mich zum Miethsmann zu erhalten. 9. Dec. Liebe theure Susette! Es drängt mich mit Gewalt zu Dir, nachdem ich zwei Abende versäumt habe, Dir zu schreiben. Ich habe so vielerlei zu arbeiten und im Augenblick zu besorgen gehabt, daß ich keine Ruhe [fol. 1v] um mich Dir ungestört zu widmen, nden konnte. Selbst heute am Sonntag ist mir der ganze Nachmittag bis zum Abend durch eine Conferenz in unseren politischen Angelegenheiten hinweggenommen worden. Ich lief nach Hause, um zu sehen, ob vielleicht schon ein Brief von Dir angekomRöper Johannes Roeper (1801–1885), von 1836 bis 1885 ordentlicher Professor der Naturgeschichte und Botanik in Rostock; er war mit einer Schweizerin aus Genf verheiratet. Kortüm Dr. med. August Karl Friedrich Ludwig Kortüm (1810–1884), Badearzt und Obermedizinalrat in Heiligendamm bzw. Bad Doberan, der 1849 der Universität Rostock eine Habilitationsschrift mit dem Titel „Von der Cholera“ vorgelegt hat und mehrfach publizistisch hervorgetreten ist. Er war mit Marie Strauss (1813–1881) verheiratet, die aus dem seit 1807 zum Großherzogtum Baden gehörenden Walldürn stammte. Miethsmann Mieter.
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men wäre; er kann jeden Augenblick noch kommen oder er kommt morgen früh; ich warte mit Sehnsucht darauf, wenn nur die Eisenbahn auf den Bergen über Hof noch frei ist! Vorgestern Abend schrieb ich, statt an Dich, an Manuel, nachdem ich eben Nachricht von ihm erhalten, daß ihm ein Knäblein geboren worden. Wie freue ich mich seines und Friederikens Glück! Zu den beiden allerliebsten Mädchen, Gustel und Mariechen, ist nun ein liebes Brüderchen hinzugekommen den Eltern zur unaussprechlichen Freude. Leider kann meine theure Mutter nicht Augenzeugin dieses Glückes sein, da sie noch immer an die Stube und ans Krankenlager gefesselt ist. Die liebe Freundin Klitzing nimmt sich an ihrer Stelle der Wöchnerin und des Hauswesens bei Manuel an. 10. Dec. Der sehnsuchtsvoll erwartete Brief ist gestern Abend und auch heute noch ausgeblieben. Ich fürchte, daß er den Weg über die Berge, welche unsern Norden vom Süden Deutschlands trennen, nicht mehr frei von Schnee und offen gefunden hat. Der Winter hat sich diesmal sehr früh eingestellt und wir haben fortdauernd immer einige Grad Kälte, die liebe Erde behält ihr einförmiges Kleid, und die Schiffe, welche zur Winterszeit auslaufen, müssen sich ihre Bahn durch einen Kanal im Eise öffnen lassen. Laß es frieren, so viel es will, mein liebes Susettchen, wenn nur unsere Herzen uns warm in Liebe entgegenschlagen und unsere Gedanken ungehindert zu einander gelangen können. So eben kommt Dein süßer Liebesbote. Sei mir gegrüßt! 11. Dec. Dein Brief, meine liebe gute Susette, hat mir eine große Freude gemacht. Auch war es ein bloßes Versehen, veranlaßt durch meine Ungeduld, daß ich denselben schon früher erwartete, da er gar nicht früher eintreffen konnte. Besonders über die interessante Schlittenparthie nach Erlangen und Deine Bekanntschaft mit der Frau Hofmann haFriederike Friederike Hegel, geb. Flottwell (1822–1861), Ehefrau Immanuel Hegels und Schwägerin Karl Hegels. Gustel Gustel (Gustli, Auguste) Hegel (1846–1850), Tochter Immanuel und Friederike Hegels, Nichte Karl Hegels. Mariechen Marie Hegel (1848–1925), Tochter Immanuel und Friederike Hegels, Nichte Karl Hegels, ab 1872 mit dem Juristen, hohen preußischen Verwaltungsbeamten, Kronsyndikus und Politiker Rudolf von Bitter (1846–1914) verheiratet. Brüderchen Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), Sohn Immanuel und Friederike Hegels, Neffe Karl Hegels, später hoher preußischer Verwaltungsbeamter und Politiker. Klitzing Freundin der Mutter Karl und Immanuel Hegels. Frau Hofmann Charlotte Hofmann, geb. Lameyer († 1883), Ehefrau des Rostocker, dann Erlanger Theologen Johann Christian Konrad Hofmann.
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be ich mich gefreut. Gewiß ist diese eine sehr liebenswürdige Frau, die auch hier noch in besonders gutem Andenken steht. Aus ihrer Schilderung von dem hiesigen Leben, insbesondere auch von den hiesigen Frauen wirst Du entnommen haben, daß es auch Dir hier ganz gut gefallen wird. Die Schweizerin, von der sie Dir sprach, habe ich bereits oben erwähnt; die Frau Becker ist auch mit meiner Mutter durch mich befreundet worden, da sie öfter nach Berlin zu ihrem Vater kommt: sie ist gleichfalls eine vortreffliche Frau, zwar sehr vorgerückt in Jahren, aber noch sehr jugendlich in Gesinnung und Gefühlen. – Über die Hauptsache, die Du zum Schluß Deines Briefs so dringend zu erfahren wünschest, kann ich Dir erfreuliche Nachricht geben: es ist meine Absicht, liebste Susette, Dich zu Weihnachten zu besuchen. Was mich besonders dazu treibt, ist hauptsächlich der Umstand, daß ich nicht weiß, bis wann hernach das Wiedersehen und zugleich unsere Verbindung statt nden kann. Denn wenn ich – wie sehr wahrscheinlich – in die Abgeordnetenkammer oder auch zum Reichstage gewählt werde, so dürfte sich dieser Zeitpunkt noch länger hinausschieben. Übrigens kannst Du Dir wohl vorstellen, daß dies keineswegs mein persönlicher Wunsch ist, wie ich denn auch nicht das Geringste dazu gethan habe oder thun werde; aber nach meiner ganzen hiesigen Stellung und erlangten politischen Wirksamkeit, nach der hiesigen Lage der Dinge überhaupt kann ich mich einer solchen Wahl, wenn sie auf mich [fol. 2r] fallen sollte, aus bloß persönlichen Rücksichten und Wünschen durchaus nicht entziehen. Dann aber werde ich wohl noch bis gegen Ende Mai vom Ziel meiner Wünsche entfernt bleiben. Doch sei so gut, liebe Susette, und sprich davon nicht weiter zu Deinen Bekannten, damit sie meine Absichten und Wünsche nicht etwa falsch deuten. Du wirst es mir gewiß glauben, wenn ich Dir sage, daß ich am liebsten von diesen politischen Händeln ganz fern bliebe, die mich nicht zur Ruhe und stillen Befriedigung weder des häuslichen Glücks, noch meines wissenschaftlichen Studiums kommen lassen wollen. – Also, mein süßes Liebchen, Du darfst mich zu Weihnachten erwarten, entweder zum 24. oder zum 25., je nachdem Zeit, Umstände und Wege es gestatten werden. Wie freue ich mich darauf, Dich zum ersten Mal als meine geliebte Braut zu umarmen, Dir von ganzer Seele und unmittelbar aus dem Herzen meine Liebe zu versichern und von Deinen süßen Lippen in traulicher Unterhaltung die gleiche Versicherung zu empfangen! Und wie sehr freue ich mich auch auf das Wiedersehen mit Deinen lieben Eltern und Geschwistern und mit all' den andern Lieben, die zu uns gehören!
Frau Becker Caroline Becker, geb. Link, Tochter Heinrich Friedrich Links (1767–1851), Professor der Naturgeschichte, Botanik und Chemie an der Universität Rostock von 1792 bis 1811, dann in Breslau und Berlin. Abgeordnetenkammer Wahlen zum Landtag Mecklenburg-Schwerins. zum Reichstage Wahlen zum Erfurter Unionsparlament.
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Nach meinem jetzigen Plan würde ich am 20. Dec. von hier abreisen, am 21. in Schwerin sein, am 22. in Berlin, und am 23. von dort abgehen, so daß ich am 24. Mittags bei Euch eintreffen könnte. Ich habe dabei den bairischen Fahrplan vom 1. Oct. vor Augen: sollte derselbe seitdem verändert worden sein, so unterlasse ja nicht, mir davon noch in Deinem nächsten Briefe Nachricht zu geben. Ich rechne nämlich darauf, daß ich um 5 Uhr Nachm[ittags] von Leipzig abgehe und um 6 Uhr Morgens von Hof. Deinen nächsten Brief wirst Du in gewöhnlicher Weise nach Empfang dieses auf die Eisenbahn geben am Sonnabend, 15. Dec. Vormittags, dann werde ich ihn am Dienstag, d[en] 18. oder wenn Verzögerung eintritt, spätestens am Mittwoch, d[en] 19. erhalten; und meine Antwort wird sogleich darauf von Schwerin aus erfolgen, denn bis dahin nehme ich sie selbst noch mit. Sollte aber die Abgabe Deines Briefs sich über den Sonnabend hinaus verspäten, so adressire ihn nur nach Berlin unter Adresse an mich Potsdammer Str[aße] 27. Es freut mich, daß die gewählte Wohnung im Ganzen Deinen Beifall hat und daß Du auch mit der beschränkten Einrichtung der wirthschaftlichen Localitäten Dich zufrieden geben willst. Den Übelstand, daß wir nicht nebeneinander wohnen, hätte ich selbst sehr gern vermieden gesehen: allein ich hatte nur die Wahl zwischen dieser und einer anderen Wohnung, die gleich um 60 Thaler theurer war, obwohl sie im Raum viel beschränkter ist, oder vielleicht noch einer dritten, die ebenfalls in einer Etage liegt, aber sonst der äußeren Lage und Straße so wie der inneren Einrichtung nach keineswegs freundlich und behaglich erschien. Die gewählte Wohnung scheint Euch nach dem vorgelegten Plane ohne meine Absicht einen größeren Eindruck gemacht zu haben, als der Wirklichkeit entsprechend ist. Sie ist unter allen, die für uns zur Frage kommen konnten, eine der billigsten und bescheidensten: die meisten Zimmer sind klein, nur Dein Wohnzimmer mit zwei Fenstern geräumig, das Nebenzimmer mit einem Fenster wäre weder für mich noch für Dich irgend ausreichend, der daran stoßende halbdunkle Alkoven kann nur für einen Kleiderschrank dienen. Doch, wir wollen lieber mündlich darüber weiter verhandeln und füge ich über denselben Gegenstand noch ein paar Worte an Deine liebe Mutter hinzu. – Möge Dich Gott behüten, meine liebe Susette, einzig geliebte Seele! Noch bitte ich Dich, daß Du Dir doch ja nicht zu sehr den Schlaf verkürzen möchtest, um an mich zu schreiben; das Nachtwachen taugt nicht und könnte Dir leicht schaden, was mich weit mehr bekümmern würde, als wenn Du weniger an mich schriebest. Lebe wohl, meine theure Seele. In treuer Liebe Dein Karl.
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Nr. 8 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 13.–19. Dezember 1849 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 13. Dec. Meine geliebte Susette! Ich muß meine Zeit zusammennehmen, um noch dies und jenes vor meiner Reise zu beschicken. Wäre ich nur erst bei Dir! Ich gestehe, daß mir vor der Reise selbst etwas graut, da die Kälte wenigstens bis jetzt noch so strenge und das lange Sitzen im Wagen mir so zuwider ist! Indessen gegen die Kälte werde ich mich durch zureichende Bedeckung oder Einhüllung zu schützen suchen und die langen Stunden im Wagen will ich mir durch den Gedanken an Dich und an Deine Liebe verkürzen und versüßen. – In Schwerin muß ich mich eine Nacht aufhalten, weil ich den Abend zu einigen nothwendigen Besuchen gebrauche, und in Berlin einen Tag, um die Meinigen zu begrüßen und gleichzeitig mich nach den Möbeln und sonstigen Dingen für unsere künftige Einrichtung zu erkundigen. Müßte ich mich aber noch einen Tag in Schwerin aufhalten oder würde ich unerwarteter Weise, etwa zwischen Leipzig und Nürnberg, durch Schneefall oder sonst einen Zufall aufgehalten, so könnte ich nicht mehr am 24. Mittags bei Euch eintreffen, wie es meine Absicht ist, sondern erst am folgenden Tage. In Deinem letzten Brief, mein liebes Susettchen, gabst Du mir einen rührenden Beweis Deiner zärtlichen Liebe durch die Versicherung, daß Du allen meinen Wünschen und Neigungen nachzukommen suchen würdest: ich mußte mir jedoch dabei sagen, daß mich Deine Liebe gar leicht in dieser Beziehung verwöhnen könnte, wenn ich nicht gleichfalls immer darauf bedacht wäre, Dir das Gleiche zu vergelten und meine Neigungen gegen Deine Wünsche zurückzustellen. Eine meiner Freundinnen, die Frau Stannius, sagte mir neulich, ich würde mir manche Eigenheiten abzugewöhnen haben, und obwohl sie mir auf meine weitere Frage, worin denn diese Eigenheiten beständen, nichts Bestimmtes zu sagen wußte, meinte sie doch, daß ich ohne Zweifel bei meinem längeren Alleinleben mir dergleichen angewöhnt haben würde. Hieraus geht hervor, daß Du, liebe Susette, mir auch manche Neigungen, die schon zu Eigenheiten geworden sind, abgewöhnen wirst und nur in denjenigen nachgeben, die den Genuß unseres Zusammenlebens nicht stören, sondern befördern: oder vielmehr diese Abgewöhnung wird ohne Dein absichtliches Zuthun sich schon von selbst in dem Zusammenleben nothwendig machen, und ich werde es immer für einen neuen Gewinn halten, wenn ich mich wieder von einer Gewohnheit, die mir anklebte und die ich selbst vielleicht nicht bemerkte, glücklich befreit habe. Frau Stannius
Berta Stannius, geb. Fromm.
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16. Dec. Mein liebes Susettchen! Du schreibst mir in Deinem letzten Brief von einer Aufführung der Mendelsohnschen Compositionen zur Athalie, welcher Du beiwohntest. Um so lieber bin ich gestern Abend in ein Concert der hiesigen Sing-Akademie gegangen (derselben, welcher Kupsch früher vorstand), wo eben dieselben schönen Compositionen vorgetragen wurden. Die Musik hat mich an einigen Stellen tief ergriffen, besonders in dem Chor: O Sinai! usw. wo sie in der Schilderung von der Erscheinung Gottes mit Donner, Blitz und Posaunenton den großartigen Moment in furchtbarer Erhabenheit und majestätischer Gewalt darstellt, ferner in dem anderen Chor: „Ein Herz voll Frieden hat Trost in jedem Augenblick“, wo sie die zartesten Emp ndungen eines in sich befriedigten religiösen Gefühls ausdrückt! Es kam mir dabei wieder in den Sinn, daß die Musik als ein wesentliches Moment des Gottesdienstes in unserer Kirche zu sehr zurückgetreten ist, weil nichts so wie sie dazu geeignet ist, unser Gemüth zu religiösen Emp ndungen zu stimmen, es innerlich zu reinigen und zu befreien: selbst der Kirchengesang ist hier zu Lande so vernachläßigt, daß es nicht zu ertragen ist und daß er fast nur das Gegentheil von der Stimmung bei mir hervorbringt, als er bewirken soll. – Von Manuel habe ich gestern einen Brief erhalten, worin er mir nur Erfreuliches von dem Be nden [fol. 1v] der lieben Friederike und ihres Neugebornen meldet; dagegen leidet meine liebe Mutter sehr an der Kälte und mit ihrem Bein geht es nur sehr langsam vorwärts zur Besserung: auch hat sich leider herausgestellt, daß das Bein durch die Sehnenverdehnung etwas länger geworden ist, als das andere.
Mendelsohnschen Compositionen zur Athalie Zur 1791 entstandenen Tragödie „Athalie“ des französischen Dramatikers Jean Racine (1639–1699) hat Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) wenige Jahre vor seinem Tod seine Schauspielmusik (opus 74, MedelssohnWerkverzeichnis M 16 [1843–1845]) im Auftrag König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen (1795–1861) komponiert. Sing-Akademie Die seit 1843 „Singacademie zu Rostock“ genannte Chorvereinigung der Hansestadt geht auf den 1818 von Johann Andreas Göpel (1776–1823) gegründeten „Gesang-Verein zu Rostock“ zurück. Kupsch Chr. Kupsch (1809–1846) war von 1842 bis 1844 Direktor des „Gesang-Vereins zu Rostock“. O Sinai! Chor im ersten Teil von Mendelssohn Bartholdys „Athalia“: „O Sinai! gedenk' der heil'gen, / großen Stunde.“ „Ein Herz voll Frieden hat Trost in jedem Augenblick“ Terzett von Sopran I, Sopran II und Alt solo im vierten Teil von Mendelssohn Bartholdys „Athalia“: „Ein Herz voll Frieden/Hat Trost in jedem Augenblick, / Sieht nur auf Gott und sein Gebot hienieden, / Nicht auf sich selbst zurück. / Und sind Leiden ihm auch beschieden, / Trotz allem Mißgeschick / Bleibt doch das wahre Glück /Ein Herz voll Frieden.“ Sehnenverdehnung Sehnenüberdehnung.
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17. Dec. Der von Dir schon angekündigte Brief von Hofmann's ist heute auf einem Umweg über Hamburg bei mir angelangt. Sie schreiben mir sehr erfreut über Euren Besuch und Deine Bekanntschaft, hoffen auch Dich noch einmal mit mir bei sich zu sehen: ich denke, wir wollen das bald wahr machen, liebes Susettchen, und mit einander nach Erlangen fahren. – Gleichzeitig erhielt ich noch einen verspäteten Glückwunsch von einem andern sehr lieben Freunde und dessen liebenswürdiger Frau, Prof. Thöl aus Göttingen. Mit diesen beiden habe ich für mehrere Jahre in innigster und vertrautester Freundschaft verkehrt und bedauere ich nichts mehr, als daß Du sie hier nicht mehr ndest, da Thöl seit diesem Herbst uns verlassen und nach Göttingen gezogen ist. Seine Frau ist von hier, ein überaus graziöses und anmuthiges Wesen, besonders wenn sie Clavier spielt, was sie mit solcher Meisterschaft kann, daß ich nie ein schöneres Spiel gehört: wie viel herrliche Stunden hat sie uns damit bereitet! Und mit ihm war ich so befreundet, wie mit keinem Anderen hier. Doch an wie viel schmerzliche Trennungen dieser Art habe ich mich schon gewöhnen müssen, und so nehme ich es auch nicht mehr so schwer damit, weil es mir ist, als ob sie zum Leben gehörten, damit man auch für neue Verbindungen immer empfänglich bleibe. Mittwoch, 19. Abends. Dein lieber Brief, mein theures Susettchen, beweist mir Deine Freude über mein Kommen, die mich zugleich rührt und entzückt und meine Seele Dir entgegen be ügelt, daß ich vor Ungeduld meine Gedanken kaum noch auf die Gegenstände, die mich noch beschäftigen, festhalten kann. Ich wollte schon morgen früh abreisen, nde indeß noch bis morgen Abend zu thun und fahre deshalb lieber die Nacht, worauf ich bis zum andern Morgen zu Schwerin eintreffe, wo ich den Tag über bleibe, damit ich am Sonnabend Vormittag zu Berlin ankomme, wo ich wieder bis zum Sonntag früh bleibe, und dann eile ich Dir in einem Zuge entgegen zum entzückenden Wiedersehen, wo ich Dich zum ersten Mal als meine geliebte und liebende Braut umarme. Meine Gedanken schwindeln und verwirren sich bei der Vergegenwärtigung dieses neuen, nie gekannten Glücks! Wie wohl wird es mir sein, wenn ich mich der reinen Freude dieses Glücks ganz hingeben kann, ohne fortwährend, wie bisher, durch die tägliche Beschäftigung, Arbeit oder Zerstreuung davon abgezogen zu werden. Ich fühle, es ist nur ein halbes unbefriedigendes Leben, wenn ich Dich nicht als Lebensgefährtin an meiner Seite habe, und wünschte am liebsten Dich gleich mit hinweg[zu]nehmen, wenn nicht – alle die nöthigen oder unnöthigen Weitläu gkeiten wären, womit wir uns den kurzen Gang des Lebens erschweren. Aber so muß ich mich noch einmal von Dir trennen und weiß nicht, wohin die naßkalten Winde unsrer gegenwärtigen PoliThöl Johann Heinrich Thöl (1807–1884), von 1842 bis 1849 ordentlicher Professor der Rechte an der Universität Rostock, dann in Göttingen; er war verheiratet mit Elise Lewenhagen (1814–1872).
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tik mein Lebensschiff vors erste verschlagen und wie bald ich wieder einen gesicherten Hafen nden werde, um Dich, meine süße Last und Beute, darin aufnehmen zu können. Doch will ich mich jetzt noch nicht darum kümmern und die kurze Wonne eines Blicks in mein zukünftiges Glück ohne Rückhalt genießen. Lebe wohl bis dahin, mein liebes Herz, meine traute innig Geliebte, meines Lebens Hälfte und Wonne! – Möge Gott Dich auf allen Wegen beschützen! Auf ewig Dein Karl. Grüße Deine theuersten Eltern und lieben Geschwister. Nr. 9 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Berlin, 5. Januar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Berlin, 5. Januar 1850. Mein herzliebes Susettchen, Engel und Menschenkind in einer Person! Ich melde Dir, daß ich glücklich und wohlbehalten gestern Abend bei mäßiger Kälte hier angekommen bin. Meine liebe Mutter fand ich im Bette: sie hatte sich über mein längeres Ausbleiben schon sorgliche Gedanken gemacht und war nun hoch erfreut über meine Ankunft, über die lieben Grüße und guten Nachrichten, die ich ihr von Nürnberg mitzubringen hatte. Sie las dann noch Deinen, der lieben Mutter und der Tante Fritz Briefe mit inniger Theilnahme und ich mußte Alles durch mündliche Erzählung ergänzen. Mit ihrem Be nden geht es leider noch nicht nach Wunsch, da sie aufs neue Schmerzen am Bein emp ndet, wahrscheinlich in Folge zu großer Anstrengung während Mathildes Krankheit. – Ich konnte diesen Abend nicht mehr zu Manuel gehen, und habe also erst heute Morgen ihn und Friederikchen besucht: beide und ihre Kinder traf ich bei bestem Wohlsein; der kleinen Gustli gab ich das Mitgebrachte von der kleinen Lilli aus Nürnberg, worüber sie ihre kindliche Freude lebhaft äußerte, es Jedermann zeigend. Dann ging ich mit Manuel zusammen in die Stadt, er auf sein Mi-
Tante Fritz Sophia Maria Friederike von Tucher (1800–1863), Schwester der Mutter Karl Hegels, verheiratet mit dem Diplomaten und Schriftsteller Guido von Meyer (1798–1869). Mathilde P egerin der Mutter Karl Hegels in Berlin. Gustli Auguste Hegel (1846–1850), Tochter Immanuel und Friederike Hegels, Nichte Karl Hegels. Lilli Ließ sich nicht zweifelsfrei identi zieren.
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nisterium, ich zu dem Uhrmacher Tiede, wohin ich Deine Uhr brachte, dann weiter zu einigen anderen Besorgungen und einem Besuch bei meinem Freunde Beseler, den ich glücklich zu Hause traf. So habe ich diesen Vormittag zugebracht und schreibe Dir dieses nur in Eile vor dem Essen, weil ich nach Tisch wieder einpacken muß zur Weiterreise bis Wittenberge, wo ich übernachten will, damit ich morgen früh um 9 Uhr in Schwerin eintreffe. [fol. 1v] Ich brauche Dir wohl nicht zu versichern, mein süßes Liebchen, daß ich in Gedanken auf meiner Reise fast immer bei Dir gewesen bin, wenn nicht die Unterhaltung mit den Mitreisenden davon oft gewaltsam mich abzog. Dein weicher Nackenpummel wiegte mich so sanft ein, als ob Dein liebender Arm mich umfaßte, und seine schwarzen Maschen vergegenwärtigte mir Deine geschäftigen lieben Hände, welche sie zusammenzogen. Meine Arme streckten sich im Traum sehnsüchtig nach Deiner Gestalt aus, aber konnten sie nicht mehr erreichen: nur Deine innig treuen, zu mir aufblickenden Augen glaubte ich immer noch zu sehen. In so süßen Träumen und auf so weichem Kopfpolster konnte ich selbst in dem Schlitten mit offenem Seitenlader, der uns von Plauen nach Reichenbach in der Nacht bei 8 Grad Kälte beförderte, ganz wohl schlafen, und in Reichenbach angekommen ließ ich mir noch ein Bett geben, in dem ich den Schlaf von 2 bis 5 Uhr Morgens fortsetzte. Um 9 Uhr Morgens war ich in Leipzig, wo ich von ½ 10 bis ½ 12 Uhr noch drei Besuche machte, bei meinem Verleger C. Reimer (Weidmannsche Buchh[andlung]) und bei meinen Freunden Prof. Jahn Ministerium Immanuel Hegel war ab 1849 Regierungsrat und Leiter der Zentralstelle für Preß-Angelegenheiten im Preußischen Staatsministerium. Uhrmacher Tiede Christian Friedrich Tiede (1794–1877) war seit 1825 Uhrmacher mit eigener Werkstatt in Berlin und wurde 1838 Königlicher Astronomischer und Hofuhrmacher; ab 1839 hatte er Geschäftsräume im Haus Jägerstraße 20. Wittenberge Stadt an der Elbe mit Bahnstation der Berlin-Hamburger Eisenbahn seit 1846 auf der Strecke Berlin – Hamburg. Von dort fuhr Hegel weiter bis Hagenow, wo er in die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn nach Schwerin umsteigen mußte. Nackenpummel Niederdeutsches Wort für ein Kissen in Form einer Nackenrolle. Plauen Stadt im Vogtland, die mit der Verbindung nach Reichenbach erst 1851 an die Sächsisch-bayerische Eisenbahn angeschlossen wurde. Reichenbach Stadt im Vogtland, 1849 noch Ausgangsstation der Sächsischen Staatsbahn auf der Strecke nach Leipzig. Leipzig Alte Messe- und Universitätsstadt mit Eisenbahnknotenpunkt im Königreich Sachsen. C. Reimer Carl (Karl) Reimer (1801–1858), Buchhändler und Verleger. Hegel nannte ihn „meine[n] Verleger“, weil er 1847 seine zweibändige „Geschichte der Städteverfassung von Italien seit der Zeit der römischen Herrschaft bis zum Ausgang des zwölften Jahrhunderts“ verlegte. Weidmannsche Buchh[andlung] Der 1680 von Moritz Georg Weidmann (1658–1693) gegründete Leipziger Verlag Weidmann'sche Buchhandlung wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Salomon Hirzel (1804–1877) und Karl Reimer geleitet. Jahn Otto Jahn (1813–1869), von 1842 bis 1846 außerordentlicher, 1846/47 ordentlicher
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u. Prof. Haupt; der erstere brachte mich dann noch zur Eisenbahn, nachdem ich ein kurzes Frühstück oder Mittagessen eingenommen. Um ½ 7 Uhr war ich hier in Berlin. Die Reisegesellschaft war einige Mal recht unterhaltend: In Baiern fuhr ich mit einem Fabrikanten aus Schweinfurt; in Sachsen mit einem desgleichen aus Reichenbach, in Preußen mit einem wohl unterrichteten Landrath; und konnte ich von diesem manches Interessante hören und erkundigen. [fol. 2r] Meine Freunde in Leipzig unterrichteten mich ebenfalls noch näher über die Stimmung und Sachlage in Sachsen, die Preußen ebenso entschieden günstig als dem gegenwärtigen Sächsischen Ministerium ungünstig, ja feindlich ist. Man erwartet dort die abermalige Auflösung der Kammern und dann den Einmarsch der Österreicher aus Böhmen, auf deren Unterstützung das schlechte Ministerium allein rechnen darf; es ist keine Frage, daß dann die Preußen gleichfalls einen Theil von Sachsen besetzen werden und die ganze Bevölkerung ihnen zufällt. Sachsen ist eine reife Frucht, welche Preußen nur vom Baume zu schütteln braucht, um sie im Schoß zu haben; doch vielleicht thut ein Windstoß von ungefähr dasselbe. – Das Wetter ist heute milde, es fällt seit Mittag viel Schnee. Die Flocken bringen mir jetzt Grüße von Dir, mein liebes Susettchen, denn der Schnee ist, wie wir wissen, auch in Nürnberg zu Hause und war dort unser steter Begleiter. Gewiß denkst Du auch oft an mich, mein süßes Menschenkind; denn ich weiß, daß Du mich liebst und zwar mit inniger Seele liebst; aber ich weiß auch, daß Du zu verständig bist, um Dich nicht auf schwächlich sentimentale Weise zu härmen und zu grämen, denn Du bist ein verProfessor der Klassischen Philologie und Archäologie an der Universität Greifswald, danach an den Universitäten Leipzig (1847–1850) und Bonn (ab 1854). Haupt Moriz Haupt (1808–1874), 1841 außerordentlicher, von 1843 bis 1851 ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Leipzig. Zusammen mit Otto Jahn und dem Altertumswissenschaftler Theodor Mommsen (1817–1903) trat er für eine neue sächsische Verfassung im Sinne der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 ein. Trotz Freispruchs in einem Gerichtsverfahren wegen ihrer politischen Aktivitäten wurden die drei Professoren 1851 von der Universität entlassen und verließen das Königreich Sachsen. Sächsischen Ministerium Vorsitzender des Gesamtministeriums des Königreichs Sachsen (Ministerpräsident) war bis zur Märzrevolution am 13. März 1848 Julius Traugott Jakob von Könneritz (1792–1866), dem bis 24. Februar 1849 als Chef des „Märzkabinetts“ der Bürgerliche Alexander Karl Hermann Braun (1807–1868) folgte, der politisch an der Zweiten Kammer des Sächsischen Landtages scheiterte. Sein Nachfolger wurde für zwei Monate Gustav Friedrich Held (1804–1857), der zurücktrat, als König Friedrich August II. (1797–1854) sich gegen die Revolution stellte und am 28. April 1849 das Parlament auflöste. Damit begann der Dresdner Mai-Aufstand vom 3. bis 9. Mai, in dem die Revolutionäre keine politischen Zugeständnisse erringen konnten. Während dieses blutigen Aufstandes wurde vom 2. Mai bis zu seinem Tode Ferdinand von Zschinsky (1797–1858) neuer Vorsitzender des Gesamtministeriums. Kammern Der Landtag des Königreichs Sachsen bestand seit der Verfassung von 1831 aus einer Ersten und einer Zweiten Kammer.
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nünftiges und starkes Mädchen, das sich in die Nothwendigkeit mit Einsicht zu nden weiß. Unser kurzes seliges Zusammensein hat uns eine neue Gewähr unseres künftigen dauernden Glückes gegeben, da wir uns gegenseitig nicht nur unserer innigen Liebe zu einander versichert haben, sondern auch in Emp ndungen, Stimmung und Charakter jener Übereinstimmung [fol. 2v] gewiß geworden sind, welche bei einer dauernden Verbindung durchs Leben zum vollständigen Glücke nicht fehlen darf. So wirst auch Du, theuerste Geliebte, nicht mehr der Grille bei Dir Raum geben, als ob Du mir und meinen eingebildeten Ansprüchen nicht ganz genügen könntest, da Du Dich überzeugt haben wirst, daß ich Dich, so wie Du bist und weil Du so bist, mit ganzer Seele liebe. Ich sage damit nicht, daß Du nicht in dieser oder jener Beziehung vollkommen werden könntest; aber das wird nicht anders als durch unsere Gemeinschaft und gegenseitige Vervollkommnung mit Gottes Segen geschehen. Und so lebe denn nun wohl, mein liebes Herz und wonnevolles Menschenkind. Mögen Gott und alle Engel Dich behüten! Tausend Grüße an Deine theuren Eltern und Geschwister und an alle die Lieben, die mir dort so innig zugethan sind. Auch Manuel u. Friederikchen lassen Dich herzlichst grüßen: sie werden ihr Kindchen am Dienstag taufen lassen u. ihm die Vornamen der beiden Großväter Eduard u. Wilhelm geben: Wilhelm soll es nach meinem Vater heißen. Leb wohl, liebe Seele. Ewig Dein Karl. Nr. 10 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 8.–11. Januar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. [fol. 1r] Rostock, 8. Januar 50. Innig geliebtes Menschenkind, theuerstes Susettchen! Dein Bild liegt vor mir auf dem Schreibtische und oft nehme ich es zur Hand, um Dich anzublicken und Dich meiner herzlichstenen Liebe zu versichern. – Ich bin also richtig wieder auf meinem alten Kindchen (Eduard) Wilhelm Hegel (1849–1925), Sohn Immanuel und Friederike Hegels. Eduard Eduard Heinrich Flottwell war der Großvater mütterlicherseits, Friederike Hegels Vater. Wilhelm Georg Wilhelm Friedrich Hegel war der Großvater väterlicherseits, Immanuel und Karl Hegels Vater.
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Platze, nachdem ich wohlbehalten hierselbst angelangt. Um wieder da anzuknüpfen, wo ich Dir zuletzt schrieb, Berlin am Sonnabend Mittag, so blieb ich dort noch bis zum andren Morgen, weil ich noch Manches mit der lieben Mutter und Manuel zu besprechen hatte, auch Friederikchen, die ich am morgen nur kurz gesprochen hatte, noch einmal am Abend besuchen wollte. Die liebe Mutter machte uns Beiden, Manuel und mir, ungeachtet unserer Einreden, noch ein Geschenk von 900 Thalern, 450 Th[aller] für Jeden, von ihrer Erbschaft, indem sie darauf bestand, daß sie es uns lieber aus ihrer noch lebenden warmen, als aus ihrer kalten Hand zu ießen lassen wolle; wir hätten fürchten müssen, sie zu betrüben, wenn wir uns ihrer Liebe geweigert hätten. Außerdem will sie noch eine ansehnliche Summe auf meine Ausstattung verwenden – die gute Mutter, die mit rührender Liebe nur darauf denkt, wie sie ihren Kindern und Anderen Freude und Gutes erweisen kann! Am Sonntag früh nahm ich bewegten Abschied von ihr und fuhr nach Schwerin, indem ich unterwegs mit Bekannten aus Mecklenburg und einer sehr lustigen Reisegesellschaft zusammentraf. Auf dem Bahnhof wurde ich bereits von dem Sohn des Geh[eimen] Cabinetsrath Prosch erwartet, der schon die Tage vorher zu meinem Empfang dort gewesen, so wie auch mein schönes Gastzimmer bei Prosch schon länger geheizt worden; denn ich hatte auf der Hinreise, wo ich dort schon einen Tag zugebracht, versprechen müssen, wieder daselbst einzukehren. Die Frau Prosch, eine liebenswürdige und noch recht hübsche Frau, ist, wie ich Dir erzählt habe, meine besonders gute Freundin in Schwerin und nimmt auch an meiner Verlobung mit Dir den herzlichsten Antheil, obgleich sie ebenfalls eine bereits erwachsene Tochter hat: ich habe ihr versprechen müssen, auch mit Dir bei ihr zu wohnen. Es ist sehr gemüthlich in disem Hause zu wohnen: die Lage am See mit dem Blick über einen Theil der Stadt ist reizend, die innere Einrichtung sehr comfortabel; dem Hausfreunde oder Gaste werden alle möglichen Genüsse, die Kunst und Natur bieten, dargereicht. Du ndest dort schöne Gemählde, Kupferstiche nach Auswahl; die besten Weine usw. und fühlst Dich sogleich wie zu Hause und nicht im Geringsten durch Ansprüche irgend welcher Art genirt, da der Verkehr durchaus unbefangen und Jeden gleichsam freigestellt ist. Ich besuchte außerdem noch unseren Minister v. Lützow so wie meine Freunde, die Regierungsräthe Karsten Prosch Eduard Prosch (1804–1878), Geheimer Kabinettsrat in Schwerin; sein Sohn war Eduard Prosch d. J. (1834–1913), Karl Friedrich Wilhelm Prosch (1802–1876) sein älterer Bruder. Minister v. Lützow Ludwig Friedrich Wilhelm von Lützow (1793–1872) war Politiker und Staatsmann Mecklenburg-Schwerins, von 1840 bis 1850 Erster Minister des Großherzogs, 1848/49 einer der Verfechter einer konstitutionellen Monarchie für Mecklenburg-Schwerin, verheiratet mit Sophie von Brandenstein (1796–1876). Karsten Detloff Ludolph Eobald Karsten (1787–1879), Advokat und Prokurator in Rostock, von 1811 bis 1846 in verschiedenen Funktionen als Senator, Syndikus, Bürgermeister und Erster Bürgermeister in Diensten der Hansestadt mit abschließender Ehrung als Ehrenbürger, 1846 Regierungsrat in Schwerin, 1848/49 war er Mecklenburger Bevollmächtigter bei
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und Prosch, meine früheren freundlichen Wirthsleute, Advocat Schweden und einige Andere und fuhr darauf am folgenden Nachmittag 2 Uhr wieder auf der Eisenbahn weiter bis Wismar und auf der Post von da bis Rostock. Auf diesem Wege traf ich mit meinem Collegen Becker und Frau zusammen, die den Tag nach mir von Berlin abgereist waren, ohne sich aber in Schwerin aufzuhalten. Da sich die Ankunft in Rostock bis 11 Uhr Nachts verspätete und ich mein Kommen vorher nicht angemeldet hatte, so geschah es, daß ich nicht mehr, trotz alles Pochens und Lärmens, ins Haus gelangen konnte und noch einmal im Wirthshause übernachten mußte. – Es war auf dieser ganzen Rückreise nicht so kalt, wie auf der Hinreise, [fol. 1v] und wie mich damals die spannende Erwartung über alle Beschwerde der Reise hinweghob, so jetzt die Erinnerung an die glücklichen Tage, die ich mit Dir, meine innigst Geliebte, verlebt und die leibhaftig näher gerückte Aussicht auf unsere künftige dauernde Vereinigung. 10. Jan. Am ersten Abend nach meiner Ankunft war ich bei Leist, wo ich den häuslichen Kreis durch seine Mutter und eine rothwangige Cousine aus Göttingen erweitert fand. Gestern war ich zu Bruns eingeladen, wo ich noch mehrere Freunde fand – Delitzsch, den Theologen, und Frau, Fritzsche einen Philologen aus Leipzig nebst Frau, Röper und Andere. Die liebe Schwäbin erkundigte sich sehr angelegentlich nach Dir und fragte nach Deinen Grüßen, wünschend, daß Du selbst schon da wärst. Deine Gesundheit wurde, wie immer, ausgebracht und ich gedachte Deiner, mein einziges Menschenkind, mit ganzer Seele. der provisorischen deutschen Zentralgewalt in Frankfurt am Main. Er war ein Bruder des Mineralogen und Metallurgen Carl Karsten. Prosch Karl Friedrich Wilhelm Prosch (1802–1876), Verwaltungsjurist und Politiker, 1846 Regierungsrat, 1848/49 Mitglied der Zweiten Kammer des Landtags von MecklenburgSchwerin; Eduard Prosch war sein jüngerer Bruder. Advocat Schweden Johann Friedrich Ludwig Schweden (Schweder) (1799–1871) war seit den 1820er Jahren Advokat in seiner Geburtsstadt Schwerin, verheiratet mit Louise Charlotta Catharina Magdalena Röper (Roeper) (1802–1871). Wismar Hansestadt an der Ostsee und seit 1848 Eisenbahnstation auf der Strecke von Schwerin nach Wismar als Teilstück der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn. auf der Post Weiterreise mit der Postkutsche, da eine Bahnverbindung nach Rostock erst im Mai 1850 fertiggestellt wurde. Becker Eduard Becker (1792–1880), von 1830 bis 1875 ordentlicher Professor für Ökonomie und Forstwissenschaft an der Universität Rostock, verheiratet mit Caroline Link. Mutter [Leist] Henriette Leist, geb. Köring (1791–1874). Fritzsche Franz Volkmar Fritzsche (1806–1887), von 1828 bis 1887 ordentlicher Professor für klassische Literatur und Beredsamkeit an der Universität Rostock, verheiratet mit Wilhelmine Hermann, Tochter des Klassischen Philologen, Metrikers und Grammatikers Gottfried Hermann (1772–1848) an der Universität Leipzig.
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11. Jan. Schon heute morgen, mein Herzens Susettchen, traf Dein Brief vom 8. hier ein, der mich durch den innigen Ausdruck Deiner Liebe mit wahrhafter Rührung, so wie mit Sehnsucht nach Deiner Gegenwart erfüllte. Gewiß ist es gut, mein liebstes Mädchen, daß es uns Männern durch unsere Berufsgeschäfte nicht, so wie Euch, gestattet ist, unsere Gedanken beständig auf den Gegenstand unserer Liebe zu richten, weil uns auch die Gabe der Geduld und des sehnsuchtsvollen thatlosen Abwartens in viel geringerem Maße beiwohnt. Dagegen meinen wir durch die Stärke unserer Gefühle das zu ersetzen, was ihnen an gleichmäßiger Continuität abgeht. Und so ergreife ich Dich, meinen liebsten Besitz, mit meinem ganzen Sein, so oft sich meine sonst zerstreuten Gedanken Dir zuwenden. Dein theures Bild liegt immer vor mir und oft unterbreche ich mich in meinen Arbeiten, um mich durch einen Blick in Dein liebes Antlitz zu erquicken. Ich denke mir, daß Du weniger eines solchen äußeren Anhaltpunktes der Erinnerung an mich bedarfst, eben weil Du innerlich ungestörter bleibst. Auch bin ich dem Herrn Hahn nicht so ganz böse, daß er Dir mein Bild nicht ohne das Deinige überlassen wollte, daß er mein Bild zugleich mit dem Deinigen vermischte, zum Zeichen, daß das eine nicht ohne das andere sein sollte: der Mann hat offenbar einen richtigen Instinct für unsere Liebe, die uns untrennbar erscheinen läßt, bewiesen. Wenn Du aber nichtsdestoweniger der Meinung sein solltest, daß Du darum doch ebenso gut ein Bild von mir besitzen dürftest, wie ich ein solches von Dir habe, so läßt sich für Dein Wünschen immer noch auf andere Art Rath schaffen. Der Brief von Fanny, wovon Du schreibst, ist in Berlin und auch hier nicht an mich gelangt; vermuthlich wird indessen meine liebe Mutter ihn erhalten und die Einlage schon richtig besorgt haben: ich werde jedoch nicht unterlassen, sie darum zu befragen. Mir ist es nicht anders, wie Deinem lieben Vater, ergangen; denn auch ich habe erst hier unter meinen zurückgebrachten Sachen einen Brief meiner lieben Mutter an die Tante Thekla vorgefunden, den ich in Nürnberg vor lauter Geschäften vergessen, und nun noch nachsenden muß, um Dich um seine weitere Besorgung zu bitten. In den nächsten Tagen werde ich mit mehreren meiner politischen Freunden einen Aus ug nach Güstrow (welche Stadt in der Mitte unseres Landes liegt) unternehmen,
Dein theures Bild Das offenbar Ende Dezember 1849 gemachte Bild ist als Daguerreotypie erhalten. Vgl. Taf. 2. Herrn Hahn Friedrich Hahn (1804–1880) war Maler und Nürnbergs erster Daguerreotypist mit einem eigenen Atelier seit Beginn der 1840er Jahre vor dem Neuen Tor. Fanny Nicht zu identi zierende Person. Tante Thekla Thekla Therese Eleonore von Gemmingen (1813–1901), Ehefrau Gottlieb Sigmund von Tuchers (1798–1877), des Bruders der Mutter Hegels und des Vaters Susanne von Tuchers. Güstrow Alte Residenzstadt Mecklenburg-Schwerins, südlich von Rostock gelegen und 1848/49 ein Hauptort der Revolution im Lande.
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zu einer Generalversammlung von Deputirten unserer Wahlvereine, welche der hiesige Centralverein (dessen Mitglied und Deputirter ich bin) anberaumt hat. Bei dieser Gelegenheit kann ich mich dort auch nach Meubeln umsehen, welche daselbst besser und billiger, als hier, zu haben sein sollen. Du siehst, wie geschickt ich meine persönlichen Interessen mit den politischen zu verbinden verstehe! So wirst Du, um der letzteren willen, nicht ungehalten sein. – Wegen der Einlage will ich kein neues Blatt mehr anfangen, wiewohl ich ungern mit diesem schließe. Ich umarme Dich mit ganzer Seele, meine heiß Geliebte, und bitte Dich [fol. 1v, linker Rand, quer] nur noch, mir zu schreiben, wie es mit Deinem Husten steht, wegen dessen ich mir einige Vorwürfe mache, da ich Dich zu wenig in Wind und Schnee und Kälte geschont habe; auch grüße mir tausend mal die lieben Eltern und Geschwister und schreibe mir Alles, was Dich und sie und Deine andern Lieben betrifft. Leb wohl mein liebes, mein starkes und vernünftiges Mädchen, mein wonniges Menschenkind! Möge Gott Dich auf allen Deinen Wegen behüten! Dein Karl. Nr. 11 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 16.–18. Januar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 16. Januar. Mein innig geliebtes Susettchen! Seit ein Paar Stunden liege ich auf meinem erbärmlichen Sopha – (um die Füße auszustrecken, muß ich noch einen Stuhl zu Hülfe nehmen) – den Kopf unterstützt durch Deinen weichen Nackenpummel – (denn die Lehne des sogen[annten] Sopha's meines Wirthes ist fast wie ein Brett) – und schreibe Dir fortwährend in Gedanken Briefe, bis ich mich endlich mit festem Entschluß aufraffe, um die Feder wirklich zur Hand zu nehmen; denn ich hatte mir schon heute morgen vorgenommen, Dir am Abend recht viel zu schreiben, weil mein Tagebuch seit mehreren Tagen unterbrochen worden und ich mit einem ganzen Vorrath von Generalversammlung von Deputirten unserer Wahlvereine Vom Rostocker Centralverein initiierte Versammlung aller Wahlvereine für das Territorium des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Meubeln Möbeln. Feder Hegel schrieb in einer Zeit des Übergangs vom Federkiel zur Spitzfeder aus Stahl, die sich auf dem Gebiet des Deutschen Bundes seit den 1830er Jahren durchzusetzen begann.
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Mittheilungen noch im Rückstand bin. Warum ich aber die schöne Zeit auf dem sogen[annten] Sopha mit bloßem Dämmern versäumt? – ich habe mir auf meiner letzten Tour nach Güstrow eine Erkältung und geschwollene Backen zugezogen, wovon mir heute der Kopf sehr eingenommen gewesen ist, und da ich eben deshalb den ganzen Tag allein in meiner Stube zubringen mußte und nur wenig lesen oder arbeiten konnte, so verweilten meine Gedanken meistens bei Dir und ich wünschte Dich recht sehnlich her zu mir, um mich manchmal durch einen liebevollen Blick oder einen weichen Händedruck zu trösten – wie geduldig und froh wollte ich dann diese mir aufgezwungene Unthätigkeit ertragen! Ich war also vorgestern in Güstrow, in Begleitung von drei politischen Freunden von hier, Oberappellrath Trotsche, Senator Weber, Advocat Kippe, um dort mit den Deputirten der anderen Wahlvereine zusammenzutreten und nach deren Mittheilungen eine Candidatenliste von Abgeordneten für die nächste Kammer aufzustellen. Der Deputirte aus Schwerin berichtete, daß ich – die anderen Candidaten interessiren Dich einstweilen wohl nicht – aller Wahrscheinlichkeit nach von dieser Stadt gewählt werden würde: demnächst würde mir von diesem, so wie von dem Deputirten von Güstrow, der hier den meisten Ein uß hat, – also für zwei verschiedene Kreise – die Wahl nach Erfurt angetragen. Die letztere lehnte ich nun vorläu g ab, weil ich mir nur wenig Nutzen von meiner Wirksamkeit in Erfurt verspreche, aber auf viel Ungunst hier im Lande gefaßt sein müßte. Was aber die andere Wahl von Schwerin für unsere Kammer betrifft, so könnte und würde ich mich derhalben nicht entziehen, wenn sie auf mich ele, was indessen noch sehr dahin steht, da es davon abhängt, ob Trotsche Carl Heinrich Christoph Trotsche (1803–1879) war Kanzlei- und Justizrat, wurde 1845 Richter am Oberappellationsgericht in Rostock und stieg 1853 zum Vizepräsidenten, 1872 zum Präsidenten dieses obersten Gerichts des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin auf. 1848 wurde er Mitglied der konstituierenden Abgeordnetenkammer in Schwerin und 1849 ihr erster Präsident, erhielt 1865 die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Rostock und wurde 1870 Ehrenbürger der Hansestadt. Weber August Wilhelm Ludwig Weber (1794–1883), Sohn des Rostocker Rechtsprofessors Adolf Dietrich Weber (1753–1817), Senator, bis 1847 Geheimer Justizrat und Kanzleivizedirektor in Neustrelitz, von 1847 bis 1864 Oberappellationsgerichtsrat in Rostock, verheiratet mit Auguste Reinicke. Kippe Gottlieb Christian Kippe (1802–1883), 1829 Rechtsanwalt in Rostock, 1830 Prokurator an der Mecklenburgischen Justizkanzlei in Rostock, 1839 Richter, 1844–1869 Kammerprokurator bei der Großherzoglich-Mecklenburgischen Kammer in Schwerin, verheiratet mit Sophia Brandes. Wahl nach Erfurt Nach dem Vorbild des Frankfurter Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 regelte das Gesetz über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshaus die Zusammensetzung des Erfurter Unionsparlaments vom 26. Mai 1849, das gleichzeitig mit der Einigung eines Bündnisses der Könige von Preußen, Hannover und Sachsen („Dreikönigsbündnis“) auf die „Erfurter Unionsverfassung“ zustande kam. Die Wahlen fanden Ende 1849/Anfang 1850 in den Ländern des Deutschen Bundes statt.
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ich nicht dem Minister von Lützow werde weichen müssen, im Fall derselbe in einem anderen Wahlkörper nicht durchzubringen ist. Da jedoch die Wahlen nach Erfurt vor den andern statt nden, so würde ich sehr in Verlegenheit kommen, wenn ich schon bei diesen, trotz meiner Ablehnung unter der Hand, gewählt würde, da eine öffentliche Ablehnung nach der Wahl hier aus mehreren Gründen sehr mißlich wäre: die Annahme dagegen würde die andere Wahl zur Kammer so gut wie ausschließen. – Zur Zeit kann ich nichts weiter thun, als ruhig abwarten, was das Geschick mir bringt, und Dich versichern, daß ich bei meinem Entschluß die bestimmende Rücksicht auf die so sehnlich von mir herbeigewünschte Vereinigung mit Dir gewiß nicht weiter, als durchaus nothwendig erscheint, zurückstellen werde. Auch betreibe ich, so viel an mir liegt, unsere künftige Einrichtung hieselbst so, als ob ich keine Störung weiter zu besorgen hätte. Ich habe schon die Einleitungen getroffen, um ein Mädchen zu miethen; doch werde ich nicht unterlassen mit demselben die nöthige Verabredung zu nehmen für den Fall, wenn unser Haushalt erst später als im April eröffnet werden sollte. In Güstrow habe ich mich zugleich nach Möbeln umgesehen und sie dort zum Theil ganz preiswürdig gefunden. Zunächst will ich jedoch damit anfangen einen Theil der Möbel, bei denen es weniger auf Eleganz ankommt, hier in der Nähe, in Doberan, wo dergleichen am billigsten geliefert wird, zu bestellen. Zu dem Ende ist schon jetzt eine Verständigung über das Anzuschaffende zwischen uns nöthig und lege ich Dir deshalb meinen vorläu gen Ausrüstungsplan vor, mit der Bitte Deine Bemerkungen und Wünsche zu demselben hinzuzufügen. [fol. 1v] Nimm den Plan der Wohnung vor Augen mein liebes Susettchen. – Doch ich muß für heute abbrechen im Schreiben. 17. Januar. Mein Kopf ist heute etwas freier, die Backe aber noch mehr geschwollen und werde auch heute noch das Zimmer nicht verlassen können. An solchen Tagen fühle ich mich schrecklich verlassen und mag ich auch, in einer Art von Trotz, nicht einmal meine Freunde auffordern, mich zu besuchen. Doch ich fahre fort, wo ich gestern aufgehört habe; laß Dich nicht stören, mein liebstes Menschenkind, durch meine üble Laune, die ich nur an mir selbst auslassen will. Wir treten also zuerst in Dein Wohnzimmer und fragen uns was wir für dieses brauchen. Zuerst einen ordentlichen Sopha und davor einen halbrunden Tisch von hübscher Mahagoniarbeit, wie es hier nicht anders sein kann, und dazu etwa 6 gepolsterte Stühle, von demselben Zeuge wie der Sopha überzogen: man nimmt hier sehr häu g grünen oder rothen Plüsch dazu; indessen ist dieser theuer und ich wäre auch mit irgend einem andern weniger kostbaren Zeuge zufrieden: bei der Auswahl der Farbe ist auch auf die Farbe der Wand, welche hier eine blaue Tapete hat, Bedacht zu nehmen; Doberan wurde.
Westlich von Rostock gelegener Ort nahe der Ostsee, der 1879 zur Stadt erhoben
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grün und roth würde dazu schon nicht gut passen, sondern entweder blau oder eine unbestimmte Farbe. Da der Sopha die Hauptwand einnimmt, so müssen wir den Flügel neben das eine Fenster stellen und den Nähtisch neben das andere: zwischen beide Fenster kommt der Spiegel, unter dem etwa ein Spieltisch stehen kann. Wir gehen ferner zu der anderen Nebenwand mit der Thür zu meinem Zimmer, und stellen dahin Deinen Schreibtisch und etwa einen Bücherschrank: endlich bleibt noch die Wand mit Eingangsthür u. Ofen, wohin sich noch eine Chiffonière und ein Eckspinde stellen läßt. – Die Auswahl von Nähtisch und Schreibtisch möchte ich Dir selbst nach Gefallen überlassen, und habe für jetzt nur zu fragen, ob Du, wenn Du einen offenen Schreibtisch ohne Kommode vorziehst, eine Chiffonière d. h. einen Schrank mit 5 bis 6 Fächern für Wäsche und Kleidungsstücke, die Du zur Hand haben willst, für genügend hältst; das Eckspinde würde zu Tischzeug, Teller, Gläser, Mundvorrath, den man in der Stube haben will, dienen. – Es fehlt nun noch ein Kleiderschrank für Deine Kleider und ein Wäscheschrank: der erstere könnte auf dem Vorplatz gleich neben der Thür der Wohnstube, der andere im Schlafzimmer stehen. Beide Schränke müßten wohl von der großen Sorte mit zwei Thüren sein. Für mein Wohnzimmer brauche ich gleichfalls einen Sopha und etwa 4 Stühle, d. h. Rohrstühle. Meine liebe Mutter hat mir bereits einen Schlafsopha versprochen, welchen ich also hierher stellen könnte. Vor dem Sopha muß ein Tisch stehen. Dazu würde sich wohl am besten ein Ausziehtisch eignen, welchen wir nicht entbehren können, so oft wir Gesellschaft bei uns sehen wollen. Außerdem habe ich einen soliden offenen Schreibtisch als Erbstück von meinem Vater, welchen ich neben den Sopha hinstelle: ferner ist nöthig ein Schreibpult, an welchem ich gewöhnlich arbeite und eine Chiffonière für meine Wäsche, womit mich die liebe Mutter sehr reichlich ausstatten will: mein Kleiderschrank kann in dem Alkoven stehen, welcher mit dieser Stube durch eine kleine Thür verbunden ist. Die Einrichtung des Schlafzimmers ergibt sich von selbst und habe ich in Bezug auf die Bettstellen nur den Zweifel wie groß die Matrazen ausfallen werden, um danach das Maß für sie zu nehmen. Das Maß, welches Deine liebe Mutter mir mitgegeben, hat 3 Fuß ½ Zoll Breite 6 Fuß 6 ¾ Zoll Länge (Rost[ocker] oder Hamb[urger] Maß); aber ich weiß nicht, ob sie die Bettstellen nur im Innern, also nach der Größe, die für die Matraze nöthig ist, gemessen hat, oder aber mit den Wänden: das letztere möchte ich fast glauben, daß ich unsere Matrazen nicht so groß, um 3 Zoll Länge und 2 Zoll Breite kleiner gefunden habe. Hierüber erbitte ich mir Auskunft. – Obgleich wir neuen Schlafsopha besitzen werden, so muß ich doch wohl auch noch für den Gast eine Chiffonière Kleiner Schrank bzw. Kommode mit Schubladen und Fächern zur Aufbewahrung von Wäsche, kleineren Kleidungsstücken und Accessoires. Eckspinde Niederdeutsches Wort für einen schmalen (Eck-)Schrank. 3 Fuß ½ Zoll 87,07cm (1 Hamburger Fuß = 0,286m; 1 Zoll = 2,54cm). 6 Fuß ¾ Zoll 173,505cm.
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dritte Bettstelle anschaffen? und für das Mädchen eine vierte. Desgleichen steht weiter zur Frage, was noch für die oberen zwei Zimmer anzuschaffen wäre: vielleicht noch ein gewöhnlicher Sopha und Tisch nebst einigen Stühlen – es wird darauf ankommen, wie weit das Geld reicht, und werde ich deshalb hierfür noch keine Bestellung machen. Einige Bücherrepositorien mit Büchern muß ich gleichfalls oben hinaufstellen, da sie unten keinen Platz nden werden. [fol. 2r] 18. Januar. Mein liebes Herz! Du bist heute morgen richtig mit dem erwarteten lieben Briefe eingetroffen, der sich gegen meine vorstehende hausbackene Prosa wie die reine Poesie ausnimmt. Deine süße innige Liebe erfüllt mich mit unendlichem Dank gegen Gott, der sie mir beschert hat, und fordert mich nur aufs neue auf, sie mit aller Kraft meines Herzens durch völlige Hingebung zu erwidern. Mit Recht glaubst Du, in mir das Herz gefunden zu haben, welches Du Dein nennen kannst für immer. – Die frohe Botschaft von Lina hat mich höchlich erfreut und trifft es sich fürwahr recht schön, daß ihr zu dem Männlein noch ein Weiblein geschenkt worden ist. Ich wünsche ihr und ihrem Friedrich auch für dieses Weibchen alle guten und schönen Gaben von oben, die es vor Gott und den Menschen liebenswürdig machen können. Ich grüße beide tausend mal. – Was Du mir von den lezten Bauers-Kränzchen schreibst, ist mir recht angenehm gewesen um Deinetwillen, weil ich daraus ersehe, daß der strenge Katechet Euch die christlichen Dogmen in ihrer gedankenreichen Tiefe auszulegen [...] und wird dies, wenn man sich nur von den spitzfündigen Controversen der Theologen fern hält, ein einfach gläubiges Gemüth gewiß nicht verwirren, sondern vielmehr zum [be]wußteren Verständniß einführen. – Der Gedanke, mein liebstes Susettchen, unsern HochzeitsBücherrepositorien Schränke oder Regale für Akten und Bücher. Männlein ... Weiblein Benedikt (Benno) Karl Friedrich von Grundherr (1848–1909) und Maria Luise Karoline von Grundherr (*1850). Bauers-Kränzchen Es handelt sich wohl um eine vornehmlich von Damen gleicher sozialer Stellung besuchte Zusammenkunft mit dem Nürnberger Katecheten Friedrich Bauer (1812– 1874), der nach dem Studium der evangelischen Theologie an den Universitäten Erlangen und Halle im Jahre 1835 die Prüfungen für den Dienst in der bayerischen Landeskirche bestand. Er war zunächst Prediger und Seelsorger im Nürnberger Armen- und Arbeitshaus („Korrektionshaus“), dann Religionslehrer an der Gewerbe- und Landwirtschaftsschule in Nürnberg, Lehrer am „Erziehungsinstitut für arme und verwahrloste Knaben“ und kurzzeitig Verweser einer Pfarrstelle an St. Egidien. Mit seiner Gründung der Nürnberger „Missionsvorbereitungsanstalt“ 1846 wurde Bauer, zu dessen Freundeskreis Gottlieb von Tucher (1798–1877), ein Onkel Hegels sowie seiner Braut und Patenonkel von Bauers zweitältestem Sohn, gehörte, zum engsten Vertrauten und Mitarbeiter Wilhelm Löhes (1808–1872), des Gründers der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, wo auch Hegels und Susettes Tante Sophia Maria Luise (1802– 1857) lebte. Theologisch war Bauer tief geprägt von der Erweckungsbewegung und vom Pietismus unter entschiedenem Rückgriff auf Martin Luthers Bekenntnisschriften und mit großem Interesse an dogmatischen Fragen.
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tag in Simmelsdorf zu begehen und unsere kirchliche Einsegnung in Helena zu feiern, ist auch mir immer sehr reizend und fast poetisch erschienen; auch war davon, wenn Du Dich erinnerst, schon zwischen uns und mit der lieben Mutter einmal vorübergehend die Rede, wobei auf die Schwierigkeiten der Ausführung gleichfalls hingedeutet wurde; eine nähere Erörterung des Gegenstandes erschien uns jedoch noch zu früh, zumal wir auch über die Jahreszeit, den Monat unserer Hochzeitsfeier, noch im Ungewissen waren. Wenn wir hierüber erst im Reinen sind, wollen wir auf diesen unseren Lieblingsgedanken zurückkommen, und ich bin gewiß, daß der Vater, wenn irgend möglich, unserem Wunsche gern entgegenkommen wird. – Rührend ist es wirklich, daß mehrere von unseren lieben Verwandten, um die wir uns so wenig bekümmert haben, doch so viel Antheil an unserem Glücke bezeigen – so der alte Onkel Karl, die Tante Sophie. Die letztere, wenn sie gekommen wäre, hätten wir wohl etwas fürchten müssen, wegen der scharfen Controle, womit sie die Liebenden zu verfolgen p egt – unsere gute Lina wußte davon Manches zu sagen. Tante Sophie und ich, wir lieben uns ohne Zweifel recht sehr, aber am besten – in einer gewissen Entfernung. – Den lieben ehrwürdig[en ...] grüße mir herzlichst. Ich danke Kiesern für seine freundliche Absicht, mit den zurückgelassenen [...] meiner zu gedenken. Du wirst es übrigens erst ordentlich ausspülen lassen, denn ich scheue mich wirklich, mir derwegen des schlechten unpassenden Inhalts, den Du darin gefunden und den ich allerdings, wie Du zart entschuldigend andeutest, nur um Raum zu gewinnen um den Krug vorm Zerbrechen zu schützen, hineingethan habe. – In der Lehre vom Du = Ich scheinst Du, mein süßes Liebchen, erhebliche Fortschritte zu machen – zu meiner Freude: bald muß ich fürchten, von Dir überholt zu werden, so schön hast Du sie begriffen: darum bist Du mit Recht fröhlich und heiter, denn die Trennung wird Dir nun nicht mehr schwer, da Du meiner Liebe und der bevorstehenden Vereinigung mit mir so gewiß bist; die Freude über die Gewißheit unserer Liebe muß den Schmerz der kurzen Trennung weit überwiegen. –
Einsegnung in Helena Einsegnung in der selbständigen evangelisch-lutherischen Pfarrkirche im nördlich von Simmelsdorf gelegenen Dorf Sankt Helena, das unter dem Patronat der Familie Tucher von Simmelsdorf stand. der alte Onkel Karl Um welchen Karl von Tucher es sich handelt, ließ sich nicht eindeutig klären. Tante Sophie Gemeint ist wohl die in Neuendettelsau im von Pfarrer Wilhelm Löhe (1808– 1872) gegründeten Diakonissenhaus lebende Sophia Maria Luise von Tucher (1802–1857), die jüngere Schwester von Hegels Mutter und Susettes Vater. [...] Text ganz oder teilweise zerstört.
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Wo magst Du jetzt eben sein, womit beschäftigt? Es ist Freitag Nachmittag 4 Uhr, der Himmel trübe, der Schnee fällt in dichteren Flocken; meine Wohnung liegt in einer ziemlich engen Straße, der Blick zum Fenster hinaus ist daher beschränkt und gibt nur wenig Abwechslung. Ich könnte, nun am dritten Tage meiner Einsamkeit, melancholisch werden, wenn mich nicht Dein liebes Bild erheiterte und die Aussicht auf mein künftiges Glück mir immer wieder neuen, unversiegenden Trost zubrächte. Bekümmere Dich aber nur nicht meinetwegen, mein Liebchen; bis Du diesen Brief liesest, bin ich schon wieder von meiner Gefangenschaft befreit und im erheiternden Verkehr mit den Menschen. Schreibe mir, ob Dein Husten wieder ganz verschwunden ist. Grüße die lieben Eltern und Geschwister. Von den meinigen kann ich Dir diesmal nichts schreiben, da ich noch keinen Brief von ihnen erhalten habe, woran die Schuld wohl an mir liegt, da ich selbst erst vor wenigen Tagen geschrieben. Manuel war in einer üblen Noth, daß er keine Wohnung zu Ostern für sich nden konnte, wobei sein Augenmerk zugleich darauf gerichtet war, ob er vielleicht eine Wohnung mit der lieben Mutter gemeinschaftlich beziehen könnte. – Lebe wohl, meine theure Geliebte und mein trostreicher Engel. Gott wolle Dich ferner behüten! Ewig Dein Karl. Nr. 12 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher Rostock, 21.–26. Januar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 21. Januar. Mein liebes Susettchen! Nach 4tägigem Stubenarrest bei Fasten, Kasteien und Einsamkeit bin ich seit gestern wieder wohl auf und munter und im guten Zuge: ich fühle mich sogar erfrischt und in besserer Spannung als vorher; auch macht uns eine kurze nothgedrungene Entsagung schon dankbarer für alle guten Früchte der Gesundheit, die wir sonst genießen, aber wenig in Anschlag bringen, weil wir an die Möglichkeit sie entbehren zu müssen nicht denken. Mein Unwohlsein wurde außer Hause erst weiter bekannt, als es schon beinahe wieder vorüber war, und so erhielt ich die Besuche von Freunden nur nachträglich. – Der erste Ausgang, den ich gestern machte, war in einer unsrer häuslichen Angelegenheiten, und zwar in einer Hauptangelegenheit, nämlich um die Frau Prof. Becker, meine erfahrene Freundin, zu bitten sich nach einem Mädchen zu erkundigen, welches auf schon getroffene vorgängige Einleitung sich bei mir zum Dienst gemeldet hatte. Die Erkundigung wurde sofort eingezogen und da sie ein hinlänglich befriedigendes Resultat über die bisherige Führung des Mädchens ergab
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und Lisette – das ist ihr Name – mir auch übrigens ganz wohl ge el, so habe ich die Sache sogleich zum Abschluß gebracht und unser Dienstmädchen, Köchin usw. heute morgen gemiethet. Lisette hat bereits 6½ Jahre bei einer hiesigen ordentlichen Herrschaft und dann noch 1 Jahr bei einer andren gedient, versteht das Kochen, Waschen, Plätten und was sonstige häusliche Verrichtungen sind: sie ist 25 Jahr alt, sieht gesund und kräftig aus und hat einen offenen gutmüthigen Ausdruck; das Zeugniß der Ehrlichkeit ist ihr gegeben; sie mache auch nicht viel Ansprüche für ihre Person, nur sei sie allerdings etwas dreist und müsse deshalb kurz im Zügel gehalten werden; endlich habe sie auch einen Bräutigam, dem aber von der früheren Herrschaft der Zutritt zum Hause durchaus verweigert worden. Ich ging von der Betrachtung aus, daß wir ein in der Kochkunst u. häuslichen Geschäften schon geübtes Mädchen brauchten, bis Du Dich in die hiesige Art der Haushaltung gefunden haben würdest. Daß ein solches Mädchen mit einem gewissen Bewußtsein über ihre Geschicklichkeit einige Dreistigkeit verbindet, liegt in der Natur der Sache, so sehr, daß das Gegentheil eine seltene Ausnahme wäre. Doch glaube ich, daß Du schon die rechte Behandlungsweise nden wirst, um mit unsrer Lisette auszukommen; auch habe ich ihr zum voraus mit bedeutendem Nachdruck einzuschärfen gesucht, daß sie sich vor allem freundlich, bescheidentlich und gehorsam gegen Dich zu verhalten habe, weil sonst kein gutes Einvernehmen u. dauerndes Verhältniß zwischen uns möglich wäre, und sie hat mir das Beste versprochen. Was den Bräutigam betrifft, so ist ein solcher hier zu Lande besser als keiner: denn ein Mädchen (ich verstehe ein Dienstmädchen), was einen solchen erst sucht, bringt größere Unbequemlichkeiten mit sich, als was ihn schon hat. Selbst Bräutigam erklärte ich mich auch zu größerer Milde bereit als die vorige Herrschaft, so daß ich der Lisette gern zugestand, daß sie den ihrigen am Sonntag Nachmittag, wenn sie nicht ausginge, auch zu Hause bei sich sehen dürfte. Bei meinen Vorhaltungen nahm ich mir in manchen Stücken den trefflichen Meister beim Uli zum Vorbild, indem ich ebenso zur eigenen Einsicht des Mädchens zu sprechen, als sein Vertrauen zu erwecken suchte. Und wenn wir diesen Weg mit richtigem Takte weiter verfolgen, so glaube ich, daß sein Naturell von der Art ist, daß wir mit ihm wohl auskommen dürften. Für die Zeit von Ostern an, wo Lisette ihre bisherige Herrschaft verläßt, bis zu unserer [fol. 1v] Ankunft in unserem Hause habe ich ausgemacht, daß sie unterdessen ihre Mutter in dem unweit gelegenen Städtchen Sülz besucht. Lisette Dienstmädchen für den zukünftigen Haushalt Hegels und Susanna Maria von Tuchers in Rostock. Meister beim Uli Der deutsch-reformierte Schweizer Schriftsteller Albert Bitzius (1797– 1854) hat unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf u. a. 1841 den Roman „Wie Uli, der Knecht, glücklich wird. Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute“ publiziert, erschienen in: Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius), Uli der Knecht. In der ursprünglichen Gestalt mit Worterklärungen hrsg. und eingeleitet von Ferdinand Vetter, Leipzig 1887. Bei einem Meister, dem Bauern Johannes, ging Uli als Knecht in die Lehre. Sülz Mecklenburgische Landstadt, östlich von Rostock gelegen.
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So, mein liebes Herzens Susettchen, wären wir also mit Wohnung und Mädchen versorgt; bleibt noch übrig das Mobiliar und sonstige Einrichtung. Über das erstere habe ich auch noch an meine liebe Mutter [geschrieben], worauf ich heute eine eingehende Antwort mit mehreren abweichenden Vorschlägen empfangen. Ich sehe nun schon, daß es mir zu weitläu g wird, Alles oder das Meiste, wie ich dachte, hier an Ort und Stelle zu besorgen, wobei ich zugleich Gefahr laufe, nicht alles so zweckmäßig, wie es wohl wünschenswerh wäre, auszurichten. Deshalb komme ich nun wieder auf meinen ersten Plan zurück, das Meiste in Berlin anzuschaffen, wobei sowohl Deine Auswahl als auch der Rath der lieben Mutter, Manuels und Friederikens zugezogen werden kann. Der in diesem Fall nöthige Möbelwagen wird uns ohnehin nicht viel theurer kommen als der Frachttransport der jedenfalls von Berlin und Nürnberg herzuschaffenden Ausstattungssachen; und ein Berliner Möbelwagen ist groß genug, um Alles miteinander aufzunehmen. 22. Januar. Wir haben heute eine entsetzliche Kälte, schlimmer als sie den ganzen Winter über noch war. Man erinnert sich hier kaum eines so scharfen und lang andauernden Winters. Wie mag es Dir dabei gehen, mein liebes Susettchen? Halte Dich nur immer gut warm, wenn Du ausgehst, damit Du Dich nicht wieder erkältest. – Die liebe Mutter schreibt mir, daß ihr die Ausfahrt zur Taufe zwar nicht schlecht bekommen sei, daß sie aber doch jetzt wieder an Rheumatismus an ihrem kranken Bein leide und fortwährend im Bette liegen müsse. Der Kleine hat die Namen der beiden Großväter Wilhelm (von meinem l[ieben] Vater) und Eduard (von Flottwell) erhalten und wird den ersteren Namen als Vornamen führen. Pathen waren die l[iebe] Klitzing, Clara und Trinkler; für Clara vertrat ihr Bruder Theodor und für Trinkler der alte Freund Flottwells u. Manuels, Skalley, die Pathenstellen. Der treffliche Prediger
Clara Clara (Klara) Flottwell (1825–1912), Schwester Friederike Hegels und Schwägerin Immanuel und Karl Hegels; später zweite Gemahlin Immanuel Hegels. Trinkler Theodor Trinkler († 1871), verwitweter Ehemann Auguste Flottwells (1816– 1844), der ältesten Tochter Eduard Flottwells aus zweiter Ehe mit Auguste Schultz, geb. Lüdecke, war nach Tätigkeiten an Berliner Schulen von 1834 bis 1843 als promovierter Gymnasiallehrer Mitglied des Lehrerkollegiums des 1834 in Posen gegründeten Friedrich-WilhelmGymnasiums gewesen, wurde 1836 Oberlehrer und 1842 Professor. Ab 1843 war er – zuständig für die Realschulen – Regierungs- und Schulrat im Provinzial-Schul-Kollegium und in der Regierung zu Magdeburg und starb als Geheimer Regierungsrat. Theodor Theodor Flottwell (1821–1887), ältester Sohn Eduard Flottwells aus zweiter Ehe. Skalley Eugen Friedrich Reinhold Skalley (1785–1867), Jurist, Geheimer Regierungsrat, Geheimer Ober nanzrat, 1848 Vortragender Rat im Königlich Preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in Berlin und beauftragt mit den Direktionsgeschäften der Abteilung für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1855 dort Ministerialdirektor.
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Büchsel hat eine schöne Taufrede gehalten; nachher speisten sie zusammen zu Mittag. Manuel hat nun auch endlich eine passende Wohnung unweit von der l[ieben] Mutter, die ihre Wohnung gern behält, gefunden: sie ist zwar weiter von der Stadt entfernt als die bisherige, aber hat dafür gleichfalls den Vorzug der gesunderen Luft und der Nähe des Freien, da auch noch ein Garten zum Verweilen für die Kinder am Hause ist. – Die liebe Mutter verlangt nach Nachrichten von Euch, von Dir und scheint nicht bloß mit dem, was durch meine Vermittlung zu ihr kommt, zufrieden zu sein. Wenn Du mal ein freies Stündchen hast, so sei zu gut und schreibe ihr wieder; Du machst ihr damit eine unendliche Freude auf ihrem Krankenbette, da sie Dich wie ihr Kind im Herzen trägt. Sie hat mir auch ein Paar Zeilen von Fanny zugeschickt, die bei dem Briefe an Xeller für mich anlagen: Fanny spricht darin ihre herzliche innige Theilnahme für mein Glück aus, auf eine Weise, die mich wahrhaft gerührt hat; sage ihr dafür gelegentlich meinen innigsten Dank. Heute Mittag habe ich den Geburtstag der lieben Frau Stannius in einer kleinen Gesellschaft von Freunden bei ihrer Mutter, der verw[itweten] Frau Vicepräsident Fromm, mit gefeiert. Doch konnten wir bei der heillosen physischen Kälte kaum recht warm werden, [fol. 2r] ungeachtet es am feurigen Wein nicht fehlte. Da die Männer Karten zu spielen an ngen, ging ich nach Hause, um an Dich, mein holdes Liebchen, zu schreiben. Wie blickst Du mich so treu und so gut aus Deinem vor mir liegenden Bilde an! 25. Jan. Heute morgen schon, mein wonniges Liebchen, hoffte ich einen neuen Liebesboten von Dir zu empfangen; aber die Posten sind diesmal nicht mit seinen Flügeln gegangen, und er hat durch seine Wärme Eis u. Schnee, die sie vielleicht im Laufe gehemmt, nicht zu schmelzen vermocht. Doch hoffe ich, kommt er vielleicht noch heute Abend spät oder morgen früh, der Ersehnte! – Du wirst mich fragen, meine theuerste Geliebte: was hast Du inzwischen getrieben, mein Karl, da ich eine Lücke in Deinem Tagebuch bemerke? – Ach ja! mein Tagebuch ist lückenhaft, wie mein ganzes Sein, aber es geht jetzt ein beständiger Faden hindurch, der nicht unterbrochen wird, das ist, die süße Erinnerung an Dich, mein himmlisches Menschenkind, und die Sehnsucht, Dich zu besitzen. Das ist das Licht, welches meine Tage erhellt und meine Stimmung immerfort fröhlich macht; denn auch das sehnliche Verlangen ist nicht von der Art, daß es peinigt und quält, sondern es wird überwogen von der frohen Gewißheit, daß Du mir angehörst und in nicht ferner Zeit mit mir verbunden sein wirst. So freue ich mich über den Schatz, den ich gefunden oder vielmehr den mir Gott geschenkt hat, Büchsel Karl Albert Ludwig Büchsel (1803–1889) wurde 1846 erster Pfarrer der neuerrichteten evangelisch-lutherischen St.-Matthäus-Kirche (St. Matthäi-Kirche) in Berlin. Xeller Johann Christian Xeller (1784–1872), Maler und Restaurator, von dem u. a. ein nicht mehr erhaltenes Gemälde Georg Wilhelm Friedrich Hegels stammt, nach dem Friedrich Wilhelm Bollinger (1777–1825) einen berühmten Kupferstich des Philosophen gefertigt hat (Heidelberg 1819).
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der mir lieber ist als alles Gold der Erde, da er ein Leben voll Harmonie, voll Glück und seliger Befriedigung für mich enthält. – Über meine und unsere nächsten Aussichten, mein theures Susettchen, kann ich Dir nun schon bestimmter NB. unter uns – mittheilen, daß ich nach Erfurt werde gewählt werden, nachdem ich mich doch endlich auf eine Reihe dieserhalb an mich ergangener Anfragen entschlossen habe, eine solche Wahl anzunehmen und lieber die in unsere Kammer fallen zu lassen. Hauptsächlich die neueste Wendung der Dinge, wodurch unsere Verfassung u. gesammter Rechtszustand wieder durch die Frankfurter Bundescommission bedroht wird und ein Schutz dagegen nur in dem zu Erfurt zu schaffenden Bundesstaat zu nden ist, die wichtige Aufgabe, welche demnach auf dem Reichstag auch für uns erst zu erledigen ist, ehe wir an die weitere Entwicklung unsrer neuen Institutionen gehen können, endlich die Aufforderungen, die aus den 4 Wahlkreisen wegen meiner Wahl an mich gelangten, brachten mich zu dieser Entscheidung. Die Wahlen werden am 31. Jan[uar] statt nden und wirst Du in meinem nächsten [Brief ] das Weitere darüber erfahren. Indessen vernimmt man aus den Zeitungen, daß der Reichstag in Erfurt vorläu g auf den 20. März angesetzt worden; ich denke nicht, daß er länger als den April hindurch dauern soll, da alle Stimmführer darüber einverstanden sind, daß man den Verfassungsentwurf ohne weiteres annehmen müsse, wenn überhaupt aus der Sache etwas zu Stande kommen soll: und meiner Seits wäre ich nicht gesonnen länger dabei zu bleiben. – 26. Jan. Dein lieber Brief, mein Herzens Susettchen, ist heute morgen erst eingetroffen, obgleich Du mir ihn schon für gestern gegönnt hattest: nach dem Postzeichen auf dem Couvert war er jedoch erst zwischen 4 u. 5 Uhr Nachm[ittags] in Nürnberg auf die Post gekommen. – Deine wiederholte Versicherung, mein herzliebster Schatz, daß Du mein bist, bewegt mir wiederum das Herz im tiefsten Grunde mit voller Freudigkeit, und ich kann sie nicht oft genug hören. – Das Mendelsohn'sche Lied, welches Dir so wohl gefallen hat und wovon Du mir den Anfang mittheilst, ist das rechte: Du wirst mir eine große Freude machen, wenn Du mir es das nächste Mal, wenn ich komme – Frankfurter Bundescommission In der am 30. September 1849 vereinbarten, bis zum 1. Mai 1850 befristeten interimistischen Frankfurter Bundeszentralkommission übten Preußen und Österreich die Provisorische Zentralgewalt des Deutschen Reiches von 1848 aus. 4 Wahlkreisen Im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin wurden die Abgeordneten für das Erfurter Unionsparlament in fünf Wahlbezirken (Wahlkreisen) gewählt: 1. Ludwigslust, 2. Wismar, 3. Schwerin, 4. Rostock, 5. Güstrow. Aufforderungen zur Kandidatur ergingen an Hegel aus den Wahlbezirken 2 bis 5. Verfassungsentwurf Erfurter Verfassungsentwurf. Mendelsohn'sche Lied Das von Susette angesprochene Lied Felix Mendelssohn Bartholdys (1809–1847) kann innerhalb des reichen Liedschaffens des Komponisten nicht identi ziert werden.
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im Frühling wird es sein, denk' ich – vorspielen willst; seine liebliche Zartheit, womit das Hervorquellen und innere Drängen der zum frischen Wachsthum neu belebten Natur ausgedrückt ist, hat auch Dich, wie ich sehe, sogleich sehr angezogen; und ich werde es gewiß von Dir, mein süßes Lieb, noch lieber hören, als von meiner liebenswürdigen Freundin Thöl, weil es dann doch noch durch andere Emp ndungen erhöht sein wird. Auch möchte ich noch um etwas mehr bitten, nämlich [fol. 2v] um ein Paar Lieder von Deiner süßen Stimme, welche bis zum Frühling sei gewiß wieder klar und rein sein wird. – Daß es mit meiner Gesundheit wieder ganz gut, habe ich schon oben gemeldet, und bin ich nun auch über Dein Be nden vollkommen beruhigt. Was das Ausgehen betrifft, wovon Du mir abräthst, so ist es mir so sehr Bedürfniß, daß ich mich nicht recht frisch be nde, wenn ich nicht täglich eine Stunde spazieren gehe, was ich daher nur höchst selten unterlasse. Mit Kälte u. Schnee scheint es hier auch noch nicht so schlimm bei uns gewesen zu sein als bei Euch: der Schnee bedeckt eben nur die Erde, die Kälte aber ist am 22. [Januar], wo sie den höchsten Grad erreichte, doch nicht über 16 Grad gestiegen. Die Nähe der See mildert bei uns Hitze wie Kälte, nur die scharfen Winde sind dem, der noch nicht daran gewohnt ist, emp ndlich. – Über meine Wahl-Aussichten, wonach Du Dich erkundigst, habe ich Dir schon geschrieben; ich füge noch hinzu, daß ich, da mir Anträge von vielen Seiten zugleich zugekommen, mich für den Schweriner Wahlkreis zur Wahl nach Erfurt entschieden habe, da mir meine dortigen Freunde am meisten entgegenkommendes Vertrauen bewiesen, so daß ich ihnen den meisten Dank schuldig geworden bin: übrigens habe ich von den Demokraten, welche mit aller Macht gegen die Erfurter Wahlen arbeiten und eifern, schlechten Dank zu erwarten für die Annahme einer solchen Wahl, was mich jedoch so wenig stört, als ich auch bisher immer nur zu ihrem Undank mich bemüht habe, um dafür einigen Dank von den Besten zu gewinnen. – Mit Deinen Bemerkungen zu dem die Möbel-Anschaffungen betreffenden Plan bin ich vollkommen einverstanden, wie Du auch schon aus dem oben Gesagten ersehen haben wirst: ich werde mich damit begnügen, nur die auch von Dir bezeichneten Gegenstände hier und in Doberan zu bestellen; in den meisten Punkten sind Deine Bemerkungen auch mit denen meiner lieben Mutter zusammengetroffen, namentlich was den Überzug der gepolsterten Sachen betrifft, wozu sie gleichfalls braunen Plüsch empfohlen hat; wir werden das also zusammen in Berlin einkaufen: die Mutter räth, so gut und solide zu kaufen wie möglich, was mir auch ganz recht ist. Was die Küchengeräthschaften anbetrifft, so könnten wir auch davon Vieles in Berlin kaufen, namentlich das Geschirr von Kupfer und Zinn, was dort viel billiger als hier ist; desgleichen das Tischservice, wozu mir doch das Berliner Gesundheitsgeschirr (das Porzellan ist zu theuer) noch mehr empfohlen wird, als Freundin Thöl Elise Thöl, geb. Lewenhagen (1814–1872), war mit Professor Johann Heinrich Thöl verheiratet. Berliner Gesundheitsgeschirr Die zunehmende Verbreitung von Porzellan im Bürgertum seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert veranlaßte die Königliche Porzellan-Manufaktur
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die hiesige englische Fayence. Das geringere Küchengeschirr läßt sich hier am besten auf dem P ngstmarkt einkaufen und würde ich damit zu seiner Zeit etwa die Frau Prof. Karsten beauftragen. Meint aber Deine liebe Mutter sich doch auch in Correspondenz mit einer meiner hiesigen Freundinnen deshalb setzen zu müssen, so würde ich dazu die Schwäbin, Frau Prof. Bruns, vorschlagen, welche die Verschiedenheit hiesiger von der süddeutschen Einrichtung am besten zu beurtheilen versteht und gleichfalls eine sehr verständige Hausfrau ist: auch würde sie zu jeder Auskunft sehr gern bereit sein; das Einkaufen könnte sie aber der Frau Prof. Karsten, als einheimischer Mecklenburgerin, besser überlassen. Nun muß ich Dir für dies Mal Lebewohl sagen, mein herziges Menschenkindchen, indem ich Dich nur noch bitte, die lieben Eltern und Geschwister tausend Mal von mir zu grüßen. Bei der lieben Lina, die ich gleichfalls von ganzem Herzen grüße, geht doch hoffentlich alles wohl? – Hast Du Deine Uhr noch nicht wieder bekommen? – ich werde sogleich Manuel daran erinnern; es wäre kein Wunder, wenn er sie über allen seinen vielen Obliegenheiten vergessen hätte, obgleich er selten etwas vergißt, der brave Manuel! – Möge Gott Dich behüten, meine traute Susette. In aller Wege Dein Karl. Nr. 13 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 30. Januar–3. Februar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] 30. Jan. Meine süße und liebe Susette! erschrick nicht über das neue Format, welches ich für den Augenblick nur darum gewählt, weil ich nicht mehr Briefpapier, als diesen hal(KPM) Berlin – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen –, die technischen Möglichkeiten zur Herstellung eines minderwertigeren und folglich preiswerteren porzellanartigen Geschirrs ohne Bleiglasur („Hygiocerames“ in Frankreich) zum täglichen Gebrauch auch in ärmeren Bevölkerungsschichten zu nutzen. Dieses „Gesundheitsgeschirr“ sollte nach und nach eine Alternative zum gesundheitsschädlichen bleiglasierten Tongeschirr werden und wurde ab 1818 in einem Berliner Tochterbetrieb der KPM hergestellt, in der Königlichen GesundheitsgeschirrManufaktur (KGM). P ngstmarkt Eine seit 1390 jährlich zu P ngsten von Kaufleuten veranstaltete Waren- und Handelsmesse in Rostock. Frau Prof. Karsten Theodora Karsten, geb. Berg, war mit Professor Hermann Karsten verheiratet. Frau Prof. Bruns Charlotte Bruns, geb. Gmelin, war mit Professor Karl Georg Bruns verheiratet.
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ben Bogen, im Augenblick zur Hand habe. Mein Gewissen überhäufte mich aber mit Vorwürfen, daß ich über so vielen anderen Geschäften die Hauptangelegenheit meines Herzens, Dir meine Liebe kund zu geben, seit mehreren Tagen hintangestellt habe. Es drängen sich in diesen Tagen neben meiner wissenschaftlichen Thätigkeit die zeitraubenden Conferenzen und Correspondenzen in Wahl- und anderen öffentlichen Angelegenheiten, denen ich mich nun einmal nicht entziehen kann; weil wir die Hände nicht in den Schoß legen dürfen, wenn die Widersacher, unserer Ansicht nach, zum allgemeinen Verderben unermüdlich arbeiten. Und auf unserer Seite sind weniger in der Lage, wenn sie auch sonst die Fähigkeit u. den Willen hätten, sich den öffentlichen Angelegenheiten zu widmen, weil sie meist mit Berufsgeschäften überhäuft sind, während die Gegner nichts zu thun u. nichts zu versäumen haben, wenn sie ihre Agitation fortsetzen. Bei uns kommt jetzt alles darauf an, daß wir eine vernünftige Kammer durch die Wahlen zusammenbringen, wovon mehr oder weniger nicht bloß die Fortbildung, sondern auch die Existenz unsrer neuen, von so vielen Seiten gefährdeten Verfassung abhängt. Ich werde die Aufgabe haben, dieselbe außerhalb zu vertheidigen, und es fehlt mir dazu weder an Muth noch an der Überzeugung von der Gerechtigkeit meiner Sache: wollte ich davon zurückstehen, meiner persönlichen Wünsche u. Angelegenheiten wegen, so würden noch manche Andere den Muth verlieren oder gleichfalls ihrer Bequemlichkeit folgen. Das wirst auch Du nicht wünschen und wollen, mein edles Susettchen, daß Dein Geliebter dem öffentlichen Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird, nicht sollte mit Ehren entsprechen! Ich bin vielmehr vollkommen von Dir überzeugt, daß Du mich auf dieser Bahn, selbst mit persönlichem Opfer, wenn es nöthig wäre, wirst unterstützen, und als meine treueste Gefährtin mit vorangehen. Das Gute und Rechte zu thun, wozu einem Gelegenheit und Aufforderung wird, soll man nicht versäumen und die nach eigener [fol. 1v] Willkür vorgesetzten Zwecke nicht höher achten als die notwendige Aufgabe, welche das Leben und die von uns unabhängigen Verhältnisse bieten. Morgen ist der Wahltag für die Erfurter Wahlen. Ich bin hier in Rostock Wahlmann, und in Schwerin u. Wismar als Wahlcandidat öffentlich aufgestellt. Um die voraussichtliche Doppelwahl zu vermeiden, habe ich den Schwerinern geschrieben, daß ich ihre Wahl annehmen würde, den Wismaranern aber, daß ich mich bereits für den andern Wahlkreis entschieden hätte. Die Wahlkreise umfassen jeder 105 bis 106 Tausend Seelen; die Wahl wird durch je 150 Wahlmänner in jedem Kreise, deren für das ganze Land 5 sind, vollzogen: die Wahl der Wahlmänner hat bereits am 26. d[ieses Monats] nach den drei Steuerclassen stattgefunden, allerdings nur bei geringer BetheiMorgen ist der Wahltag für die Erfurter Wahlen Am 31. Januar 1850 wählten die Wahlmänner, die am 26. Januar von den wahlberechtigten Bürgern gewählt worden waren, die Abgeordneten zum „Volkshaus“ des Erfurter Unionsparlaments; die Mitglieder des „Staatenhauses“ wurden von den Einzelstaaten ernannt. Wahl [...] nach den drei Steuerclassen Dreiklassenwahlrecht (nach preußischem Vorbild aus
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ligung besonders der niedern Volksclasse; da sich sowohl die demokratische Partei wie der renitente Theil der Ritterschaft, der freilich nicht zahlreich ist, von den Wahlen fern hielten. 31. Jan. Mein geliebtes Susettchen! Heute morgen haben wir hier unsere Wahlschlacht geliefert, in die sich viel widerwärtiges Intrigenwesen einmischte, da der eine Wahlcandidat Oberappellationsrath Kierulff, der schon in der Nationalversammlung in Frankfurt gewesen, selbst unter den hiesigen Wahlmännern war und die meisten Rostocker Wahlmänner gegen sich hatte, weil man seinem Charakter nicht vertraut, während andere sich bei den von auswärts kommenden Wahlmännern für seine Wahl bemühten, und diesen letzteren gelang es erst in der zweiten Abstimmung ihn mit einer Mehrheit von wenigen Stimmen durchzubringen. So eben ½10 Uhr Abends erhalte ich gleichzeitig 4 Briefe von Schwerin, worin mir der Wahlcommissarius und 3 meiner dortigen Freunde zu meiner Wahl Glück wünschen, wobei gleich in der ersten Abstimmung sämmtliche erschienenen 125 Wahlmänner einstimmig auf mich gewählt haben. Dies ist ein so unerwartet glänzendes Resultat, daß ich mich dadurch nicht bloß überrascht, sondern beinahe beschämt fühle, weil ich nicht weiß, ob ich im Stande bin, ein so großes Vertrauen zu rechtfertigen. [fol. 2r] Jedenfalls nde ich darin den schönsten Lohn für meine bisherige politische Wirksamkeit, da selbst die Anerkennung, die mir von Seiten unserer Regierung zu theil geworden ist, weniger freiwillig und uneigennützig ist, als die von Männern, die ich zum größten Theil nicht einmal kenne, die weder persönlichen Dank noch Hülfe oder Unterstützung von mir zu erwarten haben und die mir ihr einstimmiges Vertrauen entgegenbringen zu einer schwierigen Aufgabe, deren Umfang sich noch gar nicht übersehen läßt, und zu einer öffentlichen Stellung, die unserem ganzen Lande gegenüber eine große und schwere Verantwortlichkeit in sich trägt. – Nun, mein theuerstes Susettchen, ich denke, Du wirst Dich mit mir darüber freuen und der Zukunft, gleich wie ich, getrosten Muthes entgegensehen.
dem Jahr 1849), das die Wähler in drei Abteilungen (Klassen) gemäß ihrer individuellen Steuerleistung einteilte und die Vermögenden begünstigte. demokratische Partei Auf der linken Seite des politischen Spektrums stehend. Ritterschaft Die Ritterschaft Mecklenburg-Schwerins setzte sich aus den Inhabern der landtagsfähigen Rittergüter zusammen, unter denen sich auch Vertreter des Bürgertums als deren Eigentümer be nden konnten. Kierulff Johann Friedrich Martin Kierulff (1806–1894), Jurist und Politiker, 1842/43 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock, ab 1843 Oberappellationsgerichtsrat, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments, 1852/53 Vizepräsident des mecklenburgischen Oberappellationsgerichts in Rostock, von 1853 bis 1879 Präsident des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts der vier Freien Städte des Deutschen Bundes in Lübeck.
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1. Febr. Ich lege hier die Nachricht der heutigen Mecklenb[urgischen] Zeitung über meine Wahl bei, weil ich denke, daß sie Dich, meine theure Geliebte, interessieren dürfte. 3. Febr. Heute morgen, am Sonntage, meine liebe gute Susette, ist Dein Brief hier eingetroffen, der mich wegen so vieler Beweise Deiner Liebe wahrhaft gerührt hat. Du, liebe Seele, warst am Arm gelähmt, u. möchtest mich nicht einmal durch die Mittheilung von Deinem Unwohlsein betrüben, und gehst sogar so weit, selbst meinen Egoismus schonen zu wollen, als ob ich befürchten könnte, in Dir eine kränkliche Frau zu bekommen. Weißt oder bedenkst Du nicht, Susettchen, daß solcher Egoismus keine Schonung verdiente, weil er wenig Liebe bewiese? – Doch lassen wir das – Sophiechens Einfall gefällt mir ausnehmend und erregt in mir den lebhaftesten Wunsch, daß ich meinen Arm um Deine Schultern legen und Dich ans Herz drücken könnte, um Dich vor allen rauhen Winden und Stürmen des Lebens zu beschützen! Inzwischen ist hoffentlich das Leiden, welches recht peinlich und hemmend gewesen sein muß, da es Dich wie am Schreiben auch an vielen andern Geschäften verhindert haben wird, jetzt vorüber, und ich darf das um so mehr annehmen, da Du zum Schluß Deines Briefs wesentlich nur in der Taufe bei Lina den Grund ndest, weshalb Deine Fahrt nach Donauwörth unterbleiben wird. Doch ist es mir eine Beruhigung, daß Du zu Hause bleibst, wenn ich Dir gleich die Freude von Herzen gegönnt hätte, die liebe Thekla wiederzusehen. Also heute ist die Taufe der kleinen Luise! ich bin mit meinen [fol. 2v] Gedanken dabei und grüße den lieben Täufling, indem ich den lieben Eltern Gottes Segen wünsche zu seinem wahren Glück u. Wohlergehen! – Also am 3. März soll nun schon Kiesers u. Augustens Hochzeit sein! Wie gern wäre ich als Zeuge dabei! aber glaubst Du, Susettchen, daß ich es sein möchte, ohne zugleich die unsrige mitzufeiern? Nein, so weit geht meine Uneigennützigkeit doch nicht: das könnte ich nicht ertragen! Nun sage mir, mein Herzensmädchen, wie es da mit der Hausschenke zu halten ist, dergleichen bei Euch üblich? Könnten wir beide vielleicht etwas zusammen geben – aber was dann? Rathe mir, mein Frauchen! oder wenn Du Sophiechen Sophie Maria von Tucher (1839–1871), Schwester Susettes und Cousine Hegels. peinlich schmerzlich. die liebe Thekla Tante Thekla (von Gemmingen-Steinegg), 2. Ehefrau Gottlieb Sigmund von Tuchers sowie Schwägerin der Mutter Hegels und des Vaters Susanne von Tuchers. Luise Maria Luise Karoline von Grundherr (*1850). Kiesers u. Augustens Hochzeit Auguste Meyer (1830–1912), Tochter des Diplomaten und Schriftstellers Guido Meyer (1798–1869) und Sophie Maria Friederike von Tuchers (1800– 1863), einer Tante Susettes und Hegels, heiratete Heinrich Kieser (1813–1893). Das Ehepaar wohnte in Nürnberg (XI. Distrikt der Sebalder Seite), Theresienplatz, Haus-Nr. 757, einem Haus der Freiherr von Tucherschen Familie. Für Kieser war es die zweite Ehe, nachdem seine erste Frau, Adelheid Mittnacht (1819–1847), in Nürnberg gestorben war. Hausschenke Hochzeitsgabe.
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für Deine Person vermöge der elterlichen Vertretung davon dispensirt bist, so rathe mir dennoch, mein Liebchen! Zum voraus gebe ich Dir unbedingte Vollmacht, über mein ganzes Vermögen zu disponiren – also schaffe auch ohne weiteres an, was Du für gut u. passend hältst. Einstweilen grüße Beide von Deinem Liebsten u. sage, daß ich es Ihnen, trotz des Zuvorkommens, gönne, was viel sagen will und nur in Rücksicht auf meine besondere Zuneigung für Kieser u. Augusten der Fall ist. Leider hast Du Dich diesmal in Deinen durch das längere Ausbleiben meines Briefs (den Grund habe ich angegeben) erregten Erwartungen getäuscht, mein liebes Susettchen! Ich wünsche sehr, daß sie seitdem, wenn auch nicht ganz, doch theilweise möchten in Erfüllung gegangen sein, denn Manuel wird gewiß nicht unterlassen haben, Dir die Uhr zu schicken, worum ich ihn noch einmal ausdrücklich gebeten habe: schreibe mir doch ja, ob Du sie erhalten hast. – Über die Erfurter Wahlen muß ich noch hinzufügen, daß nun auch Beseler statt meiner in Wismar gewählt worden ist, nachdem ich dort abgelehnt hatte: und es ist mir wahrhaft erfreulich, daß ich so an zwei Punkten mit ihm zusammengetroffen bin, und mich auf solche Weise mit meinem alten Freunde wieder zusammen nde. Du fragst, ob ich glaube, daß das Erfurter Parlament schon bis zum 1. Mai, bis zum Ablauf des Interims, sein Ende nde? Das nicht gerade, aber doch wohl vor dem letzten Termin des Drei Königsbundes bis zum 1. Juni. Es kann aber sein, daß der Bund erneuert wird u. daß es doch länger dauert; es kann auch sein, daß ich es viel früher verlasse, wenn ich zur Überzeugung kommen sollte, daß ich dort weder für Deutschland noch für Mecklenburg etwas nützen kann – und dieser letzte Fall ist mir im Augenblick der wahrscheinlichste. – Jedenfalls besorge nicht, daß meine Ungeduld unser Interim lange ertragen wird! Ich umarme Dich u. grüße Dich tausend Mal. Lebe wohl, himmlisches Menschenkind, lebe wohl, meine theure Herzensgeliebte! Immer u. ewig Dein Karl. Interim Nach Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich über die Beendigung der Amtsstellung der von der Frankfurter Nationalversammlung am 28. Juni 1848 eingerichteten Funktion des Reichsverwesers und über die Übernahme der Reichszentralgewalt durch eine interimistische Bundeszentralkommission kam es am 30. September 1849 zu einer entsprechenden „Übereinkunft“, der Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) als Reichsverweser am 6. Oktober zustimmte. Er legte sein Amt am 20. Dezember 1849 nieder, und seine staatsoberhauptlichen Aufgaben übernahm bis zum 1. Mai 1850 die interimistische Bundeszentralkommission. Drei Königsbundes Angesichts der Gefährdungen der inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands schlossen die drei Könige von Preußen, Sachsen und Hannover am 26. Mai 1849 in Berlin ein Bündnis zu deren Abwendung. Den Gliedern des Deutschen Bundes wurde die Möglichkeit des Beitritts zu dem unter der Oberleitung Preußens stehenden Bund eingeräumt, der bis zum 1. Juni 1850 befristet war. Die Könige von Bayern und Württemberg hatten zwar an den Berliner Verhandlungen ab 17. Mai 1849 teilgenommen, aber das Bündnis nicht unterzeichnet.
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Nr. 14 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 9.–10. Februar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] 9. Februar. Mein liebes Susettchen! Es drängt mich ein inneres Sehnen und Verlangen zu Dir, nachdem ich mehrere Tage verhindert war, an Dich zu schreiben. Was mich verhinderte, waren vielerlei Correspondenzen, mündliche Verhandlungen und dergleichen Nebengeschäfte; auch war ich zwei Mal mit Freunden zusammen, Stannius u. Leist – Abends, wo ich Dir zu schreiben p ege; ferner habe ich ein Sendschreiben an meine Wähler in Betreff meiner Vertretung in Erfurt drucken lassen, was ich Dir schicken möchte; endlich fanden unsere ersten Wahlen d. h. die eines Drittels der Abgeordneten für Schwerin statt. Das sind so meine Nebengeschäfte gewesen, meine theuerste Geliebte, die mich Dir entzogen haben – entzogen, nicht in der Treue meines Herzens, aber in der brieflichen Mittheilung. Glaube mir, vielgeliebstes Susettchen, daß Du, und meine Vereinigung mit Dir, mir so im Sinne liegt, daß mein ganzer gegenwärtiger Zustand mir überall nur als ein provisorischer erscheint, aus dem ich so bald wie möglich herauskommen möchte ins De nitivum. Und ich beschäftige mich oft mit Plänen und Möglichkeiten, wie sich der Sache am schnellsten ein Ende machen ließe! – Bald denke ich, Dich sofort von Nürnb[er]g mit nach Erfurt zu nehmen oder von Erfurt aus Dich abzuholen, wenn es dort länger dauern sollte, als ich erwarte – ich könnte 14 Tage Urlaub dazu nehmen u. Dich, als meine herrlichste Errungenschaft des Erfurter Parlaments, dorthin zurückbringen: wie viel Interessantes würdest Du da sehen und hören! aber zuvor müßte ich dort eine gemüthliche Wohnung für uns Beide gefunden haben u. gewiß sein, daß ich noch Zeit genug übrig behielte, mich Dir zu widmen, um Dich nicht den ganzen Tag in der Einsamkeit, d. h. Trennung von mir, lassen zu müssen, was für uns Beide unerträglich wäre – und was so alles meine unnützen vor iegenden Gedanken sind, über die für jetzt noch zu gar keinem Schluß zu kommen ist. Sendschreiben Das „Sendschreiben“ liegt dem Brief nicht mehr bei. Es erschien – an die Öffentlichkeit gerichtet – mit dem Datum „Rostock, den 3. Februar 1850“ unter der Überschrift „Offenes Sendschreiben an die Wahlmänner des III. Wahlkreises für die Abgeordnetenwahl zum Volkshause des Erfurter Parlaments“ als ganzseitige „Beilage zu Nr. 32 der Mecklenburgischen Zeitung. Schwerin, Donnerstag, den 7. Februar 1850, Abends.“ Darin legte Hegel – für seine Wahl dankend – seine politischen Vorstellungen für seine Tätigkeit in Erfurt dar, die das Ziel verfolgten, einen (klein-)deutschen Bundesstaat auf konstitutioneller Grundlage zu errichten. Die Zeitungsbeilage ist abgedruckt in: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 142f., Abb. VII/12.
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Übrigens bin ich froh, daß ich die Wahl nach Erfurt angenommen habe, um nicht nach Schwerin als Abgeordneter zu gehen: denn das erste Drittel der Wahlen, an welchen freilich nur die unteren Schichten des Volks Theil nahmen (die welche unter einem gewissen Betrag steuern), ist so abscheulich schlecht ausgefallen, daß ich mich schämen würde, mit einem zum Theil so schmutzigen Gesindel zusammenzusitzen oder gar mich herumzuzanken, daß ich den Ekel nicht ertragen würde, die hohlen oder nichtswürdigen Reden dieser Leute alle Tage hören zu müssen, wovon ich schon im vorigen Jahre übersatt geworden bin. Es kann sich sogar so schlecht gestalten, daß diese demokratische Partei, deren Anhang in städtischen Arbeitern, kleinen Handwerkern u. hauptsächlich in den ländlichen Tagelöhnern besteht, die Oberhand in der Kammer gewinnt – wenn sie nur noch bei einem Theil der übrigen Wahlen, die freilich mehr von den vermögenden Klassen abhängen, durchdringen: und dann würde eine Auflösung der Kammer und wohl auch der Erlaß eines neuen Wahlgesetzes nothwendig sein, um nur das Land u. die Verfassung zu retten. Vielleicht gelingt es dem Erfurter Parlament, durch allgemeine Satzungen in den kleineren [fol. 1v] Staaten, die sich an Preußen anlehnen, eine feste Ordnung herzustellen; dazu würde ich mit Freuden mit helfen! 10. Febr. Mein süßes Liebchen! Heute morgen überraschte mich Dein liebes Briefchen, aus welchem ich ersehe, wie vielfach sich unsere Gedanken begegnen. Aber ich erschrak über die Verschlimmerung Deines rheumatischen Übels, welches Dich nun gar bettlägerig gemacht hat, und Du schreibst mir auch nicht einmal, nachdem Du dieses am 3. gemeldet, ob es seitdem besser geworden ist, und ich muß aus Deinem Stillschweigen darüber leider vermuthen, daß dies nicht der Fall ist, weil Du es sonst wohl zu meiner Beruhigung erwähnt hättest. Schreibe mir ja nur recht offen und vollständig darüber, damit ich klar sehe u. mir keine unnützen Sorgen mache; verheimliche mir nichts, mein liebes Susettchen, was Dich betrifft; ich darf es bei unserer Liebe verlangen, an Allem, was Dich freut oder was Du leidest, was Dich bekümmert, Theil zu nehmen, und Du würdest meiner Liebe nicht ihr vollständiges Recht gewähren, wenn Du aus falscher Schonung für mich, mir etwas verheimlichen wolltest. Es wird nöthig sein, liebes Susettchen, daß Du auf Deine Gesundheit etwas mehr achtest und nicht zu viel auf sie vertrauest. Ich bemerkte schon damals zu Weihnachten, daß Du zu leicht gekleidet gingest, in einem dünnen Mäntelchen bei aller Kälte: laß Dir ja dies Mäntelchen ordentlich wattiren, oder zieh ein Tuch darunter an; sonst ist es fast gar nicht anders möglich, bei Euren heißen Stuben, als daß Du, wenn Du in die Kälte hinausgehst, Dich erkälten mußt. Warte nur, Susettchen, wenn ich Dich erst habe – ich will Dich gehörig einpacken! Heute nun – es ist Sonntag – hoffe ich, wirst Du bei Linen zur Taufe sein, und ich trage meine herzlichen Glückwünsche dazu abermals nach. – Wegen des Hochzeitsgeschenks für Kieser erwarte ich Deine Vorschläge: was sagst Du zu einem hübschen
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geschliffenen Trinkglas, in Form eines großen Weinglases, mit meinem Namenszuge? ich würde das wie eine Erwiderung auf seinen Bierhumpen behandeln u. damit die Aussicht auf eine Revanche abschneiden – oder es könnte auch eine hübsche große Caffetasse sein, etwa mit einem Deckel, worauf meine Anfangsbuchstaben C. H. in Gold aufzubringen wären. Beim Bierhumpen fällt mir ein, daß ich mir zur Ausstattung noch ein paar Biergläser in Nürnb[er]g anschaffen werde, so wie sie dort in den Bierstuben üblich sind, von dickem Glas mit runden Vertiefungen – denn ich habe meinen hiesigen Freunden versprochen, daß ich Sie mit Nürnb[er]ger Bier tractiren will, u. ist es meine Absicht, mir ein Fäßchen davon zur Zeit, wo die Versendung am besten geschehen kann, kommen zu lassen. Darüber wird Kieser am besten Bescheid geben können u. vielleicht ist er auch so gut, die Besorgung zu übernehmen – er weiß, wo gutes Bier zu haben ist! – nur müßte ich dagegen gesichert sein, daß er mir nicht etwa ein Geschenk damit machen will, u. würde ich deshalb Deinen lieben Vater bitten, die Auslage für mich einstweilen zu übernehmen: es versteht sich, daß das Bier erst getrunken wird, wenn Du als liebenswürdigste Nürnberger Wirthin u. Hausfrau bei mir bist. [fol. 2r] Vor meiner Abreise nach Erfurt werde ich hier meinen Umzug bewerkstelligen u. die nöthigen Anordnungen treffen, daß ich vor unserer Hochzeit nicht noch einmal hierher zu kommen brauche: es kommt mir dabei zu statten, daß die obere neu aufgebaute Etage ganz leer steht, so daß ich alle meine Sachen dorthin stellen kann. Indessen wird der Herd umgesetzt u. die neuen Öfen: Frau Karsten kann das Küchengeschirr d. h. das irdene auf dem P ngstmarkt einkaufen; die bestellten Möbel für Küche, Mädchenstube u. d[er]gl[eichen] werden bis dahin ebenfalls fertig sein, das andere bringen wir von Berlin mit. – Über das Be nden meiner lieben Mutter hat mir Manuel noch nichts Tröstliches geschrieben; sie liegt viel zu Bette, da sie auch an Rheumatismus leidet, und ist oft sehr trübe gestimmt, wenn sie an die kommenden Tage u. ein lang fortgesetztes Leiden denkt. Hoffentlich wird ihr das Frühjahr im Genuß der frischen Luft Linderung bringen. Daß Manuel in ihre Nähe zieht, habe ich Dir, glaube ich, schon geschrieben – auch das wird ihr tröstlich sein. Wie leid thut es mir, liebes Susettchen, daß Du die Uhr noch nicht wieder hast; ich weiß nicht, woran es liegt, habe Manuel daran erinnert. Nun, meine Vielgeliebte, muß ich schließen, ehe die Seite zu Ende ist: man wartet auf mich mit Ungeduld. Grüße Deine lieben Eltern u. Geschwister, schreibe mir zu Anfang u. zu Ende Deines Briefs, wie es Dir geht, ob Deine Gedanken fröhlich oder traurig sind: wir müssen Alles mit einander theilen, hörst Du, mein Susettchen! In inniger Liebe Dein Karl.
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NB. Damit Du statt eines längeren Briefes noch etwas von mir zu lesen hast, will ich Dir mein „Sendschreiben“ beilegen, wenn auch das Porto dadurch etwas vertheuert wird. Nr. 15 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 13.–17. Februar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 13. Febr. Mein geliebtes Susettchen! Wie ist es mir lieber gewesen, daß die Zeit so schnell vergeht, als jetzt; ja ich wünschte ihr noch raschere Flügel, damit sie mich noch geschwinder zu dem Ziele meiner gegenwärtigen Wünsche, zur Vereinigung mit Dir, führen möchte. Mein Leben ohne Dich ist nur halb, kalt, ohne wahre Freude und innere Befriedigung. Es besteht nur in der P icht und in der Gewohnheit der Arbeit; der Ehrgeiz, der mich früher trieb und nicht zur Ruhe kommen ließ, hat sich sehr ermäßigt: auch die Ehre, wo sie mir zu Theil wird, macht mir wenig Freude, wenn es mir auch sehr unlieb wäre, sie entbehren zu müssen; sie dürfte nicht fehlen, aber sie giebt keine positive Befriedigung. Nur die Liebe kann mir wahre Lebensfreude gewähren, und das Leben in der innigen Gemeinschaft mit Dir wird mir erst mein eigenes innerstes Selbst erschließen. – Auf diese Gedanken komme ich in der Erinnerung an den gestrigen Abend, von dem ich Dir schreiben wollte. Ich war mit ein Paar Freunden, Stannius, dem Engländer Samson und Frau (diese ist eine Rostockerin) bei Bruns. Die Unterhaltung war sehr angeregt und wir blieben über Mitternacht beisammen. Ein Jeder fühlte sich in dem kleinen gemüthlichen Circel so angesprochen, daß Jeder mit seinem Herzen und seinen Gedanken mehr herausging als sonst: es war vom Schwärmen und von der Liebe die Rede, aber mehr als wie von einem Vergangenen, worüber Jeder seine allgemeinen Erfahrungen mittheilte. Meinestheils fühlte ich dabei recht den Unterschied meiner früheren und gegenwärtigen Emp ndungen. Ich konnte durchaus nicht sagen – verzeih liebe Susette – daß ich jetzt schwärme, aber ich liebe: das ist etwas ganz Anderes, nicht wahr? meine innigst Geliebte. Man verliert sich dann nicht mehr in sehnsüchtigen Gefühlen und Träumen, die zwar der Phantasie schmeicheln und sie beschäftigen, aber eine innere Leere des Gemüths zum Grunde und noch mehr zur Folge haben. Sondern die Liebe ist ihres wirklichen Besitzes gewiß und, statt in das Weite und Unbestimmte hinauszuschweifen, schließt sie sich ab auf den geliebten Gegenstand, in welchem sie ihre ganze Erfüllung ndet. So gedachte ich Deiner gestern, mein liebes Susettchen, und wünschte Dich von ganzem Herzen zu mir in diesen Kreis liebens-
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würdiger Menschen, deren verschiedene Eigenschaften und Charaktere sich passend ergänzten. Stannius war besonders aufgeräumt, pikant und scharf nach seiner Art, die Schwäbin immer freundlich u. liebevoll, wußte ihn doch öfter treffend zu parieren; Frau Samson ist sehr gescheut, oft witzig, aber immer unbefangen und angenehm, Herr Samson ein schweigsamer liebenswürdiger Mann, Bruns heiter und gemüthlich – endlich ich, Dein Geliebter, hatte gestern, wie öfter, die Aufgabe, Stannius' Urtheile mit der besten Manier auf das richtige Maß zurückzuführen. 16. Febr. Von der lieben Mutter und Manuel habe ich Briefe erhalten, worin sie mir berichten, warum Deine Uhr so lange ausgeblieben und warum das, was Dir noch zugedacht war, nicht zu Stande gekommen ist. Zugleich erfahre ich, daß die liebe Mutter auch an Dich, mein Susettchen, geschrieben hat, und so wirst Du nun schon wissen, daß es leider mit ihrem Be nden immer noch recht traurig geht, woran ich nur mit großer Betrübniß denken kann. Doch ist es ein Trost, daß wenigstens ihr Kopf frei und daher auch ihre Stimmung weniger gedrückt ist, wenngleich ihr die Aussicht [fol. 1v] auf die Zukunft bisweilen recht trübe erscheint. Ich setze meine Hoffnung auf den Gebrauch eines wirksamen Bades, wie etwa Teplitz, das unserer seligen Großmutter in ähnlichem Fall so gut gethan hat, und bitte nur Gott, daß die liebe Mutter so weit erstarken möge, um eine Reise ins Bad unternehmen zu können. Manuel schreibt, daß Böhm, ihr Arzt, wenig Hoffnung giebt zur baldigen Besserung. – Manuels politische Mittheilungen bestätigen die Erwartung, daß auf dem Erfurter Parlamente der Verfassungsentwurf des drei König Bündnisses unverändert zur Annahme werde vorgelegt werden, indem nur noch in Rücksicht auf die einstweilige Unvollständigkeit des Bundesstaats provisorische Bestimmungen hinzukommen sollen. Unter dieser Voraussetzung kann das Parlament nur sehr kurz dauern, da weitere Ausführungsgesetze vor der vorgenommenen Revision nicht wohl berathen werden können; die Revision aber bleibt dem künftigen Parlamente vorbehalten. Teplitz Bekanntes Heilbad, südlich von Dresden am Südhang des Erzgebirges in Nordböhmen gelegen, dessen Thermalquellen gegen Rheumatismus helfen sollten. unserer seligen Großmutter Susanna Maria von Tucher, geb. von Haller (1769–1832). Böhm Ludwig Böhm (1811–1869), Arzt, 1841 Privatdozent an der Berliner Universität, Assistent an der Dieffenbachschen Klinik in Berlin (benannt nach dem Chirurgen Johann Friedrich Dieffenbach [1792–1847]), 1845 außerordentlicher Professor, Adoptivsohn Johannes Schulzes (1786–1869), Hegels väterlichem Freund, ab 1849 Direktor der Unterrichtsabteilung im preußischen Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Verfassungsentwurf des drei König Bündnisses Der Verfassungsentwurf datiert vom 28. Mai 1849, folgte der „Paulskirchenverfassung“ vom 28. März 1849 und formulierte in § 1: „Das Deutsche Reich besteht aus dem Gebiete derjenigen Staaten des bisherigen Deutschen Bundes, welche die Reichsverfassung anerkennen. Die Festsetzung des Verhältnisses Oesterreichs zu dem Deutschen Reiche bleibt gegenseitiger Verständigung vorbehalten.“
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Zu den Anordnungen, welche ich hier noch vor meiner Abreise nach Erfurt in Mitte März treffen will, gehört auch die vorgängige Beschaffung derjenigen Documente, welche bei unserer Verbindung von Seiten der bairischen, bürgerlichen oder kirchlichen, Behörde verlangt werden möchten, worüber ich Deinem lieben Vater ein paar Worte in Einlage schreiben will. – Einiges Hausgeräthe habe ich bei zwei hiesigen Tischlern bestellt, welches bis vor meiner Abreise gleichfalls fertig wird: die zwei egalen Kleiderschränke für uns beide, von weichem Holz aber hübsch angestrichen, gedenke ich auch hier machen zu lassen, und ebenso auch den Weißzeugschrank, der wohl ebenso groß wie ein Kleiderschrank sein muß und mit einer Reihe von Fächern zum Lagern der Wäsche versehen – nicht wahr? mein Susettchen; – schreibe mir doch, wenn Du dabei noch etwas Besonderes wünschest und will ich mit dieser Bestellung noch bis zu Deinem nächsten Brief warten. – Ich habe Dir wohl schon geschrieben, daß es nicht meine Absicht ist, ohne Dich, meine theure Geliebte, noch einmal von Erfurt hierher zu kommen. Gestern Abend war ich in einer jener großen Soireen, welche hier regelmäßig in einigen Privathäusern des Winters, außer den zahlreichen öffentlichen Bällen u. Gesellschaften, statt nden. Es war ein sogen[annter] tanzender Thee, wie der unsinnige französische Ausdruck heißt, bei dem die Jugend die Nacht hindurch tanzt, die Mütter zusehen, die Männer rauchen u. Karten spielen oder, sich langweilend, herumstehen. Um Mitternacht wird an einer Reihe von Tafeln gegessen und gegen 2 Uhr geht das Tanzen wieder an u. dauert bisweilen bis 5 Uhr Morgens. – Diese Gesellschaften sind mir so widerwärtig, daß ich sie am liebsten ganz vermeide; wenn ich aber nicht umhin kann, eine Einladung der Art anzunehmen, wie gestern die von dem Advocaten Dr. Bolten, der mir derhalb vorher einen feierlichen Besuch machte, so ergeht es mir dann nach Umständen sehr verschieden. Sicher ist nur, daß ich nicht [fol. 2r] tanze, was ich schon viel früher unterließ, als da es sich den Jahren nach von selbst verstand; denn wenn ich sonst ein großer Freund von jeder Art körperlicher Bewegung war und noch bin, wenn ich nacheinander das Schwimmen, Turnen, Fechten, Reiten mit Leidenschaft getrieben habe, so war ich doch zum Tanzen immer nur unlustig und Einlage Fehlt im überlieferten Brief. Weißzeugschrank Schrank für weiße Wäsche und Textilien aus unterschiedlichen Materialien. Soireen Private Abendgesellschaften mit gemeinsamen gesellschaftlichen Aktivitäten: Musizieren, Tanzen, Theaterspiel, Lektüre, Karten- und Gesellschaftsspiel, Gesprächen, Essen und Trinken. tanzender Thee „Thé dansant“ war eine mit Tanzvergnügungen verbundene Abend- und Nachtgesellschaft. Dr. Bolten Carl Alexander Bolten (1805–1899) ließ sich nach seinem Jura-Studium an den Universitäten Rostock und Göttingen 1829 in Rostock als Rechtsanwalt nieder und wurde 1887 in Anerkennung seines „langen gemeinnützigen Wirkens für die Stadt“ mit der Ehrenbürgerschaft geehrt.
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ungeschickt – nur der Contretanz gelang mir ehemals wohl. Also was mache ich in besagten Soireen? Ich heule mit den Wölfen, rauche eine Cigarre und spiele ein paar Robber Whist bis zu Tisch commandirt wird, wo man sich mit den Damen unterhält, während eine Reihe von Speisen und Getränken vorübergeführt wird. Dann freue ich mich, wenn's zum Aufbruch kommt, und lasse tanzen, was tanzen will, um ins Bett zu fahren, was gestern oder vielmehr heute erst um 2 Uhr geschah. – Die Gesellschaft bestand aus circa 100 Personen und die Bewirthung geschah mit ungeheurem Aufwand, so daß ein in dergleichen Dingen Erfahrener die Kosten mindestens auf 200 Thaler berechnete. – Das ist wohl gewiß, mein liebes Susettchen, daß wir solche Gesellschaften niemals geben werden, selbst nicht, wenn wir die Mittel dazu hätten, da sie doch im Grunde nur eine sehr rohe Art und Weise der Geselligkeit vorstellen. 17. Febr. Heute morgen stelltest Du Dich, mein süßes Susettchen, wieder als mein liebster Sonntagsgast ein. Wie freue ich mich, daß Du durch Deinen lahmen Arm doch nicht länger auf die Stube gebannt warst, daß Du bei der Taufe zugegen sein konntest, wo Dich Linchens Kleiner so ganz nach meinem Geschmack, wie ein Liebesbote, begrüßte, daß Du sogar eine Maskerade besucht hast, wo Du mir zu Liebe der natürlichen Eitelkeit so wenig einräumtest, um in der Gestalt eines alten Mütterchens selbst Deine Tanzlust zu überwinden. Liebes Susettchen! Du bist ein heroischer Engel! Was mich betrifft, so gestehe ich meine menschliche Schwäche, daß ich es kaum ertragen hätte, Dich in solcher Verkleidung zu sehen; dennoch danke ich Dir für den neuen Beweis Deiner Liebe, den Du mir durch Deine Enthaltsamkeit geben wolltest. Du weißt aber auch, daß ich nicht pedantisch bin, und so wird es mich recht sehr freuen, wenn Du bei der bevorstehenden Hochzeit eine passende Gelegenheit nden solltest, auch wieder ein bischen Tanzlust zu genießen – denn ich glaube nicht, daß Du sonst noch viel dazu kommen wirst. – Schone nur ja recht Deinen Arm, damit kein hartnäckiges Übel daraus entsteht, wie es bei dieser Art Rheumatismus öfter geschieht. Ob nicht kalte Waschungen das Beste dafür wären? Vergiß bei Leibe nicht in Deinem nächsten [Brief ] zu schreiben, wie es damit steht. Es ist mir recht peinlich, daß Du so lange schon gehemmt warst. Über das Hochzeitgeschenk sind wir nun wohl einig, wenn Dir mein Vorschlag – also entweder ein Trinkglas in der Form eines Pokals, aber nicht schwerfällig, damit es Contretanz Unter Beachtung bestimmter Tanz guren von vier Paaren ausgeführter Gesellschaftstanz. Robber Whist „Whist“ ist ein in England entstandenes Kartenspiel für vier Personen, das aus mindestens zwei Partien (= ein Robber) besteht; es ist ein Vorläufer des Bridge-Spiels. Linchens Kleiner Benedikt (Benno) Karl Friedrich von Grundherr (1848–1909), Sohn Friedrich Karl Alexanders von Grundherr (1818–1908) und seiner Frau Karoline (Linchen, Lina), geb. von Schwarz (1826–1896), mit dem ersten Vornamen nach dem Großvater väterlicherseits benannt.
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für den gewöhnlichen Gebrauch gern benutzt wird, oder eine schöne Caffetasse – lieber jedoch das erstere u., wenn es sein kann, mit meinem Namenszuge: wenn Du aber nichts Anständiges u. Geschmackvolles der Art ndest, so wähle nach Deinem Geschmack das Bessere – Du kannst gern 7–10 Gulden dran wenden – und überreiche es ihm dann in meinem Namen mit meinem innigen Glückwunsch und der Versicherung meiner aufrichtigen Freundschaft. – Grüße Deine theuerste Mutter (an den l[ieben] Vater ist das Beiliegende gerichtet) u. die lieben Geschwister. Grüße auch die lieben Großeltern, Friedrich und Lina, meine Theuren, die liebe Tante Fritz und Angehörigen, insbesondere die liebe Auguste, der ich zu ihrem Hochzeitsfeste allen Segen des Himmels wünsche – vergiß nicht zu schreiben, was für Nachrichten von O[nkel] Benoit eingegangen sind u. wo er sich gegenwärtig be ndet – grüße mir auch die liebe Tante Beyerlein, die sich so freundlich gegen uns bewiesen hat, und endlich, mein einziges Susettchen, grüße ich Dich von ganzer Seele, als meine innigst Geliebte, Dein Karl. Nr. 16 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 20.–25. Februar 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 20. Febr. Meine geliebte Susette! Gestern war Dein Namenstag, da Du doch eigentlich eine Susanna (zu deutsch: Rose) bist. Daß es Dein Namenstag war, habe ich heute erst gesehen; aber es bedurfte nicht dieser Veranlassung, um gestern wie heute und alle Tage Großeltern Susettes Großeltern mütterlicherseits waren Georg Christoph Karl von Grundherr (1777–1867) und seine Frau Anna (1774–1857). Tante Fritz Sophia Maria Friederike von Meyer, geb. von Tucher. O[nkel] Benoit Benoit (Georg Christoph Benedict von Schwarz) (1801–1876), Vater Linas von Grundherr. Tante Beyerlein Cousine und Jugendfreundin der Mutter Susettes: Maria Karolina Sophia Wilhelmina Beyerlein (Bayerlein), geb. von Furtenbach (1800–1878), die 1821 den Rittmeister und späteren Major der Cavallerie, Wilhelm Georg Bayerlein (1784–1839) geheiratet hat; die Ehe wurde 1838 geschieden. Ihre Mutter stammte wie Susettes Mutter aus der Nürnberger Patrizierfamilie von Grundherr. Dein Namenstag Der 19. Februar (1850) ist der Namenstag für die Trägerinnen des ungarischen Vornamens Zsuzsanna (Susanna).
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an Dich zu denken und Dich zu lieben. Doch habe ich gestern auf Deine Gesundheit angestoßen, weil meine Freunde wohl wissen, daß sie mich damit erfreuen, wenn sie nur Deinen Namen nennen – in einer Mittagsgesellschaft bei dem Engländer Samsum, dessen Geburtstag war. Ich hatte eine schöne Nachbarin zur Seite, die Frau eines Gutsbesitzers Namens Stever, die aber meine Gedanken so wenig von Dir abzuziehen vermochte, daß mir meine süße Geliebte, bei der Vergleichung mit der eitlen und hohlen Schale, nur im allervortheilhaftesten Lichte erschien. Übrigens kannte ich sie auch schon vor ihrer Verheirathung und sie wurde mir gerühmt als eine sehr reiche Parthie, und schön war sie ohne Zweifel: aber sie kam mir auch damals schon vor wie ein bloßes Futteral, und sie hat es mit Verdruß bemerkt, daß sie nicht den geringsten Eindruck auf mich machte. Jetzt ist sie seit zwei Jahren verheirathet, schwimmt in der Üppigkeit des von beiden Seiten zusammengebrachten Reichthums und ist doch nicht befriedigt, denn zum wirklichen Glück fehlt ihr, gleich wie ihrem Manne, die innere Möglichkeit. 22. Febr. Heute Freitag wird hier zu Lande ein Buß- u. Bettag gefeiert. Ich besuchte den Gottesdienst in der schönen Marienkirche, wo mein College Krabbe die Predigt hielt. Er sprach mit Wärme u. Innigkeit u. Nachdruck von der Buße und der versöhnenden göttlichen Gnade, mit manchem Seitenblick auf die herrschende Irreligiosität unserer Zeit. In der letzteren Beziehung steht es hier so schlimm wie irgendwo, und ist neben den allgemeinen Gründen, die in der Zeitrichtung liegen, für besonders auch der längere Zeit sehr verwahrloste Zustand unserer Landeskirche daran schuld. Unter den hiesigen Predigern ist außer Krabbe, der aber nur alle 4 Wochen den UniversiSamsum Geburtstag 19. Februar. Stever Heinrich August Stever (1819–1906), Sohn des Rostocker Protonotars Johann Christian Theodor Stever (1779–1849), war von 1838 bis 1892 Besitzer des vom Vater ererbten mecklenburgischen Ritterguts Niekrenz, etwa 20 km östlich von Rostock gelegen. Er war ab 1847/48 mit Magdalene Marie Luise von Nußbaum verheiratet und hatte neun Kinder mit ihr. Buß- und Bettag Vor der 1934 im „Gesetz über die Feiertage“ erfolgten Festlegung eines einzigen Buß- und Bettages als gesetzlicher Feiertag auf den Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr für das gesamte Deutsche Reich gab es in den Ländern unterschiedliche Termine für Buß- und Bettage, im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin zum Beispiel den 22. Februar. Marienkirche Im Stil der Backsteingotik entstand die Rostocker Marienkirche zwischen dem Ende des 13. und der Mitte des 15. Jahrhunderts und wurde im Zuge der Reformation zur evangelisch-lutherischen Hauptkirche der Hansestadt. Landeskirche In der seit der Einführung der Reformation 1523 entstandenden EvangelischLutherischen Landeskirche von Mecklenburg-Schwerin war der Herzog, dann der Großherzog „summus episcopus“. Erst 1850 wurde mit dem Oberkirchenrat in Schwerin eine oberste Kirchenbehörde eingerichtet, die unter der Oberaufsicht der Abteilung für geistliche Angelegenheiten des Justizministeriums stand.
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täts-Gottesdienst hält, kaum Einer, den man mit Erbauung hören kann. Und auch Krabbe befriedigt mich im Ganzen nicht sehr, da es ihm bei allen schätzenswerthen Eigenschaften doch an einer Hauptsache fehlt, an der vielfachen Kenntniß des inneren menschlichen Lebens, welche durchaus nöthig ist, um einer Predigt die rechte Beziehung und praktische Anwendung auf die Gemüther der Zuhörer zu geben. Denn Krabbe ist ein gelehrter Theolog und hat in keiner Weise mit der Seelsorge zu thun: darum bleiben seine Predigten bei den Allgemeinheiten stehen, und wie er selbst davon auch innerlich durchdrungen ist, so weiß er sie doch nicht bei seinen Zuhörern lebendig zu machen; es fehlt so das eigentlich erbauende Element. – Ich denke, meine theuerste Susette, wir werden unsere Erbauungsstunde am Sonntage durch Lesen einer schönen Predigt zu Hause feiern, wenn wir sie in der Kirche nicht nden können, und die Gemeinschaft mit Dir und Deinem frommen Gemüth wird mich besser dazu stimmen, als ein Kirchengesang wie der hier übliche, der kaum zu ertragen ist. – Am Nachmittage war ich bei Frau Bruns, die Dein Bild zu sehen begehrt hatte. Ich brachte ihr das Daguerrotyp, und als sie es gesehen, sagte sie, daß sie sich nun noch viel mehr auf Dich freue. [fol. 1v] Also das Bild ist doch nicht so übel und das Original noch viel liebenswürdiger, was ich aber Andern gegenüber mir nur anzudeuten erlaube, damit sie es selber nden mögen. – Indessen habe ich auch einige Bestellungen von Möbeln hier gemacht, namentlich für zwei gleiche Kleiderschränke und einen Linnenschrank, und Anderes, was ich für mich brauche. Denn ich will auch den hiesigen Handwerkern etwas zu verdienen geben, weil es unbillig wäre, wenn ich ihnen, die auf den Erwerb am Orte angewiesen sind, durch die schwere concurrenz und die Noth der Zeit doppelt leiden, gar nichts zuwenden wollte. 24. Februar. Heute am Sonntag Abend ist es eine süße Gewohnheit für mich, mein liebes Susettchen, Dir auf den Brief zu antworten, den ich zum Morgengruß empfangen. Die ganze Woche über freue ich mich auf diesen Morgengruß von meinem fernen Liebchen, u. wenn er dies mal nicht zur gewohnten Zeit angekommen ist, so denke ich, daß dies wohl seinen guten Grund haben werde und rechne es mir zu gut, daß mir die Freude, ihn zu empfangen, noch vorbehalten ist. –
Daguerrotyp Das von dem französischen Maler Louis Daguerre (1787–1851) in der zweiten Hälfte der 1830er Jahre entwickelte und nach ihm benannte Fotogra e-Verfahren brachte ab 1839 die Daguerreotypie (Hegels Schreibweise verzichtet auf das zweite e) als sehr präzise Abbildung hervor, die mit ihrer schnellen Verbreitung am Anfang der Geschichte der Fotogra e steht und eine große kulturgeschichtliche Bedeutung erlangte. – Vgl. Taf. 2.
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Wenn es bei der früheren Absicht geblieben ist, so wird also heute die Hochzeit von Kieser u. Auguste gefeiert, und gewiß wirst Du dabei sein und mit Deinen Wünschen für das glückliche Paar auch die für unser künftiges Glück verbinden. Mein liebes Susettchen, ich trage Dich in meinem Herzen, denke je länger je mehr an Dich und verlange sehnlichst nach Deiner beständigen Gegenwart. Schreibe mir doch, Susettchen, wie es Dir damit geht u. wie Du an mich denkst, ob weniger, ob mehr – obwohl ich mir's selbst denken kann, so möchte ich es doch von Dir hören. Heute Mittag war ich bei meinem politischen u. sonstigen Freunde Oberappell[ations]rath Trotsche mit mehreren andern Bekannten, Abgeordneten der vorigen Kammer zusammen. Wir sprachen viel über die so eben bekannt gewordenen Wahlen zur nächsten Kammer, welche im Ganzen keine gute Aussicht für deren ersprießliche Wirksamkeit bieten. Die beiden Parteien, die demokratische u. die gemäßigte, halten sich ungefähr das Gleichgewicht u. werden so die Abstimmungen allen Zufälligkeiten preisgeben. Dazu kommt, daß unter den Deputirten der ersten Partei so viel erbärmliche und verächtliche Rabulisten sich be nden, daß das Ansehen der Kammer von vorn herein untergraben ist. Eine Auflösung derselben wird kaum zu vermeiden sein. – An unseren Theologen Delitzsch ist ein Ruf von der Universität Erlangen gekommen, der ihn seit 14 Tagen in schwere und peinliche Zweifel versetzt hat; doch scheint er jetzt entschlossen, den Ruf anzunehmen, den seine dortigen Gesinnungsgenossen u. Freunde in der theologischen Facultät nach langem Kampfe gegen das Oberconsistorium endlich durchgesetzt haben. Ich schätze und achte ihn, wenngleich unsere politischen u. Glaubensansichten wenig zusammenstimmen. – Hast Du Hofmanns seit unserem Besuch nicht wieder gesehen? sind sie nicht einmal bei Euch gewesen? 25. Febr. Mein süßes Liebchen, Dein so eben angekommener Brief entzückt mich u. möchte ich Dir für mein Leben gern jetzt im Augenblick um den Hals fallen u. Dich an mein Herz, in dem Du für immer eine bleibende Stätte gefunden hast, drücken. Sieh' welche vorigen Kammer Die vom 31. Oktober 1848 bis 22. August 1849 bestehende Abgeordnetenkammer Mecklenburg-Schwerins. nächsten Kammer Die vom 27. Februar 1850 bis zu ihrer Auflösung am 1. Juli 1850 tagende Abgeordnetenkammer. Universität Erlangen Die evangelische Theologische Fakultät der 1743 gegründeten Universität Erlangen gewann im 19. Jahrhundert innerhalb des katholisch geprägten Königreichs Bayern als wissenschaftliche Ausbildungsstätte protestantischer Geistlicher für die neue, nach 1806 erst entstehende Bayerische Landeskirche eine besondere Bedeutung. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die „Erlanger Theologie“ durch große Geschlossenheit und Einheitlichkeit im Sinne des „Neuluthertums“ gekennzeichnet. Oberconsistorium Unter dem auch vom katholischen bayerischen König beanspruchten Summepiskopat wurde das Oberkonsistorium zur eigenständigen, dem Innenministerium nachgeordneten Behörde, bestehend aus evangelischen Konsistorialräten und mit einem evangelischen Präsidenten an der Spitze.
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schöne Harmonie [fol. 2r] der Ansichten und Gefühle zwischen uns besteht. Fürwahr, wir sind von Anfang an im Himmel für einander bestimmt gewesen! Gott sei Dank, daß wir uns endlich gefunden haben! es erscheint mir wie eine Vorherbestimmung, aus welcher sich unsere beiderseitigen früheren Lebensschicksale in vieler Hinsicht erklären. Obgleich ich die selige Gewißheit Deiner Liebe habe, mein einziges Susettchen, so kann ich es doch nicht oft genug von Dir hören, daß Du an mich denkst, daß Du mich liebst – ich höre es immer wieder mit erneuter Wonne. – Doch laß uns nun zum Praktischen übergehen. Die Auskunft Deines lieben Vaters auf meine Anfrage ist mir noch nicht bestimmt genug. Ich wünschte zu wissen, ob die Bescheinigung der hiesigen Kirchenbehörde über die hier erfolgte Proclamation (welche Bescheinigung ich mitbringen werde) nicht zum verlangten Ausweis in Baiern darüber dienen könne, daß meiner Verheirathung hier nichts im Wege steht. In der von Dir mitgetheilten Antwort ist hierauf nicht Bezug genommen, dagegen von einer Erlaubniß meiner Regierung, daß ich mich verheirathen u. häuslich niederlassen könne, die Rede. Eine solche Erlaubniß aber brauche ich als angestellter Universitätsprofessor mit Heimathsrecht in Rostock hier wenigstens nicht – es würde sogar sehr auffallend u. sonderbar erscheinen, wenn ich darum nachsuchen sollte, da man eine derartige Bevormundung bei uns gar nicht kennt. Darum wäre es mir lieb, wenn die Bescheinigung der Kirchenbehörde genügen könnte: wenn aber nicht, so möchte ich doch immer nicht unsere Regierung wegen einer Erlaubniß angehen – was hier gar zu unerhört wäre, – sondern mir lieber vom hiesigen Magistrat eine Bescheinigung darüber ausstellen lassen, daß ich hier das Heimat- u. Niederlassungsrecht habe. Denn es handelt sich in der That nur um die Ausübung eines Rechts, welches ich schon durch meine hiesige Anstellung besitze u. bedarf es der bairischen Behörde gegenüber sicherlich nur eines Zeugnisses, wodurch dieses mein Recht zur häuslichen Niederlassung constatirt wird: [dazu] meine ich aber, könne auch schon die Bescheinigung über das erfolgte kirchliche Aufgebot genügen, weil solches Aufgebot gar nicht erfolgen würde, wenn ich das Niederlassungsrecht nicht erlangt hätte oder [besäße]. Auch über Deine liebe Person brauche ich keinerlei Zeugnisse: ich nde hier Glauben genug, daß meine einfache Aussage genügt. Der Pastor meiner Kirche hätte sie bei Annahme des Aufgebots wohl verlangen können, hat es aber nicht für nöthig gehalten. – Also die Sache steht, kurz zusammengefaßt, so: zum Zweck meiner häuslichen Niederlassung u. meiner Verbindung mit Dir, wodurch Du von selbst das mecklenburgische Staatsbürgerrecht u. Heimathsrecht in Rostock gesetzmäßig erwirbst, ist hier bereits alles Nöthige durch die Anordnung der kirchlichen Proclamation geschehen; die Frage ist nur die: ob die Bescheinigung über die hier erfolgte Proclamation nicht auch in Baiern, nachdem die Proclamation auch in DeiDie Auskunft Deines lieben Vaters Karl Hegel hatte am 17. Februar 1850 von Rostock aus an seinen zukünftigen Schwiegervater Sigmund Karl von Tucher geschrieben und die Formalitäten der Eheschließung angesprochen (siehe unten S. 215, Anm. 274).
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ner Kirchengemeinde stattgefunden hat, für die Zulassung unsrer kirchlichen Trauung und Dein Ausscheiden aus dem dortigen Heimatsverbande genügt? – wenn nicht, so will ich mir von dem hiesigen Rath ein Zeugniß darüber ausstellen lassen, daß ich hier das Niederlassungsrecht besitze u. daß Du durch Deine Verheirathung mit mir das Heimatsrecht in Rostock erwirbst. – Diese Stelle meines Briefs wird Dir recht langweilig vorgekommen sein, mein liebes Susettchen – doch sei so gut u. lies sie Deinem lieben Papa, den ich herzlichst grüße, vor. – Die Neuigkeit, womit Dich Euer erbärmlicher „Nürnb[er]ger Correspondent“ erschreckt hat, von wegen einer österreichischen Kriegserklärung, wenn das Erfurter Parlament eröffnet werden sollte, bitte ich Dich einstweilen zu den übrigen Lügen zu stellen, womit derselbe seine alberne Feindschaft gegen Preußen täglich bekundet. Wahrscheinlich hat er damit nur denjenigen Theil in Baiern, dem der Bundesstaat, wie Preußens Macht überhaupt ein Dorn im Auge ist, etwas Erfreuliches berichten wollen. Ehe Österreich gegen Preußen Krieg erklärt, hat es gute Wege, u. wenigstens braucht sich Niemand davor zu fürchten. Auch wir [fol. 2v] beide kehren uns, wie Du mit Recht bemerkst, gewiß nicht daran. – Deine liebe Mutter wünscht die Zimmerhöhe in unsrer künftigen Wohnung zu wissen: sie beträgt vom Fußboden bis zur Decke 9 Fuß 3 Zoll rheinl[ändisch] (etwa 10 Fuß bair[isch], bis zur Hohlkehle, wo die Gardinenstangen be ndlich, 8 Fuß 9 Zoll (einen halben Fuß weniger). Das Maß für die Matraze in der Mädchenbettstelle ist 2 Fuß 6 Zoll rheinl[ändisch] breit und 5 Fuß 9 Zoll lang. Das Rheinländische Maß hat Dein lieber Papa auf seinem Zollstab bezeichnet u. ist der bairische danach leicht zu nden. – Tausend Grüße auch an Deine theuerste Mutter „Nürnb[er]ger Correspondent“ In Nürnberg 1804 aus Adels- und Beamtenkreisen gegründete und dort bis 1889 erschienene Tageszeitung „Der Korrespondent von und für Deutschland“. Die in ihrer Zeit führende Zeitung Nürnbergs verfügte über ein dichtes Nachrichtennetz, war um wachsende Aktualität bemüht, wurde in Adels- und Beamtenkreisen sowie den höheren Gesellschaftsschichten gelesen und galt im Königreich Bayern als regierungsfreundlich und liberal-konservativ. österreichischen Kriegserklärung Hegel bezieht sich wohl auf den Bericht „Deutschland“, in: Der Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 49, Nürnberg, Montag 18. Februar 1850, Beilage, Abend-Ausgabe, S. 389: „Mit dem Herannahen des Erfurter Vereinstages tritt der durch das Interim nur nothdürftig überkleisterte Riß zwischen Oesterreich und Preußen immer entschiedener hervor, und kein Hellsehender kann es sich verhehlen, daß eine Krisis vor der Thüre steht, deren Modalität durch die in Böhmen angehäuften Truppenmassen und die außerordentliche Kreditforderung des preußischen Kriegsministers klar genug angedeutet ist, um sich keinen Illusionen darüber hingeben zu können.“ 9 Fuß 3 Zoll rhein[ländisch] Bei 1 Fuß rheinländisch = 313,8353 Millimeter und 12 Fuß rheinländisch = 144 Zoll rheinländisch ergeben sich 2,903144875 Meter. 10 Fuß bai[risch] Bei 1 Fuß bairisch = 0,291859206 Meter ergeben sich 2,91859206 Meter, also eine Differenz von 15,44 Millimeter zur Messung in rheinländischen Maßen. Hohlkehle Nach innen (negativ) gerundeter Übergang zwischen Wand und Decke eines Zimmers. Zollstab Zollstock.
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u. die lieben Geschwister. An Kieser u. Auguste will ich am 27. gedenken. Nun gehab Dich wohl, meine einzige Susette, mein süßes, geliebtes Menschenkind! Ewig Dein Karl. NB. Das Postzeichen auf Deinem letzten Brief war 3–4 Uhr Nachm[ittag]; daher die Verspätung um einen Tag. Sollte die Schuld nur an den Postbeamten liegen, so wäre sie unverzeihlich – Dir verzeihe ich sie gern. Nr. 17 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 27. Februar–5. März 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 27. Febr. Liebes Susettchen! Heute also ist die Hochzeit von Kieser u. Auguste! Ich bin im Geiste dabei gewesen u. habe ihnen meine Segenswünsche mit auf den Lebensweg gegeben. Ich war mit Stannius zusammen, der als Rector der Universität morgen am Geburtstage unseres Großherzogs die Festrede zu halten hat; wir aßen ein Dutzend Austern u. tranken dazu einige Gläser guten Weins u. er mußte mit mir auf das Wohl des lieben Paares anstoßen, wobei ich nicht umhin konnte, meiner lieben Braut aus vollem Herzen zu gedenken. Liebes Susettchen! Wenn ich Dir nicht schon einmal eine Liebeserklärung gemacht hätte, ich würde Dir heute wiederum eine neue machen: doch ich unterlasse es, weil es, um einen früheren gelegentlichen Ausdruck von Dir zu gebrauchen, weil es „zwecklos“ wäre; obwohl ich ganz in der Stimmung bin, Dir meine Liebe ohne allen weiteren Zweck zu beweisen.
Postzeichen Bei den Briefen Hegels nden sich auf dem Adressenfeld oben rechts der runde Stempel des Absender-Postamtes Rostock und an anderer Stelle ein Auslage-Stempel des Postamtes Hof; auf der Rückseite ndet sich neben dem Siegel der runde Stempel des EmpfängerPostamtes Nürnberg mit Datum und Uhrzeit. Hegel spielt hier offenbar auf Nürnberg als Susettes Absender-Postamt und die Uhrzeit 3–4 Uhr am Nachm[ittag] an. Hegel erhielt Susettes letzten Brief am 25. Februar 1850. Geburtstage unseres Großherzogs Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin wurde am 28. Februar 1823 geboren, wurde also 27 Jahre alt.
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28. [Februar] Meine süße Herzliebste! Heute war ein wundervoller sonniger Frühlingstag: ein zauberischer Schleier, von Duft gewebt, lag über der Landschaft u. dem breiten Strom, der in dem schönsten Hellblau, spiegelglatt, erglänzte. Einzelne Segel, vom sanften Winde getrieben, durchfurchten das Wasser. Auf dem Lande, den Spaziergängen am Strande u. auf dem Wall, war alles belebt von fröhlich lustwandelnden Menschen, im Hafen auf den Schiffen eine emsige Thätigkeit. Dann schon setzen sich diese zur Ausfahrt in Bereitschaft; da werden die Taue u. Strickleitern an den Masten befestigt, manche werden kalfatert u. frisch getheert, die Segel zurecht gemacht – damit Alles bereit sei, wenn die Fracht gefunden ist, und wenn die Wege zur See überall offen geworden sind. Zum Seerobbenfang zwar sind schon einige Schiffe in frühester Zeit nach Grönland aufgebrochen, denn sie durften zu diesem Geschäft nicht länger säumen: die andern aber warten noch der Abfahrt u. der Strom ist frei vom Eise. Zu Ehren des großherzoglichen Geburtstags waren heute auch die Flaggen u. Wimpel in allen Farben der verschiedenen seefahrenden Nationen aufgezogen u. spielten mit dem Winde. Auch unsere Universität feierte den Geburtstag des trefflichen u. geliebten Landesfürsten durch eine Festrede, welche mein Freund Stannius als Rector hielt. Da er Naturforscher ist, so entnahm er den Inhalt u. eigentlichen Gegenstand seines wissenschaftlichen Vortrags aus diesem Gebiet: er sprach über das Nervensystem beim Menschen u. bei den Thieren, insbesondere über das Gehirn, in welchem man beim Menschen den Sitz der Seelenthätigkeiten zu nden gemeint hat, u. zeigte, daß es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der menschlichen Seele u. dem Gehirn oder dem gesammten Nervensystem gebe; streng sich in den Grenzen der Beobachtung haltend, überließ er es Anderen daraus die weiteren Schlußfolgerungen zu ziehen. Es folgt aber daraus, daß auch die strengste empirische Naturforschung in keiner Weise die Meinung derer bestätigt, welche in materialistischer Weise die Seele des Menschen mit seinem Körper entstehen u. vergehen lassen: zwar ist sie in vielfacher Weise gebunden an den Laib, den sie durchdringt u. der ihr zum Träger u. Organ dient, aber ihre eigenthümliche Substanz hat sie nur in sich selbst, in ihrem Selbstbewußtsein, worin sie frei u. unvergänglich ist, u. eine Seele, die liebt, mein Susettchen, hat ihr Dasein zugleich in der anderen Seele, die sich mit ihr vereinigt, u. ruht so auf doppeltem Grunde, zwiefach in sich befestigt. [fol. 1v] 2. März. Mein theures Susettchen! Gestern vollzog unsere Universität ihre neue Rectorwahl für das nächste Jahr: Stannius wurde wieder gewählt u. gab seinen besonders befreundeten kalfatert Das aus der Seemannssprache kommende Verb „kalfatern“ bezeichnet das Abdichten der Fugen eines Schiffes mit geteertem Werg (Abfallfasern der Flachs- und Hanfspinnerei). Rectorwahl Stannius wurde am 1. März 1850 – nach 1849 – ein zweites Mal für ein akademisches Jahr zum Rektor der Universität Rostock gewählt.
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Collegen, Leist, Bruns und mir, darauf ein stattliches Souper, wobei auch die Frauen zugegen waren. Wir waren sehr heiter beisammen u. auch Deiner wurde, wie gewöhnlich, in zarter Weise gedacht. Schon rückt die Zeit heran, wo ich mich zur Abreise nach Erfurt rüsten, meinen Umzug ausführen muß. Die Abreise habe ich vorläu g auf den 14. festgesetzt, um den 15. in Schwerin zu bleiben, am 16. in Berlin einzutreffen u. am 17. den Geburtstag der lieben Mutter persönlich mitzufeiern; worauf ich dann am 18. nach Erfurt abgehen u. daselbst am nämlich[en] Nachmittag ankommen. Eine Wohnung habe ich mir dort schon bestellen lassen. Wie lange ich dort vorläu g bleibe – ein Punkt, der uns Beide sehr nah interessirt – wird auf den Gang der Verhandlungen, so wie auf den ganzen Zustand der Dinge, der jetzt noch gar nicht abzusehen ist, ankommen. Es scheint mir jetzt sehr möglich, daß das vorläu ge Geschäft des Parlaments schon vor dem 1. Mai vollendet sein wird u. daß darauf bis zur vorbehaltenen Revision eine Vertagung eintritt, um die Organisation der Regierungsbehörden des Bundesstaats einzurichten. Was könnte uns dann noch abhalten, mein süßes Susettchen, in so gelegener Zwischenzeit gleichfalls unsern schönen Liebesbund zu einer bleibenden Vereinigung zu gestalten? Dann wollen wir zusammen den Bundesstaat revidiren und nach glücklich vollbrachtem Werk fröhlich in die neue Heimat einziehen; mag aber auch das Werk nicht glücklich zu Stande gekommen sein, so bleibt uns wenigstens unser stilles Glück gewiß! 5. März. Mein süßes Liebchen! Gestern Abend um ½ 10 erhielt ich schon Deinen lieben Brief, aus dem mich der volle Hauch Deiner Liebe anwehte, der mich mit Entzücken voll Dankes gegen Dich u. den Himmel erfüllte. Wie beglückt mich Deine Ungeduld nach meinem Brief, den Du ohne unsere Schuld einen Tag später, als sonst, erhieltest u. den Du erst drei Stunden nach seinem Eintreffen lesen durftest! Deine Freude über den endlichen Empfang desselben hat Dich selbst bei der Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeit, von welcher Du nur eben kamst, kaum einen Augenblick verweilen lassen, so daß ich wirklich fast ganz darum gekommen bin und Dich noch nachträglich um einige nähere Mittheilung über den Hergang bitten muß, um meiner herzlichen Theilnahme daran genug zu thun. Nur die Ankunft der lieben Gäste hast Du mir gemeldet, aber nichts davon, wie u. wo der Tag selbst gefeiert wurde, wer das liebe Paar eingesegnet hat, wie es sich verhielt usw. Ich denke, Du wirst das vielleicht schon im nächsten Brief nachbringen u. dann auch noch ainiges Weitere über die eingegangenen Hausschenken u. was sonst an einem solchen Familienereigniß noch drum u. dran hängt, hinzufügen. Gerne würde ich mir daraus ein Bild oder eine lebendige Vorahnung von unserem Hochzeitstage, der auch Dir dabei vorgeschwebt hat, entnehmen. stattliches Souper Festliches Abendessen. Geburtstag der lieben Mutter Hegels Mutter Maria Helena Susanna, geb. von Tucher, wurde am 17. März 1791 geboren, wurde also 59 Jahre alt.
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Ich habe den Kieserschen Hochzeitstag, wie oben erwähnt ist, schon einen Tag früher, als er wirklich stattfand, in Gedanken mitgefeiert. Doch ist mir nun auch der wirkliche Tag, der 28. Febr., doppelt willkommen, weil er bei weitem der schönste u. lieblichste war von allen, die uns das Jahr bisher noch geschenkt hat: wohl paßte er so recht zu der seligen Gemüthsstimmung, in der ich mir die beiden, die er beglückt hat, denke. – Deines lieben Vaters Brief hat mich recht erfreut u. ich bitte Dich, ihm mit meinem [fol. 2r] herzlichen Gruß auch meinen innigen Dank dafür zu sagen. Wenn ich darin zum Schluß einen wahrhaft väterlich gemeinten Rath angedeutet nde, so stimmt derselbe gewiß auch ganz mit meiner Sinnesweise zusammen. Sei überzeugt, mein liebes Susettchen, daß ich mir am wenigsten in einem unruhigen politischen Treiben gefalle und daß ich mich in dasselbe seit dem März 48 bis zum September vorigen Jahres nur gezwungen durch den Notstand unseres Landes u. den Ruf unserer Regierung begeben habe. Manche wollten damals den Retter des Landes in mir erblicken, weil ich allein es wagte, dem übermächtigen u. überwältigenden Sturm der Zeit mit dem Muthe der Wahrheit Trotz zu bieten, und wenn sie auch meine geringen Verdienste zu hoch angeschlagen haben, so kann ich es doch nicht bereuen, daß ich dem bedrängten Lande, welches meine zweite Heimat geworden ist, alle meine Kräfte eine Zeit lang gewidmet habe, doch meine Neigung, wie mein Talent, gehört meinem wissenschaftlichen Beruf an, und wenn nicht eine ähnliche Aufforderung, wie jene, mich aus demselben herausreißt – was kaum zu erwarten ist, – so werde ich gern allein dabei verweilen und an der gegenwärtigen Politik mich nicht weiter betheiligen, als das ihr nahe verwandte Studium, welches ich mir erwählt habe, mir wünschenswerth oder nöthig erscheinen läßt. Insoweit aber für dieses die lebendige Politik die beste Lehrmeisterin ist, werde ich mich ihr auch künftig nicht entziehen, ohne darum in eine falsche, mir fremde Fährte zu gerathen, welcher ich schon einmal glücklich entgangen bin. Was nun weiter die zärtliche Sorgfalt der bairischen Behörde für ihr theures Landeskind betrifft – und gewiß bist Du ein so liebenswürdiges Kind, daß Baiern und Mecklenburg sich mit Recht um Dich streiten u. daß Mecklenburg, das sich um Deine Papiere so wenig wie um Deine Herkunft bekümmert, Dich kaum zu besitzen verdient! – also mein liebes Susettchen, ich werde noch ein förmliches Attest des hiesigen Magistrats über Deine Aufnahme hierselbst beibringen u. mit Nächstem einsenden, damit auch in Nürnberg unsere kirchliche Proclamation ungesäumt statt nden kann, wie sie hier gestern bereits zum zweiten Male erfolgt ist. Ich suchte wegen des Attestes schon heute einen unserer Bürgermeister auf, der sich über mein Verlangen sehr verwunderte, weil es Niemand hier in den Sinn gekommen wäre, meine künftige liebe
Retter des Landes Offensichtliche Anspielung auf den römischen Ehrentitel „pater patriae“, mit dem zuerst Marcus Tullius Cicero während seines Konsulats im Jahre 63 v. Chr. für die Aufdeckung der Verschwörung Catilinas als „Retter des Vaterlandes“ gefeiert wurde.
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Frau zu beanstanden, aber sich auch sofort bereit erklärte, mir in der nächsten Rathssitzung das verlangte Attest ausstellen zu lassen. Bei Absendung Deiner lieben Briefe dürftest Du wohl in der Post-Expedition sagen lassen, daß man erwarten müsse, wenn die Briefe rechtzeitig abgegeben würden, daß sie auch rechtzeitig u. nicht, unter einem späteren Postzeichen, erst später befördert würden: sonst verdiente die Versäumniß eine ernstliche Rüge wegen Vernachlässigung des Dienstes. Wenn mir das hier passirte, würde ich einen großen Spektakel machen – freilich aber auch erst den Beweis sicher stellen. – Unter den lieben Grüßen, welche mir Dein Brief bringt, vermisse ich einen von Frau Tante Beyerlein, der Du wohl meinen Gruß bestellt hast? Grüße sie wiederum u. die liebe Lina, die immer noch ohne ihren Friedrich ist u. Dir so innig verbunden bleibt, grüße das liebe junge Ehepaar; grüße endlich die lieben Eltern und theuren Geschwister, so wie die ehrwürdigen Großeltern. Lebe wohl, meine innig Geliebte, theuerste Susette. Dein treuer Karl. Nr. 18 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 7.–12. März 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 7. März. Mein theures Susettchen! Es ist seit gestern nur noch eine Woche bis zu meiner Abreise von hier u. da drängen sich viele Arbeiten, Geschäfte, Besorgungen u. Vorbereitungen zusammen; daneben soll ich Besuche bei Freunden machen, andere laden mich ein, um mich länger bei sich zu haben. Da wird mir die Zeit wirklich sehr knapp u. wird dann für diesen Brief kaum viel übrig bleiben. So habe ich gestern u. vorgestern Abend zum Theil durch Einladungen verloren, wenn auch auf der anderen Seite der Gewinn dabei war, daß ich besonders vorgestern in einem musikalischen Kränzchen bei Oberappell[ations-]Rath Ackermann an den vorgetragenen Musik- u. Gesangsstücken sehr viel Freude hatte u. dadurch in die heiterste Stimmung versetzt wurde. Ackermann Friedrich Ackermann (1799–1866), Jurist und Politiker, wurde 1837 Oberappellationsgerichtsrat am für beide mecklenburgischen Großherzogtümer zuständigen Oberappellationsgericht in Parchim, das 1840 nach Rostock verlegt wurde, Ende der 1840er Jahre dessen Vizepräsident und war 1848 Mitglied der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung; er wurde 1851 in den Ruhestand versetzt. Ackermann gehörte gleich nach Hegels Berufung in Rostock zu seinem Bekannten- und Kollegenkreis; in sein Gedenkbuch notierte der Historiker zum Jahr 1841: „der jugendlich angeregte u. für alle höheren Interessen begeisterte
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Gestern Abend brachte Stannius einen seltenen u. delicaten Fisch, der ihm zur anatomischen Untersuchung gesendet worden, eine Lachsforelle, mit seiner Frau in das Leist'sche Haus und wurde ich plötzlich dazu citirt, um ihn verzehren zu helfen: ich versäumte darüber Anderes u. hinterher that's mir beinahe leid, daß ich hingegangen war. 10. März. Mehr Gesellschaftswesen ist mir in diesen Tagen wieder sehr lästig geworden. Ich hatte mir vorgenommen keine Einladung weiter anzunehmen, zumal mich nächtlich ein rheumatisches Zahnweh plagte; da kam hier unerwartet einer meiner Freunde, Justizrath Buchka aus Strelitz mit seiner Frau an u. mußte ich, ungeachtet meiner bedrängten Zeit, gestern Abend in einer Gesellschaft bei seiner Schwiegermutter, Frau von Stein, eine ganze Reihe von Stunden zubringen. Heute morgen erhielt ich einen Brief von meiner lieben Mutter. Im Anfang schreibt sie sehr trübe über ihr unverändertes Leiden, wenn gleich mit gottvertrauendem Muth; zum Schluß berichtet sie wieder etwas hoffnungsvoller, daß der Arzt nach längerer Zeit bei ihr gewesen sei u. den Zustand der Beine doch gebessert gefunden, auch Bäder verordnet habe. Möge doch der gütige Himmel sie uns noch erhalten, die liebe, einzig gute Mutter! Ihr Brief enthält noch eine Menge Anordnungen u. Vorschläge, meinen Haushalt betreffend, woraus ich ersehe, wie angelegentlich u. umständlich ihre liebevolle Sorge sich mit unserer Einrichtung beschäftigt. Das verlangte Attest des Rostocker Magistrats, dahin lautend, daß Du als meine Frau hier Aufnahme nden wirst, habe ich bereits in Händen. Heute Sonntag ist auch die dritte Proclamation in meiner Marienkirche erfolgt u. werde ich mir die BescheiniOberappellationsgerichtsrath Ackermann, der leider bald durch nervöse Reizbarkeit gelähmt dem geselligen Umgang und seinen Freunden sich versagen mußte“ (Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 145f.). rheumatisches Zahnweh Nicht auf einen einzelnen Zahn xierter, sondern ein wandernder, auch gesunde Zähne befallender Zahnschmerz. Buchka Hermann Buchka (1821–1896), Jurist und Beamter, wurde nach dem mit der Promotion abgeschlossenen Jura-Studium an den Universitäten Göttingen, Berlin und Heidelberg 1843 an der Universität Rostock habilitiert und lehrte als Privatdozent, 1847–1852 Justizund Konsistorialrat bei der Justizkanzlei von Mecklenburg-Strelitz, 1848/49 Sitz im dortigen Regierungskollegium, 1853–1866 Oberappellationsgerichtsrat am mecklenburgischen Oberappellationsgericht in Rostock, 1866–1893 als Staatsrat Vorstand des Justizministeriums von Mecklenburg-Schwerin. Buchka war seit 1848 verheiratet mit Elisabeth von Stein (1829– 1884). Strelitz Verkürzte Bezeichnung für das – im Vergleich zum Großherzogtum MecklenburgSchwerin – wesentlich kleinere Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz im Südosten Mecklenburgs mit der Haupt- und Residenzstadt Neustrelitz (anstelle des früheren Strelitz). Frau von Stein Friederike Karoline von Stein, geb. Hansen (1804–1892), Ehefrau des Gutsbesitzers Karl Heinrich von Stein (1789–1839) und Schwiegermutter Hermann Buchkas.
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gung morgen vom Pastor geben lassen. So wären dann auch diese Papiere in Ordnung, die ich von Erfurt aus schicken werde. 11. März. Mein theures Susettchen! Der Regel nach sollte dieser Brief heute Abend abgehen, nachdem ich den Deinigen schon gestern Abend spät erhalten; allein ich lasse Dich diesmal absichtlich um einen Tag warten, damit er erst am Vorabend Deines Geburtstags in Deine lieben Händen komme. Auch siehst Du, daß ich noch wenig zum Schreiben gekommen bin; denn es gibt in diesen letzten Tagen gar viel zu besorgen. Die Abreise von hier bleibt auf Donnerstag Vormittag, 14. [März] festgesetzt, wie ich Dir schon früher geschrieben; an Deinem Geburtstage will ich Vormittags in Berlin eintreffen, um ihn dort mit der lieben Mutter, Manuel u. Friederike zu feiern, ebenso wie den der lieben Mutter selbst am Sonntage, den 17. [März.] Das Parlament [fol. 1v] von Erfurt wird immer noch am 20. d[ieses Monats] eröffnet, was auch der Nürnb[er]ger Correspondent sagen mag, der über Alles, was vornehmlich Preußen betrifft oder von diesem ausgeht, wohl selten ein richtiges Wort zu Tage fördert. Recht gefreut hat mich Alles, was Du mir über das Glück des Kieserschen Ehepaares schreibst, das uns ja wohl ein freundliches Vorbild unseres kommenden Glückes gewährt. Sie haben nach langem Harren endlich das Ziel der Wünsche erreicht u. kaum tritt durch ihre Verbindung eine merkliche Veränderung in Eurem gewohnten Kreise ein. Anders bei uns, mein liebes Susettchen; uns wird zwar hoffentlich die Zeit des Harrens verkürzt, aber unsere Vereinigung bedingt zugleich Deine Trennung von Vielen, die Deinem Herzen überaus theuer sind. Wie hoch muß ich Deine Liebe schätzen, daß sie mir so gerne und bereitwillig ein so großes Opfer bringt! – Ich danke Kiesern dafür, daß er sich so gefällig meiner Bierangelegenheit unterziehen will. Es wird drauf ankommen, zu welcher Jahreszeit das Bier am besten zu Vorabend Deines Geburtstages 15. März. Susanna Maria von Tucher wurde am 16. März 1826 geboren. Nürnb[er]ger Correspondent Hegel bezieht sich wohl auf zwei Berichte: 1.) Der Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 66, Nürnberg, Donnerstag 7. Merz 1850, S. 534, im Artikel „Preußen“: „Um ferner die Verhandlungen über die bundeseinheitliche Stellung der deutschen Großmächte zu einander nicht durch den Zusammentritt des Erfurter Parlaments zu stören, soll sich Preußen auf den Vorschlag Oesterreich's bereit erklärt haben, dafür beim Verwaltungsrath zu wirken, daß der Zusammentritt dieses Parlaments noch um 14 Tage, nemlich bis zum 4. April, hinausgerückt werde, wobei namentlich auch die Rücksicht maßgebend eingewirkt haben soll, daß es für Preußen wünschenswerth sei, sogleich mit bestimmten Mittheilungen über die schließliche Gestaltung der deutschen Bundesverhältnisse vor den Erfurter Reichstag hintreten zu können.“ 2.) Der Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 68, Nürnberg, Sonnabend 9. Merz 1850, S. 551, im Artikel „Deutschland“: „Mit diesen Verhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich hängt ferner der in Erwägung gekommene Vorschlag eines Aufschubs des Erfurter Tages bis auf den 4. April zusammen. Auch darüber liegen uns interessante Mittheilungen vor, deren Bestätigung zu erwarten ist.“
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versenden ist; denn es hält sich, wie man mir sagt, schwer bei einem so weiten Transport zumal auf der Eisenbahn, wo es noch mehr durchrüttelt wird, und befürchte ich, daß es mit der Versendung zu spät werden möchte, bis wir selbst hierher kommen. Mein Freund Stannius ist gern bereit dasselbe in Empfang zu nehmen und auch zur geeigneten Zeit für unseren Keller abzapfen zu lassen. Indessen können wir allerdings noch etwas damit warten, besonders wenn Kieser für eine etwas spätere Zeit noch besseres Bier verspricht. – 12. März. Mein herzliebes Susettchen! Nach den vielen zerstreuten Geschäften des heutigen Tages bleibt mir nur noch ein kurzes Stündchen übrig, welches ich Dir geweiht habe, um mich mit ganzer Seele zu Dir zu versetzen und Dir den innigsten Gruß Deines Liebsten aus weiter Ferne zu Deinem Geburtstagsfeste zu senden: dieser Herzensgruß soll Dich schon am Vorabend Deines Festes erreichen, um Dich in der vollen Stimmung unsrer Liebe in dasselbe zu begleiten. Ich werde bei Dir sein an diesem Tage, mein süßes Susettchen, und meine Seele wird Dich küssen und Dich umfangen, um Dich nicht wieder loszulassen aus den Banden der Liebe, womit sie Dich für immer umschlungen hat. Laß uns vor Allem Gott aufs neue dafür danken, daß er uns auf unseren getrennten, weit auseinander liegenden Lebenswegen endlich doch zusammengeführt hat, weil wir, so meine ich und so meinst auch Du gewiß, von Anfang an für einander bestimmt waren. Denn die Gewißheit unseres dauernden Glücks entnehme ich nicht bloß aus unsrer gegenseitigen innigen Liebe; ich nde sie auch begründet in der gleichen natürlichen Anlage unserer Charaktere, in dem schönen Zusammenstimmen unserer Sinnesweise und unserer Lebensansichten, und wiederum in einer nicht minder reizenden Ergänzung, welche aus dem Zusammentreten mancher verschiedenen Eigenschaften [fol. 2r] unsres Temperaments oder Naturells entsteht. Darum wird es uns auch leicht werden, meine theuerste Geliebte, eine gemeinsame und gleiche Lebensgewöhnung zu gewinnen, welche sich bei Menschen oft schwerer ndet, wenn sie sich auch recht von Herzen lieb haben, deren Naturen weniger zusammen passen. Nur dagegen muß ich mit Dir auf meiner Hut sein, daß Deine Herzensgüte mich nicht durch zu viel Nachgiebigkeit verwöhnt, daß mein natürlicher und durch langes Alleinstehen verstärkter Egoismus sie sich nicht zu nutze macht, wenn meine Liebe zu Dir ihn nicht aufmerksam überwacht und zurückdrängt. Doch ich gelobe Dir feierlich, meine Herzliebste, daß ich immer bemüht sein werde, ihn in die gleiche Hingebung an unser gemeinsames Leben zu verwenden, und bitte Dich nur inständigst darum, daß Du mich, durch Deine volle Offenheit auch über meine Fehler, in solcher Bemühung unterstützen mögest. Denn Wahrheit allein soll zwischen uns sein, damit sich unsere Seelen durch sie immer mehr bilden und läutern und so den herrlichsten Gewinn ihrer Vereinigung erreichen. Dies wird auch allein der echte und Gott wohl gefällige Dank sein, den wir ihm für unsere Liebe bringen können.
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Was ich Dir sonst noch zu Deinem Geburtstagsfeste bringe, verdanke ich hauptsächlich der treuen Sorgfalt und liebevollen Bemühung meiner theuersten Mutter und meiner lieben Schwester Friederike: ich selbst werde das Geschenk erst in seiner wirklichen Bestimmung sehen und Dich mit ihm als mein geliebtes Weib an meine Brust drücken – mit ungeduldiger Sehnsucht sehe ich diesem seligsten Augenblick meines Lebens entgegen! – Doch die Stunde schlägt, da ich meinen Brief keinen Augenblick länger aufhalten darf, wenn er Dich noch rechtzeitig erreichen soll. – Antworte mir nach Erfurt poste restante; am [18. März] Abends gedenke ich dort einzutreffen; am 19. oder 20. kann ich wieder einen Brief von Dir erhalten. – Grüße Deine theuren Eltern und lieben Geschwister, die Großeltern, die liebe Lina und Alle, die an Deinem Geburtstage erscheinen werden, um Dich zu grüßen; denn sie grüßen in Dir auch mich, da ich Dich besitze, da ich Dein Liebster bin für alle Zeit: nicht wahr, mein einziges Susettchen? Gott wolle unsere Liebe segnen! In ewiger Treue u. Liebe Dein Karl. Nr. 19 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 20. und 21. März 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Erfurt, 20. März. Mein süßes Liebchen, Deinen lieben Brief habe ich mit den andern Geburtstagbriefen an meine liebe Mutter am 17. d[ieses Monats] Morgens empfangen. Es waren liebe Morgengrüße, die gerade zur bestimmten Zeit eintrafen und die liebe Mutter hoch erfreuten. Was konnte ihr auch mehr Freude gewähren als das neue Zeugniß unserer innigen Liebe, welche auch sie so hoch beglückt! – Ich war schon am Tage vorher Mittags in Berlin eingetroffen und verwendete einen Theil des übrigen Tages zu einigen Besorgungen und Erkundigungen für unsere künftige Einrichtung. Die liebe Mutter fand ich doch weniger leidend als ich dachte: freilich muß sie noch fast beständig liegen und kann sich nur mit Hülfe zweier Krücken durch die Stube bewegen, doch fühlt sie, daß die neu verordneten warmen Seifenbäder ihr gut thun u. ist sie wieder besserer Hoffnung für den kommenden Sommer. Am Sonntag, am Geburtstage, waren Manuel u. Friederike nebst ihren beiden allerliebsten Mädchen zu Mittag bei ihr: die Kinder ergingen sich in ihrer lauten lärmenden Fröhlichkeit, ohne daß die liebe Mutter sich dadurch beschwert fühlte – ein Beweis, daß ihre Nerven nicht mehr so schwach poste restante
Postlagernd.
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wie früher sind. Von den Berliner Freunden sah ich nur wenige, die zum Geburtstage Glück wünschten; nur einen Besuch machte ich bei Geh[eim] Rath Karsten, um mich bei ihm nach Beseler, seinen Schwiegersohn, zu erkundigen, ich fand diesen selbst schon da u. wir reisten am anderen Morgen zusammen weiter. Ich sollte Dir nun auch noch kurz von meiner vorausgegangenen Reise erzählen, da mein letzter Brief noch von Rostock aus datiert ist. Am Mittwoch machte ich meinen Umzug in unsere neue Wohnung, womit ich wegen meiner vielen Bücher fast den ganzen Tag verbrachte. Daneben nahmen die Abschiedsbesuche die übrige Zeit in Anspruch, so daß ich mit knapper Noth bis zum Abgang der Post fertig wurde. Ich nahm diesmal Abschied von Rostock mit der frohen, mich hoch beglückenden Aussicht, nicht allein wieder zurückzukehren, und zum letzten Male ging die Reise bis Wismar mit Post, da die Eröffnung der Eisenbahn bis Rostock am 13. Mai bevorsteht. Um 7 Uhr Abends kam ich in Schwerin an u. war bis Mitternacht bei meinen lieben Freunden Geh[eimer] Cabinetsrath Prosch, denen ich versprechen mußte bei meiner Zurückkunft mit Dir bei ihnen zu wohnen. Am andern Morgen besuchte ich zuerst den Großherzog, dann den Minister v. Lützow, von denen ich manche interessante Dinge hörte, ging auf eine Viertelstunde in unsere elende Abgeordnetenkammer u. machte die Runde mit meinen Schweriner Freunden bis zum Abend 7 Uhr, da der Bahnzug wieder abging, der mich gegen ½ 11 Uhr bis Wittenberge brachte, wo ich zu Nacht blieb. Als ich früh erwachte, dachte ich an Dich, mein herzliebes Susettchen, dessen Geburtstag angebrochen war, von dem das Morgenroth in schönen farbigen Streifen sich über die vor mir liegende weite Ebene hinzog. Meine Phantasie malte mir auf diesem Grund Dein liebliches Bild, welches mich entzückte, bis ich im Eisenbahnwagen wieder zu andern Gedanken abgezogen wurde; aber wenn ich mich allein sah, trat es wieder hervor, und wie ich zu den Meinigen kam, da fand die Liebeswonne frische Erinnerung an Dich nicht minder eine heimatliche Stätte. [fol. 1v] Aus Deinem lieben Brief entnehme ich die betrübende Nachricht von Mariechens nicht ganz unbedenklicher Krankheit, die mich mit Sorge erfüllt. Ich habe dieses Schwesterchen wegen ihres sanften und innigen Wesens ganz besonders lieb gewonnen. Auch weiß ich, daß sie Deinem Herzen durch innigste Geschwisterliebe verbunden ist und kann mir denken, daß ihre Krankheit Dich sehr beunruhigt. Möge der Himmel ihr recht baldige Genesung gewähren und uns alle der nächsten Sorge für sie überheben! Vielleicht bringt mir Dein täglich von mir erwarteter Brief schon die erwünschte Nachricht. Eröffnung der Eisenbahn bis Rostock am 13. Mai Die Universitätsstadt erhielt am 13. Mai 1850 mit der Eröffnung der Strecke Kleinen – Blankenberg – Bützow – Schwaan – Rostock Anschluß an die seit 1846 zur Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn vereinigten drei Eisenbahngesellschaften des Landes und war damit sowohl mit der Landeshauptstadt Schwerin über die seit 12. Juli 1848 bestehende Strecke Schwerin – Kleinen, als auch mit der Station Hagenow an der Verbindung zwischen Berlin und Hamburg über die seit 1. Mai 1847 bestehende Strecke Hagenow – Holthusen – Schwerin verbunden.
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Meine liebe Mutter hat indeß eine zweite treue P egerin gefunden in einer Elise, die früher im Goßner'schen Krankenhause der Apotheke vorstand u. mit kundigem Sinn u. geschickter Hand die vorgeschriebenen Arzeneien für die Kranken bereitete. Diese, die von der lieben Mutter schon seit lange besonders hoch geschätzt wurde, hat sich ihr nun freiwillig zum Beistand u. zur vertrauten Gesellschafterin im Hause erboten, u. ist ihre Hülfe um so mehr willkommen, als die treue Dienerin Mathilde bisweilen heftigen u. plötzlichen Krankheitsfällen unterworfen ist. – Ich sollte Dir nun nach diesen persönlichen Angelegemheiten von dem hier eröffneten Parlamente berichten. Doch muß ich noch auf meine Hieherreise zurückkommen. Am Montag, den 18. [März] früh 8 Uhr fuhr ich von Berlin ab und mit mir eine Anzahl von Abgeordneten im langen Zuge u. mit vielem Gepäck. Unterwegs war so wenig Aufenthalt, daß man nicht einmal zum Mittagessen gelangen konnte. Beseler u. Droysen saßen mit mir in einem Coupé, nachher in Halle traf ich auch mit Regierungsrath Karsten aus Schwerin, Mitglied des Staatenhauses, zusammen. Ankunft in Erfurt gegen 6 Uhr Abends, wo bereits durch Vermittlung eines hiesigen Pastors eine Wohnung für mich gemiethet war, Augustiner Straße Nr. 857, ganz in der Nähe der Augustinerkirche, wo für beide Häuser Sitzungsloca[le] und Bureau's eingerichtet
Elise Zweite P egerin der Mutter Karl Hegels in Berlin. Goßner'schen Krankenhaus Der ursprünglich katholische Geistliche Johannes Evangelista Goßner (1773–1858) wurde 1826 evangelisch, war von 1829 bis 1846 evangelischer Prediger an der Berliner Bethlehemskirche und wurde Begründer der nach ihm benannten Missionsgesellschaften. Im Geiste der Diakonie gründete er ab 1834 Kinderbewahranstalten und 1837 das erste evangelische Krankenhaus in Berlin vor dem Potsdamer Tor, das schon ein Jahr später nach der aus Bayern stammenden, ebenfalls konvertierten, stark sozial engagierten preußischen Kronprinzessin, dann Königin Elisabeth (1801–1873) benannt wurde, der Gemahlin König Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861). Droysen Johann Gustav Droysen (1808–1884), von 1840 bis 1851 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Kiel, dann bis 1859 an der Universität Jena und von 1859 bis 1884 an der Universität Berlin. 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, aber nicht des Erfurter Unionsparlaments von 1850. Coupé Abteil in einem Eisenbahnwagen. Karsten Dethlof Ludolph Eobald Karsten (1787–1879). Augustiner Straße Nr. 857 Wohnung Hegels während seines Erfurter Aufenthaltes; vgl. zu allen von ihm genannten Örtlichkeiten Birck, Plan von Erfurt, 1850. Vgl. Taf. 4. Augustinerkirche Vom Ende des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts errichtete Kirche des Klosters der Augustiner-Eremiten, in das der spätere Reformator Martin Luther im Jahre 1505 als Mönch eintrat, die für die Sitzungen des Erfurter Unionsparlaments ab 20. März 1850 umgebaut und nach dessen Beendigung 1854 neu geweiht wurde. Hegel erinnerte sich in seinen Memoiren: Die Sitzungslokale „waren in der Augustinerkirche, einem schönen gothischen Bau, hergerichtet. Der hohe Chor, mit prächtigen Glasmalereien verziert, bildete das Staatenhaus, ein Teil des Schiffes das Volkshaus. Beide Häuser, geschmackvoll dekoriert, waren durch eine Mauerwand vollständig voneinander getrennt“ (Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 156).
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sind. Meine Wirthsleute, Lehrer Große u. Frau, emp ngen mich mit zuvorkommender Freundlichkeit. Die Wohnung besteht aus einer bescheidenen Stube nebst Kammer, wofür ich monatlich nur 8 Thaler bezahle. Ich begab mich dann in den ersten Gasthof zum Kaiser u. traf dort gleich mehrere Bekannte, zuerst Dahlmann, Kierulff, meinen Rostocker Landsmann, u. andere. Am folgenden Morgen las ich Zeitungen, machte Besuche, sah mich etwas in der Stadt um, wurde aber bald wieder durch das schlechte Wetter – es schneite beständig – in den Gasthof getrieben. Ich aß im Gasthof von Silber nahe am Bahnhof, wo die meisten meiner Freunde ihren Sammelpunkt nden wollen. Abend war ich wieder im Kaiser. Als ich nach Hause kam, war ich des Herumtreibens im geschäftigen Nichtsthun herzlich müde u. froh, daß es [fol. 2r] anderen Tages zur Eröffnung des Parlaments kommen sollte. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß die gute Stadt Erfurt uns an demselben Abend mit einer festlichen Aufführung zum Willkommen in dem großen Saale des Casino beehrte; doch nahm ich wenig Notiz davon; da ich den Saal voll Erfurter Damen in höchster Parure an Tischchen herumsitzend fand, die Herren in Frack u. Glacéhandschuhen, um die Deputirten zu sehen, die sich mit der mittelmäßigen Aufführung eines Theils von Göthe's Faust ergötzen sollten. [21. März] Am Morgen des 20. [März] (ich schreibe dieses schon am Abend des 21.) wurden die Glocken geläutet, auch die berühmte Domglocke, Susanna genannt (sie sollte mich an mein Susettchen erinnern). Um 10 Uhr fand der Gottesdienst statt, für die Evangelischen in der Barfüßerkirche, für die Katholiken in der Augustinerkirche. Vorher
Lehrer Große u. Frau Johann Friedrich Christoph Große (1789–1858) war Lehrer, Kirchner und Kirchenrendant der Erfurter Augustiner-Kirchengemeinde und wohnte mit seiner Frau Martha Barbara Große, geb. Platz (1808–1882), in der Augustiner Straße Nr. 857, wo sich das Schulhaus der Johannes-Pfarrkirche befand. Gasthof zum Kaiser Das „Hôtel zum Römischen Kaiser“ lag am zentralen Platz Erfurts unweit des Bahnhofes: Nr. 1526. Gasthof von Silber Wohl in der Bahnhofstraße gelegen. Silber war eine alteingesessene Erfurter Gastwirts- und Postmeisterfamilie, die etwa ab 1832 durch Heinrich Wilhelm Silber (* 1796) die Gastwirtschaft „Zum römischen Kaiser“ auf dem Anger unterhielt. Saale des Casino Saal im ehemaligen Wigberti-Kloster, Regierungsstraße 74. in höchster Parure Im schönsten Schmuck. Göthe's Faust Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) Tragödie „Faust“ ist in zwei Teilen erschienen; der erste Teil nach Vorstufen 1808, der zweite Teil 1832. Barfüßerkirche Die Bettelordenkirche im Stadtzentrum Erfurts wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts als ein Werk der Hochgotik vollendet. Augustinerkirche Hier irrt Hegel, denn die Augustinerkirche war zum Tagungslokal des Erfurter Unionsparlaments hergerichtet worden. Vgl. Taf. 6. Der Gottesdienst für die Katholiken fand in der spätgotischen Wigbertikirche statt, deren Bau 1473 vollendet worden war.
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besuchte ich unseren Bevollmächtigten im Verwaltungsrath v. Schack, der mich noch mit zwei anderen Mitglieder[n] des Verwaltungsraths bekannt machte. In der Barfüßerkirche hielt der Superintendent Scheibe eine recht passende und beherzenswerthe Predigt über die Worte des Psalm: des Herrn Furcht ist der Weisheit Anfang. Darauf zog man in das Regierungsgebäude, wo die Mitglieder beider Häuser sich im großen Saale zusammenfanden. Feierlichen Schrittes traten darauf herein die Mitglieder des Verwaltungsraths, voran v. Radowitz. Er verlas die Botschaft. Man trennte sich wieder u. eilte zu den Sitzungslocalen, um einen guten Platz zu belegen. Ich habe mich mit meinen Freunden links gesetzt; rechts sitzen hauptsächlich die Minister, Generale, Verwaltungsrath Im Dreikönigsbündnis (Erfurter Union) vom 26. Mai 1849 vorgesehenes Exekutivorgan, in das die Unionsmitglieder Bevollmächtigte zur Führung der Geschäfte entsandten und das die Regierungen der Einzelstaaten gegenüber dem Erfurter Parlament vertrat. v. Schack Adolf Friedrich von Schack (1815–1894), Jurist, Diplomat, Kunstsammler und Dichter, 1876 preußischer Graf, Sohn Adam Reimar Christophs von Schack (1780–1852), des mehrmaligen Vertreters Mecklenburg-Schwerins in der Bundesversammlung des Deutschen Bundes – Mecklenburger Mission – in Frankfurt am Main (1829–1848); 1850 war er Vertreter des Großherzogtums im Verwaltungsrat gemäß der Erfurter Union. Superintendent Scheibe Friedrich Ludwig Scheibe (1809–1884), von 1837 bis 1863 Pfarrer der Reglerkirche in Erfurt, dann bis 1883 Oberpfarrer von St. Andreas in Eisleben und Superintendent, 1845 Superintendent und Senior des „Evangelischen [Geistlichen] Ministeriums Erfurt“ als Gesamtvertretung der Pfarrerschaft des städtischen evangelisch-lutherischen Kirchenwesens, 1846 Konsistorialrat. des Herrn Furcht ist der Weisheit Anfang Psalm 111, Vers 10: „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Das ist eine feine Klugheit, wer darnach tut; des Lob bleibt ewiglich.“ Regierungsgebäude Auf dem Gelände der frühneuzeitlichen Kurmainzischen Statthalterei gelegenes, von Preußen ab 1816 umgebautes Gouvernementsgebäude. Die alte Kurmainzische Statthalterei war im Jahre 1808 Ort des vom französischen Kaiser Napoleon I. Bonaparte veranstalteten Erfurter Fürstenkongresses, wo er u. a. am 2. Oktober auch Johann Wolfgang von Goethe emp ng. – Vgl. Taf. 5. Mitglieder des Verwaltungsraths Die Einleitung zum „Stenographischen Bericht über die Verhandlungen des Deutschen Parlaments zu Erfurt“ nennt vor den Protokollen der zeitgleichen Eröffnungssitzungen von „Volkshaus“ und „Staatenhaus“ vom 20. März 1850 als „Vertretung des Verwaltungs-Raths, dem gegenwärtigen Reichstage gegenüber“, fünf Kommissare: für das Königreich Preußen Generalleutnant Joseph Maria von Radowitz, für das Königreich Sachsen den ehemaligen Staatsminister Albert von Carlowitz (1802–1874), für das Großherzogtum Hessen Geheimrat Victor von Lepel (1794–1860), für das Herzogtum Nassau den Präsidenten Ferdinand Vollpracht (1802–1859) und für das Herzogtum Braunschweig Legationsrat Friedrich (von) Liebe (1809–1885). v. Radowitz Joseph Maria von Radowitz (1797–1853), preußischer General, Diplomat und Politiker, von 1836 bis 1848 preußischer Militärbevollmächtigter beim Bundestag des Deutschen Bundes, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, Vordenker einer „kleindeutschen“ Bundesverfassung, 1849/50 preußisches Mitglied in der Bundeszentralkommission, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Erfurter Union, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Sachsen.
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Excellenzen u. ihr Anhang. Vincke, Beseler, Harkort, Stedmann, Beckerath, Mevissen, Hergenhahn sitzen in meiner Nähe, Kierulff mir zu Seite. An dem Tisch der Commissarien befandt sich v. Radowitz mit zwei andern Mitgliedern des Verwaltungsraths. Radowitz leitete die Verhandlungen ein mit Vorlage der Geschäftsordnung; der Alterspräsident wurde bezeichnet, die 4 jüngsten Mitglieder (sie waren jünger als ich – 34 Jahre alt) zu Schriftführern herausgesucht, die 7 Abtheilungen formirt usw. Unser Alterspräsident v. Frankenberg (Präsident des O[ber-] Landsgerichts von Posen) gab sich mir heute als einen alten Freund der Flottwell'schen Familie zu erkennen. – Die Sitzungslocale der beiden Häuser sind ausnehmend schön, wozu die gothische Bauart der Kirche sehr zu statten kommt. Der hohe Chor mit prächtigen Glasmalereien Vincke Gemeint ist der Jurist Georg Ernst Friedrich Freiherr von Vincke (1811–1875), den Hegel in seinem Brautbrief Nr. 21 vom 14. April 1850 aus Erfurt zu „den größten parlamentarischen Talenten Deutschlands“ zählte, und nicht sein Vetter, der preußische Of zier und Politiker Karl Friedrich Freiherr von Vincke (1800–1869), der ebenfalls – als Abgeordneter der preußischen Provinz Schlesien – Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments war. Der Westfale Georg Freiherr von Vincke war von 1843 bis 1869 Mitglied verschiedener Parlamente des Königreichs Preußen und Deutschlands (1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments für die preußische Provinz Westfalen, Reichstag des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zollparlaments). Harkort Friedrich Harkort (1793–1880), Unternehmer und Politiker, 1848 Mitglied der konstituierenden preußischen Nationalversammlung, Mitglied der Zweiten Kammer des preußischen Landtages, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Westfalen. Stedmann Carl Johann Wilhelm Stedmann (1804–1882), Jurist, 1847/48 Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages, 1848/49 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments und der Frankfurter Nationalversammlung, Reichskommissar für Schleswig-Holstein und Lauenburg, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Rheinprovinz. Beckerath Hermann von Beckerath (1801–1870), Bankier und Politiker, 1848 Reichs nanzminister, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1849 Mitglied der Zweiten Kammer des preußischen Landtages, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Rheinprovinz. Mevissen Gustav Mevissen (1815–1899), Unternehmer und Politiker, 1847/48 Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages, 1848/49 Unterstaatssekretär im Reichshandelsministerium, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Westfalen. Hergenhahn Jakob Ludwig Philipp August Franz Hergenhahn (1804–1874), Jurist und Politiker, verschiedene Funktionen im Herzogtum Nassau, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Herzogtum Nassau. v. Frankenberg Wolff Sylvius Leopold von Frankenberg und Ludwigsdorf (1785–1878), Jurist und Parlamentarier, 1832–1848 Präsident des Oberappellationsgerichts Posen, ab 1835 zugleich des dortigen Oberlandesgerichts, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Schlesien und anfangs dessen Alterspräsident.
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verziert bildet das Staatenhaus, ein Theil des Schiffs das Volkshaus: beide Häuser sind durch eine durchgehende Mauerwand vollständig von einander getrennt. Höchst geschmackvoll ist auch die angebrachte innere Verzierung durch Drapperien u. ebenso zweckmäßig die Anordnung der Plätze. [fol. 2v] Am Abend fand noch eine vorberathende Versammlung von etwa 200 Abgeordneten beider Häuser in einem Saal auf dem Eisenbahnhofe statt, wo man sich über einige der nächsten Aufgaben verständigte. Heute morgen 9 Uhr versammelten sich die Abtheilungen in ihren getrennten Localen, um ihre besonderen Vorstände zu wählen. In der 4. Abtheilung, der ich zugewiesen bin, wurde Graf Schwerin, der bisherige Präsident der 2. preußischen Kammer, zum Vorsitzenden gewählt, und ich hatte die Ehre, zum Schriftführer der Abtheilung gewählt zu werden. Um 12 Uhr war wieder Plenarsitzung, wo diese Wahlen angezeigt, die Wahlprüfungen angeordnet wurden. Darauf las ich von 1 bis 3 Uhr Zeitungen, brachte von 3–5 Uhr im Kaiser beim Essen zu, wo ich in meiner nächsten Umgebung allein nicht weniger als 6 Minister in oder außer Dienst zählte. Ich unterhielt mich besonders mit einem Nassauer, einem Kurhessen u. einem Preußen aus Minden, die alle die gleiche Überzeugung von der Nothwendigkeit unseres Bundesstaats theilten. – Ich komme nun zu Dir zurück, mein einzig geliebtes Susettchen, Du süßer Ruhepunkt meiner Gedanken, Du lieber Magnet meiner schönsten Emp ndungen. Mich verlangt recht sehr nach einem Brief von Deiner lieben Hand, und ich gestehe, daß ich ihn schon seit mehreren Tagen erwartet habe; denn so ungenügsam bin ich in Hinsicht auf Deine Liebesbeweise, daß ich Deinen lieben Geburtstagsbrief nur für einen außerordentlichen ansehen wollte u. nichtsdestoweniger die gewöhnliche Antwort auf meinen letzten aus Rostock schon hier erwartete. Verzeih' mir, gutes Susettchen, wenn ich unbescheiden war; aber ich bitte, laß mich auch nicht länger warten auf Deinen Liebesboten, wenn Du diesen erhalten haben wirst; sonst komme ich Deinetwegen in auf dem Eisenbahnhofe Das Erfurter Bahnhofsgebäude wurde ab 1846 innerhalb der Festungsmauern der Stadt gebaut und 1847 – noch ohne das erst 1852 fertiggestellte Empfangsgebäude – eröffnet. In einem der Säle tagte – ermöglicht durch Gustav Ludwig Emil Graf von Keller (1805–1897) als Vorsitzendem der Direktion und des Verwaltungsrats der Thüringischen Eisenbahn-Gesellschaft – die „Bahnhofspartei“, der er 1850 als Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Sachsen angehörte. Abtheilungen Gemäß § 3 „der allgemeinen Geschäftsordnung für das Staatenhaus und das Volkshaus“ des Erfurter Parlaments waren zur Prüfung der Wahlen der Abgeordneten und Delegierten im „Volkshaus“ sieben, im „Staatenhaus“ fünf „Abtheilungen“ zu bilden, die ihre Ergebnisse im jeweiligen Plenum zur Abstimmung über die Gültigkeit der Wahlen vorlegen mußten. Graf Schwerin Maximilian Graf von Schwerin (1804–1872), Jurist und Politiker, 1847 Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages, 1848 preußischer Kultusminister, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1849–1855 Mitglied und Präsident der Zweiten Kammer des preußischen Landtages, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Provinz Pommern.
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Sorgen, oder auch Mariechens wegen, die Du gewiß mit aufopfernder Liebe gep egt hast. Von der lieben Mutter habe ich bereits gestern hier einen Brief erhalten. Sie schreibt mir von einem neuen Krankheitsanfall der treuen Mathilde, wobei sich der Beistand der P egerin Elisa als höchst erwünscht erwiesen, da nun diese der lieben Mutter die Angst u. Anstrengung ersparte, wodurch sich schon einmal ihr Fuß so verschlimmert hat. – Ich gebe disen Brief noch heute Abend auf die Post und wenn ich morgen oder übermorgen einen von Dir erhalten sollte, so werde ich Deine Antwort nicht erst abwarten, sondern Dir, wenn möglich sogleich wieder schreiben. – Oft wünsche ich, ich hätte Dich bei mir, mein liebes Susettchen, u. dann, wenn ich meine unruhige Lebensweise betrachte, weiß ich wieder nicht, ob ich es wünschen soll. Nur wenige Abgeordnete haben ihre Frauen bei sich, weil alle nicht erwarten, daß es hier lange dauern sollte; doch bringen einige dieselben selbst an die Mittagstafel mit, was mir aber kaum gefällt. Ich würde Dich nicht in eine so fremdartige Lebensatmosphäre versetzen mögen. – Hoffen wir zu Gott, daß wir hier bald zum guten Ende gelangen! Tausend Grüße an die lieben Eltern, an das theure Mariechen, dem ich meine ganze Theilnahme bei der Krankheit gewidmet, u. die andern lieben Geschwister u. Verwandten. In unwandelbarer Liebe Dein Karl. NB. Meine Wohnung ist hier, wie vermerkt, Augustiner Straße 857 Nr. 20 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 6. April 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Erfurt 6. April. Innig geliebtes Susettchen! Seit drei Tagen bin ich nun schon in Erfurt u. habe noch nicht an Dich geschrieben. Wirst Du nicht am Ende von mir denken, daß ich auch wenig an Dich gedacht hätte? Doch, glaube mir, das ist nicht der Fall gewesen; denn ich denke um so mehr an Dich, als ich mich der widerwärtigen Eindrücke u. Stimmungen, die hier auf mich eindringen, gern erwehren u. mich an dem Lichtglanz Deiner Liebe, an dem „Süßteig Deiner Lauterkeit und Wahrheit“ mitten in dem „Sauerteig
Elisa
P egerin der Mutter Hegels in Berlin.
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der Schalkheit und Bosheit“ mit um so größerer Wonne erfreue. Diesen Sauerteig gewährten mir vor allem die inzwischen eingegangenen Nachrichten aus Mecklenburg über den dort erfolgten Rücktritt des Ministeriums u. die Ursachen desselben, welche mir den Blick eröffneten in ein nichtswürdiges Intriguensystem, von dem Du, liebes Menschenkind, keinen Begriff haben kannst. Ich halte es nicht für nöthig oder wünschenswerth, Dir einen Begriff davon beizubringen: genug, daß unser trefflicher Großherzog das Opfer davon geworden ist u. daß ich es nun doch einmal nicht bloß von Ferne gehört oder gelesen, sondern ganz handgreiflich gesehen, wie die Hinterlist und die Nichtswürdigkeit den Sieg davon getragen über die Aufrichtigkeit und Wahrheit. Das empört alle Redlichen und tödtet den letzten Funken des Vertrauens zu den Machthabern. Diese stürzen sich mit Blindheit ins Verderben und Niemand wird sie mehr retten können oder auch nur mögen! Auch das Erfurter Parlament wird nichts weiter thun können, als seine Ehre, nicht die der Regierungen, zu retten: die Sache selbst, zu der es berufen war, scheint mir völlig verloren, denn die deutschen Fürsten haben durch die Schreckenszeit von [18]48 nichts gelernt: Verrath und Gewalt sind ihre Losung und sie werden, wenn die Zeit kommt, ihren Lohn empfangen. Doch was schreibe ich Dir das, mein liebes Menschenkind, und warum soll ich Dich betrüben? Wir werden bald genug den Schiffbruch dieses Parlaments erleben und Du wirst das Geprassel davon bis Nürnberg hören. Ich werde zufrieden sein, wenn ich mich auf einer Planke davon schwimmend bis zu Dir rette und von Deinen liebenden Armen umfangen, dieses Unheil vergesse. Doch wer kann die verstrickten, selbstsüchtigen Pläne der Machthaber ermessen? Vielleicht wollen sie uns noch eine Weile zappeln lassen und hinhalten, wenn wir nicht ihrer hinterlistigen Cabinetspolitik mit Entschlossenheit einen Strich durch die Rechnung machen. Wie dem aber auch sei, ich meine kaum, daß es bis über diesen Monat hinaus oder spätestens länger als bis P ngsten dauern kann. Jedenfalls möchte ich nicht ohne Noth den Anfang unseres Glücks, mein liebes Susettchen, länger als auf das P ngstfest hinausschieben. Setzen wir diesen Termin fest, so machen wir uns nicht weiter von den schwankenden Aussichten oder von den zerschlagenen Hoffnungen Deutschlands abhängig. Schreibe mir, ob Deine liebe Mutter diesen Termin annehmen kann: ich meinerseits würde ihn einhalten, sei es nun, daß das hiesige Parlament noch länger dauern sollte, oder daß es schon so früh zu Ende gegangen wäre, daß ich zuvor noch meinem Berufe nach Rostock hätte folgen müssen; ich würde mir in dem einen, wie im anderen Falle Urlaub auf 14 Tage nehmen.
„Süßteig Deiner Lauterkeit und Wahrheit“ mitten in dem „Sauerteig der Schalkheit und Bosheit“ Im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther heißt es: „Darum lasset uns Ostern halten nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern in dem Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit.“ (1. Kor. 5, 8). Rücktritt des Ministeriums Das seit 15. Oktober 1849 bestehende großherzogliche (Gesamt-)Ministerium Mecklenburg-Schwerins sah sich unter dem liberalen Staatsminister Ludwig von Lützow am 4. April 1850 zum Rücktritt gezwungen.
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Du wirst schon aus der Zeitung erfahren haben, wie unnöthig ich mich zu meiner Zurückkunft [fol. 1v] hierher beeilt habe. Am Mittwoch, d[en] 3. [April] fand nur eine unbedeutende Sitzung statt, worauf das Volkshaus wieder auf 8 Tage vertagt wurde, um dem Verfassungs-Ausschusse weitere 8 Tage (bis Dienstag) zu seinen Arbeiten Raum zu geben. Auch die Fractionssitzungen am Abend können nicht eher statt nden, als bis der Ausschußbericht vorliegt. Es bleibt mir nichts weiter zu thun, als Zeitungen nachzulesen, was ich in Nürnberg trotz Deiner gefälligen liebevollen Zuvorkommenheit zu sehr versäumt habe, Berichte nach Hause zu schreiben, und mit den hier anwesenden interessanten Männern zu verkehren, was freilich das Beste u. lehrreichste von allen Geschäften ist. Doch sind auch diese Geschäfte bisher nicht ganz in meine Willkür gestellt gewesen. Denn vorgestern kam mein alter Freund Wunderlich, Professor in Halle, hier an, dem ich mich gern die anderthalb Tage, da er hier war, ausschließlich widmete. Er ist ein Mensch von seltener Trefflichkeit u. erprobter Freundschaft für mich. Nachdem wir uns früher schon unter annähernden Umständen gekannt hatten, lebten wir mehrere Jahre in Rostock zusammen; er heirathete dort, lebte sehr glücklich mit seiner Frau, die ihn mit mehreren Kindern erfreute, ging nach Halle, wo sie starb. Er hat sein Unglück mit starker Willenskraft, die ihm wie wenigen Menschen eigen ist, getragen und überwältigt; aber es nagt ihm an der Seele, wenn er gleich nicht den Schein davon haben will, Gestern Abend hat er mich verlassen, wird aber noch einmal zum Besuch herkommen. Noch sollte ich Dir von meiner Reise erzählen. Abgesehen davon, daß sie mich von Dir hinwegführte, war sie viel angenehmer und bequemer, als die Hinreise über Co-
Zurückkunft Am 2. April 1850. Zu Ostern (31. März/1. April 1850) war Hegel nach der 6. Sitzung des „Volkshauses“ am 26. März von Erfurt zu seiner Braut nach Nürnberg gereist und war zur 7. Sitzung am 3. April wieder in Thüringen. Verfassungs-Ausschusse Das „Volkshaus“ richtete am 26. März 1850 drei Ausschüsse ein: neben dem „Ausschuß zur Berathung des Gesetzentwurfes betreffend die Einrichtung des Reichsgerichts“ und dem „Ausschuß zur Berathung des Gesetz-Entwurfs über das Verfahren wegen Untersuchung und Bestrafung des Hoch- und Landesverraths gegen das Reich“ den „Ausschuß zur Prüfung der Verfassungsvorlagen“, kurz: „Verfassungs-Ausschuß“ genannt, dem 21 Abgeordnete aus den sieben „Abtheilungen“ angehörten und dem Ernst von Bodelschwingh (1794– 1854) vorstand. Seine umfangreichen Beratungen waren ab 12. April Hauptgegenstände der Plenarsitzungen. Wunderlich Agathon Wunderlich (1810–1878), von 1842 bis 1847 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, vorher vier Jahre an der Universität Basel und ab 1847 an der Universität Halle, bevor er 1850 Richter am gemeinschaftlichen Oberappellationsgericht der vier Freien Städte des Deutschen Bundes in Lübeck wurde, verheiratet mit der Kaufmannstochter Henriette Sophie Elisabeth Schalburg (1817–1848). von meiner Reise erzählen Hegels Rückreise von Nürnberg nach Erfurt führte ihn (am 1. und 2. April 1850) mit der Eisenbahn über Hof, Leipzig und Halle mit Unterbrechung zwischen Plauen und Reichenbach (Bau der Göltzschtalbrücke).
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burg. Das Wetter war schon gelinder, wenn gleich ich von Culmbach an wieder ganz in die Schneeregion überging, die sich bis ins sächsische Vogtland fortsetzte. Von Leipzig an bis hier war nirgends mehr Schnee zu sehen und ich glaube, daß das Klima hier milder ist als bei Euch. In Hof, wo ich gegen 9 Uhr ankam, übernachtete ich gut im Brandenburger Haus; doch wurde ich bereits um 4 ¼ Uhr geweckt, um um 6 Uhr wieder weiter zu rutschen; den folgenden Weg machte ich im October u. zu Weihnachten zur Nachtzeit, dies Mal sah ich bei Tage das großartige Werk der Göl[tz]sch[tal]brücke bei Reichenbach, über welche die hier auf kurzer Strecke noch unterbrochene Eisenbahn geführt werden soll. Es wird sein, als wenn der Dampfwagen durch die Wolken ginget, denn die Brücke führt zwischen den Gipfeln zweier hoher Berge über das Thal und ruht auf vier übereinander gestellten hohen Bogenpfeilern. Um 3 Uhr Nachmittags kam ich nach Leipzig u. hatte unterwegs gute Gesellschaft aus Sachsen, ein Mitglied der dortigen Regierung unter Andern, mit welchem ich viel politisirte. Darauf war ich um 4 Uhr in Halle u. langte glücklich um 10 Uhr hier wieder an. Die schönen Tage in Nürnberg, mein herziges Menschenkind, sind mir vergangen wie ein wonniger Traum. Da ich sonst gar nicht mehr träume, nämlich wenn ich schlafe, so erscheint mir dieser wachende Traum doppelt reizend. Übrigens ist Deinem Scharfblick [fol. 2r] nicht entgangen, daß unsere Liebe nicht mehr, wie das erste Mal, den zauberischen Reiz der Neuheit hatte, dafür aber um so mehr die Sicherheit der Gewohnheit annahm, womit dieses zweite Wiedersehen nur auf die bleibende Vereinigung vorbereiten sollte. Was sonst der Brautstand, wenn die Liebenden sich fortwährend nahe bleiben, mehr in die Länge zieht, haben wir in die kürzeren Momente unseres vorübergehenden Wiedersehens zusammengefaßt. – An die liebe Mutter habe ich unseren Brief in Leipzig auf die Post gegeben und noch keine Antwort darauf erhalten. Deinen letzten lieben Brief an mich habe ich hier zum Empfang vorgefunden. Noch bitte ich Dich, meine süße Liebe, um Verzeihung daß ich nach unserem Abschied Deinen letzten Auftrag nicht mehr ausgerichtet: Dein lieber Hinreise über Coburg Die Eisenbahnfahrt über Coburg war erst Ende 1858 mit der Fertigstellung der Strecke der Werra-Eisenbahn von Eisenach nach Coburg möglich, während die Strecke der Thüringischen Eisenbahn von Halle über Erfurt nach Eisenach schon seit 1847 in Betrieb war. Culmbach Die zu Füßen der hohenzollerischen Plassenburg gelegene Stadt Kulmbach fand 1846 Anschluß an die königlich bayerische Ludwig-Süd-Nord-Bahn. Brandenburger Haus Gasthof „Brandenburger Haus“ in Hof, um 1825 errichtet. Göl[tz]sch[tal]brücke Die Eisenbahnbrücke über das Göltzschtal, nördlich des Ortes Netzschkau und westlich von Reichenbach im Vogtland gelegen, war 1850 noch im Bau und wurde nach fünfjähriger Bauzeit am 15. Juli 1851 eingeweiht. Der mit Ziegelsteinen errichtete Viadukt mit 29 Bögen (574 Meter lang und 78 Meter hoch) schloß die Eisenbahntrasse von Leipzig, über Plauen und Hof nach Nürnberg. Dampfwagen Metaphorischer Ausdruck für die frühe Eisenbahn mit Dampflokomotive, die auch als „Dampfroß“ bezeichnet wurde; ursprünglich Bezeichnung für das früher entwickelte Automobil, das von einer Dampfmaschine angetrieben wurde.
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Vater wird Dir gesagt haben, wie es zugegangen u. wie sehr ich es bedauert habe. Schreibe mir doch, wie Du den Nachmittag zugebracht hast u. ob Deine Freundin Dich noch abgeholt hat. Grüße die lieben Eltern von Herzen, ebenso Deine Geschwister – Mariechen geht es doch wieder ganz wohl? – auch die Großeltern, Lina u. Friedrich. Lebewohl mein süßes Menschenkind u. lieber Engel; laß Dich keine Schulterschmerzen anfechten, doch fahre fort zu lieben den, der Dich von ganzer Seele liebt, Dein Karl. Nr. 21 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 14. April 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Erfurt, 14. Mai. Mein geliebtes Engels- oder Menschenkind! Die Zeit wird mir wahrlich knapp für Dich, mein besseres Ich, zugeschnitten: doch muß ich dem Sonntag so viel abgewinnen, um Dir, wenn auch nur kurz, zu schreiben. Daß ich auch sonst alle Tage an Dich gedacht habe, selbst mitten in den wichtigsten und interessantesten Sitzungen momentan an Dich gedacht habe – ich p ege dann oft unwillkürlich Deinen Ring um meinen Finger herumzudrehen – wirst Du mir glauben, meine liebe Seele, wenn ich Dir's sage. Doch zuvörderst will ich Dir nun danken für Deinen lieben innigen Brief, welchen Du größtentheils in den ersten Tagen nach unserer Trennung schriebst und worin Du mir Deine über alles theure Liebe aufs neue bekennest. Gewiß kannst Du mir nichts Rührenderes und nichts Lieberes sagen; denn Du weißt, daß auch mein Herz Dir allein ganz gehört. Und so wird es uns auch Niemand verargen, wenn wir diese Zeit der Trennung so viel als möglich abzukürzen wünschen, wenn wir noch den Zeitpunkt unsrer Vereinigung sehnlich verlangen. Ich hoffte auf das P ngstfest; doch Deine liebe Mutter glaubt, wie Du mir schreibst, bis dahin mit Ausstattung u. Vorbereitungen nicht fertig zu werden: sollte es nicht doch möglich sein? was kann eine Woche viel ausmachen? denn schon in der drauf folgenden Woche ist Ende Mai herangekommen; und war es nicht unsere früher ausgesprochene Meinung, daß die Hochzeit Ende April oder Anfang Mai statt nden solle? – Die liebe Mutter könnte entgegnen: In einer Woche läßt sich viel beschaffen; was thut's aber Euch, wenn ihr noch eine Woche wartet! – Es thut vielleicht so viel, daß wir die Woche nach der Hochzeit noch in Nürnb[er]g bei den lieben Eltern und Verwandten zubringen könnten; 14. Mai Offensichtliches Versehen Hegels; es muß heißen: 14. April. „Mai“ ist von fremder Hand mit Bleistift durchgestrichen und darüber mit Bleistift „April“ geschrieben worden.
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während beim längeren Hinausschieben die Woche nicht mehr übrig bleiben möchte. Es kann sein, daß das hiesige Parlament mit diesem Monat zu Ende geht; dann müßte [fol. 1v] ich nach Mecklenburg zurück u. mich dort um meine Vorlesungen bekümmern, würde mir aber zu P ngsten einen Urlaub von drei Wochen geben lassen, und in diesen drei Wochen wäre dann die Reise hin, zurück, Aufenthalt in Nürnb[er]g, Aufenthalt in Berlin abzumachen. Es ist wahrscheinlicher, daß das Parlament bis in die erste, zweite Woche des Mai dauert; dann würde ich gleich von hier aus Urlaub auf drei, vier Wochen nehmen; müßte aber eine Woche oder mehr davon verlieren, in Berlin abwartend, bis ich zur Hochzeit kommen dürfte. – Auch ist das P ngstfest eine Zeit, in der auch andere, nämlich manche gewünschte Gäste, wie z. B. Manuel, wahrscheinlich leichter abkommen können als später: wie es in diser Beziehung mit Onkel Gottlieb sich verhält, werdet Ihr besser wissen als ich. – Muß denn auch die Ausstattung ganz fertig sein, bis zu Hochzeit? Wir bleiben ja gerne noch einige Tage in der Nähe, halten uns wohl 8 Tage in Berlin auf und in Rostock brauchen wir sie auch nicht gleich zur Stelle, da wir doch wohl mehrere Tage noch im Gasthofe wohnen müssen. – Doch ich will nicht weiter drängen. Deine liebe Mutter wird ja wohl gewiß Alles so machen, wie es für uns am Besten ist, und wie es an sich möglich ist. Nur zu ihrer Erwägung wollte ich meine Bedenken stellen u. werde ich gern meinerseits das Mögliche thun, ihr zu gefallen. – Die Parlamentsverhandlungen nehmen jetzt, nachdem die Ausschußberichte beider Häuser vorgelegt sind, einen raschen Verlauf. In den beiden letzten Tagen fand die große Debatte im Volkshause statt. Unser war der Sieg: Du weißt, daß ich zur Bahnhofspartei gehöre, dessen Kern die sogen[annte] Gothaer Partei bildet. Wir hatten die Annahme im Block vor der Revision beschlossen; doch so daß Beides in untrennbaren Zusammenhang gebracht wurde. Die Hauptsache war, den gegebenen Rechtsboden festzuhalten u. die Regierungen, die [fol. 2r] demselben zu entschlüpfen geneigt wä-
Onkel Gottlieb Christoph Karl Gottlieb Sigmund von Tucher (1798–1877), Bruder der Mutter Hegels und des Vaters Susanna Maria von Tuchers, Jurist, Vormund Kaspar Hausers (1812–1833), nach verschiedenen Berufsstationen 1849 Appellationsgerichtsrat in Neuburg an der Donau, am 28. Mai 1850 zusammen mit seiner Frau Thekla Freiin von GemmingenSteinegg (1813–1901) Teilnehmer an der Hochzeit Hegels mit Susanna Maria von Tucher (Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 166), 1856 Oberappellationsgerichtsrat in München, Musikaliensammler und Förderer der evangelischen Kirchenmusik. Bahnhofspartei Zusammenschluß der liberalen Politiker des Erfurter Parlaments, benannt nach dem Tagungslokal im neuen Erfurter Bahnhof. Gothaer Partei Hegel meint die ehemaligen liberalen Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49, die sich nach dem Scheitern der Paulskirchen-Verfassung vom 26. bis 28. Juni 1849 im thüringischen Gotha, der Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, mit dem Ziel versammelten, einen engeren, „kleindeutschen“ Zusammenschluß von Staaten des Deutschen Bundes zu erreichen.
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ren, daran zu binden. Gegen uns stand nicht nur die ultramontane u. die schwarzweiße Partei, auch Radowitz u. die preußischen Minister u. mit ihnen die ministerielle Mittelpartei. Wir hielten fest an unserer gerechten Sache u. unsere Schuld wird es nicht sein, wenn Preußen sich nicht stark genug fühlt, sie durchzuführen. Zur Verkümmerung u. Verstümmelung des Werks fühlten wir uns weder berechtigt noch berufen. Siegreich wurde unsere Sache verfochten von den größten parlamentarischen Talenten Deutschlands – Vincke, Gagern, Camphausen. Es wurde noch eine Anzahl Stimmen zu uns herübergezogen u. mit 26 St[immen] wurde uns die Majorität für die unbedingte Annahme der Vorlagen. Morgen beginnt die Berathung über die Abänderungsvorschläge, die wir daneben den Regierungen zur Gutheißung anbieten: wollen sie sie nicht, oder können sie sich nicht darüber vereinigen, so bleibt es bei der unveränderten Vorlage. Die Ehre der Sache u. Unsere, die der Volksvertretung, bleibt jedenfalls gewahrt, wenn auch gegenwärtig das Werk nicht zu Stande kommen könnte: aber auch die Möglichkeit des Zustandekommens ist auf keinem andern Wege besser gesichert. – Von der Gegenseite war allein Stahl ein ebenbürtiger Gegner, ausgezeichnet durch eine wundervolle Beredsamkeit, wenngleich er weit unter der staatsmännischen Überlegenultramontane [Partei] Zusammenschluß katholisch-klerikaler, „großdeutsch“ denkender, papsttreuer und preußenfeindlicher Politiker. schwarz-weiße Partei Zusammenschluß preußisch gesonnener konservativer Politiker, möglicherweise auch Abgeordnete der Fraktion „Klemme“, benannt nach einer Erfurter Gaststätte, die den Plänen Radowitz' nahestanden. Die Farben Schwarz und Weiß verweisen auf Preußen und die Hohenzollern. Gagern Heinrich Wilhelm Freiherr von Gagern (1799–1880), Jurist, Beamter und Politiker, 1848 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, dann Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, 1848/49 Reichsministerpräsident und Reichsminister des Äußeren und Inneren der Provisorischen Zentralgewalt, 1849 Mitglied des Gothaer Nachparlaments, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Hessen. – Sein Bruder Maximilian Joseph Freiherr von Gagern (1810–1889) war ebenfalls Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments (für das Herzogtum Nassau). Camphausen Gottfried Ludolf Camphausen (1803–1890), Kaufmann, Bankier und Politiker, 1848 preußischer Ministerpräsident, 1849 Bevollmächtigter Preußens bei der Provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt am Main, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die preußische Rheinprovinz. – Sein Bruder Otto Camphausen (1812–1896) war Jurist und Politiker, trat 1845 als Vortragender Rat ins preußische Finanzministerium ein, war von 1849 bis 1852 Mitglied der Zweiten Kammer des preußischen Landtages, die ihn auch für das Königreich Preußen in das Staatenhaus des Erfurter Parlaments wählte; 1869–1878 preußischer Finanzminister. Stahl Friedrich Julius Stahl (1802–1861), zur evangelisch-lutherischen Kirche konvertierter Jude, Jurist, Rechtsphilosoph und Politiker, ab 1832 Professor an den Universitäten Erlangen, Würzburg und Berlin, 1837–1839 Vertreter der Universität Erlangen in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Bayern, 1849–1854 Mitglied der Ersten Kammer des preußischen Landtags, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für den Regierungsbezirk Potsdam in der konservativen Fraktion „Schlehdorn“.
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heit eines Camphausen, und unter der charaktervollen Hoheit eines Gagern steht. Die Sitzung dauerte gestern von 10 Uhr Morgens bis Nachmittags 5 Uhr. Heute Abend wird in unserer Fraction der Schlachtplan für morgen verabredet: es ist ein förmlicher Generalstab ernannt, der die Rollen während des Kampfes vertheilt, um jedem Gegner einen überlegneren entgegenzustellen. Du erwähnst der in Mecklenburg vorgegangenen Veränderung [sic!]. Dies Mal hat der N[ürnberger] Correspondent Dich nicht getäuscht. Die traurige Geschichte ist wahr u. berührt mich sehr nah. Durch eine elende Cabinetspolitik des Königs von Preußen, der seinen Kopf darauf gesetzt hatte, der Sache der renitenten [fol. 2v] Partei u. des strelitzschen Hofes in Mecklenburg zum Siege zu verhelfen, wurde der Großherzog zur Unterwerfung gebracht. Es wäre ebenso gut gewesen, wenn er geradezu abgedankt hätte; er wird jetzt das ganze Land gegen sich haben; auch hat er noch kein Ministerium gefunden, welches auf dem neuen Wege des Verderbens mit ihm zu gehen geneigt wäre; die renitente Ritterschaft selbst scheint ein Gefühl davon zu haben, daß sie die Sache nicht halten kann. Der Großherzog setzte seine Hoffnung auf den preußischen Unterhändler, den Grafen Bülow; aber auch der wehrt sich noch fortwährend gegen die Annahme des Ministeriums; er würde eine Stellung haben, wie Hassenp ug in Kurhessen. – Meinestheils bin ich froh, daß ich dies Elend nicht in der Nähe mit [sic!] Es muß wohl heißen: Du erwähnst die in Mecklenburg vorgegangene Veränderung. N[ürnberger] Correspondent Vgl. „Zweite Beilage zu Nr. 100 des Korrespondenten von und für Deutschland, Nürnberg, Mittwoch 10. April 1850, Abend-Ausgabe“, S. 819 unter „Neueste Nachrichten“. eine elende Cabinetspolitik des Königs von Preußen Hegel spielt auf die preußische Ein ußnahme in Mecklenburg-Schwerin an, die dessen Großherzog Friedrich Franz II. gegen seine Überzeugung am 4. April 1850 veranlaßte, der gemäß dem Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 gewählten Abgeordnetenkammer ihre Arbeit zu untersagen. renitente Partei Agierte im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin gegen die Politik des Großherzogs. strelitzschen Hofes Der erzkonservative Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) war ein entschiedener Gegner der Revolution von 1848, lehnte das mecklenburgische Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 für seinen Landesteil ab und hielt an der altständischen Verfassung Mecklenburgs fest. Grafen Bülow Hans Adolf Karl Graf von Bülow (1807–1869), Beamter im preußischen Außenministerium, von 1850 bis 1858 Erster Minister Mecklenburg-Schwerins in der Nachfolge von Lützows. Hassenp ug Hans Daniel Ludwig Friedrich Hassenp ug (1794–1862), Jurist und konservativer Politiker, der unter Friedrich Wilhelm I. von Hessen (1802–1875) im Februar 1850 kurhessischer Staatsminister des Innern und der Justiz wurde und 1852 eine neue hessische Verfassung vorlegte, die die entschieden liberale kurhessische Verfassung von 1831 ablöste. Kurhessen Anachronistische Bezeichnung für das Kurfürstentum Hessen nach der Erhebung Landgraf Wilhelms IX. von Hessen-Kassel (1743–1821) im Jahre 1803 zu Kurfürst Wilhelm I., denn mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 erloschen sämtliche kurfürstliche Befugnisse, wie sie in der Goldenen Bulle von 1356 grundgelegt waren.
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anzusehen brauche; u. wenn ich heim gehe, nehme ich Dich, mein geliebtes Wesen, mit mir u. das häusliche Glück, welches Du mir bereiten wirst, wird mir den süßesten Trost gewähren in dem öffentlichen Unglück. – An dem Unfall, welchen Friedrich betroffen, nehme ich nahen Antheil, wenngleich ich ihm an sich keine große Bedeutung beilege. Herzlich freue ich mich über die guten Fortschritte Mariechens in ihrer Besserung. Nicht gleich gute Nachrichten habe ich von der lieben Mutter, so wie von Manuel, über ihr Be nden: ich lege ihren Brief, der zugleich für Euch bestimmt ist, bei. – Nun mein einzig geliebtes Menschenkind drücke ich Dich noch einmal zum Abschied an meine Brust u. sage Dir von Herzen Lebewohl. Möge der stille Frieden unserer Liebe Deine Seele fort u. fort beglücken u. liebliche Gedanken sie erheitern. Ich muß fort in das politische Getümmel unserer Fraction. Grüße die lieben Eltern u. Geschwister herzlichst, Friedrich u. Lina, die theuren Großeltern, Kieser, Deine Freundin Luise, Tante Fritz u. Tante Beyerlein von Deinem treuen Karl. Sonntag Abends. Nr. 22 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 20.–21. April 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Erfurt, 20. April 50. Mein geliebtes Susettchen! Ich hätte Deinen lieben letzten Brief schon gestern beantwortet, wenn ich nicht durch einen neuen Besuch meines Freundes Wunderlich aus Halle, der zwei Tage bei mir wohnte, daran verhindert worden wäre. Der Freund verließ mich gestern Mittag in Erfurt, drang aber in mich, daß ich ihn noch bis Cösen, welches zwischen Weimar und Naumburg liegt, begleiten sollte u. ich gab seiner dringenden Bitte nach, fuhr auf der Eisenbahn zwei Stunden bis Cösen – es war herrliches Frühlingswetter u. die Bäume fangen schon an zu grünen; – dort ist das freundliche Friedrich Friedrich Karl Alexander von Grundherr (1818–1908), Ehemann Linas von Schwarz. lege ihren Brief Der Brief von Hegels Mutter, datiert Berlin, 8. April 1850, liegt im Original bei. Sonntag Abends. 14. April 1850. bis Cösen Fahrt auf der 1846/47 in Betrieb genommenen Eisenbahnstrecke von Erfurt über Weimar und Weißenfels nach Halle. Das romantische Saaletal nördlich von Jena wurde mit
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Thal der Saale von einer doppelten Bergkette eingefaßt, welche auf der Innenseite mit Weinstöcken bep anzt ist; wir bestiegen die Rudelsburg, eine alte wohlerhaltene Ritterburg, von welcher aus man einen schönen Blick über das ganze Thal bis in die weite Ferne gewinnt, gingen an dem Ufer des Flusses, einen anmuthigen Wiesenpfad entlang, zurück nach Cösen, ruhten da ein wenig auf einem schönen freien Platze aus u. setzten dann unseren Weg fort nach der alten Schulpforte, wo mein Freund, ein Zögling dieser berühmten Schule, seine Jugenderinnerungen auffrischte, u. weiter nach Naumburg, wo wir uns endlich trennten, indem uns die Eisenbahn in entgegengesetzter Richtung, ihn nach Halle, mich nach Erfurt – ich kam um ½ 12 Uhr in der Nacht an – zurückführte. Du hast Recht, mein Herzens Susettchen, daß ich mir Unrecht that, als ich Dir sagte, daß wohl auch ein Tag verginge, ohne daß ich an Dich dächte: Als ich dies sagte, muß entweder mein Gedächtniß schwach gewesen sein, oder ich hatte mich nicht so darauf beobachtet, wie jetzt. Denn meine genauere Beobachtung ergiebt vielmehr, daß kaum eine Stunde vergeht, wo meine Gedanken nicht bei Dir sind, und es macht dabei keinen Unterschied, ob ich bei der Arbeit oder im Parlamente sitze, ob ich spazieren gehe oder mich mit meinen Freunden über die Politik unterhalte: immer tritt mir Dein liebes Bild dazwischen vor die Augen; besonders aber, wenn ich andere junge Frauen oder Mädchen sehe, wozu sich mitunter bei Tische oder Nachmittags auf dem Spaziergange u. auf dem Steiger, wo wir öfters den Caffe trinken, die Gelegenheit bietet. Denn je länger das Parlament dauert, um so zahlreicher ndet sich auch der liebenswürdigere Theil des Menschengeschlechts ein, u. wenn ich diesen hier erblicke, kann ich den Wunsch nicht unterdrücken, daß ich gleichfalls schon mein liebenswürdiges Anhängsel – verzeih' den geringfügigen Ausdruck, Du weißt doch, daß Du meine Hauptsache bist – mir zur Seite sehen möchte. Und um so passender wäre dies, als die Geschäfte des Parlaments sich dergestalt vertheilen, daß auf die Arbeitstage immer wieder mehrere Ruhetage, wie eben jetzt, folgen, wo man sich so eines lieben Menschenkindes ungetheilt erfreuen könnte. Das Parlament ist heute größtentheils nach Weimar u. Cösen ausge ogen. Ich bin zu Hause geblieben, weil ich die Fahrt bereits gestern gemacht u. ich habe nicht Ursache, dies zu bereuen, da, abgesehen von dem schöneren Wetter des gestrigen Tages den beiden südlich von Kösen gelegenen Burgruinen Saaleck und Rudelsburg in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum bevorzugten Ziel studentischer Aus üge von Jena, Leipzig und Halle aus und fand literarischen Niederschlag in einem der berühmtesten Studentenlieder dieser Zeit: „Dort Saaleck, hier die Rudelsburg“. Schulpforte Zwischen Kösen und Naumburg an der Saale gelegenes Zisterzienser-Kloster aus dem 12. Jahrhundert, in dem Herzog (ab 1547 Kurfürst) Moritz von Sachsen (1521–1553) im Jahre 1543 eine von drei sächsischen Fürstenschulen gründete, das Internatsgymnasium Pforta. Steiger Bezeichnung für den Steigerwald im Stadtgebiet von Erfurt, einem beliebten Ausugsziel und Naherholungsgebiet für Einheimische und Gäste.
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[fol. 1v] ich heute morgen durch den Besuch meines lieben Freundes Gervinus überrascht wurde. Mit ihm war ich dann zu Mittag u. auf dem gewöhnlichen Spaziergang am Nachmittag zusammen, kam um 7 Uhr nach Hause u. fand da auf meinem Tische einen Brief von – Manuel. Zur abermaligen Bestätigung der alten Erfahrung, daß Glück und Unglück nicht allein kommet, sondern zum Glück das Glück und zum Unglück dasselbe, las ich hier gleich zu Anfang, daß das Be nden meiner lieben Mutter in den letzten Tagen so gute Fortschritte gemacht hat, daß sie es wagen konnte mit Elisens Hülfe die Treppe hinunter und in den Garten zu gehen, wo sie eine Zeit lang die frische Luft einsog und darauf ebenso wieder die Treppe hinaufstieg; und doch hatte sie nur kurz zuvor einen ziemlich heftigen Anfall von Grippe u. Husten zu überstehen gehabt. Das ist mir eine große unerwartete Freude, für die ich dem Himmel von ganzem Herzen danke und die mir eine weitere gute Hoffnung zur völligen Wiederherstellung der lieben Mutter gewährt. Ich weiß, liebes Susettchen, daß Du mit mir hieran den innigsten Antheil nimmst. – Unsere Sitzungen dauerten vom Donnerstag, d[en] 12. [April] bis gestern Freitag fort u. wurde in denselben das Hauptgeschäft des Parlaments, die Annahme u. Revision der Verfassung, vom Volkshause erledigt; das Staatenhaus ist bis heute ebenso weit gekommen, so daß jetzt nur noch die besonderen, auf das Reichsgericht bezüglichen, Vorlagen für die fernere Berathung übrig bleiben. Wenn keine unerwartete Verzögerung eintritt, werden alle Geschäfte des Parlaments in 14 Tagen erledigt sein. Recht sehr freute mich daher, mein einziges Menschenkind, Deine letzte Mittheilung, welche mir die Hoffnung giebt, daß auch unsere Vereinigung dann nicht länger als um weitere 14 Tage hinausgeschoben werden dürfte. Denn nach Rostock möchte ich ohne Dich nicht wieder kommen, u. würde ich mich eher dazu entschließen (falls mir auf so lange Urlaub ertheilt würde), wenn es länger dauern sollte, nach Paris oder sonst wohin zu reisen, bloß um die Zwischenzeit nicht unnütz zu verliegen. Aber ich hoffe noch, es wird sich so einrichten lassen, u. die liebe Mutter wird gewiß ein Übriges dazu thun, daß wir unsere Hochzeit zu P ngsten feiern können, daß ich an einem P ngsttage in mein neues Leben eintrete, gleichwie ich an einem P ngsttage zuerst das Licht dieser Welt erblickte. Wozu noch viele Vorbereitungen und Zurüstungen? je einfacher die Feier im Familienkreise sein wird, um so erwünschter wird es uns sein, mein liebes Susettchen, weil wir uns dann ihrer rechten Bedeutung umso ungestörter bewußt werden können; und die verwünschte Ausstattung kann ja nachkommen, sobald sie kann; auf die Reise nehmen wir sie fürs erste doch nicht mit. – Schreibe mir doch, wie es mit der kirchlichen Proclamation steht? wenn wir die Aussicht auf P ngsten festhalten wollen, so müßte sie spätestens am nächsten Sonntag den Anfang nehmen. P ngsten 19. und 20. Mai 1850. kirchliche Proclamation Öffentliche Verkündigung einer beabsichtigten Eheschließung im Gottesdienst in der Kirche der Heimatgemeinde. Dieses kirchliche Aufgebot wurde an drei Sonntagen hintereinander bekannt gemacht.
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[fol. 2r] 21. April. Sonntag Morgens. Ich bin gestern Abend noch in den Gasthof beim Bahnhof gegangen, um Gervinus dort zu treffen, und sende Dir jetzt noch einen Morgengruß, mein herzliebstes Susettchen. – Die Sitzungen sind seit Freitag bis zum Dinstag ausgesetzt, u. Mittwoch ist wieder ein Feiertag, nämlich ein Bettag. Da die Sitzung am Dienstag ohne erhebliche Bedeutung ist u. mit gutem Gewissen versäumt werden könnte, so war ich in der Versuchung, diese Tage in Berlin zuzubringen, wohin man von hier aus in einer einzigen Nacht gelangt. Doch ich habe es unterlassen, theils um noch länger mit Gervinus zusammen zu sein, theils weil ich erwarte, daß ich vor meiner Hochzeitsreise noch einige Tage dort verweilen werde. Die Parlamentssession hat in den vergangenen 8 Tagen von Freitag, d[em] 12. [April] an den Höhepunkt des Interesses erreicht: aber an diesem Freitag u. am Sonnabend fand die Hauptdebatte im Volkshause über die Annahme der Verfassung im Ganzen statt. Der Feldzugsplan ward in unserer Fraction an jedem Abend vorher festgestellt, nachdem man sich in dieser selbst über die vorliegenden Fragen vorher geeinigt hatte. Die Gegner aus den drei anderen Fractionen konnten unsrer Partei, außer dem einzigen Stahl, kaum einen Redner entgegenstellen, der der Aufgabe völlig gewachsen war. Zugleich war man unsererseits entschlossen so schnell als möglich zum Ende zu kommen. Die Sitzungen dauerten lang, von morgens 10 Uhr bis Nachm[ittags] 4 u. 5 Uhr; dann ging man zum Essen u. hatte nur wenig Zeit sich in der frischen Luft zu erholen, da die Fractionssitzung zur Vorbereitung auf den folgenden Tag schon um 7 Uhr wieder den Anfang nahm u. bisweilen bis über 11 Uhr in der Nacht fortdauerte. Nach solchen Anstrengungen sind mir die jetzt eingetretenen Ruhetage wirklich sehr wohltuend. – In meiner mecklenburgischen Heimat wird sichs vielleicht doch noch besser machen, als ich anfangs fürchtete. Das neue Ministerium, welches der Großherzog ernannt hat u. an dessen Spitze der Graf Bülow aus Preußen berufen worden, gehört nicht gerade der äußersten reactionären Partei an, sondern steht etwa in der Mitte zwischen dieser u. dem bisherigen; u. ich glaube immer noch, daß es dem Großherzog, wie er es aufs neue in seiner Ansprache verheißt, ernstlich um einen gedeihlichen Fortschritt im Innern zu thun ist. –
Bettag Mittwoch, 24. April 1850. Hochzeitsreise Hegels Reise zu seiner Hochzeit in Nürnberg. drei anderen Fractionen Neben der Fraktion der „Bahnhofspartei“ gab es noch die Fraktionen „Schlehdorn“, „Klemme“ und „katholische /katholisch-klerikale Abgeordnetengruppe“. neue Ministerium Dem neuen mecklenburgisch-schwerinschen Ministerium gehörten neben Hans Graf von Bülow als Vorsitzendem der Rostocker Oberappellationsgerichtsrat August Wilhelm von Schröter (1799–1865) als Staatsrat für Justiz und Kultus sowie Heinrich Adolf Dietrich von Brock als Finanzminister an.
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Von Herzen grüße ich die lieben Eltern u. Geschwister. Das schöne Frühlingswetter, welches Ihr im Garten unmittelbar aus der Hand der Natur genießet, wird sicherlich auch zu Mariechens schneller Wiederherstellung viel beitragen. Die liebe Mutter bitte ich noch besonders um Verzeihung wegen meines etwas ungestümen Drängens, welches jedoch in den Verhältnissen zumeist Entschuldigung nden wird. Grüße Deine Freundinnen Lina u. Luise von Deinem Liebsten. Von ganzer Seele grüße ich Dich viel tausendmal meine innig geliebte Susette. Ich fühle es immer mehr, daß Du ein Theil von mir selbst bist, u. ich verlange sehnlichst nach Dir mit einem Herzenszuge, der beständig in meinem Innersten bohrt u. mir eine süße Qual bereitet. Ist es bei Dir auch so, mein süßes Liebchen? Doch fassen wir uns noch ein paar Wochen in Geduld, u. die Qual wird sich ganz in Wonne der Liebe [auflösen]. So leb denn wohl, mein Herzenskind! Dein treuer Liebster Karl. Nr. 23 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 26.–27. April 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] 26. April. Morgens. Als ich gestern Abend, wie es die hiesige Lebensweise mit sich bringt, um Mitternacht nach Hause kam, fand ich zu meiner innigen Freude, mein heiß geliebtes Susettchen, Deinen theuren Brief, dessen Lesung mich mit Wonne u. Dank für Deine Liebe erfüllte u. mein sehnliches Verlangen nach Dir aufs neue verstärkte. – Vor Allem erfreute mich daher die zuversichtliche Aussicht, die Du mir eröffnest, daß wir zu P ngsten an das Ziel unserer Wünsche oder vielmehr an den Anfang unserer neuen vereinigten Lebensbahn gelangen sollen; denn wenngleich auch das mir noch fast unerträglich lang erscheint, so habe ich selbst doch meine Wünsche bis zu diesem Termine bereits ermäßigt, ehe ich noch dachte, daß nicht die Dauer des Parlaments, sondern allein die Ausstattung eine solche Verzögerung nöthig machen würde. Darum will ich gern erkennen, daß ich der lieben Mutter in aller Weise zu danken habe, wenn sie nun doch
Luise Luise von Schwarz (1826–1881), Tochter Jeannots von Schwarz (1802–1885), Jugendfreundin Susettes. [auflösen] Text teilweise zerstört (Rückseite des abgerissenen Siegels).
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nicht auf einem noch weiter hinausgesetzten Zeitpunkt bestehen will, der mich wirklich in Verlegenheit bringen würde – abgesehen von allen bloßen Wünschen. Denn das Parlament wird nun schon in wenigen Tagen, sicher vor Ende dieses Monats, zum Schluß kommen; und von meiner Seite stünde dann nichts mehr entgegen, sofort zu Dir zu eilen u. Dich, mein innig geliebtes Menschenkind, heimzuführen. Wie die Sache aber bei Euch steht, muß ich nun sehen, wie ich die noch bevorstehenden drei Wochen auf andere Weise hinbringe, und werde ich nicht umhin können, noch einmal ohne Dich nach Rostock zurückzukehren, weil der Anfang der Vorlesungen da ist u. ich keinen genügenden Grund anführen kann, um schon von jetzt an, auf so lange Zeit als dann noch erforderlich ist, Urlaub von meiner Regierung zu begehren. Wirklich habe ich auch wenig Lust, mich vorher noch weiter in der Fremde umherzutreiben, ohne Dich, mit der mir das Reisen eine Lust wäre. Ich werde also von hier zuvörderst nach Berlin gehen, dort etwa zwei Tage bleiben, dann weiter nach Schwerin, wo ich mir den Urlaub auf 3–4 Wochen für die Zeit um P ngsten erbitten will, und zurück nach Rostock, um dort noch die anderen vierzehn Tage abzuwarten, bis ich kommen darf, um Dich, meinen geliebten Engel in Susettchens Gestalt, abzuholen. 27. April Morgens. Ich konnte meinen Brief gestern nicht weiter fortsetzen, weil ich am ganzen Tage keine Zeit mehr dazu fand. Nach der Sitzung fand nämlich ein Mittagessen im Schützenhause statt, an dem die größere Zahl unserer politischen Freunde – wohl über 200 – Theil nahm. Es waren da viele große und gefeierte Namen von Deutschland beisammen, u. es wurde manches schöne Wort über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Deutschland gesprochen, welches die Hörer begeisterte. Vor Allem aber ergreifend war eine Rede von Gagern, worin er die ihm dargebrachten Huldigungen des Grafen Dyhrn in einer Weise ablehnte, welche ebensowohl seine aufrichtige Bescheidenheit als den Adel seiner Seele, die Tiefe seines Gemüths [fol. 1v] und die Größe
Anfang der Vorlesungen Für das Sommersemester 1850 hatte Hegel angekündigt: „D. Carolus Hegel, P. P. O., 1) publice de civitate historice disseret bis p. h.; privatim 2) historiam recentioris aevi inde ab initio saeculi XVIII tradet quater p. h.; 3) historiam medii aevi quaternis diebus enarrabit.“ (UA Rostock: Index Lectionum in Academia Rostochiensi, Sommersemester 1850, S. 15). Schützenhause In der Nordostecke des Erfurter Steigerwaldes (Steiger) gelegen: Schützenhaus-Straße 1 (heute etwa Schützenstraße 4). Dyhrn Konrad Adolf Graf von Dyhrn (1803–1869), Gutsbesitzer in Schlesien, Politiker und Dichter, Mitglied der Vereinigten Landtage Preußens 1847 und 1848, war von 1849 bis 1852 Mitglied der Zweiten Kammer des preußischen Landtages, die ihn auch für das Königreich Preußen in das Staatenhaus des Erfurter Parlaments wählte; ab 1854 Mitglied des preußischen Herrenhauses.
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seines Charakters erkennen ließ. Wenn er als Redner manchem Anderen, die wir unter uns zählen, nachsteht und in der gewöhnlichen parlamentarischen Debatte mitunter übertroffen wird, so erreicht ihn doch keiner in der Wirkung, die er auf die Gemüther der Menschen hervorbringt, wenn jene anderen Eigenschaften seines Charakters im vollen Lichte heraustreten. So zeigte er sich mir gestern zum ersten Mal u. so verstand ich zuerst, warum unsere Nation ihn eine Zeit lang auf die Spitze ihrer Hoffnungen stellte. Ein Stern erster Größe in wahrer parlamentarischer Beredsamkeit ist Riesser, von dem wir vorgestern eine seiner schönsten Reden hörten. Auch als Mensch zeichnet er sich durch unbefangene Liebenswürdigkeit aus u. wenn man es nicht wüßte, daß er Jude ist, so würde man es sicherlich nicht an irgend einem Zuge seines Benehmens oder seines Charakters erkennen. Ich saß gestern neben ihm und neben Duckwitz aus Bremen, den früheren Handelsminister des Reichs, einem anspruchslosen Manne, der die verdiente Hochachtung seiner Vaterstadt wie von Deutschland besitzt. Gervinus ist noch immer hier, aufgesucht von seinen zahlreichen Freunden, die in gleicher Gesinnung mit ihm für die deutsche Sache gestrebt haben und ihm vielfache Anregung verdanken. So kann ich seiner nur selten habhaft werden bei Tische oder auf dem Nachmittagsspaziergange, wo wir mehrere Male auf dem Steiger zusammengetroffen sind. Doch war ich an zwei Abenden dieser Woche mit ihm, mit Beseler u. Wunderlich, der seinetwegen wiederum von Halle herüberkam, bei Dahlmann's zusammen. Frau Dahlmann, die mir von jeher ihre besondere freundschaftliche Theilnahme gezeigt hat – sie ist eine Frau von vielem Geiste und anregender Lebendigkeit – wünschte Dein Bild zu sehen und brachte ich ihr es an einem dieser Abende mit. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte Dich selbst mitbringen können, mein liebes, gutes Susettchen. – Der allgemeinen Erwartung nach wird das Parlament am nächsten Dienstag, 30. April, geschlossen d[as] i[st] auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Nachdem der Reichstag seine Aufgabe gelöst hat, wird es nun an den Regierungen sein, die Ausführung des Bundesstaats durch die Einsetzung der Bundesregierung anzubahnen. Zur
Riesser Gabriel Rießer (1806–1863), Jurist und Publizist, 1848 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, 1848/49 der Frankfurter Nationalversammlung, 1849 des Gothaer Nachparlaments, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für die Freie und Hansestadt Hamburg. Duckwitz Arnold Duckwitz (1802–1881), Kaufmann und Politiker, von 1841 bis 1848 Senator der Freien und Hansestadt Bremen, 1848 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, 1848/49 Reichshandels- und zeitweise Reichsmarineminister, 1849 Mitglied des Gothaer Nachparlaments, 1850 Mitglied des Staatenhauses des Erfurter Parlaments für die Freie und Hansestadt Bremen; danach Inhaber verschiedener hoher Ämter in seiner Heimatstadt. Frau Dahlmann Wilhelmine Albertine Louise Dahlmann, geb. von Horn (1800–1856), zweite Ehefrau des Historikers Friedrich Christoph Dahlmann.
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Vereidigung des Bundesvorstands, d. i. des Königs von Preußen, auf die Verfassung wird das Parlament, wenn nicht ein anderer neu gewählter Reichstag, wieder einberufen werden. Es ist auch die Rede davon, daß das gegenwärtige Parlament, mit dem die Regierungen alle Ursache haben zufrieden zu sein, obwohl es zunächst nur zur Vereinbarung der Verfassung [fol. 2r] berufen war, weiterhin zum ordentlichen Reichstag erklärt werden soll. In diesem Falle wäre ich als Mitglied des Volkshauses auf vier Jahre gewählt. Da aber alles dieses noch sehr ungewiß u. selbst im Rathe der Regierungen noch unbestimmt ist, so lassen sich daran noch keine persönlichen Aussichten, Pläne oder Entschlüsse anknüpfen. – Morgen am Sonntage wird eine große Zahl von Abgeordneten unserer Partei – es sind bereits über 100 angemeldet – eine gemeinsame Fahrt nach Eisenach unternehmen u. werde auch ich daran Theil nehmen. Ich wünsche nur, daß das Wetter günstig sein möchte; für heute läßt es sich kalt und unfreundlich an. – Wenn am Dienstag geschlossen wird, so reise ich am Mittwoch nach Berlin. Diesen Brief mein liebes Susettchen, wirst Du am Montag erhalten u. kann ich daher nicht wohl mehr hier eine Antwort darauf von Dir erwarten; darum bitte ich Dich, mir Deinen nächsten Liebesbrief nach Berlin abzusenden u. zwar wo möglich ihn am Dienstag Vormittag auf die Post zu geben; ich antworte Dir dann von Berlin aus. Da ich nun doch nach Rostock zurück gehen muß, so wäre es wohl ganz gelegen, wenn das schon öfter besprochene Bier während der Zeit meines dortigen Aufenthalts ankommen könnte. Allein es fragt sich, ob es nicht auch noch um die Zeit, wenn Deine Ausstattung nach Rostock abgehen soll, versandt werden könnte. Der liebe Kieser wird das am besten beurtheilen können u. stelle ich es daher seinem Ermessen völlig anheim, ob er die Gefälligkeit haben will, mir das Fäßchen sofort zu schicken (unter meiner Adresse in Rostock – Mecklenburg) oder ob er meint, daß gar keine Gefahr dabei sei, dies noch um vier Wochen aufzuschieben. Von meiner lieben Mutter habe ich noch keine weitere Nachricht, auch bin ich noch nicht dazu gekommen, wieder an sie zu schreiben. – Sehr leid that es mir zu vernehmen, daß die liebe Lina unwohl gewesen; hoffentlich ist das nun vorbei! Grüße sie u. Friedrich herzlichst: ebenso unsere lieben Eltern, Großeltern u. Geschwister. Lebe wohl, meine süße Liebe, mein theuerstes Susettchen. Gedulden wir uns noch ein paar Wochen, da es so sein muß, in der frohen Aussicht auf die ersehnte Vereinigung. Denk' an mich, meine einzig Geliebte. Dein Karl.
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Nr. 24 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Erfurt, 30. April/Berlin, 2.–3. Mai 1850 An Fräulein Susette v. Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Erfurt, 30. April 50. Meine theuerste Liebe! Auf Freud' folgt Leid. Heute morgen wurde ich hier durch die Trauerbotschaft aus Berlin überrascht, welche auch Dir bereits von dorther kund geworden sein wird. Schon gestern habe ich meine Ankunft bei der lieben Mutter angemeldet und freute mich auf ein frohes Wiedersehen, da ich noch voll Glück war über die letzten guten Nachrichten, die ich Dir mitgetheilt. Diesen Schlag hatte ich am wenigsten erwartet. So ist denn dieses frische und frohe Kindesleben in der rosigsten Blüthe von dem unerbittlichen Todt dahingerafft worden, die Freude und Hoffnung der liebenden Eltern gebrochen. Die liebe Mutter und Manuel haben mir rührende Briefe geschrieben, die mich tief ergriffen. Mit aufrichtiger Frömmigkeit suchen u. nden sie Trost bei der Güte unsres allmächtigen Vaters im Himmel, dessen Wege nicht immer die unsrigen sind, dessen Thun aber das vollkommene ist. Mehr als Alles mahnt uns ein solcher Fall, meine innig Geliebte, unser Glück nur in die Hand Gottes zu legen und von ihm zu empfangen, und uns vorzubereiten auf die Schmerzen des Lebens, die auch uns in der Zukunft nicht werden erspart bleiben. Gewiß werden aber auch Manuel u. Friederike erfahren, daß ein so tiefer Schmerz, gemeinsam getragen, zugleich ein tieferer Grund für ihre Liebe wird. Ich eile zu ihnen und reise heute Abend von hier an, um morgen früh in Berlin einzutreffen. Auch die Besserung der lieben Mutter scheint nur eine vorübergehende Täuschung gewesen zu sein; sie schreibt, daß das Bein wieder länger geworden u. allem Anschein nach aus dem Gelenk ausgetreten sei. So ist auch hier die Hoffnung sehr in die Ferne gerückt! Mit doppelter Trauer im Herzen, das Dich liebt, verlasse ich Erfurt. Die Sitzungen wurden gestern Montag Nachmittags geschlossen, doch die Wiedereinberufung des Parlaments vorbehalten. Ohne von dem Unglück, das die Meinigen u. mich betroffen, etwas zu ahnen, habe ich in den letzten Tagen weniger in Geschäften und Arbeiten als in geräuschvoller Festlichkeit verlebt. Am Sonntag machten wir die Ausfahrt nach Eisenach, bestiegen die Wartburg, speisten in Reinhardtsbrunn, einem lieblichen Aufenthaltsort mitten im Grün der Wiesenthäler und Bergwaldungen, Trauerbotschaft Nachricht vom Tode Auguste (Gustli) Hegels (1846–1850), Karl Hegels Nichte, die am 27. April an der „Bräune“ (Diphtherie) gestorben war. Wartburg Burg oberhalb der Stadt Eisenach am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes. Reinhardtsbrunn Im südöstlich von Eisenach und südwestlich von Gotha gelegenen Ort Reinhardsbrunn befand sich mit dem im 11. Jahrhundert gegründeten Benediktinerkloster
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und fuhren über Gotha zurück. Gestern war dann noch ein Abschiedsmahl in einem hiesigen Garten, wo Häusser aus Heidelberg ein Faß Wein zum Besten gab. Mit Kummer denke ich jetzt daran, daß ich in Lust u. Freuden die Tage zubrachte, in denen die Meinigen in Berlin die Nächte in Angst u. Sorge durchwachten, bis endlich die letzte Befürchtung zur schrecklichen Wirklichkeit wurde. Heute wird das liebe Engelskind zur Erde bestattet; ich sehe noch das Lächeln der Unschuld auf seinen rosigen Wangen. – Von Berlin aus schreibe ich Dir weiter, meine theuerste Geliebte, wie ich die Meinigen dort angetroffen, und erwarte dort von Dir einen Brief. [fol. 1v] 2. Mai. Berlin. Heute morgen habe ich Deinen lieben Brief empfangen, mein theuerstes Susettchen! Als Du ihn schriebst, wußtest Du noch nichts von der Trauer, welche uns hier umfängt. – Ich traf gestern früh hier ein. Wir weinten bittere Thränen zusammen. Meiner lieben Mutter war das liebe Kind ganz besonders ans Herz gewachsen, u. so groß ihre Freude an ihm gewesen, so groß ist nun auch ihr Leid. Manuel u. Friederike tragen ihren schweren Kummer in herrlicher Fassung. Am Tage vor meiner Ankunft, an demselben Tage, da ich die Nachricht unsres unersetzlichen Verlustes in Erfurt erhielt, hatten sie das süße Kindchen zur Erde bestattet. Es soll auch im Tode noch überaus lieblich ausgesehen haben; nur daß an die Stelle der Rosen auf seinen Wangen die kalte Marmorblässe, die den lächelnden Ausdruck in einen ungewöhnlichen Ernst verwandelte, getreten war. Die liebe Mutter, der es vergönnt wurde, das Kind noch am Tage vor seinem Tode auf ein paar Stunden zu sehen, hat es wiederum nach dem Tode gesehen, und der schöne Anblick desselben hat den Schmerz nicht aufgeregt, sondern beruhigt. Af nger hat das Köpfchen in Gyps abgeformt u. wird es danach modelliren. Alle, die das liebe Kind gekannt, sagen, daß sie kaum ein lieblicheres gesehen, u. Viele theilen mit uns die Trauer um seinen Verlust. Das Leiden meiner lieben Mutter ist nicht gerade schlimmer geworden, obwohl der Fuß sich etwas ausgedehnt hat u. sie denselben deshalb nur wenig gebrauchen darf. Es scheint leider gewiß, daß das Bein aus dem Hüftgelenk herausgetreten ist, und bedarf es nun einer langen Zeit, bis es sich wieder in einer anderen Lage befestigt hat. Dazu ist fortgesetzte Schonung und Geduld nöthig. Wäre der lieben Mutter auf ihrem das Hauskloster der Landgrafen von Thüringen, auf dessen Ruine 1827 ein Schloß errichtet wurde. Häusser Ludwig Häusser (1818–1867), Historiker und Publizist, von 1849 bis 1867 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, 1848–1850 Mitglied der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Großherzogtums Baden, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Baden. Af nger Bernhard A nger (1813–1882), aus Nürnberg stammender Bildhauer, der ab 1840 in Berlin wirkte.
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Krankenlager nur der neue tiefere Schmerz, der ihr so sehr ans Herz greift, erspart geblieben! Gerne wollte sie für sich auf den liebsten Wunsch ihres Herzens verzichten, die geliebten Geschwister in Nürnberg wiederzusehen u. bei unserer Trauung zugegen zu sein, wenn sie es dadurch möglich machen konnte, daß Friederikchen dort ihre Stelle verträte. Davon ist nun nicht mehr die Rede, denn Friederike kann ihre Gustli nicht mehr bringen, u. auch ihr jüngster kleiner Sohn macht ihr Sorge: doch hoffe ich noch, daß Manuel mich begleiten wird; und ich wünsche es besonders auch seinetwegen, da ihm eine Erholung sehr nöthig ist. – Was unsern Hochzeitstag betrifft, geliebtes Susettchen, so kann ich nicht umhin, trotz der entgegenstehenden Gründe, aufs neue den dringenden Wunsch auszusprechen, daß wir den P ngstmontag, d[en] 20. Mai festhalten möchten. Je länger wir den Termin hinausschieben, desto mehr Zeit geht mir vor demselben verloren und desto mehr wird mir die Zeit nachher, wo wir sie gern noch übrig hätten, verkürzt. Allerdings gehe ich nun nach Rostock zurück, u. mit Recht bemerkt Deine liebe Mutter, daß ich dort noch Manches vorbereiten u. ordnen kann zu Deinem Empfang. Aus diesem Grunde thue ich es gerne. Allein mein eigener Haushalt ist in der neuen Wohnung so wenig eingerichtet, daß ich kaum drin wohnen kann, und es fehlt mir selbst an der nöthigsten Aufwartung, da kein Mädchen im Hause ist, um mich zu bedienen. Indessen werde ich mich so gut, wie möglich, einzurichten suchen, u. wenn es in der eignen Wohnung nicht sein kann, so lange bei einem Freunde bleiben. So würde ich dort 8 bis 10 Tagen bleiben u. alles im Hause besorgen, so weit es [fol. 2r] vorläu g geschehen kann. Doch das für uns gemiethete Mädchen kann ich nicht kommen lassen, weil ich sie erstens nicht unterzubringen wüßte, da ich kein Bette für sie habe, zweitens auch noch mit der Beköstigung, ich weiß nicht wie, für sie sorgen müßte, endlich drittens sie nachher wieder zu Hause reisen lassen müßte, da sie in Rostock nicht bleiben kann. Ich selbst hätte weder die ungestörte Muße, noch die nöthige Bequemlichkeit u. Lust, mich mit einer ernstlichen Arbeit zu beschäftigen, muß also meine Zeit, in so weit sie nicht durch jene Besorgungen in Anspruch genommen wird (und das wird bald abgemacht sein), nie verlieren, und wenn der Termin unserer Verbindung, also auch meiner Abreise von Rostock, noch um weitere 8 Tage verschoben wird, so muß ich auch diese 8 Tage noch so unnütz verliegen, wenn ich nicht etwa vorziehe, dies in Berlin zu thun, wo ich mich wenigstens in einem bequemeren Zustande u. überdies bei den Meinigen be nde. Es kommt aber noch hinzu, daß, wenn ich so auch die P ngstwoche noch verliere durch die Hinausschiebung des Hochzeitstages, nachher um so weniger Zeit für uns zum Aufenthalt in Nürnberg und zur weiteren Reise übrig bleibt. Ich würde nachher in Zeit einbringen müssen, was ich vorher verloren habe, nur wenige Tage in Nürnberg bleiben können, auch die Reise um ein paar Tage verkürzen, um nur für Berlin die nöthige Zeit für unsere Anschaffungen und für den Transport der Sachen zu gewinnen. Wäre also der Hochzeittag am 20. [Mai], wie wir verabredet hatGustli
Auguste Hegel, vier Jahre alt gewordene Tochter Immanuel und Friederike Hegels.
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ten, so hätte ich übrige Zeit in Rostock, um dort das Wenige herzurichten, was schon gemacht werden kann, hätte noch Zeit genug, um Manuel in Berlin abzuholen, zwei Tage vor der Hochzeit anzukommen, würde 8 Tage, etwa bis zum 27., in Nürnberg bleiben und Mitte Juni u[nge]fähr in Rostock ankommen, womit von P ngsten an die 4 Wochen Urlaub, die ich n[ehmen] will, verstrichen wären. Wenn die liebe Mutter glaubt, daß die schon zu P ngsten ein[treffenden] Ho[chze]itgäste sie noch in den nöthigen Vorbereitungen stören würden, so meine ich, [daß] man [sich u]m dieselben vor der Hochzeit nicht weiter zu bekümmern brauchte, u. daß [...] Gäste [...] discret genug sein würden, wenn man ihnen deshalb eine Andeutung [...] nicht hinderlich zu werden. Ich verstehe nichts von der Art der Vorbereitungen: so [...] das liebe Essen u. Trinken betreffen, wünschte ich sie möglichst kurz; beziehen sie sich [...] auf die Ausstattung, so wünschte ich, daß Ihr mit der Näherei gar nichts weiter zu thun hättet und Alles vollends noch durch fremde Hände machen ließet, u. würde ich mit dem größten Vergnügen alle Mehrkosten auf meinen Theil an der Ausstattung übernehmen. Denn freilich das würde ich am wenigsten wünschen, daß Ihr, die liebe Mutter u. Du, Euch übermäßige Anstrengungen auferlegtet, daß Du mir, wie Meiers Helena, hinterher an einem lahm genähten Finger krank danieder lägest, um Himmels willen, eher alles Andere als das, u. wenn es um den Preis solcher Anstrengung sein müßte, dann will ich gar nichts gesagt haben, will lieber noch vorher nach London oder Paris reisen, um Euch alle bequeme Zeit zu lassen, die Ausstattung bis auf den letzten Stich fertig zu machen. Meine liebe Mutter will auch noch ein paar Worte hinzufügen. Gieb mir die Antwort, mein süßes Susettchen, nach Rostock. Wenn's nicht nach meinem Wunsche geht, so geht's halt nicht, u. werde ich nachher kein Wort mehr drüber sagen. Bist Du erst mein, mein herzlichster Schatz, so werde ich keine Zeit mehr verlieren, daß die Wiedereinberufung des Parlaments mir nicht wieder in die Quere kommt, ist auch zu berücksichtigen. – Grüße die lieben Eltern u. Geschwister herzlichst; ich danke der theuren Mutter für ihre lieben Zeilen. 3. Mai (Freitag). Morgen gehe ich nach Schwerin u. bleibe dort über den Sonntag. Bis zum Mittwoch, Donnerstag kann ich dort Nachricht von Dir haben. Leb' wohl mein süßes Herz! Dein Karl.
Meiers Helena Nicht zu identi zierende Person, die möglicherweise zum Bekanntenkreis Susette von Tuchers gehörte und die sie in ihrem Brief erwähnte, auf den Hegel antwortete.
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Nr. 25 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 9. Mai 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 9. Mai. Himmelfahrtstag Morgen. Liebes gutes Susettchen, meine einzig Geliebte! Mit froher Stimmung begrüßte ich schon beim Erwachen den heutigen festlichen und schönen Morgen in der Vorahnung, daß mir nahe und große Freude bevorstehe. Und siehe da! es wird mir Dein Brief gebracht, der mir die Erfüllung meines sehnlichsten Wunsches verheißt. Ich fühle mich vom innigsten Dank gegen Gott, gegen Deine lieben Eltern und vor allem gegen die liebe Mutter bewegt, die meine Bitte erhört hat und mit liebevoller Bereitwilligkeit alle anderen Rücksichten dagegen zurückstellt. Der heutige schöne und festliche Tag ist mir eine günstige Vorbedeutung für den schönen Festtag, mein geliebtes Susettchen, dem wir beide mit froher Bangigkeit entgegensehen und von dem uns heute nur noch ein kurzer Zwischenraum von anderthalb üchtigen Wochen trennt. Meine Seele überspringt mit Jubel diese kurze Spanne Zeit u. versetzt sich schon jetzt zu Dir, um Dich mit heißer Liebe zu umfassen. Aller Schmerz und Kummer der jüngsten Zeit verschwindet mir in diesem Gefühl des Verlangens, Dich zu besitzen: Wer weiß, welche neue Stürme uns im engeren Kreise des Familienlebens oder im weiteren des Vaterlandes in der nächsten Zeit bevorstehen! Die allgemeine Unsicherheit, in der wir uns be nden, mahnt uns, das Sichere und Ewige zu ergreifen und festzuhalten: eilen wir daher, mein liebstes Susettchen, unseren Bund der Liebe unauflöslich zu befestigen! In anderthalb Wochen also nenne ich Dich, so Gott will, mein geliebtes Weib, und ich werde Dir gewiß alle Liebe und Treue, die ich Dir vor Gott geloben will, für alle Zeit halten und Dich, wie einen heiligen Schatz, behüten und ehren. Die betrübenden Nachrichten, die Du mir im Eingang Deines Briefes mittheilst, haben mich bei alle dem schmerzlich ergriffen. Du bist von Besorgniß erfüllt für Deine liebe Schwester, für Deine geliebte Jugendfreundin. Alles, was Dich bekümmert, theilt meine Liebe mitleidend mit Dir, und der Schmerz des Verlustes, den ich selbst noch zu tragen u. zu überwinden habe, macht mich doppelt empfänglich und empndlich für neu aufkommende Besorgnisse. Möge der gütige Himmel deren Grund von uns abwenden und uns die frohe Stimmung unsrer Hochzeitsfeier nicht weiter verkümmern, als es schon hinlänglich geschehen ist, um auch die ernsteste Seite des Lebens, in dem wir für uns einen neuen Abschnitt beginnen, nicht außer Acht zu lassen! – Ich muß mich in meinem letzten Briefe nicht deutlich genug ausgedrückt haben, wenn Du zu glauben veranlaßt wurdest, daß Deine Antwort mich noch in Schwerin antreffen könnte. Ich hielt mich dort nur anderthalb Tage vom Sonnabend Nachmit-
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tag bis Sonntag Abend auf u. kam Montag früh mit der Post hier an. Daß ich hier noch einmal per Post ankommen würde, hatte ich ebenso wenig gedacht, als daß ich noch einmal ohne Dich hier ankommen sollte. Auch für meine Freunde war das keine geringe [fol. 1v] Überraschung und Enttäuschung. Fast schämte ich mich, ihre Erwartung so getäuscht zu haben und den Grund, warum ich so ledig ankäme, immer wiederholen zu müssen. Auch ist das Provisorium, in welchem ich mich in der neuen Wohnung und sonst be nde, sehr wenig ansprechend und gemüthlich. Um mir's zu erleichtern, laden mich die Freunde der Reihe nach zu Tisch zu sich ein, weil auch der gewöhnliche Mittagstisch im Wirthshause mir aus anderen Gründen verleidet ist. Dennoch ist mir's nicht unlieb, sondern in einer Beziehung erwünscht, noch vor Deiner Einführung hierher zurückgekehrt zu sein, weil ich im Hause noch Manches vorher einrichten kann, was uns nachher beiden zur Last gefallen wäre und die wohnliche Einrichtung nach unsrer Ankunft verzögert hätte. Mein Wirth kommt mir hierbei mit der größten Bereitwilligkeit entgegen u. hat es auch in der Zwischenzeit nicht an sich fehlen lassen. Er hat einen neuen Herd aus Eisen angeschafft, einen Waschkessel daneben einmauern lassen, in den Wohnzimmern neue Öfen gesetzt. Nun lasse ich noch Dein Wohnzimmer neu tapezieren, weil mir die vorhandene, wenn auch sonst noch wohl erhaltene blaue Tapete nicht zusagt, und werde demnächst, wenn das geschehen ist, von der oberen Etage, wo ich jetzt noch provisorisch hause, in die untere herunterziehen, um, wie Du gewünscht hast und wie es gewiß viel vertraulicher ist, neben Dir, mein geliebtes Susettchen, nicht über Dir zu wohnen. Schon stehen die beiden Kleiderschränke, sowie auch der Weißzeugschrank, glänzend polirt von außen und inwendig mit blauem Papier sauber verklebt an ihrem Ort. Die Gardinen habe ich bereits mit der lieben Mutter in Berlin ausgewählt, weiße mit Blumen gestickt; hier lasse ich die Rouleauxstangen anfertigen. In Berlin habe ich auch schon über einen Möbelwagen accordirt – er kostet 45–50 Thaler – und die Möbel werden wir uns dort zusammen aussuchen; die Auswahl in den dortigen Magazinen ist unermeßlich. Auch habe ich dort Visitenkarten für die liebe „Susette Hegel geb. von Tucher“ bestellt, die ich für unsere Nürnberger Besuche mitbringen werde. Unser Quartier, hoffe ich, wird Dir bei bescheidenen Ansprüchen gefallen; es ist mir trotz dem, daß die Einrichtung noch fehlt, doch schon recht heim[e]lich darin, und ich betrachte es mit Entzücken, wenn ich an das künftige Glück, welches uns darin aufgehen soll, denke. In diesem Vorgefühl sehe ich es vielleicht mit günstigeren Augen an, als es in Wirklichkeit verdient. Wann erwartest Du mich nun wohl, mein einziges Menschenkindchen? Um die Vorbereitungen nicht zu stören, darf ich wohl nicht zu früh kommen; auch muß ich auf Manuel Rücksicht nehmen, dessen Zeit beschränkt sein wird. Doch dürfte ich mit der Post mit der Postkutsche. Rouleauxstangen Halterungen für aufrollbare Vorhänge. accordirt Vereinbarung getroffen (akkordieren).
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wohl [fol. 2r] nicht später als Sonnabend Abends eintreffen? Wie die Züge seit dem 1. April gehen, werde ich nicht wohl Mittags ankommen können, wenn ich nicht eine zweite Nacht (außer in Leipzig) noch in Hof zubringen will. Ich erwarte hierüber die Weisung Deiner lieben Mutter, der ich Deinen Beistand zu den Vorbereitungen nicht früher als nöthig entziehen will. Schreibe mir hierüber, mein liebes Susettchen, nach Berlin die Antwort. Dort gedenke ich schon am Mittwoch Abend zu sein, wenn ich Mittwoch Morgens hier abreise. Denn bis dahin ist endlich auch unsere Eisenbahn bis Rostock eröffnet; am nächsten Sonntag ist die Eröffnung. Von Berlin aus erhältst Du meinen letzten Brief zur Benachrichtigung über unsere Ankunft. – Ich sehe unserem Wiedersehen mit dem ungeduldigsten Verlangen entgegen und muß der lieben Mutter aufs neue meinen innigsten Dank dafür aussprechen, daß sie auf dem späteren und für sie gelegeneren Termin nicht bestanden hat. Wenn ich hier noch weitere 8 Tage über die P ngsttage hinaus hätte warten sollen, ich hätte mich wahrlich wie auf der Folter befunden. Sage den lieben Eltern die herzlichsten innigsten Grüße von mir, der sich mit Freuden ihren liebenden Sohn nennt. Grüße das liebe Mariechen, an dessen Be nden ich den innigsten Antheil nehme. Unterlasse ja nicht, theure Susette, mir in dem nächsten und letzten Briefe zu schreiben, wie es ihr und wie es Deiner Freundin Luise geht. Grüße Kiesern bestens, ich lasse ihm danken für die gefällige Besorgung des Biers, wel[ches] ic[h wohl] selbst noch in Empfang nehmen und dann nach meiner Abreise durch Freund Stannius abzapfen lassen werde. Grüße Lina u. Friedrich u. die lieben Großeltern allerbestens. – Ich umarme Dich tausendmal meine einzige Geliebte. Auf ewig Dein Karl. Nr. 26 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Rostock, 14. Mai/Berlin, 16. Mai 1850 An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore). [fol. 1r] Rostock, 14. Mai 50. Morgens. Mein liebstes Susettchen! So eben erhalte ich Deinen Brief vom 10. d[ieses Monats], der unserem nah gehofften Glück einen neuen unerwarteten Aufschub bringt. Wenn uns der Himmel die Prüfung eines Leidens oder einer Entsagung auferlegt, so müsunsere Eisenbahn bis Rostock eröffnet Rostock wurde am 12. Mai 1850 an die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn angeschlossen. Noch am 6. Mai hatte Hegel die Universitätsstadt nur „mit der Post“ erreichen können.
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sen wir sie mit Fassung und Standhaftigkeit ertragen. In unserem Falle sind weit mehr die Gründe des Aufschubs zu beklagen als dieser selbst, und wünsche ich vor allem, daß sie zuerst möchten beseitigt werden, damit der frohe Tag unserer Verbindung von uns und unseren nächsten Angehörigen mit ungestörter Freude gefeiert werden könne. Gottlieb wird sich hoffentlich schnell von seinem Krankheitsfall erholen; Mariechens langwieriges Leiden betrübt mich innig; doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß auch sie uns an unserem Hochzeitstage nicht fehlen wird. Unter diesen Umständen läßt sich ein neuer bestimmter Termin für denselben wohl noch nicht festsetzen, und der von Dir angenommene Aufschub könnte sich leicht auch länger als auf acht Tage erstrecken. Ich nehme daher noch nichts für bestimmt an und werde erst weitere Nachrichten von Dir erwarten, bevor ich der Erfüllung meines Glücks entgegen eile; ich werde sie in Berlin erwarten, wohin ich mich morgen begeben will, nur Dir näher zu sein: denn hier in Rostock mag ich nicht länger bleiben und nach Nürnberg darf ich noch nicht kommen, wie sehr auch mein Herz nach Dir verlangt, um nicht den Aufschub für uns, für die lieben Eltern und Angehörigen noch peinlicher zu machen. Wenn es denn bei dem 20. oder 27. Mai bleibt, werde ich am Mittwoch oder Donnerstag vorher von Berlin und, wenn möglich, in Begleitung Manuels abreisen. Käme ich jetzt gleich, so müßte ich Manuel, der nur kurze Zeit abkommen kann, allein nachreisen lassen, was mir gleichfalls leid wäre. Es ist also besser, mein liebes Susettchen, daß wir unsre Sehnsucht, uns wiederzusehen, noch fristen, bis daß die Gewißheit vorhanden ist, daß unsrer Verbindung nichts mehr im Wege steht. Unterdessen habe ich hier im Hause Deine Stube mit einer neuen freundlicheren Tapete und Deckenmalerei bekleiden lassen, wie es noch der ausdrückliche Wunsch meiner lieben Mutter war, die von ihrem Krankenlager aus sich mit rührender Liebe um unsere Einrichtung bis in alle denkbaren Einzelheiten hinein bekümmert. So wird nun bis zu unserer Ankunft Alles schon so weit vorbereitet sein, daß wir uns aufs schnellste und leichteste in eine gemüthliche Häuslichkeit versetzen können. Berlin, 16. Mai. Meine liebste Susette. Schon bin ich Dir um eine Tagereise näher gerückt und be nde mich wieder bei meinen Lieben in Berlin. Es ließ mich nicht länger ruhen in Rostock, und abwarten kann ich hier in Berlin besser als dort. Ich habe meinen Urlaub auf vier Wochen vom P ngstfeste an erhalten; im Nothfall könnte ich ihn auch noch verlängern lassen; doch gebe ich vorläu g die Hoffnung noch nicht auf, daß er ausreichen werde. Ich habe mir einige Bücher mitgebracht, mit denen ich mich hier unterhalten werde; denn Menschen mag ich nicht viele sehen; sie und Alles, was Berlin sonst bietet, [fol. 1v] hebe ich mir für Dich auf; auf mich allein angewiesen, mag ich nichts als studiren und an Dich – denken. Wenn ich Dir nur Deine Trübsal etwas erleichtern Gottlieb chers.
Gottlieb Karl Sigmund von Tucher (1830–1850), Bruder Susanna Maria von Tu-
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könnte! Dein lieber Brief, den ich hier vorfand, bringt neue schmerzliche Nachrichten. Daß Gottliebs Krankheit einen so bösen Charakter annehmen würde, hatte ich nicht erwartet. Ich kann mir denken, wie sehr Ihr Alle, besonders die lieben Eltern, seinetwegen in Sorgen sein werden: ich suche die schlimmsten Befürchtungen von mir abzuwehren, doch ich gewahre aus Deinem Briefe, daß sie Euch nahe sind, weil auch Du sie nur abzuwehren versuchst, und so kehren sie mir wieder. Unter diesen Umständen können auch wir, meine einzig Geliebte, nichts über unsere nächste Zukunft bestimmen, und ich selbst nde mich außer Stande, jetzt irgend einen Entschluß zu fassen, der auf sie sich bezieht. Ich erwarte daher die weitere Entscheidung von den nächsten Briefen und Nachrichten von Dir: gebe Gott, daß sie eine bessere Botschaft, als die letzten bringen! Wenn ich Deinen und meinen Wunsch, geliebte Susette, schon während des P ngstfestes bei Dir [zu] sein, jetzt nicht erfülle, so wird Dir gewiß Dein Gefühl den Grund davon sagen, ohne daß ich ihn auszusprechen brauche. Ich verzichte mit Schmerz nicht bloß auf die Wonne, Dir nahe zu sein, sondern auch auf die Befriedigung, Dir die bangen Stunden, zwischen Furcht und Hoffnung, zu erleichtern; mit Kummer denke ich daran, welche getheilte und entgegengesetzte Emp ndungen Deine Brust in der letzten Zeit bewegten und ängstigten. Doch hoffe ich auch, daß Dein schönes Vertrauen auf Gott Dich aufrechthalten und stärken wird, wenn neue Schickungen des Himmels uns in den Weg treten sollten; ich kenne Dich als mein charakterfestes Mädchen und weiß, daß Du kein schwankendes Rohr bist. Also wollen wir beide fest zusammenhalten in der Liebe und uns gegenseitig eine Stütze sein durchs Leben, mag kommen, was da will! Von so schöner Fassung geben mir Manuel u. Friederike hier ein edles Vorbild. Selbst der frische Schmerz ihres unersetzlichen Verlustes hat ihre Theilnahme an meinem, an unserem Glück um nichts geschwächt, und nicht bloß Manuel, sondern auch Friederikchen ist jetzt bereit uns durch ihre Anwesenheit bei unserem Hochzeitsfeste zu erfreuen und zu beglücken, und Du kannst versichert sein, daß sie nicht ihre Trauer, sondern die Mitemp ndung für unser Glück werden vorwalten lassen. Doch was rede ich jetzt von diesem lang ersehnten und nun wieder fern gerückten frohen Tage! Wenn Du diesen Brief erhältst, wirst Du besser wissen, wie nahe oder fern er steht, als ich es jetzt ahnen kann. Möge Gott Eurem theuren Hause Alles zum Besten wenden! – Nur mit Wenigem will ich Dir noch erklären, meine theure Geliebte, [fol. 2r] warum diese Antwort so spät zu Dir gelangt, eine Antwort auf zwei Briefe von Dir geworden ist. Ich hoffte früher in Berlin anzukommen u. Dir die Antwort einen Tag früher zukommen zu lassen, nämlich von gestern; allein meine Abfahrt in Rostock wurde gestern morgen dadurch unerwartet verhindert, daß mein Gepäck zu spät auf dem Eisenbahnhof eintraf, um noch mit mir selbst befördert zu werden, u. so zog ich es vor, selbst noch bis zum Nachmittag um 4 ¼ Uhr in Rostock zu bleiben, kam gestern Abend nur bis Wittenberge u. heute gegen Mittag in Berlin an; auf die andere Art wäre ich schon gestern Nachmittag um 4 Uhr in Berlin gewesen. Diese Verzögerung meines Briefs ist mir diesmal doppelt peinlich, weil ich aus dem Deinigen ersehe,
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daß Du mich selbst noch – und gewiß mit Ungeduld – erwartest. Wenn ich diesmal noch nicht sogleich komme, so weiß ich, meine Susette, daß Du darum nicht an meiner sehnsuchtsvollen Liebe zu Dir zweifelst. Manuel u. Friederike kamen nach Tisch mit ihrem munteren und liebenswürdigen Mariechen zur lieben Mutter u. mir und haben uns eben verlassen. Von Euch und von uns war vor allem die Rede. – Glaube doch Eurem erbärmlichen Nürnb[erger] Corr[espondneten] kein Wort von Allem was er über Preußen, die Union und das Parlament sich berichten läßt, wenn er es nicht aus besser unterrichteten oder weniger gehässig gegen Preußen gesinnten Zeitungen entlehnt hat. Daß das Erfurter Parlament am 26. dieses M[onats] wieder zusammen kommen sollte, ist rein aus der Luft gegriffen; vor vier Wochen ist schwerlich daran zu denken: auch handelt es sich bei diesem Wiederzusammentreten nur um eine oder zwei oder ganz wenige Sitzungen. Zu den für uns hinderlichen oder aufschiebenden Umständen hast Du es jedenfalls nicht zu nehmen, da ich es lediglich von meiner Convenienz in der Hauptsache abhängen lassen werde, ob ich nach Erfurt gehe; in Betracht daß es sich nur um einige rein formelle Angelegenheiten, wie die förmliche Einsetzung der Unionsregierung, Beeidigung usw. handeln wird, wobei ich wenig oder nichts versäume. – Deinen lieben Eltern bezeuge meine innigste Theilnahme für die neue ängstliche Sorge, welche in ihr Haus in demselben Augenblick, da es zu unserem Feste bereitet werden sollte, eingekehrt ist. Sage der lieben Mutter, daß ich ihr darum nicht weniger für ihre liebevollen Anstrengungen zur Erfüllung unsrer Wünsche danke, wenn auch unsre Absicht durch den neuen betrübenden Zwischenfall vereitelt worden. Möge inzwischen schon jede schwere Besorgniß gehoben sein! Ich erwarte hierüber baldigste Nachricht, mein innig geliebtes Susettchen, und grüße Dich in Liebes Sehnsucht und Verlangen. Schreibe mir auch von Deiner Freundin Luise u. grüße sie, so wie von Frau Wiß. – Lebe wohl mein Herz! Dein Karl. Nürn[berger] Corr[espondent] „Der Korrespondent von und für Deutschland“, Beilage zu Nr. 133, Nürnberg, Montag, 13. Mai 1850, S. 1091, hatte unter „Deutschland“ / „Preußen“ berichtet: „(Erfurt, 10. Mai.) Aus dem Ministerium des Innern zu Berlin ist hier die Nachricht eingetroffen, daß das Parlament am 24., spätestens am 26. Mai wieder eröffnet werden soll.“ Gemäß Protokoll der letzten Sitzung des Volkshauses des Erfurter Parlaments am 29. April 1850 betrachtete der „Verwaltungsrath“ die Beratungen „als zur Zeit beendigt“, schloß aber eine „Wiedereinberufung“ nicht aus (Protokoll Volkshaus, S. [323]). Convenienz Bequemlichkeit. Frau Wiß Es handelt sich vermutlich um Rosina Alexandrina Alix Wiß, geb. von Schwarz (1799–1861), die Ehefrau Johann David Wiß' (1780–1867), der im September 1849 Hegel mit Susanna Maria von Tucher in Simmelsdorf bekannt gemacht hatte. Ihre Tochter Marietta (1821–1902) war Hegels erste Liebe gewesen.
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Taf. 1: Die 27 Brautbriefe Karl Hegels an Susanna Maria (Susette) von Tucher
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Taf. 2: Karl Hegels Braut Susanna Maria (Susette) von Tucher (Dezember 1849)
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Taf. 3: Karl Hegel (etwa 1860)
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Taf. 4: Carl Birck, Stadtplan von Erfurt (1850)
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Taf. 5: Johann Heinrich Kruspe, „Die Eröffnung des deutschen Reichstages im großen Saal des Regierungsgebäudes zu Erfurt, am 28. März [1850]“
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Taf. 6: Johann Heinrich Kruspe, „Das Volkshaus [zu Erfurt] am 20. März 1850 von der Volkstribüne aus“
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Taf. 7: Auszug aus dem Trauungsregister der Nürnberger Heilig-Geist-Kirche (1850)
Taf. 8: Heiratsurkunde im Familienbuch Karl Hegels
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Taf. 9: Karl Hegels Schwiegereltern Sigmund Karl und Maria Magdalena von Tucher (zwischen 1867 und 1870)
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Taf. 10: Susanna Maria von Tuchers Vater Sigmund Karl von Tucher
Taf. 11: Susanna Maria von Tuchers Mutter Maria Magdalena von Tucher, geb. von Grundherr
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Taf. 12: Karl Hegels Vater Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1831)
Taf. 13: Karl Hegels Mutter Maria Helena Susanna von Tucher (nach 1831)
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Taf. 14: Susanna Maria Hegel im Kreise ihrer vier ältesten Kinder (Ende 1850er Jahre)
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Taf. 15: Susanna Maria Hegel mit ihren Kindern (zwischen 1865 und 1867); es fehlen die Söhne August († 18. September 1865) und Gottlieb (*22. November 1867)
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Taf. 16: Stadtplan von Rostock, gesüdet (1860)
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Taf. 17: Susanna Maria von Tucher
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Nr. 27 Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher, Berlin, 20. Mai 1850 Meiner geliebten Susette. [fol. 1r] Berlin, 20. Mai. Meine geliebte Susette! Dank für Deinen lieben Brief, der unserer ungeduldigen Erwartung selbst noch zuvorkam, da er heute morgen schon hier eintraf. Es ist heute der zweite P ngsttag, meine Geliebte, der, ehe das neue Unglück von Gottliebs Krankheit hereinbrach, zu unserem großen Festtag bestimmt war. Gottes Rathschluß hat nicht mit unseren Wünschen und Plänen übereingestimmt und wir müssen uns in Fassung und Demuth ihm unterwerfen und den Ausgang erwarten. Unter den gegenwärtigen Umständen darf ich kaum hoffen, daß der schönste Tag unseres Lebens, meine Susette, der uns für immer verbindet, ohne Trübsal und Bekümmerniß sein wird. Es mag dies dazu dienen, uns in der richtigen Stimmung der menschlichen Dinge zu erhalten, welche uns an ihre Vergänglichkeit erinnert. Wir werden uns nicht der Freude so rücksichtslos überlassen, als ob es kein Leid und keinen bitteren Schmerz gäbe, und es wird uns dann das Leid, welches niemals ausbleibt im Leben, wenn es eintritt, weniger überraschen. Wenn nur auch der Freude des Herzens über die Erfüllung unsrer Liebe ihr Raum bleibt! Und wenn nur auch die lieben Eltern an dem Tage unsrer Verbindung in so weit erleichtert sein möchten von der Sorge für zwei ihrer Kinder, daß sie gleichfalls der Freude Raum geben könnten über das Glück von zwei anderen ihrer Kinder! Es wäre doch zu traurig, wenn es noch anders käme; ich kann es nicht denken und will es nicht fürchten. Auch sind Deine letzten Nachrichten von Gottlieb besser und geben gute Hoffnung, daß sein Be nden bis zum festgesetzten Tage unsrer Verbindung keine ernstlichen und nahen Besorgnisse mehr erregen wird. In dieser Erwartung und Voraussetzung nehme ich mit innigem Dank gegen Deine lieben Eltern und Dich, meine theuerste Geliebte, den jetzt anberaumten Tag an, ohne jedoch mit Sicherheit darauf zu bauen. Ob auch Friederike mit Manuel kommen solln, k[ö]nnte unter den gegenwärtigen Umständen fraglich erscheinen. Daß man der lieben Mutter neben der P ege für zwei kranke Kinder nicht auch noch die Sorge für Gäste aufladen dürfe, leuchtet [fol. 1v] von selbst ein; auch würden Manuel u. Friederike, wenn sie nur unter dieser Bedingung kommen könnten, mit Bestimmtheit darauf verzichten. Auf der anderen Seite möchte ich doch, da noch andere liebe Hochzeitsgäste aus der Ferne eintreffen, nächst meinem theuren Bruder meine liebste Schwester Friederike am wenigsten gern unter ihnen vermissen. Und es trifft sich gerade so, daß augenblickMeiner geliebten Susette Dieser letzte Brief Hegels an seine Braut von Montag, 20. Mai 1850, enthält keine Anschrift der Empfängerin. Da der Bräutigam am Donnerstag, 23. Mai, von Berlin aus nach Nürnberg abreiste, hat er ihn offenbar persönlich zugestellt.
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lich mehrere Umstände sich vereinigen, um Friederikchen eine solche Reise, die ihr auch zur körperlichen Erholung nach dem ihr widerfahrenen Leid Noth thut, möglich zu machen. So wünschte ich denn dringend, daß sie nicht aus einer Rücksicht, die sich wirklich vermeiden läßt, darauf verzichtete. Manuel u. Friederike werden also keine Einladung der lieben Eltern, in ihrem Hause zu wohnen, annehmen u. wenn sie nicht anderswo ein Unterkommen nden, wo ein solches leicht u. ohne Zwang zu gewähren ist, gern im Gasthofe bleiben. Ich bin versichert, daß Niemand übel deuten oder emp nden wird, was so sehr in der Natur der Umstände liegt, ja durch sie geradezu geboten ist. Doch hierüber so wie über Anderes können wir zuvor noch mündlich weiter verhandeln; denn ich gedenke drei Tage vor unserem Hochzeitstage in Nürnberg anzukommen, nämlich am Freitag Abend. Ich reise hier am Donnerstag früh gleichzeitig mit Manuel u. Friederike ab u. begleite sie bis Halle, bleibe dort den Nachmittag und in Leipzig über Nacht. Manuel will eine nah befreundete Familie in Gotha besuchen und dann mit gemiethetem Fuhrwerk durch den Thüringer Wald nach Coburg u. Lichtenfels reisen u. Sonntag Abend in Nürnb[er]g eintreffen. So haben wir es heute Nachmittag verabredet. – Morgen feiern wir hier noch Mariechens Geburtstag, an dem sie das zweite Lebensjahr vollendet hat: es ist ein überaus anmuthiges, bewegliches u. liebenswürdiges Kind, für welches die Liebe sich verdoppelt, nachdem ihm das Schwesterchen durch den unerbittlichen Tod [fol. 2r] entrissen worden. – Dies ist also mein letzter Brief aus Berlin, meine theuerste Susette, die ich nun bald ganz die meinige zu nennen hoffe. Auch von Dir kann ich wohl keinen Brief mehr erwarten, wenigstens gewiß keine Antwort mehr auf diesen. – Möge Gott Dich u. die Deinigen behüten! Sage Deinen lieben Eltern meinen innigsten Dank für Ihre Liebe und meine herzlichsten Grüße. Grüße auch die beiden lieben Kranken, welchen meine herzlichste Theilnahme gewidmet ist. Auf Wiedersehen! meine theure Geliebte. Auf ewig Dein Karl.
Hegels Brautbriefe als historische Quellen Brautbriefe – ein eklektischer Blick auf privateste Korrespondenzen
Unter der kaum zu überschauenden Zahl von sehr verschiedenen Briefausgaben allein zu Persönlichkeiten des 18. bis 20. Jahrhunderts nden sich vereinzelt auch solche, die ausschließlich Brautbriefe enthalten. Innerhalb der vielfältig einzuteilenden Textsorte der Privatbriefe gehören sie – einschließlich der Briefwechsel zwischen Mätressen und ihren Liebhabern – zu den Liebesbriefen, die in jüngster Zeit verstärkt Forschungsgegenstand biographischer, literaturwissenschaftlicher und literaturgeschichtlicher Forschung geworden sind. 1 Unter Brautbriefen werden hier – im Unterschied zum BrautBrief als Urkunde, die Auskunft über die Mitgift der Braut gibt 2 – solche Korrespondenzen verstanden, die formal vor allem dadurch gekennzeichnet sind, daß sie aus der Verlobungszeit ihrer Absender und Empfänger stammen, also von Bräutigam oder Braut, und sich von möglicherweise vorangehenden Freundschafts- und nachfolgenden Ehebriefen unterscheiden. An ihrer außerhalb von Wörterbüchern 3 verbreiteten, einem Gattungsbegriff gleichkommenden Bezeichnung „Brautbriefe“ anstelle von – wie vorgeschlagen 4 – „Verlobungskorrespondenz“ wird festgehalten. Allerdings stand am Ende der Verlobungszeit nicht immer die Hochzeit, wie die Biographien verschiedener Brautbrief-Schreiber zeigen. Der aus Frankfurt an der Oder stammenden Dichter Heinrich von Kleist (1777–1811) verlobte sich zu Beginn des Jahres 1800 mit einer seiner Schülerinnen, der Generalstochter Wilhelmine von Zenge (1780–1852), und schrieb ihr ab dem Frühjahr 1800 wohl 34 Briefe, die in den Originalkuverts überliefert sind 5, bis er am 20. Mai 1802 aus der Schweiz die Verlobung löste. 6 Aus den zwei Jahren der ersten Verlobung des schwäbischen Dichters 1 Vgl. dazu zuletzt Wyss, Brautbriefe, Liebeskorrespondenzen und Online-Flirts, sowie die Sammelbände: Der Liebesbrief, hrsg. von Stauf, Simonis und Paulus; SchreibLust, hrsg. von Stauf und Paulus; Liebe schreiben, hrsg. von Bauer und Hämmerle. 2 Das niederdeutsche Wort „brutbref“ („brudbreev“) bezeichnet gegenüber dem Bräutigam die gleichsam urkundliche Verschreibung über das in die Ehe einzubringende Gut und Vermögen der Frau, das, was sie in die Ehe mitbringt. 3 Abgesehen vom Deutschen Rechtswörterbuch, Bd. 2, bearb. von Eberhard Freiherr von Künßberg, Weimar 1932–1935, Sp. 470, wo „Brautbrief “ als „Ehevertrag“ verstanden wird, ndet sich das Lemma „Brautbrief “ weder im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Bd. 2, Leipzig 1860), noch im Deutschen Wörterbuch von Moriz Heyne (Bd. 1, Leipzig 1890) und auch nicht in aktuellen Wörterbüchern der deutschen Sprache. 4 Vgl. zur neuesten, von der Gender-Forschung geprägten begriffsgeschichtlichen Diskussion u. a. Rebhan-Glück, Gefühle erwünscht, S. 57–85, insbesondere S. 79, Anm. 1. 5 H. von Kleist, Sämtliche Werke, Bd. IV /1, S. 103–553, und Bd. IV/2, S. 7–219. 6 Heinrich von Kleists Briefe an seine Braut, Nr. 1–34, S. 1–238. Wilhelmine von Zenges Briefe sind nicht erhalten.
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
und Pfarrers Eduard Mörike (1804–1875) mit der Pfarrerstochter Luise Rau liegen in einem Band „Eines Dichters Liebe. Eduard Mörikes Brautbriefe“ 39 seiner Liebesbriefe vom 2. September 1829 bis 8. August 1833 vor. Ihnen folgen mehr als ein Jahrzehnt nach der Trennung 19 Briefe Mörikes an seine spätere Ehefrau Margarethe von Speeth (1818–1903) vom 5. Juli 1846 bis 14. November 1851, kurz vor der Hochzeit. 7 Der Prager Dichter Franz Kafka (1883–1924), der mehrmals verlobt war und einen intensiven Briefwechsel mit seinen Bräuten führte, jedoch nie heiratete, ist als „Junggeselle der Weltliteratur“ in die Literaturgeschichte eingegangen. 8 Besonders tragisch war das Schicksal des lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) und seiner sehr viel jüngeren Braut Maria von Wedemeyer (1924–1977), die sich seit 13. Januar 1943 als verlobt betrachteten. Sie wechselten bis kurz vor Bonhoeffers verbrecherischer Hinrichtung am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg, von der die Verlobte erst zwei Monate später Kenntnis erhielt, ihre berühmt gewordenen „Brautbriefe Zelle 92“. 9 Einige wenige Brautbrief-Ausgaben aus der Zeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts seien im Folgenden beispielhaft genannt, um den Hintergrund auszuleuchten, vor dem die Brautbriefe Karl Hegels gattungsgeschichtlich zu sehen sind. Sie gewähren auf ihre je eigene Weise nicht zuletzt über die Braut als einer autonomen Persönlichkeit, die nicht nur über die Biographie ihres Bräutigams Konturen gewinnt, tiefe Einblicke in die Entstehungszeit der Korrespondenzen. Wie im Falle Karl Hegels und Susanna Maria von Tuchers liegt im Falle Moses Mendelssohns (1729–1786) und Fromet Gugenheims (1737–1812) nur ein einseitiger Briefwechsel vor, denn die Briefe der Braut sind nicht erhalten. 10 Nach einer ersten Begegnung 1761 in Hamburg schrieb Mendelssohn über ein Jahr hinweg – vom 15. Mai 1761 bis 25. Mai 1762 – von Berlin aus 67 Briefe in westjiddischer Sprache und hebräischen Lettern 11 an die Tochter des Kaufmanns Abraham Gugenheim in der Hansestadt an der Elbe. Ismar Elbogen hat in seinem Geleitwort zur – bemerkenswerterweise – 1936 erschienenen, für einen breiteren Leserkreis bestimmten Ausgabe der 64 erhaltenen Mendelssohnschen „Brautbriefe“ von dem „erste[n] jüdische[n] 7 Eines Dichters Liebe, S. 1–142. 8 Vgl. zu Kafka: Stach, Kafka. Die Jahre der Entscheidungen; Stach, Kafka. Die Jahre der Erkenntnis. 9 Vgl. Brautbriefe Zelle 92. 10 Mendelssohn, Brautbriefe; eine kleine Auswahl „Aus den Ehebriefen“ Moses und Fromet Mendelssohns schließt das Bändchen ab, ebenda, S. 147–162. – Die Brautbriefe sind erstmals in einer wissenschaftlichen Edition 1929 hebräisch erschienen: Moses Mendelssohn. Hebräische Schriften, Bd. 3; 1932 in deutscher Übersetzung: Moses Mendelssohn. Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 103–210, S. 205–337 zusammen mit anderen Briefen, S. 461–500 (Anmerkungen); drei Briefe Mendelssohns an Fromet Gugenheim vom 12. Oktober, von Ende Oktober /Anfang November und vom 22. Dezember 1761 (Nr. 147, 152 und 165) sind verschollen. 11 Brenner, Moses Mendelssohn, S. 348.
Brautbriefe – ein eklektischer Blick auf privateste Korrespondenzen
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Brautpaar im modernen Sinne“ gesprochen, „das heißt nicht nur zwei Menschen, die zusammengeführt wurden und dann sehen mußten, wie sie gemeinsam ihr Leben zimmerten, sondern zwei, die sich innerlich verbunden wußten, ehe sie ihre Verbindung eingingen, und in ihrer Brautzeit die Herzlichkeit ihrer Emp ndungen vertiefen, sich für eine harmonische Ehe vorbereiten wollten.“ 12 Parallel zu seinem ersten Brautbrief teilte Moses Mendelssohn dem gleichaltrigen Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), dem er seit Beginn der 1750er Jahre über einen ausgedehnten Briefwechsel freundschaftlich verbunden war, als Erstem mit, daß er sich in Hamburg in ein „Frauenzimmer, das ich zu heyrathen Willens bin“, verliebt habe. 13 Lessing selber ging eineinhalb Jahrzehnte später die Ehe mit der aus Heidelberg stammenden Eva Catharina König, geb. Hahn (1736–1778), ein, die er 1767 im Hause des wohlhabenden Hamburger und Wiener Seiden-, Tapeten- und Teppichfabrikanten Engelbert König (1728–1769) kennengelernt hatte, ihres Ende 1769 verstorbenen ersten Mannes und Vaters ihrer sieben Kinder, von denen drei bald nach der Geburt gestorben waren. 14 Überzeugt, „daß mein Bruder nimmermehr dergleichen Correspondenz [hätte] drucken lassen“, veröffentlichte Karl Gotthelf Lessing (1740–1812), Nachlaßverwalter des Dichters und Münzdirektor in Breslau, gleichwohl schon acht Jahre nach dessen Tod die Brautbriefe Gotthold Ephraim Lessings und Eva Königs in zwei Bänden 15, die – mangels Überlieferung der Handschriften – zur Grundlage für alle Ausgaben bis zur Gegenwart wurden. 16 Zu den ersten Leserinnen dieses Briefwechsels dürfte Charlotte von Lengefeld (1766–1826) gehört haben, die ihrem späteren Ehemann Friedrich Schiller (1759–1805) am 27. Juni 1789 begeistert von ihrer Lektüre berichtete und neben „Leßings Geist“ seine „gewiße feinheit gegen seine Frau“ betonte, die nach ihrer Einschätzung „erstaunend viel thätigkeit gehabt haben [muß], und viel ver-
12 Ismar Elbogen, Zum Geleit, in: Mendelssohn, Brautbriefe, S. 5–15, hier S. 8f.; siehe auch die im Jüdischen Verlag Bei Athenäum erschienene Taschenbuchausgabe: Königstein /Taunus 1985. Vgl. zu den Mendelssohnschen Brautbriefen Vellusig, Der verliebte Philosoph; Freud, Bernays, Die Brautbriefe, Bd. 1, S. 53f. 13 Mendelssohn, Brautbriefe, S. 18; der ganze Brief: Moses Mendelssohn. Briefwechsel, Bd. 11, Nr. 104, S. 206–208. 14 Vgl. zu ihrer Biographie: Oelker, „Ich küsse Sie tausendmal“; Raabe, Eva König. 15 Freundschaftlicher Briefwechsel; Zitat ebenda, Vorwort, S. VI; zu dem Briefwechsel siehe auch Vellusig, Schriftliche Gespräche, S. 119–125; Lühe, „Mein lieber Herr Lessing“; Freud, Bernays, Die Brautbriefe, Bd. 1, S. 52f. 16 Genannt seien die Edition der Briefe von und an Lessing von Karl Lachmann und Franz Muncker: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften, Bde. 17–21 (1904–1907), die in Bd. 21 eine nach den Korrespondenzpartnern gegliederte „Übersicht der sämtlichen Briefe von und an Lessing“ enthält, S. XXIX–XXXIII in chronologischer Folge die Briefe von Lessing an Eva Katharina König und ihre an ihn; ferner: Meine liebste Madam (1979), sowie zuletzt: Gotthold Ephraim Lessing /Eva König. Briefe aus der Brautzeit 1770–1776 (2000).
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
stand.“ 17 Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat in seiner kleinen Schrift „Ueber Lessing's Briefwechsel mit seiner Frau“ hervorgehoben, daß es sich um „eine ganz aus dem wirklichen Leben genommene Unterhaltung“ handele, der Ton der Briefe sei „gegenseitige Theilnahme, Mittheilung seiner Angelegenheiten und Geschäfte, seines Kummers und seiner Freude, – und Antheil daran auf der andern Seite.“ 18 Vielfältige Tätigkeiten und Geschäfte gehören denn auch zu den Gründen, warum Gotthold Ephraim Lessing und Eva König bis zu ihrer Eheschließung am 8. Oktober 1776 eine sich über mehr als sechs Jahre erstreckende Korrespondenz geführt haben, in der auf die 43 wechselseitigen Freundschaftsbriefe vom 10. Juni 1770 an bis zur heimlichen Verlobung Anfang September 1771 nahezu 150 Brautbriefe folgten. Die 33jährige Witwe hatte sich nicht nur um ihre Familie zu kümmern, sondern auch die Geschäfte in Hamburg und vor allem die Seiden- und Tapetenfabriken in Wien abzuwickeln, wozu sie 1770/71 für fünf Monate und noch einmal von 1772 bis 1775 drei Jahre lang in der österreichischen Hauptstadt anwesend sein mußte. Für Lessing verbanden sich mit seinem Hamburger Aufenthalt 1767 im Hause König seine Tätigkeit am im Jahr zuvor in der Hansestadt gegründeten Deutschen Nationaltheater, die Uraufführung seines Lustspiels „Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück“ und die Entstehung seiner 1769 in zwei Bänden erschienenen „Hamburgische[n] Dramaturgie“, bevor er dann am 7. Mai 1770 das Amt des Bibliothekars an der herzoglichbraunschweigischen Bibliothek in Wolfenbüttel antrat und am 10. Juni den Briefwechsel mit Eva König begann. Daß sich Lessing ihrer und ihrer vier Kinder – der Dichter war Pate des jüngsten, 1768 geborenen Sohnes Friedrich – annahm, entsprach dem Willen des in Venedig plötzlich verstorbenen Ehemannes, dem auch er freundschaftlich verbunden war. Schon weil die wohlhabende Geschäftsfrau und der berühmt gewordene Dichter getrennt in Hamburg und Wolfenbüttel wohnten und beide zudem viel auf Reisen waren, mußte neben gelegentlichen Besuchen ein ausgedehnter Briefwechsel ihre Kommunikation prägen, bei der sie der aktivere Teil war. Eine Woche vor der Hochzeit und mit der Übersiedlung der inzwischen 40jährigen Verlobten in die Residenzstadt endete am 28. und 30. September 1776 beiderseits der Austausch der Brautbriefe. Aber dem späten Glück war keine lange Ehezeit beschieden, denn nur zwei Tage nach der Geburt starb beider Sohn Traugott am 26. Dezember 1777, und durch Eva Lessings Tod im Kindbett am 10. Januar 1778 wurde ihr Mann zum Witwer und war wieder alleine. Drei Jahre vor Lessing mündete Johann Gottfried Herders (1744–1803) Verlobungszeit am 2. Mai 1773 in die Ehe mit Karoline Flachsland (1750–1809), der er zum
17 Schillers Werke, Bd. 33 I, Nr. 311, S. 361–363, hier S. 362. 18 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Frühe Schriften I, S. 405–407, hier S. 405 und 407.
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ersten Mal in Darmstadt im Sommer 1770 auf der Durchreise begegnet war. 19 In den „Darmstädter Kreis“ um Johann Heinrich Merck (1741–1791) einbezogen, der in seinem Hause zahlreiche Schriftsteller um sich versammelte, zu denen sich auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) gesellte, kam sie eng mit Geist, Seele und Gefühl im Zeitalter der Emp ndsamkeit in Berührung. Am Tag nach einer Predigt Herders am 19. August 1770 in der Schloßkirche und einem gemeinsamen Waldspaziergang begann der 26jährige Theologe einen Briefwechsel mit ihr, an dessen Anfang die gegenseitigen Bekenntnisse ihrer Liebe zueinander stehen. 20 Eine erste Ausgabe von Brautbriefen Johann Gottfried Herders und Karoline Flachslands, in der „nur das Wichtigste ausgewählt“ war, „das Bild des leidenschaftlichen Seelenwogens“ aber nicht „verwischt“ werden sollte 21, veranstaltete im Jahre 1857 der Bibliothekar und Altphilologe Heinrich Düntzer (1813–1901) zusammen mit Herders Enkel Ferdinand Gottfried von Herder (1828–1896). Die darin enthaltenen 135 Briefe aus der Zeit vom 20. April 1771 bis 20. April 1773 22 erfuhren in dem von 1926 bis 1928 erschienenen zweibändigen Briefwerk „Herders Briefwechsel mit Caroline Flachsland“ eine Erweiterung um 63 auf insgesamt 198 Briefe. Berücksichtigung fanden darin auch die Briefe ab dem 20. August 1770, die zwischen Karoline in Darmstadt, wo sie im Haus ihrer Schwester lebte, und Herder als umherreisendem Fürstenerzieher an zunächst immer neuen Aufenthaltsorten gewechselt wurden, bevor er Ende April 1771 das Amt des Hofpredigers im lippischen Bückeburg übernahm. 23 War Lessing im Alter von 47 Jahren sehr spät in den Stand der Ehe getreten, heiratete der preußische Staatsmann und Gelehrte Wilhelm von Humboldt (1767–1835) schon mit 24. Er hatte seinen Töchtern letztwillig hinterlassen, „daß der Briefwechsel zwischen mir und der lieben Mutter sogleich von meinen Papieren ausgeschieden werde“ und nach seinem Ableben der Reihe nach an Caroline, das älteste von acht Kindern gehen solle, dann an Adelheid und Gabriele sowie deren älteste Tochter und ihre Schwestern. „Die von Euch sieben Töchtern und Enkelinnen zuletzt Lebende“ – verfügte Humboldt weiter –, „soll die Freiheit haben, ihn, wem sie will, zu hinterlassen, nur muß er immer in weibliche Hände kommen und aus keinerlei Umständen vernichtet werden. Dagegen bleibt der sonstige Gebrauch dem Gefühl jeder Besitzerin überlassen.“ Im Sinne dieser Erlaubnis gab die Urenkelin Anna von Sydow zu Beginn des 20. Jahrhunderts die siebenbändige Ausgabe „Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen“ heraus, deren erster Band die „Briefe aus der Brautzeit 19 Zu den näheren Umständen des Kennenlernens vgl. die Einleitung zu: Herders Briefwechsel mit seiner Braut, S. 3–12, insbesondere S. 5f. 20 Herders Briefwechsel mit Caroline Flachsland, Bd. 1, Nr. 2 und 3, S. 2–8. 21 Herders Briefwechsel mit seiner Braut, S. 11. 22 Herders Briefwechsel mit seiner Braut, Nr. 1–135, S. 13–503; die Briefe Herders auch in: Johann Gottfried Herder, Briefe, Bd. 1, S. 187–329, und Bd. 2, S. 13–338. 23 Sein erster Brief aus Bückeburg datiert vom 1. Mai 1771: Herders Briefwechsel mit Caroline Flachsland, Bd. 1, Nr. 39, S. 183–194.
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1787–1791“ enthält. 24 Albert Leitzmann war davon überzeugt, „daß diese Briefe den schönsten Liebesbriefsammlungen beizuzählen sind, die wir aus dem so schreibseligen 18. Jahrhundert unserer Literatur besitzen“. 25 Nachdem Wilhelm von Humboldt unter dem Datum des 28. Juli 1788 von der mehr als ein Jahr älteren Karoline von Dacheröden (1766–1829) – beide waren Mitglieder eines zeittypischen Geheimzirkels („Tugendbund“) – eine briefliche Einladung zu einem Besuch auf dem väterlichen Gut Burgörner im Mansfeldischen erhalten 26 und sie in der zweiten Augusthälfte dort persönlich kennengelernt hatte 27, setzte von da an eine immer intensiver werdende Korrespondenz der seelisch, gedanklich und emotional gleichgestimmten Partner ein. 28 Sie umfaßte nach der genannten Erstausgabe 162 Briefe, von denen 87 von Karoline von Dacheröden und 75 von Wilhelm von Humboldt stammten. Die jüngste Edition allein der Briefe Wilhelm von Humboldts enthält 79 Briefe an Karoline. 29 Während bis zur allein auf Liebe gegründeten Verlobung am 17. Dezember 1789 in Erfurt, gegen die sowohl Humboldts Mutter als auch Karolines Vater Einwände hatten, 19 Briefe gewechselt wurden, datieren die Brautbriefe Wilhelm von Humboldts vom 26. Dezember 1789 bis 6. Juni 1791–ab Februar 1790 in immer dichterer Folge einem „Protokoll einer inneren Entwicklung“ gleichkommend 30 –, die Karoline von Dacherödens vom 7. Januar 1790 über eineinhalb Jahre hinweg – mitunter mehrmals wöchentlich – bis zum 10. Juni 1791, knapp drei Wochen vor der Hochzeit am 29. Juni 1791 ebenfalls in Erfurt. Bemerkenswerterweise gingen während der Zeit seiner Reisen nach Paris im Augenblick des Ausbruchs der Französischen Revolution sowie in die Schweiz im Oktober 1789 drei der Briefe Humboldts zugleich an seine Braut und an Karoline von Beulwitz, geb. von Lengefeld (1763–1847) 31, die zum engsten Freundeskreis Karoline von Dacherödens und dann auch Wilhelm von Humboldts gehörte. Darüber hinaus sind von ihm acht weitere Briefe überliefert, an Karoline von Beulwitz allein adressiert, teils aus seiner Verlobungszeit, teils von früher. 32 Sie war die Schwester der schon erwähnten Charlotte von Lengefeld, der Ehefrau des Historikers und Dichters Friedrich 24 Briefe aus der Brautzeit 1787–1791; ebenda im „Vorwort zur ersten Auflage“, S. V, das Zitat aus Humboldts „letztwilligen Bestimmungen“. 25 Die Brautbriefe Wilhelms und Karolinens von Humboldt, Einleitung, S. VI. 26 Briefe aus der Brautzeit 1787–1791, Nr. 1, S. 3f. 27 Vgl. zum biographischen Kontext Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 28–62 passim. 28 Siehe dazu auch Berghahn, Das Schreiben der Liebe. 29 Wilhelm von Humboldt, Briefe, Bd. 1, S. 107–418, beginnend mit Nr. 36 (August 1788) und endend mit Nr. 198; neu darin Nr. 37, S. 108–110 (1. September 1788), Nr. 46, S. 129–131 (16. November 1788), Nr. 56, S. 148f. (7. [?] Januar 1789), und Nr. 93, S. 224f. (26. Oktober 1789). 30 Philip Mattson in seiner Einleitung in: Wilhelm von Humboldt, Briefe, Bd. 1, S. 10. 31 Wilhelm von Humboldt, Briefe, Bd. 1, Nr. 81, S. 206f., Nr. 82, S. 207–210, und Nr. 93, S. 224f. 32 Wilhelm von Humboldt, Briefe, Bd. 1, Nr. 57, 66, 71, 77, 94, 101, 139, 142 (23. Januar 1789– 10. August 1790).
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Schiller. 33 Dessen zwischen ihrer zunächst geheimgehaltenen Verlobung am 3. August 1789 und ihrer Hochzeit am 22. Februar 1790 verfaßten Brautbriefe waren bis auf wenige Ausnahmen an beide Lengefeld-Töchter gerichtet 34, zu denen sich Schiller gleichermaßen im Sinne einer „Liebe zu dritt“ hingezogen fühlte, obwohl Karoline bereits seit 1784 verheiratet war. Charlotte von Lengefeld schrieb in ihrer etwas mehr als halbjährigen Verlobungszeit 52 Brautbriefe an ihren zukünftigen Ehemann. 35 Wilhelm von Humboldts Altersgenosse Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), zusammen mit ihm als Vordenker und mit Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) maßgeblich an der Gründung der Universität zu Berlin im Jahre 1809 beteiligt, heiratete schon 41jährig die junge Witwe Henriette von Willich, geb. von Mühlenfels (1788–1840). Mit ihrem verstorbenen Mann, dem Militärgeistlichen Ehrenfried von Willich (1777–1807), war er eng befreundet und wurde gleichsam zu einem vertrauten Verwandten der jungen Familie, oft „Schleier“ oder „Vater“ genannt. Nach dem plötzlichen Ableben seines Freundes blieb Schleiermacher mit der Witwe, deren zweites Kind erst nach dem Tod des Vaters geboren wurde, als Freund und Ratgeber in immer enger werdender persönlicher Verbindung, die in dem im Jahre 1919 erschienenen „Briefwechsel mit seiner Braut“ dokumentiert ist. Er ist mit 166 Briefen Henriette (Jette) von Willichs und Schleiermachers, meist mit seinem dritten Vornamen Ernst unterschreibend, in drei Abschnitte einzuteilen: für die Zeiten vom 25. Februar 1804 bis zum Todesfall am 2. Februar 1807, vom 13. März 1807 bis zur Verlobung auf der Insel Rügen im Juli 1808 und – die eigentlichen 113, über weite Strecken wie im Falle Karl Hegels tagebuchartig geschriebenen Brautbriefe umfassend (58 von ihm, 55 von ihr) – vom 7. August 1808 bis zum 16. April 1809, kurz vor der Hochzeit am 18. Mai 1809. 36 Ungekürzt haben sie Eingang gefunden in die 5. Abteilung „Briefwechsel und biographische Dokumente“ der „Kritische[n] Gesamtausgabe“ der Werke Schleiermachers. 37 Es ist sicher der häu gste Fall, daß Brautbriefe in Gesamtausgaben von Korrespondenzen chronologisch eingeordnet wurden. Aber auch von Personen des 19. Jahrhunderts sind Brautbriefe bekannt, die in separaten Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Zu ihnen gehören zum Beispiel die des eingangs genannten Dichters Eduard Mörike, deren Adressatinnen die Pfarrerstochter Luise Rau, mit
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Zu ihm sei hier nur verwiesen auf Damm, Das Leben des Friedrich Schiller. Schillers Werke, Bd. 25, Nr. 192–286. Schillers Werke, Bd. 33 I, Nr. 320–403. Friedrich Schleiermachers Briefwechsel mit seiner Braut, S. 16–72 (Nr. 1–37), S. 72–105 (Nr. 38–53), S. 105–408 (Nr. 54–166). 37 Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Briefwechsel 1808: Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel, S. XLIX–LI mit den Nummern 2782–3016, die Briefe ebenda, S. 180–523; Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Briefwechsel 1809–1810: Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel, S. LX–LXII mit den Nummern 3021–3217, die Briefe ebenda, S. 3–254.
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der er sich im August 1829 verlobte, und seine Ehefrau Margarethe von Speeth, die er 1851 heiratete, waren. 38 Von beiden Damen sind keine Antwortbriefe überliefert. Mit 222 Briefen besonders umfangreich ist der in einer kritischen Edition vorliegende Brautbrief-Wechsel aus einer fast zweieinhalbjährigen Verlobungszeit des Husumer Juristen und Dichters Theodor Storm (1817–1888) und seiner Cousine Constanze Esmarch (1825–1865), Bürgermeisterstochter aus Segeberg, vom April 1844 bis September 1846. 39 Diese meistens in der häu g begegnenden Form eines Tagebuchs verfaßten Brautbriefe mit zahlreichen Liebesgedichten Storms erlauben nicht nur, immer wieder Verbindungslinien zu seinem späteren dichterischen Werk zu ziehen, sondern spiegeln neben den familiären Situationen in Husum und Segeberg auch die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Mitte der 1840er Jahre im eng mit dem Königreich Dänemark verbundenen Herzogtum Schleswig. 40 Brautbrief-Ausgaben sind zudem sozial und politisch aktiven Theologen gewidmet und gehören damit auch in den Kontext der kulturell prägenden evangelischen Pfarrerfamilien Nord- und Mitteldeutschlands, des evangelischen Pfarrhauses des 19. Jahrhunderts. Die im Jahre 1901 erschienenen „Jugend- und Brautbriefe“ Johann Hinrich Wicherns (1808–1881) wurden von seinem Sohn Johannes als Ergänzung zu Friedrich Oldenbergs zweibändiger Biographie seines Vaters 41 in pädagogischer Absicht veröffentlicht, weil ihm im Juni 1900 „der in den Brautbriefen zu Tage tretende tiefe Ernst wohlgeeignet“ erschien, „jungen Brautleuten einen hohen Begriff von der Heiligkeit und Herrlichkeit eines durch die Liebe Christi verklärten Braut- und Ehestandes zu geben.“ Als Nachfolger seines Vaters in der Leitung des von ihm 1833 gegründeten „Rauhen Hauses“ wollte er zugleich das eigenständige Wirken seiner Mutter in dieser frühen sozialen Einrichtung für verwahrloste Kinder und Jugendliche nicht in Vergessenheit geraten lassen. 42 Johann Hinrich Wichern – Karl Hegel war ihm im Herbst 1843 im „Rauhen Haus“ in Hamburg und kurz danach in Rostock bei einem seiner werbenden Vorträge für die Verbreitung der von ihm auch ins Leben gerufenen „Inneren Mission“ der evangelischen Kirche begegnet 43 – hatte seine Braut Amanda Böhme (1810–1888), eine Nachfahrin des evangelischen Mystikers und Philosophen Jakob Böhme (1575– 1624), als engagierte Lehrerin in den Hamburger Elendsvierteln des frühen 19. Jahr38 Eines Dichters Liebe; siehe auch Eduard Mörike. Brautbriefe. Die Briefe an Luise Rau, hrsg. von Dietmar Till (Insel-Taschenbuch), Frankfurt am Main 2004. 39 Theodor Storm – Constanze Esmarch. Briefwechsel (1844–1846), 2 Bde.; zur Charakterisierung dieser Brautbriefe vgl. die Einleitung in Bd. 1. 40 Vgl. Laage, Liebesqualen. 41 Oldenberg, Johann Hinrich Wichern; zur Verlobungszeit siehe ebenda, Bd. 1, S. 351–366. 42 Jugend- und Brautbriefe, Vorwort; der Band enthält neben den Brautbriefen Tagebucheintragungen Johann Hinrich Wicherns aus den Jahren 1826–1828, Jugendbriefe aus den Jahren 1826–1830 sowie beides auch zum Jahr 1831. 43 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 148.
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hunderts kennengelernt und als erste Mitarbeiterin gewonnen. Seine 48 Brautbriefe, die ohne die seiner Verlobten nur für die Zeit vom 24. April 1833 bis Ende Dezember 1834 abgedruckt wurden – geheiratet wurde am 29. Oktober 1835 –, sind geprägt von den beiderseitigen religiösen, pädagogischen und sozialen Überzeugungen und verbinden ihre persönliche Liebesgeschichte mit der Gründungsgeschichte des „Rauhen Hauses“. 44 Ein sozialreformerischer lutherischer Theologe war auch der aus dem Harz stammende Gustav Stutzer (1839–1921), der 1868 als Gemeindepfarrer in dem kleinen Ort Erkerode zusammen mit der Braunschweiger Bankierstochter Luise Löbbeke (1808–1892) und dem Arzt Oswald Berkhan (1834–1917) eine Anstalt für geistig und körperlich behinderte Menschen, vor allem Kinder, gründete. Die mit seiner nur wenig jüngeren Braut Therese Schott (1841–1916) gewechselten Brautbriefe vom 28. Oktober 1862 bis 23. September 1864 wurden 1927 von den Nachfahrinnen Ilse und Eva Stutzer veröffentlicht 45 und fanden Berücksichtigung in Stutzers Biographie seiner Frau. 46 Schließlich ist aus der Gruppe der Theologen die Sammlung der Brautbriefe Adolf Stoeckers (1835–1909) und seiner Verlobten Anna Krüger (1843–1910) zu nennen, die kurz nach beider Tod im Auftrage der Familie im Jahre 1913 ohne einleitenden Kommentar, weil die Briefe für sich sprächen, von Dietrich von Oertzen herausgegeben wurde. 47 Der vor allem als Berliner Hof- und Domprediger, als Politiker des Wilhelminischen Kaiserreichs und radikaler antisemitischer Propagandist bekannt gewordene Landpfarrer aus Halberstadt hatte die Kaufmannstochter Anna Krüger aus sehr christlicher Familie in Brandenburg bald nach Antritt seiner ersten Pfarrstelle im Dorf Seggerde in der Magdeburger Börde kennengelernt und sich in sie verliebt. 48 Dies gestand er ihr in einem Brief vom 8. März 1864, dem wenig später ein zweiter Liebesbrief als Reaktion auf ihr Antwortschreiben folgte. Aber zur Verlobung kam es – nach hinhaltender Reaktion auf Stoeckers erste Werbung um Anna Krüger – erst zweieinhalb Jahre später, als beide in einem gemeinsamen Brief vom 26. September 1866 aus Brandenburg seinen Eltern dies mitteilten. 49 Die Abfolge der beinahe 140 sich immer wieder im Hin- und Herschicken überschneidenden Brautbriefe eröffnete Anna Krüger einen Tag später wie fast immer aus ihrer Heimatstadt, und Stoecker schickte – oftmals um ein selbst verfaßtes Gedicht ergänzt – den letzten Brautbrief am 16. Mai 1867 aus Hamersleben ab, wo er seit dem Vorjahr Ortspfarrer war. 44 Jugend- und Brautbriefe, S. 152–214. – Einige Briefe der Eheleute zwischen den Jahren 1837 und 1866 aus dem Archiv des „Rauhen Hauses“ sind ohne weitere Belege abgedruckt bei Wilken, ... deine Liebe hat mich reich gemacht. 45 Gustav und Therese Stutzer, S. 54–224. 46 Stutzer, Meine Therese, S. 5–24, u. a. S. 13f., 20. 47 Adolf und Anna Stoecker. Brautbriefe. 48 Oertzen, Adolf Stoecker, Bd. 1, S. 62–81, insbes. S. 68–70. 49 Adolf und Anna Stoecker. Brautbriefe, S. 7–10.
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Im Kontrast zu gelegentlich begegnenden kleinen Sammlungen von vor allem familiengeschichtlich interessanten Brautbriefen 50 stehen die des späteren preußischen Ministerpräsidenten und deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815–1898) und seiner Verlobten Johanna von Puttkamer (1824–1894), von denen gesagt wurde, sie seien „wahre ‚documents humains`, die ihren Platz haben in der großen Brie iteratur des 19. Jahrhunderts.“ 51 Ihre Brautbriefe liegen getrennt in je eigenen Ausgaben vor, herausgegeben von ältestem Sohn und Schwiegertochter: Der Diplomat und Politiker Herbert von Bismarck (1849–1904) gab im Jahre 1900 „Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin“ heraus, seine Frau, Marguerite, geb. Grä n Hoyos (1871– 1945), „Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck“. 52 Herbert von Bismarck entschloß sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, eine „vollständige Sammlung“ dieser Briefe seines Vaters aus seinem Archiv zusammenzustellen und „der Oeffentlichkeit zu übergeben.“ 53 Dabei handelt es sich für die Zeit vom 29. Januar bis 4. Juli 1847 um 34 Briefe (mit zumeist anhängenden englischen Gedichten) an seine aus einem pietistischen Elternhaus im pommerschen Reinfeld stammende Braut Johanna von Puttkamer 54, der er erstmals am 4. Oktober 1844 begegnet war und um deren Hand er, dem der zweifelhafte Ruf eines „tollen Junkers“ anhaftete, in einem auch als Brautbrief bezeichneten „Werbebrief “ vom 21. Dezember 1846 an ihren Vater Heinrich von Puttkamer (1789–1871) angehalten hatte. 55 Ein Besuch bei ihren Eltern und eine neuerliche Begegnung mit Johanna am 12. Januar 1847 mündeten unmittelbar in die Verlobung, von der Otto von Bismarck von Reinfeld aus am 16. Januar zuerst seine Schwester Malwine von Arnim-Kröchlendorff (1827–1908) und wenig später seinen älteren Bruder Bernhard (1810–1893) informierte, seine nächsten Verwandten. 56
50 Hier sei verwiesen auf die Briefe des sauerländischen Publizisten, Juristen und Politikers Johann Friedrich Joseph Sommer (1793–1856): Die Brautbriefe des Westphalus Eremita, hrsg. von seinem Urenkel Clemens Plassmann, Limburg 1950, sowie auf: Reisebericht und Brautbriefe des Bremer Bildhauers Heinrich Frese (1794–1869), zusammengestellt und hrsg. von Ulf Ehrlich, Roßdorf am Forst 1997. 51 Ullrich, Otto von Bismarck, S. 33; siehe dazu auch Engelberg, Otto und Johanna von Bismarck, S. 30–41. 52 Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin (1900); Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck (1931). 53 Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, S. V. 54 Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, S. 7–108; es folgen unter den Nrr. 39–506 mehr als 450 Briefe „An die Gattin“, S. 109–598. Bismarcks 34 Brautbriefe auch in: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 14.1, S. 49–98. 55 Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 14.1, Nr. 71, S. 46–48. – Siehe dazu insgesamt Gall, Bismarck, S. 52–55; Engelberg, Bismarck, S. 231–243; Ullrich, Otto von Bismarck, S. 30–32. 56 Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 14.1, Nr. 74, S. 49, und Nr. 76, S. 50.
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Überzeugt, daß der „Gedanke an eine solche Publizität“ ihrer Liebesbriefe an Otto von Bismarck aus der Verlobungszeit „peinlich, ja entsetzlich“ gewesen wäre, hatten Sohn und Schwiegertochter bestimmt, der Ausgabe von „Fürst Bismarcks Briefe[n] an seine Braut und Gattin“ nicht die Brautbriefe Johanna von Puttkamers folgen zu lassen. 57 Aber angeregt durch den „schönen ersten Band der Biographie Otto v. Bismarcks“ von Erich Marcks (1861–1938) 58, in dem „die Jugend, die Zeit der inneren Umkehr, die Verlobung geschildert“ werden, und dazu durch den Historiker persönlich ermuntert, der der Meinung war, es geschähe der Witwe Otto von Bismarcks „ein Unrecht durch Zurückhaltung dieser Briefe“, entschloß sich Marguerite Fürstin von Bismarck ein Vierteljahrhundert nach dem Tode ihres Mannes zur Herausgabe der Brautbriefe ihrer Schwiegermutter. 59 Es sind in ihrer Ausgabe 30 Brautbriefe Johanna von Puttkamers enthalten, die – oftmals ohne genaues Datum – vom 29. Januar bis zum 25. Juni 1847 reichen 60, einen Monat vor der Hochzeit am 28. Juli in Reinfeld. Schließlich sei noch auf einige Beispiele von Brautbrief-Ausgaben und Brautbriefen aus dem Bereich der Wissenschaften verwiesen, in denen sich Liebes- und Familienbriefe oder auch Reise- beziehungsweise Forschungsberichte mischen und ergänzen. Der Zoologe und Philosoph Ernst Haeckel (1834–1919) schrieb zwischen 7. Februar 1859 aus Florenz und 20. April 1860 aus Paris mehr als 60 „Briefe an die Braut“ von seiner „Italienfahrt“ und berichtete seiner Cousine Anna Sethe (1835–1864), mit der er seit 3. Mai 1858 heimlich und seit 14. September of ziell verlobt war, von seiner mehr als einjährigen Forschungsreise durch die Apenninen-Halbinsel und Sizilien. In der zwei Jahre nach Haeckels Tod erschienenen Ausgabe hat der Herausgeber Heinrich Schmidt (1874–1935), sein Privatsekretär und Nachlaßverwalter, zwischen die Brautbriefe gelegentlich ergänzende Berichte über Exkursionen und neue Erkenntnisse sowie diesbezügliche Briefe an andere Personen plaziert. 61 Im Juni 1862 haben Haeckel und Sethe geheiratet, aber schon zwei Jahre später ist die Ehefrau gestorben. 62
57 Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck, Vorwort, S. 6. 58 Marcks, Bismarcks Jugend. Der Historiker hat sich in diesem ersten, oftmals wieder aufgelegten Band einer mehrbändig geplanten, aber nicht vollendeten Biographie Otto von Bismarcks ausführlich der „Verlobung und Bekehrung“, der „Brautzeit, bis zum Mai 1847“ und der „Vermählung und erste[n] Ehezeit“ zugewandt (ebenda, S. 317–349, 350–390, 433–451). 59 Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck, Vorwort, S. 5, 7f. 60 Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck, S. 22–165; davor und danach sind wenige andere Briefe und Aufzeichnungen abgedruckt. 61 Haeckel, Italienfahrt; siehe auch: Ernst Haeckel, Briefe an Anna Sethe (1858–1865): http://caliban.mpipz.mpg.de/haeckel/anna_sethe.html (letzter Zugriff: 23.09.2017); ferner: Freud, Bernays, Die Brautbriefe, Bd. 1, S. 54–56. 62 Zu Ernst Haeckels Beziehungen zu Anna Sethe siehe auch die auf Korrespondenzen beruhende Ausgabe: Anna Sethe. Die erste Liebe eines berühmten Mannes in Briefen, [hrsg. und eingeleitet von Heinrich Schmidt,] Dresden 1930; die Brautbriefe aus der Zeit der Italienreise sind hier nicht enthalten.
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Eine Besonderheit stellt in mehrfacher Hinsicht der Briefwechsel zwischen dem im fränkischen Fürth geborenen jüdischen, 1821 evangelisch getauften Kaufmannssohn und späteren berühmten Anatomen Jakob Henle (1809–1885) und der aus dem thurgauischen Tägerwilen stammenden, unehelich geborenen Elise Egloff (1821–1848) dar. Sie waren sich im Haus des Chemie-Professors Carl Löwig (1803–1890) in Zürich begegnet, in dessen Haushalt Elise als Dienst- und Nähmädchen tätig war und bei dem Henle, seit 1840 Medizin-Professor an der Universität, zeitweise wohnte. 63 Die zwischen ihnen ent ammte, aber wegen des sehr großen Standesunterschiedes geheim gehaltene Liebe wurde mit Henles Berufung an die Universität Heidelberg Ende 1843 auf eine harte Probe gestellt, die nur durch eine zeitweise Trennung zu bestehen war. Elise Egloff sollte in einem Mädchenpensionat in Traben an der Mosel und anschließend im Hause seines Schwagers, Landgerichtsrat Carl Mathieu, in Trier mit einem bürgerlichen Bildungsprogramm zur „Professorenfrau“ 64 herangebildet werden, die von der Gesellschaft einer Universitätsstadt wie Heidelberg akzeptiert werden würde. Von seiner ältesten, kinderlos gebliebenen Schwester Marie Mathieu, die Henle erst mit seinem langen Bekennerbrief vom 8. Juni 1844 aus Heidelberg in seine Liebesgeschichte einweihte – in seinen „Roman“, wie er sich ausdrückte –, wollte er Elise „als meine Braut empfangen“. Dieser Brief bildet die Einführung zur ersten Ausgabe von Braut- und Familienbriefen Jakob Henles und Elise Egloffs, die Paula Rehberg 1937 unter dem Titel „Elise Egloff. Die Geschichte einer Liebe in ihren Briefen“ herausgegeben hatte. 65 An ihr war Emma Henle (1858–1937), Jakob Henles Tochter aus zweiter Ehe, in deren Besitz sich die Originalschreiben befanden, bis zu ihrem Tod maßgeblich beteiligt. Die Ausgabe umfaßt nur die „vorhochzeitlichen Briefe“ 66, beginnend mit einem Brief Elise Egloffs vom 6. Februar 1843 an Jakob Henle 67 und endend mit dessen Brief an seine Braut vom 24. Februar 1846, dem Tag, an dem er nach sechsjähriger Arbeit den ersten Teil seines „Handbuchs der rationellen Pathologie“ abgeschlossen hatte, von dem er überzeugt war, daß es „einen Umschwung in der Medicin machen, mir die Alten zu Feinden 63 Vgl. Merkel, Jacob Henle, insbes. S. 215–226; Friedrich Merkel (1845–1919) war als Anatom Nachfolger seines Schwiegervaters auf dessen Göttinger Lehrstuhl. 64 1846 veröffentlichte der zu seiner Zeit viel gelesene Schriftsteller Berthold Auerbach (1812– 1882) seine Erzählung „Die Frau Professorin“, nachdem er von dem damals noch geheimen Liebesverhältnis zwischen Elise Egloff und Jakob Henle durch eine Indiskretion des Weimarer Gelehrten Adolf Schöll, einem Schwager Henles, erfahren hatte. „Die Frau Professorin“ erschien zuerst in: Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1847, N. F. Jg. 9 (1846), S. 283–446 (https://opacplus.bsb-muenchen.de/metaopac/search?View=default&db=100&id=2040402, letzter Zugriff: 23.09.2017). 65 Elise Egloff [Briefe 1937], S. 7–16, Zitate ebenda, S. 7 und 16. Der Brief auch in: Geprüfte Liebe, S. 38–46. 66 Ebenda, S. 211. 67 Ebenda, S. 19; Geprüfte Liebe, S. 27; ebenso in der kaum veränderten Neuauflage von 2004: „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 27.
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machen und die Jungen an mich fesseln [wird]“. 68 Es war der letzte Brautbrief Henles, denn im März 1846 fand die Hochzeit statt, womit auch Elises Weg „vom Nähmädchen zur Professorenfrau“ beendet war. 69 Der Beginn ihrer Verlobungszeit läßt sich aus den Briefen nur ungenau bestimmen, aber es liegt nahe, das Schreiben Jakobs an Elise vom 12. Dezember 1845 aus Heidelberg als ersten Brautbrief zu verstehen, zumal Paula Rehberg mit ihm in ihrer Briefausgabe das Kapitel „Die Verlobten“ eröffnet. 70 Infolge der „Plauderhaftigkeit“ seines Schwagers Adolf Schöll (1805–1882), Archäologe und seit 1843 Direktor der Großherzoglichen Kunstsammlungen in Weimar, war Henles Liebesverhältnis bekannt geworden, und er sah sich als vielfach beglückwünschter und „öffentlich proklamirter Bräutigam eines Mädchens aus Thurgau“ 71, der feststellen mußte, „unser Geheimnis ist uns über den Kopf gewachsen“. 72 Bis zum 24. Februar 1846 folgen 15 weitere wechselseitige Briefe 73, in denen Henle seine Verlobte gelegentlich als „Mein geliebtes Bräutchen“ oder „Meine geliebte Braut“ anredet. 74 Schon am 20. Dezember 1845 schrieb Jakob an Elise, „daß soeben mein Gesuch, um die Erlaubniß Dich heirathen zu dürfen an den [badischen] Großherzog abgegangen ist“. 75 Finden sich unter diesen Brautbriefen nur noch zwei Familienbriefe, so machen diese vor allem die Briefsammlung ab 6. Februar 1843 aus, in die die Liebesbriefe eingebettet sind. Die Briefwechsel vor allem zwischen Henle und seinem Schwager Mathieu und seiner Schwester in Trier, Elises „Erziehungseltern“, geben Einblicke in den Verlauf des „Bildungsexperiments“ Jakob Henles mit Elise Egloff, zu dem auch gehörte, daß der Briefverkehr zwischen beiden während der vorangehenden Zeit im Trabener Töchterinstitut ab Mai 1844 ein ganzes Jahr gänzlich ruhte. Erst am 22. Mai 1845, mit Beginn des Trierer Aufenthaltes, durfte Elise ihrem Geliebten wieder schreiben 76, und es folgte bis zur Verlobung ein reger Briefwechsel. Nach der Hochzeit setzte sich dieser fort, wenn das Ehepaar vor allem im Jahr 1847 getrennt verreiste, als Elise Henle schon lange erkrankt war und schließlich am
68 69 70 71 72 73 74 75 76
Elise Egloff [Briefe 1937], S. 208; Geprüfte Liebe, S. 205f.; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 205f. So der Untertitel der Briefsammlung „Geprüfte Liebe“. Elise Egloff [Briefe 1937], S. 181–208; der genannte Brief ebenda, S. 183f. Ebenda, S. 183; eine längere Version in: Geprüfte Liebe, S. 177–179, hier S. 178; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 177–179, hier S. 178. So in der längeren Briefversion vom 12. Dezember 1845: Geprüfte Liebe, S. 178; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 178. Hier unterscheiden sich die Briefausgaben von 1937, 1987 und 2004 geringfügig, erheblicher allerdings hinsichtlich der Brieflängen. Elise Egloff [Briefe 1937], S. 185, 187, 197. Ebenda, S. 185f., hier S. 185; Geprüfte Liebe, S. 181f., hier S. 181; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 181f., hier S. 181. Elise Egloff [Briefe 1937], S. 79–81; Geprüfte Liebe, S. 89–91; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 89–91.
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
21. Februar 1848 – nach der Geburt ihres zweiten Kindes, ihrer Tochter Elise 77 – an Tuberkulose verstarb 78, nur 27 Jahre alt geworden. Der Schweizer Dichter Gottfried Keller (1819–1890), der Jakob Henle schon in seiner Züricher Zeit kennengelernt hatte, hat 1881 Elise Egloff und ihrem Leben mit seiner Erzählung „Regine“ ein literarisches Denkmal gesetzt 79, 1882 in seiner Novellen-Sammlung „Das Sinngedicht“ abgedruckt. 80 Etwas mehr als 2000 Briefe haben sich von den Braut- und Eheleuten Eberhard Gothein (1853–1923) und Marie Luise Gothein, geb. Schröter (1863–1931), in der Heidelberger Universitätsbibliothek erhalten, des Nationalökonomen und Kulturhistorikers sowie der Anglistin und Kunsthistorikerin, die sich nach den Gegebenheiten der Zeit vor und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nur autodidaktisch als Wissenschaftlerin entfalten konnte. 81 Von dieser großen Zahl liegen lediglich 330 Briefe in einer modernen Edition vor, um Leben und Werk dieses Wissenschaftlerpaares zu dokumentieren, 53 von 445 aus der Verlobungszeit, 45 Brautbriefe von ihm und acht von ihr. 82 Sehr früh hatten sich der Arzt-Sohn und die zehn Jahre jüngere Tochter eines Landgerichtspräsidenten als Lehrer und Schülerin in Breslau kennengelernt, am 25. November 1882 of ziell verlobt und am 15. März 1885 geheiratet, nachdem Gothein an der Technischen Hochschule Karlsruhe eine feste Stelle als Professor der Nationalökonomie erhalten hatte. 83 Damit endeten Privatdozentenzeit des seit 1878 habilitierten Historikers und die etwas mehr als zweijährige Brautzeit als eine erste gemeinsame Phase intensiven geistigen und wissenschaftlichen Austausches, der sich nach den Brautbriefen in der Korrespondenz des Ehepaares bis zum Tod Eberhard Gotheins intensiv fortsetzte. Acht Jahre danach publizierte Marie Luise Gothein auf der Grundlage seiner Briefe ein „Lebensbild“ ihres Gatten. 84
77 Elise, geboren am 20. Januar 1848, heiratete den Althistoriker Franz Rühl (1845–1916); ihr älterer Bruder Carl Henle war im Dezember 1846 geboren worden und wurde Jurist. 78 Vgl. Brief Jakob Henles an seine Geschwister vom 21. Februar 1848: Geprüfte Liebe, S. 222; „Mein lieber, böser Schatz!“, S. 222. 79 Vorabdruck in zwei Fortsetzungen in: Deutsche Rundschau, hrsg. von Julius Rodenberg, Bd. 26, Berlin 1881, S. 25–38 und 161–188; das ganze Sinngedicht in drei Fortsetzungen ebenda, S. 1–38, 161–192, 321–342. 80 Das Sinngedicht. Novellen von Gottfried Keller, Berlin 1882, S. 62–154; Gottfried Keller. Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe, hrsg. von Walter Morgenthaler, Bd. 7: Das Sinngedicht. Sieben Legenden, Basel, Zürich 1998, S. 56–127. 81 Vgl. Maurer, Eberhard Gothein – Marie Schröter. 82 Im Schaffen genießen, Nr. 1–53, S. 11–98; ebenda, S. 557, ist vermerkt, daß sämtliche Briefe transkribiert im Institut für Volkskunde /Kulturgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorliegen. 83 Vgl. insgesamt auch Maurer, Eberhard Gothein, S. 49ff., 98ff. 84 Marie Luise Gothein, Eberhard Gothein. Ein Lebensbild seinen Briefen nacherzählt, Stuttgart 1931.
Zum Quellenwert der Brautbriefe Karl Hegels
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Nach einer ersten schmalen Taschenbuchausgabe der Brautbriefe Sigmund Freuds (1856–1939) und Martha Bernays' (1861–1951), ausgewählt und herausgegeben von ihrem Sohn Ernst Ludwig Freud (1892–1970) 85, liegt die umfangreichste BrautbriefSammlung dieser Verlobten mit etwa 1500 Schreiben – um hier ein letztes Beispiel anzuführen – in bisher drei Bänden vor, denen zwei weitere folgen sollen. 86 Sie reichen von der heimlichen Verlobung des in Wien herangewachsenen Mediziners und späteren Begründers der Psychoanalyse mit seiner aus einer jüdischen Familie Hamburgs stammenden Braut 87 im Frühjahr 1882 bis zur standesamtlichen Eheschließung am 13. September 1886, der einen Tag später die Trauung nach jüdischem Ritus folgte. Begonnen mit einem Brautbrief Martha Bernays vom 11. Juni 1882 aus Wien, folgt eine fast tägliche, mitunter mehrmals tägliche Korrespondenz der Verlobten, die als eine „überragend wichtige Quelle der Freud-Biographik sowie der Geschichte der Psychoanalyse“ gilt. 88
Zum Quellenwert der Brautbriefe Karl Hegels
Persönliche Briefe, wie alt sie auch sein mögen, sind durch höchste Vertraulichkeit charakterisiert, nur für Absender und Empfänger bestimmt. Privateste Äußerungen und Bekenntnisse erwartend, wird ein Dritter voller Scheu und Ehrfurcht mit dem Gefühl einer gewissen Peinlichkeit in ihnen blättern, Gespanntsein nicht unterdrückend und die Neugier nicht bezähmend. In noch viel höherem Maße gilt das für Brautund Liebesbriefe, die – gerade über große Entfernungen hinweg – durch eine ganz besondere Nähe zweier Menschen gekennzeichnet sind, geprägt von immer wieder neuen Beschwörungen der Zuneigung und sich in der Wortwahl steigernden Liebesbekenntnissen, von sich immer wieder aufs Neue in Koseformen und Diminutiven ausdrückenden Zärtlichkeiten. Von Brief zu Brief steigert sich das Gefühl, dem Absender zu nahe zu treten, denn der kann nur gewollt haben, daß lediglich eine Person seine Zeilen liest. Jede nachträgliche Einblicknahme Dritter kommt einer fast unentschuldbaren Zudringlichkeit gleich. Das gilt auch im Falle der Briefe Karl Hegels an seine Braut Susanna Maria von Tucher, in denen sich immer wieder sehr persönliche, von Emotionen bestimmte Liebesbezeugungen neben Erwähnungen individueller und familiärer Be ndlichkeiten nden, Beschreibungen einzelner oder geselliger Begegnungen im Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis und alltäglicher Vorgänge neben Berichten über 85 Freud, Brautbriefe; die Auswahl geht zurück auf die 1960 erschienene Briefausgabe „Sigmund Freud. Briefe 1873–1939“. 86 Freud, Bernays, Die Brautbriefe. 87 Zu ihr siehe Katja Behling, Martha Freud. Die Frau des Genies. Mit einem Vorwort von Anton W. Freud, Berlin 2002. 88 So Ilse Grubrich-Simitis in ihrer „Einführung“ in: Freud, Bernays, Die Brautbriefe, Bd. 1, S. 13.
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
politische Einschätzungen, Entwicklungen, Aktivitäten und Ereignisse. In der Gesamtschau rechtfertigen gleichwohl solche Darlegungen eine geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit den Brautbriefen des Rostocker Historikers, da sie allgemein nicht nur einen Einblick in ihre Entstehungszeit erlauben, sondern im einzelnen zum Beispiel die verfassungspolitischen Ereignisse im Großherzogtum MecklenburgSchwerin in den Jahren 1849/50 und die Tagung des Erfurter Unionsparlaments im Frühjahr 1850 spiegeln, aber auch in einmaliger Weise – über den Professoren-Alltag in einer Universitätsstadt an der Ostsee hinaus – den Blick freigeben auf das Denken und Fühlen eines Gelehrten sowie in die Entstehung eines Professoren-Haushaltes in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Brautbriefe Hegels eröffnen das Panorama einer Zeit der politischen Umbrüche in Revolution und Restauration, einer Epoche der wirtschaftlichen und kommunikativen Veränderungen infolge der begonnenen Industrialisierung vor allem am Beispiel des Eisenbahnbaus, einer Zeit des geistigen Aufbruchs in den Wissenschaften sowie der kulturellen Verfestigungen bürgerlichen Lebens im Biedermeier. Aber sie bieten auch – wie es Karl Hegels Vater in seinen schon erwähnten Bemerkungen „Ueber Lessing's Briefwechsel mit seiner Frau“ formuliert hat, „eine ganz aus dem wirklichen Leben genommene Unterhaltung“, bei der man „immer auf die Entwicklung begierig [ist]; obgleich“ – so fuhr Georg Wilhelm Friedrich Hegel fort, den Unterschied zum Roman markierend – „keine Intrigue und große Hindernisse die Entwicklung aufhalten [...], so fehlt doch das Interesse nie, und ist um so viel herzlicher und theilnehmender, weil die Umstände so ganz natürlich und menschlich sind“. Und er ergänzte: „das einzige Hinderniß, das sich in den Weg legt, bezieht sich auf den Punkt, der heutztage am meisten, oft fast allein [...] in Betracht kommt, nämlich das hinlängliche Auskommen; (denn die Liebe ist immer so stark, daß man miteinander in Wüsteneien zieht, aller Bequemlichkeit sich entschlägt und nur von der Liebe lebt)“. Mit Blick auf Lessings Brautbriefe resümierte er: „Der Ton der Briefe ist gegenseitige Theilnahme, Mittheilung seiner Angelegenheiten und Geschäfte, seines Kummers und seiner Freude, – und Antheil daran auf der andern Seite.“ 89
Überlieferung und Beschreibung der Brautbriefe Karl Hegels
Mit Karl Hegels Brief vom 20. Oktober 1849 beginnt eine 27 Stücke umfassende Reihe seiner Brautbriefe an Susanna Maria (Susanne, Susette) von Tucher, die über sieben Monate hinweg bis zum 20. Mai 1850 reicht. Überliefert sind die 27 Originale – mit einem roten Bändchen zusammengebunden und mit einer Schleife geschmückt 90 – in einem in familiärem Privatbesitz be ndlichen und in einer eigenen Archiv-Truhe 89 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Frühe Schriften I, S. 405–407, hier S. 405 und 407. 90 Siehe Taf. 1.
Überlieferung und Beschreibung der Brautbriefe Karl Hegels
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aufbewahrten Teilnachlaß Karl Hegels mit zahlreichen weiteren Korrespondenzen, seinem Gedenkbuch, verschiedenen, vor allem akademischen Urkunden und anderen Schriftstücken. 91 Hegels privater Nachlaß wurde auf seine Kinder aufgeteilt und wird – soweit erhalten – bei deren Nachkommen verstreut verwahrt, sodaß keine Aussage über seinen genauen Umfang gemacht werden kann. Leider sind die von Hegel in seinen Briefen als eingegangen erwähntenten 25 Antwortbriefe Susanne von Tuchers – aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen – nicht überliefert, aber vielleicht gehört das Rätsel ihres Verschwindens wie auch des größten Teils des Tagebuchs seiner Frau zu Maßnahmen des persönlichen Schutzes. So sind seine Brautbriefe wie die Hälfte eines Gesprächs über viele hundert Kilometer hinweg zu lesen. Karl Hegels als geschlossener Bestand an einem Ort erhaltene 27 Brautbriefe sind – mit Ausnahme des Briefes Nr. 3 – im Adressenfeld von 1 bis 27 durchnumeriert worden: die ersten drei Briefe mit römischen Ziffern in schwarzer Schrift, die Briefe Nr. 4 bis 11 mit arabischen Ziffern ebenfalls in schwarzer Schrift, die Briefe Nr. 12 bis 27 mit arabischen Ziffern in der Farbe der Tinte, mit der die Briefe selbst geschrieben worden sind, also sehr wahrscheinlich von Hegel persönlich. Parallel zu dieser ersten Numerierung fällt – ebenfalls im Adressenfeld – eine zweite Zählung von 1 bis 27 ins Auge, die mit rotem Filzstift vorgenommen wurde. Lediglich bei Brief Nr.7 ndet sich die rote „7“ auf der Rückseite mit dem zerbrochenen Siegel, während Brief Nr. 3 ohne Adressenfeld und Siegel überliefert ist. 17 Briefe sind als Faltbriefe in unterschiedlicher Größe erhalten, mehrheitlich gebildet aus unlinierten Doppelbögen, zweimal längs und zweimal quer in neun verschieden große Felder so gefaltet, daß die auf die vierte Seite geschriebene Anschrift der Empfängerin ein Adressenfeld bildet, das – abhängig vom Format des Briefbogens – unterschiedlich groß ausgefallen ist. Die übrigen Briefe sind in einem nicht normierten Briefumschlag versandt worden: Nr. 1, 2 und 19 in einem Umschlag, gefaltet aus einem – in Größe und Papierfarbe dem inliegenden Brief entsprechenden – halben Doppelbogen; die Briefe Nr. 6, 9, 12 und 13 kamen in einem vorgefertigten Umschlag aus festerem Papier und in unterschiedlicher Farbe zum Versand, ebenso Brief Nr. 21, vierseitig beschrieben und lediglich zweimal quer gefaltet; Brief Nr. 10 besteht aus nur einem halben, viermal längs und einmal quer gefalteten Doppelbogen, der in einem selbst angefertigten Umschlag gleichen Papiers, das innen schon einmal von anderer Hand beschrieben worden war, zur Post gegeben wurde; Brief Nr. 3 ist auf allen vier Seiten des Doppelbogens vollständig beschrieben und nur je einmal längs und quer gefaltet, sodaß angenommen werden muß, daß der Umschlag verloren gegangen ist. Die Adressenfelder der 17 Faltbriefe und die neun Briefumschläge sind alle unterschiedlich groß und messen zwischen 154 × 87 (Nr. 13) und 104 × 65 Millimeter (Nr. 27). Bei allen Briefen – ausgenommen Nr. 1, 3 und Nr. 27 – lautet die Anschrift: „An Fräulein Susette von Tucher. Nürnberg. (Vor dem Wöhrder Thore).“, bei Nr. 2 91 Vgl. dazu: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, hrsg. von Helmut Neuhaus.
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
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Abb. 4a–d: Karl Hegels 1. Brautbrief vom 20. Oktober 1849
Überlieferung und Beschreibung der Brautbriefe Karl Hegels
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
„Im Tucherischen Garten vor dem Wöhrder Thore“, bei Nr. 5 und 10 mit „Nürnberg“ endend. Die Briefe Nr. 1 und 27 mit den Anschriften „An Susette von Tucher“ beziehungsweise „Meiner geliebten Susette“ weisen keinerlei postalische Kennzeichen auf und sind so nicht zum Versand gekommen. Auf den Vorderseiten der Adressenfelder und Briefumschläge nden sich oben rechts meist nicht mehr vollständig lesbare Tagesstempel der Post in Form von schwarzen Zweikreisstempeln mit Nennung des Aufgabeortes „ROSTOCK“ oder „BERLIN ANHALTERBAHNHOF“ (Nr. 9, 24, 26) sowie „ERFURT“ (Nr. 19, 21, 23) oder „ERFURT BAHNHOF“ (Nr. 20, 22) in einem Rechteckstempel mit Angabe von Tag, Monat und Uhrzeit. Außerdem be nden sich auf den Vorderseiten von elf Briefen Zweikreisstempel mit dem Text „AUSLAGE HOF“, ferner in drei Fällen der von Karl Hegel stammende handschriftliche Hinweis „frei“ (Nr. 2, 4, 5) sowie bei allen Briefen verschiedenfarbige Kostenvermerke und sonstige Zahlen von offenbar verwaltungstechnischer Bedeutung. Die Rückseiten beinhalten neben handschriftlichen Vermerken den stets gut lesbaren Zweikreisstempel des Empfängerortes „NÜRNBERG“ mit Eingangsdatum (Tag, Monat, Jahr) und -uhrzeit sowie in der Hälfte der Fälle einen Zweizeilenstempel „HOF“ mit Datumsangabe, wodurch der Brie auf über diesen wichtigen Ort auf der Eisenbahn- und Poststrecke genauer nachvollziehbar ist. 92 Auf den Rückseiten der Briefe Nr. 24 und 26 ist anstelle des Zweizeilenstempels „HOF“ in einem Halbkreis unter dem Bogen ein einzeiliger Textstempel „HOF B. E.“ mit Datum zu erkennen. Verschlossen wurden die Faltbriefe und Briefumschläge mit aus rotem Siegellack gefertigten Siegeln, die etwa einen Durchmesser von 20 bis 25 Millimeter haben. Nur in Einzelfällen sind sie nicht zerbrochen. Unter verschiedenen Siegelbildern ist mehrfach das eines Postreiters deutlich erkennbar. Infolge des Öffnens der Briefe durch die Empfängerin ist neben Siegeln gelegentlich auch das Briefpapier zerstört, was bei den Faltbriefen in Einzelfällen zu Textverlusten an verschiedenen Stellen führte. Während der letzte Brautbrief Hegels (Nr. 27) unverschlossen ist, trägt sein erster Brief (Nr. 1) ein kreisrundes rotes Papiersiegel mit einem Durchmesser von 15 Millimeter, das innerhalb eines Sternenkranzes ein „H“ in Fraktur zeigt, möglicherweise ein Privatsiegel Hegels. Karl Hegels Briefpapier bestand überwiegend aus Doppelbögen von unterschiedlicher Farbe (hellgrau oder chamois) und Größe, meist zwischen 13 und 34 Millimeter breiter und etwa 20 Millimeter kürzer als heutige DIN-A4-Seiten. Gelegentlich benutzte er Briefpapier mit dem als Wappen stilisierten Prägeeindruck „BATH“, oben links auf der ersten Seite der Doppelbögen am deutlichsten erkennbar. Von den hauptsächlich verwendeten Papiergrößen (etwa 242 × 300 oder 222 × 277 Millimeter) weichen die der Briefe Nr. 9, 13 und 27 ab, da deren Doppelbogenseiten um die Hälfte kleiner sind. 92 Vgl. Übersicht: Laufzeiten der Briefe Karl Hegels.
Zur Edition
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Zur Edition
Die Brautbriefe Karl Hegels sind aus dem „Privatnachlaß Karl Hegel: Briefe“ in der überlieferten chronologischen Reihenfolge und ohne irgendwelche Kürzungen abgedruckt. Die Briefköpfe, in der ersten Zeile der Numerierung auf den Adressenfeldern der Faltbriefe und auf den Briefumschlägen folgend, enthalten in der zweiten Zeile stets den normierten Hinweis „Brief Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher“ mit Absendeort und Datum. Die aus mehreren Tagesangaben in den Daten bestehenden Angaben benennen die Tage, zu denen Hegel in seinem fortlaufenden Brieftagebuch Eintragungen gemacht hat, wobei der letztgenannte Tag auch stets mit dem Datum des Poststempels – soweit lesbar – übereinstimmt. Die dritte Zeile gibt die Adresse auf den Adressenfeldern und Briefumschlägen wieder. Hegels Grußformel und Unterschrift folgen am Ende der Briefe stets rechtsbündig. Nur in Einzelfällen schließt sich eine kurze textliche Ergänzung an. Die Seiten der Briefe wurden von Hegel nicht paginiert oder foliiert, was in der Edition zur schnelleren Orientierung nachgeholt wurde. Dem Wortlaut eines jeden Briefes ist stets die Foliierung [fol. 1r] vorangestellt und der Beginn einer neuen Seite entsprechend markiert worden, meist bis [fol. 2r], gelegentlich auch bis [fol. 2v], wenn die letzte Seite eines Doppelbogens nicht der Anschrift der Empfängerin vorbehalten ist; in den Fällen, in denen die vierte Seite nur die Adresse für den Faltbrief enthält, entfällt die Foliierung. Mit [fol. 1r] beginnend sind daran anschließend Absendeort und -datum sowie die Anrede – unabhängig von ihrem Platz im Originalbrief – durchgängig linksbündig gesetzt worden; bei Tagebuchbriefen steht die Folio-Angabe stets vor dem zuerst genannten, gelegentlich herausgestellten Datum, dem die Anrede folgt (zum Beispiel Nr. 4). Den Briefen beigegebene Schriftstücke sind nur in zwei Fällen erhalten. Es handelt sich einmal um zwei von Hegel angefertigte Skizzen des Grundrisses der von ihm gemieteten Wohnung 93 in Brief Nr. 6 und zum anderen um einen Brief seiner Mutter vom 8. April 1850 aus Berlin an ihn, der seinem Brautbrief Nr. 21 beiliegt, hier aber nicht zum Abdruck kommt. In der Edition werden die Brieftexte buchstabengetreu unter Beibehaltung uneinheitlicher Schreibweisen des Autors präsentiert. Orthographie und Zeichensetzung wurden nicht heutigen Konventionen angepaßt, zumal diese zunehmend auch durch Uneinheitlichkeiten gekennzeichnet sind. Verschreibungen und Streichungen des Autors (gelegentlich bei Dittographien) wurden ignoriert, seine Unterstreichungen stets beibehalten. Abkürzungen wurden nur dort aufgelöst – kenntlich gemacht durch eckige Klammern –, wo es das Verständnis erleichtert oder gar dafür notwendig ist, also zum Beispiel nicht „u.“ in „und“, zumal Hegel die Konjunktion uneinheitlich in bei93 Vgl. Abb. 3, S. 41.
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Hegels Brautbriefe als historische Quellen
den Formen verwendet; da wo er „u“ ohne Punkt schreibt, wird dieser stillschweigend ergänzt. Hegels Abkürzungen von Monatsbezeichnungen wurden beibehalten. Der Kommentar zu Personen, Orten und Sachen ist seitenweise zugeordnet. Soweit als erläuterungsbedürftig oder -würdig erachtet, kehren sie unterhalb der Texte der Briefe als Zitate in kursiver Schrift wieder und werden dann kommentiert. In die Textgestalt selbst wurde nicht durch Veränderung der Schriftart oder durch Einfügung von Anmerkungsziffern eingegriffen. Der Kommentar enthält nur in Ausnahmefällen auf Karl Hegel bezogene Quellen- und Literaturhinweise, die im übrigen in aller bibliographischen Ausführlichkeit unter „Quellen“ und „Literatur“ verzeichnet sind. Alle Kommentierungen erfolgen nur beim ersten Vorkommen eines Namens, eines Ortes oder einer Sache und fehlen bei späteren Erwähnungen, sind aber über die Register zu erschließen.
Die Inhalte der Brautbriefe Vorgeschichte: Karl Hegel und Marietta Wiß
Der am 7. Juni 1813 in Nürnberg geborene Karl Hegel war zum Zeitpunkt seiner Verlobung mit 36 Jahren nicht mehr der Jüngste, aber er war in großer Liebe zur dreizehn Jahre nach ihm geborenen Susanna Maria von Tucher entbrannt und zur Hochzeit mit ihr entschlossen, sah er sich doch jetzt auch in der Lage, aufgrund seiner beruflichen Stellung als ordentlicher Universitätsprofessor seiner zukünftigen Ehefrau ein nanziell gesichertes und recht auskömmliches Leben zu bieten. Das war ein Jahrzehnt zuvor noch ganz anders gewesen, als er sich nach der Promotion zum Doktor der Philosophie an der Berliner Universität und der vor der Königlichen Wissenschaftlichen PrüfungsCommission in Berlin mit Auszeichnung bestandenen staatlichen Lehramtsprüfung für den Gymnasialunterricht 1 noch für keinen Beruf entschieden und noch keine Berufstätigkeit aufgenommen hatte, aber nachweislich als Fünfundzwanzigjähriger zum ersten Mal verliebt war. Im Aufbruch zu seiner am 20. Juli 1838 in Berlin begonnenen einjährigen Italien-Reise wurde bei den Verwandten in Nürnberg Station gemacht, früher schon oftmals Ziel von Familienbesuchen. Auf dem östlich der fränkischen Metropole gelegenen Schloß Henfenfeld – Besitz Benoits von Schwarz, der mit Luise von Tucher, einer jüngeren Schwester der Mutter Karl Hegels, verheiratet war – begegnete ihm in der Woche zwischen 27. Juli und 3. August Marietta Wiß, „die mir“ – so notierte Hegel in seinem 40 Jahre später begonnenen Gedenkbuch – „die erste jugendlich schwärmerische Neigung abgewann“ 2 und die er in seiner Autobiographie „meine muntere Cousine Marietta Wiß“ nannte. 3 Wenige Tage nach dieser Begegnung las sich das bei Hegel viel emotionaler, denn in seinem erst kürzlich aufgefundenen Tagebuch seiner Italienreise 4 notierte er auf der Weiterfahrt in Bregenz – nach eindringlicher Schilderung eines Gewitters am Bodensee –, daß er während seines Nürnberg-Aufenthaltes vom 29. bis 31. Juli in Henfenfeld gewesen sei. 5 „Cusinchen Marietta W[iß]“ – schrieb er unter dem Datum des 5. Au1 2 3 4
Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 67–74. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 135. Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 40. Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise hat sich in einem Teil seines privaten Nachlasses erhalten und datiert vom 20. Juli 1838 (Abreise in Berlin) bis 1. September 1839 (Aufenthalt in Prag). Es umfaßt auf 24 numerierten Doppelbögen, nach denen hier zitiert wird, meist zwei ineinander gelegt, insgesamt 212 zum Teil eng beschriebene, mitunter schwer lesbare Seiten mit einigen Architekturskizzen. Zur Italienreise des angehenden Historikers siehe auch Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 40–106; Neuhaus, Gedenkbuch, S. 135–142; Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 91–106. 5 In seinem Brief vom 30. Juli 1838 aus Henfenfeld an Georg Gottfried Gervinus (UB Hei-
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Die Inhalte der Brautbriefe
gust 1838 – „verlangte im Scherz [von mir] ein Gedicht auf die Thautropfen, welche wir im Garten auf dem Kohle in d[er] Sonne glänzen sahen. Es wurde folgendes Epigramm: „Schimmernder Tropfen des Thaus auf grünendem Blatte des Kohles, Herrlicher gibst du der Sonn' ihre Strahlen zurück. Schöner jedoch als Tropfen des Thau's im Glanze der Sonne, Strahlt Dir, o Mädchen, im Aug' heiterer Seele in Dir.“ 6
Auf einem Aus ug nach der westlich von Nürnberg gelegenen kleinen Landstadt Langenzenn entstand dann in Erinnerung an die „drei Tage in Henfenfeld“ am 2. August 1838 folgendes, keineswegs formvollendetes Gedicht: „Weh, wie ist mir das Herz so schwer, Immer nur denk' ich an Sie! Ueberall ist mir die Welt so leer, Ueberall fehlet mir Sie! War mir doch sonst der Sinn so leicht, Denn niemals sah ich noch Sie. Jetzt wird mir gleich das Auge feucht. Wenn ich nur denk an Sie. In den Lüften spielt ihr Lockenhaar, Drein blickt gar freundlich ihr Augenpaar: Die Grazien umspielen ihre Lippen, Der Anmuth Süßigkeit davon zu nippen. Fröhlichen Blick u[nd] lieblichen Mund, bietet mir keine wie Sie. Heitres Gespräch zu jeglicher Stund Gewähret so keine wie Sie. Jetzt aber muß ich wandern gehen Und soll nicht mehr Sie wieder sehn. Darum ist mir das Herz so schwer Darum ist mir die Welt so leer. delberg, Handschriftenabteilung: Heid. Hs. 2526, 157,6) erwähnt Hegel Marietta Wiß mit keinem Wort. Baar, Flucht ins Land der Schönheit, Nr. 15, S. 71–73, nennt als Absendeort des Briefes irrtümlich „Hensenfeld“ (ebenda, S. 71). 6 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 2, fol. 1r.
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Doch bin ich auch in weiter Fern, Und suche vergebens ich Sie, So soll voran als leuchtender Stern, hellglänzend erscheinen mir Sie.“ 7
Am 3. August 1838 verließ Hegel Nürnberg schweren Herzens in Richtung Bregenz und hielt diesen Augenblick gleich nach seinem sechsstrophigen Gedicht fest: „Erst als der Postillon blies, gingen mir die Augen über; d[as] Herz war mir schwer, ich glaubte v[on] Deutschland u[nd] von Allem, was ich da liebte, zu scheiden.“ 8 Wohl ebenfalls Anfang August am Bodensee drückte er seine Gefühle noch einmal in einem Gedicht aus: „Ich wollte mit dem golden Mädchen leicht nur scherzen, Doch, eh' ich's wußt', hatt' ich die Wunde tief im Herzen, Und mich durchdringen nun so süße Liebesschmerzen, Daß ich sie, könnt' ich auch, nicht möchte jetzt verschmerzen. Wie ward ich nur so bald gefangen, In Liebes Lust u[nd] Bangen? Gefährlich gar sind ihre süßen Schelmenaugen, Sie ziehn mich an, wie in der Welle Himmelsblau, Und himmlisch ist's mit Blicken Wonne draus zu saugen, Und ihre braunen Locken, die das Angesicht, Wie Ros' im grünen Busch, umschließen, sind die Schlingen, Die mich gefangen. Frei zu werden hoff ' ich nicht, Denn ihre Silberstimme, gleich Sirenensingen, Zieht mich ihr nach. Doch mehr als alles dies berückt Des Unbewußtseins u[nd] der Unschuld lichter Schleier, Worin sie ihre Anmuth füllt, die mich entzückt. O! wüßte sie von ihrem Reiz, ich wäre freier!“ 9
Am Ende seiner langen Italien-Reise begegnete Hegel, nachdem er – in Begleitung seines Bruders Immanuel von Venedig kommend – schon fast zwei Wochen lang Museums-, Theater- und Opernbesuche in Wien gemacht hatte, am 26. August 1839 seiner Cousine Marietta Wiß wieder. Er traf sie zusammen mit ihren Eltern zufällig in einem der besuchtesten Vergnügungsgärten der Donaustadt, „Zur goldenen Birne“, „wo“ – so Hegel in seinem Reisetagebuch – „Lanner's Orchester Walzer spielte, nach 7 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 2, fol. 1v. 8 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 2, fol. 1v, 2r. 9 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 2, kleines Einzelblatt zwischen fol. 1v und 2r beigelegt.
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dem das Wiener Volk wüthend tanzte, u[nd] der Garten in prächtiger Illumination erleuchtet war. Wie das Volk lebt!“ 10 Aus der Distanz von vier Jahrzehnten erinnerte sich Karl Hegel, daß er „für die neuen Eindrücke der österreichischen Hauptstadt und des Wiener Volkslebens weniger empfänglich“ gewesen sei, und der im Sommer 1838 so sehr Verliebte hat das zufällige Wiedersehen mit Marietta in seinem Gedenkbuch äußerst zurückhaltend kommentiert: „Die überraschende Begegnung mit Marietta Wiß, in Begleitung ihrer Eltern, diente nicht dazu, unser Verhältniß inniger zu gestalten.“ 11 Aber in Wirklichkeit waren seine Gefühle Ende August 1839 ganz andere gewesen, denn in sein Reisetagebuch schrieb er über diese Begegnung in der „Goldenen Birne“: „Diese unerwartete Erscheinung elektrisierte mich.“ Und bevor er am 29. August nach Prag und weiter nach Berlin aufbrach, verbrachte er zwei Tage mit der Familie Wiß in Wien, zeigte ihr die Gemäldesammlungen im „Belvedere“ und in der „Gallerie Liechtenstein“, ging am Abend des 27. Augusts „mit Kaufmann Haym u[nd] seiner Tochter spazieren“, sah und hörte am Vorabend seiner Abreise in der Hofoper „die Nachtwandlerin“ – gemeint ist wohl Vicenzo Bellinis (1801–1835) Oper „La sonnambula“ von 1831 – mit der Sopranistin Jenny Lutzer (1816–1877) und nahm im sehr vornehmen Tanz- und Vergnügungslokal „Zum Sperl“ in der Leopoldstadt Abschied von Wien. 12 Wie sehr Hegel die zufällige Begegnung mit Marietta Wiß in Wien „elektrisiert“ hatte und wie sehr er noch immer in sie verliebt war, offenbarte er Georg Gottfried Gervinus, seinem alten Freund aus Heidelberger Studienjahren und zeitweiligen Reisebegleiter auf der Apenninen-Halbinsel 13 in seinem ersten Brief nach seiner Rückkehr aus Italien. Am liebsten wäre er – übel gelaunt wie er über den großen Gegensatz zwischen den beiden Ländern südlich und nördlich der Alpen war 14 – „gleich in Wien 10 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 24, fol. 1r; ebenda, Nr. 22, fol. 2v–Nr. 23, fol. 1r– 4v, die voarangehenden Aufzeichnungen zum Wien-Aufenthalt ab 14. August 1839. Die abendlichen Auftritte des Orchesters des Komponisten und Violinisten Joseph Lanner (1801– 1843), zeitweise Partner von Johann Strauss Vater (1804–1849), waren besondere Attraktionen des Wiener Kultur- und Freizeitlebens. 11 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 141; in „Leben und Erinnerungen“ erwähnt Hegel diese zweite Begegnung mit keinem Wort. 12 Karl Hegels Tagebuch seiner Italienreise, Nr. 24, fol. 1r; es muß wohl „Nachtwandlerin“ gelesen werden, auch wenn der Buchstabenbestand „Nachtmandlerin“ erkennen läßt. – „Zum Sperl“ wurde 1839 nach Pariser Vorbildern mit einem großen Ballsaal ausgebaut und war auch die Wirkungsstätte Lanners und Strauss' Vaters. 13 Dazu Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 40–106; Neuhaus, Gedenkbuch, S. 135–141; Baar, Flucht ins Land der Schönheit. 14 In seinem Tagebuch seiner Italienreise (Nr. 22, fol. 4v) hatte er zur Fahrt über Laibach und Graz nach Wien festgehalten, wie sehr er Italien und dem Süden nachtrauerte, je mehr er sich davon nach Norden entfernte, und – an Johann Joachim Winckelmanns letzten WienAufenthalt kurz vor seiner Ermordung in Triest erinnernd – notiert: „Mich wundert nicht, daß Winkelmann [sic!] in Wien angelangt, umkehrte.“ Winckelmann hatte am 14. Mai 1768
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wieder nach Italien zurückgekehrt“, schrieb er am 8. September 1839 dem „Liebsten Gervin“ aus Berlin, um dann fortzufahren: „Ich wäre aus meinem Mißmuth dort nicht herausgekommen, wenn nicht eine höchst überraschende Erscheinung mich herausgerissen hätte. An einem der letzten Abende erblickte ich unter der Menge, die dem tanzenden Volke zusah, mit ihren Eltern – Marien. Was soll ich weiter sagen? Ich war entzückt. Das Mädchen ist noch hübscher geworden. Sie ist nicht groß – wie Deine Frau [Victorie], braune dichte Locken hängen an den Wangen herunter, das Auge ist sanft, anziehend u[nd] heiter, die Nase gebogen, Italiänisch, der Mund beredt, die Gestalt schlank u[nd] nett, ihre Sprache eine Silberglocke, ihr Wesen durchaus unbefangen u[nd] kindlich munter; so wenig sentimental, daß ich von Liebe mit ihr nicht zu reden wage. Ich führte sie auf Gallerien, sie hat Bilder vorher nie gesehen, u[nd] war entzückt für das wirklich Schöne, u[nd] das Scheinbare u[nd] Glänzende gewann ihr auch nicht den geringsten Beifall ab.“ 15 „Freund, ich habe mir die Flügel abermals gebrannt“, gestand Hegel und war sich unsicher, ob er diese „Flügel“ sich „noch einmal wachsen lassen“ sollte. „Was ist das, daß ich sie zufällig sah, 3 Tage auf meiner Hinreise nach Italien, u[nd] daß sie einen Eindruck auf mich machte, der mich in Italien nie verlassen hat, u[nd] daß ich sie zufällig jetzt wiedertreffen u[nd] 3 Tage sehe auf meiner Heimfahrt?“ 16 Solche Fragen trieben den inzwischen 26jährigen jungen Mann um, der dann aber – wieder tief verunsichert – weiter schrieb: „Oder ist das kein Zufall, sondern Weisung des Himmels? Vielleicht lass' ich aus den Händen, was mir gegeben war; aber ich will das Glück nicht blindlings ergreifen; ich habe Eindruck auf sie gemacht, das weiß ich, aber ich kenne sie zu wenig, noch scheint sie allen Eindrücken offen, vielleicht wird jener bald wieder vermischt durch andre, ich weiß nicht, ob ihr Gemüth tief u[nd] festhaltend ist, ich habe zu wenig davon erfahren, weil ich sie fast nie allein gesprochen und nur kurz kenne.“ 17 Schließlich bekannte Hegel dem Freund seine Entscheidung: „Darum ich auch nicht leidenschaftlich u[nd] tief ergriffen werde, wie sehr mich ihre Liebenswürdigkeit gefesselt hat. Ich verdanke es weniger meiner Besonnenheit, als der fehlenden Gelegenheit, daß ich mich nicht fester mit ihr verbunden habe. Jetzt d. h. hier in Berlin muß ich es für Glück erachten, noch ungebunden zu sein. Auf dem Schulwege kommt man von Wien aus je einen Brief an Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740– 1817) und Heinrich Wilhelm Muzel(l)-Stosch (1723–1782), den Neffen Philipps von Stosch (1691–1757), des Begründers einer der größten archäologischen Sammlungen des 18. Jahrhunderts, geschickt, in denen er nach fünfwöchiger Reise voller „Schwermuth“ nach Rom zurückdrängte (Winckelmann, Briefe, Bd. 3, Nr. 954 und 955, S. 388f.). 15 UB Heidelberg, Handschriftenabteilung: Heid. Hs. 2562,10, fol. 1r–2r, hier fol. 1v. 16 Ebenda. – Die Ziffer „3“ läßt sich nur schwer lesen, aber es muß – nicht aus symbolischen Gründen – „3 Tage“ heißen, denn Hegel sah Marietta nach Auskunft seines Reise-Tagebuchs (Nr. 24, fol. 1r) am 26., 27. und 28. August 1839 in Wien. 17 Ebenda, fol. 2r.
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langsam u[nd] mühsam zu hinlänglichem Auskommen; hat man dazu Hausstand, ist man für immer daran gebunden. Jetzt bleibt mir die Universität offen, der Weg ist gefährlicher, aber ich kann ihn machen u[nd] unternehmen, solange ich frei bin. Darum lobe ich mir die Freiheit! Es lebe die Freiheit!“ 18 Die berufliche Unentschiedenheit, die Unsicherheit des Karriereweges und die mangelnde wirtschaftliche Basis gaben den Ausschlag dafür, daß sich Hegel nicht schon im Jahre 1839 verlobte. Hegel – seit 31. März 1838 im Besitz der „unbedingte[n] facultas docendi“ 19 – trat noch im Herbst 1839 auf seinem nun erst einmal eingeschlagenen „Schulwege“ sein Probejahr als Lehrer am Cölnischen Gymnasium in Berlin an, wurde ein Jahr später dort Hilfslehrer und unterrichtete die Fächer Deutsch, Französisch, Griechisch und Latein, bevor er im Frühjahr 1841 den nicht sonderlich geliebten Schuldienst wieder verließ und im Herbst desselben Jahres einem Ruf als außerordentlicher Professor für Geschichte an der großherzoglich-mecklenburgischen Landesuniversität Rostock folgte. 20 Maria (Marietta) Pauline Wiß (Wiss) (1821–1902) war die älteste Tochter des Nürnberger Kaufmanns, Fabrikbesitzers und Assessors am Handelsappellationsgericht Johann David Wiß (1780–1867) 21 und seiner Gemahlin Rosina Alexandrine Alix von Schwarz (1799–1861), die ihre Tochter im August 1839 in Wien begleiteten. Die Mutter war die ältere Schwester Benoits von Schwarz, des genannten Besitzers von Schloß Henfenfeld und damit eine Schwägerin auch der Mutter Karl Hegels, was erklärt, warum Maria Wiß von ihm als seine Cousine bezeichnet wurde. Sie heiratete am 23. Mai 1844 in der „Rosenau b[ei] Nürnberg“ den in Stuttgart geborenen königlichwürttembergischen Oberleutnant Hermann Albert Sick (1815–1892), der es in seiner Militärlaufbahn bis 1871 zum – oftmals mit Orden und Ehrenzeichen ausgezeichneten – pensionsberechtigten Genaralmajor brachte. 22 1855 in den erblichen Adelsstand erhoben, hatte er mit seiner Gemahlin drei Kinder 23 und war in Stuttgart ansässig. Im 18 Ebenda. 19 So vermerkt im Prüfungs-Zeugniß für den Schulamts-Candidaten Karl Hegel vom 31. März 1838: vgl. Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 73f. 20 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 142–144; Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 107–110; Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 107, 110. – An der Berufung Hegels hatte offensichtlich auch sein Freund Georg Beseler (1809–1888), bis 1842 ein ußreicher Lehrstuhlinhaber der Rostocker Juristischen Fakultät, seinen Anteil: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 50. 21 Zu Johann David Wiß fehlt eine Geschichte seines Lebens, seiner Familie und seiner Unternehmungen. 22 Vgl. das Familienregister Sick /Wiß in: StadtA Stuttgart: Bestand 177/1 – Standesamt, Bd. 55, S. 439, und die Stammliste in: HStA Stuttgart: E 297 Bü 207, fol. 150r (von Sick, Hermann). 23 Vgl. das Familienregister Sick /Wiß in: StadtA Stuttgart: Bestand 177/1 – Standesamt, Bd. 55, S. 439; StadtA Stuttgart: Sterberegister Nr. 294/1892 und Nr. 2084/1902; ferner GeorgiiGeorgenau, Eberhard E. von: Biographisch-geneaologische Blätter aus und über Schwaben, Stuttgart 1879, S. 930; ältester und einziger Sohn war der spätere königlich württembergische General Alfred von Sick (1845–1906).
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Testament ihres sehr vermögenden Vaters aus dem Jahre 1866 wurde Maria von Sick großzügig mit deutschen und österreichischen Staatspapieren und Aktien bedacht, da sie, die nicht in Nürnberg ansässig war, „keine Immobilien übernehmen kann“. 24 Johann David Wiß' Name verband sich unter anderem mit einem Haus am Nürnberger Hauptmarkt, einer Nadelfabrik, der Katharinen-Mühle, der Ausgestaltung der „Rosenau“ zu einem öffentlichen Vergnügungspark mit Gastwirtschaft und Tanzpavillon sowie dem Wiß'schen Privatgarten mit einem „Alhambra“ genannten Gartenhaus. 25 Noch einmal begegnete Hegel seiner ersten Liebe Maria von Sick im August 1859 schließlich in Begleitung seiner Frau Susanna Maria auf einer Reise durch Schwaben, durch die nördliche Schweiz und den Breisgau. In „Leben und Erinnerungen“ aus dem Jahre 1900 hielt er zu dem Aufenthalt in Stuttgart fest: „Auch besuchte ich meine Cousine, früher Mariette Wiß, jetzt Frau Majorin Sick, die mir vor zwanzig Jahren gefährlich war, und fand sie noch hübsch, lebhaft und fürchterlich schwäbisch sprechend; über ihren Empfang wurde meine Frau beinahe eifersüchtig.“ 26 Es war Marias (Mariettas) Vater, der Karl Hegel im Herbst 1849 in Simmelsdorf mit seiner zukünftigen Frau bekannt machte. Ein Jahr zuvor hatte Johann David Wiß auch Kontakt zu Karls Bruder Immanuel Hegel in Berlin, der ihm in einer für ihn und seine Familie peinlichen Angelegenheit behilflich sein sollte, denn sein ältester Sohn Georg Eduard Wiß (1822–1887) hatte sich als p ichtvergessener Student verschiedener Fakultäten der Berliner Universität an der 1848er Revolution in der preußischen Hauptstadt in einer Weise aktiv beteiligt, daß er einer „Festungsstraffälligen Untersuchung“ nur durch Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika zuvorkommen konnte. Hatte dies den Vater schon genug empört, wollte er auch noch eine „Frau von üblem Ruf“ heiraten, wozu er eine von ihm nicht zu erhaltene Genehmigung fälschte. „Noch zu rechter Zeit von einem Ehrenmann gewarnt u[nd] mit seiner Lebensweise bekannt gemacht“ – hielt Johann David Wiß in seinem Testament 1866 24 „Akten betr. Verlassenschaft des Wiss, Johann David, vormaliger Großhaendler und Fabrikbesitzer“, in: StAN: Amtsgericht Nürnberg, Nachlaßakten, Nr. 461/1866/67. 25 Vgl. hier lediglich den Artikel „Katharinenmühle“ und „Rosenau“, in: Stadtlexikon Nürnberg, S. 524f., 909; Mayer, Nürnberg im neunzehnten Jahrhundert, S. 323, 329, 338 u. ö., sowie Einzelakten im StadtA Nürnberg wie z. B.: A 4/III, Nr. 2753; A 4/VIII, Nr. 60; C 7/II – Niederlassungsakten Nr. 4731; C 7/VIII, Nr. 8209; E 1/2074 – Familie Wiß, Nr. 1; E 8, Handelsvorstand Nr. 2958/14; E 8, Nr. 4672 Bl. 41r; E 13/III, B 166. – Johann David Wiß erhielt 1845 die Erlaubnis des Königs von Bayern „zur Annahme und Tragung des K[öniglich] Preussischen rothen Adler-Ordens IV. Classe“, der ihm in Berlin anläßlich der „Gewerbe-Ausstellung für die deutschen Bundes= und Zoll=Vereins=Staaten“ verliehen worden war, und 1852 das Ritterkreuz des Königlichen Verdienst-Ordens vom heiligen Michael (BayHStA München: MA Ordensakten, Nr. 9306, Nr. 14951), war aber nicht kaiserlich türkischer Konsul in Nürnberg, sondern dies wurde sein Sohn Oscar Wiß nach Abschluß des „Consulats-Vertrages zwischen dem Königreiche Bayern und der Ottomanischen Pforte“ vom 25. August 1870 (BayHStA München: MInn 43968). 26 Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 181; siehe auch Neuhaus, Gedenkbuch, S. 318.
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fest –, „schritt ich gegen sein unverzeihliches Vorhaben ein u[nd] that alles Mögliche, unter Beystand des H[errn] Vetter Hegel, ihn von der Frau zu entfernen, aber vergebens.“ 27 Georg Eduard Wiß verwirklichte seine Heirats- und Auswanderungspläne in jeder Beziehung, seinen Vater immer wieder hintergehend und arglistig täuschend, was diesen veranlaßte, ihn testamentarisch nur mit einem P ichtteil zu bedenken. Zeitweise als praktischer Arzt niedergelassen, trat Georg Eduard Wiß nach seiner Rückkehr aus Amerika vielfältig schriftstellerisch hervor und war von 1877 bis zu seinem Tod zehn Jahre lang umtriebiger Herausgeber der „Vierteljahrschrift für Volkswirtschaft, Politik und Kulturgeschichte“. 28 Immanuel Hegel aber erhielt „in dankbarer Anerkennung mir 1848 bewiesener guter Dienste gegen das unfeinige Benehmen Eduard's“ – so Johann David Wiß in seinem Testament – einen „großen Venezianer Glaspocal“ zugesprochen. 29
Susanna Maria von Tuchers Verlobung mit Karl Hegel
Nach der ersten Begegnung zwischen Susanna Maria von Tucher und Karl Hegel am 20. September 1849 in Simmelsdorf blieb es zumindest einen Monat unklar, was daraus folgen würde. Haben wir von Karl erst mit seinem Brief vom 20. Oktober 1849 an seine Cousine eine klare Äußerung, daß es Liebe, wenn nicht auf den ersten, dann ganz sicher aber auf den zweiten Blick war 30, so können wir zwar mit Susanna Marias für die Zeit vom 12. September bis 8. November 1849 erhaltenen drei Tagebuchblättern 31 auf unmittelbarere, aber keineswegs völlig eindeutige Quellen zurückgreifen: Entweder sie empfand keine Liebe zu ihm oder sie gestand sie sich selber nicht ein, weil sie annahm, sie würde nicht erwidert werden. Gleich nach der ersten, überraschenden Begegnung erinnerte sich Susanna Maria – wie sie ihrem Tagebuch noch am 20. September 1849 anvertraute – „all der Predigten“ der „Tante Hegel“, also der Schwester ihres Vaters und Mutter Karls, sowie anderer Verwandter, die ihr, der jetzt 23jährigen Tucher-Tochter den Philosophensohn als Ehemann empfahlen. Verlegen und verwirrt wie sie zunächst 27 „Codicil-Bestimmungen“ zum Testament Johann Davids Wiß vom 1. September 1866 in den „Akten betr. Verlassenschaft des Wiß, Johann David, vormaliger Großhaendler und Fabrikbesitzer“, in: StAN: Amtsgericht Nürnberg, Nachlaßakten, Nr. 461/1866/67. 28 Vgl. den Nachruf von Karl Braun, Dr. Georg Eduard Wiß. 29 „Zweites Codicil“ zum Testament Johann Davids Wiß vom 25. November 1865 (wie oben). 30 Brautbrief Nr. 1. 31 Das in französischer Sprache geschriebene Tagebuch Susanna Marias von Tucher ist nur in drei, offensichtlich aus einem gebundenen Band herausgeschnittenen Blättern im Original mit fünf beschriebenen Seiten erhalten geblieben; an den linken Rändern sind noch die Einstichlöcher der Fadenheftung erkennbar. Diese Blätter sind Bestandteil des privaten Nachlasses Karl Hegels. Für Hilfe bei der Transkription und der Übersetzung ins Deutsche danke ich Frau Kollegin Gisela Schlüter sehr herzlich; Zitate im folgenden Haupttext nach der deutschen Übersetzung.
Susanna Maria von Tuchers Verlobung mit Karl Hegel
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war, glaubte sie sich aber schnell sicher und gewann den Eindruck, daß der Cousin ihr gegenüber gar keine Heiratsabsichten hegte. 32 An dieser Einschätzung änderte sich auch nach Karl Hegels Rückkehr nach Simmelsdorf zunächst nichts – er war zwischenzeitlich in München gewesen 33 –, obwohl Susanna Maria von vielen Seiten hörte, er „interessiere“ sich für sie. Zwar fand sie ihn „sehr liebenswert“, aber sie interpretierte seine andauernde Zurückhaltung anders, auf sich beziehend desinteressiert und abweisend: „nein, nein er wird nicht heiraten, es sei denn“ – notierte sie unter dem Datum des 17. Oktober 1849 in ihr Tagebuch 34 –, „eine fröhliche und blühende Frau, die ihn erheitert und erfrischt.“ Zugleich aber bewegten sie – ihre Unsicherheit nur verstärkend – Fragen, wenn es doch anders wäre: „Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn er mich erwählt. Wenn ich wüßte, daß er mich sehr liebt, könnte ich mich nicht doch dazu entschließen?“ Und sogleich hatte sie wieder Zweifel: „Ich hätte nicht den Mut; weil ich fürchtete, daß er nicht zufrieden wäre, wie er hoffte, wenn er mich wirklich liebte und mit den Augen der Liebe betrachtete, wäre er nachsichtiger.“ 35 In ihren Gedanken und Gefühlen hin- und hergerissen, freute sich Susanna Maria von Tucher über Karl Hegels Nähe und mied sie zugleich, als er seine Abreise nach Berlin und dann weiter nach Rostock wegen eines Bahnunglücks um einen Tag verschieben mußte, wollte nicht mit ihm allein sein, der sie „so durchdringend und forschend betrachtete“. 36 Als er abgereist war, gab sie vor, es nicht zu bedauern, „obwohl er beim Abschied stark berührt war“, und vertraute ihrem Tagebuch an: „Er drückte mich fest an sein Herz und küßte mich dreimal mit einer gewissen Wärme. Bei dem Gedanken, daß er mir schreiben würde, überlege ich mir, was ich täte. Lieber Gott, erspar mir diesen Kampf !“ 37 32 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 20. September 1849: „Il faudrait mentir de ne pas avouer que je me trouvais un peu embarrassée et troublée pensant à toutes ces predications de Tante Hegel et de plusieurs de mes parents qui me disaient toujours que Charles fut un époux pour moi.“ 33 Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 152; siehe auch Neuhaus, Gedenkbuch, S. 158. 34 Zwischen dem 20. September und 17. Oktober 1849 ndet sich nur noch ein Eintrag zum 28. September 1849, den Wechsel „Onkel Gottliebs“, Christoph Karl Gottlieb Sigmund von Tuchers (1798–1877), vom Stadt- und Kreisgericht Nürnberg ans Appellationsgericht in Neuburg an der Donau betreffend. 35 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 17. Oktober 1849: „Charles Hegel est encore ici! beaucoup de personnes me disent qu'il s'interesse pour moi mais je ne le crois pas; il est si tranquille vis à vis de moi non, non il ne se mariera pas du tout, ou avec une femme bien gaie, bien fraîche pour l'égayer et rafraîchir. Je me[!] pense ce que je ferais; s'il me choisirait? – si je ne savais pas qu'il m'aime beaucoup, je ne pourrais me résoudre! Je n'avais le courage; parceque je craindrais qu'iI ne se trouvait pas si satisfait qu'il espérait; s'il m'aimait vraiment, et s'il me régardait[!] avec les yeux d'amour, il serait plus indulgent.“ 36 Ebenda: „Je me trouvais si embarassée[!] quand il me regardait si pénétrant et scrutateur“. 37 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 18. Oktober 1849: „Il est parti et je le ne regrette
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Die Inhalte der Brautbriefe
Doch innerlich hatte sie sich wohl längst entschieden. Denn als ihr nach Hegels Abreise am selben Tag der wie sie aus einer alten Nürnberger Patrizierfamilie stammende, nur wenige Jahre ältere Friedrich Harsdorf (1820–1873) 38 begegnete, der sich ihr seit dem Sommer 1848 genähert hatte 39, ging sie ihm aus dem Weg, was sie zwar bekümmerte, aber für sie hatte sich etwas grundlegend geändert. „Ich erhalte ihm ein lebhaftes und trauriges Andenken, ich werde es ihm immer erhalten“, schrieb sie in ihr Tagebuch 40 und nahm Abschied von dem Mann, der sich ihr seit einem Jahr genähert, aber nach den späteren Aufzeichnungen Karl Hegels noch nicht um ihre Hand angehalten hatte. 41 „Die Erinnerung an Harsd[orf ] und Maltravers“ – an Ernest Malduavers, den Helden eines vielgelesenen neunteiligen Romans von Edward Lytton Bulwer (1803– 1873) –, „der schöne Traum meiner Kindheit, alles ist verschwunden durch die Liebe meines Karl und verschwindet immer mehr“ – schrieb Susanna Maria an jenem Tag in ihr Tagebuch, an dem sie den am Vortag erhaltenen ersten Brief Hegels vom 20. Oktober 1849 aus Berlin beantwortet hatte. 42 „Ich liebe Dich!“ – gestand Karl Hegel zu Beginn seines ersten Briefes an Susanna Maria von Tucher, sie von da an nur noch liebevoll als „Susette“ ansprechend und überall so nennend. 43 Eben erst aus Simmelsdorf und Nürnberg zurückgekehrt und – seine Reise bei seiner Mutter in Berlin unterbrechend – auf dem Weg nach Rostock, um an der ältesten Universität an der Ostsee seine Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 1849/50 zu beginnen, schüttete er der Geliebten sein ganzes, übervolles Herz aus. Er sprach von „eine[r] Unendlichkeit von Emp ndungen und Gedanken“, von „vielen bangen Zweifeln und von einer schmerzlichen Ungewißheit“, bis er – „erst in den letzten Tagen, beinahe möchte ich sagen Stunden“ – für sich selbst „volle Klarheit“ und „große Beruhigung“ gefunden, „meine Liebe zu Dir [...] unerwartet in mir entdeckt“ habe. Wie Susanna Maria von Tucher diesen Brief aufgenommen hat, vertraute sie noch einmal unter dem Datum des 25. Oktobers 1849 ihrem Tagebuch an: „Ich bin ganz
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pas, quoiqu' il était extremement touché en prenant congé; il me pressait fortement contre son coeur et me baisait trois fois avec une certaine chaleur. La pensée m'est venue s'il écrivait que ferais-je, mon Dieu épargne moi ce combat!“ Karl Friedrich Christoph Eugen Freiherr Harsdorf von Enderndorf war königlich-bayerischer Kämmerer und Stadtrichter in Nürnberg. Er heiratete 1853 Franziska Freiin von Woellwarth (1825–1912). Vgl. „Lebensnachrichten von Susette (Susanna)“, in: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 162. Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 18. Oktober 1849: „J'ai rencontré Harsd. aujourdhui pour la première fois et j'ai evité qu'il me vit; cela m'a af igée que je ne pouvais désirer de le voir; que le temps se change. Je le porte un interêt vif et triste, je le lui porterai toujours.“ Neuhaus, Gedenkbuch, S. 162. Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 25. Oktober 1849: „Le souvenir à Harsd. et Maltravers, le beau rêve de mon enfance, tout est disparu par l'amour de mon Charles, et disparaitra toujours plus.“ Brautbrief Nr. 1.
Susanna Maria von Tuchers Verlobung mit Karl Hegel
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verwirrt, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, die Ereignisse der vergangenen Tage zu schildern. Ich habe gestern einen Brief von Karl erhalten, voller Liebe, Gefühl und edler Gesinnung, einen Brief, in dem er mich seiner tiefen, sanften, emp ndsamen Liebe versichert. Ich war erschrocken über diesen Brief (Mama hat ihn mir gegeben), weil ich nicht in Karl verliebt bin. Ich habe nicht geahnt, daß er mich liebt, und während ich diesen Brief las, habe ich mir nicht vorstellen können, daß ich damit gemeint bin. Diese Nacht habe ich damit verbracht, Gott zu bitten, mir zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Plötzlich wurde mir unwiderstehlich klar, daß ich seine Hand nicht zurückweisen könnte, daß ich nach und nach, dank seiner Liebe, meine Liebe zu ihm nden würde. Ja, eine Liebe, gegründet auf eine hohe Wertschätzung und hervorgebracht durch seine Liebe, die an Stärke, Edelmut und Feinfühligkeit alles übersteigt, was ich mir in meinen kühnsten Träumen ausgemalt habe! Und von einem solchen Mann.“ 44 Hegel war bei seiner schriftlich niedergelegten Liebeserklärung wichtig, daß das von ihm über alles geliebte Fräulein von Tucher über „den wichtigsten Schritt [seines] Lebens“ völlig frei entschied, sein „Entschluß, je freier und reiner, auch um so wahrer und fester sein möchte“, wie auch Susettes Eltern, denen er sich kurz vor seiner Abreise offenbart hatte, „Alles nur Deiner Entscheidung anheim stellte[n]“. Keinerlei fremde Erwartungen, keinerlei Verp ichtungen, keinerlei Zwang sollten das Ja oder Nein der Geliebten bestimmen. Deshalb auch kein Verlobungsantrag im persönlichen Gegenüber oder in Gegenwart der Eltern, der wohl zu sehr auf eine sofortige Antwort gezielt hätte, sondern tief ernst, sehr förmlich und ganz gottvertrauend aus der Distanz vieler hundert Kilometer per Brief: „Liebe, gute Susette, herzliebes Mädchen, ich lege meine Liebe in Gottes Hand und Dir ans Herz und frage Dich vor Gott, ob Du die meinige werden willst, ob Du mir ganz und für immer angehören kannst?“ Die Antwort, die – so oder so – beider weiteres Leben bestimmen würde, erwartete Hegel in Rostock, und sie ging dort wohl schon eine Woche nach seinem ersten Brief am 28. Oktober ein. Am 25. Oktober hatte Susette ihm geschrieben, was er als „die so heiß ersehnte und nun so voll gewährte Versicherung Deiner Liebe“ aufnahm, „wo-
44 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 25. Oktober 1849: „Je suis toute troublée, je ne sais où commencer pour me retracer[!] les évenement[s] des jours derniers. J'ai reçu hier une lettre de Charles, une lettre pleine d'amour, de sentiment et de noblesse, une lettre dans laquelle il m'avoue un amour profond, tendre et délicat. J'étais effrayée en recevant cette lettre (maman me l'a donnée) parce que je ne sentais point d'amour pour Charles, je n'avais d'idée qu'il m'aimât, et encore ayant lu cette lettre je ne pouvais croire que cela fut dit pour moi. Cette nuit, je la passais priant, pour que le bon Dieu m'éclaircit sur la resolution que je dusse prendre et subitement je sentais avec une fermeté irrésistible que je ne pouvais refuser sa main, que je trouverais peu de peu, par son amour, aussi de l'amour pour lui. Oui, de l'amour, fondé sur une estime parfaite et produit par son amour qui surmonte en force, noblesse et délicatesse tout-ce que je me gurais dans mes rêves les plus hardies! et d'un tel homme.“ Vgl. Abb. 5, S. 180.
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Die Inhalte der Brautbriefe Abb. 5: Aus dem Tagebuch Susanna Maria von Tuchers ( fol. 1r–3r, hier fol. 2v) [fol. 2v] et triste, je le luis porterai toujours. Jeudi le 25 Octobre Je suis toute troublée, je ne sais où commencer pour me retracer [!] les évenement[s] des jours derniers. J'ai reçu hier une lettre de Charles, une lettre pleine d'amour, de sentiment et de noblesse, une lettre dans laquelle il m'avoue un amour profond, tendre et délicat. J'étais effrayée en recevant cette lettre (maman me l'a donnée) parce que je ne sentais point d'amour pour Charles, je n'avais d'idée qu'il m'aimât, et encore ayant lu cette lettre je ne pouvais croire que cela fut dit pour moi. Cette nuit, je la passais priant, pour que le bon Dieu m'éclaircit sur la resolution que je dusse prendre et subitement je sentais avec une fermeté irrésistible que je ne pouvais refuser sa main, que je trouverais peu de peu, par son amour, aussi de l'amour pour lui. Oui, de l'amour, fondé sur une estime parfaite et produit par son amour qui surmonte en force, noblesse et délicatesse tout-ce que je me gurais dans mes rêves les plus hardies! et d'un tel homme. Je lui ai répondu ce matin; je suis à lui pour la vie, et je trouve une telle satisfaction en moi que je suis convaincue d'avoir choisi le juste. Je me trouve si heureuse, et toujours [fol. 3r] plus heureuse, plus que je comprends qu'il m'aime.
mit Du mir ganz und für immer angehören willst!“ 45 In ihrem Tagebucheintrag zum gleichen Tag heißt es: „Ich habe ihm heute Morgen geantwortet; ich bin sein fürs Leben, und ich fühle eine große Befriedigung in mir, daß ich überzeugt bin, das Richtige getan zu haben. Ich fühle mich so glücklich, und immer glücklicher in dem Maße wie ich verstehe, daß er mich liebt.“ 46 In sein nach Susettes frühem Tod am 1. Januar 1878 begonnenes Gedenkbuch zum Jahr 1849 notierte Hegel drei Jahrzehnte später: „Sie hat den 20. [Oktober] als unseren Verlobungstag betrachtet“ 47, als wenn er mündlich um ihre Hand angehalten und sie seinen Antrag umgehend angenommen hätte, den Tag, an dem Hegel ihr seinen ersten Liebesbrief aus Berlin geschrieben hatte, den sie 45 Brautbrief Nr. 2. – In seinem Gedenkbuch nannte Hegel den 23. Oktober als Datum des Antwortbriefes Susettes auf sein Antrags-Schreiben vom 20. Oktober: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 158. 46 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 25. Oktober 1849: „Je lui ai répondu ce matin; je suis à lui pour la vie, et je trouve une telle satisfaction en moi que je suis convaincue d'avoir choisi le juste. Je me trouve si heureuse, et toujours plus heureuse, plus que je comprends qu'il m'aime.“ 47 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 158.
Susanna Maria von Tuchers Verlobung mit Karl Hegel
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nach seiner Abreise aus Nürnberg mehr bangend als hoffend, aber letztlich wohl doch sehnlichst erwartete. 48 Hegels Anreden an seine nunmehrige Braut änderten sich von da an: Aus „Liebe, gute Susette!“ wurde „Innigst geliebte Susette“, dann „Geliebte Susette, theuerste Braut!“. Immer wieder neue, augenblicklichen Gefühlslagen geschuldete Variationen der Anredeformen aus tiefster Zuneigung folgten, wie auch die gefühlvollsten Liebesbekundungen in den 27 Brautbriefen Hegels immer wieder mal knapper, mal breiter ausgedrückt wurden, die Nähe der Geliebten ebenso schmerzvoll entbehrend wie heiß ersehnend. Ende Oktober 1849 hatten Susanna Maria von Tucher und Karl Hegel als Verlobte einen neuen Stand erreicht, den er sogleich allen Verwandten und Freunden nicht nur mündlich, sondern „aller Welt“ schriftlich mitteilen wollte: „Morgen aber werde ich Dich, als meine (innig geliebte) Verlobte, mit meinem Namen auf eine Karte drucken lassen“, kündigte ihr Hegel am 30. Oktober an. 49 Soviel Gemeinsamkeit mußte vorerst reichen. Neben den vom Brautvater erwarteten Aktivitäten zur Bekanntgabe der Verlobung seiner ältesten Tochter im Kreise der großen Tucher-Familie ließ Hegel unter dem Datum des 31. Oktobers 1849 „die Anzeige unserer Verlobung in einem Brief lithographieren“, wie er sich in dem Exemplar an seinen in gemeinsamen Schweriner Zeiten gewonnenen Freund Friedrich Eggers erhalten hat: „Meine Verlobung mit Fräulein Susette von Tucher in Nürnberg zeige ich hierdurch ganz ergebenst an. Rostock, 31. October 1849. Professor Dr. C. Hegel.“ 50
Der aus Rostock stammende Kunsthistoriker und Journalist Friedrich Eggers (1819– 1872) war unter Hegels Leitung in den Jahren 1848/49 Redakteur bei der „Mecklenburgischen Zeitung“ gewesen, bevor er nach Berlin übersiedelte und das „Deutsche Kunstblatt“ gründete. 51 Darüber hinaus verbreitete der überglückliche Bräutigam die Nachricht von seiner Verlobung nicht nur im Rostocker Freundes- und Kollegenkreis, sondern sandte 48 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 18. Oktober 1849. 49 Brautbrief Nr. 2. Vgl. Abb. 1, S. 15. 50 Vgl. Abb. 2, S. 20. Hegel variiert die Schreibung seines Vornamens zwischen dem auf den lateinischen „Carolus“ zurückgehenden „C[arl]“ und der aus dem Althochdeutschen abgeleiteten Schreibweise „Karl“, wobei „Karl“ insgesamt wie in seinen Briefen vorherrschend ist. Im Taufbuch und Geburtsregister von St. Egidien in Nürnberg ist er als „Karl Friedrich Wilhelm“ eingetragen: LkAN: St. Egidien Nürnberg, J 1813, S. 45, Nr. 65. 51 Vgl. Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 140f.; Neuhaus, Gedenkbuch, S. 154– 156.
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Die Inhalte der Brautbriefe
sie auch an Freunde, Kollegen und Bekannte nach Schwerin, Berlin, Göttingen, Greifswald, Heidelberg, Halle, Leipzig, Erlangen, Königsberg, München 52 „und wo ich sonst noch Freunde habe“ sowie zum Beispiel an Menschen wie Magdalene Freiin von Lubin, deren Großvater Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848) mit seinem Vater beruflich und familiär – er war der Patenonkel von Karl Hegels jüngerem Bruder Immanuel – in engstem Kontakt gestanden hatte. Niethammer hatte mit Georg Wilhelm Friedrich Hegels Brief vom 18. April 1811 als Erster von dessen Liebe zur 21 Jahre jüngeren Maria Helena Susanna von Tucher (1791–1855) erfahren und von des Philosophen Absicht, sie zu heiraten, sobald er eine gesicherte berufliche Position als Universitätsprofessor erlangt hätte. 53 Seine an Eggers verschickte Verlobungsanzeige verband Hegel mit einem Handschreiben, in dem er dem Freund mitteilte, daß er „die Entscheidung meines Glücks [...] erst hier in Rostock empfangen, nachdem ich meine Erklärung von Berlin aus gemacht“ habe. Nicht nur wegen der überlieferten Lithographie ist dieser Brief wertvoll, sondern vor allem auch, weil er erstmals erlaubt, sich ein Bild von Susette zu machen, von der sich aus der Verlobungszeit nur ein Bild von Ende Dezember 1849 erhalten hat 54, sieht man von einer undatierten Bleistiftzeichnung ab, die sie in jüngeren Jahren zeigt. 55 Hegel beschrieb seine 23jährige Braut als „ein frisches und kernhaftes Mädchen, recht weiblich und innig von Gemüth und geschmückt mit allen häuslichen Tugenden.“ 56 In einem Brief vom 20. März 1845 an ihn hatte die russische Fürstin Gallizin, eine Bekannte seiner Mutter in Berlin, „M[ademoise]lle Susette de Tucher“ – nachdem sie sie bei einem Besuch in Nürnberg kennengelernt hatte – als „von gutem Wesen, ungeziert, offen, rechtschaffen, treuherzig – eher hübsch, zudem voller Geist 52 Unter anderen: Geheimer Kabinettsrat Eduard Prosch (1804–1878) und sein Bruder Regierungsrat Karl Friedrich Wilhelm Prosch (1802–1876) in Schwerin, Oberregierungsrat Johannes Schulze (1786–1869) in Berlin, Historiker Friedrich Christoph Dahlmann (1785– 1860) und Rechtswissenschaftler Johann Heinrich Thöl (1807–1884) in Göttingen, Freund und Rechtswissenschaftler Georg Beseler in Greifswald, Freund und Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) in Heidelberg, Rechtswissenschaftler Agathon Wunderlich (1810–1878) in Halle, Theologe Johannes Hofmann (1810–1877) in Erlangen, Oberpräsident Eduard Heinrich von Flottwell (1786–1865) in Königsberg, Historiker und Staatsmann Wilhelm Dönniges (1814–1872) in München. 53 Briefe von und an Hegel, Bd. 1: 1785–1812, Nr. 181, S. 356; Niethammers Antwortbrief vom 5. Mai 1811 aus München ebenda, Nr. 183, S. 358–361. 54 Vgl. Taf. 2. – Die übrigen mir bekannten Fotogra en von Susette datieren alle später. Sie zeigen die junge Frau Hegel einmal mit ihren vier ältesten Kindern wohl in der ersten Hälfte der 1860er Jahre, zum anderen wohl 1867 im Kreise ihrer sechs Kinder nach dem Tod Friedrich Augusts (1864–1865) und vor der Geburt Gottlieb Friedrichs (1867–1874), des zuletzt geborenen achten Kindes; vgl. Taf. 14 und 15. 55 Vgl. Taf. 17. 56 Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel: Nachlaß Friedrich Eggers, Cb 60.56:196. Vgl. Abb. 2, S. 20.
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und Lebhaftigkeit“ beschrieben, „eine nette kleine Verlobte“ 57, damals 19 Jahre alt. Susette selber sah sich – wie sie sich in ihrem Tagebuch indirekt charakterisierte – nicht als „eine fröhliche und blühende Frau, die ihn [ihren Ehemann] erheitert und erfrischt.“ 58 Die Daguerreotypie von Susette ist während Karl Hegels Nürnberg-Reise über Weihnachten und Neujahr 1849/50 im Studio des Nürnberger Malers und ersten Daguerreotypisten Friedrich Hahn (1804–1880) entstanden, und der verliebte Bräutigam betrachtete zu Hause in Rostock immer wieder „Dein theures Bild [...], um mich durch einen Blick in Dein liebes Antlitz zu erquicken“ 59, hatte es stets vor sich liegen. 60 Am Nachmittag des 22. Februars 1850 brachte er Frau Bruns „das Daguerrotyp“, da sie so gerne ein Bild von seiner zukünftigen Frau sehen wollte. 61 Noch einmal erwähnte Hegel „Dein Bild“ – wie er Susette unter dem Datum des 27. Aprils 1850 schrieb –, als er es Luise Dahlmann, geb. von Horn (1800–1856), der zweiten Frau seines Bonner Historiker-Kollegen Friedrich Christoph Dahlmann, bei einer Erfurter Abendgesellschaft zeigte. 62 Von Karl Hegel selber, von dem es außer einem Gemälde Jakob Schlesingers (1792–1855), das ihn als Zwanzigjährigen vor Heidelberger Silhouette zeigt, auch nur spätere Daguerreotypien und Fotogra en gibt 63, können wir uns allerdings aufgrund der Personenbeschreibung seines 1838 für seine Italienreise in Berlin vom königlichpreußischen Minister des Innern und der Polizei ausgestellten Reisepasses ein noch genaueres Bild machen: Aus dem „Signalement des Paß-Inhabers“ ergibt sich, daß der 25jährige Hegel etwa 1,70 Meter groß war („Fünf Fuß Fünf Zoll“), braunes Haar, braune Augenbrauen und einen braunen Bart, eine freie Stirn, blaue Augen, einen „gewöhnlich[en]“ Mund, ein ovales Kinn und Gesicht sowie eine gesunde Gesichtsfarbe hatte, dazu von schlanker Statur und ohne besondere Kennzeichen war. 64 Sich selbst als Junggesellen, ja gar als Hagestolz charakterisierend, hatte der äußerlich wohl kaum wesentlich veränderte Hegel seiner Braut am 30. Oktober 1849 geschrieben, „daß ich durch mein langes Alleinsein im fremden Lande, fern von der Liebeswärme meiner nächsten Angehörigen, ein selbstgenügsames, hartes und sprö57 58 59 60 61 62 63
Neuhaus, Gedenkbuch, S. 160. Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 17. Oktober 1849. Brautbrief Nr. 10. Brautbrief Nr. 12. Brautbrief Nr. 16. Brautbrief Nr. 23. Das Gemälde Schlesingers be ndet sich heute als Dauerleihgabe in der Kunstsammlung der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg; eine farbige Abbildung als Frontispiz in: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert. Taf. 3 zeigt Hegel im Alter von 47 Jahren. 64 Privatnachlaß Karl Hegel: Reisepaß. Eine Abbildung ndet sich in: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 96; siehe auch ebenda, Nr. V/2, S. 94.
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Die Inhalte der Brautbriefe
des Wesen angenommen habe, welches die Liebe erst wieder allmählich schmelzen oder erweichen muß, damit es selbst liebenswürdig erscheine und werde.“ 65 Und er verschwieg Susette in seinem letzten Brief des Jahres 1849 auch nicht, daß ihm seine Freundin Berta Stannius (1818–1905), die Gemahlin seines Freundes Hermann Stannius (1808–1883), Direktor des Instituts für vergleichende Anatomie und Physiologie der Universität Rostock sowie deren Rektor in den Jahren 1849 bis 1851, „neulich“ – ohne konkret zu werden – gesagt hätte, daß er sich „manche Eigenheiten abzugewöhnen habe“. 66 Eine Fotogra e, die Karl Hegel und seine spätere Frau zusammen zeigt, ein Verlobungsfoto also, ist bisher nicht aufgefunden worden, aber es muß etwas Vergleichbares gegeben haben, denn Hegel schrieb seiner Braut unter dem Datum des 11. Januar 1850, daß er „dem Herrn Hahn“ – dem genannten Nürnberger Daguerreotypisten – „nicht so ganz böse“ sei, „daß er Dir mein Bild nicht ohne das Deinige überlassen wollte, daß er mein Bild zugleich mit dem Deinigen vermischte, zum Zeichen, daß das eine nicht ohne das andere sein sollte“. 67 In gewisser Weise gemeinsam begegnen Susanna Maria und Karl Hegel lediglich auf einem als Frontispiz zu des Historikers Gedenkbuch gestalteten Blatt, das oben getrennt nebeneinander oval ausgeschnittene Daguerreotypien des Ehepaares aus verschiedenen Vorlagen zeigt, über die Hegel die Jahreszahlen „1860“ (bei sich, links) und „1870“ (rechts, bei seiner Frau) vermerkt hat. Mittig darunter ist eine Daguerreotypie Hegels mit der Jahreszahl „1878“ gesetzt, dem Todesjahr Susettes und Jahr des Beginns der Niederschrift des Gedenkbuches. 68
Rostock – Nürnberg – Rostock: eine Liebe auf Distanz
Hegel hoffte auf eine „recht kurz dauernde Trennung“ von seiner Braut, aber die Verlobungszeit, die er später einmal als „schöne Übergangszeit“ bezeichnete 69, erstreckte sich dann doch über sieben Monate bis zum Tag der Hochzeit am 28. Mai 1850 mit evangelisch-lutherischer Trauung in der Nürnberger Heilig-Geist-Kirche. In dieser Zeit begegneten sich die Brautleute zu Weihnachten 1849 und zu Ostern 1850 zweimal in Nürnberg, was die Abfolge der Briefe gliederte und als kontinuierliches schriftliches Gespräch unterbrach. „Wir wollen schon jetzt“ – schrieb er der „Liebe[n] Herzensbraut!“ am 30. Oktober in seinem zweiten Brief – „eine recht innige Gemeinschaft mit einander p egen und durch ununterbrochene briefliche Mittheilung uns gegeneinander austauschen und so die Entfernung überwinden.“ Hegel stellte dazu 65 66 67 68 69
Brautbrief Nr. 2. Brautbrief Nr. 8. Brautbrief Nr. 10. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 114. Brautbrief Nr. 7.
Rostock – Nürnberg – Rostock: eine Liebe auf Distanz
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sehr genaue Überlegungen an und wollte die Vertraulichkeit von Briefen mit der von Tagebüchern verbinden und in solcher Form dem Kalender folgend seine Briefe im Wochenabstand an Susette abschicken, damit – bei einem Historiker naheliegend und ganz im Sinne Goethes handelnd, daß nur derjenige eine Chronik schreibt, „dem die Gegenwart wichtig ist“ („Maximen und Re exionen“ 70) – gleichsam eine Chronik ihrer Verlobungszeit entstand: „Wir wollen“ – setzte Hegel entschieden fort – „unsere Briefe in der Form eines Tagebuchs abfassen, worin wir unsere Emp ndungen, Gedanken und Erlebnisse ohne Unterbrechung einzeichnen und solches etwa alle 8 Tage zugleich mit der Antwort auf den empfangenen Brief abschicken.“ Susette ließ sich darauf widerspruchslos ein und folgte Karls Vorschlag, indem sie nach ihrem zweiten Brief an ihn, der am 9. November in Rostock einging 71, mit ihrem letzten Eintrag zum 8. November 1849 von ihrem sechs Jahre zuvor, nach ihrem Aufenthalt im Töchterinstitut Daulte-Cornu in Grandson 72 begonnenen JungmädchenTagebuch Abschied nahm und ihre ganz persönlichen Aufzeichnungen beendete: „Ich sage euch Lebewohl, meine geliebten Blätter, ich brauche euch nicht mehr, ich danke euch für all den Trost, den ihr mir gegeben habt, einen Trost, von dem niemand wußte. Ich habe einen zweiten Brief von meinem lieben Karl erhalten, ich bin glücklich, ja glücklich, aber nicht außer mir. Er hat mich gebeten, meine Briefe in Form eines Tagebuchs zu schreiben, ich soll keine Geheimnisse vor ihm haben. Ich habe euch nichts mehr anzuvertrauen. Ich lese, was ich in den vergangenen sechs Jahren seit meinen Aufzeichnungen geschrieben habe. Gott hat mich sicher geführt, ich kann ihm nur danken. Die Tränen, die ich während der vergangenen sechs Jahre vergossen habe, sind getrocknet und so Gott will sind sie nicht ge ossen, ohne mich besser und klüger zu machen. Ich verlasse euch, meine lieben Blätter, und wünsche mir, daß Gott mich führen möge durch die Hand meines Karls.“ 73 70 Goethe's nachgelassene Werke, Bd. 9 (= Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand, Bd. 49), Stuttgart, Tübingen 1833, 3. Abt., S. 71. 71 Brautbrief Nr. 3. 72 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 159f. 73 Tagebuch Susanna Marias von Tucher zum 8. November 1849: „Je prends congé de vous, mes chères feuilles, je n'ai plus besoin de vous, je vous remercie de toutes ces consolations inconnues à tout le monde que vous m'avez données. J'ai reçu une seconde Lettre de mon cher Charles, je suis heureuse, oui heureuse, quand même pas transportée. Il m'a priée d'écrire mes lettres en forme de journal, je ne dois avoir rien de secret pour lui, je n'ai plus rien à vous con er; Je relis ce que j'ai écrit pendant ces 6 ans que j'ai commence à noter mes sentiments; mon bon Dieu, m'a conduit parfaitement bien, je ne puis que lui remercier, les larmes que j'ai versées pendant ces six ans sont sêchées et, Dieu veuille, qu'elles ne soient pas coulées sans me rendre meilleure et plus sage. Je vous quitte mes chères feuilles, que le bon Dieu me guide par la main de mon Charles!!!“ – Hegel kannte das „französische Tagebuch“ seiner Frau aus ihrer Jungmädchen-Zeit, zumindest die erhaltenen Schlußseiten, denn er zitierte diesen letzten Eintrag mit leichten Abweichungen in seinem ab 1878 entstandenen Gedenkbuch; vgl. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 162, Zitat ebenda, S. 162f.
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Die Inhalte der Brautbriefe
Einem Pädagogen gleich wollte er mit seinem „nächsten Brief ein Beispiel davon, wie ich's meine, geben“ und den Anfang seiner Tagebuch-Briefe machen. Mit dem Hinweis, daß sein jetziger Brief am nächsten Tag – Mittwoch, den 31. Oktober – mittags von Rostock abgehe, erbat Hegel von seiner Verlobten Mitteilungen über den Zeitpunkt seines Eingangs bei ihr und über das Absendedatum ihres Antwortbriefes, um „künftig die Zeit des Hin- und Hergehens der Briefe genau berechnen [zu] können.“ 74 Er verfolgte, ja kontrollierte dies auch und war am 8. November abends sehr enttäuscht, daß er noch keinen zweiten Brief von Susette erhalten hatte, der dann einen Tag später am Vormittag kam, „einen Tag später [...], als er gekommen wäre, wenn Dein Bote ihn zur rechten Zeit abgegeben hätte: allein er ist, wie ich aus dem Poststempel ersehe, erst zwischen 5 und 6 Uhr auf die Post gekommen und so bis zum folgenden Tage liegen geblieben.“ Seinen Antwortbrief schickte er am Abend des 9. Novembers in der Hoffnung ab, daß ihn seine Braut am „Montag Nachmittag erhalte“, also am 12. November. 75 Am 25. November zeigte er sich überrascht, daß ihr vierter Brief schon am Vormittag eintraf, den er erst am Abend erwartet hatte 76, entschuldigte sich aber auch für seine immer wieder zum Ausdruck gebrachte Ungeduld und stellte durchaus witterungsbedingte Verzögerungen im Winter in Rechnung, ausgedrückt zum Beispiel in der Hoffnung, „wenn nur die Eisenbahn auf den Bergen über Hof noch frei ist!“ 77 Seinen insgesamt 27 Briefen – davon 20 tagebuchartig angelegt mit Ausführungen über jeweils zwei bis sechs Tage – stehen insgesamt 25 Briefe Susannas gegenüber, von denen allerdings nur bei drei Schreiben das Datum ihres Verfassens bekannt ist. Da sich die Briefe Susanna von Tuchers an Hegel, die meistens seinen Erwartungen entsprechend pünktlich bei ihm eingingen, leider nicht erhalten haben, ist unbekannt, ob Hegels Braut den beinahe pedantischen Vorschriften ihres Verlobten entsprochen hat, ihre Briefe auch tagebuchartig abzufassen. Allerdings können aus Hegels Briefen ihre Antworten zeitlich und ein wenig ihrem Inhalt nach erschlossen werden. Meistens gab Hegel seine Briefe an dem Tag auf die Post, an dem er den letzten Brief seiner Braut erhalten hatte. Er dankte ihr also in seinem zweiten Brief für ihren ersten usw., wobei diese Kontinuität nur unterbrochen wurde, wenn er auf Reisen in Berlin oder in Erfurt war. Über Hof, das ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt war, gelangten die 17 in Rostock abgeschickten Briefe stets innerhalb von drei Tagen nach Nürnberg, die fünf Briefe aus Erfurt erreichten Susanna bereits nach zwei Tagen, von Berlin aus war die Post in der Regel ebenfalls zwei Tage unterwegs. Von Ausnahmen abgesehen, 74 Brautbrief Nr. 2. 75 Brautbrief Nr. 3. Auch am 26. Januar 1850 konstatierte Hegel eine eintägige Verspätung eines Briefes in Rostock: „nach dem Postzeichen auf dem Couvert war er jedoch erst zwischen 4 u. 5 Uhr Nachm[ittag] in Nürnberg auf die Post gekommen.“ (Brautbrief Nr. 12). 76 Brautbrief Nr. 5. 77 Brautbrief Nr. 7.
Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kollegenfrauen in Rostock
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fand der Briefwechsel im Wochenrhythmus statt, ganz so wie Hegel sich das mit der Vorgabe „8 Tage“ vorgestellt hatte. 78 Mit Eintragungen zu 79 von 220 Tagen der Verlobungszeit, also fast genau einem Drittel, ist sein Brieftagebuch entstanden, das Ende Oktober 1849 begann, von seinen Besuchen bei seiner Braut zu Weihnachten und Neujahr 1849/50, zu Ostern 1850 sowie während seiner Zeit als Abgeordneter des Erfurter Unionsparlaments im März/April 1850 länger unterbrochen wurde und eine Woche vor seiner Hochzeit zu Ende ging. Aber auch im Umkreis seiner längeren Reisen von Rostock aus plante Hegel nicht nur seine Eisenbahnfahrten sehr genau, sondern hatte auch die Briefläufe fest im Blick. 79
Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kollegenfrauen in Rostock
Von Anfang an das gemeinsame Leben mit seiner Braut als zukünftiger Ehefrau an seinem Wirkungsort in Rostock vor Augen, erachtete es Hegel schon in seinem zweiten Brief als seine ganz besondere Aufgabe, Susette – wie er ihr am 30. Oktober 1849 von der Ostseeküste nach Franken schrieb –, „in meine ganz fremde Welt einzuführen“ und ihr „nach und nach meine Umgebung und Lebensweise [zu] beschreiben und von den Freunden und Freundinnen [zu] erzählen, die ich Dir hier zuzuführen gedenke.“ 80 Diese „ganz fremde Welt“ bestand für die Nürnberger Patriziertochter eigentlich aus zwei sich vielfältig überschneidenden Welten: die norddeutsche Hansestadt und die akademische Welt der Universität. Beide suchte Hegel ihr nahezubringen, indem er immer wieder über seine Begegnungen mit seinen dortigen Freunden und ihren Ehefrauen, seinen „Freundinnen“, berichtete 81, wie er sie ganz selbstverständlich nannte, wohl gleichsam seine Rostocker Familie meinend, auf deren Mitglieder sich der Junggeselle in unsicheren Zeiten und schwierigen Situationen seines Lebens verlassen konnte. Und er schilderte das gesellschaftliche Leben mit Kollegen und ihren Ehefrauen, die mehr und mehr den Beruf der „Professorenfrau“ entwickelten und ausfüllten, wie es sich Hegel auch von seiner zukünftigen Frau erhoffte. Die „Frau Professor“ gab es lange bevor Damen studieren und eine eigene akademische Laufbahn einschlagen konnten.
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Vgl. insgesamt die Übersicht: Laufzeiten der Briefe Karl Hegels, S. 223–225. Brautbrief Nr. 7. Brautbrief Nr. 2. So auch nach einem bis tief in die Nacht dauernden „norddeutsche[n], insbesondere mecklenburgische[n] Essen und Trinken“ am 4. Dezember 1849, „Schlemmereien“, die auf Hegel „einen ziemlich wüsten Eindruck“ machten und bei ihm die Frage auslösten: „Warum muß denn alles Vergnügen sofort ins Übermaß ausarten, wodurch es sich nur in sein Gegenteil verkehrt?“ (Brautbrief Nr. 7).
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Die Inhalte der Brautbriefe
An der Universität Rostock wirkten im Wintersemester 1849/50 neben außerordentlichen Professoren und Privatdozenten als „Lehrer-Personale“ 22 ordentliche Professoren, davon in der Philosophischen Fakultät neun. 82 Hegel gehörte seit seiner Ernennung durch Großherzog Friedrich Franz II. am 8. September 1848 und – bedingt durch seine journalistische Tätigkeit für die „Mecklenburgische Zeitung“ in Schwerin – seit seiner verspäteten Einführung ins Universitäts-Concilium am 26. Mai 1849 dazu, nachdem er bis dahin seit dem Wintersemester 1841/42 „Professor extraordinarius der Geschichte“ gewesen war. 83 Mit beinahe allen p egte er nach Auskunft seiner Briefe, seines Gedenkbuches und seiner „Erinnerungen“ zumindest kollegiale Kontakte auch außerhalb der Universität, mit zahlreichen freundschaftlichen Umgang seit Jahren in „Tischgesellschaft[en] zu Mittag im Gasthofe“ 84 und ließ die Verbindung zu ihnen auch weit über seine Rostocker Zeit hinaus nicht abreißen. Hegel war es besonders wichtig, seiner Braut die Ehefrauen seiner Kollegen vorzustellen, die „Kolleginnen“ der zukünftigen „Frau Professor“, stets nach ihrer Herkunft und in ihren landsmannschaftlichen Eigenarten charakterisiert als norddeutsche oder als süddeutsche Damen. Zu den Norddeutschen gehörte seines engen Freundes Hermann Stannius schon erwähnte Ehefrau Berta, „eine geborene Mecklenburgerin“ 85, Tochter des Vizepräsidenten des Rostocker Oberappellationsgerichts Friedrich Ernst Carl Fromm (1776–1846) und acht Jahre älter als Susette. Eine „echte“ beziehungsweise „eine tüchtige mecklenburgische Hausfrau“ 86 war Theodora Karsten, geb. Berg, die mit dem Mathematiker, Physiker und Mineralogen Hermann Karsten (1809– 1877) verheiratet war. Gleichaltrig mit Susette war Julie Wilhelmine Leist (1826– 1907), die Ehefrau des Juristen Burkhard Wilhelm Leist (1819–1906) und Tochter des Göttinger Klassischen Philologen, Althistorikers und Archäologen Karl Otfried Müller. Sie war für Hegel „eine norddeutsche Frau im besten Sinne“, die „zwei Kinderchen [hat], denen sie sich mit der größten mütterlichen Sorgfalt widmet, und [...] auch der Wirthschaft musterhaft vor[steht].“ 87 Als „erfahrene Freundin“ bezeichnete er „die Frau Prof. Becker“ 88, des Ökonomie- und Forstwissenschaftlers Eduard Becker (1792–1880) Ehefrau Caroline, Tochter des Rostocker Naturhistorikers, Botanikers und Chemikers Heinrich Friedrich Link (1767–1851).
82 Verzeichniß der Behörden, Lehrer, Institute, Beamten und Studirenden auf der Großherzoglichen Universität Rostock, Winter-Semester 1849/50, S. 5f. 83 Vgl. ebenda die entsprechenden Personal-Verzeichnisse seit dem Winter-Semester 1841/42. – Zu den beiden Ernennungen vgl. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 144 und 154, ferner: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 116. 84 Brautbrief Nr. 2. 85 Brautbrief Nr. 3. 86 Brautbriefe Nr. 5 und 6. 87 Brautbrief Nr. 3. 88 Brautbrief Nr. 12.
Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kollegenfrauen in Rostock
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Aus der Mitte Deutschlands kamen die Ehefrauen der Kollegen Delitzsch und Fritzsche. Mit der aus Leipzig stammenden Spediteurstochter Clara Silber (1823– 1894) war der evangelisch-lutherische Theologe Franz Delitzsch (1813–1890) verheiratet 89, der schon 1850 einen Ruf an die Universität Erlangen erhielt und dorthin wechselte. 90 Der ebenfalls aus Sachsen gebürtige ordentliche Professor der klassischen Literatur und Beredsamkeit Franz Volkmar Fritzsche (1806–1887) lehrte bis in sein Sterbejahr an der Universität Rostock. Er war verheiratet mit Wilhelmine Hermann, der Tochter des Leipziger Klassischen Philologen und Metrikers Gottfried Hermann (1772–1848). 91 Seinen aus Hamburg stammenden theologischen „Freund und College[n]“ Otto Karsten Krabbe (1805–1873) erwähnte Hegel mehrmals als von ihm geschätzten Universitätsprediger 92, nicht aber dessen zweite Ehefrau Albertine Heuffemann, die er 1849 geheiratet hatte, nachdem seine erste Frau Elfriede Voigt 1842 in Rostock gestorben war. Von den süddeutschen Kollegenfrauen im hohen Norden nannte Hegel zuerst und immer wieder die aus Esslingen am Neckar stammende „Schwäbin“ Charlotte Bruns, geb. Gmelin (1816–1900) 93, Tochter des Esslinger Oberjustizrates August Hermann Gmelin (1786–1834) und Ehefrau des Juristen Karl Georg Bruns (1816–1880), die bei der Einrichtung des Rostocker Haushaltes am besten behilflich sein könnte, da sie „die Verschiedenheit hiesiger von der süddeutschen Einrichtung am besten zu beurtheilen versteht und gleichfalls eine sehr verständige Hausfrau ist“. 94 Erwähnung fand dann nur noch „eine Schweizerin aus Genf“, die „sehr liebe, gute Frau meines Collegen Röper“ 95, des aus Doberan stammenden Naturhistorikers und Botanikers Johannes Röper (1801–1885), die dieser während eines Aufenthaltes in Basel kennengelernt hatte. Aus der Rostocker Gesellschaft kannte Hegel nicht nur Professorenkollegen und ihre Ehefrauen. Zu seinem insgesamt als bildungsbürgerlich zu charakterisierenden Bekanntenkreis gehörte zum Beispiel der Badearzt und Obermedizinalrat Dr. August Karl Kortüm (1810–1884), dessen Ehefrau Marie Strauss (1813–1881) aus Baden gebürtig war. 96 Bei dem „deutsch gewordenen Engländer [...] Samson“ 97 handelte es sich um den in der englischen Hafenstadt Harwich im Südosten Englands (Grafschaft Essex) als Sohn eines Anwalts geborenen Harry Sansum (* 1821), der 1850 das Ro89 90 91 92 93 94 95 96 97
Brautbrief Nr. 10. Brautbrief Nr. 16. Brautbrief Nr. 10. Brautbriefe Nr. 3 und 16. Brautbrief Nr. 3; noch in seinem Gedenkbuch erwähnt Hegel sie nach 1878 als „liebenswürdige Schwäbin“ (Neuhaus, Gedenkbuch, S. 163). Brautbrief Nr. 12. Brautbrief Nr. 7. Brautbrief Nr. 7. Brautbrief Nr. 5.
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Die Inhalte der Brautbriefe
stocker Bürgerrecht als Kaufmann erwarb. Er heiratete 1852 die Rostockerin Mathilde Caroline von Reinecke, die die Tochter des in St. Petersburg geborenen KaiserlichRussischen Konsuls Jakob Georg von Reinecke (1790–1868) war 98, „sehr gescheut, oft witzig, aber immer unbefangen und angenehm“. 99 Bei einer Mittagsgesellschaft in Sansums Haus hatte Hegel „eine schöne Nachbarin zur Seite, die Frau eines Gutsbesitzers Namens Stever“ 100, des Besitzers des vom Vater ererbten mecklenburgischen Ritterguts Niekrenz, etwa 20km östlich von Rostock gelegen. Heinrich August Stever (1819–1906) war der Sohn des Rostocker Protonotars Johann Christian Theodor Stever (1779–1849) und Ehemann Magdalene Marie Luise von Nußbaums. 101 Und schließlich seien noch der „gesellige und unterhaltende Bonvivant“ Köster 102, der 1790 in Rostock geborene Kaufmann und Weinhändler Georg Christoph Köster, und seine Ehefrau Johanne Caroline Agnes Levenhagen aus Stralsund genannt 103, die für Susanna von Tucher den gesellschaftlichen Rahmen vervollständigten, in dem sich ihr zukünftiger Mann in Rostock bewegte.
Ein Rostocker Professoren-Haushalt entsteht
„Ich habe mich nach einer Wohnung für uns Beide erkundigt und auch schon in einigen Häusern danach umgesehen“ – schrieb Hegel bereits in seinem dritten, am 9. November 1849 an seine Braut abgeschickten Brief unter dem Datum des Vortages. Zwei Gründe führte er für seine vielleicht von Susette belächelte Eile an: Zum einen war es sein „sehnlichster Wunsch“, die Verlobte „doch bald nach Ostern (fällt auf den 31. März [1850]) heimzuführen“, und zum anderen erläuterte er die schwierige Wohnungssituation in Rostock, wo für ein angestrebtes Mietverhältnis „ein halbes Jahr“ Vorbereitungszeit anzusetzen sei. 104 Als er dann eine – zudem preiswerte – Wohnung gefunden hatte, mußte er umgehend zugreifen. Immer wieder betonte Hegel in seinen Briefen, wie sehr er es bedauerte, ohne seine Braut auf Wohnungssuche gehen und alleine Entscheidungen treffen zu müssen, aber die offensichtlichen Gegebenheiten der weiten Entfernung zwischen Nürnberg und Rostock ließen gar keine andere Wahl. Im Unterschied zu vielen Brautleuten ihrer Zeit bieten die Brautbriefe Karl Hegels daher die nicht häu ge Gelegenheit, die Entstehung eines Professoren-Haushaltes in der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr detailliert verfolgen zu können.
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Für freundliche Hinweise danke ich Frau Gisa Franke, Archiv der Hansestadt Rostock. Brautbrief Nr. 15. Brautbrief Nr. 16. Für freundliche Hinweise danke ich Frau Gisa Franke, Archiv der Hansestadt Rostock. Brautbrief Nr. 5. Für freundliche Hinweise danke ich Frau Gisa Franke, Archiv der Hansestadt Rostock. Brautbrief Nr. 3.
Ein Rostocker Professoren-Haushalt entsteht
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Abb. 6a–c: Haushaltsbuch Karl Hegels (1849/50)
Neben den Briefen gibt zusätzlich eine von Karl Hegel eigenhändig angelegte Aufstellung „Ausgaben für Susettchens u[nd] unsere gemein[schaftliche] häusliche Einrichtung“ in Rostock sehr konkrete Auskünfte darüber. Auf drei Seiten eines Doppelbogens hat er die Anschaffungen zur Wohnungs- und Haushaltseinrichtung mit Preisangaben, Währungsumrechnungen und vereinzelter Nennung von Handwerkern und Lieferanten verzeichnet. Diese Aufstellung liegt einem 16seitigen fadengehefteten „Rechnungsbuch“ Hegels bei, in dem er vom ersten Monat seiner Ehe an „Laufende Ausgabe[n] und Einnahme[n]“ für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1850 eintrug. 105 Seine Eltern, die als Brautleute in Nürnberg gleichsam auf Rufweite vis-á-vis gewohnt hatten – Georg Wilhelm Friedrich Hegel als Rektor und Professor des Gymnasiums in seiner Dienstwohnung am Egidienplatz, Maria Helena Susanna von Tucher im Tucher-Haus an der Ecke Theresienplatz/Egidienplatz –, konnten sich immer wieder treffen und mußten sich vor ihrer Hochzeit am 16. September 1811 nicht brieflich über praktische Fragen der Haushaltsgründung und Wohnungseinrichtung verständigen, es sei denn, es drängte den Bräutigam, seiner „Marie“ seine Liebe zu gestehen. 106 Nur gelegentlich ndet sich in Briefen an Dritte etwas über Vorbereitungen für den gemeinsamen Hausstand: „Daß an Hemden, Betten, Schreinwerk u. s. f. u. s. f. emsig 105 Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“. – Das „Rechnungsbuch“ hat sich erst vor kurzer Zeit bei einer Urenkelin Hegels gefunden: Papier, 17,8 × 22,3cm, [fol. 1r–8v], fadengeheftet; darin beiliegend die Aufstellung „Ausgaben für Susettchens [und] unsere gemeinsame häusliche Einrichtung“: Papier, 16,8 × 20,8cm, [fol. 1r–2v], in der am Schluß enthalten ist: „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“ ([fol. 2r]). Siehe Abb. 6. 106 So sind aus der Verlobungszeit nach zwei Liebesgedichten des Philosophen für seine „Marie“ vom 13. und 17. April 1811 von Georg Wilhelm Friedrich Hegel auch nur zwei Briefe an seine Braut überliefert, in Nürnberg datiert mit „Sommer 1811“: Briefe von und an Hegel, Bd. 1: 1785–1812, Nr. 186, S. 367–369, Nr. 187, S. 369f.; die Gedichte ebenda, Nr. 178, S. 352f., Nr. 180, S. 355f.
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Die Inhalte der Brautbriefe
gearbeitet wird“ – schrieb Georg Wilhelm Friedrich Hegel am 13. Juli 1811 aus Nürnberg an Caroline Paulus (1767–1844) in Heidelberg, die Gattin seines ehemaligen Vorgesetzten als Schulrat in Nürnberg, Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761– 1851) –, „werden Sie sich vorstellen. Wo wir das alles aufstellen und zerreißen wollen, steht noch in des Schicksals Hand und vornehmlich in der Hand guter Freunde.“ 107 Bemerkenswert ist dieser Brief aber auch, weil Georg Wilhelm Friedrich Hegels Braut ihn an verschiedenen Stellen kommentiert und ergänzt hat und so zu einem gemeinsamen Brief machte, als der er auch von der Empfängerin verstanden wurde. Aus Kostengründen kam für Karl Hegel in Rostock nur eine Mietwohnung zu einem Preis „zwischen 150–200 Thaler jährlich“ in Frage, und er würde – wie er seiner Braut unter dem 20. November 1849 schrieb – „am liebsten [...] vor dem Thore miethen, wo die Häuser im Freien liegen und Gärten haben“, aber das war zu dieser Zeit noch nicht möglich, da etwa in der späteren Friedrich-Franz-Straße – in der Jahrhundertmitte noch „Vor dem Steinthor“ – erst in den 1850er Jahren umfangreicher gebaut wurde. Bei einer Wohnung „in der Stadt“ kam es ihm „hauptsächlich auf die innere Behaglichkeit“ und die „Wirthschaftlichkeit“ für die Arbeiten der Hausfrau an, weshalb er eine seiner erfahrenen „Freundinnen“ um ihren Rat fragen wollte, „ehe ich miethe“. Für den Fall, daß er auf Dauer an der Rostocker Universität bleiben sollte, „würde ich mir ein Häuschen vor dem Thore anbauen [sic!], um es nur ganz nach Wunsch einzurichten.“ 108 Nach seiner Berufung an die Universität Erlangen im Jahre 1856 zog er mit seiner Frau und vier Kindern zunächst ebenfalls in eine Mietwohnung, aber fünf Jahre später in „ein neues, selbst gebautes Haus bei dem botanischen Garten“ 109, das er sich – im Unterschied zu Medizinern und Juristen – als Historiker nur mit kräftiger nanzieller Unterstützung seines Schwiegervaters leisten konnte. 110 Aus Rostock berichtete Hegel seiner Braut schließlich unter dem Datum des 1. Dezembers 1849 das Ergebnis seiner Bemühungen, daß er „eine Wohnung für uns gemiethet“ habe, in einem zweistöckigen Giebelhaus, „wie die meisten hier“. Er hatte sich angesichts der Wohnungssituation in der Stadt „schnell entscheiden“ müssen, „weil schon ein anderer Miether mir in den Weg zu kommen drohte und [die Wohnung] sich auch durch den billigen Preis (150 Th[aler] jährlich) zur besonderen Berücksichtigung empfahl.“ 111 Unter dem Datum des 11. Dezembers erklärte Hegel, daß die Wohnung „unter allen, die für uns zur Frage kommen konnten, eine der billigsten und bescheidensten“ war, und begründete seine rasche Entscheidung weiter damit, daß er „nur die Wahl zwischen dieser und einer anderen Wohnung“ gehabt habe, „die gleich um 60 Thaler theurer war, obwohl sie im Raum viel beschränkter ist, oder vielleicht 107 Ebenda, Nr. 189, S. 373–377, hier S. 375. 108 Brautbrief Nr. 5. 109 Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 173; siehe auch: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 169, 189f. 110 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 30. 111 Brautbrief Nr. 6.
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noch einer dritten, die ebenfalls in einer Etage liegt, aber sonst der äußeren Lage und Straße so wie der inneren Einrichtung nach keineswegs freundlich und behaglich erschien.“ 112 Die gemietete Wohnung war Teil des Hauses Nr. 30 (früher: Nr. 1515) in der im Stadtkern auf die Warnow zulaufenden Schnickmannsstraße, an der Ecke der Querstraße „Sperlingsnest“ gelegen. 113 Der Hauswirt war der Nagelschmied Johann Friedrich Kuhfeld (1792–1861/62) 114 und wohnte „im ersten Stock, wie man hier sagt, also zu ebener Erde“, und hatte „die Werkstatt [...] hinten auf dem Hof“, während Hegels zukünftige Wohnung sich – da die Häuser „weniger Breite als Tiefe“ haben – über den zweiten und dritten Stock erstrecke. Da man in Rostock „selten eine etwas größere Familienwohnung in einer einzigen Etage ndet“, werde Susette ihr „Revier unten, ich das meinige, d. h. die Arbeitsstube, oben“ haben. 115 Seiner ausführlichen Beschreibung der Wohnung, bei der Hegel die Mängel nicht verschwieg, auf die ihn auch seine „Freundin“ Karsten bei einer ersten Besichtigung aufmerksam gemacht hatte, legte er zur Veranschaulichung zwei eigenhändig gezeichnete Skizzen bei, die Susette nach dem Treppenaufgang vom Hof aus zur Orientierung in der „Erste[n] Etage (zweiter Stock)“ und in der „Zweite[n] Etage (3. Stock)“ mit der Treppe „Zum Boden“ über einen „Verschlag“ dienen sollten. 116 Wohnstube, Schlafstube, Küche und andere Stuben, unter anderem für ein Hausmädchen, befanden sich in der ersten Etage, ein Arbeitszimmer für Hegel – „Stube (für mich)“ –, ein Gästezimmer – „(Gast)Stube“ – und andere Räumlichkeiten in der zweiten Etage. Von den angesprochenen Mängeln bestand einer im Fehlen einer Waschküche, ein anderer im Herd, der „nach hiesiger älterer Art [...], bloß von Backstein aufgebaut“ in der nach Norden zur Querstraße hin gelegenen Küche stand, den der Vermieter durch einen „sog. englischen Herd [...] mit Zuglöchern und Öffnungen“ ersetzen sollte. Ebenso mußte auch „für einen Waschkessel auf dem Herde“ gesorgt werden, um die fehlende Waschküche im Haus ein wenig zu ersetzen. Hegel war sich aber sicher, daß der Vemieter „die Wohnung passender herrichtet, und dazu einen ordentlichen Herd und zwei neue Öfen setzen läßt“ und ihm „Alles nach Wunsch einzurichten“ bereit sei, „da er besonderen Werth darauf legt, mich zum Miethsmann zu erhalten.“ 117 Schon in seinem nächsten Brief konnte Hegel unter dem Datum des 10. Dezembers 1849 – offenbar auf Susettes Antwort hin – feststellen, „daß die gewählte Wohnung im Ganzen Deinen Beifall hat und daß Du auch mit der beschränkten Einrichtung der 112 Brautbrief Nr. 7. 113 Vgl. Tiedemann, Plan von Rostock, 1860: Taf. 16; siehe auch Münch /Mulsow, Das alte Rostock und seine Straßen, S. 55–57. 114 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 166. 115 Brautbrief Nr. 6. 116 Die Grundriß-Skizzen be nden sich auf den beiden Seiten eines 11,1 × 8,0 cm großen Zettels als Beilage zu Brautbrief Nr. 6; siehe Abb. 3, S. 41. 117 Brautbrief Nr. 7.
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wirthschaftlichen Localitäten Dich zufrieden geben willst.“ Zugleich widersprach er dem in Nürnberg – aufgrund seiner Zeichnungen, die keine Quadratmeter-Angaben enthielten – entstandenen Eindruck von einer größeren Wohnung „als der Wirklichkeit entsprechend“. Während seines bevorstehenden Besuches über Weihnachten und den Jahreswechsel konnte er seiner Braut die tatsächlichen Gegebenheiten erklären und begann gleich nach seiner Rückkehr, sich um die Einrichtung zu kümmern 118, nachdem er ihr schon unter dem Datum des 28. Novembers 1849 seinen auf Einfachheit und Zweckmäßigkeit zielenden Geschmack erläutert und von seinen Preisvergleichen in Berlin und Rostock berichtet hatte. 119 Hegel entwickelte seine konkreten Vorstellungen erstmals ausführlicher in seinem Brieftagebuch unter dem Datum des 17. Januars 1850, indem er seine Braut bat, seinen „Plan der Wohnung“ zur Hand zu nehmen, und mit ihm die einzelnen Zimmer zu betrachten, beginnend mit „Dein[em] Wohnzimmer“ auf der ersten Etage, womit er die durch eine Tür mit einer „Nebenstube“ verbundene gemeinsame „Wohnstube“ meinte, gefolgt von der „Stube (für mich)“, „mein[em] Wohnzimmer“, auf der zweiten Etage und dem gemeinsamen „Schlafzimmer“ wieder auf der ersten Etage. 120 Dabei ging es ihm weniger um Eleganz als um Erschwinglichkeit der Einkäufe in Rostock, Güstrow, Doberan oder Berlin und nicht nur um einzelne Möbelstücke wie Tische, „gepolsterte Stühle“, Sophas, Flügel, Schreibtisch, Bücherschrank, Nähtisch, Spiegel, Spieltisch, Chiffonière, Wäscheschrank, Bettstellen mit Matrazen (auch für die „[Dienst-] Mädchenstube“ und das Gästezimmer), Kleiderschrank, Eckspinde oder Kommode, sondern auch um die Farbigkeit von Polsterbezügen und Tapeten entsprechend der norddeutschen biedermeierlichen Wohnkultur in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Für sein als Arbeitszimmer einzurichtendes „Wohnzimmer“ sah der Herr Professor unter anderem „einen Schlafsopha“, vier „Rohrstühle“, einen „Ausziehtisch“, „einen soliden offenen Schreibtisch als Erbstück von meinem Vater“ und „ein Schreibpult“ vor, „an welchem ich gewöhnlich arbeite“; ferner sollten „einige Bücherrepositorien mit Büchern“ auf die zweite Etage gestellt werden. 121 Im Anschluß an seine vor dem 1. Juni 1850 gemachte Aufstellung „Ausgaben für Susettchens u[nd] unsere gemeinsch[aftliche] häusliche Einrichtung“ waren in einer gesonderten Liste „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“ unter anderem Kosten für ein Stehpult von Tischler Schlüter 122 in Höhe von 14 Talern, für Reparatur und Politur eines Lehn-
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Brautbrief Nr. 10. Brautbrief Nr. 6. Brautbrief Nr. 11. Ebenda. Es handelt sich wohl um einen Rostocker Tischler, unter denen im Rostocker Adressbuch des Jahres 1856 (frühere nicht erhalten), S. 97, zwei mit Namen Schlüter (J. H. Schlüter in der Langestraße 89 und C. Schlüter in der Lagerstraße 47) genannt sind (freundlicher Hinweis von Frau Gisa Franke, Archiv der Hansestadt Rostock).
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stuhls sowie das Aufpolieren eines Schrankes und des Schreibtisches aufgeführt 123, wobei es sich nicht um den Schreibtisch seines Vaters handeln kann, der heute im Institut für Philosophie der Humboldt Universität zu Berlin steht. 124 Ferner wurde für die zweite Etage ein Kleiderschrank für 16 Taler angeschafft, der nach Hegels Vorstellungen im Alkoven stehen sollte. 125 Insgesamt entstanden für sein Arbeitszimmer Kosten in Höhe von 46 ½ Talern, unter anderem auch für Spucknapf, Feuerzange, Wasserkanne, Gardinen, Rouleau und Goldrahmen. 126 Die von Karl Hegel aufgelisteten übrigen Ausgaben für Möbel und Ausstattung der Wohnung beliefen sich in der Endsumme auf insgesamt rund 825 Taler und 15 Silbergroschen. 127 Sie sind in den unterschiedlichen Währungen der verschiedenen Staaten angegeben: Taler und Schillinge in Mecklenburg-Schwerin, manchmal parallel: Gulden und Kreuzer in Bayern sowie Taler und Silbergroschen in Preußen. Als Lieferanten begegnen dabei erneut ein Tischler Schlüter sowie der wohl auch in Rostock ansässige Tischler Spierling und der dortige Eisen- und Kurzwarenhändler Hagen. 128 Hegel handelte dabei angesichts der Wirtschaftskrise und der begonnenen Veränderungen infolge der Industrialisierung ganz im Sinne seines Vorhabens, „auch den hiesigen Handwerkern etwas zu verdienen [zu] geben, weil es unbillig wäre, wenn ich ihnen, die auf den Erwerb am Orte angewiesen sind, durch die schwere concurrenz und die Noth der Zeit doppelt leiden, gar nichts zuwenden wollte.“ 129 Aber nicht erst im Januar 1850 sah er nach einem Besuch bei seiner Mutter auf der Rückreise von Nürnberg und aus Briefwechseln mit ihr ein, daß nicht „Alles oder das Meiste, wie ich dachte, hier [in Rostock] an Ort und Stelle zu besorgen“ sei 130, und kehrte zu seiner im Dezember 1849 auch aufgrund von Preisvergleichen geäußerten Auffassung zurück, „daß wir uns einen großen Theil unserer Sachen in Berlin anschaffen müssen, weil hier [in Rostock] die meiste Handwerker-Arbeit theurer und dabei weniger gefällig ist.“ 131 Die 123 Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“, „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“, [fol. 3r]. 124 Nach ihrem Tod 1855 kamen die Möbel der Witwe des Philosophen Hegel einschließlich des Schreibtisches an das 1837 gegründete Berliner Elisabeth-Krankenhaus, in dem Maria Helena Susanna Hegel von Anfang an ehrenamtlich tätig gewesen war. 125 Brautbrief Nr. 11. 126 Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“, „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“, [fol. 3r]. 127 Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“, „Ausgaben für Susettchens u[nd] unsere gemeinschaftliche häusliche Einrichtung“, [fol. 2r, v]. 128 Beide sind auch im Rostocker Adressbuch von 1856 genannt: Fr. Sperling, Kibbenibberstraße 5 (S. 97 unter „Tischler“) und L. F. Hagen, Eisen- und Kurzwaaren-Handlung, GalanterieWaaren und Spiegel-Niederlage, Lager ausländischer Hölzer und Fourniere, Blutstraße 16 (S. 84 unter „Kaufleute und Krämer“). 129 Brautbrief Nr. 16. 130 Brautbrief Nr. 12. 131 Brautbrief Nr. 6.
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Namen zahlreicher Lieferanten in seinen Ausgaben-Listen deuten denn auch auf Berlin als Einkaufsort hin, zum Beispiel Friedländer auf J. F. Friedländers „Magazin für Haus- und Küchengerät von Stahl, Eisen, Messing, Blech“ und eine Niederlassung der Lauchhammer Kochgeschirre, Gußöfen, Kochherde u. s. w., Kommandantenstraße 87, Giemsoe auf „Giemsoe's Möbel-, Spiegel- und Polsterw[aren]-Magazin“, Leipzigerstraße 66, Priemer auf C. Priemer, „Inhaber eines Möbelmagazins und Mahagoniholz- und Fournierhändler“, Markgrafenstraße 31, oder Spinn auf J. C. Spinn, „Spiegel- und Tafelglashändler“, Leipzigerstraße 63. 132 An einigen Stellen seiner Briefe zeigt sich, daß Hegel mit den Einkäufen überfordert war – „daß es mir zu weitläu g wird“, schrieb er unter dem 21. Januar 1850 an seine Braut. Er war mit Susettes Plänen „vollkommen einverstanden“, zumal sie „in den meisten Punkten“ mit den Überlegungen seiner Mutter übereinstimmten. 133 Das galt ganz besonders für die Anschaffung von „Küchengeräthschaften“, von denen als Tischservice – so schrieb er – „das Berliner Gesundheitsgeschirr (das Porzellan ist zu theuer) noch mehr empfohlen wird, als die hiesige englische Fayence“ 134, und das betraf auch „das Geschirr von Kupfer und Zinn“, das in Berlin „viel billiger“ als in Rostock ist. Den Kauf des „geringere[n] Küchengeschirr[s]“ auf dem traditionellen Rostocker P ngstmarkt wollte er – wie so oft die Unterschiede zwischen norddeutschen und süddeutschen Lebensgewohnheiten bedenkend – seiner mecklenburgischen „Freundin“ Karsten überlassen und regte zugleich an, daß sich seine zukünftige Schwiegermutter am besten mit der „Schwäbin“, der Ehefrau seines Kollegen Bruns, in Verbindung setzte, „welche die Verschiedenheit hiesiger von der süddeutschen Einrichtung am besten zu beurtheilen versteht.“ 135 Folglich nden sich unter Karl Hegels Ausgaben auch Posten wie „Frau Prof. Bruns für Anschaffungen“ und „Anschaffungen für die Küche durch Frau Bruns u[nd] Fr[au] Stannius“ 136, der Ehefrau des ihm besonders nahestehenden Mediziners Hermann Stannius.
132 Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Berlin, Charlottenburg und Umgebungen auf das Jahr 1849, 28. Jg., Berlin 1849, S. 122, 137, 366, 461. 133 Brautbrief Nr. 12. 134 Die zunehmende Verbreitung von Porzellan im Bürgertum seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert veranlaßte die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) Berlin, die technischen Möglichkeiten zur Herstellung eines minderwertigeren und folglich preiswerteren porzellanartigen Geschirrs ohne Bleiglasur zum täglichen Gebrauch auch in ärmeren Bevölkerungsschichten zu nutzen. Dieses „Gesundheitsgeschirr“ wurde eine Alternative zum gesundheitsschädlichen bleiglasierten Tongeschirr; vgl. insgesamt Siebeneicker, Of zianten und Ouvriers. 135 Brautbrief Nr. 12; schon in Brautbrief Nr. 5 hatte Hegel unter dem 24. November 1849 die Kontaktaufnahme zu „Frau Professor Bruns“ angeregt, die sich nach ihrem Umzug von Tübingen nach Rostock auch hatte neu einrichten müssen. 136 Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“, „Ausgaben für Susettchens u[nd] unsere gemeinschaftliche häusliche Einrichtung“, [fol. 2r, v].
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Eine andere seiner erfahrenen „Freundinnen“, Caroline Becker, die Ehefrau des Ökonomen und Forstwissenschaftlers Eduard Becker, hatte Hegel Anfang des Jahres 1850 gebeten, ihm bei der Suche nach einem „Mädchen“ für seinen späteren Professoren-Haushalt behilflich zu sein. Der Erfolg stellte sich schnell ein, denn schon unter dem 21. Januar konnte Hegel seiner Susette berichten, daß er mit der 25jährigen Lisette aus der östlich von Rostock gelegenen Ortschaft Sülz „unser Dienstmädchen, Köchin usw. heute morgen gemiethet“ hätte, die bereits siebeneinhalb Jahre in vergleichbaren Haushalten tätig gewesen sei: Sie „versteht das Kochen, Waschen, Plätten und was sonstige häusliche Verrichtungen sind“ – schrieb Hegel, sie als ehrlich, geschickt, persönlich nicht besonders anspruchsvoll, „allerdings etwas dreist“ charakterisierend –, „sieht gesund und kräftig aus und hat einen offenen gutmüthigen Ausdruck“. Daß sie verlobt sei, betrachtete er eher als Vorteil und war geneigt, ihrem Bräutigam an Sonntagnachmittagen auch Besuche im Hause zu erlauben, wo für Lisette eine „Mädchenstube“ direkt am Treppenaufgang neben dem Alkoven in der ersten Etage vorgesehen war. Eingeschärft hatte er Lisette bei einem Einstellungsgespräch insbesondere, daß sie sich seiner zukünftigen Frau gegenüber „vor allem freundlich, bescheidentlich und gehorsam [...] zu verhalten habe“. 137 Die Renovierung und Einrichtung der ersten ehelichen Wohnung in der Rostocker Schnickmannsstraße beschäftigten Hegel bis in die erste Mai-Hälfte 1850. Nachdem das Erfurter Unionsparlament seine Arbeit Ende April beendet hatte, kehrte er als ehemaliger Abgeordneter von Thüringen aus noch einmal an die Ostsee zurück und nutzte die Zeit bis zur Abreise zu seiner Hochzeit nach Nürnberg, um „im Hause noch Manches vorher ein[zu]richten“, „was uns nachher“ – wie er am 9. Mai an Susette schrieb – „beiden zur Last gefallen wäre und die wohnliche Einrichtung nach unsrer Ankunft verzögert hätte.“ 138 Für seinen Vermieter war er erneut voll des Lobes, denn dieser hatte das erledigt, was vor Monaten bei der Wohnungsübernahme bemängelt worden war, und „einen neuen Herd aus Eisen angeschafft, einen Waschkessel daneben einmauern lassen, in den Wohnzimmern neue Öfen gesetzt.“ Hegel vergab letzte Tapezier- und andere Handwerkerarbeiten, die mit pastellfarbigen Anstrichen der Wände und zeitgemäßen einfachen Möbeln auf die Schaffung eines spätbiedermeierlichen Interieurs zielten. In Berlin hatte er für 45 bis 50 Taler einen schon im Januar in Erwägung gezogenen Möbelwagen bestellt 139, um die dort noch gemeinsam auszusuchenden Möbel dann nach Rostock liefern zu lassen. „Unser Quartier“, so hoffte er voller Vorfreude auf das gemeinsame Leben, würde seiner zukünftigen Ehefrau „bei bescheidenen Ansprüchen gefallen“, sich eingestehend, daß er alles „vielleicht mit günstigeren Augen an[sehe], als es in Wirklichkeit verdient.“ 140 137 138 139 140
Brautbrief Nr. 12. Brautbrief Nr. 25. Brautbrief Nr. 12. Brautbriefe Nr. 25 und 26.
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Die Inhalte der Brautbriefe
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Hegel war von November 1849 an über mehr als sechs Monate hinweg intensiv mit Wohnungssuche und Einrichtungsfragen beschäftigt. Daneben erläuterte er seiner Braut in derselben Zeit immer wieder ausführlich sein Verständnis von Politik und berichtete ihr von seinen politischen Aktivitäten, die sich zum einen auf die seit der Revolution des Jahres 1848 in Bewegung gekommene Verfassungsfrage im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin bezogen, zum anderen auf die Zukunft des Deutschen Bundes im Sinne einer gegen Österreich gerichteten kleindeutschen „Union“ unter Führung des Königreichs Preußen. Erst kurz vor seiner Hochzeit beendete er sein Engagement als Politiker, nachdem das Erfurter Unionsparlament am 29. April 1850 letztlich ergebnislos auseinandergegangen war. 141 Im Abstand eines halben Jahrhunderts blickte er in seinen Teil-Memoiren „Leben und Erinnerungen“ nur „mit schmerzlichem Bedauern auf meine verlorene Zeit und Arbeit zurück“, wenngleich er einräumen mußte, daß er „dabei reiche Erfahrungen eingesammelt hatte, die mich belehrten, wie es in der politischen Welt zuzugehen p egt.“ 142 Doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts sah er sein Engagement noch anders, wenn er unter dem Datum des 5. März 1850 an Susette schrieb – offenbar auf einen „wahrhaft väterlich gemeinten Rath“ ihres Vaters eingehend, politisch nicht zu sehr aktiv zu sein 143 –, daß er sich „am wenigsten in einem unruhigen politischen Treiben gefalle“, aber sich „in dasselbe seit dem März [18]48 bis zum September vorigen Jahres nur gezwungen durch den Notstand unseres Landes u. den Ruf unserer Regierung begeben habe.“ Daß er „dem bedrängten Lande, welches meine zweite Heimat geworden ist, alle meine Kräfte eine Zeit lang gewidmet habe“ und er „allein es wagte, dem übermächtigen u. überwältigenden Sturm der Zeit mit dem Muthe der Wahrheit Trotz zu bieten“, erachtete Hegel damals als „meine geringen Verdienste“, die es – wie es offenbar einige Zeitgenossen taten – nicht rechtfertigten, in ihm den „Retter des Landes“ zu sehen. 144 Doch auch noch während seiner Verlobungszeit hat Hegel – wie zahlreiche Professoren in seinem Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis und überhaupt viele politisierende Professoren in der Mitte des 19. Jahrhunderts – „viel in Politik gemacht“, hat
141 Brautbrief Nr. 24. 142 Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 161; vgl. insgesamt Neuhaus, Zeitzeuge des 19. Jahrhunderts, hier insbes. S. 61–66. 143 Hegels zukünftiger Schwiegervater Sigmund Karl von Tucher war selber politisch tätig ab 31. Juli 1843 als Mitglied der Kammer der Abgeordneten für den Stimmkreis Mittelfranken /Klasse I im Bayerischen Landtag der 5. Wahlperiode 1839–1845 und als Magistratsrat in Nürnberg von 1845 bis 1851 (http://www.hdbg.de/parlament/content/persDetail.php? id=2343, letzter Zugriff: 23.09.2017). 144 Brautbrief Nr. 17.
Karl Hegels politisches Wirken 1849/50
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es ihn immer wieder redend, debattierend und schreibend umgetrieben 145, weil ihm der Kampf um „das Rechte“ und eine politische Inaktivität „bei Tag und Nacht sonst keine Ruhe“ gelassen hätten. 146 Seiner Braut schrieb er erstmals unter dem Datum des 8. Novembers 1849, daß er in Rostock „schon wieder in den Wegen unserer Politik [streite], da ich mich unserem einheimischen Verfassungsstreit nicht entziehen kann, weil ich einmal eine öffentliche Person geworden bin, auf die das ganze Land hinsieht, ob sie schweigt oder redet.“ 147 In diese Position war er in den Jahren 1848/49 durch seine fast einjährige Schweriner Tätigkeit als leitender Redakteur der „Mecklenburgischen Zeitung“ hineingewachsen, sah sich aber sofort auch veranlaßt, Susette seine Haltung als ebenso angegriffener wie angesehener Politiker 148 zu erläutern: „Meinerseits bin ich [...] bemüht, in dem Gegner immer noch den Menschen anzuerkennen, so lange ich ihn achten kann: ist mir auch der verächtlich, so thue ich ihm nicht die Ehre an, ihn als meinen Gegner zu behandeln oder überhaupt nur zu beachten.“ Und keine drei Wochen später bestätigte er ihr – offenbar auf eine Bemerkung ihrerseits in ihrem letzten Brief antwortend –, daß er von der „Politik“ nicht loskommen könne, „weil sie schon einen Theil meines Lebenselementes ausmacht“, sah sich gar als ihr Gefangener, „da mich einmal die öffentliche Meinung hier zu Lande auf einen ein ußreichen politischen Posten gestellt hat und Viele mich auf diesem für nothwendig halten, so kann ich ihn nicht, wenn ich auch weniger Lust hätte, ihn zu behaupten, mit Ehren verlassen, weil es sonst schiene, als ob ich die von mir bisher vertheidigte Sache verlassen wollte.“ 149 Er fühlte sich – überzeugt „von der Gerechtigkeit meiner Sache“ – so sehr in die P icht genommen, daß, „wollte ich davon zurückstehen, meiner persönlichen Wünsche u. Angelegenheiten wegen, [...] noch manche Andere den Muth verlieren oder gleichfalls ihrer Bequemlichkeit folgen [würden]“, schrieb er unter dem Datum des 30. Januars 1850 an seine zukünftige Frau und war sich sicher, daß sie nicht wollte, daß er „dem öffentlichen Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird, nicht sollte mit Ehren entsprechen“. Sein P ichtbewußtsein formulierte er als allgemeine Maxime: „Das Gute und Rechte zu thun, wozu einem Gelegenheit und Aufforderung wird, soll man nicht versäumen und die nach eigener Willkür vorgesetzten Zwecke nicht höher achten als
145 So hat er im mecklenburger Verfassungskampf zwischen dem 19. November und 19. Dezember 1849 eine Artikelserie in der „Mecklenburgischen Zeitung“ veröffentlicht, als er schon längst aus deren Leitung ausgeschieden war. 146 Brautbrief Nr. 4. 147 Brautbrief Nr. 3. 148 Vgl. dazu Neuhaus, Gedenkbuch, S. 152–156, wo er u. a. berichtet, daß ihm „der Pöbel von Schwerin [...] abends vor meiner Wohnung eine Katzenmusik brachte und sogar in mein Haus eindrang“ (ebenda, S. 156); eine „Katzenmusik“ war eine Form des Protestes, bei dem es zu Lärmbelästigung und Sachbeschädigung durch politisch Andersdenkende kam. 149 Brautbrief Nr. 6.
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Die Inhalte der Brautbriefe
die notwendige Aufgabe, welche das Leben und die von uns unabhängigen Verhältnisse bieten.“ 150 Hegel war in den aktuellen politischen Angelegenheiten zu Beginn des Jahres 1850 überzeugt, sich nicht entziehen zu dürfen, „weil wir die Hände nicht in den Schoß legen dürfen, wenn die Widersacher, unserer Ansicht nach, zum allgemeinen Verderben unermüdlich arbeiten.“ Zugleich beklagte er, daß „auf unserer Seite [...] weniger [Männer] in der Lage [sind], wenn sie auch sonst die Fähigkeit u. den Willen hätten, sich den öffentlichen Angelegenheiten zu widmen, weil sie meist mit Berufsgeschäften überhäuft sind“. 151 Er persönlich aber blieb fest entschlossen, sich „nach der hiesigen Lage der Dinge“ aufgrund seiner „ganzen hiesigen Stellung und erlangten politischen Wirksamkeit“ einer Kandidatur „aus bloß persönlichen Rücksichten und Wünschen durchaus nicht [zu] entziehen“, auch wenn er Susette gegenüber bekannte, „daß ich am liebsten von diesen politischen Händeln ganz fern bliebe, die mich nicht zur Ruhe und stillen Befriedigung weder des häusliche Glücks, noch meines wissenschaftlichen Studiums kommen lassen wollen.“ 152 Im mecklenburgischen Verfassungsstreit sah sich Karl Hegel nach der Verkündung des ersten „Staatsgrundgesetzes“ für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vom 10. Oktober 1849 „in der Mitte zwischen zwei mächtigen Parteien, von welcher die eine“ – so erläuterte er seiner Braut unter dem Datum des 26. Novembers – „unser neues Staatsgrundgesetz im demokratischen Sinne umbilden und ausbeuten möchte, die andere aber es ganz umstürzen will, um ihre alten Privilegien zu behaupten.“ 153 Selber nicht – wie seine Kollegen Karl Türk 154, Julius Wiggers 155 und Christian Wilbrandt 156 – Mitglied der am 31. Oktober 1848 konstituierten Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung, die dieses „Staatsgrundgesetz“ für beide mecklenburgische Großherzogführer erarbeitet hatte, stand er als Anhänger einer konstitutionellen 150 151 152 153 154
Brautbrief Nr. 13. Brautbrief Nr. 13. Brautbrief Nr. 7. Brautbrief Nr. 6. Zu ihm be ndet sich in der UB Rostock: MK – 14967, ein maschinenschriftliches Manuskript „Erinnerungen an den Professor Dr. Carl Türk 1800 bis 1887. Versuch eines Lebensbildes. Für seinen Urenkel, meinen Sohn, Dr. Max Dugge-Wildeshausen, zusammengestellt von Dr. Carl Dugge-Rostock [1935]“; siehe ferner: ADB 54 (1908), S. 720–722; Bei der Wieden, Türk. 155 Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches of cielles Wochenblatt, Nr. 48, 14. Oktober 1848, S. 327–329; siehe auch Wiggers, Die Mecklenburgische constituirende Versammlung, S. 55–59; ebenda, S. 24f., 34ff., 54 und 75 auch zu Karl Hegels Position und Rolle. 156 Wie sich die Zeiten geändert hatten, zeigt eine Erinnerung Beselers aus seinen Rostocker Jahren nach 1837, als er „unter den jüngeren Professoren“ auf einen „Kreis befreundeter Männer“ an der Universität stieß, dem Wilbrandt und Türk wie auch Röper oder Stannius angehörten und „zu dem später [auch] Karl Hegel trat“; vgl. Beseler, Erlebtes und Erstrebtes, S. 37.
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Monarchie in Mecklenburg 157 – wie schon während seiner Tätigkeit für die „Mecklenburgische Zeitung“ – fest an der Seite des zeitlebens von ihm verehrten Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin 158 zwischen „Demokraten“ und dem alteingesessenen Adel, der am Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich vom 18. April 1755 festhielt, den vor fast einem Jahrhundert neben den Herzögen und sechs städtischen Vertretern circa 200 Angehörige der Ritterschaft unterzeichnet hatten. 159 Daß dieser sich am Ende durchsetzen würde, befürchtete Hegel seit Januar /Februar 1850 immer mehr, wenn er Susette unter dem Datum des 30. Januars von der „von so vielen Seiten gefährdeten Verfassung“ schrieb. 160 In die Vorgänge in Mecklenburg war er allerdings nicht mehr persönlich involviert, sondern beobachtete und kommentierte sie von Erfurt aus als Mitglied des dorthin einberufenen Unionsparlaments, wenn er in seinem Brief vom 6. April 1850 den Rücktritt der von Ludwig von Lützow, einem Anhänger der konstitutionellen Monarchie, geführten Schweriner Regierung als Ergebnis eines „nichtswürdige[n] Intriguensystem[s]“ charakterisierte, in dem „unser trefflicher Großherzog das Opfer davon geworden ist“. 161 Eine Woche später kritisierte er die „elende Cabinetspolitik des Königs von Preußen“, Friedrich Wilhelms IV., der die Partei des Großherzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz als entschiedenem Gegner der Revolution von 1848 und der gesamt-mecklenburgischen Verfassungsbewegung ergriffen hatte. 162 Fern seiner „zweiten Heimat“ schwankte Hegel zwischen Resignation – befürwortete gar eine Abdankung seines Schweriner Landesherrn – und Hoffnung, daß es unter dem der preußischen Ministerialbürokratie entstammenden Hans Graf von Bülow an der Spitze des neuen Ministeriums in Mecklenburg-Schwerin schon nicht so schlimm kommen werde 163, wohl wissend, daß Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz das Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 für sein kleineres Land abgelehnt hatte. In zwei Artikeln für die in Berlin erscheinende „Constitutio157 Zur politischen Haltung und Betätigung Hegels 1848/49, vor allem dargelegt in seinen Beiträgen der „Rostocker Zeitung“ und der „Mecklenburgischen Zeitung“ aus dem Nachlaß Karl Hegels, siehe: Die jüngeren Handschriften der Erlanger Universitätsbibliothek, Nr. 2069, S. 112f., hier S. 113; vgl. ferner Stammer, Die Anfänge des mecklenburgischen Liberalismus, S. 62–66, 73f., 77f., 87f., 90–92, 110f.; siehe auch Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 124–126. 158 Vgl. zu ihm schon Brautbrief Nr. 6: „Wir sind so glücklich an unserem jungen Großherzog Friedrich Franz einen Fürsten zu besitzen [...].“ Auf seiner Reise nach Erfurt besuchte Hegel während eines Aufenthaltes in Schwerin den Großherzog am 15. März 1850 (Brautbrief Nr. 19). 159 Vgl. dazu neuerdings: Verfassung und Lebenswirklichkeit; der Text des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs ebenda, S. 413–536. 160 Brautbrief Nr. 13. 161 Brautbrief Nr. 20. 162 Brautbrief Nr. 21. 163 Brautbrief Nr. 22.
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nelle Zeitung“ verurteilte er im September 1850 die Aufhebung der ersten Verfassung Mecklenburgs als rechtswidrig und politisch falsch 164, aber der Weg zum Freienwalder Schiedsspruch vom 11. September 1850 war vorgezeichnet, und die Rückkehr zur alten landständischen Verfassung von 1755 für ganz Mecklenburg war nicht mehr aufzuhalten. Anfang Januar 1850 war für Karl Hegel noch nicht entschieden, ob er sich im Rahmen der neu zu wählenden Abgeordnetenkammer weiter in der mecklenburgischen Politik engagieren oder als Abgeordneter des nach Erfurt einzuberufenen „Unionsparlaments“ mit der Zukunft des Deutschen Bundes als Bundesstaat beschäftigen sollte. 165 Dieses Parlament – ursprünglich als „Reichstag“ bezeichnet – sollte die für das am 26. Mai 1849 geschlossene Bündnis der Könige von Preußen, Sachsen und Hannover (Dreikönigsbündnis) 166 von Joseph von Radowitz erarbeitete „Reichsverfassung“ vom 28. Mai 1849 beraten und beschließen. 167 Unter dem Namen „Deutsches Reich“ sollten bis auf Österreich alle deutschen Staaten zusammengeschlossen werden. Erst als sich in den ersten Monaten des Jahres 1850 endgültig ergab, daß das nicht gelingen würde, trug man dem in einer „Additionalakte“ zur Erfurter Unionsverfassung vom 26. Februar 1850 168 begrifflich Rechnung und ersetzte die Wortverbindungen mit „Reich“ durch solche mit „Union“, also u. a. „Reich“ durch „Deutsche Union“, „Reichstag“ durch „Parlament der Deutschen Union“ etc. 169 Überzeugt von der Notwendigkeit einer deutschen Einheit im Sinne der Unionsverfassung vom 28. Mai 1849, entschloß sich Karl Hegel im Januar 1850, Abgeordnetenkandidat für das Erfurter Unionsparlament zu sein. In seinem letzten JanuarBrief berichtete er seiner Braut, daß er sich – auch aufgrund vielfacher Aufforderungen – entschieden habe, „für den Schweriner Wahlkreis zur Wahl nach Erfurt“ zu kandidieren, „da mir meine dortigen Freunde am meisten entgegenkommendes Vertrauen bewiesen.“ Hinsichtlich des Wahlausgangs zeigte er sich gegenüber Susette – was seinen persönlichen Erfolg anging – optimistisch, wonach sie ihn offenbar in ihrem letzten Brief gefragt hatte. 170 Im Wirken der zwischen Preußen und Österreich
164 Vgl. die Artikel „Die Politik Preußens in Mecklenburg“ und „Der Mecklenburgische Schiedsspruch und seine Folgen“ in der „Constitutionellen Zeitung“ vom 26. und 28. September 1850, Nr. 298 und Nr. 302. 165 Brautbriefe Nr. 10 und 11. 166 „Bündnisvertrag zwischen Preußen, Sachsen und Hannover“ vom 26. Mai 1849: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 203, S. 540–543. Vgl. insgesamt zur Entwicklung von Mai 1849 bis Mai 1850 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 885–898. 167 Der Text in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 209, S. 551–559. 168 Der Text in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 210, S. 559–561. 169 Siehe dazu auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 893. 170 Brautbrief Nr. 12.
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am 30. September 1849 vereinbarten interimistischen Bundeszentralkommission 171 sah er „unsere Verfassung und [den] gesammte[n] Rechtszustand [...] bedroht“ und konnte „ein[en] Schutz dagegen nur in dem zu Erfurt zu schaffenden Bundesstaat“ erkennen, an dessen Zustandekommen er mitwirken wollte. 172 Wenn Hegel Susette auf seiner Rückreise von seinen Nürnberger Weihnachts- und Neujahrsferien in einem Brief vom 5. Januar 1850 aus Berlin über die ihm von Leipziger Freunden vermittelten Eindrücke „über die Stimmung und Sachlage in Sachsen“ berichtete 173, dann sprach er damit die schwankende Haltung des Königreichs Sachsen zwischen einer kleindeutschen und einer großdeutschen Lösung an. 174 In einer Momentaufnahme des Jahresbeginns spiegelte sich die von Anfang an sehr komplizierte Situation des Dreikönigsbündnisses, von denen die beiden kleineren Monarchien das preußische Ziel der Schaffung eines deutschen Bundesstaates ohne Österreich in der Form einer „Union“ an die Bedingung knüpften, daß sich außer Österreich alle Staaten des Deutschen Bundes anschlössen. Nachdem dies nicht geschehen war, wandten sich Anfang 1850 Sachsen und Hannover von Preußen ab und schlossen sich mit den Königreichen Württemberg und Bayern am 27. Februar zu einem pro-österreichischen Vierkönigsbündnis zusammen, womit sie einer nationalstaatlichen Einigung Deutschlands im Sinne Preußens eine Absage erteilten. 175 Dessen ungeachtet hielt der König von Preußen an seinem Plan fest, in den verbliebenen 22 mittelgroßen und kleineren Mitgliedsstaaten und in den drei Hansestädten der „Union“ sowie in den Provinzen seines Königreichs aufgrund eines Wahlgesetzes des Verwaltungsrates der „Erfurter Union“ vom 17. November 1849 176 im Januar 1850 die Wahlen zum „Volkshaus“ des Erfurter Unionsparlaments nach dem DreiKlassen-Wahlrecht statt nden zu lassen, und zwar am 24. Januar die Wahl der Wahlmänner und am 31. Januar die Wahl der Abgeordneten durch die Wahlmänner 177. Hegel wurde am 31. Januar 1850 sowohl im Wahlbezirk Schwerin als auch in Wismar gewählt und versicherte den Schwerinern aus alter Anhänglichkeit sogleich, „ihre Wahl an[zu]nehmen“. 178 In seinem gedruckten „Offene[n] Sendschreiben an die 171 Vgl. die „Übereinkunft zwischen Österreich und Preußen über die Bildung der interimistischen Bundeszentralkommission“ vom 30. September 1849: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 207, S. 548–550. Siehe zum Zusammenhang Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 885–898. 172 Brautbrief Nr. 12. 173 Brautbrief Nr. 9. 174 Vgl. dazu Müller, Vom Dreikönigsbündnis zum Vierkönigsbündnis. 175 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 893. 176 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 892. 177 Siehe die Übersicht der Wahlbezirke (Wahlkreise) bei Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 358–365; in den nach den Unionsstaaten geordneten Listen sind die Königreiche Hannover und Sachsen noch genannt, obwohl sie aus dem Dreikönigsbündnis ausgeschieden waren. 178 Brautbrief Nr. 13; ebenda weitere Einzelheiten zu den Wahlen.
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Wahlmänner des III. Wahlkreises für die Abgeordnetenwahl zum Volkshause des Erfurter Parlaments“, das mit dem Datum „Rostock, den 3. Februar 1850“ als ganzseitige „Beilage“ in „seiner“ Zeitung, der Mecklenburgischen Zeitung, am 7. Februar 1850 in Schwerin erschien, bedankte er sich bei „Geehrte[n] Herren“, also seinen Wählern – Frauen waren nicht wahlberechtigt gewesen –, für seine einstimmige Wahl und legte seine politischen Vorstellungen für seine Tätigkeit in Erfurt dar, die das Ziel verfolgten, einen (klein-)deutschen Bundesstaat auf konstitutioneller Grundlage zu errichten. 179 Seine Braut informierte er über seinen Wahlerfolg unter dem Datum des 9. Februars 1850 und legte seinem Brief das „Sendschreiben“ bei, wo es sich aber nicht mehr erhalten hat. 180 Am Abend des 18. März 1850 traf Hegel in Erfurt ein. Er hat von dort zwischen dem 20. März und 1. Mai über sechs Wochen hinweg sechs Briefe 181 an seine Braut geschrieben. Schon wenige Tage nach der Parlamentseröffnung reiste er in den kurzen Osterferien ab 27. März nach Nürnberg und kehrte am 2. April, am Tag nach Ostermontag, nach Erfurt zurück, um zur Sitzung am 3. April pünktlich anwesend zu sein. Der Anblick der fast vollendeten Göltzschtalbrücke bei Reichenbach mit ihren „vier übereinander gestellten hohen Bogenpfeilern“ war für den eisenbahn- und überhaupt technikbegeisterten Hegel ein besonderes Erlebnis, und er stellte sich angesichts der Brückenhöhe vor, wie der „Dampfwagen durch die Wolken“ fahren würde. 182 Mit seinen Erfurter Briefen gab er Einblicke in die Organisation und Inhalte der Parlamentsarbeit sowie in das Leben am thüringischen Tagungsort, der seit 1815 zum Königreich Preußen gehörte. Wie genau er berichtete belegen die Protokolle der 21 Plenarsitzungen zwischen dem 20. März und 29. April 1850. 183 Zugleich äußerte er sich immer wieder zu Personen, denen er begegnete und mit denen er engere Beziehungen p egte. Hegel fuhr nach einem Besuch bei seiner kranken Mutter in Berlin zusammen mit seinem alten Heidelberger Freund Georg Beseler (1809–1888) und seinem Kieler Historikerkollegen Johann Gustav Droysen zunächst bis Halle und kam nach zehnstündiger Bahnfahrt am Abend in Erfurt an. 184 Während Droysen, selber nicht Mitglied eines der beiden „Häuser“ des Erfurter Parlaments, in anderen Geschäften unterwegs war, reiste der Greifswalder Jura-Professor Beseler als Abgeordneter des Wismarer
179 Privatnachlaß Karl Hegel: „Offenes Sendschschreiben“ vom 3. Februar 1850; ein Abdruck be ndet sich in: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 143. 180 Brautbrief Nr. 14. 181 Brautbriefe Nr. 19 bis 24. 182 Brautbrief Nr. 20. 183 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Deutschen Parlaments zu Erfurt, Bd. 1: Volkshaus, Bd. 2: Staatenhaus. – Zur Geschichte des Erfurter Unionsparlaments siehe Lengemann, Das Deutsche Parlament, sowie den von Gunther Mai herausgegebenen Sammelband „Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850“. 184 Brautbrief Nr. 19.
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Wahlbezirks 185, in dem Hegel auch als Kandidat aufgestellt gewesen und gewählt worden war, sich aber zur Annahme seiner Wahl im Wahlbezirk Schwerin entschlossen hatte. 186 Ab Halle gehörte auch der Schweriner Regierungsrat Dethlof Karsten zu Hegels Reisegruppe, der als Bevollmächtigter der beiden mecklenburgischen Großherzöge in der provisorischen Bundeszentralkommission in Frankfurt am Main saß und von der Schweriner großherzoglichen Regierung ins „Staatenhaus“ des Erfurter Unionsparlaments entsandt worden war. 187 Noch am selben Abend traf Hegel seinen Bonner Fachkollegen Friedrich Christoph Dahlmann, einen erfahrenen Parlamentarier, den die I. Kammer des Königreichs Preußen, deren Mitglied er war, ebenfalls fürs „Staatenhaus“ bestimmt hatte 188, sowie Johann Friedrich Martin Kierulff, seinen ehemaligen Kollegen aus der Rostocker Juristischen Fakultät, der für den Wahlbezirk der Universitätsstadt an der Ostsee, in dem Hegel „Wahlmann“ gewesen war 189, ins Erfurter „Volkshaus“ gewählt worden war. 190 Die feierliche Eröffnung des Unionsparlamentes erfolgte – nach katholischen und evangelischen Gottesdiensten in der Wigbertikirche 191 beziehungsweise in der Barfüßerkirche – im Festsaal des „Regierungsgebäudes“, dem zu einem Verwaltungsgebäude umgebauten Sitz des preußischen Regierungspräsidenten in Erfurt. Sie fand somit an einem historischen Ort in der ehemaligen Kurmainzischen Statthalterei statt 192, wo zuletzt im Jahre 1808 der französische Kaiser Napoleon I. Bonaparte den Erfurter Fürstenkongreß als politisches Großereignis veranstaltet hatte. Dort zogen vor den gemeinsam versammelten Abgeordneten des „Volkshauses“ und des „Staatenhauses“ die Mitglieder des Verwaltungsrates, also des Exekutivorgans des politisch nicht mehr bestehenden Dreikönigsbundes, „feierlichen Schrittes“ mit seinem ersten Kommissar und Vorsitzenden Joseph Maria von Radowitz an der Spitze ein, der mit einer „Botschaft“ das Unionsparlament „im Namen der verbündeten Regierungen“ eröffnete und den Auftrag für die Abgeordneten formulierte. 193 Hegel hatte schon vorher als Abgeordneter des Schweriner Wahlbezirks einen Antrittsbesuch bei Adolf Friedrich von Schack (1815–1894) gemacht, dem Bevollmächtigten des Großherzogs von Mecklen-
185 186 187 188 189 190 191
Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 77–79. Brautbrief Nr. 13. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 178. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 112f. Brautbrief Nr. 13. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 183f. Irrtümlicherweise nennt Hegel als Ort des katholischen Gottesdienstes die Augustinerkirche (Brautbrief Nr. 19), die aber als Tagungsort der beiden Häuser des Unionsparlamentes diente; vgl. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 15. 192 Vgl. Taf. 5. 193 Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 3f.
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burg-Schwerin im Verwaltungsrat der Erfurter Union 194, und dabei zwei weitere seiner Mitglieder kennengelernt. Die ersten Zusammenkünfte der beiden „Häuser“ fanden sofort anschließend in der umgebauten Augustinerkirche zeitgleich in zwei Sitzungssälen – „durch eine durchgehende Mauerwand vollständig von einander getrennt“ – statt, die Hegel wegen der „gothische[n] Bauart der Kirche“ und des „hohe[n] Chors mit prächtigen Glasmalereien“ als „ausnehmend schön“ empfand. 195 Hegel nahm als Abgeordneter des 223 Mitglieder umfassenden „Volkshauses“ an der Seite Kierulffs Platz 196, umgeben von seinem Freund Beseler 197 und weiteren gleichgesinnten Kollegen wie Georg Freiherr von Vincke, dem ältesten Sohn Ludwigs Freiherr von Vincke (1774–1844), des ersten Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen. Georg von Vincke zählte Hegel in einem späteren Brief zusammen mit Heinrich Freiherr von Gagern 198 und Camphausen 199 zu den „größten parlamentarischen Talenten Deutschlands“ 200, hob aber auch den Juden Gabriel Rießer 201 aus Hamburg und den vom Judentum zum Luthertum konvertierten Friedrich Julius Stahl 202 von der konservativen Fraktion „Schlehdorn“ als Redner hervor. Zu seiner unmittelbaren Umgebung im Sitzungssaal des „Volkshauses“ gehörten ferner der ebenfalls aus Westfalen stammende Friedrich Harkort 203, der in den Niederlanden gebürtige Rheinländer Dr. Carl Stedmann 204, die Rheinländer Hermann von Beckerath 205 und Gustav Mevissen 206 sowie der Nassauer Dr. August Hergenhahn. 207 Bis auf Hegel selbst und Harkort waren alle bereits Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 gewesen. 208 194 Schack, Ein halbes Jahrhundert, Bd. 1, S. 326f. 195 Brautbrief Nr. 19. 196 De jure hatte das „Volkshaus“ 261 Mitglieder, aber durch den Austritt der Königreiche Hannover und Sachsen aus dem Dreikönigsbund fehlten die ihnen zustehenden Abgeordneten in Erfurt: Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 41–54. Vgl. Taf. 6. 197 Nach seinen eigenen Worten war er an den Erfurter Beratungen „wenig betheiligt“: Beseler, Erlebtes und Erstrebtes, S. 101. 198 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 145–147. 199 Hegel läßt offen, welchen der Brüder Camphausen er meint; Ludolf war Mitglied des „Volkshauses“, Otto des „Staatenhauses“ des Erfurter Unionsparlaments: vgl. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 106f. und 107f. 200 Brautbrief Nr. 21; Herman von Petersdorff spricht später von „de[m] größte[n] preußische[n] Parlamentsredner“: ADB 39 (1895), S. 743–752, hier S. 743. 201 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 258f.; siehe auch Brautbrief Nr. 23. 202 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 299–301; siehe auch Brautbrief Nr. 22. 203 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 155f. 204 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 301. 205 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 72f. 206 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 219–221. 207 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 161f. 208 Vgl. dazu die Übersicht bei Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 354f., die allerdings nicht nach Zugehörigkeit zum „Volkshaus“ oder „Staatenhaus“ unterscheidet.
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Hatten sie in der Paulskirche verschiedenen Fraktionen angehört, so fanden sie sich in Erfurt in der 111 Abgeordnete liberaler Gesinnung umfassenden Fraktion „Bahnhofspartei“ zusammen, benannt nach dem im Jahre 1847 eröffneten Bahnhofsgebäude der Thüringischen Eisenbahn-Gesellschaft, in dem ihnen ein Saal für ihre Besprechungen zur Verfügung stand. Am Abend des 20. März 1850 fand dort „eine vorberathende Versammlung von etwa 200 Abgeordneten beider Häuser“ statt 209, berichtete Hegel als Teilnehmer, was aber nur bedeuten kann, daß auch etwa 50 fraktionsfremde Abgeordnete daran teilnahmen, denn aus dem „Staatenhaus“ bekannten sich lediglich 35 von 91 Mitgliedern zur „Bahnhofspartei“ mit ihrer kleindeutsch-liberalen Richtung 210, die im Kern von den sogenannten „Gothaern“ gebildet wurde. 211 Neben den sehr viel kleineren Fraktionen „Schlehdorn“ und „Klemme“ sowie einer römisch-katholischen Abgeordnetengruppe gab es auch zahlreiche ungebundene Mitglieder des Unionsparlaments. Zu den organisatorischen Fragen, die für die reibungslose Arbeit des Parlamentes zu klären waren, gehörten in beiden „Häusern“ die Wahlen von Präsidenten, Vizepräsidenten und Schriftführern sowie die Bildung von „Abtheilungen“ mit den Aufgaben der Wahlprüfungen und der Benennung von Ausschußmitgliedern. Alterspräsident des „Volkshauses“ war Leopold von Frankenberg und Ludwigsdorf 212, der sich Hegel am Rande der Beratungen als Freund der Familie Eduard Heinrichs von Flottwell zu erkennen gab, des Schwiegervaters Immanuel Hegels. 213 Angesichts der Tatsache, daß noch nicht alle Abgeordneten in Erfurt eingetroffen waren, wurde Frankenberg zum „provisorischen Präsidenten“ bis zur endgültigen Konstituierung des „Volkshauses“ am 25. März gewählt, bei der der erfahrene Parlamentarier Eduard Simson 214 dann das Amt des endgültigen Präsidenten antrat. 215 Karl Hegel, mit 37 Jahren nicht – wie Otto von Bismarck-Schönhausen 216 – zu den jüngsten Abgeordneten gehörend, wurde nicht einer der zunächst vier vorläu gen, dann acht endgültigen Schriftführer des 209 Brautbrief Nr. 19. 210 De jure hatte das „Staatenhaus“ 120 Mitglieder, aber außer den je zwölf Mitgliedern aus den Königreichen Hannover und Sachsen wurden weitere fünf, anderen Fürsten zustehende Sitze nicht besetzt: Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 31–36. 211 Brautbrief Nr. 21. – Zu den „Gothaern“ vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 889, sowie Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 206, S. 547f., zum Gothaer Programm der Liberalen vom 28. Juni 1849. 212 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 140f. 213 Brautbrief Nr. 19. 214 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 289f. 215 Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 5, 61. 216 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 81–83. Otto von Bismarck hat seiner Frau zwischen dem 9. und 27. April 1850 in sieben Briefen von seinem Erfurter Aufenthalt, seiner Tätigkeit im Unionsparlament und den politischen Auseinandersetzungen berichtet, zum Teil mit deutlichen Charakterisierungen einzelner Abgeordneter: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Nr. 93–99, S. 174–182.
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„Volkshauses“ 217, sondern – wie Bismarck – in die zunächst 22 Abgeordnete umfassende „4. Abtheilung“ „geloost“, zu deren Schriftführer er neben dem Vorsitzenden Maximilian Graf von Schwerin 218 am 21. März gewählt wurde. 219 Hegels Wahl ins „Volkshaus“ wurde nach Prüfung der „3. Abtheilung“ zwei Tage später in der vierten Plenarsitzung für gültig erklärt. 220 Im übrigen dokumentieren die „Volkshaus“-Protokolle keine weiteren parlamentarischen Aktivitäten Hegels, der jedoch seinen P ichten als Abgeordneter offenbar sehr gewissenhaft nachkam und bei keiner einzigen Plenarsitzung fehlte, weder entschuldigt noch unentschuldigt. Aber im Unterschied zu seinem Heidelberger HistorikerKollegen Ludwig Häusser 221, der in einer vielbeachteten und sehr lobend aufgenommenen Rede im Sinne der „Erfurter Union“ für die Errichtung eines neuen Bundesstaates anstelle des alten Staatenbundes plädierte 222, hat er nicht ein einziges Mal im Plenum das Wort ergriffen und einen Debattenbeitrag geleistet. Sein Name begegnet lediglich in den Listen der zahlreichen namentlichen Abstimmungen, stets zusammen mit seinen Fraktionskollegen der „Bahnhofspartei“. 223 Andere Historiker im Erfurter Unionsparlament wie der Marburger Heinrich von Sybel 224 traten als Mitglieder des „Staatenhauses“ immer wieder als Redner hervor, mal als Schriftführer, mal als Berichterstatter des Verfassungsausschusses des „Staatenhauses“, mal als Abgeordneter 225, während von Friedrich Christoph Dahlmann nur eine formale Wortmeldung protokolliert ist. 226 Es liegt in der Natur der Brautbriefe, daß Hegel nach Nürnberg weniger über die formale und inhaltliche Parlamentsarbeit als über das gesellschaftliche Leben in Erfurt berichtete, auch wenn es fast ausschließlich von Männern geprägt war. In Erwartung einer kurzen Parlamentsdauer hatten „nur wenige Abgeordnete [...] ihre Frauen bei sich“, schrieb er unter dem 21. April und brachte sein Mißfallen darüber zum Ausdruck, daß einige Kollegen ihre Ehefrauen zur Mittagstafel mitbrachten, denn er würde – besorgt wie er schon im Hinblick auf die Übersiedlung von Nürnberg nach Rostock war – Susette „nicht in eine so fremdartige Lebensatmosphäre versetzen mö-
217 218 219 220 221 222 223
Brautbrief Nr. 19; Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 5, 61. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 284–286. Brautbrief Nr. 19; Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 32, 47. Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 56. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 154f. Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 230–232. Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 140, 141, 142 (mehrfach), 173, 197, 203, 217, 236, 239, 268, 269, 294; siehe auch ebenda S. 79. 224 Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 307–309. 225 Vgl. Stenographischer Bericht, Bd. 2, zum Beispiel S. 51, 57, 70f., 73, 115, 120, 125, 160f., 172, 193, 196, 203, 213, 225. 226 Stenographischer Bericht, Bd. 2, S. 192.
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gen.“ 227 Neben intensiver Zeitungslektüre bevorzugte er außerhalb des Sitzungssaales, meist während der Mahlzeiten oder bei Spaziergängen auf und durch den „Steiger“, Gespräche mit Abgeordneten anderer deutscher Länder, „die alle die gleiche Überzeugung von der Nothwendigkeit unseres Bundesstaats theilten“ 228, und schätzte den Umgang mit „hier anwesenden interessanten Männern, was freilich das Beste u. lehrreichste von allen Geschäften ist.“ 229 Dazu gehörten auch der schon erwähnte Gabriel Rießer und der aus Bremen stammende Arnold Duckwitz, Mitglied des „Staatenhauses“. 230 Ferner p egte er alte Bekanntschaften und Freundschaften mit AbgeordnetenKollegen und zum Tagungsort reisenden Freunden. Unter ihnen war sein ehemaliger Rostocker Kollege Agathon Wunderlich, der – im Wechsel von seinem juristischen Lehrstuhl an der Universität Halle auf einen Richterstuhl am Oberappellationsgericht der vier Freien Städte des Deutschen Bundes in Lübeck begriffen – ihn gleich dreimal im April besuchte. Bei seinem zweiten Besuch überredete er Hegel am 19. April zu einer Eisenbahnfahrt durchs Saaletal nach Kösen, weiter nach dem berühmten Schulpforte, wo Wunderlich Schüler gewesen war, und schließlich bis Naumburg. 231 Einen Tag später fand ein Parlamentsaus ug nach Weimar und Kösen statt, an dem sich Hegel aber nicht beteiligen konnte, da überraschend sein ihm seit gemeinsamen Heidelberger Zeiten (1834–1836) und seit seiner Italien-Reise (1838/39) verbundener Freund Georg Gottfried Gervinus für etwa eine Woche nach Erfurt gekommen war. 232 Während seines Aufenthaltes war der als einer der „Göttinger Sieben“ des Jahres 1837, als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848, als Literaturhistoriker und Schriftsteller berühmt gewordene Gervinus ein vielgesuchter Gesprächspartner, und es kam auch zu einem Wiedersehen mit Georg Beseler, dem weiteren Freund aus den eineinhalb Jahrzehnte zurückliegenden Semestern an der Heidelberger Universität, sowie mit Friedrich Christoph Dahlmann, dem Göttinger Mitstreiter von 1837, der zusammen mit seiner Frau in Erfurt ein gastfreundliches Haus führte. 233 Von weiteren Geselligkeiten erwähnt Hegel vor allem ein großes Mittagessen im Erfurter Schützenhaus am Rande des „Steigers“ mit wohl über 200 politischen Freunden, „viele[n] große[n] und gefeierte[n) Namen von Deutschland“, wie er an Susette schrieb, dabei eine Rede Heinrich von Gagerns hervorhebend, des Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung im Jahre 1848 und Reichsministerpräsidenten der Provisorischen Zentralgewalt 1848/49, die ihn begreifen ließ, „warum unsere Nation 227 228 229 230 231 232
Brautbrief Nr. 19. Brautbrief Nr. 19; siehe auch Nr. 22, 23. Brautbrief Nr. 20. Lengemann, Das Deutsche Parlament, S. 119f.; Brautbrief Nr. 23. Brautbriefe Nr. 20, 22 und 23. Brautbrief Nr. 22; siehe auch Brautbrief Nr. 3 und Neuhaus, Gedenkbuch, S. 132f., 136– 139. 233 Brautbrief Nr. 23.
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ihn eine Zeit lang auf die Spitze ihrer Hoffnungen stellte.“ 234 Am 28. April, einem Sonntag, nahm Hegel an einem gemeinsamen Aus ug seiner Fraktion nach Eisenach teil, der auch auf die Wartburg, nach Reinhardsbrunn und nach Gotha führte, dem Ort, dem sich die „Bahnhofspartei“ mit den „Gothaern“ als ihrem Kern besonders zugetan wußte. 235 Und einen Tag später gab es noch ein „Abschiedsmahl in einem hiesigen Garten, wo Häusser aus Heidelberg ein Faß Wein zum Besten gab.“ 236 Das alles waren Abschiedsveranstaltungen, denn die Parlamentssitzungen endeten am 29. April 1850 mit der Verabschiedung der „Revisionsvorschläge zur Unionsverfassung“, die allerdings erst nach der Zustimmung der Regierungen aller Unionsmitglieder hätte in Geltung treten können. 237 Seit der preußische König Friedrich Wilhelm IV. – den auf Zeit spielenden ultrakonservativen Kräften in Preußen nachgebend – von dem ursprünglichen Vorhaben abrückte, in Erfurt die Unionsverfassung unverändert beschließen zu lassen und die Union als Bundesstaat zu konstituieren, also „Nägel mit Köpfen“ zu machen, fehlte von Radowitz als Präsident des Erfurter Verwaltungsrates, was einer Stellung als provisorischer Regierungschef gleichkam, der entscheidende Rückhalt für die Umsetzung seines Planes, und er ließ an diesem Tag im „Volkshaus“ wie im „Staatenhaus“ die „Sitzung des Parlaments für geschlossen“ erklären. Formal mußte das nicht das Ende des Erfurter Unionsparlament bedeuten, zumal seine „Thätigkeit“ noch „als zur Zeit beendigt“ erachtet, seine „Wiedereinberufung“ als möglich bezeichnet und die Protokollgenehmigung „dem wieder zusammentretenden Volkshause vorbehalten“ wurde 238, als ob es auf unbestimmte Zeit vertagt worden wäre. Aber zu einer Fortsetzung der Beratungen kam es ebensowenig wie zur Umsetzung der zwischen den Fraktionen politisch umstritten gebliebenen Unionsverfassung in einem bundesstaatlichen „Deutschen Reich“ durch die Regierungen der Unionsstaaten: nicht zur „Einsetzung der Bundesregierung“, nicht zur „Vereidigung des Bundesvorstands, d. i. des Königs von Preußen, auf die Verfassung“, nicht zur Überführung des Parlaments in einen „ordentlichen Reichstag“ mit der Konsequenz, daß der Erfurter „Reichstag“ nicht nur zur Verfassungsberatung gewählt worden wäre, sondern „auf vier Jahre“, wie Hegel am 27. April offenbar am Tagungsort umlaufende Spekulationen wiedergab. 239 Andererseits hatte er schon am 6. April, auch aus persönlicher Verärgerung heraus, vom „Schiffbruch dieses Parlaments“ gesprochen, das „nichts weiter thun 234 235 236 237
Brautbrief Nr. 23. Brautbriefe Nr. 23 und 24. Brautbrief Nr. 24. Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 315–323; siehe auch Stenographischer Bericht, Bd. 2, S. 221–225. 238 Stenographischer Bericht, Bd. 1, S. 323; siehe auch Stenographischer Bericht, Bd. 2, S. 225. 239 Brautbrief Nr. 23. – Der „Nürnberger Correspondent“, Nr. 120, Abendausgabe vom 30. April 1850, S. 987, berichtete unter dem Datum des 28. April 1850 aus Erfurt – Hegels Braut durchaus beunruhigend –, daß „keineswegs das Mandat der Abgeordneten als hiermit
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könne, als seine Ehre, nicht die der Regierungen, zu retten“, weil ihm „die Sache selbst, zu der es berufen war“, „völlig verloren“ schien, „denn die deutschen Fürsten haben durch die Schreckenszeit von [18]48 nichts gelernt“. 240 Schließlich mußte Preußen – auch nach dem Scheitern eines von Radowitz veranlaßten Berliner Fürstenkongresses mit allen verbliebenen Mitgliedern der Erfurter Union Anfang Mai 1850 241 – mit der Olmützer Punktation vom 29. November 1850 sein kleindeutsch-bundesstaatliches Unionsprojekt aufgeben und – Österreich und den großdeutsch Gesonnenen nachgebend – einer Reform des Deutschen Bundes zustimmen.
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Infolge des Verlustes der nur aus Karl Hegels Angaben in seinen Brautbriefen zu ermittelnden 25 Schreiben Susanna Maria von Tuchers an ihren Bräutigam sowie angesichts der Tatsache, daß sie ihr Tagebuch mit Beginn des Briefwechsels mit dem Rostocker Historiker beendet hat, wissen wir von ihr nur sehr wenig über ihr Leben in Nürnberg während der Verlobungszeit. Lediglich die Passagen in Karl Hegels Briefen, in denen er auf wenige ihrer Erwähnungen Bezug nimmt, erlauben einen kleinen Einblick in ihre Lebensumstände und gewähren einen unvollkommenen Blick auf ihre Persönlichkeit. Susette, wie Hegel sein Braut stets nannte, „Fräulein Susette von Tucher“, wie er in fast allen Anschriften seiner nach Nürnberg abgesandten Briefe schrieb, lebte als älteste, am 16. März 1826 geborene Tochter in der fürsorglichen Obhut des elterlichen Haushaltes, wohl überwiegend im Tucherhaus, in einem Garten gelegen: „Vor dem Wöhrder Thore“ – wie Hegel die Adresse genauer formulierte. Dort war sie ganz selbstverständlich in die alltäglichen häuslichen Arbeiten eingebunden und mit der Betreuung ihrer jüngeren Geschwister sowie der P ege kranker Familienmitglieder befaßt. 242 Zur Familie Sigmund und Maria Magdalena von Tuchers gehörten insgesamt neun Kinder, also acht Geschwister Susettes, an die Hegel wie an ihre Eltern von seinem ersten Brautbrief an immer wieder Grüße bestellte. Nach dem Tod ihres jüngeren Bruders Christoph Friedrich (1827–1842) und des älteren Georg (1824–1846), des Erstgeborenen, waren es noch zwei Brüder, der neunzehnjährige Gottlieb (1830–1850) und der erst dreijährige Friedrich (1846–1924), ältester noch lebender Sohn der eine, erloschen angesehen, vielmehr das Parlament auf 's Neue einberufen werde, sobald die Verhandlungen der verbündeten Regierungen zum Abschlusse gediehen sind.“ 240 Brautbrief Nr. 20. 241 Vgl. dazu insgesamt Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 899–903. 242 Brautbriefe Nr. 19, 21, 25 und 26.
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Die Inhalte der Brautbriefe
jüngster der andere 243, sowie vier Schwestern im Alter von fünf bis 15 Jahren: Marie Therese (1834–1905), Luise Caroline (1836–1901), Sophie Marie (1839–1871) und Caroline Maria (1844–1913). Bis auf Gottlieb, der vom Wintersemester 1849/50 an Rechtswissenschaften in Erlangen studierte und Mitglied der Burschenschaft der Bubenreuther geworden war, lebten alle Kinder im Elternhaus. 244 Hegel erkundigte sich zu Beginn seines Studiums nach seinem Be nden auf der Universität 245, mußte dann aber im Mai 1850 von seiner schweren Erkrankung lesen, die Susette, ihre Eltern und die ganze Familie so sehr belastete, daß der ins Auge gefaßte Hochzeitstermin in Frage gestellt war. 246 Eine Woche nach der Eheschließung verstarb er, wie Hegel in seinem Gedenkbuch notierte. 247 Regen Anteil an Nürnberger Ereignissen nehmend, bedachte Hegel ebenfalls immer wieder einmal die übrigen Tucherschen und – über seine Mutter – auch Hegelschen Verwandten mit Grüßen, womit Susettes familiärer Umkreis weitere Konturen annahm. Dazu gehörten „die ehrwürdigen Großeltern“ 248, Georg Christoph Karl von Grundherr (1777–1867) und seine Frau Anna (1774–1857), dann „Tante Fritz“ 249, wie die Schwester von Hegels Mutter und Susettes Vater, Sophia Maria Friederike von Meyer (1800–1863) 250, in der Familie genannt wurde, sowie „Tante Beyerlein“ 251 – Maria Karolina Sophia Wilhelmina Bayerlein, geb. von Furtenbach (1800–1878) –, eine Cousine und Jugendfreundin von Susettes Mutter, auch „Majorin“ genannt, weil sie mit Wilhelm Georg Bayerlein (Beyerlein) (1784–1839), einem Major der königlich bayerischen Cavallerie, bis zu ihrer Scheidung 1838 verheiratet gewesen war. 252 Besonders häu g gedachte er seiner Cousine Lina (Carolina) von Schwarz, der er als bester Freundin seiner Braut im Oktober 1849 zuallererst seine Liebe zu Susette offenbart hatte, und ihres Mannes Friedrich von Grundherr, den sie 1847 geheiratet hatte 253 und von dem sie im Januar 1850 nach einem Sohn als zweites Kind eine Tochter be-
243 Vgl. „Lebensnachrichten von Susette (Susanna)“, in: Neuhaus, Gedenkbuch, S. 161. 244 Vgl. Register zur Matrikel der Universität Erlangen 1843–1893, S. 830, Nr. 13136; immatrikuliert am 7. November 1849. 245 Brautbrief Nr. 5. 246 Brautbriefe Nr. 26 und 27. 247 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 166. 248 Vgl. z. B. Brautbriefe Nr. 5, 17 und 25. 249 Brautbriefe Nr. 15 und 21. 250 Sie war mit dem Diplomaten Schriftsteller und Bevollmächtigten Mecklenburgs beim Bundestag des Deutschen Bundes in Frankfurt am Main, Guido von Meyer (1798–1869), dem Sohn des sog. „Bibel-Meyer“ Johann Friedrich von Meyer (1772–1849) verheiratet. 251 Brautbriefe Nr. 15, 17 und 21. 252 Zu Major Bayerlein (Beyerlein): BayHStA – KA: OP 76058: Mannsgrundliste und „Erkenntniß“ des königlichen Appellationsgerichts für Mittelfranken in Ansbach zur einvernehmlichen Scheidung vom 26. Januar 1838. 253 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 161; vgl. z. B. Brautbrief Nr. 4.
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kam. 254 Deren Taufe war im Februar 1850 eine der Familienfeiern, an denen Susette teilnahm. 255 Es folgte die Hochzeit der Tochter von „Tante Fritz“, Auguste von Meyer (1830–1912), mit dem Bergmeister Heinrich Kieser (1813–1893), die in mehreren Briefen Gegenstand war und über die Susette ihrem Bräutigam im Hinblick auf die bevorstehende eigene Hochzeit gar nicht ausführlich genug berichten konnte. 256 Von weiteren Erlebnissen Susettes wird eine Schlittenfahrt nach Erlangen im Dezember 1849 erwähnt, deren Ziel auch ein Besuch bei dem früheren Rostocker Theologie-Professor Johann Hofmann und seiner Frau Charlotte war, die Hegel darüber auch in einem Brief berichteten 257, ferner ein Mendelssohn Bartholdy-Konzert 258 und eine „Maskerade“ in der Faschingszeit 1850, bei der sich Susette „in der Gestalt eines alten Mütterchens“ am Tanz beteiligte. 259 Offenbar eine wiederholt statt ndende religiöse Veranstaltung in Nürnberg, vielleicht auch im Tucherschen Elternhaus, war ein „Kränzchen“ unter der Leitung des von der Erweckungsbewegung geprägten pietistischen Theologen Friedrich Bauer (1812–1874) 260, zu dessen Freundeskreis im Geiste des diakonischen Denkens und Wirkens Wilhelm Löhes (1808–1872) zahlreiche Mitglieder der Familie Tucher gehörten, darunter Gottlieb von Tucher (1798– 1877). 261 Seine jüngere Schwester Sophie Maria Luise von Tucher (1802–1857), die „die Liebenden zu verfolgen p egt“ 262, lebte in den Einrichtungen Löhes in Neuendettelsau, die älteste Schwester Maria Helena Susanne, Hegels Mutter, engagierte sich in gleichem Sinne in den Berliner Anstalten des Johannes Evangelista Goßner (1773– 1858) und des von ihm gegründeten evangelischen Elisabeth-Krankenhauses. 263 Susette, die auch in dem von ihrem Onkel geleiteten Gesangverein mitwirkte, blieb in ihrem festgegründeten Glauben und ihrem unerschütterlichen Gottvertrauen bis auf ihr Sterbebett geprägt. 264 Ihre Religiosität und tiefe Frömmigkeit gaben auch Hegel in seiner Sehnsucht nach Familie, Häuslichkeit und Geborgenheit Rückhalt und inneren Halt. Über Susettes Lektüre erfuhr Hegel offenbar kaum etwas, die er von Anfang an gerne als „gemeinschaftliche schöne Lectüre“ mit anschließendem „Gedankenaustausch“ gep egt sehen wollte, sofern „Dir Deine häuslichen Geschäfte auch hinlängliche Zeit
254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264
Brautbrief Nr. 11. Brautbriefe Nr. 13 und 15. Brautbriefe Nr. 6, 13, 14, 15, 17 und 18. Brautbriefe Nr. 7 und 8. Brautbrief Nr. 8; siehe auch Nr. 12. Brautbrief Nr. 15. Brautbrief Nr. 11. Vgl. dazu umfassend Stempel-de Fallois, Das diakonische Wirken Wilhelm Löhes. Vgl. Brautbrief Nr. 11. Vgl. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 133, 146f. Vgl. z. B. auch Neuhaus, Gedenkbuch, S. 226–230.
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Die Inhalte der Brautbriefe
dazu übrig lassen“. 265 Nur einmal kam er auf ein von ihr gelesenes Werk – „Göthe's Iphigenie“ – zu sprechen, das er in seinem bildungsbürgerlich geprägten Kanon der „schönsten Sachen unserer Dichter“ früh genannt hatte. 266 Er wollte die weite Entfernung zwischen den Brautleuten nicht nur formal über die von ihm angeregten tagebuchartigen Briefe überbrücken, sondern auch, daß sie sich mittels gegenseitiger Lektüre-Berichte näher kämen. Dabei zitierte er in Anspielung auf die von seiner Nürnberger Braut möglicherweise befürchtete Zukunft im fernen fremden Rostock aus Iphigenies Auftrittsmonolog in Johann Wolfgang von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ die Verse 15 und 16: „Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern /Ein einsam Leben führt! [...]“ 267, um sie des Gegenteils zu vergewissern. Erbetene Vorschläge zur gemeinschaftlichen Lektüre hat Susette – soweit erkennbar – nicht gemacht. Hegels politische Betätigungen sorgten im Nürnberger Haus „Vor dem Wöhrder Thore“ wohl immer wieder für Gesprächsstoff, wenn Hegel Susette zum Beispiel schon unter dem Datum des 26. Novembers 1849 bestätigte, sie habe Recht, daß ihn die Politik sehr in Anspruch nehme 268, oder wenn er drei Monate später auf einen Brief ihres Vaters Bezug nahm, in dem dieser „einen wahrhaft väterlich gemeinten Rath“ zu seinem politischen Engagement „angedeutet“ habe, und es mit dem „Notstand unseres Landes“ und seiner moralischen Inp ichtnahme verteidigte. 269 Seine Braut informierte sich über Politik anhand der im Haus gelesenen Tageszeitung „Der Korrespondent von und für Deutschland“. 270 Ihre aus dieser Lektüre gewonnenen Erkenntnisse kommentierte Hegel stets in Form kritischer Äußerungen über den „Nürnberger Correspondenten“, den er mal „erbärmlich“ fand und mal als antipreußisch charakterisierte, dem er in seiner Berichterstattung aber auch einmal zustimmte. 271 Nicht zuletzt prägten die Hochzeitsvorbereitungen Susettes Leben und wurden im April und Mai 1850 immer intensiver. Des Bräutigams vielfältige Aktivitäten zur Anmietung einer gemeinsamen Wohnung und zur Gründung eines eigenen Haushaltes in Rostock begleitete sie zustimmend 272, und sie war ihrerseits zusammen mit ihrer Mutter hauptsächlich mit der Herrichtung der Aussteuer und dann den Vorbereitungen des Hochzeitfestes beschäftigt. Bei den verschiedenen Näharbeiten für Gardinen und Bettzeug galt es, die unterschiedlichen Maßeinheiten in Bayern und Mecklenburg 265 266 267 268 269 270
Brautbrief Nr. 2. Brautbrief Nr. 3. Brautbrief Nr. 4. Brautbrief Nr. 6. Brautbrief Nr. 17. Von 1804 bis 1889 in Nürnberg erschienene Tageszeitung, die vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten des Adels, Beamtentums und Militärs gelesen wurde; vgl. Stöpel, Nürnbergs Presse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; [Gustav Röder], Nürnberger Zeitung (NZ), in: Stadtlexikon Nürnberg, S. 767. 271 Brautbriefe Nr. 16, 18 und 21. 272 Brautbrief Nr. 7.
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zu berücksichtigen. 273 Zusammen mit ihrem Vater war sie mit den komplizierten Formalitäten ihrer Eheschließung und ihrer anschließenden Übersiedlung nach Rostock befaßt 274, die ja ein Wechsel vom Königreich Bayern ins Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin werden würde, von einem Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes in einen anderen in einer Zeit, in der die Existenz des Deutschen Bundes nicht nur im Erfurter Unionsparlament in Frage gestellt war. Beiderseitige Unkenntnisse über die jeweiligen kirchen- und einwohnerrechtlichen Fragen waren in Amtsstuben Nürnbergs und Rostocks zu klären und warfen Jahrzehnte vor der Einführung der obligatorischen Zivilehe und einer einheitlichen deutschen Staatsbürgerschaft Fragen nach den jeweils erforderlichen Formularen und Bescheinigungen auf. 275
273 Brautbriefe Nr. 16 und 24. 274 Karl Hegel hatte deshalb am 17. Februar 1850 aus Rostock an seinen zukünftigen Schwiegervater Sigmund Karl von Tucher geschrieben (Privatnachlaß Karl Hegel: Briefe): „Lieber Vater! Bevor ich nach Erfurt gehe, also bis Mitte März, möchte ich hier in Rostock Alles so weit geordnet wissen, daß Susettchens Heimführung durch mich nichts mehr im Wege steht. Was nun die etwaiige Anforderung der bairischen Behörde in Beziehung auf unsere Verbindung betrifft, so nehme ich an, daß es derhalben genügen wird, wenn ich die Bescheinigung des Pastors meines hiesigen Kirchspiels über das erfolgte kirchliche Aufgebot mitbringe, da die Aufnahme meiner künftigen Frau in das hiesige Heimatsrecht sich daraus von selbst ergiebt. Das kirchliche Aufgebot muß hier jedenfalls statt nden, und habe ich ebenso auch für die anderwärts erfolgte Copulation hier die Gebühren zu entrichten. Zwar von dem Aufgebot lassen sich Standespersonen häu g durch die Regierung dispensiren; ich sehe aber keinen Grund dazu ein – denn die Gebühren werden doch auch nicht erspart – und ich bin kein Freund von dergleichen Executionen einer falschen Vornehmheit. Ich gedenke also mit Eurer elterlichen Genehmigung das Aufgebot hier schon in der nächsten Woche statt nden zu lassen, um die erwähnte Bescheinigung sogleich mitzunehmen. Außerdem bringe ich meinen Taufschein, Con rmationsschein und etwa auch meine Bestallung als Universitäts-Professor mit. Doch möchte ich von Dir die ausdrückliche Gewißheit haben, daß die dortigen Behörden, die bürgerliche oder die kirchliche, nichts mehr von mir verlangen, um später keinem weiteren Aufenthalt zu begegnen. Es wäre mir sonst jetzt noch ein Leichtes, alle möglichen Autorisationen herbeizuschaffen, wenn es deren bedürfte – und allerdings bin ich auch nicht ganz sicher, da man meinem lieben Susettchen in Nürnb[er]g sogar das Schulzeugniß nicht erläßt. Sei so gut, mir durch Susettchens nächsten Brief hierüber Deine Meinung zukommen zu lassen. In treuer Verehrung und Liebe Dein Karl. Rostock, 17. Febr. [18]50.“ – Zu Karl Hegels „Con rmationsschein“, Berlin, den 8. April 1829: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, Nr. II/4, S. 31f. 275 Vor allem Brautbrief Nr. 16.
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Die Inhalte der Brautbriefe
Eheschließung am 28. Mai 1850 in Nürnberg
Seit Beginn ihres Briefwechsels und erst recht mit der Wohnungssuche in Rostock stand für die Brautleute fest, daß sie die Ehe eingehen wollten, die Liebesehe eines Gelehrten und einer Adeligen und eine Verwandtenehe zwischen Vetter und Kusine, wie sie in der Tucher-Familie häu ger vorkam und im Großbürgertum des 19. Jahrhunderts durchaus üblich war. Karl Hegel, inzwischen 37 Jahre alt und in gesicherter beruflicher Stellung 276, strebte, wenn seine Braut zustimmte und ihre Eltern es gestatteten, schon am 8. November 1849 einen Hochzeitstermin „bald nach Ostern“ (31. März/1. April), also im April 1850 an. 277 Mit seiner Wahl ins „Volkshaus“ des Unionsparlaments geriet die Terminierung allerdings in die Abhängigkeit vom Fortgang und Abschluß der Erfurter Beratungen und ließen – wenn die Parlamentsdauer mit dem Ende des Interims am 30. April 1850 verbunden wäre und nicht mit dem Auslaufen des Dreikönigsbundes am 31. Mai 278 – einen Hochzeitstag im Mai immer wahrscheinlicher werden. Indem die Erfurter Versammlung am 29. April beendet wurde und P ngsten (19./20. Mai) als wiederholt erwogener Hochzeitstermin realistisch schien, mußte Hegel von seiner ursprünglichen Absicht, nicht noch einmal ohne Susette nach Rostock zurückzukehren 279, Abstand nehmen. Als ihn noch in Erfurt die Nachricht erreicht hatte, daß seine vierjährige Nichte Gustli, das älteste Kind seines Bruders Immanuel und seiner Schwägerin Friederike, am 27. April an Diphterie gestorben war 280, reiste er zunächst nach Berlin zu seiner trauernden Familie und danach weiter an die Ostsee. Während er sich in der ersten Maihälfte in Rostock um die endgültige Herrichtung der Wohnung kümmerte und letzte Vorbereitungen für den Einzug traf, verschlechterte sich der Gesundheitszustand seines zukünftigen Schwagers Gottlieb von Tucher so sehr, daß Hegels „dringende[r] Wunsch, daß wir den P ngstmontag, d[en] 20. Mai [als unsern Hochzeitstag] festhalten möchten“ 281, wegen des befürchteten Sterbefalls in Susettes engster Familie unerfüllbar zu werden drohte. 282 Auf der Fahrt von Rostock nach Nürnberg hielt er sich P ngsten noch bei seiner Mutter in Berlin auf und
276 Karl Hegels Vater war bereits 41 Jahre alt, als er die 21 Jahre jüngere Maria Helena Susanna Freiin von Tucher heiratete, die bei der Eheschließung 1811 erst 20 Jahre alt war. Sein Bruder Immanuel heiratete als preußischer Verwaltungsjurist mit 31 Jahren in erster Ehe die 23jährige Friederike Flottwell. 277 Brautbrief Nr. 3. 278 Brautbrief Nr. 13. 279 Brautbrief Nr. 23. 280 Brautbrief Nr. 24; Neuhaus, Gedenkbuch, S. 165. 281 Brautbrief Nr. 24. 282 Brautbrief Nr. 26.
Eheschließung am 28. Mai 1850 in Nürnberg
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schrieb von dort seinen letzten Brautbrief am 20. Mai 1850 283, Visitenkarten für „Susette Hegel geb. von Tucher“ im Gepäck. 284 Die kirchliche Trauung fand dann am 28. Mai 1850, einem Dienstag, in der Nürnberger evangelisch-lutherischen Heilig-Geist-Kirche (Spitalkirche) statt, vollzogen von Stadtpfarrer Johann Christian Michael Vorbrugg (1796–1866). 285 An der anschließenden Hochzeitsfeier, die unter dem Eindruck des immer schlechter werdenden Gesundheitszustandes des erst zwanzigjährigen Gottlieb von Tuchers stand, nahmen die zahlreichen Mitglieder der seit der Eheschließung des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit Maria Helena Susanna von Tucher im Jahre 1811 verwandten Familien Hegel und Tucher teil, auch Karl Hegels Bruder Immanuel mit seiner Frau Friederike 286, nicht aber seine Mutter, die krankheitsbedingt für Nürnberg nicht reisefähig war. 287
283 Brautbrief Nr. 27. 284 Brautbrief Nr. 25. 285 LkAN Nürnberg: Traubuch Heilig-Geist-Kirche Nürnberg, J 1850, pag. 178; Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik, Abt. II. Vgl. Taf. 7 und 8. 286 Clara Hegel, Das Flottwell'sche Elternhaus, S. 154. 287 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 166; Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 163; immer wieder hat Hegel in seinen Briefen über den schlechten Gesundheitszustand seiner Mutter und ihre Lebensumstände in Berlin berichtet.
Zusammenleben
Zwei Wochen nach ihrer Hochzeit verließ das Ehepaar Karl und Susanna Maria Hegel Nürnberg und fuhr zunächst über Dresden, wo sie die Gemäldegalerie besichtigten, nach Berlin zu Mutter und Schwiegermutter und dann weiter über Schwerin nach Rostock. In Dresden war Karl schon einmal im Herbst 1833 als zwanzigjähriger Student während einer Bildungsreise mit seinem Bruder gewesen 1, in Berlin galt es nicht nur die Mutter zu besuchen, sondern auch die lange geplanten Einkäufe für die gemeinsame Wohnung zu tätigen, und in Schwerin stellte Karl seine Frau der seit seiner Tätigkeit als Chefredakteur der „Mecklenburgischen Zeitung“ freundschaftlich verbundenen Familie Prosch vor. 2 Nach seiner Ankunft in Rostock kam das junge Ehepaar zunächst im Hause des juristischen Kollegen Burkhard Wilhelm Leist und dessen Ehefrau Julie Wilhelmine unter, die auch in der Schnickmannsstraße, Haus Nummer 1522 – später Haus-Nr. 25 3 –, wohnten 4, bevor Hegels – nachdem das Umzugsgut aus Nürnberg und Berlin eingetroffen war – in derselben Straße in ihre Wohnung an der Ecke Sperlingsnest in Haus Nummer 1515 – später Haus-Nr. 30 – einzogen. Hegel hatte nach seiner Berufung als außerordentlicher Professor der Geschichte an die Universität Rostock zunächst drei Zimmer in der Breiten Straße, Haus Nummer 486a 5 – später Haus-Nr. 18 –, bei der Witwe des Senators Ludwig Friedrich Dugge bewohnt 6 und war 1848 als „designirter ordentlicher Professor der Geschichte und Politik“ an den Burgwall, Haus Nummer 1355 – später Haus-Nr. 28 (Ecke Krönkenhagen) 7 –, umgezogen. 8 Die zu Beginn seiner Verlobungszeit gültige Adresse in der Schnickmannsstraße blieb bis März 1853 bestehen, bis zum Umzug in die stadtauswärts führende spätere Friedrich-Franz-Straße im Steintor-Viertel. Das Haus mit der Adresse „Vor dem Steinthor Haus Nr. 1904 [1904i]“ – Haus Nr. 56, nachdem die 1 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 128. 2 Vgl. dazu insgesamt Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 163f.; Neuhaus, Gedenkbuch, S. 166. 3 Vgl. Tiedemann, Plan von Rostock, 1860; hier wie zu den folgenden Rostocker Adressen Hegels vgl. Taf. 16. 4 Die Anschrift ndet sich u. a. in: UA Rostock: Verzeichniß der Behörden, Lehrer, Institute, Beamten und Studirenden, Sommersemester 1850, S. 3 und 5. 5 UA Rostock: Verzeichniß der Behörden, Lehrer, Institute, Beamten und Studirenden, Wintersemester 1841/42, S. 6; zur Breiten Straße siehe auch Münch/Muslow, Das alte Rostock, S. 108–111. 6 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 145. 7 Bei Tiedemann, Plan von Rostock, 1860, wird der Burgwall „Borgwall“ genannt. 8 UA Rostock: Verzeichniß der Behörden, Lehrer, Institute, Beamten und Studirenden, Wintersemester 1848/49, S. 6; zur Straße „Burgwall“ siehe auch Münch /Muslow, Das alte Rostock, S. 95–98.
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Zusammenleben
Friedrich-Franz-Straße ab 1856 fortlaufende Hausnummern erhielt 9 – wurde von dem Tischlermeister und späteren Kaufmann Christian Ludwig Weylandt 10 gemietet, der 1849 auf der Nordseite der Straße vier aufeinanderfolgende Grundstücke erworben hatte und ab 1850 bebauen ließ, „wo wir“ – hielt Karl Hegel in seinem Gedenkbuch fest – „Haus und Garten für uns allein besaßen und nach beiden Seiten ins Freie und Grüne hinausblickten.“ 11 In der bisherigen Wohnung war es enger geworden, nachdem dort am 24. Mai 1851 mit Anna das erste Kind Susanna Maria und Karl Hegels geboren worden war, dem mit Luise am 3. April 1853, einen Monat nach dem Umzug, eine zweite Tochter folgte. 12 Die Familie vergrößerte sich in Rostock noch um zwei weitere Kinder – am 10. Februar 1855 wurde Marie im Weilandschen Haus geboren, am 7. Juli 1856 Georg, der erste Sohn 13 – bis Hegel zum Wintersemester 1856/57 den Ruf auf einen neu geschaffenen Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Erlangen annahm. 14 Im fränkischen Erlangen kamen mit Sophie (1861), Sigmund (1863), August (1864) und Gottlieb (1867) weitere vier Kinder hinzu, von denen die beiden jüngsten Söhne bereits 1865 beziehungsweise 1874 starben. 15 Die Zeiten seiner journalistischen und politischen Tätigkeiten waren für Karl Hegel nach seiner Heirat endgültig vorbei. Schon unter dem Datum des 5. März 1850 hatte er Susette in zutreffender Selbsteinschätzung erklärt, daß „meine Neigung, wie mein Talent, [...] meinem wissenschaftlichen Beruf an[gehört]“ 16. Auffälligerweise war in seinen Brautbriefen von seinem Wirken als Lehrstuhlhaber ebensowenig die Rede wie von dem seiner oft erwähnten, ihm freundschaftlich verbundenen Kollegen aus allen Wissenschaftsbereichen. Wie viele Professoren seiner Zeit konnte auch He9 Vgl. Tiedemann, Plan von Rostock, 1860: Taf. 16; freundliche briefliche Auskunft von Frau Gisa Franke, Archiv der Hansestadt Rostock, hierzu unter Rückgriff auf die Grundregister und die erhaltenen Steuerregister für die Jahre 1850, 1852, 1855 und 1856 sowie zum Folgenden. 10 Der Name des Vermieters ist als „Weiland“ auch Hegels Eintragungen in seiner Familienchronik zu den Geburten seiner Kinder Luise, Marie und Georg zu entnehmen, die im Weilandschen Haus in der Friedrich-Franz-Straße geboren wurden: Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik, Abt. IV. 11 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 170. Bevor die Straße 1854 nach dem regierenden Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin benannte wurde, hieß sie „Vor dem Steinthor“; vgl. zu Hegels Anschriften auch UA Rostock: Verzeichniß der Behörden, Lehrer, Institute, Beamten und Studirenden, Wintersemester 1853/54, S. 3 und 5; Wintersemester 1854/55, S. 2, 3 und 5. 12 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 169 und 171, wo Hegel entgegen der von ihm geführten Familienchronik den 6. April 1853 als Tag der Geburt Luises nennt; Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik, Abt. IV. 13 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 172 und 175; Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik, Abt. IV. 14 Vgl. Neuhaus, Karl Hegel und Erlangen. 15 Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik, Abt. IV. 16 Brautbrief Nr. 17.
Zusammenleben
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gel nicht „unpolitisch“ bleiben, nicht untätig abseits stehen, wurde aber auch nicht für längere Zeit zum Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Politik. Er fühlte sich – wie er seiner Braut schon unter dem Datum des 11. Dezembers 1849 schrieb – um den Preis der „Ruhe und stillen Befriedigung [...] häuslichen Glücks [und] wissenschaftlichen Studiums“ lediglich auf Zeit zur Teilnahme an der Politik verp ichtet. 17 Erst als sich der Hochzeitstermin weiter verzögerte und er sich zur unvorhergesehenen Rückkehr von Erfurt nach Rostock auch deshalb veranlaßt sah, „weil der Anfang der Vorlesungen da ist“ 18, trat sein eigentlicher Beruf wieder deutlicher hervor. Da Hegel ab September 1848 ein Jahr lang im großherzoglichen Auftrag für die „Mecklenburgische Zeitung“ in Schwerin tätig und dorthin übersiedelt war 19, hatte ihn die Universität an der Ostsee mehrere Semester entbehren müssen. Mit Beginn des gemeinsamen Lebens des Ehepaares Hegel in Rostock nahm der Historiker seine Lehrtätigkeit an der Universität wieder auf. Das Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1850 nannte: „D. Carolus Hegel, P. P. O., 1) publice de civitate historice disseret bis p. h.; privatim 2) historiam recentioris aevi inde ab initio saeculi XVIII tradet quater p. h.; 3) historiam medii aevi quaternis diebus enarrabit.“ 20 Neben dem von ihm politisch bekämpften Karl Türk, von 1836 bis 1852 Lehrstuhlinhaber für Geschichte, hatte Hegel sich in den 1840er Jahren zum ersten modernen Historiker an der Universität Rostock entwickelt und war als hochangesehener „Professor extraordinarii der Geschichte“ noch vor Beginn seiner Schweriner Redaktionstätigkeit am 8. September 1848 „zum ordentlichen Professor der Geschichte und Politik“ an der Universität Rostock berufen worden. 21 Wie damit eine Besoldungserhöhung verbunden gewesen war, so hatte er schon nach dem Erscheinen seines zweibändigen Werkes über „Die Geschichte der Städteverfassung von Italien“ im Jahre 1847 22, das sein wissenschaftliches Ansehen beförderte und seinen Ruhm als Stadthistoriker von europäischer Bedeutung begründete, eine Sondergrati kation erhalten und war in den Genuß einer Erhöhung seines Jahresgehaltes gekommen. 23 Sein beruflicher Aufstieg setzte sich nach 1850 weiter fort bis hin zur zweimaligen Wahl zum Rektor der Universität Rostock in den Jahren 1854 und 1855. Susanna Maria Hegel hat sich nach ihren eigenen Worten sehr schnell in Rostock „eingewöhnt“, wie sie im Juli 1850 an ihre Familie nach Nürnberg schrieb: „Mein tägliches Leben ist jetzt ein immerwährender Jubel, und ich dachte mir nie, daß ich fern von Euch, von der Heimat, so glücklich sein könnte. Alles, die Menschen, die äußere Umgebung, die Verhältnisse, alles erscheint mir lieb und angenehm in der Liebe für 17 18 19 20 21 22 23
Brautbrief Nr. 7. Brautbrief Nr. 23. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 154. UA Rostock: Index Lectionum in Academia Rostochiensi, Sommersemester 1850, S. 15. Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 116. Vgl. Kreis, Karl Hegel, S. 113–150. Neuhaus, Gedenkbuch, S. 52f.
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Zusammenleben
meinen Karl, die alles durchdringt und beseelt.“ 24 Und so konnte Karl Hegel – die Rostocker Zeit ihres und seines Lebens gleichsam abschließend – in seinem Gedenkbuch rückblickend festhalten, daß er und seine Frau darin übereinstimmten, „daß die 6 Jahre in Rostock unsere glücklichsten gewesen sind.“ 25
24 Zitiert nach Neuhaus, Gedenkbuch, S. 168; der Brief selbst ist nicht erhalten. 25 Neuhaus, Gedenkbuch, S. 175.
20.10.1849 Berlin
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
1
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Rostock
Rostock
Rostock
Poststempel Absendeort
16.–18.1.1850 Rostock
8.–11.1.1850 Rostock
5.1.1850 Berlin
13.–19.12.1849 Rostock
5.–11.12.1849 Rostock
Rostock
Rostock 11.1.1850
Berlin 6.1.1850
Rostock 19.12.1849
Rostock 11.12.1849
26.11.–3.12.1849 Rostock Rostock 3.12.1849
19.–25.11.1849 Rostock
11.–18.11.1849 Rostock
1.–9.11.1849 Rostock
30.10.1849 Rostock
Datum Ort
Nr. Absender
Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels
Hof 21.12.1849
Hof 5.12.1849
Hof 27.11.1849
Hof 20.11.1849
Hof
Weiterer Poststempel
Nürnberg 21.1.1850
Nürnberg
Nürnberg 7.1.1850
Nürnberg 22.12.1849
Nürnberg 14.12.1849
Nürnberg 6.12.1849
Nürnberg 28.11.1849
Nürnberg 21.11.1849
Nürnberg 3.11.1849
Poststempel Zielort
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
Empfänger
Rostock 18.1.1850
Rostock 11.1.1850
Rostock 19.12.1849
Rostock 10.12.1849
Rostock 2.12.1849
Rostock 25.11.1849
Rostock 16.11.1849
Rostock 9.11.1849
Rostock 28.10.1849
Eingang von Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
Nürnberg 8.1.1850
Nürnberg 25.10.1849
Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels
223
21.–26.1.1850 Rostock
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
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19
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21
22
23
26.–27.4.1850 Erfurt
20.–21.4.1850 Erfurt
14.4.1850 Erfurt
6.4.1850 Erfurt
20.–21.3.1850 Erfurt
7.–12.3.1850 Rostock
27.2.–5.3.1850 Rostock
20.–25.2.1850 Rostock
13.–17.2.1850 Rostock
9.–10.2.1850 Rostock
30.1.–3.2.1850 Rostock
Datum Ort
Nr. Absender
Erfurt 27.4.1850
Erfurt 21.4.1850
Erfurt 14.4.1850
Erfurt 7.4.1850
Erfurt 22.3.1850
Rostock
Rostock
Rostock 25.2.1850
Rostock 17.2.1850
Rostock 10.2.1850
Rostock 3.2.1850
Rostock 26.1.1850
Poststempel Absendeort
Hof 23.3.1850
Hof 14.3.1850
Hof
Hof 27.2.1850
Hof 19.2.1850
Hof 12.2.1850
Hof 5.2.1850
Hof 28.1.1850
Weiterer Poststempel
Nürnberg 29.4.1850
Nürnberg [23.]4.1850
Nürnberg 16.4.1850
Nürnberg 9.4.1850
Nürnberg 24.3.1850
Nürnberg 15.3.1850
Nürnberg
Nürnberg 28.2.1850
Nürnberg 20.2.1850
Nürnberg 13.2.1850
Nürnberg 6.2.1850
Nürnberg 29.1.1850
Poststempel Zielort
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
Empfänger
Erfurt 25.4.1850
Erfurt 14.4.1850
Erfurt 2.4.1850
Berlin 17.3.1850
Rostock 10.3.1850
Rostock 5.3.1850
Rostock 25.2.1850
Rostock 17.2.1850
Rostock 10.2.1850
Rostock 3.2.1850
Rostock 26.1.1850
Eingang von Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
Nürnberg 3.2.1850
Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
224 Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels
30.4.1850 Erfurt 2.–3.5.1850 Berlin
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
K. Hegel
24
25
26
27
20.5.1850 Berlin
14.5.1850 Rostock 16.5.1850 Berlin
9.5.1850 Rostock
Datum Ort
Nr. Absender
Berlin 16.5.1850
Rostock 9.5.1850
Berlin 3.5.1850
Poststempel Absendeort
Hof 17.5.1850
Hof
Weiterer Poststempel
Nürnberg 18.5.1850
Nürnberg 12.5.1850
Nürnberg 5.5.1850
Poststempel Zielort
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
S. v. Tucher
Empfänger
Berlin 20.5.1850
Rostock 14.5.1850 Berlin 16.5.1850
Rostock 9.5.1850
Berlin 2.5.1850
Eingang von Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
Nürnberg 10.5.1850
Schreiben S. v. Tuchers an K. Hegel
Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels
225
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung Abt. Abteilung ADB Allgemeine Deutsche Biographie AKG Archiv für Kulturgeschichte Anm. Anmerkung Bd. Band Bü Büschel bzw. beziehungsweise Dec. December /Dezember f./ff. folgende/fortfolgende Feb(r). Februar fol. Folio geb. geborene hrsg. herausgegeben HStA Hauptstaatsarchiv insbes. insbesondere Jan. Januar Jg. Jahrgang LkA Landeskirchliches Archiv NDB Neue Deutsche Biographie N. F. Neue Folge Nov. November Nr. Nummer Oct. October/Oktober o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort pag. Pagina r recto S. Seite Sp. Spalte StadtA Stadtarchiv UA Universitätsarchiv u. a. unter anderem UB Universitätsbibliothek v verso Vgl./vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel
Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Archivalische Quellen Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA), München: MA Ordensakten, Nr. 9306, Nr. 14951; MInn Nr. 43968. Bayerisches Hauptstaatsarchiv – Kriegsarchiv (BayHStA – KA), München: Personalakt OP 76.058, OP 83.269. Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg (LkAN): Heilig-Geist-Kirche Nürnberg, Traubuch J 1850; St. Egidien Nürnberg, J 1813. Privatnachlaß Karl Hegel:
1. Bilder 2. Briefe 3. Familienchronik [Familienbuch Karl Hegels] 4. Gedenkbuch 5. Katalog „Meine Bibliothek“ (braune Mappe mit Aufschrift von Karl Hegels Hand) 6. „Offenes Sendschreiben“ vom 3. Februar 1850 7. Reisepaß Karl Hegels von 1838 8. „Reisetagebuch Italien“ von Karl Hegel 9. „Rechnungsbuch“ (1. Juni bis 31. Dezember 1850) mit eingelegten Aufstellungen „Ausgaben für Susettchens [und] unsere gemeinsame häusliche Einrichtung“ sowie „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“ 10. Tagebuch Susanna Maria von Tuchers Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel: Nachlaß Friedrich Eggers, Cb 60.56:196. Staatsarchiv Nürnberg (StAN): Amtsgericht Nürnberg, Nachlaßakten, Nr. 461/1866/67; Regierung von Mittelfranken, Abg. 1932, Tit. IV Akte 366; Tit. IX Akte 417 II und III. Staatsbibliothek zu Berlin (StAB) – Preußischer Kulturbesitz, Kartenabteilung: Kart. X 33200 (Plan von Rostock, gezeichnet von Kammer Jngenieur H. Saniter durch F. Graff Jngenieur. Lithographie, Farbendruck und Verlag der Hof-Steindruckerei von J. G. Tiedemann zu Rostock, 1860). Stadtarchiv (StadtA) Erfurt: 7/241–5 (Plan von Erfurt und Umgegend, gezeichnet und in Stein gravirt von C. Birck, 1850). Stadtarchiv (StadtA) Nürnberg: A 4/III, Nr. 2753; A 4/VIII, Nr. 60; C 7/II – Niederlassungsakten, Nr. 4731; C 7/VIII – Kommunalregistratur, Nr. 8209; C 20/V, Nr. 2063; E 1/2074 – Familie Wiß, Nr. 1; E 8, Handelsvorstand Nr. 2958/14; E 8, Nr. 4672; E 13/III, B. 166.
228
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Brief- und E-Mail-Auskünfte folgender Archive Archiv der Hansestadt Rostock Hauptstaatsarchiv, Kriegsarchiv, München Hauptstaatsarchiv Stuttgart Landeshauptarchiv Schwerin Landeskirchenarchiv Eisenach Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Schwerin Staatsarchiv Ludwigsburg Stadtarchiv Erfurt Stadtarchiv Ludwigsburg Stadtarchiv Schwerin Stadtarchiv Stuttgart Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Thüringisches Staatsarchiv Gotha
Quellen
229
Publizierte Quellen Adolf und Anna Stoecker. Brautbriefe, hrsg. von Dietrich von Oertzen, 2. Auflage, Schwerin 1913. Album zur Erinnerung an die zweite Germanisten-Versammlung zu Lübeck [September 1847], Lübeck 1847 (http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/dod/A11634167_ 201226748.pdf). Baar, Regina: Flucht ins Land der Schönheit. Briefwechsel zwischen Georg Gottfried Gervinus und Karl Hegel auf ihrem Weg aus den politischen Kon ikten des deutschen Vormärz nach Italien – und zurück (1837–1839). Aus den Beständen der Universitätsbibliothek (= Archiv und Museum der Universität Heidelberg, Schriften, Bd. 14), Ubstadt-Weiher, Heidelberg, Basel 2008. Bäcker-Ranke, Gisbert: Kondolenzbriefe nach dem Tode Leopold von Rankes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 18 (1967), S. 33–40. Beseler, Georg: Erlebtes und Erstrebtes. 1809–1859. Mit Anlagen, Berlin 1884. Bismarck, Otto von: Die gesammelten Werke, Bd. 14: Briefe, Bd. 1: 1822–1861, hrsg. von Wolfgang Windelband und Werner Frauendienst, Berlin 1933. Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer – Maria von Wedemeyer 1943–1945, hrsg. von Ruth-Alice von Bismarck und Ulrich Kabitz, München 1992. Briefe aus der Brautzeit 1787–1791, hrsg. von Anna von Sydow (= Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 1), Berlin 1906, 6. Auflage Berlin 1910. Briefe von und an Hegel, Bd. 1: 1785–1812, hrsg. von Johannes Hoffmeister, 3. Auflage, Hamburg 1969. Briefe von und an Hegel, 2 Bde., hrsg. von Karl Hegel (= Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten, Bd. 19.1.2), Leipzig 1887. Der Korrespondent von und für Deutschland, Nürnberg 1849 und 1850. Deutsches Geschlechterbuch, Bd. 88, hrsg. von Bernhard Körner (= Mecklenburgisches Geschlechterbuch, Bd. 3), Görlitz 1935. Die Brautbriefe der Fürstin Johanna von Bismarck. Mit Briefen und Aufzeichnungen von und über den Altreichskanzler, hrsg. von Fürstin Herbert von Bismarck, Stuttgart 1931. Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, Bde. 4/1, 4/2: 30. März 1848 bis 27. Oktober 1858, bearb. von Bärbel Holtz (= Acta Borussica, Neue Folge, 1. Reihe), Hildesheim, Zürich, New York 2003. Döderlein, Julius: Unsere Väter. Kirchenrat Christof Döderlein, Oberconsistorialrat Immanuel von Niethammer und Hofrat Ludwig von Döderlein, Erlangen, Leipzig 1891. Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hrsg. von Ernst Rudolf Huber, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, dritte, neubearbeitete und vermehrte Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1978. Eines Dichters Liebe. Eduard Mörikes Brautbriefe, eingeleitet und hrsg. von Walther Eggert Windegg, München 1911.
230
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Quellen
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232
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Literatur Nachschlagewerke und elektronische Hilfsmittel Allgemeine Deutsche Biographie, 56 Bde., Berlin 1875–1912. Alphabetisch-chronologisches Verzeichniß der im Großherzogthum Mecklenburg=Schwerin während des Zeitraums von 1814 bis zu Ggenwart stattgefundenen Anstellungen,
Literatur
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Abbildungsnachweise
Abb. 1: Privatbesitz. Visitenkarte. Abb. 2: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel: Nachlaß Friedrich Eggers, Cb 60.56:196. Abb. 3: Privatnachlaß Karl Hegel: Briefe (Nr. 6). Abb. 4: Privatnachlaß Karl Hegel: Briefe (Nr. 1). Abb. 5: Privatnachlaß Karl Hegel: Tagebuch Susanna Maria von Tuchers. Abb. 6: Privatnachlaß Karl Hegel: „Rechnungsbuch“ (1. Juni bis 31. Dezember 1850) mit eingelegten Aufstellungen „Ausgaben für Susettchens [und] unsere gemeinsame häusliche Einrichtung“ sowie „Ausgaben für meine besondere häusliche Einrichtung“. Taf. 1: Privatnachlaß Karl Hegel: Briefe. Taf. 2: Privatbesitz. Daguerreotypie von Friedrich Hahn, Nürnberg, Dezember 1849; Aufschrift (unten rechts): F. Hahn in Nürnberg. Reproduktion: Petra Lehnardt-Olm, Fotogra e, Berlin. Taf. 3: Tucher'sche Kulturstiftung, Nürnberg: Bilddatenbank BI0005. Fotogra e Atelier des Hoffotografen Franz Hanfstaengl (1804–1877), München; Rückseite: Prof. Karl Hegel geb. 1811 [sic!] + hatte eine Tucher z. Frau. – Auch in: Universitätsbibliothek (UB) Erlangen-Nürnberg: Porträt-Album 1, Album der Philomathie, S. 6, Rar. V, 11. Taf. 4: Stadtarchiv Erfurt: 7/241–5 (Plan von Erfurt und Umgegend, gezeichnet und in Stein gravirt von C. Birck, 1850). Taf. 5: Stadtmuseum Erfurt: 20504, alt („Die Eröffnung des deutschen Reichstages im großen Saal des Regierungsgebäudes zu Erfurt, am 28. März“, Bleistiftzeichnung auf Papier von Johann Heinrich Kruspe, vermutlich um 1850). Taf. 6: Stadtmuseum Erfurt: 07/02/1455 („Das Volkshaus am 20. März 1850 von der Volkstribüne aus“, Bleistiftzeichnung auf Papier von Johann Heinrich Kruspe, vermutlich um 1850). Taf. 7: Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg: Heilig-Geist-Kirche Nürnberg, J 1850, pag. 178. Taf. 8: Privatnachlaß Karl Hegel: Familienchronik [Familienbuch Karl Hegels]. Taf. 9: Tucher'sche Kulturstiftung, Nürnberg: Bilddatenbank BI0222, Fotogra en, Teil von BI0169. Fotogra e Atelier Johann Hahn, Nürnberg; Rückseite: Sigmund und Marie Tucher 1867–70? (von späterer Hand). Taf. 10: Privatbesitz. Fotogra e (unbekannter Fotograf ), Durchmesser des Ovals: 19,5 × 22,8cm; Rückseite: Sigmund, Freiherr Tucher von Simmelsdorf K. B.
Abbildungsnachweise
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Major à la Suite geb. 12. Jan. 1794 gest. 3. Juni 1871. (Bleistift, von späterer Hand). Taf. 11: Privatbesitz. Fotogra e (unbekannter Fotograf ), Durchmesser des Ovals: 19,5 × 22,8cm; Rückseite: Marie, Freifrau Tucher v. Simmelsdorf geb. v. Grundherr zu Altenthan u. Weiherhaus geb. 1802 2. Okt. gest. 1876 25. Sept. (Bleistift, von späterer Hand). Taf. 12: Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin. Gemälde, Öl /Leinwand von Jakob Schlesinger (1792–1855), Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1831. © bpk / Nationalgalerie, SMB/Klaus Göken. Taf. 13: Privatbesitz. Fotogra e von einem Gemälde. Taf. 14: Privatbesitz. Fotogra e (unbekannter Fotograf, nicht genau datierbar). Taf. 15: Privatnachlaß Karl Hegel: Bilder. Fotogra e (unbekannter Fotograf, nicht genau datierbar). Taf. 16: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Kartenabteilung: Kart. X 33200 (Plan von Rostock, gezeichnet von Kammer Jngenieur H. Saniter durch F. Graff Jngenieur. Lithographie, Farbendruck und Verlag der HofSteindruckerei von J. G. Tiedemann zu Rostock, 1860). Taf. 17: Privatbesitz. Bleistiftzeichnung (unbekannter Künstler), Karton, 26,9 × 34,7cm; Rückseite: Susanna Hegel, geb. v. Tucher (Bleistift, von späterer Hand).
Dank
Nach Jahren intensiver Beschäftigung mit dem verstreut in Familienbesitz erhaltenen privaten Nachlaß des Rostocker, ab 1856 Erlanger Historikers Karl Hegel lege ich aus einer umfangreichen Korrespondenz seine Brautbriefe aus der Zeit vom 20. Oktober 1849 bis 20. Mai 1850 in einer modernen Edition vor, die sich – mit einem roten Bändchen zusammengebunden und mit einer Schleife geschmückt – im Original erhalten haben. Dafür, daß das geschehen kann, habe ich in erster Linie Karl Hegels Urenkelin Friederike Menzel-Hegel sehr herzlich zu danken, die mir die Briefe großzügigerweise für meine Forschungen überließ. Ihrem Ehemann Bernhard Menzel gilt nicht minder mein großer Dank für zahlreiche Hinweise und Informationen, ebenso Frau Dr. Adelheid Schönborn, einer weiteren Urenkelin Karl Hegels, für die Bereitstellung von Text- und Bildmaterial, das sich in ihrem Besitz be ndet. Sehr dankbar bin ich darüber hinaus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlreicher Archive, Bibliotheken und Museen, die mir bei persönlichen Recherchen vor Ort, mittels alteuropäischer Post oder auf elektronischem Wege sehr behilflich waren. Ganz besonders gilt mein diesbezüglicher Dank Frau Gisa Franke vom Archiv der Hansestadt Rostock. Die Publikationserlaubnis für Bildmaterial gewährten dankenswerterweise neben Urenkelinnen Karl Hegels die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, bpk/Nationalgalerie Berlin, das Stadtarchiv und das Stadtmuseum Erfurt sowie die Tucher'sche Kulturstiftung (Bernhard Freiherr Tucher von Simmelsdorf ). Herrn Univ.-Prof. em. Dr. Severin Koster (Universität Erlangen-Nürnberg) danke ich einmal mehr für nicht enden wollende Gespräche und seine freundschaftliche Bereitschaft, das Manuskript vorliegenden Buches kritisch zu lesen, ebenso Frau Univ.-Prof. Dr. Gisela Schlüter (Universität Erlangen-Nürnberg) für ihre fachkundige Beratung bei der Behandlung des nur als Torso überlieferten französisch-sprachigen Tagebuchs Susanna Maria von Tuchers. Bei Transkriptionsproblemen konnte ich jederzeit den Rat von Frau Dr. Marion Kreis (Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München) und von Herrn Akademischen Oberrat Wolfgang Srb (Universität Erlangen-Nürnberg) einholen. Nicht zuletzt gilt mein herzlicher Dank Herrn Otmar Wiesenegger (Erlangen) für die erste digitale Einrichtung des Bildmaterials. Nach „Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts“ (2013) erscheint auch dieses Buch im Kölner Böhlau Verlag. Mein Dank gilt Frau Julia Beenken und Frau Dorothee Rheker-Wunsch für die sorgfältige verlegerische Betreuung. Erlangen, im September 2017 Helmut Neuhaus
Register Personenregister Auf die Nennung von Adelsprädikaten und Titeln wird verzichtet; nicht aufgenommen wurden: Karl Hegel, Susanna Maria (Susette) von Tucher. Ackermann, Friedrich (1799–1866) 92f. Af(f )inger, Bernhard (1813–1882) 120 Albrecht, Wilhelm Eduard (1800–1876) 18 Antonia 42 Arnim, Malwine, geb. Bismarck (1827–1908) 156 Auerbach, Berthold (1812–1882) 158 Auguste, Reuss zu Köstritz (1822–1862) 21 Baudissin, Wolf Heinrich (1789–1878) 25 Bauer, Friedrich (1812–1874) 62, 213 Bayerlein, Wilhelm Georg (1784–1839) 82, 212 Becker, Caroline, geb. Link 46, 56, 64, 188, 197 Becker, Eduard (1792–1880) 56, 188, 197 Becker, Heinrich Friedrich (1767–1851) 46, 188 Beckerath, Hermann (1801–1870) 101, 206 Bellini, Vicenzo (1801–1835) 172 Berkhan, Oswald (1834–1917) 155 Bernays, Martha (siehe: Freud, Martha) Beseler, Emilie, geb. Karsten (1816–1900) 27f. Beseler, Georg (1809–1888) 18, 27, 52, 74, 97f., 101, 117, 174, 182, 200, 204, 206, 209 Beulwitz, Karoline, geb. Lengefeld (1763–1847) 152f. Beyerlein (Bayerlein), Maria Karolina Sophia Wilhelmina, geb. Furtenbach (1800–1878) 82, 92, 111, 212 Bismarck, Bernhard (1810–1893) 156 Bismarck, Herbert (1849–1904) 156f. Bismarck, Johanna (siehe: Puttkamer, Johanna)
Bismarck, Marguerite, geb. Hoyos (1871–1945) 156f. Bismarck, Otto (1815–1898) 156f., 207f. Bitter, Rudolf (1846–1914) 45 Bodelschwingh, Ernst (1794–1854) 105 Böhm, Ludwig (1811–1869) 79 Böhme, Amanda (1810–1888) 154 Böhme, Jakob (1575–1624) 154 Bollinger, Friedrich Wilhelm (1777–1825) 67 Bolten, Carl Alexander (1805–1899) 80 Bonhoeffer, Dietrich (1906–1945) 148 Brandenstein, Sophie (siehe: Lützow, Sophie) Brandes, Sophia (siehe: Kippe, Sophia) Braun, Alexander Karl Hermann (1807–1868) 53 Brock, Heinrich Adolf Dietrich 114 Bruns, Charlotte, geb. Gmelin (1816–1900) 20, 30, 34f., 41, 44, 56, 70, 79, 84, 90, 183, 189, 196 Bruns, Karl Georg (1816–1880) 19f., 30f., 56, 70, 78f., 90, 189, 196 Buchka, Elisabeth, geb. Stein (1829–1884) 93 Buchka, Hermann (1821–1896) 93 Büchsel, Karl Albert Ludwig (1803–1889) 67 Bülow, Gabriele, geb. Humboldt (1802–1887) 151 Bülow, Hans Adolf Karl (1807–1869) 110, 114, 201 Bulwer, Edward Lytton (1803–1873) 178 Camphausen, Gottfried Ludolph (1803–1890) 109f., 206 Camphausen, Otto (1812–1896) 109, 206 Carlowitz, Albert (1802–1874) 100 Christian Ludwig II. (1683–1756), Herzog von Mecklenburg-Schwerin 21
244 Dachröden, Karoline (1766–1829) 151f. Daguerre, Louis (1787–1851) 84 Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860) 18, 99, 117, 182f., 205, 208f. Dahlmann, Wilhelmine Albertine Louise, geb. Horn (1800–1856) 117, 183, 209 Dante Alighieri (1265–1321) 25 Daulte, Heinrich 185 Delitzsch, Clara, geb. Silber (1823–1894) 21, 56, 189 Delitzsch, Franz (1813–1890) 21, 43, 56, 85, 189 Dieffenbach, Johann Friedrich (1792–1847) 79 Döderlein, Rosine Eleonore (siehe: Niethammer, Rosine Eleonore) Dönniges, Franziska, geb. Wolff (1823–1882) 22 Dönniges, Helene (1843–1911) 22 Dönniges, Wilhelm (1814–1872) 22, 182 Droysen, Johann Gustav (1808–1884) 98, 204 Duckwitz, Arnold (1802–1881) 117, 209 Düntzer, Heinrich (1813–1901) 151 Dugge, Carl (1867–1945) 200 Dugge, Ludwig Friedrich (1806–1837) 219 Dugge, Max (*1900) 200 Dugge, Pauline, geb. Prehn (1811–1874) 219 Dyhrn, Konrad Adolf (1803–1869) 116 Eggers, Friedrich (1819–1872) 181f. Egloff, Elise (1821–1848) 158ff. Elbogen, Ismar (1874–1943) 148 Eleonore, Grä n zu Stolberg-Wernigerode (1801–1827) 21 Elisabeth (1801–1873), Königin von Preußen 98 Elise, Elisa (P egerin Maria Helena Susanna Hegels in Berlin) 98, 103, 113 Ernst August I. (1771–1851), König von Hannover 18 Esmarch, Constanze (1825–1865) 154 Ewald, Heinrich (1803–1875) 18 Fanny 57, 67 Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814) 153 Flachsland, Karoline (1750–1809) 150f.
Register
Flottwell, Auguste (siehe: Trinkler, Auguste) Flottwell, Auguste, geb. Lüdecke, verw. Schultz (1794–1862) 66 Flottwell, Clara (1825–1912) 66 Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865) 22, 54, 66, 101, 182, 207 Flottwell, Theodor (1821–1887) 66 Frankenberg, Wolff Sylvius Leopold (1785–1878) 101, 207 Frese, Heinrich (1794–1869) 156 Freud, Ernst Ludwig (1892–1970) 161 Freud, Martha, geb. Bernays (1861–1951) 161 Freud, Sigmund (1856–1939) 161 Friedrich August II. (1797–1854), König von Sachsen 53 Friedrich Franz II. (1823–1883), Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 7, 21, 24, 36f., 55, 88f., 97, 104, 110, 114, 188, 201f., 220 Friedrich Wilhelm I. (1802–1875), Kurfürst von Hessen 110 Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), König von Preußen 27, 49, 98, 201, 210 Fritzsche, Franz Volkmar (1806–1887) 56, 189 Fritzsche, Wilhelmine, geb. Hermann († 1887) 56, 189 Fromm, Berta (siehe: Stannius, Berta) Fromm, Ernst Carl Friedrich (1776–1846) 14, 188 Fromm, Witwe Ernst Carls 67 Gagern, Heinrich Wilhelm (1799–1888) 109f., 116, 206, 209 Gagern, Maximilian Joseph (1810–1889) 109 Gallizin (Golizyna), Marija Arkadjewna, geb. Suworowa-Rymnikskaja (1802–1870) 182 Gemmingen, Thekla Therese Eleonore (siehe: Tucher, Thekla Therese Eleonore) Georg (1779–1860), Großherzog von Mecklenburg-Strelitz 24, 201 Gervinus, Georg Gottfried (1805–1871) 17f., 27, 42, 113f., 117, 169, 172f., 182, 209 Gervinus, Victorie, geb. Schelver (1820–1893) 17f., 19, 42, 173
Personenregister
Gmelin, August Hermann (1786–1834) 189 Gmelin, Charlotte (siehe: Bruns, Charlotte) Göpel, Johann Andreas (1776–1823) 49 Goethe, Johann Wolfgang (1749–1832) 24f., 30, 99f., 151, 185, 214 Goßner, Johannes Evangelista (1773–1858) 98, 213 Gothein, Eberhard (1853–1923) 160 Gothein, Marie Luise, geb. Schröter (1863–1931) 160 Gotthelf, Jeremias (1797–1854) 65 Grimm, Jacob (1785–1863) 18 Grimm, Wilhelm (1786–1859) 18 Große, Johann Friedrich Christoph (1789–1858) 99 Große, Martha Barbara, geb. Platz (1808–1882) 99 Grundherr, Anna (1774–1857), auch: Großeltern 33, 36, 82, 92, 96, 107, 111, 118, 125, 212 Grundherr, Benedikt (Benno) Karl Friedrich (1848–1909) 62, 81, 212 Grundherr, Friedrich Karl Alexander (1818–1908) 31, 36, 62, 81f., 92, 107, 111, 118, 125, 212 Grundherr, Georg Christoph Karl (1777–1867), auch: Großeltern 33, 36, 82, 92, 96, 107, 111, 118, 125, 212 Grundherr, Lina (Karoline, Linchen), geb. Schwarz (1826–1896) 8, 10f., 16, 31, 36, 43, 62f., 70, 73, 76, 81f., 92, 96, 107, 111, 115, 118, 125, 212 Grundherr, Maria Luise Karoline (*1850) 62, 73, 212 Gugenheim, Abraham (1700–1766) 148 Gugenheim, Fromet (Frumet) (1737–1812) 148 Guizot, François Pierre Guillaume (1787–1874) 38 Haeckel, Anna (siehe: Sethe, Anna) Haeckel, Ernst (1834–1919) 157 Häusser, Ludwig (1818–1867) 120, 208, 210 Hahn, Friedrich (1804–1880) 57, 183f. Harkort, Friedrich (1793–1880) 101 Harsdorf, Karl Friedrich (1820–1873) 178
245 Hassenp ug, Hans Daniel Ludwig Friedrich (1794–1862) 110 Haupt, Moriz (1808–1874) 53 Hauser, Kaspar (1812–1833) 108 Haym (Kaufmann in Wien) 172 Hedemann, Adelheid, geb. Humboldt (1800–1856) 151 Hegel, Anna (1851–1927) 220 Hegel, August (Friedrich) (1864–1865) 141, 182, 220 Hegel, Friederike, geb. Flottwell (1822–1861) 45, 49, 51, 54f., 66, 94, 96, 119ff., 127f., 145f., 216f. Hegel, Georg (1856–1933) 141, 220 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), auch: Vater 7f., 15, 22, 28f., 54, 61, 66f., 139, 150, 162, 176, 182, 191f., 194f., 217 Hegel, Gottlieb Friedrich (1867–1874) 182, 220 Hegel, Gustel (Gusti, Gustli, Auguste) (1846–1850) 45, 51, 96, 119ff., 146, 216 Hegel, Immanuel (Manuel) (1814–1891) 7, 17, 22, 45, 49, 51f., 54f., 64, 66f., 70, 74, 76, 79, 94, 96, 108, 111, 113, 119ff., 124, 126ff., 145f., 171, 175f., 182, 207, 216f., 219 Hegel, Luise (1853–1924) 220 Hegel, Maria Helena Susanna (1791–1855), auch: Mutter 7, 12, 15, 22f., 27ff., 32, 34f., 37, 45ff., 51, 55, 57, 61f., 64, 66f., 69f., 73, 76, 79, 90, 93f., 96, 98, 103, 106, 108, 111, 113, 118ff., 122, 124, 126f., 139, 169, 174, 176, 178, 182, 191, 195f., 204, 212f., 216f., 219 Hegel, Marie (1848–1925) 45, 96, 146 Hegel, Marie (1855–1929) 220 Hegel, Sigmund (1863–1945) 220 Hegel, Sophie (1861–1940) 220 Hegel, Susanna Maria (Susette), geb. Tucher (1826–1878) 182, 219 Hegel, (Eduard) Wilhelm (Willi) (1849–1925) 45, 49, 54, 121 Heinrich LXIII. Reuss zu Köstritz (1786–1841) 21 Held, Gustav Friedrich (1804–1857) 53 Henle, Carl (*1846) 160
246 Henle, Elise (siehe: Egloff, Elise) Henle, Elise (1848–1923) 160 Henle, Emma (1858–1937) 158 Henle, Jakob (1809–1885) 158ff. Herder, Ferdinand Gottfried (1828–1896) 151 Herder, Johann Gottfried (1744–1803) 150f. Hergenhahn, Jakob Ludwig Philipp (1804–1874) 101, 206 Hermann, Gottfried (1772–1848) 56, 189 Hermann, Wilhelmine (siehe: Fritzsche, Wilhelmine) Heuffemann, Albertine (siehe: Krabbe, Albertine) Hirzel, Salomon (1804–1877) 52 Hofmann, Charlotte, geb. Lameyer († 1883) 45, 50, 85, 213 Hofmann, Johann Christian Konrad (1810–1877) 15, 22, 45, 50, 85, 182, 213 Homer 25 Horn, Wilhelmine Albertine Louise (siehe: Dahlmann, Wilhelmine Albertine Louise) Humboldt, Adelheid (siehe: Hedemann, Adelheid) Humboldt, Caroline (1792–1837) 151 Humboldt, Gabriele (siehe: Bülow, Gabriele) Humboldt, Karoline (siehe: Dachröden, Karoline) Humboldt, Wilhelm (1767–1835) 151f. Jahn, Otto (1813–1869) 53 Johann, Erzherzog von Österreich (1782–1859) 74 Judenmädchen (siehe: Dönniges, Franziska) Kafka, Franz (1883–1924) 148 Karsten, Carl (1782–1853) 27, 56, 97 Karsten, Charlotte Adelheid, geb. Rosenstiel (1788–1861) 27 Karsten, Dethlof Ludolph Eobald (1787–1879) 55, 98, 205 Karsten, Emilie (siehe: Beseler, Emilie) Karsten, Hermann (1809–1877) 35, 70, 188 Karsten, Theodora, geb. Berg († 1863) 35, 39, 41, 70, 77, 188, 193 Keller, Gottfried (1819–1890) 160
Register
Keller, Gustav Ludwig Emil (1805–1897) 102 Kierulff, Johann Friedrich Martin (1806–1894) 72, 99, 101, 205f. Kieser, Adelheid, geb. Mittnacht (1819–1847) 73 Kieser, Auguste, geb. Meyer (1830–1912) 73f., 82, 85, 88f., 91f., 94, 213 Kieser, Heinrich (1813–1893) 36, 42, 63, 73f., 76f., 85, 88f., 91f., 94f., 111, 118, 125, 213 Kippe, Gottlieb Christian (1802–1883) 59 Kippe, Sophia, geb. Brandes 59 Kleist, Heinrich (1777–1811) 147 Klitzing 45, 66 König, Engelbert (1728–1769) 149 König, Eva Catharina, geb. Hahn (1736–1778) 149f. König, Friedrich (*1768) 150 Könneritz, Julius Traugott Jakob (1792–1866) 53 Köster, Georg Christoph (*1790) 34, 190 Köster, Johanne Caroline Agnes, geb. Levenhagen 34, 190 Kortüm, August Karl Friedrich (1810–1884) 44, 189 Kortüm, Marie, geb. Strauss (1813–1881) 44, 189 Krabbe, Albertine, geb. Heuffemann 189 Krabbe, Elfriede, geb. Voigt († 1842) 189 Krabbe, Otto Karsten (1805–1873) 21, 83f., 189 Krüger, Anna (1843–1910) 155 Kuhfeld, Johann Friedrich (1792–1861/62) 40, 193, 197 Kupsch, Chr. (1809–1846) 49 Lanner, Joseph (1801–1843) 171f. Lassalle, Ferdinand (1825–1864) 22 Leist, Burk(h)ard Wilhelm (1819–1906) 23, 30, 56, 75, 90, 93, 188, 219 Leist, Gerhard Alexander (1862–1918) 23 Leist, Henriette, geb. Köring (1791–1874) 56 Leist, Julie Wilhelmine, geb. Müller (1826–1907) 23, 30, 56, 90, 93, 188, 219 Leitzmann, Albert (1867–1950) 152
Personenregister
Lengefeld, Charlotte (1766–1826) 149, 152f. Lengefeld, Karoline (siehe: Beulwitz, Karoline) Leopold III. Friedrich Franz (1740–1817), Fürst von Anhalt-Dessau 173 Lepel, Victor (1794–1860) 100 Lessing, Eva, geb. Hahn, verw. König (1736–1778) (siehe: König, Eva Catharina) Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781) 25, 149f., 162 Lessing, Karl Gotthelf (1740–1812) 149 Lessing, Traugott (*, † 1777) 150 Levenhagen, Johanne Caroline Agnes (siehe: Köster, Johanne Caroline Agnes) Lewenhagen, Elise (siehe: Thöl, Elise) Liebe, Friedrich (1809–1885) 100 Lilli (in Nürnberg) 51 Lina (siehe: Grundherr, Lina [Carolina]) Link, Caroline (siehe: Becker, Caroline) Lisette („gemiethetes Mädchen“) 65, 121, 197 Löbbeke, Luise (1808–1892) 155 Löhe, Wilhelm (1808–1872) 62f., 213 Löwig, Carl (1803–1890) 158 Lubin (Lupin), Adolph (1811–1888) 15, 22 Lubin (Lupin), Magdalene (1826–1896) 15, 22, 182 Lützow, Ludwig Friedrich Wilhelm (1793–1872) 55, 60, 97, 104, 110, 201 Lützow, Sophie, geb. Brandenstein (1796–1876) 55 Luther, Martin (1483–1546) 21f., 62, 98 Lutzer, Jenny (1816–1877) 172 Manuel (siehe: Hegel, Immanuel) Marcks, Erich (1861–1938) 157 Mathieu, Carl 158f. Mathieu, Marie, geb. Henle 158f. Mathilde (P egerin Maria Helena Susanna Hegels in Berlin) 51, 98, 103 Mendelssohn, Moses (1729–1786) 148f. Mendelssohn Bartholdy, Felix (1809–1847) 49, 68, 213 Merck, Johann Heinrich (1741–1791) 151 Merkel, Friedrich (1845–1919) 158 Mevissen, Gustav (1815–1899) 101, 206
247 Meyer, Auguste (siehe: Kieser, Auguste) Meyer, Guido (1798–1869) 51, 73, 212 Meyer, Johann Friedrich (1772–1849) 212 Meyer, Sophia Maria Friederike, geb. Tucher (1800–1863) 51, 73, 82, 111, 212 Mittnacht, Adelheid (siehe: Kieser, Adelheid) Mörike, Eduard (1804–1875) 148, 153 Mommsen, Theodor (1817–1903) 53 Moritz (1521–1553), Herzog und Kurfürst von Sachsen 112 Müller, Julie Wilhelmine (siehe: Leist, Julie Wilhelmine) Müller, Karl Otfried (1797–1840) 23, 188 Muzel(l)-Stosch, Heinrich Wilhelm (1723–1782) 173 Napoleon I. Bonaparte (1769–1821), Kaiser von Frankreich 100, 205 Niethammer, Friedrich Immanuel (1766–1848) 15, 182 Niethammer, Julius (1798–1882) 22 Niethammer, Magdalene (siehe: Lubin [Lupin], Magdalene) Niethammer, Rosine Eleonore, geb. Döderlein (1770–1832) 15 Niethammer, Sophie, geb. Tröltsch (1804–1875) 22 Nußbaum, Magdalene Marie Luise (siehe: Stever, Magdalene Marie Luise) Oertzen, Dietrich (1882–1970) 155 Oldenberg, Friedrich (*1820) 154 Paulus, Caroline (1767–1844) 192 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761–1851) 192 Prosch, Eduard (1804–1878) 55f., 182 Prosch, Eduard d. J. (1834–1913) 55, 97 Prosch, Karl Friedrich Wilhelm (1802–1876) 55f., 182 Puttkamer, Heinrich (1789–1871) 156 Puttkamer, Johanna (1824–1894) 156f. Racine, Jean (1639–1699) 49 Radowitz, Joseph Maria (1797–1853) 100f., 109, 202, 205, 210f. Rau, Luise 148, 153 Rehberg, Paula 158f. Reimer, Carl (Karl) (1801–1858) 52 Reinecke, Jakob Georg (1790–1868) 33, 190
248 Reinecke, Mathilde Caroline (siehe: Samson [Sansum], Mathilde Caroline) Reinicke, Auguste (siehe: Weber, Auguste) Riesser (Rießer), Gabriel (1806–1863) 117, 206, 209 Röper (Roeper), Johannes (1801–1885) 44, 56, 189, 200 Röper (Roeper), Louise Charlotte (siehe: Schweden, Louise Charlotta) Rosenstiel, Charlotte Adelheid (siehe: Karsten, Charlotte Adelheid) Rumi 13 Samson (Samsum, Sansum), Harry (*1821) 33, 78f., 83, 189 Samson (Samsum, Sansum), Mathilde Caroline, geb. Reinecke 33f., 78f., 190 Savigny, Friedrich Carl (1779–1861) 18 Schack, Adam Reimar Christoph (1780–1852) 100, 205 Schack, Adolf Friedrich (1815–1894) 100 Schalburg, Henriette Sophie Elisabeth (siehe: Wunderlich, Henriette Sophie Elisabeth) Scheibe, Friedrich Ludwig (1809–1884) 100 Schiller, Friedrich (1759–1805) 149, 152f. Schlegel, August Wilhelm (1767–1845) 25 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768–1834) 153 Schleiermacher, Henriette (siehe: Willich, Henriette) Schlesinger, Jakob (1792–1855) 183 Schlosser, Friedrich Christoph (1776–1861) 25 Schmidt, Heinrich (1874–1935) 157 Schöll, Adolf (1805–1882) 158f. Schott, Therese (1841–1916) 155 Schröter, August Wilhelm (1799–1865) 114 Schröter, Marie Luise (siehe: Gothein, Marie Luise) Schultz, Auguste (siehe: Flottwell, Auguste, geb. Lüdecke) Schulze, Johannes (1786–1869) 79, 182 Schwäbin (siehe: Bruns, Charlotte) Schwarz, Georg Christoph Benedict (Benoit) von (1801–1876) 82, 169, 174
Register
Schwarz, Jeannot (Johann Christoph David) (1802–1885) 115 Schwarz, Lina (siehe: Grundherr, Lina) Schwarz, Luise (1826–1881) 111, 115, 123, 125, 128 Schweden (Schweder), Johann Friedrich Ludwig (1799–1871) 56 Schweden (Schweder), Louise Charlotta, geb. Röper (Roeper) (1802–1871) 56 Schwerin, Maximilian (1804–1872) 102, 208 Sethe, Anna (1835–1864) 157 Shakespeare, William (1564–1616) 25, 30 Sick, Alfred (1845–1906) 174 Sick, Hermann Albert (1815–1892) 174 Sick, Marietta (Maria) (siehe: Wiß, Marietta [Maria]) Silber, Clara (siehe: Delitzsch, Clara) Silber, Heinrich Wilhelm (*1796) 99 Simson, Eduard (1810–1899) 207 Skalley, Eugen Friedrich Reinhold (1785–1867) 66 Sommer, Johann Friedrich Joseph (1793–1856) 156 Speeth, Margarethe (1818–1903) 148, 154 Stahl, Friedrich Julius (1802–1861) 109, 114, 206 Stannius, Berta, geb. Fromm (1818–1905) 14, 23, 28, 30, 48, 67, 93, 184, 188, 196 Stannius, Hermann Friedrich (1808–1813) 14, 30f., 33, 75, 78f., 88f., 93, 95, 125, 184, 188, 196, 200 Stedmann, Carl Johann Wilhelm (1804–1882) 101, 206 Stein, Elisabeth (siehe: Buchka, Elisabeth) Stein, Friederike Karoline, geb. Hansen (1804–1892) 93 Stein, Karl Heinrich (1789–1839) 93 Stever, Heinrich August (1819–1906) 83, 190 Stever, Johann Christian Theodor (1779–1849) 83, 190 Stever, Magdalene Marie Luise, geb. Nußbaum 83, 190 Stoecker, Adolf (1835–1909) 155 Stoecker, Anna (siehe: Krüger, Anna)
Personenregister
Storm, Constanze (siehe: Esmarch, Constanze) Storm, Theodor (1817–1888) 154 Stosch, Philipp (1691–1757) 173 Strauss, Johann (Vater) (1804–1849) 172 Strauss, Marie (siehe: Kortüm, Marie) Stutzer, Eva (*1883) 155 Stutzer, Gustav (1839–1921) 155 Stutzer, Ilse 155 Stutzer, Therese (siehe: Schott, Therese) Sybel, Heinrich (1817–1895) 208 Sydow, Anna (1863–1953) 151 Tante Fritz (siehe: Meyer, Sophia Maria Friederike) Thöl, Elise, geb. Lewenhagen (1814–1872) 50, 69 Thöl, Johann Heinrich (1807–1884) 50, 69, 182 Tieck, Dorothea (1799–1841) 25 Tieck, Ludwig (1773–1853) 8, 25 Tiede, Christian Friedrich (1794–1877) 52 Trinkler, Auguste, geb. Flottwell (1816–1844) 66 Trinkler, Theodor († 1871) 66 Tröltsch, Sophie (siehe: Niethammer, Sophie) Trotsche, Carl Heinrich Christoph (1803–1879) 59, 85 Tucher, Caroline Maria (1844–1913) 12, 212 Tucher, Christoph Friedrich Karl (1827–1842) 12, 211 Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund (1846–1924) 12, 211 Tucher, Georg Christoph Karl (1824–1846) 12, 211 Tucher, Gottlieb Karl Sigmund (1830–1850) 12, 36, 126f., 145, 211f., 216f. Tucher, Gottlieb Sigmund (1798–1877) 57, 62, 73, 108, 177, 213 Tucher, Jobst Wilhelm Karl (1762–1813) 33 Tucher, Karl 63 Tucher, Luise Caroline Ernestine (1804–1846) 169 Tucher, Luise Karoline (1836–1901) 12, 36, 212 Tucher, Maria Helena Susanna (siehe: Hegel, Maria Helena Susanna)
249 Tucher, Maria Magdalena, geb. Grundherr (1802–1876), auch: Mutter, Schwiegermutter, Eltern 8, 11f., 23, 30f., 34, 36, 43, 46f., 51, 54, 58, 61, 63f., 66, 70, 77, 82, 87f., 92, 96, 103f., 107f., 111, 113, 115, 118, 122f., 125ff., 137f., 145f., 179, 196, 211f., 214, 216 Tucher, Maria Therese Karoline (1834–1905) 12, 36, 97, 103, 107, 111, 115, 123, 125ff., 212 Tucher, (Johann) Sigmund Karl (1794–1871), auch: Vater, Schwiegervater, Eltern 7f., 11f., 14, 23, 27f., 36, 43, 46, 51, 54, 57f., 63f., 70, 73, 77, 80, 82, 86f., 91f., 96, 103, 107f., 111, 115, 118, 122f., 125f., 128, 137f., 145f., 176, 179, 181, 192, 198, 211f., 214ff. Tucher, Sophia Maria Friederike (siehe: Meyer, Sophia Maria Friederike) Tucher, Sophie Maria (1839–1871) 12, 73, 212 Tucher, Sophia Maria Luise (1802–1857) 62f., 213 Tucher, Susanna Maria, geb. Haller (1769–1832), auch: Großmutter 29, 33, 79 Tucher, Thekla Therese Eleonore, geb. Gemmingen-Steinegg (1813–1901) 57, 73, 108 Türk, Karl (1800–1887) 200, 221 Vincke, Georg Ernst Friedrich (1811–1875) 101, 109, 206 Vincke, Karl Friedrich (1800–1869) 101 Vincke, Ludwig (1774–1844) 206 Voigt, Elfriede (siehe: Krabbe, Elfriede) Vollpracht, Ferdinand (1802–1859) 100 Vorbrugg, Johann Christian Michael (1796–1866) 217 Voß, Johann Heinrich (1751–1826) 25 Wackenroder, Wilhelm Heinrich (1773–1798) 8 Washington, George (1732–1799) 38 Weber, Adolf Dietrich (1753–1817) 59 Weber, August Wilhelm Ludwig (1794–1883) 59 Weber, Auguste, geb. Reinicke 59 Weber, Wilhelm Eduard (1804–1891) 18
250 Wedemeyer, Maria (1924–1977) 148 Weidmann, Moritz Georg (1658–1693) 52 Weylandt (Weiland), Christian Ludwig 220 Wichern, Amanda (siehe: Böhme, Amanda) Wichern, Johann Hinrich (1808–1881) 154 Wichern, Johannes (1845–1914) 154 Wiggers, Julius (1811–1901) 200 Wilbrandt, Christian (1801–1867) 200 Wilhelm IX./I. (1743–1821), Landgraf von Hessen-Kassel, dann Kurfürst von Hessen 110 Willich, Ehrenfried (1777–1807) 153 Willich, Henriette, geb. Mühlenfels (1788–1840) 153 Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768) 172f. Wiß, Georg Eduard (1822–1887) 175f.
Register
Wiß (Wiss, Wyss), Johann David (1780–1867) 7, 128, 171ff. Wiß, Marietta (Maria) (1821–1902) 128, 169ff., 174f. Wiß, Oscar 175 Wiß, Rosina Alexandrina Alix, geb. Schwarz (1799–1861) 128, 171ff. Woellwarth, Franziska (1825–1912) 178 Wolff, Franziska (siehe: Dönniges, Franziska) Wolff, Joseph 22 Wunderlich, Agathon (1810–1878) 105, 209 Wunderlich, Henriette Sophie Elisabeth, geb. Schalburg (1817–1848) 105, 111, 117, 182 Xeller, Johann Christian (1784–1872) 67 Zenge, Wilhelmine (1780–1852) 147 Zschinsky, Ferdinand (1797–1857) 53
Ortsregister Nicht einbezogen wurden das Kapitel „Hegels Brautbriefe als historische Quellen“ und die Aufstellung „Laufzeiten der Brautbriefe Karl Hegels“, nicht aufgenommen wurden die Namen der Städte Nürnberg und Rostock. Amerika 7f., 175 Assmannshausen 33 Augustinerkirche in Erfurt 98, 205f. Bamberg 29 Basel 44, 105, 189 „Belvedere“ (Wien) 172 Beringersdorf 29 Berlin 8f., 14f., 19, 22, 27, 34f., 37f., 44, 46ff., 50, 52f., 55ff., 66f., 69f., 74, 77, 90, 94, 96ff., 108, 114, 116, 118ff., 126ff., 145f., 169, 172ff., 177f., 180, 182f., 186, 194ff., 203f., 213, 216f., 219 Blankenberg 97 Bodensee 169, 171 Bonn 53, 205 Braunschweig 20 Bregenz 169, 171 Bremen 117, 209 Breslau 46 Bützow 27, 97 Coburg 106, 146 Cösen (siehe: Kösen) Colmbach (Kulmbach) 106 Doberan, Bad Doberan 40, 44, 60, 69, 189, 194 Donauwörth 73 Dresden 25, 219 Eisenach 106, 118f., 210 Erfurt 28, 59f., 68, 72, 75, 77, 80, 90, 94, 96, 98ff., 103, 105, 111f., 119f., 128, 132ff., 186, 201ff., 216, 221 Erlangen 14, 21f., 45, 50, 62, 182, 213, 220 Florenz, orentinisch 18, 25 Frankfurt (am Main) 19, 56, 100, 109, 205 Friedrich-Franz-Straße (Rostock) 192, 219 „Gallerie Liechtenstein“ (Wien) 172 Genf 44, 189 Göltzschtalbrücke 105f., 204 Göttingen 14, 18, 22f., 44, 50, 56, 80, 93, 182, 209
Gotha 108, 119f., 210 Grandson 8, 185 Graz 172 Greifswald 18, 27, 53, 182 Güstrow 58ff., 68, 194 Hagenow 52, 97 Halle 14, 62, 98, 105, 111f., 117, 146, 182, 204f., 209 Hamburg 38, 50, 52, 97, 117, 189, 206 Heidelberg 14, 17ff., 25, 27, 29, 42, 67, 93, 120, 182f., 192, 208ff. Heiligendamm 44 Helena (Pfarrkirche Sankt Helena) 63 Henfenfeld (Schloß) 169f., 174 Hof 38, 45, 47, 88, 105f., 125, 186 Holthusen 97 Italien 18, 169, 171ff., 209 Jena 98, 111f., Johannis Kirchhof (Nürnberg) 11 Kiel 98 Kleinen 97 Königsberg (Preußen) 22, 182 Kösen 111f., 209 Laibach 172 Langenzenn 170 Lauenburg 101 Leipzig 14, 21, 44, 47f., 52f., 56, 105f., 112, 125, 146, 189, 203 Lichtenfels 146 London 122 Ludwigslust 21, 68 Lübeck 19, 72, 105, 209 Magdeburg 66 Marburg 23, 208 Minden 102 München 15, 22, 36, 108, 177, 182 Muggendorf 7f. Naumburg 111, 209 Neapel 18
252 Neuendettelsau (Diakonissenanstalt) 62f., 213 Neustrelitz 59, 93 Niekrenz 83, 190 Obereichstätt 36 Parchim 92 Paris 113, 122 Pforta (siehe: Schulpforte) Plauen 52, 105 Pommern, preußische Provinz 102 Posen 66, 101 Potsdam 109 Prag 169, 172 Reichenbach 52f., 105f., 204 Reinhard(t)sbrunn 119, 210 Rheinprovinz (preußische), Rheinland 101, 109, 206 Rom 18, 173 Sachsen, preußische Provinz 102 Schlesien, preußische Provinz 101, 116 Schleswig-Holstein 101 Schnickmannsstraße (Rostock) 39f., 193, 197, 219 Schulpforte 112, 209 Schwaan 97 Schweinfurt 53
Register
Schwerin 14, 19, 21, 24, 29, 47f., 50, 52, 55f., 59, 68f., 72, 75f., 83, 90, 97, 116, 122f., 182, 188, 199, 201ff., 219, 221 Simmelsdorf 7f., 26f., 29, 63, 128, 175ff. Sperlingsnest (Straße in Rostock) 193, 219 Steiger (in Erfurt) 112, 116f., 209 Stralsund 190 Strelitz (siehe: Neustrelitz) Stuttgart 36, 174f. Sülz 65, 197 Teplitz 79 Thüringen 105, 119, 197 Triest 172 Tübingen 20, 30, 34, 196 Venedig 171 Vogtland 52, 106 Vor dem Steinthor (Rostock) 192, 219f. Walldürn 44 Warnow 39, 193 Wartburg 119, 210 Weimar 111f., 209 Weißenfels 111 Westfalen, preußische Provinz 101, 206 Wien 171ff. Wismar 56, 68, 71, 74, 97, 203f. Wittenberge 52, 97, 127 Würzburg 109
Sachregister Nicht aufgenommen wurden die Begriffe „Brief“ und „Post“ in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Abgeordnete (Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments) 59, 118, 202ff. Abgeordnetengruppe, katholische / katholisch-klerikale (im Erfurter Unionsparlament) 114, 207 Abgeordnetenhaus (Preußen) 27 Abgeordnetenkammer (Landtag, Mecklenburg-Schwerin) 46, 59, 68, 85, 97, 110 Abgeordnetenversammlung (Mecklenburg) 24, 92, 200 Abtheilungen (Erfurter Unionsparlament) 101f., 105, 207 Additionalakte 202 „Athalie“ 49 Aufgebot, Proclamation 86, 91, 93, 113, 215 Ausschüsse (Erfurter Unionsparlament) 105, 108, 207f. Baden, Großherzogtum 44, 120, 189 „Bahnhofspartei“ (Fraktion im Erfurter Unionsparlament) 102, 108f., 111, 114, 207f., 210 „Bamberger Zeitung“ 29 Bayerische Akademie der Wissenschaften 22 Bayern, Baiern, bairisch (König, Königreich) 22, 53, 74, 80, 85ff., 91, 109, 195, 203, 214f. Berliner Fürstenkongreß (1850) 211 Berliner Gesundheitsgeschirr 69f., 196 Berliner Universität 29, 79, 93, 98, 109, 169, 175, 195 Beruf 38, 71, 91, 104, 145, 200, 216, 220 Biedermeier 162, 194, 197 Bräune (Diphtherie) 119, 216 Braunschweig, Herzogtum 100 Bundesstaat (kleindeutscher), Bundesverfassung 68, 75, 79, 87, 90, 94, 100, 102, 108, 117f., 202ff., 208ff. Bundesversammlung, Bundestag (Deutscher Bund) 100
Bundeszentralkommission 203, 205 Cabinettspolitik 104, 110, 201 Cöllnisches Gymnasium (Berlin) 29 „Constitutionelle Zeitung“ 201f. Daguerreotyp(ie) 84, 183f. Daulte-Cornu (Töchterinstitut in Grandson) 185 Demokraten, Demokratie, demokratisch 36, 69, 72, 76, 85, 200f. „Der Korrespondent von und für Deutschland“ (siehe: „Nürnberger Correspondent“) Deutsche Union (siehe: Erfurter Union) Deutscher Bund 59, 72, 74, 79, 100, 105, 108, 198, 202f., 211, 215 Deutsches Reich (1848) 79, 202 Deutsches Reich (ab 1871) 83 Deutsches Zollparlament 101 Dresdner Mai-Aufstand 1849 53 Deutschland 17, 19f., 74, 94, 101, 104, 109, 116f., 123, 128, 171, 203, 206, 209 „Dichtung und Wahrheit“ 25 Dienstmädchen, Hausmädchen (in Rostock) 65, 193f., 197 Dreiklassenwahlrecht 71, 76, 203 Drei Königsbund (Dreikönigsbündnis) 59, 74, 79, 100, 202f., 205, 216 Egidiengymnasium (Nürnberg) 15, 29, 191 Einrichtung (Rostocker Wohnung) 34, 38, 48, 60, 66, 93, 96, 126, 198 Eisenbahn, Eisenbahnstation, Bahn, Bahnhof 38, 45, 47, 52f., 56, 95, 97ff., 102, 105f., 111f., 114, 125, 127, 162, 166, 177, 186f., 204, 207, 209 Elisabeth-Krankenhaus (Berlin) 195, 213 Erfurter Fürstenkongreß (1808) 100, 205 Erfurter Parlament (siehe: Unionsparlament) Erfurter Union(sverfassung) 59, 68, 79, 100, 113f., 118, 128, 198, 202, 208, 210f. Erster Minister (Mecklenburg-Schwerin) 55
254 Erweckungsbewegung 62, 213 „Familienchronik“ (Familienbuch) Karl Hegels 136, 217, 220 „Faust“ 99 Frankfurter Bundeszentralkommission 68, 74, 100 Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 53, 72, 74, 98, 100ff., 108f., 117, 206, 209 Frankfurter Vorparlament 101, 109, 117, 120 Freienwalder Schiedsspruch (1850) 24, 202 Gedenkbuch (Karl Hegels) 18, 25, 27, 92f., 108, 163, 169, 172, 180, 184f., 188f., 212f., 220, 222 Germanistenversammlung 19 „Göttinger Sieben“ 18, 209 Goßner'sches Krankenhaus in Berlin 98 Gothaer Nachparlament 109, 117 Gothaer (Partei) 108, 207, 210 Gottesdienst 21, 49 Handwerker 37, 191, 194f., 197 Hannover (König, Königreich) 59, 74, 202f., 207 Haus (in Rostock) (siehe: Wohnung in [Rostock]) Hausstand, Haushalt, Ausstattung (Rostock) 37, 60, 93, 113, 118, 121, 162, 174, 189ff., 214, 216 Hauswirt(h), Wirt(h), Vermieter (in Rostock) 40, 44, 193 Heimatrecht, Niederlassungsrecht, Staatsbürgerrecht 86f., 215 Herd, englischer Herd, Ofen 39ff., 44, 77, 124, 197 Hessen, Großherzogtum 100, 109 Hochzeit, Verheiratung, Eheschließung 23, 63, 77, 86f., 107f., 113f., 121ff., 126f., 146, 184, 197, 212ff., 216f., 221 Hohes Lied 21f. Industrialisierung 162, 195 Interim (1849/50) 74, 87, 216 „Iphigenie auf Tauris“ 24, 30, 214 Katzenmusik 199 „Kaufmann von Venedig“ 30 Kirche(n), kirchlich 49, 63, 80, 83f., 86f., 93, 99, 101, 108f., 113, 136, 215 Kirchenbehörde 86, 215
Register
„Klemme“ (Fraktion im Erfurter Unionsparlament) 109, 114, 207 Korrespondenzen 147ff., 163 Kurhessen 102, 110 Kurmainzische Statthalterei (Erfurt) 100, 205 Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich (1755) 201 Landtag (Königreich Bayern) 198 Landtag (Königreich Preußen) 101f., 109, 116 Landtag (Königreich Sachsen) 53 Lieferanten 191, 195f. „Mecklenburgische Zeitung“ 7, 24, 28f., 73, 75, 181, 188, 199, 201f., 204, 219, 221 Mecklenburg-Schwerin, Großherzogtum 12, 14, 24, 28, 55f., 58f., 68, 72, 74, 83, 85, 88, 91ff., 100, 104, 108, 110, 114, 118, 195, 198, 200, 205, 214f. Mecklenburg-Strelitz, Großherzogtum 24, 92f., 110, 205 Miethsmann 44, 192f. Ministerium (Mecklenburg-Schwerinsches Gesamtministerium) 104, 110, 114, 201 Ministerium (Preußisches Staatsministerium) 51f. Ministerium (Sächsisches Gesamtministerium) 53 Monarchie, konstitutionelle 24, 55, 201f. Nassau, Herzogtum 100ff., 109 „Nathan der Weise“ 25 Nationalversammlung, preußische 101 Niederlassungsrecht (siehe: Heimatrecht) Nürnberger Bier 77, 94f., 118, 125 „Nürnberger Correspondent“ 87, 94, 110, 128, 210, 214 Österreich(er) 53, 68, 74, 79, 87, 94, 198, 202f., 211 Offenes Sendschreiben 203f. Olmützer Punktation (1850) 211 Parlament (siehe: Unionsparlament [Erfurt]) Paulskirchen-Verfassung (1849) 79, 108 Philosophie 29, 38, 71 Pietismus 62 Plan (Rostocker Wohnung) 40ff., 60
Sachregister
Politik, politisch 24, 26, 28, 32, 36f., 43f., 46, 50, 58f., 71f., 75, 79, 85, 91, 104, 111, 113, 116, 198ff., 214, 221 Post, Postkutsche 56, 97, 124 Preiscourant, Preis-Courant 34, 37 Preußen, preußisch (König, Königreich) 28, 53, 59, 68, 72, 74, 87, 94, 100ff., 109f., 114, 116, 118, 128, 195, 198, 202ff., 210f. Proclamation (siehe: Aufgebot) Professoren-Haushalt (siehe: Hausstand, Haushalt, Ausstattung [Rostock]) Protokoll(e) 204, 208, 210 Provisorische Zentralgewalt (des Deutschen Reiches von 1848) 56, 68, 74, 109 Rechnungsbuch, Ausgabenbuch, Haushaltsbuch (Karl Hegels) 191, 194ff. Regierung (Mecklenburg-Schwerin) 72 Regierungsgebäude (Erfurt) 100, 134 Reichstag (siehe: Unionsparlament [Erfurt]) Reichsverfassung (1849) 202 Reichsverweser 74 Reisepaß (Karl Hegel) 183 Restauration 162 Revolution von 1848 24, 58, 162, 175, 198, 201 Ritterschaft 72, 110, 201 „Rostocker Zeitung“ 201 Sachsen, sächsisch (König, Königreich) 52f., 59, 74, 100, 202f., 207 Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogtum 108 „Schlehdorn“ (Fraktion im Erfurter Unionsparlament) 109, 114, 206f. Schriftführer (Karl Hegel) 102, 208 Schwarz-weiße Partei 109 Sendschreiben (1850) 75 Staatenbund 208 Staatenhaus des Erfurter Unionsparlaments 71, 98, 100, 102, 108f., 113, 116f., 204ff. Staatsbürgerrecht (siehe: Heimatrecht) Staatsgrundgesetz (Mecklenburg-Schwerin) 24, 28, 36, 110, 200f. Steuerclasse, Volksclasse 71, 76 Tagebuch, Tagebuch-Briefe 5, 8f., 28, 33, 67, 163, 169, 171ff., 176ff., 183, 185ff., 194, 211, 214 Tischgesellschaft (Rostock) 14, 188
255 „Torquato Tasso“ 24f. Trauung 217 „Uli der Knecht“ 65 Ultramontane Partei 109 Unionsparlament (Erfurt) 28, 46, 59, 68, 72, 74ff., 79, 87, 90, 94, 98ff., 104, 108f., 113ff., 117ff., 122, 128, 162, 187, 197f., 201f., 204ff., 215f. Universität Erlangen 15, 85, 109, 189, 192, 212, 220 Universität Rostock 12, 15, 18, 20f., 35, 44, 46, 50, 56, 59, 72, 80, 88f., 93, 105, 174, 178, 184, 188f., 192, 205, 219, 221 Urkunden 163 Vaterland (siehe: Deutschland) Vereinigter Landtag, preußischer 101f., 116 Verfassung, landständische, altständische 24, 110, 201f. Verfassung(sstreit), mecklenburgische(r) 28, 71, 76, 198ff. Verfassung, preußische, 1848 27 Verfassungsausschuß (Erfurter Unionsparlament) 208 Verfassungsentwurf (siehe: Erfurter Unionsverfassung) Verfassungsstreit 24 Verlobung(szeit) 147ff., 180ff., 184ff., 190ff., 211 Verwaltungsrat (Erfurter Union) 94, 100f., 128, 203, 205, 210 Vierkönigsbündnis 203 Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments 59, 71, 75, 98, 100ff., 105, 108f., 113f., 117f., 128, 135, 203ff., 216 Volksvertretung (siehe: Unionsparlament) Vorlesungen (Georg Wilhelm Friedrich Hegel) 29 Vorlesungen, Lehrveranstaltungen (Karl Hegel) 19, 25, 108, 116, 178, 221 Wahl, Wahlen zum Erfurter Unionsparlament 46, 59f., 68f., 71ff., 76, 203 Wahl, Wahlen zur Abgeordnetenkammer (Mecklenburg-Schwerin) 60, 68, 71, 75f., Wahlcomité (für Erfurter Unionsparlament) 28 Wahlgesetz 76, 203
256 Wahlkreis(e), Wahlbezirk(e) 68f., 71, 75, 203ff. Wahlmann, Wahlmänner 71f., 75, 203ff. Wahlverein 58f. Wissenschaft(en) 162, 200, 220f. Wohnung, Hauswesen (in Rostock) 23, 33f., 39ff., 44, 47, 66, 87, 97, 121, 124, 126, 190ff., 214, 216, 219
Register
Württemberg (König, Königreich) 74, 203 Zeitung 28f., 105, 128, 209 Zentralgewalt, provisorische (1848/49) 209 „Zum Sperl“ (Wien) 172 „Zur Goldnen Birne“ (Wien) 171f.