Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge [1 ed.] 9783428530786, 9783428130788

Der Abschluß von Staatskirchenverträgen ist ein traditionelles Mittel zur Ordnung der Beziehungen von Staat und Kirche.

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German Pages 198 Year 2009

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Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge [1 ed.]
 9783428530786, 9783428130788

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Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 48

Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge Von

Katia Schier

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KATIA SCHIER

Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Otto Depenheuer · Alexander Hollerbach · Josef Isensee Joseph Listl · Wolfgang Loschelder · Hans Maier · Paul Mikat Stefan Muckel · Wolfgang Rüfner · Christian Starck

Band 48

Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge

Von

Katia Schier

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 978-3-428-13078-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnte Literatur teilweise noch bis November 2008 berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Christian Hillgruber. Die Arbeit entstand während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl; ihm danke ich sehr herzlich für die stets wohlwollende Begleitung und umfassende Förderung ihres Entstehens. Herrn Professor Dr. Christian Waldhoff danke ich sehr für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und wertvolle Anregungen. Besonders verdient gemacht haben sich auch Frau Assessorin Bettina Krug, die die Arbeit intensiv korrekturgelesen hat, Frau Assessorin Nadine Bläser, LL.M. und Herr Rechtsreferendar Philipp Hornung sowie alle Lehrstuhlkollegen. Herzlich danke ich auch Herrn Matthias Crone, der mir als damaliger Leiter des Katholischen Büros in Schwerin sehr weitergeholfen hat, ebenso wie Herrn Oberkirchenrat Rainer Rausch von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs. Dem Cusanuswerk danke ich für die Förderung meiner Promotion mit einem Stipendium. Der Verband der Diözesen Deutschlands hat die Veröffentlichung mit einem großzügigen Druckkostenzuschuß gefördert. Dank gilt auch den Herausgebern der „Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen“ für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Meine Eltern haben meine Vorhaben immer voll unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin. Ein lieber Dank soll zuletzt und ganz besonders noch gehen an Kai Büter, der mir besonders in der Schlußphase der Promotion den Rücken gestärkt und mich immer wieder liebevoll ermuntert und ermutigt hat. Sankt Augustin, November 2008

Katia Schier

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Erster Teil Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

17

A. Die frühen Staatskirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Staatskirchenverträge in der Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

C. Die Staatskirchenverträge nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsche Demokratische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 24

Zweiter Teil Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

27

A. Die Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Vertragspartner des Heiligen Stuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konkordate als völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vertragscharakter der Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Konkordate als Verträge des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 32 34 34 34 39

B. Die evangelischen Kirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zugehörigkeit zum Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerstaatliche Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quasi-völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die formale Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die evangelischen Kirchen als Vertragspartner eines Staatsvertrags . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Staatsrechtliche Verträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 40 40 42 46 47 47 48 49 51 52

8

Inhaltsverzeichnis IV. Die evangelischen Kirchenverträge als Verwaltungsverträge. . . . . . . . . . . . 1. Argumente für eine Einordnung als Verwaltungsverträge . . . . . . . . . . . . 2. Probleme und Kritikpunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unzulässigkeit der Anwendung auf die Konkordate . . . . . . . . . . . . . b) Der Körperschaftsstatus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme vom Geltungsbereich nach § 2 Abs. 1 VwVfG . . . . . . . d) Das Ratifikationserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Inhalt des Vertrages als ausschlaggebendes Kriterium. . . . . . . . V. Verträge sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Möglichkeit der Zuordnung zu einer anderen Vertragsart. . . . . . 2. Die Einzigkeit der evangelischen Kirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zulässigkeit einer Vertragsform „eigener Art“. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Charakteristika des Kirchenvertrags sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Rechtsraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formale Anforderungen; der Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . .

52 53 53 54 54 56 57 58 60 61 61 62 65 65 68 69

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

Dritter Teil Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge: Gilt der Grundsatz pacta sunt servanda? A. Die Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erlöschensgründe aus Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kündigung der Konkordate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die clausula rebus sic stantibus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluß der clausula rebus sic stantibus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Territoriale Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dem Vertrag widersprechende Gesetze und ihre Auswirkungen auf die Bestandskraft der Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Stellung der Konkordate im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis von Konkordat und lex posterior. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konkordate und untergesetzliche Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkordate und nachfolgende Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Möglichkeit und Grenzen der Aufhebung des Vertragsgesetzes durch lex posterior. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besonderheiten aus dem Landesverfassungsrecht. . . . . . . . . . . . III. Rechtsschutz gegen Konkordatsverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 72 76 76 79 80 81 82 85 85 87 87 88 88 90 91 94

Inhaltsverzeichnis B. Die Verbindlichkeit der dem innerstaatlichen Recht unterliegenden Staatskirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erlöschensgründe aus Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ordentliche Kündigung der Kirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die clausula rebus sic stantibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit von § 60 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die clausula rebus sic stantibus als allgemeiner Rechtsgrundsatz 4. Territoriale Veränderungen auf seiten einer Partei. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dem Vertrag widersprechende Gesetze und ihre Auswirkungen auf die Bestandskraft der Kirchenverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV als Verfügungsermächtigung über den Vertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das „für alle geltende Gesetz“ als Schranke staatlicher Vertragsbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstbindung als Aufgabe oder Ausübung staatlicher Souveränität? a) Die Entwicklung der staatlichen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Grundlegung des Souveränitätsbegriffs durch Jean Bodin (2) Die absolute Souveränität nach Thomas Hobbes und JeanJacques Rousseau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Heutige Anforderungen an souveränes Staatsverhalten . . . . . . b) Das Eingehen vertraglicher Bindungen als Ausübung souveräner Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbstbindung des Gesetzgebers als Problem von Demokratie und Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheit und Revidierbarkeit der demokratischen Entscheidung. . . b) Die Kirchenverträge als Problem der Gewaltenteilung. . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Rechtsstaatsprinzip: Hindernis oder Grundlage einer Bindung? a) Verfassungsrechtliche Gewährleistungen zugunsten der Kirchen . . (1) Die Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bindung an Verträge als Ausfluß des Rechts auf Eigentum? (3) Übrige Wiederholungen verfassungsmäßiger Gewährleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einseitige Aufhebbarkeit des Kirchenvertrages . . . . . . . . . . . . . (2) Aufhebbarkeit des Zustimmungsgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Änderung des Zustimmungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

95 96 96 97 99 99 99 104 109 109 110 112 114 116 116 119 120 123 126 126 130 132 133 134 134 134 136 137 138 142 148 149

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

10

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

153

A. Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Voraussetzungen für den Abschluß von Staatskirchenverträgen. . . . . . . . . . . . . 155 C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Die Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Die Verträge mit anderen Religionsgemeinschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 D. Vergleichsansätze zwischen der spanischen und der deutschen Rechtslage in der spanischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Die derzeit geltenden Staatskirchenverträge in Deutschland (Auswahl) . . . . . 177 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Abkürzungsverzeichnis a. A. AAS Abs. ADEE a. E. a. F. AK-GG

Anm. ARSP Art. Aufl. BayVBl. BayVerf. BbgVerf. Bd. bes. BFHE BGB BGBl. BGH BK BOE BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWVerf. bzw. can.; cann. CE CIC CIE DDR

anderer Auffassung Acta Apostolicae Sedis Absatz Anuario de Derecho Eclesiástico del Estado am Ende alter Fassung Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AlternativKommentar) Anmerkung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Auflage Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern Verfassung des Landes Brandenburg Band besonders Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar zum Grundgesetz Boletín Oficial del Estado Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Landesverfassung Baden-Württemberg beziehungsweise Canon; Canones Constitución Española, Spanische Verfassung Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 Comisión Islámica de España Deutsche Demokratische Republik

12 dens. ders. d.h. dies. Drs. dt. DVBl. ebd. Einf. EKBO EKD ELLM EPIL ev. EvStL f., ff. FCIE FEREDE Fn. FS gem. GG ggf. GOBT GS GVBl. HdbStKirchR HDStR Hervorh. d. Verf. HessVerf. HG HHVerf. HRG Hrsg. HStR ICJR IGH IStR i. S. v. i. V. m.

Abkürzungsverzeichnis denselben derselbe das heißt dieselbe, dieselben Drucksache deutsch Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Einführung Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Evangelische Kirche in Deutschland Evangelisch-lutherische Landeskirche Mecklenburgs Encyclopedia of Public International Law evangelisch Evangelisches Staatslexikon folgende Federación de Comunidades Israelitas de España Federación de Entidades Religiosas Evangélicas de España Fußnote Festschrift gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Geschäftsordnung des deutschen Bundestages Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Deutschen Staatsrechts Hervorhebung durch die Verfasserin Verfassung des Landes Hessen Hochschulgesetz Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg Hochschulrahmengesetz Herausgeber; herausgegeben Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland International Court of Justice, Report of Judgements, Advisory Opinions and Orders Internationaler Gerichtshof Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit

Abkürzungsverzeichnis JöR n. F. kath. LNTS LOLR LSAVerf. LSchlG a. F. LT LThK MAK-GG MVVerf. m. w. N. NdsVerf. NJW NRW NRWVerf. NVwZ ÖAKR OVG PEK Rdnr. resp. RG RGG RGZ RhPfVerf. S.; s. SaarlVerf. SächsVerf. scil. SHVerf. sog. Sp. StIGH ThürVBl. ThürVerf. u. a. Überbl. UN-Charta u. ö. v. a. Verf.

13

Jahrbuch des öffentlichen Rechts, neue Folge katholisch League of Nations Treaty Series Ley Orgánica de la Libertad Religiosa Landesverfassung Sachsen-Anhalt Ladenschlußgesetz alter Fassung (bis zum 31. Oktober 2006) Landtag Lexikon für Theologie und Kirche Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz: Mitarbeiterkommentar und Handbuch Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Verfassung des Landes Niedersachsen Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Österreichisches Archiv für Kirchenrecht Oberverwaltungsgericht Pommersche Evangelische Kirche Randnummer respektive, beziehungsweise Reichsgericht Religion in Geschichte und Gegenwart Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz Satz; Seite; siehe Verfassung des Saarlandes Verfassung des Freistaates Sachsen scilicet, nämlich Verfassung des Landes Schleswig-Holstein sogenannte(r) Spalte Ständiger Internationaler Gerichtshof Thüringer Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Thüringen und andere; unter anderem Überblick Charta der Vereinten Nationen und öfter vor allem Verfasser(in)

14 VerwArch VG vgl. VVDStRL WRV WVK YILC z. B. ZevKR ZG ZtKR

Abkürzungsverzeichnis Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Weimarer Reichsverfassung Wiener Vertragsrechtskonvention Yearbook of the International Law Commission zum Beispiel Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Kirchenrecht

Einleitung Die Frage nach der Bindungskraft der Verträge zwischen Staat und Kirche sei „eines der nie zu lösenden Ewigkeitsprobleme des Staatskirchenrechts“, so lautet die vielzitierte Feststellung Hermann Webers.1 Trotz der bestehenden Unklarheiten hat sich der Brauch, die res mixtae, also die gemeinsamen Angelegenheiten an der Schnittstelle von Staat und Kirche, im Einvernehmen der Parteien zu regeln, seit Jahrhunderten gehalten. Seit einigen Jahren bekommt er sogar wieder neuen Schwung durch die Verträge, in denen die neuen (und auch einige alte) Bundesländer ihr Verhältnis zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften klären. Damit folgen sie einer Entwicklung, die sich im gesamten öffentlichen Bereich herausbildet. Immer öfter regelt der Staat Angelegenheiten nicht mehr einseitig hoheitlich, sondern im Dialog mit den Betroffenen;2 als Beispiele können hier etwa der Atomkonsens oder auch die Hochschulverträge, in denen sich die Landesregierungen mit den Universitäten über deren weitere Entwicklung verständigen, dienen. Daß dies auch international keine Ausnahme ist, zeigt ein Blick nach Spanien.3 Das System der Verträge zwischen Staat und Kirche erfüllt auch weitgehend seinen Zweck, ein friedliches Zusammenleben und -arbeiten zu gewährleisten. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es auch ein Konfliktpotential gibt, in dem ein Wettstreit um die Herrschaft über den Vertrag ausbrechen kann, der sich in kontroversen Gesprächen zwischen den Vertragsparteien, in Plänen zur Vertragskündigung bis hin zu einem Nachdenken über Vertragsbruch ausdrücken kann. Diese Konkurrenz zeigt sich auch in der Nomenklatur: Wurde früher der Begriff „Vertragskirchenrecht“ verwendet, so hat sich heute die Bezeichnung der Verträge als „Staatskirchenverträge“ eingebürgert. Um deutlich zu machen, daß es sich dabei nicht um staatlich-hoheitlich gesetztes Recht und 1

H. Weber, Grundprobleme, S. 53. Th. Anderl, Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln, S. 115 ff.; F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 55 ff.; A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 142. 3 Vgl. etwa M. Camarero Suárez, Los sujetos estatales y confesionales de los Acuerdos, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 209; J. Goti Ordeñana, Sistema de derecho eclesiástico del Estado, S. 262. 2

16

Einleitung

auch nicht um die Wiederherstellung staatskirchlicher Strukturen geht, wird teilweise der Ausdruck „Staat-Kirche-Verträge“4 bevorzugt. Das Anliegen, die besondere Struktur der Verträge zwischen Staat und Kirche hervorzuheben, ist sicherlich berechtigt. Dennoch soll im Folgenden der traditionelle Begriff „Staatskirchenvertrag“ als Oberbegriff für die Verträge mit der katholischen Kirche – die Konkordate – und mit den evangelischen Kirchen – die ich als Kirchenverträge bezeichnen werde – verwendet werden. Gerhard Czermak hat formuliert: „Da die Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen regelmäßig parallel als staatliches Gesetz erlassen werden und insoweit den allgemeinen Regeln unterliegen – insbesondere dem Gebot der Verfassungskonformität und der lex-posterior-Regel – haben die Theoriestreitigkeiten bezüglich der Vertragsebene rechtsdogmatisch an sich nur geringe Bedeutung.“5 Ob diese Auffassung – insbesondere bezüglich der lex-posterior-Regel – zutreffend ist, soll die vorliegende Arbeit untersuchen. Diese Untersuchung wird vom Boden des staatlichen Rechts aus geführt werden, aus Sicht des kirchlichen Rechts mögen sich zum Teil andere Lösungen ergeben.6

4 5 6

So etwa W. Huber, Essener Gespräche 42 (2008), S. 21. G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 71. Hervorhebung im Original. Vgl. dazu U. Scheuner, FS Ruppel, S. 321; H. Weber, Grundprobleme, S. 21.

Erster Teil

Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts Der Staatskirchenvertrag ist ein traditionelles Mittel, die Beziehungen von Staat und Kirche zu regeln.1 Eine umfassende Darstellung seiner Geschichte würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen; daher soll sich die historische Darstellung im Folgenden auf einen Überblick beschränken.

A. Die frühen Staatskirchenverträge Die Frühzeit der Beziehung von Staat und Kirche war geprägt von der Idee des Unum Corpus Christianum, in dem der Papst die geistliche, der Kaiser die weltliche Macht über ein und denselben Herrschaftsbereich ausübte. Beide Mächte waren so eng miteinander verknüpft, daß die Abgrenzung der Befugnisse nicht erforderlich zu sein schien, auch wenn es seit den Anfängen immer wieder Abkommen zwischen weltlicher und geistlicher Macht gab. Diese Verflechtung führte dazu, daß es zu häufigen Interferenzen kam, insbesondere nahm der Kaiser Einfluß auf die Besetzung kirchlicher Ämter. Im Mittelalter suchte die Kirche die Freiheit vom Staat wiederzugewinnen, hauptsächlich im Konflikt mit dem Kaiser über die Investitur der Bischöfe. Der Konflikt um die Vormachtstellung und den Einfluß von Laien auf die Besetzung kirchlicher Ämter gipfelte im Investiturstreit. Ein Kompromiß wurde im Wormser Konkordat zwischen Papst Calixtus II. und Heinrich V. 1122 gefunden, das (neben dem Privileg Urbans II. an Roger I. von Sizilien aus dem Jahre 1098) als das erste Konkordat bezeichnet wird.2 Heinrich V. verzichtete auf die Belehnung der Bischöfe mit Ring und Stab, erhielt dafür aber das Recht, die Bischöfe mit dem Zepter zu be1 Zur Geschichte siehe etwa A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 254 ff. und G. Robbers, Ausgangspunkte, in: R. Puza/A. P. Kustermann (Hrsg.), Neue Verträge, S. 52 ff. 2 H. F. Köck, Concordats, EPIL I, S. 729; D. Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 8 III 2. A. A. E. R. Huber, Verträge, S. 64, Fn. 7, der das Wormser Konkordat ausdrücklich aus seiner rechtlichen Betrachtung ausnimmt, weil es nicht ein Vertrag verschiedener Rechtsverbände, sondern lediglich verschiedener Organe eines einzigen Rechtsverbandes, eben des Unum Corpus Christianum, sei.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

lehnen. Hier kommt es also zur Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Macht: Das kirchliche Amt wird von der Kirche verliehen, die temporalia – die weltlichen Besitztümer der Bischöfe – unterliegen der Verfügungsgewalt des Königs, eine Trennung, die sich in der weiteren Entwicklung fortsetzt.3 Schon an diesem Konkordat entzündeten sich jedoch charakteristische Streitigkeiten, die sich auch in späteren Konkordatskonflikten wiederfinden. So strebten schon Heinrichs Nachfolger eine Lösung von dem Konkordat an,4 und auch in der Literatur wurde später die Auffassung vertreten, das Konkordat sei auf die Lebenszeit Heinrichs V. beschränkt gewesen und habe nicht für seine Nachkommen gegolten. Interessanterweise gibt es für diese Auffassung zwei gegenläufige Begründungsstränge: Nach dem einen hatte Papst Calixtus das Privileg, an der Einsetzung geistlicher Würdenträger mitwirken zu dürfen, nur an Heinrich persönlich erteilt;5 andersherum gesehen habe Heinrichs Verzicht auf Einfluß bei der Wahl der Würdenträger nicht zu einem dauernden Verlust des königlichen Rechtes auf die Investitur führen können.6 Dies entspricht in etwa den später vertretenen Auffassungen, die die Konkordate entweder als päpstliche oder staatliche Privilegien bezeichneten. Es folgten verschiedene Konkordate im späten Mittelalter, unter ihnen hervorzuheben die erstmals als „concordata“ bezeichneten Übereinkommen, die 1418 auf dem Konstanzer Konzil geschlossen wurden, ebenso die sog. Fürstenkonkordate des Jahres 1447 und das Wiener Konkordat von 1448, das bis 1803 in Geltung blieb.7 Die eigentliche Zeit der Staatskirchenverträge beginnt in Deutschland aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts; Auslöser dieser Entwicklung war das französische Konkordat von 1801, in dem der Heilige Stuhl zum ersten Mal auf einen säkularen Staat traf. Seit 1804 gab es auch in Deutschland Bestrebungen, zu einem Reichskonkordat mit dem Heiligen Stuhl zu gelangen, 1807 gab es Vorarbeiten zu einem Konkordat auf seiten des Rheinbundes, beide Projekte scheiterten jedoch.8 Statt dessen entwickelte sich das 19. Jahrhundert zur „Epoche der Landeskonkordate“9. 3

Dazu Chr. Hillgruber, DVBl. 1999, S. 1162. So J. W. Textor, Jus Publicum Caesareum § 63 f., S. 331 f., zitiert nach P. Kopfermann, Das Wormser Konkordat, S. 45. 5 W. Hartmann, Investiturstreit, RGG IV, Sp. 214. 6 J. W. Textor, Jus Publicum Caesareum § 58, S. 330, zitiert nach P. Kopfermann, Das Wormser Konkordat, S. 45. 7 Dazu A. Hollerbach, Konkordat, StL III, Sp. 619; H. F. Köck, Concordats, EPIL I, S. 729. 8 Dazu A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 8; E. R. Huber/ W. Huber, Staat und Kirche im 20. Jhd., Bd. I, Nrn. 8, 16. 9 E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 418. 4

A. Die frühen Staatskirchenverträge

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Das erste „moderne“ Konkordat in Deutschland wurde das Konkordat in Bayern, das 1817 folgte.10 Hier zeigte sich aber auch schon das Konfliktpotential zwischen dem Vertragsrecht und dem staatlichen Selbstbehauptungswillen; wenige Tage, bevor das Konkordat im Gesetzblatt veröffentlicht wurde, wurde das bayerische Religions-Edikt erlassen, das in einigen Punkten in Widerspruch zum Konkordat stand und vor diesem Vorrang beanspruchte.11 Mit diesem Konkordat begann eine Phase der Konkordate, in der der Staat Superiorität gegenüber dem kirchlichen Partner beanspruchte. Die diesem Verständnis zugrundeliegende Legaltheorie, die bereits im Mittelalter ihre Wurzeln hat, erfuhr im 19. Jahrhundert ihre dogmatische Ausgestaltung. Sie geht davon aus, daß eine verbindliche staatskirchenrechtliche Ordnung nur durch Staatsgesetz begründet werden könne, und ist eine der zwei historisch überkommenen Theorien, die das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen Staat und Kirche jeweils vom guten Willen eines der Vertragspartner abhängig machen. Demzufolge handelt es sich bei den Staatskirchenverträgen nicht um echte Verträge, an die beide Seiten gebunden sind, sondern um Vergünstigungen, die einseitig gewährt und deshalb auch einseitig wieder genommen werden können.12 Wie im Konflikt über das Bayerische Konkordat deutlich wurde, betonten die Vertreter der sogenannten „Legaltheorie“ die Suprematie des Staates, verbindlich sei allein das Staatsgesetz, nicht aber die vertragliche Vereinbarung.13 Danach handelt es sich bei Staatskirchenverträgen um paktierte Gesetzgebung – der Vertrag ist nur Vorbereitungshandlung für das Staatsgesetz, hat aber keine Rechtskraft. Deshalb kann der staatliche Gesetzgeber das Vertragsgesetz auch jederzeit ändern oder aufheben.14 Die Lehre von der Vorherrschaft des Staates über die Kirche hatte Georg Wilhelm Friedrich Hegel 10 E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 419 ff.; H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 195 ff. 11 s. dazu unten Dritter Teil, B.II.5. 12 E. Ruffini, La Personalità Giuridica, S. 55. Zum Theorienstreit auch M. Bierbaum, Konkordat, S. 107 ff.; E. R. Huber, Verträge, S. 67 ff. und K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 93. 13 So B. Hübler, ZtKR 4 (1864), S. 120; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 278; R. Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, S. 13 f., 50 f. Dazu H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 181; ähnlich auch heute noch D. Pirson, Rechtsqualität, in: R. Puza/A. P. Kustermann, Neue Verträge, S. 47: „Die Rechtssetzung aufgrund eines abgeschlossenen Kirchenvertrags erweist sich lediglich als eine Modalität, in der der Staat von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch macht. Ebensowenig wie der Abschluß eines Kirchenvertrags Handlungsmöglichkeiten des Staates mindert, erweitert er diese.“ 14 Dazu H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 198; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 287.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

in seinen staatsphilosophischen Schriften begründet,15 zur vorherrschenden Lehre wurde sie vor allem am Ende des 19. Jahrhunderts.16 Nach Rudolf Sohm sind die Staatskirchenverträge mitnichten beidseitig bindende Verträge, in ihnen liege nur „der Ausdruck eines juristisch irrelevanten Consenses der Kirche zu einem staatlichen Gesetzgebungsact“17. In etwas abgemilderter Form wurden Anfang des 20. Jahrhunderts zwar die Staatskirchenverträge als Verträge anerkannt, sie wurden aber als reine Verwaltungsverträge eingeordnet und damit dem Vorbehalt des Gesetzes unterstellt.18 Diametral entgegengesetzt stand dem die in der katholischen Kirche seit jeher vorherrschende Privilegientheorie – danach stellten die Konkordate bloße Gnadenerweise des Papstes an den weltlichen Herrscher dar. Schon früh bezog die Kirche den Standpunkt ihrer Superiorität über die weltlichen Herrscher, bezeugt u. a. in der päpstlichen Bulle „Unam Sanctam“ Bonifaz’ VIII. vom 18. November 1302.19 Mit der Lehre, die Welt werde von zwei Schwertern – dem geistlichen und dem weltlichen – regiert, das weltliche aber müsse dem geistlichen untergeordnet sein, suchte die Kirche die Vormachtstellung des Papstes zu begründen. Ihren Ursprung hat diese Lehre schon im 5. Jahrhundert bei Papst Gelasius, zunächst, um der Kirche die Unabhängigkeit von weltlicher Einflußnahme zu erstreiten,20 ging dann aber über in die Inanspruchnahme eines Vorrangs des Papstes vor der weltlichen Macht. Daher seien die Konkordate keinesfalls echte Verträge, die auch den Papst bänden, sondern nur Vergünstigungen, die dieser dem weltlichen Herrscher aus Gnade gewähre, und die er selbstverständlich auch jederzeit zurücknehmen könne.21 Bereits im 16. Jahrhundert hatte sich eine dritte Ansicht entwickelt, die unter Berufung auf den allgemeinen Grundsatz pacta sunt servanda in den 15 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 270, S. 422. Ähnlich hatte sich auch bereits Samuel von Pufendorf eingelassen, dazu H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 411 ff. 16 B. Hübler, ZtKR 4 (1864), S. 105 ff.; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 267 ff.; R. Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, S. 53. 17 R. Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, S. 53. 18 Dazu E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 905. 19 Text bei C. Mirbt/K. Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, Nr. 746. Dazu R. Zippelius, Staat und Kirche, S. 59 ff. 20 Vgl. R. Zippelius, Staat und Kirche, S. 23. 21 C. Tarquini, Iuris Ecclesiastici Publici Institutiones, S. 73 f. Diese sog. „Privilegientheorie“ spiegelt sich auch in der Judikatur der Römischen Rota, die in ihrer Entscheidung vom 15. März 1610 feststellte, „[q]uae alias dicuntur, quod concordata Germaniae habent vim contractus, non sunt vera, quod [. . .] papa per ejusmodi concordata nihil de novo acquisivit, sed multum de jure suo remisit, unde remanet merum privilegium.“; zitiert nach B. Hübler, ZtKR 4 (1864), S. 414, Fn. 34. Vgl. dazu W. Kahl, Kirchenrecht, S. 241; E. Lange-Ronneberg, Die Konkordate, S. 47 ff.

B. Staatskirchenverträge in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 21

Konkordaten echte Verträge mit der Kraft, beide Seiten zu verpflichten, sah.22 Diese verbreitete sich im Laufe des 20. Jahrhunderts, bis sie zum Ende der Weimarer Republik zur in Staat und Kirche herrschenden Auffassung geworden war,23 was sie auch heute noch ist, auch wenn man geneigt sein könnte, in dem Versuch einseitigen Abweichens von den Kirchenverträgen eine Rückkehr des staatlichen Partners zur Legaltheorie zu sehen. Aufgrund des in den protestantischen Ländern vorherrschenden landesherrlichen Kirchenregiments wurden diese von der Entwicklung erst später erfaßt. Erste Partikularverträge gehen auf die 1870er Jahre zurück24 und wurden von Hamburg und dem Großherzogtum Oldenburg mit den jeweiligen Landeskirchen geschlossen, in Oldenburg folgte ein weiterer Vertrag 1883.25

B. Staatskirchenverträge in der Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus Einen neuen Höhepunkt erreichte das Staatskirchenvertragswesen nach dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919, die in Art. 137 Abs. 1 die Trennung von Staat und Kirche postulierte, gleichzeitig in den nachfolgenden Artikeln aber die Möglichkeit der Kooperation eröffnete. Wenn auch noch eine ganze Weile Vorstellungen vom staatlichen Aufsichtsrecht über die (evangelischen) Kirchen fortlebten,26 eröffneten sich dadurch doch neuere und weitere Möglichkeiten zur vertraglichen Übereinkunft des Staates mit den Kirchen. Es folgten eine Reihe von Vertragsschlüssen der Länder mit der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen. Vorreiter war hier wiederum Bayern, das 1924 Verträge mit der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen in Bayern schloß, gefolgt von Preußen 1929 bzw. 1931 und – kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten – 22

Dazu K. Obermayer, DÖV 1967, S. 509 ff. Dazu E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 905. Aus dem Schrifttum W. Kahl, Kirchenrecht, S. 243; H. Kelsen, Staatslehre, S. 136; E. LangeRonneberg, Die Konkordate, S. 125; H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 391 (für die evangelischen Kirchenverträge S. 402); A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 152 ff. Zur kirchlichen Auffassung Pius XII., Enzyklika Summi Pontificatus, AAS 1939, S. 584. 24 Dazu A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 15; E. R. Huber, Verträge, S. 65; ders., Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 834 ff., sowie ders., Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 903 f. 25 Dazu E. R. Huber, Verträge, S. 65. Vgl. auch dens., Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 88 ff. 26 Vgl. K. Müller, DÖV 1955, S. 426; U. Scheuner, Kirche und Staat in der neueren deutschen Entwicklung, ZevKR 7 (1959/1960) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 140 ff. 23

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

Baden 1932. Gerade im Fall Badens erkennt man die besondere Bedeutung, die den Staatskirchenverträgen zugemessen wurde: Die Sicherung des Inkrafttretens durch den Austausch der Ratifikationsurkunden war die letzte Amtshandlung, die die Badische Regierung in größter Eile am Vormittag des 10. März 1933 noch vornahm, bevor die Regierung um 12 Uhr durch die Nationalsozialisten entsetzt wurde.27 Diese Verträge gelten zum Teil bis heute, so die badischen und die bayerischen Verträge (letztere in den bereinigten Fassungen von 1987) und das Preußische Konkordat in den meisten ehemals preußischen Gebieten. Nach über 130 Jahre währendem Bemühen28 kam es schließlich am 20. Juli 1933 zur Unterzeichnung des Reichskonkordats. Geschlossen, um der Kirche auch im Nationalsozialismus ein Mindestmaß an Unabhängigkeit zu gewähren, konnte es doch die „Schikanen“ der nationalsozialistischen Regierung nicht gänzlich verhindern. Auch dieses steht heute noch in Geltung. Durch die Subsidiaritätsklausel einerseits29 und die Entscheidung des BVerfG im sog. „Konkordatsstreit“30, nach der die Länder nicht zur Befolgung des Reichskonkordats verpflichtet sind, andererseits sind seine Anwendungsfelder jedoch recht gering. Hatte sich auch in der Weimarer Zeit die Auffassung weitgehend durchgesetzt, daß es sich bei den Kirchenverträgen auch mit den evangelischen Kirchen um echte Verträge handelte,31 so war doch umstritten, welche Rechtsnatur ihnen zuerkannt werden sollte, und ob einer Vertragspartei letztendlich die Verfügungsmacht über den Vertrag zustehe. Anfangs wurde hier zwischen den Konkordaten mit dem Heiligen Stuhl, die völkerrechtlicher bzw. quasi-völkerrechtlicher Natur seien,32 und den Verträgen mit den evangelischen Landeskirchen, die zumeist als Verwaltungsverträge unter der Hoheit des Staates bezeichnet wurden,33 differenziert. In späteren Jahren, als sich die These durchsetzte, evangelische und katholische Kirche seien gleichermaßen unabhängig vom Staat, kam die Überzeugung auf, beide Ar27 Dazu A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 66 mit Fn. 75. 28 Vgl. dazu oben Erster Teil, A. 29 Art. 2 Reichskonkordat. 30 BVerfGE 6, 309. 31 s. dazu Erster Teil, A. 32 M. Bierbaum, Konkordat, S. 107, 138 ff.; E. Lange-Ronneberg, Die Konkordate, S. 125; J. B. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 58 ff. 33 G. Holstein, Die Grundlagen des evangelischen Kirchenrechts, S. 372 f. Differenzierend H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 394. Zur dahingehenden Auffassung der damaligen Bayerischen Regierung s. E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 905 mit Fn. 14.

C. Die Staatskirchenverträge nach dem Zweiten Weltkrieg

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ten von Staatskirchenverträgen seien gleich zu behandeln und bildeten eine eigene Gattung des „koordinationsrechtlichen Vertrages sui generis“.34

C. Die Staatskirchenverträge nach dem Zweiten Weltkrieg I. Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit Die Entwicklung zu einer Kooperation von Staat und Kirchen setzte sich nach dem Ende des Dritten Reiches fort. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die evangelischen Kirchenverträge die Vorreiterrolle.35 Die katholische Kirche war zum einen mit den Länderkonkordaten aus der Weimarer Zeit erst einmal befriedigt,36 war aber gleichzeitig von dem „Konkordatsstreit“ um das Fortgelten des Reichskonkordats, der schließlich durch das Urteil des BVerfG37 beendet wurde, in Anspruch genommen.38 So entstand als erster Nachkriegsvertrag 1955 der sog. Loccumer Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und den evangelischen Landeskirchen.39 Es folgten umfassende Vertragsschlüsse mit den evangelischen Kirchen in Hessen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Schließlich wurde 1965 mit dem Niedersachsenkonkordat das erste Nachkriegskonkordat in der Bundesrepublik geschlossen, dann ebbte die Flut der neuen staatskirchenvertraglichen Regelungen wieder ab.40 Mit dem Konkordatsurteil setzte sich die Zuordnung der Konkordate zum Völkerrecht nun endgültig durch. Die evangelischen Kirchenverträge wurden allgemein als Staatsverträge bezeichnet. Die Einordnung als schlichte Verwaltungsverträge konnte sich in der Vertragspraxis ebensowenig durchsetzen wie die Auffassung, Konkordate und evangelische Kirchenverträge seien gleichermaßen Verträge sui generis.41 34 So v. a. E. R. Huber, Verträge, S. 75 ff.; Th. Sanders, Der Einfluß der Staatensukzession auf die Rechtslage der kath. Kirche, S. 98. 35 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 40; K. Müller, DÖV 1955, S. 421; U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 301 f. 36 S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 35; K. Müller, DÖV 1955, S. 421. 37 BVerfGE 6, 309. 38 A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 45; U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 312 f. 39 Dazu K. Müller, DÖV 1955, S. 421 ff.; U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 301 ff. Aus neuerer Zeit A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 40. 40 Vgl. die Auflistung unten S. 177 f. 41 Vgl. dazu unten Zweiter Teil.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

II. Deutsche Demokratische Republik In der DDR bestanden keine geregelten Vertragsbeziehungen zwischen Staat und Kirchen. Die Vorkriegsverträge, insbesondere Reichs- und Preußenkonkordat sowie der Preußische evangelische Kirchenvertrag wurden nicht offiziell für nichtig erklärt, sie wurden allerdings auch nicht weiter angewandt. Zwar erfolgten Staatsleistungen an die Kirchen, dies aber nur unregelmäßig und nicht mit dem Ziel der Erfüllung vertraglich begründeter Ansprüche; man muß vielmehr davon ausgehen, daß die Gewährung oder Nichtgewährung willkürlich und zur Erzwingung von Wohlverhalten erfolgte.42 Inwieweit die Verträge unter diesen Umständen die DDR überstanden haben oder untergegangen sind, ist umstritten.43 Für das Preußenkonkordat kann es dahinstehen bleiben; Art. 11 des Einigungsvertrages bestimmt die weitgehende Erstreckung der vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf das ehemalige Gebiet der DDR. Zumindest dadurch wird – unabhängig davon, ob es in der DDR selbst weitergegolten hat – auch das Reichskonkordat erfaßt, das wiederum die Geltung des Preußenkonkordats in den Nachfolgeländern Preußens voraussetzt.44 Diese Frage hat sich auch faktisch mittlerweile erledigt; die neuen evangelischen Kirchenverträge in den neuen Bundesländern traten ausdrücklich an die Stelle der alten. In den katholischen Verträgen wird stets auf die alten Konkordate abgestellt, ohne ihre Fortgeltung aber ausdrücklich zu postulieren. Allerdings sind die meisten Materien in den neuen Konkordaten auch einer neuen Regelung zugeführt worden, so daß die neuen Verträge insoweit ohnehin an die Stelle ihrer Vorläufer treten; die Unklarheit über die Fortgeltung ist daher auch auf katholischer Seite nicht weiter von Belang, die Verhältnisse richten sich nach den neuen Verträgen. III. Die Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland Das Problem der Bindung an die Staatskirchenverträge schien bis vor wenigen Jahren fast erledigt zu sein, da diesen weithin keine große zukünftige Bedeutung verheißen wurde.45 Geändert hat sich dies, seit nach der Wieder42 A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/ N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 223. 43 Für eine Fortgeltung J. Depenbrock, NVwZ 1992, S. 736 ff.; ders., ZevKR 38 (1993), S. 413 ff. A. A. mit ausführlichen Nachweisen zum Streitstand A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 221 f. 44 W. Rüfner, FS Thieme, S. 349. Vgl. dazu ausführlich unten Dritter Teil, A.I.4. 45 So z. B. Chr. Link, Neuere Entwicklungen, S. 40 f.; ebenso auch noch H. Weber, NVwZ 1994, S. 766.

C. Die Staatskirchenverträge nach dem Zweiten Weltkrieg

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vereinigung in allen neuen Bundesländern sehr rasch Vertragsverhandlungen mit den beiden großen Kirchen sowie mit den jüdischen Gemeinschaften aufgenommen wurden.46 Damit wurde die Institution des Staatskirchenvertrags auch in den alten Bundesländern wieder neu belebt. Nachdem im Zuge dieser Entwicklung die Diskussionen über die generelle Zulässigkeit der Staatskirchenverträge abgeflaut sind, zweifeln nun auch Kritiker nur noch an einzelnen Inhalten der Vertragswerke.47 Der Abschluß der Kirchenverträge in den neuen Bundesländern setzte auch in den alten Ländern eine neue Dynamik staatskirchenvertraglicher Einigungen in Gang. Verträge des Landes Bremen mit den beiden Großkirchen folgten in den Jahren 2001 bzw. 2003. Damit war Hamburg das letzte Land ohne rechtliche Regelung des Staat-Kirche-Verhältnisses. Nachdem erste Versuche, in Hamburg einen Staatskirchenvertrag zu erreichen, 2003 auf Betreiben des damaligen Innensenators Ronald Schill auf Eis gelegt worden waren, wurden die Verhandlungen Ende Februar 2005 wiederaufgenommen.48 Die Unterzeichnung der Verträge mit den beiden Großkirchen erfolgte am 29. November 2005, die Ratifikationsurkunden wurden am 9. Oktober 2006 mit der katholischen Kirche, am 11. Oktober mit der evangelischen Kirche ausgetauscht, so daß die Verträge am 10. bzw. 12. Oktober 2006 in Kraft treten konnten49. Am 20. Februar 2006 schließlich wurde der evangelische Kirchenvertrag für Berlin unterzeichnet. Dieser stellt die bislang nur provisorisch (im „Abschließenden Protokoll“ vom 2. Juli 1970)50 geregelten Verhältnisse zwischen dem Land Berlin und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz nun auf eine vertragliche Grundlage. Die Ratifikationsurkunden wurden am 18. April 2007 ausgetauscht. Für die Beziehungen zur katholischen Kirche verbleibt es zunächst bei der Geltung des „Abschließenden Protokolls“ vom 2. Juli 1970, das im wesentlichen mit dem evangelischen Abschließenden Protokoll übereinstimmt. In Schleswig-Holstein wurden am 8. Mai 2007 – 50 Jahre nach dem Abschluß des Kieler Vertrages – Vertragsverhandlungen über ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl in die Wege geleitet. 46

Zu den Gründen dafür siehe A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 216 f. 47 So etwa G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 73; L. Renck, DÖV 1997, S. 935. 48 Meldung des epd, 23. Februar 2005; Die Welt, 24. Februar 2005, S. 34. 49 Art. 23 Abs. 2 des Hamburger Konkordats bzw. Art. 25 Abs. 2 S. 2 des Hamburger Kirchenvertrags. 50 Dazu W. Rüfner, FS Starck, S. 1185 ff.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts

Am 17. Oktober 2007 schließlich unterzeichneten der Ministerpräsident Baden-Württembergs und die Landesbischöfe der Badischen und der Württembergischen Landeskirchen einen Vertrag, der Vertrag trat am 10. April 2008 in Kraft. Mit diesem ist für das Gebiet der Württembergischen Landeskirche das Verhältnis zum Staat zum ersten Mal vertraglich geregelt worden; für die Badische Landeskirche ersetzt dieser Vertrag den Badischen Kirchenvertrag von 1932, für den Bereich Sigmaringen den Preußischen Kirchenvertrag. Auf Bundesebene wurde 2003 ein neuer Vertrag geschlossen, erstmals nicht mit einer Großkirche, sondern mit dem Zentralrat der Juden.51

51 Vertrag vom 27. Januar 2003. Zu dessen Kompetenzmäßigkeit s. unten Zweiter Teil, B.V.4.c).

Zweiter Teil

Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge Die Beantwortung der Frage nach der Bestandskraft der staatskirchenrechtlichen Verträge steht und fällt mit der Beantwortung der Frage nach ihrer Rechtsnatur. Denn von der Rechtsnatur der Verträge hängt es ab, in welchem Verhältnis sie zu (späterer) staatlicher Rechtssetzung stehen und inwiefern sie gegen diese bestehen können. So ist zunächst zu klären, ob der Vertrag im Völkerrecht wurzelt und seine Geltung sich daher nach den völkerrechtlichen Regeln richtet, oder ob er seine Grundlage im staatlichen Recht hat. Ähnlich den völkerrechtlichen Regeln wäre die Gültigkeit der Staatskirchenverträge zu beurteilen, wenn es sich um Staatsverträge handelte, die nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind. Wären sie jedoch bloß verwaltungsrechtliche Verträge, wären die §§ 54 ff. VwVfG1 einschlägig. Sollte sich herausstellen, daß die Staatskirchenverträge durch keine der genannten Vertragsarten zureichend beschrieben werden, müssen eigene Kriterien entwickelt werden, welche Geltungskraft die Staatskirchenverträge haben. Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge gehört zu den kontrovers diskutiertesten Themen des Staatskirchenrechts2 und hat zu einer Unzahl von Veröffentlichungen geführt, ohne daß aber bislang eine einhellige Antwort gefunden worden wäre.3

A. Die Konkordate Als Konkordate werden traditionell die Verträge mit dem Heiligen Stuhl bezeichnet, die in feierlicher diplomatischer Form mit dem Ziel abgeschlos1 Im Sinne der Übersichtlichkeit wird das VwVfG ohne den Landeszusatz zitiert; gemeint sind stets die entsprechenden Normen der VwVfGe der Länder. 2 Dies stellte auch 1929 schon E. Lange-Ronneberg, Die Konkordate, S. 47 fest. 3 s. dazu die Monographien von A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965; E. R. Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich, 1930, sowie aus neuerer Zeit H. U. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Bundesländern durch Staatskirchenverträge, 2000, und D. Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, 2000.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

sen werden, alle Gegenstände, die Staat und Kirche gleichermaßen berühren, umfassend zu regeln.4 Ebenso traditionell ist es, sie als völkerrechtliche Verträge zu betrachten.5 Jedoch war diese Frage nie unumstritten. Sie soll deshalb im Folgenden behandelt werden. Unter einem völkerrechtlichen Vertrag wird „jede zwischen zwei [. . .] vertragsfähigen Völkerrechtssubjekten getroffene Vereinbarung, die dem Völkerrecht unterliegt“6 verstanden. Zwingende Voraussetzung für die Qualifikation der Konkordate als völkerrechtliche Verträge ist also zunächst, daß die Vertragspartner Völkerrechtssubjekte sind, dann, daß die Konkordate auch auf dem Gebiet des Völkerrechts geschlossen werden. I. Der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt Der Heilige Stuhl7 als Verkörperung der katholischen Kirche ist von alters her als Subjekt des Völkerrechts anerkannt worden, unabhängig von der weltlichen Stellung als Oberhaupt des Kirchenstaates bzw. heute des Staates der Vatikanstadt.8 Dies wurde besonders in der Zeit zwischen 1870 4 Vgl. dazu nur A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 254 und H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 316 m. w. N. sowie J. Listl, Konkordate I, S. 6. 5 BVerfGE 6, 309 (332); Denkschrift zum Brandenburgischen Konkordat, LTDrs. 3/6879, S. 1; Begründung zum Zustimmungsgesetz zum Schweriner Konkordat, LT-Drs. 2/3100, S. 17. In der Literatur M. Bierbaum, Konkordat, S. 107; D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 292 ff.; R. R. Haule, Der Heilige Stuhl im Völkerrecht, S. 174 ff.; M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 101; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 10; G. Robbers, Ausgangspunkte, in: R. Puza/A. P. Kustermann (Hrsg.), Neue Verträge, S. 56; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 323; Chr. Waldhoff, Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: H. M. Heinig/Chr. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 262; D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 49 ff. Mit Einschränkungen auch H. U. Anke, Neubestimmung, S. 131. A. A. W. Wengler, in: Giese, Friedrich/Heydte, Friedrich August von der (Hrsg.), Der Konkordatsprozeß III, S. 1257. 6 W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 1. 7 Zum Begriff vgl. can. 361 CIC. 8 J. Hatschek, Völkerrecht als System rechtlich bedeutsamer Staatsakte, S. 74; Chr. Hillgruber, Völkerrecht – Kirche im Völkerrecht, RGG VIII, Sp. 1162; W. Kahl, Kirchenrecht, S. 243; O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 227; H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 32 ff., 106; H. Liermann, AöR n. F. 18 (1930), S. 383; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 20; A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 151 f.; Chr. Waldhoff, Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: H. M. Heinig/Chr. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 257 ff.; ders., Essener Gespräche 42 (2008), S. 83 ff. Damit gehört der Heilige Stuhl – neben dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und dem Souveränen Malteserorden – zu den drei traditionell als Subjekte

A. Die Konkordate

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und 1929 deutlich, als die internationale Gemeinschaft den völkerrechtlichen Kontakt mit dem Heiligen Stuhl auch nach der Zerschlagung des Kirchenstaates und vor Gründung des Staates der Vatikanstadt aufrechterhielt.9 Schon während des zeitweiligen Verlustes des Kirchenstaates an Napoleon I. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte Frankreich dem Heiligen Stuhl in einem Abkommen auch ohne den Kirchenstaat u. a. die Beibehaltung des Gesandtschaftsrechts ausdrücklich zugesichert.10 Auch nach dem Untergang des Kirchenstaates ging die überwiegende Staatenpraxis vom Fortbestehen (also nicht der vom Staatsgebiet losgelösten Neubegründung!)11 der Völkerrechtspersönlichkeit des Heiligen Stuhles aus, nochmals hervorgehoben in den Lateranverträgen.12 Zum Teil wurde in der Lehre die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls nach dem endgültigen Untergang des Kirchenstaates als ebenfalls erloschen und als nur im Hinblick auf den Zwergstaat der Vatikanstadt neubegründet betrachtet.13 Dies beruht jedoch auf einer fälschlichen Gleichsetzung der Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls mit der des Kirchenstaates.14 Die Unabhängigkeit der Völkerrechtssubjektivität von der Staatlichkeit des Kirchenstaats deutet sich auch an in der Tatsache, daß seit dem Règlement sur le rang entre les Agents diplomatiques 1815 der päpstliche Nuntius die Stellung des Doyen des Diplomatischen Corps innehat, was durch die Wiener Diplomatenrechtskonvention 1961 bestätigt wurde. Ebenso wie der Vatikanstaat heute, war auch der frühere Kirchenstaat als Staat weltpolitisch unbedeutend – die Bevorzugung des päpstlichen Nuntius kann also nur durch die Anerkendes Völkerrechts anerkannten nichtstaatlichen Entitäten; dazu V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 1 ff. Kritisch E. R. Huber, Verträge, S. 71 ff.; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 280, 283. Ausführlich zur Völkerrechtssubjektivität im Allgemeinen und insbesondere des Heiligen Stuhles R. R. Haule, Der Heilige Stuhl im Völkerrecht, S. 11–161. 9 Dazu ausführlich H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 63 ff., insbesondere S. 89–136; J. L. Kunz, AJIL 46 (1952), S. 311; Chr. Waldhoff, Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: H. M. Heinig/Chr. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 257. 10 Dazu H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 51–53. 11 So auch ausdrücklich A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 152. 12 Art. 2 und 24 des Ersten Lateranvertrages von 1929. Bereits vor den Lateranverträgen bekräftigt von W. Kahl, Kirchenrecht, S. 243. Dazu auch R. R. Haule, Der Heilige Stuhl im Völkerrecht, S. 76, 78 f.; O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 228; J. L. Kunz, AJIL 46 (1952), S. 309; H. Liermann, AöR n. F. 18 (1930), S. 383. 13 F. v. Liszt/M. Fleischmann, Völkerrecht, 12. Aufl., S. 92 f.; a. A. J. Hatschek, Völkerrecht als System rechtlich bedeutsamer Staatsakte, S. 74. 14 W. Kahl, Kirchenrecht, S. 243; J. L. Kunz, AJIL 46 (1952), S. 309; A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 152.

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nung der Bedeutung des Heiligen Stuhls unabhängig von seiner staatlichen Organisation erklärt werden.15 Auch heute noch wird die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls vielfach als außerordentlich und dem Völkerrecht systemfremd dargestellt, schließlich sei das Völkerrecht in seinem eigentlichen Kern das Recht der Staaten.16 Danach muß es natürlich verwundern, daß ein Gebilde wie der Heilige Stuhl – noch dazu in Verkörperung durch die Person des Papstes – eine Rechtsperson dieses Rechtskreises, in den er so gar nicht zu passen scheint, sein soll. Diese Betrachtungsweise vernachlässigt jedoch, daß die Konkretisierung des Völkerrechts als Recht der Staaten ein relativ neuer Gedanke ist, der erst im Lauf des 18. Jahrhunderts aufkam; vorher war Rechtssubjekt der Fürst, der Souverän, der auch Vertragspartner völkerrechtlicher Verträge war.17 Diese Vorstellung liegt auch noch der Formulierung des modernen Souveränitätsbegriffs durch Jean Bodin zugrunde, der sie im „Prince souverain“ (oder auch mehreren „Princes souverains“) verkörpert sieht, wenn er auch bereits zu abstrahieren beginnt und die Souveränität als „puissance absoluë et perpetuelle d’une Republique“18 bezeichnet.19 Erst mit der Aufklärung wurde der Staat zum Zuordnungssubjekt des Völkerrechts.20 Und erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Völkerrecht als „Staatenrecht“21 bezeichnet. Unter dieser Prämisse war die Behandlung des Papstes als Völkerrechtssubjekt in ihrem Ursprung keineswegs untypisch, sondern spiegelte seine Macht, die durchaus der der weltlichen Territorialherren ver15 A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 153; zur Stellung des apostolischen Nuntius auch ausführlich H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 173 ff., bes. S. 202 ff., 285 ff. 16 So z. B. L. Renck, DÖV 1997, S. 931. 17 Dazu V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 16; Chr. Möllers, Souveränität, EvStL, Neuausgabe, Sp. 2175; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 20; G. Westdickenberg, Heiliger Stuhl, in: A. Zimmermann (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, S. 55. Zu den antiken Souveränitätskonzepten, die ebenfalls den Herrscher als Träger der Souveränität betrachten, vgl. V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 4 ff. 18 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 122. 19 Vgl. dazu U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 57 ff., bes. 69. Zur Entwicklung der Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates in Abkehr von der Fürstensouveränität H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 471 ff. 20 Vgl. V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 1 ff., insb. Rdnr. 19 ff. 21 F. v. Liszt, Völkerrecht, 10. Aufl., S. 1, der folgerichtig dem Heiligen Stuhl auch die Völkerrechtssubjektivität abspricht, ebd. S. 50. Eine ähnliche Bezeichnung wählt auch J. Hatschek, Völkerrecht als System rechtlich bedeutsamer Staatsakte, S. 1, der dennoch die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhles anerkennt, ebd., S. 74.

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gleichbar war; sie war somit nur folgerichtige Konsequenz aus der sehr personenbezogenen Sicht des Völkerrechts. Bei den Staaten ging die Souveränität mit der Zeit auf das Staatsgebilde mit seinem territorialen Bezug über.22 Der Heilige Stuhl aber ist zwar souverän, herrschte aber nie über ein einheitliches Staatsgebiet, sondern über die Gemeinschaft der (römisch-katholischen) Christen auf der ganzen Welt, so daß also der Übergang der Souveränität auf ein Staatsgebilde nicht möglich war.23 In der Anerkennung des Heiligen Stuhls als Person des Völkerrechts liegt ein Relikt aus der früheren Zeit.24 Sie stellt den Überrest der alten Souveränitätskonzeption dar, die Souveränität zum einen einer einzelnen Person zusprach, zum anderen an die Herrschaft über eine Personengesellschaft band, nicht an Herrschaft über ein Territorium. Aufgrund der fortdauernden Anerkennung durch die Staatengemeinschaft ist diese Form der „personalen“ Völkerrechtssubjektivität auch weiterhin aktuell.25 Die Völkerrechtssubjektivität ist eine Eigenschaft, die maßgeblich, wenn nicht sogar ausschließlich, von der Anerkennung durch die Internationale Gemeinschaft bestimmt wird.26 Zwar ist das „typische“ Völkerrechtssubjekt der Staat, auch aus heutiger Sicht des Völkerrechts ist aber die Zuerkennung von Völkerrechtssubjektivität an nichtstaatliche Einrichtungen kein Unikum – so wird den Internationalen Organisationen zumindest partielle Völkerrechtsfähigkeit zugestanden.27 Auch nach dem Untergang des Kirchenstaates ging die überwiegende Staatenpraxis vom Fortbestehen der Völkerrechtspersönlichkeit des Heiligen Stuhls aus, nochmals hervorgehoben in den Lateranverträgen.28 Seither ist die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhles in der Praxis unbestritten. Der Heilige Stuhl unterhält derzeit diplomatische Beziehungen zu 176 Staaten29, 22

Chr. Möllers, Souveränität, EvStL, Neuausgabe, Sp. 2175. Hier muß wieder der Heilige Stuhl als Oberhaupt der katholischen Kirche vom Herrscher über den Kirchenstaat unterschieden werden. 24 So auch C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 65; O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 227; H. F. Köck, Aspekte, S. 25. 25 Dies zeigt sich auch in der Zuerkennung des Beobachterstatus für den Heiligen Stuhl durch die Vereinten Nationen, der 2004 durch die Generalversammlung noch mit zusätzlichen Rechten ausgestattet wurde, Resolution A/Res./58/314 vom 1. Juli 2004. 26 So für die Konkordate schon E. Ruffini, La Personalità Giuridica, S. 51. Für die Erlangung der Völkerrechtssubjektivität durch Staaten Chr. Hillgruber, Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, S. 743 ff. 27 Dazu V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 passim. 28 O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 228; J. L. Kunz, AJIL 46 (1952), S. 309; H. Liermann, AöR n. F. 18 (1930), S. 383; E. Ruffini, La Personalità Giuridica, S. 56 ff. 29 So die eigenen Angaben, s. http://www.vatican.va/news_services/press/docu mentazione/documents/corpo-diplomatico_index_en.html (Stand: 14. Juni 2007). 23

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

also zu einer überwältigenden Mehrheit der Staaten, nicht nur zu katholisch dominierten, sondern sogar zu muslimischen Ländern wie Pakistan. Er ist Partei vieler wichtiger internationaler Verträge. Dies zeigt deutlich, daß er von der Staatengemeinschaft als „Ihresgleichen“, also als Subjekt des Völkerrechts, anerkannt ist.30 II. Der Vertragspartner des Heiligen Stuhls Voraussetzung für das Vorliegen eines völkerrechtlichen Vertrages ist weiterhin, daß auch der Vertragspartner des Konkordats eine Rechtspersönlichkeit des Völkerrechts ist. Vertragspartner der Konkordate in Deutschland – mit Ausnahme des Reichskonkordats – sind die Bundesländer. Diesen spricht das Grundgesetz in Art. 32 Abs. 3 die Fähigkeit zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge zu. Hieraus läßt sich eine Zubilligung abgeleiteter Völkerrechtssubjektivität der Länder durch den Bund herleiten, die ihre völkerrechtliche Bestätigung durch die Anerkennung der Staatengemeinschaft erhielt.31 Diese Völkerrechtssubjektivität ist aber nur partiell,32 beschränkt sich ausweislich Art. 32 Abs. 3 GG im Bereich des Verkehrs mit auswärtigen Staaten auf Verträge im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen der Länder. In Bezug auf den Heiligen Stuhl entspricht es der ganz herrschenden Meinung und der Staatspraxis, diesen nicht als „auswärtigen Staat“ im Sinne von Art. 32 GG anzusehen. Daher bedürfe es für den Abschluß der Konkordate nicht der Zustimmung der Bundesregierung gem. Art. 32 Abs. 3 GG. Die Zuständigkeit folge der Gesetzgebungskompetenz in der vertraglich geregelten Materie.33 Dies entspricht auch den Motiven zu 30 Dies wird auch in der Literatur mittlerweile sogar von den Kritikern der Völkerrechtsnatur der Konkordate akzeptiert, dazu nur G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 71 f. 31 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 126; A. Herzig, Problematik des konkordatären Rechts, S. 14; V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 5 Rdnr. 26; B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 9 f.; O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 32 Rdnr. 7; R. Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rdnr. 6. 32 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 9; O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 32 Rdnr. 7; R. Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rdnr. 6. 33 BVerfGE 6, 309 (362); Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern, LT-Drs. 2/3100, S. 17; H. U. Anke, Neubestimmung, S. 26 f., 126; H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 250; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 177, 180; M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 114; J. Listl, Konkordate I, S. 6 f.; K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 91; a. A. D. v. Schenck, DÖV 1966, S. 306; kritisch auch R. Bernhardt, HStR VII, § 174 Rdnr. 20, A. Weber, in: MAK-GG I, Art. 32 Rdnr. 15 und M. Zuleeg, in: AK-GG, Art. 32 Rdnr. 8. Vgl. zu dieser Frage auch die Diskussionsbei-

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Art. 32 GG,34 entbehrt allerdings heute der zwingenden Konsequenz, schließlich werden auch die Verträge mit Internationalen Organisationen unter Art. 32 GG subsumiert.35 Eher läßt es sich historisch,36 mit Blick auf die Weimarer Verfassung begründen: Art. 78 WRV, die Vorgängernorm des Art. 32 GG, wurde weithin (wenn auch nicht unbestritten)37 so ausgelegt, daß der Heilige Stuhl kein „auswärtiger Staat“, die Länder damit auch ohne Zustimmung des Reichs zum Vertragsschluß berechtigt seien.38 Dieses Verständnis wurde bei den Verhandlungen über das Grundgesetz auch dem neuen Art. 32 GG unwidersprochen zugrundegelegt.39 Aus diesem Grund erfaßt der Zustimmungsvorbehalt des Art. 32 Abs. 3 GG die Konkordate nicht. Seine Bedeutung behält er in diesem Zusammenhang als Grundentscheidung, den Ländern im Rahmen ihrer Angelegenheiten die auswärtige Zuständigkeit zuzugestehen, die die völkerrechtliche Anerkennung als Rechtssubjekt durch die Staatengemeinschaft erst ermöglicht.40 Fallen nun die Konkordate nicht unter Art. 32 Abs. 3 GG, so ist die allgemeine Kompetenzverteilung der Art. 30 und 70 GG einschlägig. Im Regelfall (eine Ausnahme bildet insbesondere die Militärseelsorge, die, der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Nr. 1 GG folgend, in der Zuständigkeit des Bundes liegt41 und in Art. 27 des Reichskonkordates geregelt ist) sind also die Länder für den Abschluß von Konkordaten mit dem Heiligen Stuhl alleinzuständig. In diesem Umfang kommt ihnen auch Völkerrechtssubjektivität zu.

träge von A. Vulpius, Essener Gespräche 37 (2003), S. 140 und M. Jestaedt, ebd., S. 144 f. 34 JöR n. F. 1 (1951), S. 301; Dt. Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.), Protokolle des Parlamentarischen Rats, Bd. 2, S. 251, 529. 35 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 82. 36 C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 67. 37 J. B. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 58 f. 38 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 78, Anm. 7 und Art. 137, Anm. 13; M. Bierbaum, Konkordat, S. 159; E. R. Huber, Verträge, S. 91, allerdings nur unter ausdrücklichem Verweis auf seine Voraussetzung, daß Konkordate keine völkerrechtlichen Verträge seien; ders., Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 906 (ohne diese Einschränkung); H. Wagnon, Concordats, S. 93 ff.; E. Lange-Ronneberg, Die Konkordate, S. 163 f. 39 A. Herzig, Problematik des konkordatären Rechts, S. 15 f. 40 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 9; O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 32 Rdnr. 7; R. Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rdnr. 6. 41 Zu weiteren Bundeszuständigkeiten A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 183 ff.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

III. Konkordate als völkerrechtliche Verträge Nicht alle Vereinbarungen zwischen Völkerrechtssubjekten sind aber auch völkerrechtliche Verträge. Den Konkordaten wurde lange Zeit sogar abgesprochen, überhaupt Verträge zu sein. Diese Frage soll zuerst behandelt werden, danach, ob ihr Regelungsgegenstand völkerrechtlich ist. 1. Der Vertragscharakter der Konkordate Heute werden die Konkordate in Rechtsprechung und Literatur ganz einhellig als echte Verträge – welcher Art auch immer – gesehen, Privilegienund Legaltheorie42 werden nicht mehr vertreten.43 In den Auffassungen, die davon ausgehen, daß die Konkordate Verträge nach innerstaatlichem Recht seien,44 ist die alte Überzeugung vom Vorrang des Staates aber noch lebendig; die (katholische) Kirche wird nicht als gleichrangiger Partner des Staates akzeptiert, sondern dessen Rechtshoheit unterstellt.45 Dies wird insbesondere in der immer noch vertretenen Qualifikation aller Staatskirchenverträge – ohne Unterscheidung zwischen Konkordaten und evangelischen Kirchenverträgen – als Verwaltungsverträge deutlich; der Gesetzgeber könne daher durch Gesetz nicht nur gegen den Vertrag verstoßen, sondern gar die vertragliche Bindung lösen.46 Einigkeit besteht aber heute darüber, daß die Staatskirchenverträge echte Verträge sind. 2. Die Konkordate als Verträge des Völkerrechts Ist der Heilige Stuhl nun also ein Subjekt des Völkerrechts und als solches fähig, Partei eines völkerrechtlichen Vertrages zu sein, andererseits auch das Konkordat als echter Vertrag zu qualifizieren, so ist noch zu prüfen, ob es dem Völkerrecht unterfällt – für privatrechtliche Verträge etwa, auch wenn sie unter Völkerrechtssubjekten geschlossen werden, gilt das 42

Zu diesen s. oben Erster Teil, A. s. nur J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 3, 7; A. Hollerbach, Konkordat, StL III, Sp. 623; E. R. Huber, Verträge, S. 81; O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 232. 44 Insbesondere G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 74; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 33; ders., DÖV 1997, S. 931. 45 Chr. Link, Neuere Entwicklungen, S. 39. 46 So ausdrücklich H. Quaritsch, FS Schack, S. 139. Ähnlich L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 35; L. Renck, DÖV 1997, S. 934. Wie hier aber A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 143. 43

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Völkerrecht nicht47. In diesem Zusammenhang ist ein Argument zu beachten, das oft gegen die Qualifizierung der Konkordate als völkerrechtliche Verträge ins Feld geführt wird: Zwar sei der Heilige Stuhl ein Völkerrechtssubjekt, aber nicht in dieser Eigenschaft schließe er die Konkordate, sondern als Vertreter der katholischen Bürger des Vertragspartners; damit aber könne der Vertrag keine quasi-zwischenstaatliche Qualität erlangen und unterfalle nicht dem Völkerrecht.48 Davon abgesehen, daß nie ganz deutlich wird, welche Voraussetzungen danach Verträge erfüllen sollen, um „quasi-zwischenstaatlich“ zu sein – die Völkerrechtssubjekte sind frei, über beliebige Materien Verträge abzuschließen und sich dabei entweder des nationalen oder des internationalen Rechts zu bedienen49 –, trägt diese Abgrenzung der Anerkennung des Heiligen Stuhls als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt nicht ausreichend Rechnung: „Nicht selten ist den Beziehungen der Kirche (bzw. des Hl. Stuhles) zu den Staaten jeder völkerrechtliche Charakter schon deswegen abgesprochen worden, weil die davon umfaßten Angelegenheiten von denen staat-staatlicher Beziehungen verschieden seien. Von der Kirche (dem Hl. Stuhl) jedoch [. . .] Beziehungen gleichen Inhalts wie jener zwischen Staaten zu fordern, heißt nicht, das Problem lösen, sondern es umbringen: Die Kirche (der Hl. Stuhl) ist nun einmal kein Staat, und kann daher auch keine inhaltlich staatsgleichen internationalen Beziehungen haben.“50 Erkennt man an, daß die Völkerrechtssubjektivität nicht zwingend die Staatlichkeit voraussetzt, so kann man nicht im Gegenzug verlangen, daß alles völkerrechtliche Ver47

W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 5. A. Albrecht, Koordination, S. 131 f.; G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 74; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 102 f. (später aber abgeschwächt in ders., HdbStKirchR I, S. 274); G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 112; K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 93; L. Renck, DÖV 1997, S. 931. So auch schon E. Lange-Ronneberg, Die Konkordate, S. 125; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 279 f. Dem zuneigend F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 199; C. H. Ule, FG Maunz, S. 416 und A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52, der Konkordate wie evangelische Kirchenverträge als quasi-völkerrechtliche Verträge qualifizieren will. Vgl. auch H. Barion, FS Carl Schmitt, S. 29 f., und dens., DÖV 1966, S. 13 f., der den völkerrechtlichen Charakter der Konkordate verneint, weil der Heilige Stuhl diese nicht in seiner Funktion als Völkerrechtssubjekt, sondern aufgrund seiner kirchlichrechtlichen Befugnisse abschließe. Dagegen W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 20. 49 Ausnahme ist das eben bereits erwähnte Privatvölkerrecht, v. a. Kaufverträge etc., W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 5; K. Stern, Staatsrecht I, S. 500. Privatrechtliche Angelegenheiten sind aber nicht Gegenstand der konkordatären Vertragspraxis. Dazu auch D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 293 f. 50 H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 18, Fn. 8. 48

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

halten „staatsgleich“ sein und Wirkungen in zwei Territorien entfalten muß. Auch bei unzweifelhaft völkerrechtlichen Verträgen ist die Situation anzutreffen, daß sich jeder Vertragspartner nur für sein Verhalten auf seinem eigenen Staatsgebiet verpflichtet (so im Fremdenrecht) oder gar ein Vertrag Wirkung nur für ein Staatsgebiet entfaltet (etwa bei Sitzverträgen mit Internationalen Organisationen).51 An letzterem Beispiel zeigt sich schon, daß Staatlichkeit keine unabdingbare Voraussetzung für die Völkerrechtssubjektivität ist; sie kann daher auch nicht Voraussetzung dafür sein, sich der typischen Handlungsform des Völkerrechts zu bedienen.52 Der Heilige Stuhl ist Völkerrechtssubjekt gerade in seiner Eigenschaft als Oberhaupt der Katholischen Kirche; handelt er in dieser Funktion gegenüber anderen Subjekten des Völkerrechts, hat dieses Handeln völkerrechtliche Natur.53 Es ist auch nicht einsichtig, warum er als Vertreter der „deutschen Katholiken“54 handeln sollte: Ein rechtsfähiges Subjekt „deutsche Katholiken“, das durch den Heiligen Stuhl vertreten und durch einen Vertrag berechtigt und verpflichtet sein könnte, gibt es nicht. Aus diesem Grund irrt auch Ulrich K. Preuß, wenn er die Konkordate nicht als völkerrechtliche Verträge anerkennen will, weil „das GG an keiner Stelle die Exemtion der kath. Kirche aus den sonstigen Regelungen des Staat-Kirche-Verhältnisses vorsieht“55. Die Konkordate werden nicht mit der „katholischen Kirche“ geschlossen, sondern mit dem Heiligen Stuhl, und dieser ist als Völkerrechtssubjekt selbstverständlich aus dem verfassungsrechtlichen Staat-Kirche-System ausgenommen. Dem innerstaatlichen Recht unterliegende Verträge mit katholischen Rechtssubjekten sind dadurch natürlich nicht ausgeschlossen.56 Rechtsfähig organisiert sind die deutschen Katholiken in ihren Gemeinden und Bistümern; diese besitzen nach staatlichem Recht den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus, sind aber auch nach kanonischem Recht Rechtspersönlichkeiten57. Gerade die Bistümer sind durchaus in der Lage, selbst vertragliche Beziehungen zum Staat aufzubauen, was durch die Existenz der Bistums51 Dazu F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 199. 52 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 98. 53 Ebenso H. U. Anke, Neubestimmung, S. 128. Aus Sicht des spanischen Rechts bestätigt von F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 262. A. A. A. Albrecht, Koordination, S. 132. 54 So aber L. Renck, DÖV 1997, S. 931; ebenso K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 93 und U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 34. Richtig dazu D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 89. 55 U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 34. 56 Vgl. allgemein zu Verwaltungsabkommen zwischen Staat und Kirche W. Rüfner, FS Starck, S. 1175 ff. 57 Siehe dazu cann. 373 und 515 § 2 CIC.

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verträge58 belegt wird, und bedürften daher keiner Vertretung, wenn sie selbst einen Vertrag schließen wollten. Obwohl also ein Vertragsschluß auf innerstaatlicher Ebene mit den Bistümern möglich gewesen wäre (und faktisch ja auch diese in den Genuß des Vertrages kommen)59, wird dies – man muß voraussetzen: bewußt – nicht getan. Auch dem Wortlaut der Konkordate läßt sich nicht entnehmen, daß der Heilige Stuhl irgend jemanden hätte vertreten wollen.60 Diese Lösung ist auch sachgerecht. Der Bedeutung einer umfassenden Regelung der Verhältnisse von Staat und Kirche ist es angemessen, die Verträge auf höchstmöglicher Ebene abzuschließen. Anders als die evangelischen Landeskirchen, die für ihren Bereich jeweils die höchste Autorität darstellen,61 sind die katholischen Diözesen in die Hierarchie der katholischen Weltkirche eingeordnet, von der sie auch ihre Rechtspersönlichkeit ableiten (can. 373 CIC). Der Abschluß der Konkordate mit dem Heiligen Stuhl entspricht daher nicht nur der Tradition, sondern auch der Rechtswirklichkeit. Sicherlich ist es richtig, daß kirchliche und weltliche Rechtsordnung sich stark unterscheiden, daß dem Heiligen Stuhl, anders als dem Staat, ein Transzendenzbezug zukommt, der dem rein innerweltlichen Staat fehlt.62 Das ändert jedoch nichts daran, daß der Heilige Stuhl auch weltliches Subjekt ist. Die katholische Kirche hat die Funktion der Ausprägung des Gottesvolkes in dieser Welt. Dem Heiligen Stuhl kommt daher eine Doppelfunktion zu: einerseits die geistliche Führung dieses Gottesvolkes, zusätz58 So z. B. der Vertrag des Landes Hessen mit den katholischen Bistümern in Hessen vom 9. März 1963 und der Ergänzungsvertrag dazu vom 29. März 1974, die mit den Bistümern Fulda, Limburg und Mainz sowie dem Erzbistum Paderborn – mit bloßer Zustimmung des Heiligen Stuhles – geschlossen wurden. Dazu G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 78 ff. Allgemein C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 66; H. Wagnon, Concordats, S. 114; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 17. Selbst Verträge der Kirchengemeinden mit staatlichen Stellen gibt es, z. B. mit den jeweiligen Kommunen, vgl. etwa die „Vereinbarung zur Qualifizierung von Plätzen in katholischen Tageseinrichtungen für drei- bis sechsjährige Kinder und zur Umwandlung von Kindergartengruppen in andere Gruppenformen in der Bundesstadt Bonn“ vom 17. Juli 2003, die zwischen den Trägern katholischer Kindergärten in Bonn – hauptsächlich den jeweiligen Kirchengemeinden – und der Stadt Bonn abgeschlossen wurde. 59 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 199. 60 Vgl. auch Denkschrift zum Brandenburger Konkordat, LT-Drs. 3/6879, A: „Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen Partner nicht die auf dem Gebiet des Landes belegenen (Erz-)Bistümer sind, sondern der Heilige Stuhl.“. Ebenso schon W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 20. 61 Auch die EKD ist nicht ranghöher. Der Zusammenschluß der Landeskirchen ist ausweislich der Grundordnung der EKD vom 20. November 2003 „eine Ordnung der Brüderlichkeit“, Art. 5 Grundordnung. 62 Darauf weist A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 98 hin.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

lich aber auch die Repräsentation des Gottesvolkes in der Welt, was auch die Repräsentation im Verhältnis zu den innerweltlichen Machthabern, also den Staaten bedeutet.63 In dieser Funktion ist der Heilige Stuhl von den Staaten als ihresgleichen akzeptiert worden. Schließt er nun Verträge mit den Staaten und tut dies auch in der Form, in der die Staaten sich untereinander koordinieren, so läßt er sich auf das weltliche Recht ein; diese Verträge sind daher auch dem weltlichen Recht zuzuordnen, in diesem Fall dem Völkerrecht. Für die Konkordate steht also der Rechtsboden des Völkerrechts zur Verfügung. Wenn Staat und Kirche dann bewußt in dieser Rechtssphäre ihren Vertrag schließen, ist das nicht nur der irrelevante „bloße subjektive Wille der Vertragschließenden“64, sondern die Entscheidung für eine zulässige Rechtsform, daher kein Argument gegen, vielmehr für die Zuordnung der Konkordate zum Völkerrecht. Insbesondere hat dies nichts mit dem bloß kirchlichen Selbstverständnis zu tun;65 es ist vielmehr eine Frage des Völkerrechts, festzusetzen, wer sich am Völkerrechtsverkehr als Subjekt beteiligen können soll. Daher sind die Konkordate völkerrechtliche Verträge. Dies ist auch nicht nur ein „Superadditum“, das den Konkordaten zusätzlich zu ihrer ansonsten öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur zukommt.66 Vielmehr sind die Konkordate vollgültige und -wertige Verträge des Völkerrechts. Hans Ulrich Anke schlägt vor, die Rechtsnatur konkordatärer Normen für jede Vertragsbestimmung einzeln festzustellen: Vereinbarungen mit „völkerrechtlichem“ Bezug seien dem Völkerrecht, solche mit „staatsrechtlichem“ Bezug dem innerstaatlichen Recht zuzuordnen.67 Nachdem er selbst jedoch bereits zuvor festgestellt hatte, daß die – zugegebenermaßen für das Völkerrecht untypischen – Vereinbarungsinhalte der Konkordate kein Argument für die Aberkennung des völkerrechtlichen Status sein können,68 erscheint dieser Schluß nicht zwingend. Sicherlich ist, wie oben schon ausgeführt, das Instrument des völkerrechtlichen Vertrages auf Fragen des Völkerrechts zu beschränken, deshalb sind auch privatrechtliche Verträge nicht dazuzuzählen. Aber die Regelungen eines Konkordats können kaum einen klassisch völkerrechtlichen Bezug aufweisen; der dafür typische Bezug auf zwei Territorien bzw. die Staatsangehörigen zweier Staaten ist aus der Natur der Sache ausgeschlossen. Bezugspunkt sind immer Bürger bzw. Einwohner 63

Siehe dazu nur W. Ockenfels, Politisierter Glaube?, S. 274. So aber L. Renck, DÖV 1997, S. 931. 65 So aber L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 33. 66 Diese Auffassung vertritt aber A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52. Dem zuneigend auch A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 274 f. 67 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 178. 68 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 127. 64

A. Die Konkordate

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des Vertragsstaates, in dem betreffenden Staat liegende Liegenschaften oder ähnliches. Deshalb haben alle Regelungen der Staatskirchenverträge einen „staatsrechtlichen“ Bezug. Insofern erscheint es schwierig bis unmöglich, einzelne Vereinbarungen der Konkordate als „völkerrechtlich“ oder „nur staatsrechtlich“ einzuordnen.69 Völkerrechtlich wird der Vertrag dadurch, daß sich hier ein Staat mit dem Heiligen Stuhl über die konkrete Situation der katholischen Kirche in dem jeweiligen Land einigt, also in dem Bereich, der gerade die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhles begründet. Über diesen Rahmen gehen die Vertragsvereinbarungen der Konkordate jedoch nicht hinaus. Deshalb sind sie einheitlich als völkerrechtliche Verträge zu behandeln. Auch aus der Tatsache, daß die neueren Staatskirchenverträge mit dem Heiligen Stuhl nicht mehr als „Konkordat“/„Concordato“, sondern als „Vertrag“/„Accordo“ überschrieben werden,70 kann nicht auf eine Neubewertung der Rechtsnatur der Verträge durch die Vertragsparteien geschlossen werden. Bereits früher wurden einige Verträge mit dem Heiligen Stuhl als „Conventiones“ abgeschlossen, ohne daß dies etwas an ihrer Rechtsnatur und Verbindlichkeit geändert hätte.71 Die neuerliche Umbenennung sollte lediglich verdeutlichen, daß Reichs- und Preußenkonkordat, deren Fortgeltung in den neuen Bundesländern nicht zweifelsfrei ist, nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt und modifiziert werden sollen.72 IV. Zwischenergebnis Nach all dem ist also festzuhalten, daß es sich bei den Konkordaten um echte und vollgültige völkerrechtliche Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Bund oder (im Regelfall) einem Bundesland handelt.

69 Ablehnend zu den Versuchen, die Staatskirchenverträge in Konkordate und sonstige Vereinbarungen zu unterteilen auch E. R. Huber, Verträge, S. 59 ff., 66. 70 So die Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen (das hier dennoch als Erfurter Konkordat bezeichnet werden soll), dem Land Mecklenburg-Vorpommern (Schweriner Konkordat), dem Land Sachsen-Anhalt (Magdeburger Konkordat) sowie der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburger Konkordat). Anders noch im Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Land Niedersachsen (Niedersachsenkonkordat). 71 W. Kahl, Kirchenrecht, S. 238. 72 s. dazu auch den Diskussionsbeitrag von W. Rüfner, Essener Gespräche 37 (2003), S. 142, sowie D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 14; dies verkennt H. Webers Diskussionsbeitrag, Essener Gespräche 37 (2003), S. 149. Für die Unerheblichkeit der Bezeichnung für die Rechtsnatur des Vertrages auch schon W. Kahl, Kirchenrecht, S. 238.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

B. Die evangelischen Kirchenverträge Wesentlich unklarer als die Rechtsnatur der Konkordate mit dem Heiligen Stuhl ist die Lage bei den Staatskirchenverträgen mit den evangelischen Kirchen. Diese Unklarheit liegt nicht zuletzt darin begründet, daß die vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche eine lange Tradition hat, auf evangelischer Seite hingegen erst Ende des 19. Jahrhunderts aufkam.73 Die Verträge mit den evangelischen Kirchen wurden in Form und Verfahren des Vertragsschlusses weitestgehend an die Konkordate angeglichen, ohne daß jedoch eine eigene systematische Eingliederung vorgenommen worden wäre.74 Verbreitet sind vor allem Auffassungen, die die evangelischen Kirchenverträge den katholischen als völkerrechtliche (oder zumindest quasi-völkerrechtliche) gleichstellen wollen, ebenso wie die Einordnung der Verträge als Staatsverträge, staatsrechtliche Verträge, Verträge sui generis oder Verwaltungsverträge. I. Zugehörigkeit zum Völkerrecht 1. Innerstaatliche Organisationsform Im Gegensatz zur katholischen Kirche fehlt den evangelischen Kirchen die supranationale Organisationsform. International verbunden sind die evangelischen Kirchen zwar im Ökumenischen Rat der Kirchen; zum einen ist dieser aber nicht Vertragspartei der Kirchenverträge, zum anderen stellt er als Verband nur innerstaatlich rechtsfähiger Kirchen eine Internationale Organisation dar.75 Die Internationalen Organisationen allerdings sind grundsätzlich keine Völkerrechtspersonen.76 Auch konnte der Ökumenische Rat der Kirchen sich bislang keine dem Heiligen Stuhl entsprechende Sonderstellung erwerben. Im Gegensatz zum Heiligen Stuhl, der die katholische Weltkirche repräsentiert, fehlt den evangelischen Landeskirchen daher die Völkerrechtspersönlichkeit. Hauptakteure, gerade im Staatskirchenvertragsrecht, sind die Landeskirchen, die sich wiederum in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zusammengeschlossen haben. Die EKD sieht zwar in ihrer Grundordnung die Regelung des Verhältnisses zum Staat durch Übereinkommen vor,77 angesichts der geringen Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet der gemeinsamen Angelegenheiten ist hier aber nur der Militär73 74 75 76 77

s. dazu oben Erster Teil, A. E. R. Huber, Verträge, S. 3. O. Kimminich, HdbStKirchR II, S. 238. V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 Rdnr. 19. Art. 3 Abs. 2 Grundordnung vom 20. November 2003.

B. Die evangelischen Kirchenverträge

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seelsorge-Vertrag zustandegekommen.78 Die Regelung des Verhältnisses zu den einzelnen Bundesländern bleibt den einzelnen Landeskirchen vorbehalten. Die Organisation der evangelischen Kirchen beschränkt sich auf die nationalstaatliche Ebene, ihre Rechtsfähigkeit bestimmt sich nach dem nationalen Recht.79 Von anderen innerstaatlichen Vereinigungen unterscheidet sie, daß sie ihre Existenz nicht staatlichen Rechtsakten verdanken, sondern aus eigenem Recht bestehen. Dies führt jedoch nicht zu einer völkerrechtlichen Gleichordnung von Kirchen und Staat, denn es ändert nichts daran, daß die Kirchen im Staat und nicht neben ihm existieren.80 Ihre geistliche Autorität und ihr Innenrecht bestehen unabhängig vom staatlichen Recht, sie sind dem staatlichen Einfluß durch die Trennung von Staat und Kirche und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen entzogen. Eine Besonderheit der Kirchen ist aber, daß sie neben der spirituellen Ebene noch eine weltliche Organisation besitzen. Diese befindet sich im Staat, der auch nur auf dieser weltlichen Ebene handlungsfähig ist. Möchte die Kirche also mit dem Staat in Dialog treten, so muß sie das auf profaner Ebene tun. Damit aber muß sie sich auch in das weltliche Recht einordnen, das keine Sonderrechtsordnung für einzelne Vereinigungen kennt. Der Staat kann die Kirche nur als Vereinigung ansehen, die zwar durch ihren transzendentalen Bezug und durch die Verfassung eine Sonderstellung innehat, jedoch nur in ihrer weltlichen Dimension im Verhältnis zum Staat tätig werden kann. Nach außen hin können die Kirchen nur in den Rechtsformen staatlichen Rechts handeln. Nur vereinzelt wird daher gefordert, auch die evangelischen Kirchenverträge als völkerrechtliche81 oder zumindest quasi-völkerrechtliche82 Verträge anzuerkennen. Auch eine ganze Reihe anderer Autoren fordert die Gleichbehandlung der Konkordate und der evangelischen Kirchenverträge, nicht nur im Hinblick auf die im Ergebnis zu erzielende Absicherung der Vertragsabreden,83 78

Dazu A. Hollerbach, FS Repgen, S. 577 f. und oben Zweiter Teil, A.II. H. U. Anke, Neubestimmung, S. 131; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; Chr. Hillgruber, Völkerrecht – Kirche im Völkerrecht, RGG VIII, Sp. 1162. Vereinzelt blieb die Auffassung Brandweiners, alle christlichen Kirchen seien Subjekte des Völkerrechts, H. Brandweiner, Die christlichen Kirchen als souveräne Rechtsgemeinschaften, S. 25 f., 30. 80 Vgl. U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 318. 81 H. Brandweiner, Die christlichen Kirchen als souveräne Rechtsgemeinschaften, S. 25 f., 30, 36 u. ö.; dem zuneigend auch J. Depenbrock, ZevKR 38 (1993), S. 421. 82 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; J. Depenbrock, ZevKR 38 (1993), S. 417 ff.; F. O. Kopp, JZ 1970, S. 280; D. Pirson, Vertragsstaatskirchenrecht, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3823. 83 Dazu unten Dritter Teil. 79

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

sondern auch in Bezug auf die formale Vertragsgestaltung. Sie kommen aber zu dem entgegensetzten Ergebnis, nämlich daß auch die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen seien.84 2. Die Parität Beide Auffassungen werden apodiktisch unter Rückgriff auf den Grundsatz der Parität begründet. Angesichts der völligen Gleichbehandlung der beiden großen Konfessionen in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch in sonstigen staatskirchenrechtlichen Feldern, erscheint eine Gleichbehandlung zunächst naheliegend. Anfänglich begründet, um in der nachreformatorischen Zeit die beiden großen Konfessionen gleichzustellen und so trotz der fortbestehenden Kirchenspaltung den weltlichen Frieden zu wahren,85 ist der Grundsatz der Parität nun die für alle Konfessionen und Religionen geltende staatskirchenrechtliche Ausformung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG.86 Auf dem Feld des Staatskirchenrechts bedeutet dies ein Gebot der „adäquaten Gleichstellung“87 der Religionsgemeinschaften im Staat. Untersagt ist daher eine Ungleichbehandlung, die nicht durch tatsächliche Ungleichheiten begründet ist.88 Nicht jedoch gebietet das Paritätsprinzip eine schematische Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften, vielmehr können tatsächliche Unterschiede – z. B. die Größe der Religionsgesellschaft89 – Berücksichtigung finden.90 Ebenfalls gerechtfertigt können unterschiedliche Behandlungen 84

M. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 Rdnr. 47; H. Quaritsch, FS Schack, S. 126 f.; W. Rüfner, FS Thieme, S. 351; vgl. dazu auch E. R. Huber, Verträge, S. 2: „Gleichheit in der Methode erweckt stets den Anschein, es sei auch in der Sache Parität gewahrt.“ Kritisch S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 35 und A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 104, die aber beide mit anderer Begründung dennoch eine einheitliche Rechtsnatur der Staatskirchenverträge befürworten. 85 M. Heckel, HdbStKR I, 1. Aufl., S. 451 f. 86 Siehe dazu nur M. Heckel, HdbStKR I, 2. Aufl., S. 589; Chr. Link, Parität, RGG VI, Sp. 941. Ähnlich auch BVerfGE 19, 1 (11), das allerdings auf Art. 3 Abs. 3 GG abstellt. 87 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 29. 88 B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 169. 89 BVerfGE 19, 1 (10), wo allerdings auch gleichzeitig die Grenzen dieser Differenzierung aufgezeigt werden. s. auch A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 30. 90 BVerfGE 19, 1 (8) und 129 (134); A. Albrecht, Koordination, S. 225; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 29 f.; M. Heckel, HdbStKR I, 2. Aufl., S. 599; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 133.

B. Die evangelischen Kirchenverträge

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sein, die auf Unterschieden in der inneren Struktur der Religionsgemeinschaften beruhen.91 In der Entwicklungsgeschichte des Paritätsprinzips wurde und wird dies durch eine Stufung der Parität erreicht. Hierbei werden die Religionsgemeinschaften in zwei bzw. drei Gruppen geteilt, wobei auf der einen Seite die beiden Großkirchen stehen, auf der anderen Seite die übrigen Religionsgemeinschaften, zum Teil noch differenziert nach den Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus und ohne diesen.92 Eine Differenzierung zwischen evangelischer und katholischer Kirche fand allerdings weithin nicht statt und wird auch heute vermieden. Die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen haben in Deutschland fast vollkommene Gleichheit erreicht. Annähernd gleich an Mitgliedern und gesamtgesellschaftlicher Bedeutung hat die Unterschiedlichkeit der Organisationsstrukturen im Regelfall keine Bedeutung, insoweit haben sich viele Paritätsprobleme vermindert.93 Im Vertragsrecht werden die Unterschiede jedoch wieder virulent. Die Kirchen unterscheiden sich grundlegend in ihrer Organisationsform: Auf der einen Seite steht mit der katholischen Kirche das international verfaßte Völkerrechtssubjekt, das als gleichberechtigtes Glied am Völkerrechtsverkehr teilnimmt. Die evangelischen Kirchen auf der anderen Seite bilden, wie gerade dargestellt, Verbände, die innerstaatlich organisiert sind, denen die völkerrechtliche Gleichstellung mit dem Staat fehlt. Die innerstaatliche Organisation ist nicht nur territorial auf das Staatsgebiet beschränkt, die evangelischen Kirchen nutzen zudem zur Schaffung ihrer juristischen Personen (anders als die katholische Kirche, die in den cann. 113 ff. CIC eigene Rechtsgrundsätze aufgestellt hat) die vom staatlichen Recht zur Verfügung gestellten Rechtsformen.94 Aus diesem Grund erscheint es im Hinblick auf die Herleitung des Paritätsprinzips aus Art. 3 Abs. 1 GG, der begründete Differenzierungen durchaus zuläßt,95 im Bereich des Vertragsrechts angemessen, auch zwischen den Großkirchen zu differenzieren.96 In jedem Fall kann das Paritätsprinzip nicht gegen das Völkerrecht ausgespielt werden. 91

U. Scheuner, HdbStKR I, 1. Aufl., S. 59. A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 29 f.; M. Heckel, HdbStKR I, 1. Aufl., S. 456. 93 M. Heckel, HdbStKR I, 1. Aufl., S. 502. 94 Vgl. M. Germann, Kirchenverträge, RGG IV, Sp. 1362; ders., Koordinationslehre, RGG IV, Sp. 1668. Vgl. auch W. Huber, Essener Gespräche 42 (2008), S. 16. 95 Ein solches unbedingtes Gebot folgt auch nicht aus der Zusammenschau mit Art. 3 Abs. 3 GG, s. M. Heckel, HdbStKR I, 2. Aufl., S. 599. 96 In diesem Sinne auch M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 110; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 323. Vgl. dazu auch schon H. Wagnon, Concordats, S. 36. 92

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

Mögen sich die evangelischen Kirchen auch ebenso wie die katholische Kirche als vom Staat unabhängig und diesem gleichberechtigt verstehen, so hat sich diese theologische Standortbestimmung jedoch nicht in der Ausbildung eines dem staatlichen Recht entzogenen Rechtssubjekts realisiert.97 Dieses Verhältnis von Kirche und Staat läßt sich dadurch charakterisieren, daß es kein ausschließliches Subordinationsverhältnis ist, sondern ein in der Verfassungsordnung festgelegtes Verhältnis gegenseitiger Selbständigkeit und Achtung.98 Davon abgesehen, erscheint die Beanspruchung von Parität hinsichtlich der Rechtsnatur der Staatskirchenverträge auch mit dem Selbstverständnis der Kirchen nicht vereinbar. Die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls resultiert nicht zuletzt daraus, daß dieser seine Souveränität und die Oberherrschaft über die katholische Weltkirche für sich beansprucht und dieser Anspruch allgemein anerkannt wird. Die evangelischen Kirchen lehnen diese hierarchische Struktur jedoch ab. Trotz der derzeitigen Konzentrationstendenzen99 halten die evangelischen Kirchen an ihrer regionalen Struktur fest. Sie sehen sich nicht als neben dem Staat stehende souveräne Macht, sondern – wenn auch deutlich vom Staat getrennt und von ihm unabhängig – im Staat und (in weltlichen Fragen) seiner Rechtsordnung unterworfen.100 So folgen sie nicht mehr der Koordinationslehre, die v. a. in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vertreten wurde und die davon ausging, daß die Kirchen aus der Staatsgewalt ausgenommen und diesem 97 In diesem Sinne betont Scheuner, daß bei der Beurteilung der Rechtsnatur der Staatskirchenverträge „aus der Sicht des staatlichen Rechts möglicherweise nicht die gleiche Lösung gefunden wird wie aus der der Kirche.“, U. Scheuner, FS Ruppel, S. 321. Vgl. schon R. Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, S. 49 ff.: „Die Kirchenfreiheit im Sinn der katholischen Kirche, nicht blos [sic!] sofern sie die Ueberordnung über die Staatsgewalt, sondern auch sofern sie nur die Nichtunterordnung der Kirchengewalt unter die Staatsgewalt, die rechtliche Gleichberechtigung, d.h. die gleiche Souveränität von Staatsgewalt und Kirchengewalt fordert, widerspricht dem Wesen der Kirche wie des Staats. Der Staat ist geradezu dazu da, damit er die höchste Macht, d.h. der einzige Souverän über den Machtverhältnissen des menschlichen Lebens sei. Die Kirche bildet keinen Staat über dem Staate, sie bildet keinen Staat neben dem Staate; sie ist eine Corporation im Staat. [. . .] Die Kirchengewalt, ethisch der Staatsgewalt gleichberechtigt, ist der Staatsgewalt rechtlich nicht gleichgeordnet, sondern untergeordnet.“ (Hervorhebungen im Original.) 98 U. Scheuner, FS Ruppel, S. 327. 99 Vgl. dazu das Impulspapier „Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert“ der EKD, 2006, 11. Leuchtturm, S. 93–95. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den neueren Planungen einzelner Landeskirchen zu einem Zusammenschluß, dazu unten Dritter Teil, B.I.4. 100 M. Germann, Koordinationslehre, RGG IV, Sp. 1668; H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 393. Siehe dazu auch die EKD-Denkschrift „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie“: EKD, Ev. Kirche und freiheitliche Demokratie, S. 9, 12 f., 15.

B. Die evangelischen Kirchenverträge

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gleichberechtigt nebengeordnet seien.101 Ihre Existenz verdanken die Kirchen zwar nicht einem staatlichen Verleihungsakt, aber ihre Handlungsfähigkeit in weltlichen Angelegenheiten erhalten sie durch die staatliche Anerkennung als Körperschaft.102 Diesem Selbstverständnis kann der Staat nicht zuwiderhandeln, ohne das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu verletzen.103 Die Gewährung gleicher Rechtsnatur für die evangelischen Kirchenverträge wie für die Konkordate stünde in Widerspruch zur Haltung der evangelischen Kirche, die sich von dem staatsähnlichen und weltumfassend angelegten Wesen der katholischen Kirche bewußt absetzt. Hier muß nun auch im Bereich der Staatskirchenverträge die Unterschiedlichkeit der Kirchen anerkannt und berücksichtigt werden. Von der Parität geboten ist „[n]icht Gleichförmigkeit, sondern Gleichwertigkeit“.104 Auch kann der Staat nur zu einer Gleichbehandlung verpflichtet sein, die im Rahmen seiner Möglichkeiten liegt.105 Eine schematische Gleichbehandlung von evangelischer und katholischer Kirche würde deren jeweiligen Eigenheiten, die zu achten der religiös neutrale Staat verpflichtet ist, nicht gerecht. Wollte man alle Staatskirchenverträge nur noch auf völkerrechtlicher Ebene ansiedeln, so führte das nicht zu einer Gleichstellung der evangelischen Kirche mit der katholischen, sondern müßte den Ausschluß der evangelischen Kirchen vom Instrument des Staatskirchenvertrages zur Folge haben – die evangelischen Kirchen sind nicht völkerrechtlich organisiert, daher können die Verträge mit ihnen auch beim besten Willen nicht völkerrechtlicher Natur sein.106 Eine „Herabzonung“ der Konkordate auf die innerstaatliche Ebene hingegen durchbräche nicht nur die Tradition, sie würde auch nicht der Tatsache gerecht, daß an der Spitze der katholischen Kirche mit dem Heiligen Stuhl ein Völkerrechtssubjekt steht, das auch als solches handelt.107 In seinem Bestreben, die von den Kirchen selbst gewählte Kirchenstruktur zu berücksichtigen, was durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und das Neutralitätsprinzip geboten ist, muß 101 Vgl. nur S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 35; H. Marré, DVBl. 1966, S. 10 ff.; J. Niemeyer, Das Verhältnis von Kirche und Staat, S. 80 ff.; E. Ruppel, Kirchenvertragsrecht, S. 110 ff. 102 H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 395. 103 A. A. H. Weber, Grundprobleme, S. 23 ff., bes. 28 f., der jede Berücksichtigung kirchlichen Selbstverständnisses im Staatskirchenrecht ablehnt. 104 M. Heckel, HdbStKR I, 1. Aufl., S. 540. Ebenso auch schon U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 311. 105 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 142. 106 In diesem Sinne auch H. U. Anke, Neubestimmung, S. 142 f. 107 Dafür aber M. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 Rdnr. 57. s. dazu oben Zweiter Teil, A.III.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

also auch von staatlicher Seite anerkannt werden, daß diesem Anspruch nur zu genügen ist, indem der Staat in unterschiedlichen Rechtsformen mit den Kirchen paktiert. Eine Vergleichbarkeit kann es hier allenfalls zwischen den Verträgen mit den evangelischen Kirchen und denen mit den katholischen Bistümern geben; die Bistumsverträge haben keinen Anteil an der völkerrechtlichen Rechtsnatur der Konkordate108. Will der Staat aber weiterhin mit dem Heiligen Stuhl in vertraglichen Beziehungen bleiben, ist die angemessene Rechtsform das Konkordat. Dies ist auch für den Zweck der Konkordate – die umfassende Regelung der Beziehung von Staat und Kirche – angemessen, da die Bistümer (anders als die evangelischen Landeskirchen) keine unabhängigen „Landes“-Kirchen, sondern nur unselbständige Teile der katholischen Kirche sind, ihnen daher die umfassende Autorität fehlt. Die beiden großen Kirchen erwarten (zu Recht) eine gleichwertige Behandlung durch den Staat, dies kann aber nicht durch die Einebnung der Rechtsnaturen geschehen, sondern muß auf andere Weise erreicht werden.109 Dies führt dazu, daß eine unterschiedliche Behandlung der Verträge des Staates mit dem Heiligen Stuhl resp. den evangelischen Landeskirchen angemessen ist. Der Grundsatz der Parität erzwingt also nicht die Annahme einer einheitlichen Rechtsnatur von Konkordat und evangelischem Kirchenvertrag, weil die beiden Kirchen (zumindest in dieser Frage) nicht vergleichbar sind. 3. Quasi-völkerrechtliche Verträge Als Alternative zur völligen Gleichstellung der katholischen und evangelischen Staatskirchenverträge wird auch die Verortung der evangelischen Kirchenverträge in einem „quasi-völkerrechtlichen“ Rechtsraum erwogen.110 Auch diese Konstruktion einer quasi-völkerrechtlichen Ebene kann schwerlich überzeugen; unklar bleibt, woraus sich deren Existenz ergeben und welche Sachverhalte sie erfassen soll. Angesichts des völligen Fehlens völkerrechtlicher Eigenschaften bei den evangelischen Kirchen könnte sie ihre Berechtigung nur aus dem Gedanken der Parität ziehen; diese aber zwingt, wie soeben dargestellt, gerade nicht zu einer unterschiedslosen Behandlung der katholischen Kirche und der evangelischen Kirchen. Die gleiche Wahrnehmung der Kirchen in der Öffentlichkeit kann ihren Ausdruck daher nur darin finden, daß die Kirchen im Ergebnis – also durch 108

s. dazu oben Zweiter Teil, A.III.2. Ebenso auch M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 110. 110 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; J. Depenbrock, ZevKR 38 (1993), S. 417 ff. 109

B. Die evangelischen Kirchenverträge

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die Vereinbarung gleicher Inhalte – gleichbehandelt werden, nicht aber in einem Zwang, Verträge mit den Kirchen in derselben Rechtsform abzuschließen.111 4. Ergebnis Die evangelischen Kirchenverträge besetzen also nicht den Rang völkerrechtlicher oder zumindest quasi-völkerrechtlicher Verträge. II. Staatsverträge Am weitesten verbreitet – auch in der Staatspraxis112 – ist die Einordnung der evangelischen Staatskirchenverträge als Staatsverträge.113 Die Begründung folgt dabei meist zwei Argumentationssträngen: Die Verträge würden in der Form von Staatsverträgen abgeschlossen. Zudem beträfen sie Bereiche, die dem Verfassungsrecht zuzurechnen seien, könnten daher also keine bloßen Verwaltungsverträge sein.114 Hervorgehoben wird auch die Sonderstellung der Kirchen im deutschen Staatsrecht, die sie in eine Position der Gleichordnung zum Staat erhebe.115 Damit würden die Kirchenverträge unter das Rechtsregime des Bundesverfassungsrechts fallen, das – durch die Forderung der Bundestreue116 – nach herrschender Auffassung das Staatsvertragswesen auch der Länder regelt.117

111

So auch M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 109 f. Für Berlin: Abgeordnetenhaus-Drs. 15/4764, S. 2; Brandenburg: § 2 des Vertragsgesetzes vom 10. März 1997, GVBl. I/97, S. 4; Sachsen: Art. 1 des Vertragsgesetzes vom 24. Juni 1994, GVBl. 1994, S. 1252; Sachsen-Anhalt: Begründung zu Art. 1 des Vertragsgesetzes vom 3. Februar 1994, LT-Drs. 1/3087; Thüringen: § 1 des Vertragsgesetzes vom 17. Mai 1994, GVBl. 1994, S. 509. 113 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 132 ff., 175; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; ders./H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 143, Fn. 10; S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 35; B. Kunzmann/ M. Haas/H. Baumann-Hasske, Verfassung des Freistaates Sachsen, Art. 109 Rdnr. 7; G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 113; J. Listl, Konkordate I, S. 8; E. Ruppel, Kirchenvertragsrecht, S. 117; H. Rust, Rechtsnatur, S. 204. 114 S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 36. 115 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 155; S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 35. 116 Zur Bedeutung der Bundestreue für das Staatsvertragsrecht vgl. H. Bauer, Die Bundestreue, S. 359 ff. 117 BVerfGE 34, 216 (231); dazu Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 230 ff. 112

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

1. Die formale Einordnung Unter Staatsverträgen versteht man im allgemeinen völkerrechtliche Verträge des Bundes oder aber Verträge der Bundesländer untereinander, mit dem Bund oder mit auswärtigen Staaten,118 deren Inhalt nicht von der Verwaltung auch einseitig geregelt werden könnte, sondern der parlamentarischen Zustimmung bedarf.119 Die evangelischen Kirchenverträge werden wie Staatsverträge nach ihrer Aushandlung erst paraphiert, dann ratifiziert und durch Parlamentsgesetz zu innerstaatlicher Geltung gebracht.120 Allein, die Form kann nicht die Rechtsnatur eines Vertrages bestimmen. Wenn Ratifikation und formaler Vertragsabschluß als Argument dafür herangezogen werden, daß die evangelischen Kirchenverträge Staatsverträge seien,121 so überzeugt dies nicht. Das Erfordernis der Ratifikation kann Folge der Einordnung des Vertrages als Staatsvertrag sein, auch Indiz dafür, daß ein Staatsvertrag vorliegt, aber nicht bestimmend für die Rechtsnatur.122 Dasselbe gilt für die Titulierung der evangelischen Kirchenverträge als „Staatsverträge“, allein die Benennung führt nicht zur Rechtsform. Auch bei einem als „Staatsvertrag“ bezeichneten Vertragswerk kann es sich um einen schlichten Verwaltungsvertrag handeln – dies hat das BVerfG in der Entscheidung über den ZVS-Staatsvertrag entschieden, einem Vertrag, der sogar zwischen den Bundesländern abgeschlossen wurde.123 Selbst der tatsächliche Wille zu einer dergestalten Bindung bewirkt allein nicht, daß tatsächlich eine staatsvertragliche Bindung eintritt, hinzukommen muß noch ein objektives Element, die Erfüllung der objektiven Voraussetzungen der Vertragsform. Aus der bloßen Bezeichnung als Staatsvertrag folgen also keine rechtlichen Konsequenzen für die Rechtsnatur des Kirchenvertrages. Auch Autoren, die eine Einordnung als Staatsvertrag befürworten, geben dies zu, halten aber an der Bezeichnung ohne Rücksicht auf Inhalte des Kirchenvertrags fest.124 Geht man allerdings in diesem Sinne von dem technischen Verständnis des Staatsvertrages ab und reduziert ihn auf besonders bedeutsame Verträge zwischen dem Staat und gesellschaftlich bedeutsamen 118

D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 212. P. Badura, Staatsrecht, D 91; Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 162. 120 C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 68. Zum Prozedere beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge K. Doehring, Völkerrecht, Rdnrn. 333 ff.; B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 59 Rdnr. 22. 121 K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 93. 122 BVerfGE 42, 103 (115 f.). 123 BVerfGE 42, 103 (113). Vgl. auch BVerwGE 50, 124 (129). 124 So etwa S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 36. 119

B. Die evangelischen Kirchenverträge

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Organisationen, so verliert die Bezeichnung als Staatsvertrag ihre juristische Bedeutung und wird zu einem protokollarischen Ehrentitel.125 Um Erkenntnisse über die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihre Bestandskraft zu sammeln, ist diese Betrachtungsweise aber nicht hilfreich. Es muß also gefragt werden, ob die Bezeichnung der evangelischen Kirchenverträge als Staatsverträge auch der rechtlichen Realität entspricht, oder ob es sich hier nur um eine möglichst feierliche Benennung der Verträge ohne rechtliche Bedeutung handelt. 2. Die evangelischen Kirchen als Vertragspartner eines Staatsvertrags Der Inhalt des Vertrages ist jedoch nicht allein ausschlaggebend. Nicht jeder Beliebige kann einen Staatsvertrag schließen, diese Vertragsform ist vielmehr von ihrem Ursprung her den Staaten vorbehalten.126 Nun sind die evangelischen Kirchen weder „auswärtige Staaten“ noch wenigstens anderweitig Völkerrechtssubjekte. Es ist daher nach diesen Kriterien nicht einfach „zwanglos“127 möglich, die Kirchenverträge den Staatsverträgen zuzurechnen, es wäre vielmehr einiger Begründungsaufwand notwendig. Um mit der überwiegenden Auffassung die evangelischen Kirchenverträge als Staatsverträge zu betrachten, müßten die evangelischen Kirchen in irgendeiner Weise mit den oben genannten Vertragsparteien vergleichbar sein, die die Gleichbehandlung rechtfertigt. Sieht man davon, die Staatlichkeit beider Vertragsparteien zu fordern, ab,128 kann man über die Erstreckung des Staatsvertragsbegriffs auf die evangelischen Kirchen nachdenken, so wie das im Völkerrecht beim Heiligen Stuhl und den Internationalen Organisationen erfolgt ist. Dort bleibt jedoch das völkerrechtliche Grundkonzept, daß die Vertragsparteien einander nicht unterworfen sind, erhalten. Die evangelischen Kirchen aber stehen dem Staat nicht souverän gegenüber. Dem wird entgegengehalten, daß die Länder dem Bund ebenfalls als nicht souveräne Glieder angehörten, aber trotzdem mit ihm in staatsvertragliche Beziehung treten könnten.129 Zur Situation der evangelischen Kirchen besteht jedoch ein entscheidender Unterschied: Das Grundkonzept des föderalen Systems der Bundesrepublik ist, daß die Länder zumindest einen Rest 125

Kritisch auch D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 212. Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 122. 127 So aber D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 212. 128 So H. U. Anke, Neubestimmung, S. 116; C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 69. 129 D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 216. Das Fehlen von Souveränität seitens der Länder in ihrem Verhältnis zum Bund bestätigt auch Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 285 unter Rückgriff auf BVerfGE 1, 14 (51 f.). 126

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an Eigenstaatlichkeit besitzen.130 Dies zeigt sich auch darin, daß die einschlägige Rechtsordnung für die Staatsverträge – Völkerrecht oder staatliches Recht – nicht unumstritten ist.131 Mag sich die rechtliche Behandlung der Staatsverträge aber auch im Sinne der herrschenden Meinung nach dem Bundesverfassungsrecht richten,132 so liegen die Staatsverträge doch auf der Grenze zwischen nationalem und Völkerrecht, was sich auch darin zeigt, daß die Regeln des Völkerrechts zumindest analoge Anwendung finden sollen.133 Nachdem aber soeben festgestellt wurde, daß die Verträge mit den evangelischen Kirchen aufgrund ihrer Organisationsform nicht völkerrechtlich sein können,134 scheint dieser Ansatz doch eher dem Bestreben zu entspringen, das gewünschte Ergebnis (die rechtliche Gleichbehandlung der Konkordate und der Verträge mit den evangelischen Landeskirchen) durch Verwendung eines anderen Begriffes auf subtile Art und Weise doch zu erreichen. Begründen läßt sich die erstrebte Gleichstellung der evangelischen Kirchen mit dem Staat auch nicht mit dem Verweis auf die Sonderstellung, die diese durch ihr Selbstbestimmungsrecht gegenüber anderen Vereinigungen innehaben.135 Ihnen wird tatsächlich durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen aus Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV eine Selbständigkeit vom Staat gewährt, die über die Rechtsstellung anderer Vereinigungen, die diesen aufgrund von Art. 9 GG zusteht, weit hinausgeht.136 Dies betrifft aber vor allem Fragen der Selbstdefinition und der Regelung der inneren Angelegenheiten, wie die Setzung innerkirchlichen Rechts, Bestimmungen über die Kirchenmitgliedschaft oder die Besetzung kirchlicher Ämter.137 Dies bedeutet einen besonderen Schutz kirchlichen Lebens durch Errichtung einer Art innerkirchlichen Schutzraums, macht aber aus den evangelischen 130 Zu diesem „Rest an Staatlichkeit“ als Voraussetzung eines Staatsvertrags BVerfGE 1, 14 (34); 22, 221 (230); J. A. Frowein, FS Flume I, S. 305; W. Rudolf, FG 25 Jahre BVerfG II, S. 240. Vgl. auch Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 122 und 241 f. 131 s. dazu bereits oben Zweiter Teil, B.II, vor 1. Dazu in aller Ausführlichkeit Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 230 ff. 132 O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 32 Rdnr. 33. 133 K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 54; Chr. A. Stumpf, DÖV 2003, S. 1033. 134 s. oben Zweiter Teil, B.I. 135 So aber H. U. Anke, Neubestimmung, S. 155 ff. 136 U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnrn. 28 f. 137 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 137 WRV Rdnrn. 30 ff.; ders./H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 101 ff.; U. K. Preuß, in: AKGG, Art. 140 Rdnr. 30.

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Kirchen keine quasi-staatlichen Entitäten, die ihm gleichrangig, gar in einer eigenen Rechtsordnung, begegnen könnten. Auch die historische Herleitung der Unabhängigkeit und Nebenordnung von Staat und Kirche kann nicht überzeugen. Zum einen kann selbst in einem so stark historisch geprägten Rechtsgebiet wie dem Staatskirchenrecht die Geschichte als isolierter Gesichtspunkt eine Rechtsfolge nicht rechtfertigen. Zum anderen könnte diese Argumentation allenfalls für die katholische Kirche Geltung erlangen – die evangelischen Kirchen besaßen diese Unabhängigkeit aufgrund des landesherrlichen Kirchenregiments bis 1919 gerade nicht.138 Die besondere Stellung auch der evangelischen Kirchen im deutschen Staatsrecht ist unbestreitbar. Sie stützt sich jedoch auf die spirituelle Bedeutung, die die Kirchen innehaben und trägt dem daraus resultierenden auch innerweltlichen Einfluß Rechnung. Sie findet sich jedoch nicht in einer der staatlichen gleichartigen Machtstellung wieder und ersetzt daher nicht die staatliche bzw. staatsähnliche Komponente, die dem Begriff des Staatskirchenvertrages immanent ist. 3. Resümee Daß die Rechtsform „Staatsvertrag“ auf die evangelischen Kirchenverträge nicht lückenlos paßt, wird auch darin deutlich, daß sich die Autoren, die eine solche Einordnung befürworten, teilweise genötigt sehen, erhebliche Modifikationen am Staatsvertragsbegriff vorzunehmen, um die Kirchenverträge in das Schema einzufügen. So werden die Kirchenverträge als nur „einseitig Staatsverträge“139 (die Konkordate im Gegenzug als Staatsverträge, die lediglich zusätzlich noch völkerrechtliche Verträge seien140) bezeichnet, oder aber ihr Geltungsgrund wird – insoweit ähnlich manchen Theorien vom Kirchenvertrag als Vertrag sui generis141 – nicht im staatlichen Recht, sondern in einer Art staatlich-kirchlichem Zwischenrecht verortet. Grundmann stellt fest, die Kirchenverträge paßten zwar nicht unter die Begriffe von Art. 32 und 59 GG, bezeichnet sie aber wegen ihres verfassungsrechtlichen Bezugs trotzdem als Staatsverträge,142 inhaltlich freilich näher an einer Qualifizierung als Vertrag eigener Art. Hans Ulrich Anke nennt die Kirchenverträge Staatsverträge, folgert aber aus den grundlegenden Unterschieden zwischen den gliedstaatlichen und den staatskirchen138

Vgl. dazu H. Wagnon, Concordats, S. 36. H. Quaritsch, FS Schack, S. 131. 140 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52. Ähnlich A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 274 f. 141 s. dazu unten Zweiter Teil, B.V. 142 S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 36. 139

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rechtlichen Verträgen auch Abweichungen bezüglich ihrer Bestandskraft und ihrer Fähigkeit, den Gesetzgeber zu verpflichten.143 Durch diese Abwandlungen werden die Kirchenverträge letztlich doch dem Regime der Staatsverträge entzogen, vom „Staatsvertrag“ bleiben lediglich die Bezeichnung und protokollarische Behandlung. Da es in der vorliegenden Arbeit aber zunächst um die Klärung der Rechtsfrage nach der Natur der Kirchenverträge gehen soll, bleibt festzustellen, daß es sich bei den evangelischen Kirchenverträgen nicht um Staatsverträge im Rechtssinne handelt. III. „Staatsrechtliche Verträge“ Dirk Ehlers144 führt eine neue Kategorie des dem innerstaatlichen Recht unterworfenen Vertrags ein, den „staatsrechtlichen“ Vertrag. Dieser Begriff wurde für die evangelischen Kirchenverträge schon von Ulrich Scheuner verwendet, jedoch eher im Sinne des Staatsvertrags.145 Nach Ehlers soll aber ein Unterschied zu den Staatsverträgen bestehen. Für die Wirksamkeit der staatsrechtlichen Verträge seien aber – hier ebenso wie für die Staatsverträge – völkerrechtliche Maßstäbe als Orientierung herangezuziehen.146 Diese Lösung erscheint allerdings nicht konsequent, nachdem ebd.147 die Anwendung des Völkerrechts – und sei es analog – auf die nichtkonkordatären Vereinbarungen ausdrücklich verworfen wurde. Offen bleibt dabei, was die eigenständige Charakteristik der „staatsrechtlichen“ Verträge im Kontrast zu hauptsächlich den Staatsverträgen sein soll. Für die Frage der Bestandskraft der evangelischen Kirchenverträge ist diese Einordnung deshalb nicht weiterführend. IV. Die evangelischen Kirchenverträge als Verwaltungsverträge Trifft nun keine der bisher genannten Vertragsarten die Charakteristiken des Kirchenvertrages ganz, so bleibt die Frage, ob es sich vielleicht um schlichte öffentlich-rechtliche Verträge, um Verwaltungsverträge, handelt. 143

H. U. Anke, Neubestimmung, S. 164; dazu unten Dritter Teil, B.II.1.b). D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 298 ff.; dem folgend A. Schilberg, Ev. Kirchenrecht, S. 179. 145 U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 318 f. 146 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 314. 147 S. 294 f. 144

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In der Frühzeit der evangelischen Kirchenverträge bis in die dreißiger Jahre hinein entsprach dies der vorherrschenden Meinung,148 sie wird bis heute vereinzelt vertreten. 1. Argumente für eine Einordnung als Verwaltungsverträge Das Hauptargument bestand und besteht zum Teil heute noch in der Betonung der innerstaatlichen Rechtsform der Kirchen.149 Danach sollen die Kirchenverträge Verwaltungsverträge sein, da hier der Staat mit den Kirchen als innerstaatlichen Verbänden paktiere. In diesem Verhältnis seien verfassungsrechtliche Verträge – also Verwaltungsabkommen oder Staatsverträge – unmöglich. Schließe der Staat Verträge mit seinen Untergebenen, so müsse es sich um „gewöhnliche öffentlich-rechtliche Verträge“150 – gemeint sind offensichtlich Verwaltungsverträge nach §§ 54 ff. VwVfG151 – handeln. 2. Probleme und Kritikpunkte Diese – heute von nur wenigen Autoren, von diesen aber mit besonderer Verve gleichermaßen für Konkordate und evangelische Kirchenverträge vertretene152 – Einordnung erscheint auch prima facie einleuchtend: Nachdem die Existenz des öffentlich-rechtlichen Vertrages seit geraumer Zeit allgemein anerkannt ist153 und mittlerweile auch seine Regelung in den §§ 54 ff. VwVfG gefunden hat, kann gemäß § 54 S. 1 VwVfG ein „Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts [. . .] durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden“. Dennoch bleiben Zweifel, ob die Einordnung als verwaltungsrechtliche Verträge die Charakteristika der Staatskirchenverträge wirklich trifft. Nicht jeder Vertrag, der auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geschlossen wird, ist auch ein verwaltungsrechtlicher Vertrag nach § 54 VwVfG. 148 H. Wagnon, Concordats, S. 36. Diese Bezeichnung verwendet auch H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 394, 419, bezeichnet sie aber zugleich als „zu eng“, ebd., S. 394. s. dazu oben Erster Teil, B. 149 G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 75; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 34; ders., DÖV 1997, S. 934; H. Wagnon, Concordats, S. 36. 150 So L. Renck, DÖV 1997, S. 934. 151 Dazu auch D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 296. 152 G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 75; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 34; ders., DÖV 1997, S. 934. 153 Dazu K. Stern, VerwArch 49 (1958), S. 109. Ablehnend noch O. Mayer, AöR 3 (1888), S. 42.

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a) Unzulässigkeit der Anwendung auf die Konkordate So unterschiedslos auf Konkordate und evangelische Kirchenverträge anwenden, wie Gerhard Czermak und Ludwig Renck dies tun, läßt sich die Rechtsfigur des Verwaltungsvertrages nicht.154 Die Konkordate mit der katholischen Kirche sind, wie bereits dargelegt, völkerrechtliche Verträge.155 Damit fallen sie zwangsläufig aus dem Anwendungsbereich des VwVfG heraus. Etwas anderes könnte aber für die evangelischen Kirchenverträge, die nicht völkerrechtlich, sondern nach innerstaatlichem Recht beurteilt werden müssen, gelten. b) Der Körperschaftsstatus Augenmerk soll dabei zunächst auf die Organisationsform der evangelischen Kirchen gelegt werden, da diese von den Vertretern der verwaltungsvertragsrechtlichen Lösung als hauptsächliches Argument vorgebracht wird. Hierdurch seien die Kirchen „Unterworfene“ des Staates.156 Richtig daran ist, daß die evangelischen Kirchen nicht außerhalb des Staates stehen. Fraglich ist aber, ob eine „Unterwerfung“ unter den Staat wegen der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Kirchen ausscheidet. Allerdings stehen die Kirchen zwar unter dem besonderen Schutz des Art. 4 GG, und ihre Möglichkeit, Verträge mit dem Staat abzuschließen, ist ebenfalls im Verfassungsrecht vorausgesetzt. So spricht Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV von den „auf Vertrag [. . .] beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften“. Dies allein verschafft ihnen jedoch noch keine Verfassungsrechtssubjektivität, die sie mit dem Staat gleichberechtigt auf eine Stufe stellen würde. Auch die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts führt nicht zu einer solchen gleichberechtigten, „staatsgleichen“ Stellung.157 Nicht jede vertragliche Beziehung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Staat spielt sich auf verfassungsrechtlicher Ebene ab. Besonders hervorzuheben sind hier die Hochschulverträge, die in den vergangenen Jahren verstärkt zwischen den Ländern und den Universitäten 154

Differenzierend auch H. Wagnon, Concordats, S. 36. s. oben Zweiter Teil, A.III. 156 So L. Renck, DÖV 1997, S. 932. 157 In dieser Richtung aber D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 187. Zum Körperschaftsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften s. St. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit. 155

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abgeschlossen wurden, um das Hochschulwesen trotz der immer geringeren Finanzausstattung der Länder funktionsfähig zu erhalten.158 Auch die Hochschulen sind in der Regel als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfaßt. Ferner genießen sie das Recht wissenschaftlicher Selbstverwaltung, stehen dem Staat also in bestimmtem Umfang selbständig gegenüber, wie die Kirchen auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechts. Diese Unabhängigkeit der Hochschulen ist jedoch nicht so umfassend wie die der Kirchen, da die Universitäten nicht nur Selbstverwaltungskörperschaften, sondern herkömmlich zugleich auch staatliche Einrichtungen und damit in die staatliche Hierarchie eingeordnet sind.159 Diese Einbindung wurde in der jüngsten Vergangenheit in einigen Bundesländern gelockert, so etwa in Nordrhein-Westfalen durch das Hochschulfreiheitsgesetz. Durch dieses wird den Hochschulen in § 2 HG NRW n. F. zum einen die Möglichkeit eingeräumt, den Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu verlassen, zudem werden sie nicht mehr als „Einrichtungen des Landes“ bezeichnet. Dennoch werden die Hochschulen auch weiterhin ausdrücklich „vom Land getragen“. Eine den Kirchen vergleichbare Unabhängigkeit vom Staat können sie daher selbst nach dem neuen Hochschulrecht nicht erlangen. Der Unterschied ist auch, daß die Hochschulen vom Staat geschaffen werden, was eine Bindung des Staates an Verträge mit ihnen fraglicher erscheinen läßt160 als mit den Kirchen. Denn letztere erhalten zwar den Körperschaftsstatus durch staatliche Verleihung, entstehen aber nicht durch staatlichen Schöpfungsakt, sondern bekommen diesen Status als Anerkennung ihrer staatsunabhängigen Existenz. Die Hochschulverträge werden mangels eines verfassungsrechtlichen Status der Universitäten als Verwaltungsverträge angesehen.161 Die haushaltsrechtlichen Folgen, die die Hochschulverträge zeitigen, erfordern jedoch trotzdem eine parlamentarische Zustimmung.162 Diese Einordnung ist aber auch nicht unproblematisch. Durch sie wird eine gesetzgeberische Sanktionierung nur in Form der Ausweisung von Mitteln im Haushaltsgesetz vorgenommen.163 Es fehlt hingegen ein Zustimmungsgesetz zum Vertrag insgesamt, auch dies ein Unterschied zu den Kirchenverträgen. Die Auswirkungen der Hochschulverträge sind jedoch nicht beschränkt auf haushaltsrechtliche Fragen, durch die Beeinflussung des Hochschulangebots 158

Dazu B. Remmert, FS Erichsen, S. 163 ff. Dazu R. Uerpmann, JZ 1999, S. 647 f. 160 Dies betont R. Uerpmann, JZ 1999, S. 646. 161 B. Remmert, FS Erichsen, S. 166 unter Verweis auf § 9 S. 3 HG NRW; R. Uerpmann, JZ 1999, S. 649. 162 R. Uerpmann, JZ 1999, S. 648 f. 163 Vgl. Zum Berliner Hochschulvertrag E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 61 f. Eine Ausnahme hierzu bildet die Zielvereinbarung des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit der Universität Greifswald, die einen Zustimmungsvorbehalt enthält. 159

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

werden vielmehr auch die (zukünftigen) Studierenden und Bürger betroffen; dies aber begründet einen Gesetzesvorbehalt, der durch die bloße Ausweisung im Haushaltsstrukturgesetz nur unzureichend umgesetzt wird.164 § 9 S. 3 HG NRW, auf den beispielhaft verwiesen wird, um die Zuordnung der Hochschulverträge zum Verwaltungsrecht zu begründen,165 ordnet nur eine entsprechende Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG NRW an, spricht also insofern sogar eher gegen als für die Verwaltungsrechtlichkeit der Hochschulverträge. Unabhängig von der tatsächlichen Rechtsnatur der Hochschulverträge sollen aber die Verträge zumindest wie Verwaltungsverträge behandelt werden. Bei den evangelischen Kirchenverträgen fehlt dieser Verweis auf das VwVfG. Eine Gleichbehandlung mit den Verwaltungsverträgen wie im Fall der Hochschulverträge ist also nicht gewollt. Die Verleihung des Körperschaftsstatus allein führt daher nicht zu einer automatischen Hochzonung der Kirchenverträge auf die verfassungsrechtliche Ebene. Sinn der Verleihung des Körperschaftsstatus an die Kirchen war aber auch nicht ihre Einordnung in das Verwaltungsrechtssystem, sondern die „Gewährleistung eines öffentlichen Gesamtstatus“166. Aus diesem Grund kann auch die Zuordnung der Kirchenverträge zum öffentlichen Recht nicht davon abhängig gemacht werden, daß die Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist.167 Andersherum ist der Körperschaftsstatus allein kein taugliches Argument, um den Kirchenvertrag auf die Ebene des Verwaltungsvertrags zu reduzieren. Der Körperschaftsstatus ist nicht Grund, nicht einmal Voraussetzung für den Abschluß von Kirchenverträgen.168 Er kann daher auch die Rechtsnatur des Vertrages nicht beeinflussen. c) Ausnahme vom Geltungsbereich nach § 2 Abs. 1 VwVfG Allerdings könnte hier die Ausnahme vom Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 VwVfG, wonach das VwVfG nicht für die Tätigkeit der Kirchen gilt, einschlägig sein. Was genau das Gesetz unter „Tätigkeit der Kirchen“ versteht, ist nicht eindeutig. Auch die Gesetzesmaterialien sind insoweit nicht aussagekräftig.169 Jedoch sprechen Formulierung und systematische Einordnung des § 2 VwVfG dafür, daß diese Norm aus dem Anwendungs164

E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 297 f.; 405 f. So B. Remmert, FS Erichsen, S. 166. 166 H. Weber, Grundprobleme, S. 57. Ähnlich auch J. Dietlein, in: Dietlein/ Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, § 1 Rdnr. 64. 167 So aber A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 275. Ablehnend H. de Wall, Zukunft des Islam, S. 40. 168 A. Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 82. 169 Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 33. 165

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bereich des Gesetzes vor allem die innerkirchlichen Verwaltungsmaßnahmen ausnehmen wollte.170 Ausgenommen werden sollte also die Tätigkeit der Kirche im Staat, nicht das Handeln der Kirche mit dem Staat. d) Das Ratifikationserfordernis Durch das Erfordernis der Ratifikation, das in jedem der Verträge aufgenommen ist,171 heben sich die Kirchenverträge schon in ihrem Zustandekommen von anderen verwaltungsrechtlichen Verträgen ab. Die Möglichkeit eines Gesetzesvorbehalts bei verwaltungsrechtlichen Verträgen wird zwar in der Literatur erwogen, dieser soll aber mehr in Form einer dem Vertrag vorhergehenden Ermächtigung zum Vertragsschluß als in einem nachträglichen Zustimmungserfordernis liegen.172 Zudem sollen damit vorrangig Verträge erfaßt werden, durch die Hoheitsträger untereinander Kompetenzen und Zuständigkeiten übertragen wollen.173 Im Bereich der Staatskirchenverträge kommt es zwar in gewissem Umfang zur Zuordnung von Kompetenzen zum Staat oder zur Kirche, dies ist aber nicht Hauptzweck oder hauptsächlicher Regelungsgegenstand174 der Verträge. Insofern ist fraglich, ob der Vorbehalt nachträglicher parlamentarischer Zustimmung die Kirchenverträge über den Status bloßer Verwaltungsverträge hinausheben kann.175 Nach der Rechtsprechung des BVerfG macht die Zustimmungsbedürftigkeit eines Vertrages diesen jedoch noch nicht zu einem verfassungsrechtlichen, die parlamentarische Zustimmung kann vielmehr auch nur dem Ziel dienen, dem Vertrag Außenwirkung zu verleihen.176 Möglicherweise erfüllt der Vorbehalt des Zustimmungsgesetzes auch nur die Funktion einer aufschiebenden Bedingung, die von den Parteien als zusätzliche Voraussetzung für das Inkrafttreten des Vertrages vereinbart wird, dessen Rechtsform aber nicht tangiert.177 Dann wäre die Einholung der Zustimmung des Parlaments allenfalls eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages. 170 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 2 Rdnr. 8.; P. Stelkens/H. Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 2 Rdnr. 32. 171 s. nur beispielhaft Art. 9 Preußischer Kirchenvertrag. 172 E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 295 ff., 298; W. Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 266. 173 E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 297; W. Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 266. 174 Dazu sogleich unter Zweiter Teil, B.IV.2.e). 175 So etwa D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 297. 176 Für Verträge mit den Bundesländern BVerfGE 42, 103 (115 f.); entsprechend auch L. Renck, DÖV 1997, S. 934. 177 Dazu später unter Dritter Teil, B.II.4.b)(2).

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Nicht zuletzt aber erfolgt die förmliche Ratifikation auch aus Paritätsgründen parallel zum Verfahren beim Abschluß von Konkordaten.178 Entscheidend für die Rechtsnatur sind also weder die Vertragspartner noch die formale Gestaltung des Vertragsschlusses, sondern der Inhalt des Vertragsverhältnisses.179 e) Der Inhalt des Vertrages als ausschlaggebendes Kriterium Zur Klassifizierung des Kirchenvertrags muß also auf seinen Inhalt abgestellt werden. Zunächst ist schon fraglich, ob man den Abschluß von Kirchenverträgen als „öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit“ i. S. v. § 1 VwVfG bezeichnen kann.180 Der öffentlich-rechtliche Charakter der Kirchenverträge ergibt sich nun schon aus dem Verhältnis der Vertragsparteien – das Verhältnis von Staat und Kirche fußt auf Art. 140 GG/Art. 136 ff. WRV und damit auf Verfassungsrecht.181 Allein damit, daß der Regelungsgegenstand der Kirchenverträge aus dem Staatskirchenrecht – und damit aus dem Verfassungsrecht – stammt, kann die Eigenschaft der Kirchenverträge als Verwaltungsverträge nicht abgelehnt werden. Denn daß das Grundverhältnis der Vertragspartner verfassungsrechtlich ist, macht nicht jeden zwischen ihnen geschlossenen Vertrag zu einem verfassungsrechtlichen. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit Verträgen zwischen den Bundesländern: Deren Verhältnis zueinander ruht auf dem Boden des Grundgesetzes – damit müßte jeder zwischen den Bundesländern geschlossene Vertrag ein verfassungsrechtlicher Vertrag sein; das BVerfG hat aber entschieden, daß selbst Verträge zwischen Bundesländern nicht automatisch Staatsverträge sind, sondern auch bloße Verwaltungsverträge sein können.182 Die kodifikatorischen Kirchenverträge, um die es hier gehen soll, enthalten zunächst eine große Zahl an Wiederholungen verfassungsrechtlicher Gewährleistungen, Vereinbarungen über Staatsleistungen an die Kirchen, dann auch Bestimmungen über das Verhältnis von Staat und Kirche, insbe178

Vgl. E. Ruppel, Kirchenvertragsrecht, S. 119. BVerfGE 42, 103 (113 f.). 180 Ablehnend etwa H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rdnr. 7 sowie H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, § 54 Rdnr. 16. 181 So auch H. Rust, Rechtsnatur, S. 190. 182 BVerfGE 42, 103 (113). 179

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sondere bei der Erledigung der sog. gemeinsamen Aufgaben (res mixtae), aber auch betreffend den Umgang der Vertragsparteien (etwa die Freundschaftsklauseln oder die Vereinbarung regelmäßiger Gespräche der Parteien). Diese Vereinbarungen zur Kooperation können wohl als verwaltungsrechtlich betrachtet werden, sie regeln nur die Ausführung des verfassungsrechtlich vorbestimmten Verhältnisses.183 Ein Vertrag wird aber nicht bereits dadurch in seiner Gesamtheit verwaltungsrechtlich zu beurteilen sein, daß einzelne Vereinbarungen auch auf verwaltungsrechtlicher Ebene hätten geregelt werden können.184 Die Staatsleistungen hingegen spielen in die Zuständigkeit des Haushaltsgesetzgebers hinein, daher gehen sie über die Kompetenzen der Verwaltung hinaus.185 Problematisch sind die Artikel, die verfassungsrechtliche Gewährleistungen wiederholen – hier ist umstritten, ob sie sich in der Wiedergabe des schon anderweitig Gewährten erschöpfen, oder ob ihnen ein Regelungsgehalt zukommt. Entgegen der Auffassung, die Wiederholung einer Verfassungsgarantie entfalte keine rechtliche Wirkung, kann die Verankerung einer objektiven Verfassungsgarantie im Kirchenvertrag aber zumindest zur Ausbildung eines subjektiven Rechts führen.186 Der Inhalt der Kirchenverträge geht damit – nicht zuletzt wegen der darin geregelten Staatsleistungen, die für den Landeshaushalt relevant sind – über das hinaus, was im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung liegt und durch Verwaltungsabkommen geregelt werden könnte.187 Aufgrund ihrer Bedeutung unterliegen die Verträge dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes. Dieser gesetzlichen Zustimmung bedürfen vor allem Verträge, die Rechte einzelner berühren,188 aber auch budgetrelevante Verträge, die den Landeshaushalt betreffen189. Das Zustimmungsgesetz ist nicht nur erforderlich, um die Anwendbarkeit des Vertrages anzuordnen, sondern auch, damit der Vertrag nicht nur die Verwaltung binden kann, sondern den Staat im Ganzen. An dieser Stelle kommt zusätzlich das Paritätsprinzip zum Tragen: Wie oben dargelegt,190 folgt aus der grundsätzlichen Parität der Religionsge183 Beschränkt sich der Inhalt des Vertrages auf diese Gegenstände, spricht man auch von Verwaltungsabkommen zwischen Staat und Kirche; vgl. dazu ausführlich W. Rüfner, FS Starck, S. 1175 ff., 1180. 184 BVerfGE 22, 221 (230). 185 Vgl. dazu H. de Wall, Zukunft des Islam, S. 42. 186 So auch OVG Greifswald, NVwZ 2000, 948 (949). H. de Wall, NVwZ 2000, S. 861; H. de Wall, ZevKR 45 (2000), S. 628. 187 So auch C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 69, 71. In diesem Sinne auch BT-Drs. 7/910, S. 77. 188 Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 158 f. 189 Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 160. 190 Zweiter Teil, B.I.2.

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meinschaften kein Anspruch auf den Abschluß von Verträgen derselben Rechtsnatur. Sehr wohl aber kann eine entsprechende inhaltliche Absicherung des Vereinbarten verlangt werden. Dies bedeutet, daß zwar aufgrund der unterschiedlichen Verfaßtheit von evangelischer und katholischer Kirche die evangelischen Kirchenverträge nicht als völkerrechtliche Verträge geschlossen werden müssen oder auch nur können. Aber es muß eine möglichst weitgehende Angleichung erfolgen in der Form, daß etwa eine Beteiligung des parlamentarischen Gesetzgebers gewährt werden muß, die evangelischen Kirchen also nicht auf einen Vertragsschluß nur mit der Verwaltung verwiesen werden dürfen.191 Insoweit muß sich der Staat daran festhalten lassen, daß er den Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt anerkannt hat und als solches mit ihm paktiert; will er an dieser Praxis festhalten, muß er aufgrund seiner Verpflichtung zur paritätischen Behandlung der Kirchen auch den evangelischen Kirchen Entsprechendes zuteil werden lassen. Dies ändert nichts daran, daß die Verträge mit den evangelischen Kirchen nur auf dem Boden des innerstaatlichen Rechts geschlossen werden können, führt aber immerhin zu einigen Eigenheiten der Kirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen, die diese von den „normalen“ Verwaltungsverträgen unterscheiden.192 Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es falsch, die evangelischen Kirchenverträge in das Prokrustesbett des Verwaltungsvertrages zwängen zu wollen. V. Verträge sui generis Teilweise wird auf eine Zuordnung zu einer bestehenden Vertragsart verzichtet und der Kirchenvertrag – zumeist ohne Unterscheidung nach Verträgen mit der katholischen bzw. der evangelischen Kirche – schlicht als Vertrag „sui generis“ bezeichnet.193

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So auch U. Scheuner, ZevKR 6 (1957/58) = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 311. 192 Dies entspricht auch der Einschätzung des Gesetzgebers, der in der Begründung zum (Bundes-)VwVfG Verträge mit den Kirchen – unter Hinweis auf ihre Verortung im Staats- und Verfassungsrecht – ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Verwaltungsvertrages ausnimmt, BT-Drs. 7/910 S. 77. 193 H. Barion, FS Carl Schmitt, S. 30; H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 251; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 101; ders., HdbStKirchR I, S. 274; E. R. Huber, Verträge, S. 83 f.; R. Smend, JZ 1956, S. 266; M. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 Rdnr. 57; D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 234. So wohl auch J. Listl, Konkordate I, S. 8 und 14; C. H. Ule, FG Maunz, S. 418.

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1. Keine Möglichkeit der Zuordnung zu einer anderen Vertragsart Die Einordnung eines Rechtsphänomens in eine Kategorie sui generis ist nur zulässig, wenn die Zuordnung zu einer bereits etablierten Rechtsfigur nicht möglich ist.194 Für die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl kann sie daher schon aus diesem Grund nicht zutreffen. Diese Verträge können ohne größere Schwierigkeiten als völkerrechtliche Verträge klassifiziert werden. Insbesondere zwingt das religionsrechtliche Paritätsgebot nicht dazu, die katholischen und die evangelischen Kirchenverträge um jeden Preis gleich zu behandeln, was sonst Veranlassung dazu geben könnte, die Konkordate trotz dieser Möglichkeit nicht als völkerrechtliche Verträge zu betrachten.195 Die evangelischen Kirchenverträge hingegen lassen sich nicht eindeutig einer bestehenden Vertragsform zuordnen. Daher stellt sich zunächst die Frage, ob Verträge eigener Art hier zulässig sind, oder ob die Zuordnung eines Vertrages zu einer gesetzlich geregelten Vertragsform zwingend notwendig ist. 2. Die Einzigkeit der evangelischen Kirchenverträge Alle etablierten Vertragsarten wurden gerade für die evangelischen Kirchenverträge ausgeschlossen. Dies bedeutet, daß sich die Kirchenverträge nicht einem Normenkomplex zuordnen lassen, der die Zulässigkeit und den Bestand von Verträgen regelt, wie dies z. B. die §§ 54 ff. VwVfG sind. Schon dadurch, daß er mit den evangelischen Landeskirchen Verträge in besonders feierlicher Form abschließt, zeigt der Staat, daß er die evangelischen Kirchen nicht als „Untertanen“ wie alle anderen betrachtet. Aber eine genaue Einordnung ihres Verhältnisses nehmen weder er noch die evangelischen Kirchen vor; letztere formulieren in der neueren Zeit zwar regelmäßig ihren Anspruch auf Unabhängigkeit vom Staat, beanspruchen jedoch keine Rechtspersönlichkeit, die außerhalb staatlichen Rechts liegt.196 194 H. F. Köck, Aspekte, S. 21; im Anschluß daran auch D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 24. 195 Vgl. dazu die Ausführungen zur Parität, oben Zweiter Teil, B.I.2. Im Ergebnis ebenso D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 271 ff. A. A. wohl die meisten Vertreter dieser Lehre, die Konkordate und evangelische Kirchenverträge gleichermaßen zu Verträgen eigener Art erklären, so E. R. Huber, Verträge, S. 83 f.; Th. Sanders, Der Einfluß der Staatensukzession auf die Rechtslage der kath. Kirche, S. 98, im Fall der Konkordate allenfalls noch angereichert durch einen völkerrechtlichen Bezug; so auch H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 251 f.; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 104. 196 In diesem Sinne EKD, Ev. Kirche und freiheitliche Demokratie, S. 15, 17.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen dem staatlichen Recht unterworfenen Vereinigungen rechtfertigt sich hierbei aus der langen gemeinsamen Geschichte von Staat und (evangelischer) Kirche. In dieser historischen Nähebeziehung hat die Kirche den Staat als Hüter der innerweltlichen Ordnung anerkannt, der Staat andererseits die Kirche als einzige andere Institution, die den Menschen in seiner Gesamtheit beansprucht und nicht nur beschränkt auf einen bestimmten Ausschnitt seiner Lebenssituation (wie etwa der gern angeführte Deutsche Sportbund197).198 Maßgeblich für die Rechtsnatur eines Vertrages kann nicht allein die historische Entwicklung sein. Das GG erkennt diese Sonderstellung jedoch in der Übernahme der Artikel aus der WRV an. Dies unterscheidet das Verhältnis des Staates zu den Kirchen von dem zu anderen Bürgern. Deshalb können die evangelischen Kirchenverträge keiner der etablierten Vertragsarten zugeordnet werden. Die Form eines Staatsvertrags zu wählen (auch wenn es sich mangels Vertragsfähigkeit auf seiten der evangelischen Kirchen nicht um Staatsverträge handelt), kann zwar, wie dargestellt, nicht zur Qualifizierung als Staatsvertrag führen. Es spricht daraus jedoch zumindest ein gesteigerter Rechtsbindungswillen auch auf seiten der staatlichen Vertragspartei. 3. Die Zulässigkeit einer Vertragsform „eigener Art“ Doch ist es dem Staat überhaupt erlaubt, Verträge sui generis, denen also besondere Regeln über Abschluß und Bestand fehlen, zu schließen? Nach verbreiteter Ansicht wird die Möglichkeit in Frage gestellt, Vertragsbindung ohne eine übergeordnete Rechtsnorm, die diese Bindung anordnet, herzustellen.199 Eine ausdrückliche Ermächtigung zum Abschluß staatskirchenrechtlicher Verträge gibt es nur in einigen Bundesländern.200 Findet sich aber eine 197 L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 34; ders., DÖV 1997, S. 934. Daß er an gleicher Stelle als typischen innerstaatlichen Verband das Rote Kreuz anführt, ist allerdings mißverständlich – die nationalen Sektionen organisieren sich zwar nach innerstaatlichem Recht, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als Zentralorgan gehört aber zu den Völkerrechtssubjekten! Vgl. V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 6 ff. 198 Ebenso wohl A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 143, Fn. 9. s. auch K. Schlaich, HdbStKR II, S. 176. 199 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 147; K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 278 f.; W. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 23; F. O. Kopp, JZ 1970, S. 279; O. Mayer, AöR 3 (1888), S. 49; C. H. Ule, FG Maunz, S. 419. Wohl ebenso H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 261 ff. 200 Art. 50 Abs. 1 HessVerf.; Art. 9 Abs. 2 MVVerf.; Art. 23 Abs. 2 NRWVerf.; Art. 109 Abs. 2 S. 3 SächsVerf.; Art. 32 LSAVerf. Nach Art. 35 Abs. 1 S. 3 Saarl-

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Ermächtigungsgrundlage, so läßt diese offen, welche Rechtsnatur die nach dieser Ermächtigungsgrundlage abgeschlossenen Verträge haben sollen. Auch im Grundgesetz fehlt eine Norm, die Bund oder Länder zum Abschluß von Kirchenverträgen ermächtigt. Allerdings wird die Existenz von Staatskirchenverträgen vorausgesetzt: Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 WRV spricht u. a. von den „auf [. . .] Vertrag [. . .] beruhenden Staatsleistungen“. Art. 123 Abs. 2 GG, der die Fortgeltung von Staatsverträgen aus Zeiten des deutschen Reichs betrifft, spricht zwar nicht ausdrücklich von Verträgen mit den Kirchen, hat seinen Hauptzweck aber darin, die Fortgeltung des Reichskonkordats zu erreichen;201 so gilt er zwar nicht unmittelbar für die evangelischen Kirchenverträge, die von Art. 123 GG nicht erfaßt werden,202 bringt aber die grundsätzliche Anerkennung des Instruments „Staatskirchenvertrag“ zum Ausdruck.203 Daher sind auch die Vorschriften der Landesverfassungen, die den Abschluß von Staatskirchenverträgen erlauben oder gar empfehlen, unter Hinblick auf Art. 31 GG unbedenklich.204 Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV, die das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen statuieren, das ebenfalls als Grundlage für den Abschluß von Staatskirchenverträgen herangezogen wird,205 benennt dieses Instrument ebenfalls nicht. Auch wenn Kirchenverträge danach also vom Verfassungsrecht in ihrer Existenz vorausgesetzt und zumindest nicht verboten206 werden, sagt das noch nichts darüber aus, ob es zulässig ist, sie in einer Vertragsform zu schließen, die nicht über fixierte Regeln für Abschluß und Geltung verfügt. Man könnte als Geltungsgrundlage der Kirchenverträge die einschlägigen Verfassungsnormen nennen, die auf die Staatskirchenverträge Bezug nehmen – in dieser Art wird es von der h. M. im Zivilrecht mit dem privatrechtlichen Vertrag und § 311 Abs. 1 BGB getan.207 Die Verfassungsartikel beschränken sich darauf, die Verträge entweder nur zu erwähnen oder aber Verf. kodifiziert zumindest die Anerkennung der „zu Recht bestehenden Verträge und Vereinbarungen mit den Kirchen“, Art. 8 BWVerf. trifft Regelungen für die bereits bestehenden Staatskirchenverträge, äußert sich aber nicht über den Neuabschluß. 201 A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 266 f.; B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 271. So sogar L. Renck, DÖV 1997, S. 930. Vgl. auch BVerfGE 6, 309 (341), sowie JöR 1 n. F. (1951), S. 841 f. 202 H. A. Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 123 Rdnr. 44. 203 Kritisch F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 193. 204 B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 272. 205 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 141. 206 Darauf weisen B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 272 hin. 207 Chr. Grüneberg, in: Palandt, BGB, Überbl. vor § 311, Rdnr. 3, 15. Noch zu § 305 BGB a. F. BGH, NJW 1992, 2690.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

ihre Zulässigkeit zu bestätigen. Die Wirksamkeit der Verträge ordnen sie nicht an, sie setzen sie vielmehr als gegeben voraus. In den Ländern, deren Verfassungen über die Staatskirchenverträge schweigen, ist dies aber nicht gleichzusetzen mit einem Verbot, sich der Vertragsform zu bedienen. Die Möglichkeit des Staates, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage Verträge zu schließen, solange der Vertragsschluß nicht explizit verboten ist, ist durch die Existenz der völkerrechtlichen und Staatsverträge schon lange anerkannt. Die Überzeugung, daß die Geltung eines Vertrages nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf dem Grundsatz pacta sunt servanda beruht und in der Natur des Vertrages liegt, ist schon alt.208 Mag pacta sunt servanda auch wohl nicht als allgemeine Regel des Völkerrechts über Art. 25 GG Eingang in das deutsche Recht gefunden haben,209 so ist er doch ein Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts210. Der Vertrag ist die Urform der Rechtsbildung.211 Dies wird für das Völkerrecht schon lange vertreten;212 der Gedanke ist schon bald verallgemeinert und auf das Staatskirchenrecht angewendet worden.213 Im Zivilrecht findet sich der Grundsatz in § 311 Abs. 1 BGB. Auch im Verwaltungsrecht wurde er trotz der Gesetzesbindung der Verwaltung anerkannt, als das BVerwG den Abschluß verwaltungsrechtlicher Verträge schon vor Erlaß der §§ 54 ff. VwVfG für zulässig erklärte.214 Auch die unstreitig anerkannten Staatsverträge215 finden keine grundlegende Regelung im GG, sind dort vielmehr 208 Auf ihn bezieht sich schon J. J. Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1154 f.; vgl. auch K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 274 ff.; A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 32 f. A. A. A. Albrecht, Koordination, S. 219 f. 209 Beitrittserklärung der Hess. Landesregierung, in: Giese, Friedrich/Heydte, Friedrich August von der (Hrsg.), Der Konkordatsprozeß, Teilband I, S. 133. K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 277; W. Wengler, in: Giese, Friedrich/Heydte, Friedrich August von der (Hrsg.), Der Konkordatsprozeß, Teilband III, S. 920 ff.; H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 16 f. So aber H.-J. Becker, DVBl. 1955, S. 106; W. Grewe, VVDStRL 12 (1953), S. 149. 210 BVerfGE 34, 216 (230 ff.). Noch weiter geht Klaus Stern, der sogar von der Entbehrlichkeit von pacta sunt servanda ausgeht: Jeder Vertrag trage seine Geltungsgrundlage in sich selbst; K. Stern, VerwArch 49 (1958), S. 130. Ähnlich Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 351 f. 211 K. Stern, VerwArch 49 (1958), S. 123, 129 f. Dem folgend Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 361. 212 E. Kaufmann, Clausula, S. 160. Hierzu auch Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 352 ff. 213 E. R. Huber, Verträge, S. 80; ihm folgend A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 99 f. 214 Dazu nur BVerwGE 23, 213 (216). Vgl. dazu auch E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 295; Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 351. 215 Siehe dazu oben Zweiter Teil, B.II.

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– insofern vergleichbar den Staatskirchenverträgen – nur erwähnt.216 Ohne ausdrückliche gesetzliche Gestattung Verträge zu schließen, ist dem Staat also nicht grundsätzlich verwehrt; auch im Staatskirchenrecht gibt es keine Gründe, die dagegen sprechen, wenn man die Kirchenverträge einmal als echte Verträge anerkennt.217 Im Staatskirchenrecht existiert kein numerus clausus der Vertragsarten, daher ist die Einführung einer eigenen Vertragskategorie für die evangelischen Kirchenverträge möglich. Zum Teil wird ihre Zulässigkeit als verfassungsgewohnheitsrechtlich anerkannt oder aber von der Verfassung stillschweigend zugelassen bezeichnet.218 Auf jeden Fall aber kann festgehalten werden, daß dem Abschluß von Kirchenverträgen mit den evangelischen Landeskirchen als Verträge sui generis keine zwingenden rechtlichen Gründe entgegenstehen. 4. Die Charakteristika des Kirchenvertrags sui generis Allerdings genügt es nicht, den evangelischen Kirchenvertrag als Vertrag sui generis zu klassifizieren; gerade weil es sich um Verträge handelt, die nicht in die bekannten Schemata hineinpassen, müssen die Eigenarten der evangelischen Kirchenverträge beschrieben werden. a) Der Rechtsraum Keine Einigkeit besteht in der Frage des zugrundeliegenden Rechtsraums: Die meisten Vertreter der Auffassung, bei den (evangelischen) Kirchenverträgen handele es sich um Verträge eigener Art, siedeln diese in einem eigenen Raum des „Staat-Kirche-Rechts“ an.219 Andere jedoch sehen die Kirchenverträge im staatlichen Recht beheimatet.220 Die Auffassung, jeder einzelne Kirchenvertrag schaffe sich seine Rechtsordnung sozusagen selbst, kann in dieser absoluten Formulierung nicht 216

Vgl. Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 124 f. E. R. Huber, Verträge, S. 80 f. 218 H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 251; A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 267; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 323. Kritisch L. Renck, DÖV 1997, S. 930. 219 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 100 ff.; E. R. Huber, Verträge, S. 83 ff.; ders., Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 906; D. Pirson, Vertragsstaatskirchenrecht, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3823; C. H. Ule, FG Maunz, S. 418. Ablehnend U. Scheuner, FS Ruppel, S. 323. 220 Allein für die Konkordate, die für die Anhänger dieser Auffassung ebenfalls zu den Verträgen sui generis zu zählen sind, komme noch eine völkerrechtliche Komponente hinzu, vgl. A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 251 f. 217

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

überzeugen.221 Eine vertragliche Einigung ohne wenigstens die zugrunde liegende Rechtsvorstellung von der Verbindlichkeit von Verträgen ist kaum vorstellbar. Bedingung einer Vertragsverpflichtung ist, daß zumindest der Grundsatz pacta sunt servanda gleichsam naturrechtlich anerkannt wird.222 Eine gänzlich voraussetzungslose Verpflichtung ist nicht möglich. Ohne eine – wie auch immer – geartete grundlegende Rechtsordnung, die die Möglichkeit hat, beide Teile zu verpflichten, würde aus einem synallagmatischen Vertragsverhältnis eine bloß parallel eingegangene Selbstbindung.223 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die sogenannte lex contractus, die bei internationalisierten Verträgen, bei denen ein Staat mit einem Privatunternehmen aus einem anderen Staat paktiert, aus dem einzelnen Vertrag eine eigene Rechtsordnung entstehen läßt.224 Dies rechtfertigt sich daraus, daß der Vertrag zum einen nicht völkerrechtlich geschlossen werden kann, zum anderen aber die Parteien kein Interesse haben, sich dem Privatrecht einer der Parteien zu unterwerfen. Dies scheint auf die evangelischen Kirchenverträge ebenso zutreffen zu können. Die Internationalized Contracts sind jedoch nicht nur dadurch charakterisiert, daß sie nicht unproblematisch einer Rechtsordnung zugesprochen werden können, Voraussetzung für die Annahme einer lex contractus ist zusätzlich, daß in dem Vertragswerk zumindest die Grundlagen des Rechts, auf dem es beruhen soll, formuliert werden.225 Den Kirchenverträgen fehlen aber solche Ausführungen über eine eigenständige Rechtsordnung, der sie angehören sollen. Deshalb müssen auch die Verträge zwischen Staat und Kirche in irgendeiner Rechtsordnung wurzeln. Die Rechtsordnung, derer sich sowohl der Staat als auch die evangelischen Kirchen bedienen können, ist die staatliche. Auf dieser Ebene können sie sich begegnen, und zwar – wie es der modernen Lehre vom Verhältnis vom Staat zu den in ihm bestehenden Rechtssubjekten entspricht – nicht nur auf einer subordinationsrechtlichen Ebene, sondern auch koordinativ. So wie der Verwaltungsvertrag auch ohne die §§ 54 ff. VwVfG die (weitestgehend) gleichberechtigte Einigung von Staat und Bürger – sozusagen „freischwebend“ im Verwaltungsrecht – erlaubt, können sich im Öffentlichen Recht auch die Kirchen und der Staat begegnen. 221

U. Scheuner, FS Ruppel, S. 323. Dies tun daher auch etwa Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 359 f.; K. Stern, VerwArch 49 (1958), S. 130. 223 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 196. 224 Vgl. Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 251 ff. Kritisch dazu Chr. Tomuschat, DÖV 1975, S. 453. 225 Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 252. 222

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Insofern stellt sich nur die Frage, ob die Kirchenverträge im „Staat-Kirche-Recht“ geschlossen werden oder auf dem Boden des (nur) staatlichen Rechts. Die Vorstellung eines eigenen Rechtsraums für die Beziehungen von Staat und Kirche entspricht der sog. Koordinationslehre, die die Kirchen – auch die evangelischen – aus der Herrschaft des Staates ausnehmen und ihm als zweite societas perfecta gegenüberstellen will.226 Dieser Gedanke lebt von der Vorstellung, daß die Sphären von Staat und Kirche scharf von einander abgrenzbar seien – der Staat beherrsche die weltliche Sphäre, die Kirche die geistliche, Berührung fänden sie nur dadurch, daß sie auf dieselben Personen bezogen seien. Damit wird allerdings vernachlässigt, daß die Kirchen den ganzen Menschen im Blick haben, also in seiner spirituellen und irdischen Dimension.227 Daher überschneiden sich die Rechtssphären von Staat und Kirche, es handelt sich nicht um ein bloßes Nebeneinander von staatlichem und kirchlichem Recht. Der Staat wiederum ist grundsätzlich darauf verwiesen, entweder in seiner eigenen Rechtsordnung – dem staatlichen Recht – oder aber völkerrechtlich zu handeln; eine Rechtsordnung neben der staatlichen ist für staatliches Handeln nicht denkbar.228 Die Kirchen sind – insoweit anders als der Staat – sowohl im weltlichen wie auch im geistlichen Recht beheimatet.229 Eine vertragliche Begegnung von Staat und Kirche muß sich daher auf der einen gemeinsamen Rechtsebene vollziehen, der staatlichen. Ein koordinationsrechtliches Verhältnis ist allein im Verhältnis des Staates zur katholischen Kirche möglich – dann aber nicht als Nebeneinander weltlichen und geistlichen Rechts, sondern zweier gleichberechtigter Parteien im (weltlichen) Völkerrecht. Die, gerade in der Nachkriegszeit besonders vertretene Koordinationslehre ist seit dem Ende der sechziger Jahre der Erkenntnis gewichen, daß die evangelischen Kirchen zwar im modernen Staat die Voraussetzungen des säkularen Staates schaffen, die dieser „selbst nicht garantieren kann“230, und mit ihm in vielfältiger Weise zusammenarbeiten, aber sich dennoch nicht der staatlichen Rechtsordnung gänzlich entziehen können.231 226

A. Albrecht, Koordination, S. 41 ff.; S. Grundmann, ÖAKR 13 (1962), S. 294. H. Kelsen, Staatslehre, S. 134. A. A. unter Reduzierung des kirchlichen Handelns auf die spirituelle Ebene R. Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, S. 17. 228 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 201; E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 78. So auch bereits H. Kelsen, Staatslehre, S. 103 ff.; ders., Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 292. 229 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 201. 230 E.-W. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 112. 231 Vgl. B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 45 ff. 227

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

Es fragt sich auch, ob eine solche eigene Rechtsordnung des „Staat-Kirche-Rechts“ überhaupt notwendig ist, um die Kirchenverträge zu fassen. Die Möglichkeit, auch ohne konkrete Ermächtigungsgrundlage einen Vertrag zu schließen, zieht nicht denklogisch notwendig den Schluß nach sich, daß durch die Verträge selbst eine solche Rechtsordnung geschaffen werden muß. Vor Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes war die Existenz von Verwaltungsverträgen anerkannt; diese wurden unproblematisch dem Verwaltungsrecht zugerechnet. Auch Staatsverträge werden nach innerstaatlichem Recht geschlossen,232 ohne daß es eine ausdrückliche Ermächtigung gäbe. Notwendig ist die Annahme eines staatlich-kirchlichen Zwischenrechts also auch dann nicht, wenn man die Kirchenverträge als Verträge eigener Art sieht, die ihre Verpflichtung nicht aus einer übergeordneten Norm, sondern aus sich selbst heraus ziehen. Da es sich bei den evangelischen Kirchen – soweit sie mit dem Staat in Kontakt treten – auch nur um innerstaatliche Rechtssubjekte handelt, bleiben die Kirchenverträge Teil des deutschen Staatsrechts. Diese Einordnung der Kirchen in das staatliche Rechtssystem muß der Bestandskraft der Kirchenverträge nicht schaden, schließlich ist die Möglichkeit zumindest nicht undenkbar, daß sich der Staat auch den in ihm begründeten Rechtspersonen gegenüber verbindlich einläßt.233 b) Die Vertragsparteien Auf der kirchlichen Seite werden die evangelischen Kirchenverträge von der jeweiligen Landeskirche geschlossen. Staatlicherseits richtet sich wie bei den Konkordaten auch im Bereich der evangelischen Kirchenverträge die Abschlußkompetenz nach der Gesetzgebungskompetenz für die Vertragsmaterien, Art. 30 GG ist einschlägig.234 Im Regelfall liegen die evangelischen Kirchenverträge daher im Zuständigkeitsbereich der Länder. Diese Kompetenzzuordnung gilt nicht nur für die Staatskirchenverträge mit den evangelischen Kirchen, sondern für alle Verträge, die nicht unter die Völkerrechtsordnung fallen, also insbesondere auch für die Verträge mit den jüdischen Gemeinden. Solche gibt es mittlerweile auch in fast allen Bundesländern. Nicht unbedenklich ist daher die Kompetenzmäßigkeit des Staatsvertrages des Bundes mit dem Zentralrat der Juden.235 Dieser be232

Richtig H. U. Anke, Neubestimmung, S. 137. Vgl. dazu H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 394; zur Bindung des Staates im Verhältnis zu seinen Bürgern äußerte sich auch schon Jean Bodin, s. dazu unten Dritter Teil, B.II.2.a)(1). 234 O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 32 Rdnr. 12. 233

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schränkt in seinem Art. 1 seinen Anwendungsbereich ausdrücklich auf die Zusammenarbeit in den Bereichen, die „gemeinsame Interessen berühren und in der Zuständigkeit der Bundesregierung liegen“.236 Eine besondere Bundeszuständigkeit für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen läßt sich allenfalls aus der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 9 GG im Rahmen der „Wiedergutmachung“ von Schäden durch nationalsozialistische Verfolgung237 herleiten. Denn der Vertragsschluß wird – wie auch in den Ländern – mit dem „Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland“ nach der Verfolgung im Dritten Reich begründet. Die Verträge der Länder sind zwar nicht mit dem Zentralrat der Juden selbst geschlossen worden, sondern mit den Landesverbänden (die allerdings Mitglieder des Zentralrats sind), aber sie betreffen neben den res mixtae auch Fragen der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts der Juden.238 Ihr Schicksal kann daher wohl entsprechend dem völkerrechtlicher Verträge der Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung bestimmt werden. Danach wird bei Vertragsschluß durch den Bund die Vertragsschließungsbefugnis der Länder beseitigt; alte Verträge treten zwar nicht außer Kraft, aber die Vertragsgesetze werden grundsätzlich unwirksam.239 Im Vertrag des Bundes mit dem Zentralrat der Juden wird seine Geltung jedoch ausdrücklich auf die „Zuständigkeit des Bundes“ beschränkt. Daraus ist zu schließen, daß die Verträge, die die Länder geschlossen haben, nicht betroffen werden sollen. In diesem Fall bleibt die Geltung der Zustimmungsgesetze trotz des Bundesvertrages unberührt,240 die Verträge der Länder mit den Landesverbänden der Jüdischen Gemeinden bleiben daher trotz Vertragsschlusses des Bundes mit dem Zentralrat der Juden in Geltung und anwendbar. c) Formale Anforderungen; der Parlamentsvorbehalt Die evangelischen Kirchenverträge werden – formal entsprechend den völkerrechtlichen Verträgen – von Landeskirchenleitung und Landesregie235 Zur Zulässigkeit des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge durch den Bund in Bereichen, die dem Kompetenzbereich der Länder angehören, s. B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 48–65. 236 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland vom 27. Januar 2003, BGBl. I 2003, S. 1598, Hervorhebung durch die Verf. 237 Dazu St. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 74 Rdnr. 72. 238 So nochmals ausdrücklich die Begründung des Vertragsgesetzes bei der Änderung des Vertrages zwischen dem Land NRW und den Landesverbänden der Jüdischen Gemeinden und der Synagogengemeinde Köln, LT-Drs. 14/2863, S. 5. 239 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 46. 240 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 32 Rdnr. 46.

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2. Teil: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge

rung vereinbart und anschließend auf staatlicher Seite dem Parlament zur Zustimmung unterbreitet. Die parlamentarische Zustimmung ist auch wegen der Inhalte der Kirchenverträge, die – wie oben gezeigt – in den Zustimmungsbereich des Parlaments hineinreichen, erforderlich.

C. Zusammenfassung Konkordate und evangelische Kirchenverträge haben also unterschiedliche Rechtsnaturen. Während die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl dem Völkerrecht zuzurechnen sind, gehören die Verträge mit den evangelischen Landeskirchen dem innerstaatlichen Recht an, genauer gesagt sind sie Verträge sui generis und bilden die eigene Gattung der innerstaatlichen Staatskirchenverträge. Ob und wie sich diese Differenzierung auf die Bestandskraft der Verträge auswirkt, soll nun im folgenden untersucht werden.

Dritter Teil

Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge: Gilt der Grundsatz pacta sunt servanda? Das BVerfG hat festgestellt, durch „den Abschluß von Konkordaten und Kirchenverträgen [sei] die Stellung der beteiligten Kirchen gegenüber dem Staat im Vergleich zu den anderen Religionsgesellschaften schon dadurch verstärkt worden, daß die vertraglich gewährleisteten Rechte der Kirchen nicht vom Staat einseitig aufgehoben werden“ könnten.1 Dies erscheint auch prima facie logisch, ist es doch Sinn einer jeden vertraglichen Einigung, beide Parteien an das Vereinbarte zu binden, und folgt dies doch aus dem Grundsatz pacta sunt servanda. Dieser Grundsatz wurde im Römischen Recht erstmals formuliert, das dahinterstehende Konzept existiert aber schon seit unvordenklichen Zeiten.2 Ein Vertrag, dessen Parteien nicht gehalten sind, ihn einzuhalten, wäre sinnlos. Gerade für die Staatskirchenverträge wird aber immer wieder gefordert, der Staat müsse sich jederzeit einseitig von ihnen lösen können.3 Im folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit die Staatskirchenverträge die Vertragsparteien binden und wo gegebenenfalls die Grenzen dieser Bindung liegen. Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob die Problematik für beide Typen der staatskirchenrechtlichen Verträge gemeinsam behandelt werden kann. Vielfach wird dies, etwa aus Gründen der Parität, gefordert.4 Wie jedoch bereits vorher dargestellt, verlangt das Paritätsprinzip gerade nicht, katholische Kirche und evangelische Kirchen im Vertragsrecht schematisch gleich zu behandeln. Im Ergebnis sind beide Sachverhalte so weit als möglich gleichzustellen. Diese Erkenntnis kann aber nicht darüber hinweghel1

BVerfGE 19, 1 (12). M. Lachs, Pacta sunt servanda, EPIL III, S. 847. 3 H. Quaritsch, FS Schack, S. 134; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 35; ders., DÖV 1997, S. 936; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 275, 286. Allgemein gegen die Bindung des Gesetzgebers durch Verträge E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 278; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 79, 913 ff.; R. Thoma, HDStR I, S. 179. 4 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 52; J. Depenbrock, ZevKR 38 (1993), S. 418; A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 275 ff. 2

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

fen, daß die Verträge unterschiedliche Rechtsnaturen haben und daher auch verschiedene Rechtsfolgen zeitigen. Zumindest folgen die Rechtswirkungen aus unterschiedlichen Rechtssätzen, was allein schon eine Differenzierung empfehlenswert macht, da diese zugrundeliegenden Rechtssätze auch eine unterschiedliche Bestandskraft bewirken. Daher wird auch die Bindungswirkung der Staatskirchenverträge getrennt untersucht werden. Dabei sollen jeweils zunächst die Möglichkeiten behandelt werden, die Staatskirchenverträge nach den Regeln des gewählten Vertragsrechts anzupassen oder aufzuheben, danach die Frage, ob eine Loslösung auch unter Außerachtlassung des Vertragsrechts durch einseitigen, vertragswidrigen Willensakt der einzelnen Vertragsparteien möglich ist.

A. Die Konkordate Die Konkordate sind völkerrechtliche Verträge; daher gelten im Hinblick auf Bestandskraft und Bindungswirkung die völkerrechtlichen Regeln. Im Konfliktfall sind zwei Konstellationen denkbar, in denen die Fortgeltung des Konkordats fraglich sein kann: Zum einen können Erlöschensgründe geltend gemacht werden, die sich direkt aus dem Völkervertragsrecht ergeben. Zum anderen ist es aber auch möglich, daß einer der Partner den innerstaatlichen (oder innerkirchlichen) Rechtsakt zur Umsetzung des Vertrages aufhebt oder ändert; auch hier stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf den Bestand des Vertrages hat. I. Erlöschensgründe aus Vertragsrecht Auch im Völkervertragsrecht gilt der Grundsatz pacta sunt servanda.5 Deshalb ist das Festhalten oder die Aufhebung der Vertragsbindung nicht in das Belieben der Vertragsparteien gestellt, sondern folgt verbindlichen völkerrechtlichen Regeln.6 Diese haben sich völkergewohnheitsrechtlich gebildet und wurden zumeist im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK)7 kodifiziert. Sowohl der Heilige Stuhl als auch die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragsparteien der WVK. Deshalb wird deren Einschlägigkeit von seiten einiger Autoren ohne Begründung angenommen.8 Von anderen hingegen wird die Anwendbarkeit der 5

Zu diesem Grundsatz siehe M. Lachs, Pacta sunt servanda, EPIL III, S. 847 ff. W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 2. 7 BGBl. 1985 II, 926. 8 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 306. Nicht ganz eindeutig J. Listl, Konkordat, LThK VI, Sp. 265 f. 6

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WVK auf Verträge mit dem Heiligen Stuhl unter Hinweis auf seine Sonderstellung im Kreis der Völkerrechtssubjekte – aber in der Regel ebenso ohne weitere Begründung – verneint und allenfalls eine analoge Anwendung9 für möglich gehalten.10 Gegen die Möglichkeit, die Konkordate dem Regime der WVK zu unterwerfen, spricht die Tatsache, daß nach Art. 1 WVK diese auf „Verträge zwischen Staaten“ (Hervorh. d. Verf.) Anwendung finden soll; der Heilige Stuhl ist aber (anders als der Vatikanstaat) kein Staat. Dies betont nochmals Art. 3 WVK, nach dem diese nicht „auf die zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten [. . .] geschlossenen internationalen Übereinkünfte [. . .] Anwendung findet“. Andererseits ist der Heilige Stuhl Vertragspartei der WVK und gehörte zu den ersten Parteien, in denen sie (am 27. Januar 1980) in Kraft getreten ist; die Tatsache, daß der Heilige Stuhl zu den Vertragsparteien der „Ersten Stunde“ gehört, spricht stark dafür, daß er auch vom Geltungsbereich erfaßt sein sollte, auch wenn er in seiner Sonderstellung nicht eigens erwähnt wird – die Teilnahme an einem Regelwerk, das auf die Vertragspartei gar nicht anwendbar ist, wäre im Regelfall sinnlos.11 Die International Law Commission hatte in ihren Vorschlägen für die Vertragsrechtskonvention ursprünglich keinen Unterschied für Verträge zwischen Staaten bzw. anderen Völkerrechtssubjekten gemacht. Dies revidierte sie jedoch, da ihr einige Regelungen nur für Verträge zwischen Staaten passend erschienen.12 Entscheidend ist jedoch, daß der Heilige Stuhl von Anfang an Mitglied der WVK war, die nach ihrem Wortlaut nur „Staaten“ offensteht, ohne daß Vorbehalte seitens anderer Vertragsparteien eingebracht worden wären. In der Schlußakte zur WVK wird der Heilige Stuhl kommentarlos als teilnehmender „state“ aufgeführt.13 Auch an anderen völkerrechtlichen Verträgen, die nach ihrem Vertragstext nur Staaten offenstehen 9

So z. B. A. Hollerbach, Konkordat, StL III, Sp. 623; G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 108. 10 C. D. Classen, Religionsrecht, Rdnr. 65; H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 250; A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 274; H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, 775; G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 108 und 110; S. Rosenne, Vienna Convention on the Law of Treaties, EPIL IV, S. 1311; zweifelnd und mit ausführlicher Auseinandersetzung M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 115 mit Fn. 142; Chr. Waldhoff, Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: H. M. Heinig/Chr. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 262. 11 Ähnlich auch M. Jestaedt, Essener Gespräche 37 (2003), S. 115. 12 Yearbook of the International Law Commission 1962, II, S. 159 ff.; Report of the International Law Commission on the work of its seventeenth session, Supplement No. 9 (A/6009), Rdnr. 20 f.; dazu auch H. Mosler, GS Peters, S. 368 f., Fn. 54. 13 Document A/CONF.39/26, zitiert nach: R. G. Wetzel, The Vienna Convention on the Law of Treaties, S. 41.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

(z. B. dem Atomwaffensperrvertrag), nimmt der Heilige Stuhl teil. Dabei ist er selbst Vertragspartei und handelt nicht nur in Vertretung für den Vatikanstaat, denn eine solche Vertretung wird immer ausdrücklich erklärt.14 Der Atomwaffensperrvertrag ist nun auf den Heiligen Stuhl aus praktischen Gründen (der Heilige Stuhl unterhielt nie Atomwaffen) nicht anwendbar. Daraus ließe sich zugunsten einer Nichtanwendung der WVK argumentieren, daß es ganz offensichtlich Verträge gibt, an denen der Heilige Stuhl teilnimmt, um die Zustimmung zum Inhalt zum Ausdruck zu bringen, obwohl sie auf ihn keine Anwendung finden sollen. Der Atomwaffensperrvertrag besitzt auch eine unmittelbar einleuchtende symbolische Komponente. Die WVK hingegen ist ein eher pragmatisches Vertragswerk mit wenig Symbolkraft. Nachdem oben festgestellt wurde, daß es sich bei den Konkordaten um vollgültige völkerrechtliche Verträge handelt, besteht kein Unterschied zwischen dem Heiligen Stuhl und den anderen Vertragsparteien im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Vertrages. Daher gelten die Regeln der WVK auch für Verträge mit dem Heiligen Stuhl, sei es für Konkordate, sei es für die Teilnahme an anderen völkerrechtlichen Vertragswerken. Problematisch ist daneben die Frage, ob die Bundesländer unter die Regelungen der WVK fallen. Vertragspartner ist die Bundesrepublik Deutschland. Durch völkerrechtliche Verträge des Bundes werden „der Bund und die Länder als ein Ganzes“15 Vertragspartei, die Länder als Einzelne aber grundsätzlich nicht direkt verpflichtet.16 Zudem handeln die Länder beim Abschluß der Konkordate nicht als Teile der und für die Bundesrepublik Deutschland, sondern kraft ihrer Kompetenz als (zumindest partielle) Völkerrechtssubjekte. Jedenfalls aber gelten die Regeln, die als Völkergewohnheitsrecht in der WVK kodifiziert wurden, über Art. 25 GG/Art. 31 GG auch für die Länder, oder – da die Länder beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge als (wenn auch abgeleitete) Völkerrechtssubjekte eigenständig handeln – auch direkt als Regel des Völkergewohnheitsrechts. Ohnehin können die Regeln der WVK nur auf die neuen Verträge anwendbar sein – in Deutschland ist sie erst am 20. August 1987 in Kraft getreten, rückwirkend findet sie keine Anwendung, Art. 4 WVK. Die älteren Verträge aus bundesrepublikanischer Zeit datieren aber schon aus den fünf14 H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 315. Dies berücksichtigt nicht R. R. Haule, Der Heilige Stuhl im Völkerrecht, S. 196. 15 BVerfGE 6, 309 (340) zum Reichskonkordat. 16 BVerfGE 6, 309 (366). Vgl. zu dieser Problematik auch OVG Bautzen, Entscheidung vom 9. März 2007, 4 BS 216/06, Ziff. 77 („Waldschlößchen-Brücke“).

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ziger und sechziger Jahren. Das Preußische sowie das Badische und das Bayerische Konkordat wie auch das Reichskonkordat entstanden noch wesentlich früher. Die WVK kodifiziert jedoch in der Hauptsache bereits vorher bestehendes Gewohnheitsrecht.17 Dies gilt im Wesentlichen auch für die Vorschriften über die Vertragsbeendigung, jedenfalls für die Kündigung und die clausula rebus sic stantibus.18 Im Fall der Konkordate kommen hauptsächlich die Beendigungsgründe der einvernehmlichen Vertragsaufhebung, der Kündigung, einer Vertragsanpassung/-beendigung nach den Grundsätzen der clausula rebus sic stantibus oder der territorialen Neuordnung vor. Auf diese Punkte wird sich die Untersuchung beschränken. Da sie weitestgehend völkergewohnheitsrechtlich abgesichert sind, können diese Beendigungsgründe unterschiedslos für die Verträge, die der WVK unterfallen, und diejenigen, die sie nicht erfaßt, behandelt werden. Steht also nun fest, daß die Anwendung des Völkervertragsrechts auf Verträge mit dem Heiligen Stuhl ebenso erfolgen kann wie auf zwischenstaatliche Abkommen, bestehen auch in den übrigen Fragen der Bestandskraft keine Unterschiede zu den „normalen“ völkerrechtlichen Verträgen. Gerechtfertigt werden könnte eine Ungleichbehandlung dann, wenn die Staatlichkeit beider Vertragsparteien dem Vertrag eine Qualität verleihen könnte, die auf anderem Wege nicht erreichbar ist. Merkmal eines völkerrechtlichen Vertrages ist jedoch nur, daß er eine Vereinbarung zwischen zwei Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts19 darstellt. Es ist nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Wert in diesem Zusammenhang die Existenz eines Staatsgebildes haben sollte. Beachtlich ist auch, daß unter der Ägide des Völkerbundes einige Konkordate beim Völkerbund registriert, also ebenso behandelt wurden wie zwischenstaatliche Verträge.20 Da also die Gleichbehandlung der Konkordate mit zwischenstaatlichen Verträgen der völkerrechtlichen Gewohnheit entsprechen, gibt es keinen Grund dafür, die Verträge mit dem Heiligen Stuhl anders zu behandeln als diejenigen unter Staaten.21

17 Vgl. dazu etwa IGH, Gabc ˇ íkovo-Nagymaros, ICJR 1997, 7 (62); G. Dahm/ J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 717; S. Rosenne, Vienna Convention on the Law of Treaties, EPIL IV, S. 1311. 18 M. B. Akehurst, Treaties, Termination, EPIL IV, S. 987 ff. Zu diesen Beendigungsgründen sogleich unter Dritter Teil, A.I.2 und 4. 19 Vgl. dazu oben Zweiter Teil, A. vor I. 20 So etwa das Konkordat mit Lettland, LNTS 17, S. 365 ff., sowie mit Kolumbien, LNTS 79, S. 157 ff. Dazu auch H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 388 und H. Wagnon, Concordats, S. 90. 21 Ebenso H. F. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, S. 387.

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1. Die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags Der Idealfall im Vertragsrecht ist, daß sich die Vertragsparteien über die Beendigung des Vertrages einvernehmlich verständigen. Ausdrücklich bestimmt dies Art. 54 lit. b WVK. Die Vertragsaufhebung im beiderseitigen Einverständnis – also durch neuen Vertragsschluß – ist die Urform der Vertragsaufhebung,22 daher kann diese Regel auch auf die Verträge angewandt werden, die nicht unter der Geltung der Konvention geschlossen wurden. Bei einem Einvernehmen beider Parteien bestehen daher gegen die Aufhebung eines Konkordats keine Einwände.23 Die Lösung von Problemen durch Einigung ist nicht nur aus politischen Gründen anzustreben, sie ist auch diejenige, die dem Wesen der Konkordate am ehesten entspricht. Die Konkordate favorisieren die einvernehmliche Lösung streitiger Punkte; dies ist allerdings nicht beschränkt auf die Vertragsbeendigung, sondern gilt als allgemeiner Grundsatz. Dieses Konsensprinzip geht aus den sogenannten „Freundschaftsklauseln“ hervor, die in jedem Konkordat vereinbart wurden.24 Danach verpflichten sich die Parteien, Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Vertrags „auf freundschaftliche Weise“ zu beseitigen.25 Diese Verpflichtung zur amicabilis compositio unterstreicht noch einmal die besondere Bedeutung, die Kooperation und die Bereitschaft zur Verständigung für das Konkordatswesen haben.26 2. Die Kündigung der Konkordate Ein nicht unerheblicher Problempunkt der Konkordate ist deren Kündbarkeit. Kritiker des deutschen Konkordatswesens nehmen Anstoß daran, daß die Konkordate keine Kündigungsklauseln enthalten.27 Könne der Staat ein Konkordat nicht kündigen, stelle dies eine unzulässige Einschränkung seiner Handlungsfreiheit dar. 22

M. B. Akehurst, Treaties, Termination, EPIL IV, S. 987 f. G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 717; A. D. McNair, Law of Treaties, S. 494; H. Wagnon, Concordats, S. 274. 24 A. v. Campenhausen, Münchener Gutachten, S. 225 f. Allgemein zur Freundschaftsklausel A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 249 ff.; J. Niemeyer, Die Freundschaftsklausel, in: Kath. Büro Niedersachsen (Hrsg.), FS Niedersachsenkonkordat, S. 43 ff. 25 Beispielhaft nur Art. 13 Preußenkonkordat. 26 A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 281. 27 G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 80; L. Renck, ZRP 2006, S. 88. St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 Rdnr. 24, geht allerdings trotz des Fehlens von einem Kündigungsrecht des Staates aus; a. A. A. Erler, Kirchenrecht, S. 117. 23

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Tatsächlich bestimmt Art. 56 WVK, daß ein Vertrag, der keine Bestimmung über Beendigung, Kündigung oder Rücktritt enthält, auch keine Kündigung und keinen Rücktritt zuläßt. Hiervon ausgenommen sind nur die Fälle, in denen feststeht, daß die Möglichkeit der Kündigung oder des Rücktritts nach dem Parteiwillen bestehen soll oder sich dies aus der Natur des Vertrages herleiten läßt. Schon vor der WVK ging man davon aus, daß die einseitige Lossagung von völkerrechtlichen Verträgen nicht zulässig sei, es sei denn, es liege ein Fall der clausula rebus sic stantibus vor.28 Eine Kündigung der Konkordate käme daher nur in Betracht, wenn Staat und Kirche dies so bestimmten, oder wenn die Kündbarkeit der Natur der Konkordate inhärent wäre. Welche Art von Verträgen ihrer Natur nach kündbar sein sollen, ist in der Völkerrechtspraxis allerdings unklar.29 Zumindest drängt sich die Notwendigkeit der Kündbarkeit bei den Konkordaten nicht auf. Dieser Begriff kann zur Klärung dieses Problems daher nichts beitragen. Es verbleibt daher nur die Möglichkeit, auf den Parteiwillen abzustellen. Die Konkordate enthalten, wie erwähnt, sämtlich keine Kündigungsklausel, sondern sind auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.30 Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien, daß die Konkordate kündbar sein sollten, wurden nie getroffen. Dieser Befund allein erlaubt noch keine Schlußfolgerung über die Verabredung oder den Ausschluß eines Kündigungsrechts; das Fehlen einer eigenen Vertragsklausel über die Kündigung kann sowohl bedeuten, daß die Parteien keine Möglichkeit zur Kündigung geben wollten, als auch, daß gerade beide Seiten selbstverständlich von dieser Möglichkeit ausgingen. Tatsache ist jedoch, daß die deutsche völkerrechtliche Literatur schon vor Abschluß der WVK völkerrechtliche Verträge für unkündbar hielt. Da nun auch die WVK dies im Grundsatz aufrechterhält, spricht dies prima facie dafür, daß auch die Konkordate, die in der Form völkerrechtlicher Verträge geschlossen wurden, nicht gekündigt werden sollten. Auch die Konkordatstexte geben Anhaltspunkte für den Parteiwillen: Zum über28 M. Bierbaum, Konkordat, S. 120; A. Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 44; F. v. Liszt, Völkerrecht, 10. Aufl., S. 186 f.; ders./M. Fleischmann, Völkerrecht, 12. Aufl., S. 265; A. D. McNair, Law of Treaties, S. 493 f.; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 33; H. Wagnon, Concordats, S. 281. Dies gilt zumindest für die kontinentale Rechtstradition, dazu M. B. Akehurst, Treaties, Termination, EPIL IV, S. 988. Dies gilt auch heute noch: G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/ 3, S. 717, 719; K. Widdows, BYIL 53 (1982), S. 111. Zur clausula rebus sic stantibus s. sogleich unter Dritter Teil, A.I.3. 29 W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 69; K. Widdows, BYIL 53 (1982), S. 113. 30 Das Fehlen einer Kündigungsklausel ist auch in der internationalen Konkordatspraxis der Regelfall, Befristungen wie im lettischen Konkordat vom 30.5.1922 die Ausnahme, dazu A. Albrecht, Koordination, S. 47 mit Fn. 8. Daß dies die Kündigung ausschließt, sieht auch M. Bierbaum, Konkordat, S. 120.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

wiegenden Teil wird in ihnen ausdrücklich die erwünschte Dauerhaftigkeit der Vertragsgeltung betont.31 Gemeinsam mit den Freundschaftsklauseln, die vorsehen, daß bei eventuellen Meinungsstreitigkeiten über den Vertrag eine einvernehmliche Lösung zu suchen ist, wird daraus deutlich, daß eben nicht gewollt war, daß sich eine Vertragspartei bei Konflikten einseitig der Vertragsbindung entziehen kann, sondern daß eine Lösung innerhalb des Vertrages gesucht werden sollte. Dies würde von einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit der Vertragspartner konterkariert.32 Auch ob die Unkündbarkeit eines Konkordates eine unzulässige Einschränkung der staatlichen Souveränität darstellt, ist fraglich.33 Trotz einer starken Betonung der staatlichen Souveränität wird heute in der Völkerrechtslehre anerkannt, daß sich der Staat nach außen binden kann. Wäre dies nicht möglich, würde das Instrument des Vertrages seiner Bedeutung entleert – ein Vertrag, an den die Vertragsparteien nur nach Belieben gebunden sind, entbehrt des Sinns.34 Unzulässig ist nur die ausnahmlose und unentrinnbare Bindung. Wird der Notwendigkeit, diese im Notfall zu lockern oder ganz aufzuheben, durch die Gewährung der clausula rebus sic stantibus Rechnung getragen, genügt dies zur Aufrechterhaltung der staatlichen Souveränität.35 Unberührt bleibt das Recht der Parteien, bei erheblicher Verletzung des Ver31 So in der Präambel zum Badischen Konkordat („die Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche in Baden und dem Badischen Staat [. . .] dauernd zu ordnen“). Ebenso in den Präambeln zum Bayerischen Konkordat („die Lage der katholischen Kirche in Bayern [. . .] dauernd neu zu ordnen“), zum Brandenburger Konkordat („Der Heilige Stuhl [. . .] und das Land Brandenburg[. . .] schließen folgenden Vertrag, durch den die Rechtslage der Katholischen Kirche in Brandenburg dauerhaft geregelt wird“), zum Niedersachsenkonkordat („eine feierliche Übereinkunft zu treffen, durch die die Rechtslage der katholischen Kirche in Niedersachsen [. . .] dauernd geregelt wird“), zum Preußenkonkordat („die Rechtslage der katholischen Kirche in Preußen [. . .] in einem förmlichen Vertrag neu und dauernd zu ordnen“), zum Magdeburger Konkordat („mit dem Ziel, die Grundlagen für gemeinsame Anliegen [. . .] auf Dauer zu regeln“), im Erfurter Konkordat („mit dem Ziel, die Rechtslage der Katholischen Kirche in Thüringen [. . .] auf Dauer zu regeln“) und zum Reichskonkordat („das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Staat [. . .] dauernd zu regeln“), Hervorhebungen d. Verf. Auf die Dauerhaftigkeit der Beziehungen als Grund für den Abschluß von Konkordaten weist auch M. Bierbaum, Konkordat, S. 117 hin. 32 Zur Freundschaftsklausel vgl. oben Dritter Teil, A.I.1. 33 Die Unmöglichkeit der staatlichen Bindung behauptete etwa aus Gründen der Souveränität O. v. Sarwey, ZtKR 2 (1862), S. 459. Ausführlich zu der Frage nach dem Verhältnis von Souveränität und Vertragsbindung s. auch unten Dritter Teil, B.II.2. 34 Ebenso H. Wagnon, Concordats, S. 293. 35 Vgl. Chr. Hillgruber, DVBl. 1999, S. 1075; Chr. Hillgruber, HStR II, § 32 Rdnr. 63. Ähnlich schon W. Jellinek, Staatenverbindungen, S. 102 f. In der Praxis wird sich ein Staat üblicherweise ohnehin kaum darauf berufen, aufgrund seiner Souveränität nicht an das Völkerrecht bzw. seine vertraglich begründeten Pflichten

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trages durch die Gegenseite den Vertrag aufzukündigen.36 Dies ist sachgerecht, denn dieses Kündigungsrecht beruht nicht auf der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf dem Grundsatz des römischen Rechts, nach dem derjenige, der einen Vertrag bricht, keinen Anspruch auf Einhaltung des Vertrages durch die andere Partei hat: Fragenti fidem, fides iam non est servanda.37 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß die Konkordate tatsächlich nicht ordentlich gekündigt werden können.38 Eine Beendigung gegen den Willen des Vertragspartners kommt daher nur in zwei Fällen in Betracht: Zunächst im Fall der erheblichen Vertragsverletzung durch eine Partei, sodann unter den Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus. 3. Die clausula rebus sic stantibus Die clausula rebus sic stantibus fungiert als Korrektiv zum Grundsatz pacta sunt servanda. Durch sie sollen unbillige Härten, die durch unbedingte Bindung an den Vertrag entstünden, verhindert werden.39 Daher ist sie einschlägig, wenn das unveränderte Fortbestehen der Vertragspflichten für eine Partei aufgrund einer unvorhersehbaren Veränderung der Umstände unzumutbar wäre. In diesem Fall gibt sie ein Recht auf Anpassung – im Extremfall sogar Kündigung – des Vertrags. Die clausula rebus sic stantibus hat ihren Ursprung im kanonischen Recht und ist im Vertragsrecht seit langem anerkannt,40 mittlerweile ist sie in Art. 62 WVK kodifiziert. Ob sie daneben als Völkergewohnheitsrecht41 oder als allgemeine Regel des Völgebunden zu sein, vgl. H. Steinberger, Sovereignty, EPIL IV, S. 510; K. Widdows, BYIL 53 (1982), S. 93. 36 P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 348; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 267; H. Wagnon, Concordats, S. 285 ff. Dies bestimmt jetzt auch Art. 60 Abs. 1 WVK, dazu M. B. Akehurst, Treaties, Termination, EPIL IV, S. 988 f. 37 Zu diesem althergebrachten gemeinrechtlichen Grundsatz des Vertragsrechts P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 349; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 32; H. Wagnon, Concordats, S. 286. Mittlerweile ist dies auch geregelt in Art. 60 WVK. 38 P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 349; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 32; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 267. 39 BVerfGE 34, 216 (232); H. Wagnon, Concordats, S. 292. 40 G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatenverträge, S. 40. Zur Geschichte G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 744. Für das Kirchenrecht F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 267. Allgemein zur clausula rebus sic stantibus im Völkerrecht H. Pott, Clausula rebus sic stantibus. 41 So schon E. Kaufmann, Clausula, S. 7 ff.; im Anschluß daran E. R. Huber, Verträge, S. 128 f. Diese Auffassung wurde bestätigt durch IGH, Isländischer Fi-

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kerrechts42 gilt, ist etwas umstritten. Einigkeit besteht aber zumindest hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennung ihrer Geltung.43 Daher gelten die Grundsätze der clausula rebus sic stantibus auch für die Konkordate, die nicht unter der WVK abgeschlossen worden sind. Nach den Vorstellungen der Privilegientheorie konnte nur die Kirche befugt sein, sich auf die clausula rebus sic stantibus zu berufen, wenn das Heil der Seelen44 gefährdet war.45 Mit der Vertragstheorie setzte sich aber die Erkenntnis durch, daß, betrachtet man die Konkordate als echte Verträge, das Recht auf Vertragsanpassung nicht nur einer Vertragspartei zugestanden werden kann.46 Dieses Recht soll auch dem Staat zustehen in der Form, daß er sich auf das bonum commune berufen darf.47 a) Ausschluß der clausula rebus sic stantibus Auch wenn die clausula rebus sic stantibus also als Rechtsgrundsatz anerkannt ist, bleibt die Frage, ob ihre Anwendbarkeit unter bestimmten Umständen ausgeschlossen sein kann. So soll etwa dem Land Nordrhein-Westfalen die clausula im Kirchenvertragsrecht nicht zur Verfügung stehen, da Art. 23 Abs. 2 NRWVerf. die Änderung der Kirchenverträge nur im Einverständnis mit den Kirchen zulasse. Dies aber wäre dann keine vertragliche, sondern eine verfassungsrechtliche Verpflichtung.48 Grundsätzlich gilt die clausula rebus sic stantibus (zumindest) über Art. 25, 31 GG auch für die Länder. Völkerrechtlich wirksam kann ein Land sie durch sein Verfassungsrecht nicht ausschließen. Es kann nur eine innerstaatliche Selbstverpflichschereistreit, ICJR 1973, 3 (18); IGH, Gabcˇíkovo-Nagymaros, ICJR 1997, 7 (64 f.); H. Pott, Clausula rebus sic stantibus, S. 45; W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 100. Zur clausula rebus sic stantibus bei Konkordaten siehe D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 316 f.; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 30 f. 42 G. Schwarzenberger, Clausula Rebus Sic Stantibus, EPIL I, S. 615. 43 International Law Commission, Yearbook of the International Law Commission 1966, II, S. 257; G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 742 f.; R. Köbler, Clausula rebus sic stantibus, S. 164 f. Auch das katholische Lehramt hat sie anerkannt: Pius XII., Enzyklika Summi Pontificatus, AAS 1939, S. 584. 44 Auch nach heutigem Kirchenrecht (can. 1752 CIC) muß das Heil der Seelen „in der Kirche das oberste Gesetz“ sein. 45 J. à Chokier, Commentaria in Regulas Cancellariae Apostolicae, S. 118, 120; ders., Scholia in Primarias Preces Imperatoris, S. 104 f. Kritisch dazu O. v. Sarwey, ZtKR 2 (1862), S. 455. 46 W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 32; H. Wagnon, Concordats, S. 304 f. 47 W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 32. 48 A. Herzig, Problematik des konkordatären Rechts, S. 114 f. A. A. J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 8.

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tung begründen, sich auf dieses Recht nicht zu berufen. Einen Verzicht auch auf die Rechte aus der clausula rebus sic stantibus auszusprechen, ist allerdings, wie oben bereits angedeutet, unter dem Gesichtspunkt der Wahrung staatlicher Souveränität bedenklich.49 Art. 23 NRWVerf. ist wohl eher so zu verstehen, daß das Land ausdrücklich auf die Kündigung des Vertrages verzichten, nicht aber, daß es auch in den Ausnahmesituationen, in denen die clausula überhaupt Anwendung findet, keine Rechte geltend machen will. Regelmäßig wird sich ein Staat (ebenso natürlich auch die Kirche!) nicht die Möglichkeit nehmen lassen wollen, auf gravierende, unvorhergesehene Änderungen der Verhältnisse zu reagieren. Etwas anderes läßt sich auch nicht aus den Freundschaftsklauseln der Konkordate, die zur Begründung des Ausschlusses des Kündigungsrechts herangezogen wurden, schließen; beim Verzicht auf das Kündigungsrecht verzichten die Vertragspartner im Rahmen des Vorhersehbaren auf dessen Ausübung, nicht aber darauf, bei grundlegenden Änderungen der Verhältnisse ihre Rechtsbeziehungen anzupassen. b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen Das Vorliegen der Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus ist (für Konkordate ebenso wie für sonstige völkerrechtliche Verträge) nach objektiven Kriterien festzustellen. Dabei ist entscheidend, ob sich die Umstände seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses grundlegend geändert haben und ein Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar geworden ist.50 Während die Frage, ob eine Änderung grundlegend ist, im Einzelfall objektiv bestimmt werden muß (insbesondere bei schwerwiegenden Äquivalenzstörungen), muß die Änderung auf jeden Fall außergewöhnlich und unvorhersehbar gewesen sein.51 Was die inhaltlichen Vorraussetzungen für eine Anwendung der clausula rebus sic stantibus angeht, so reicht nicht aus, daß durch Neuwahlen ein neuer politischer Wille manifestiert wird. Die vertragliche Bindung bleibt von nachträglichen Meinungsänderungen der Vertragsparteien unberührt.52 49 Dritter Teil, A.I.2. Zur Bedeutung der (inneren) Souveränität des Staates für das Recht der Staatskirchenverträge s. unten Dritter Teil, B.II.2. 50 BVerfGE 34, 216 (232); M. Bierbaum, Konkordat, S. 118; G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 745 f.; W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 101. So auch die International Law Commission, YILC 1966, II, S. 258. 51 G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 751. 52 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 317; P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 349.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Ebenfalls kein Fall der clausula ist es, wenn der eine Partner die schwerwiegende Änderung der Umstände durch Vertragsverletzung selbst herbeigeführt hat, wie jetzt auch Art. 62 Abs. 2 lit. b WVK bestimmt.53 Ändert also der staatliche Vertragspartner ein Gesetz in einer dem Konkordat widersprechenden Weise, so kann er sich nicht nach den Regeln des Vertragsrechts von der Vertragsbindung lösen, indem er sich nach Erlaß des neuen Gesetzes auf die clausula rebus sic stantibus beruft. Ob die lex posterior jedoch das Konkordat unmittelbar beeinträchtigen kann, soll sogleich behandelt werden. Auch wenn sich innerstaatlich Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder oder in entgegengesetzter Richtung verschieben, berechtigt dies die staatliche Vertragspartei nicht dazu, sich auf die Änderung der Geschäftsgrundlage zu berufen, auch wenn davon Vertragsmaterien betroffen sind.54 Rechtsfolge der clausula rebus sic stantibus ist nicht die automatische Ungültigkeit des Konkordates, sondern zunächst nur das Recht zur Vertragsrevision. Nur wenn auch auf diesem Wege keine zumutbaren Zustände hergestellt werden können, können die Parteien den Vertrag kündigen.55 Für die Kündigung zuständig ist die Landesregierung. Sie ist nach der überwiegenden Auffassung, die auch der Staatspraxis entspricht, nicht einmal verpflichtet, die parlamentarische Zustimmung einzuholen; der Zustimmungsvorbehalt nach Art. 59 GG, wie auch nach den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften, gilt nur für den Abschluß von Verträgen, nicht aber für deren Kündigung.56 4. Territoriale Veränderungen Veränderungen der äußeren Umstände sind stets möglich. Auch Staaten sind keine unveränderlichen Objekte. Neben Änderungen der Staats- oder Regierungsform sind auch Verschiebungen in den äußeren Grenzen möglich. 53

K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 367. H.-J. Becker, DVBl. 1955, S. 110. Insofern bleibt die Frage, ob der Bund durch die Abgabe der Kompetenz für das Bildungswesen an die Länder seine Verpflichtungen aus dem Reichskonkordat verletzt hat. Denn die Länder sind zur Erfüllung des Konkordats nicht verpflichtet, die Verpflichtung des Bundes aber erlosch nicht aufgrund des Kompetenzwechsels – eine Frage, die allerdings im Konkordatsstreit nicht behandelt wurde. 55 BVerfGE 34, 216 (232 f.); G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 753; H. Wagnon, Concordats, S. 298 f. 56 Zu Art. 59 Abs. 2 GG vgl. BVerfGE 68, 1 (85 f.); Ph. Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rdnr. 85; M. Schweitzer, Staatsrecht III, Rdnr. 232. 54

A. Die Konkordate

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Im Hinblick auf die Konkordate reduziert sich das Problem der territorialen Veränderungen auf seiten einer Partei dabei auf die Veränderungen der Staatsgrenzen. Die Bistumsgrenzen sind zwar nicht unveränderlich und auch schon verschiedentlich verschoben worden.57 Vertragspartei der Konkordate und daher in diesem Sinne relevant ist aber die katholische Kirche bzw. der Heilige Stuhl, nicht aber das einzelne im jeweiligen Bundesland belegene Bistum. Da der Heilige Stuhl als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt auch kein Staatsgebiet hat, seine Einflußsphäre global ist, sind territoriale Veränderungen auf seiner Seite ausgeschlossen. Auf staatlicher Seite treten solche Verschiebungen aber regelmäßig auf. Die Wiener Vertragsrechtskonvention ist auf diese Fälle ausweislich Art. 73 WVK nicht anwendbar. Da die Bundesrepublik Deutschland (anders als der Heilige Stuhl) nicht Vertragsstaat des Wiener Übereinkommens über die Staatennachfolge in Verträge vom 23. August 1978 ist,58 bestimmen sich die Folgen einer Gebietsveränderung nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Dieser Fall ist auch nicht rein hypothetisch, sondern aktuell geworden bei der Frage der Fortgeltung des Reichskonkordates auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.59 Auch bei einer territorialen Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29 GG würde diese Frage relevant, da es sich bei den Konkordaten (mit Ausnahme des Reichskonkordats) um Verträge mit den einzelnen Bundesländern handelt. Ob der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen für die Konkordate gilt, ist hoch umstritten.60 Hinsichtlich der Auswirkungen der deutschen Teilung und Wiedervereinigung auf den Bestand der Konkordate ist diese Frage seit Abschluß der Verträge mit allen neuen Bundesländern weitestgehend erledigt.61 Davon abgesehen greift hier Art. 11 des Einigungsvertrags ein, der die Erstreckung der völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik auf die ehemaligen Gebiete der DDR anordnet.62 57 Vgl. dazu aus neuerer Zeit für die Neuerrichtung des Erzbistums Hamburg Chr. Halm, Die Errichtung des Erzbistums und der Kirchenprovinz Hamburg durch Vertrag vom 22. September 1994. 58 Dazu J. Depenbrock, NVwZ 1992, S. 736 f.; W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 12 Rdnr. 5 ff. 59 Allgemein dazu A. v. Campenhausen, NVwZ 1995, S. 758; J. Depenbrock, NVwZ 1992, S. 736 ff.; ders., ZevKR 38 (1993), S. 413 ff. 60 Für die Veränderbarkeit der Vertragsgrenzen: J. Depenbrock, NVwZ 1992, S. 737; Th. Sanders, Der Einfluß der Staatensukzession auf die Rechtslage der kath. Kirche, S. 104 f.; H. Wagnon, Concordats, S. 357 ff. Dagegen H. Barion, FS Carl Schmitt, S. 32 f.; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 283, anders jedoch für nur gliedstaatliche Veränderungen, S. 285 ff. 61 s. dazu oben Erster Teil, C.III. 62 Dazu J. Depenbrock, NVwZ 1992, S. 736 ff.; W. Rüfner, FS Thieme, S. 346.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Außerhalb dieses Sonderfalls, in dem die Fortgeltung bzw. Erstreckung der Vertragsgeltung im neuen Vertragswerk ausdrücklich verfügt wird, gelten die allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Das bedeutet, daß die Verträge des aufnehmenden Staates auch in dem Gebiet des untergegangenen gelten, während dessen vertragliche Bindungen grundsätzlich erlöschen (Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen).63 Dies soll nicht für die sogenannten radizierten Verträge gelten, die einen besonderen Bezug zu dem betreffenden Territorium aufweisen. Erfaßt sind davon Verträge über Transitrechte, Grenzverträge, Gebietsnutzungsverträge etc.64 Ein solch intensiver Bezug zum Territorium fehlt den Konkordaten aber, da sie auch nicht mit den in diesem Territorium befindlichen Diözesen oder Pfarreien, sondern mit dem Heiligen Stuhl, dessen Einflußbereich nicht territorial begrenzt ist, geschlossen werden.65 Ihr territorialer Bezug ist nicht stärker als der anderer völkerrechtlicher Verträge. Es bleibt daher grundsätzlich bei der allgemeinen Regel der beweglichen Vertragsgrenzen.66 Gerade der Fall des Preußenkonkordats zeigt aber, daß in der Konkordatspraxis der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen nicht angewandt wird, sondern es bei einer rein territorial verhafteten Anwendung bleibt.67 Das Preußenkonkordat gilt heute – wie es etwa Art. 23 Abs. 1 NRWVerf. ausdrückt – „für die Gebiete des Landes Nordrhein-Westfalen, die zum ehemaligen Preußen gehörten“ fort. Obwohl das Land Nordrhein-Westfalen Rechtsnachfolger des Freistaates Preußen ist, ist es nicht in Gänze in den Vertrag eingetreten, seine Wirkungen bleiben vielmehr auf das ursprüngliche Territorium beschränkt. Dies entspricht der Auffassung, die schon Alexander Hollerbach vertreten hat, daß nämlich die Regel der beweglichen 63 K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 168 ff.; R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 115; in diesem Sinne auch für die Konkordate M. Bierbaum, Konkordat, S. 120 f. Abweichend W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 36 ff., der eine Erstrekkung des Konkordates auf neu hinzugekommene Gebiete ablehnt. 64 K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 173; W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 12 Rdnr. 9. 65 J. H. Kaiser, Politische Klausel, S. 83. A. A. E. R. Huber, Verträge, S. 144, der bereits im Ausgangspunkt bestreitet, daß die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl in völkerrechtlicher Form geschlossen werden und daher zu einer Bindung der Konkordate an die Bistümer kommt. Daher gelte nicht der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen, sondern das Prinzip der Kontinuität, der Vertrag gelte also auf dem bisherigen Territorium weiter, ebd., S. 145 ff. 66 Th. Sanders, Der Einfluß der Staatensukzession auf die Rechtslage der kath. Kirche, S. 105. Im Grundsatz ebenso J. H. Kaiser, Politische Klausel, S. 83 – eine Erstreckung der Konkordatsgeltung könne aber nur im Einverständnis der Vertragsparteien eintreten. A. A. A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 282 f.; ders., Konkordat, StL III, Sp. 623; H. Wagnon, Concordats, S. 338 ff., insb. 351 f. 67 W. Rüfner, FS Thieme, S. 348.

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Vertragsgrenzen nur bei einer Schrumpfung des Staatsgebiets gelte, nicht aber bei einem Gebietszugewinn.68 Gilt das Konkordat trotz des Staatenwechsels fort, so kann sich u. U. für die Parteien doch ein Recht zur Kündigung aus der clausula rebus sic stantibus ergeben, wenn die Veränderung der staatlichen Partei sehr bedeutsam ist.69 II. Dem Vertrag widersprechende Gesetze und ihre Auswirkungen auf die Bestandskraft der Konkordate Die gerade erörterten Möglichkeiten der Vertragsbeendigung sind die vom Völkervertragsrecht vorgesehenen. Im Folgenden soll untersucht werden, was geschieht, wenn sich die Vertragsparteien nicht im Rahmen des Völkervertragsrechts halten, sondern anderweitig eine Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag suchen. Dies geschieht in der Regel durch einen actus contrarius zum Zustimmungsakt. Ein solches Vorgehen kann sowohl von kirchlicher als auch von staatlicher Seite ausgehen.70 In dieser Arbeit soll es jedoch nur um das staatliche Verhalten gehen, also um das Verhältnis von Konkordat und widersprechendem Staatsgesetz. Ein Konflikt zwischen Konkordat und Gesetz ist in zweierlei Hinsicht denkbar. Entweder wird das Zustimmungsgesetz gezielt und isoliert aufgehoben oder der Gesetzgeber erläßt ein Gesetz, das in Widerspruch zum Konkordat steht, ohne das Vertragsgesetz ausdrücklich anzutasten. In jedem Fall stellt sich nicht nur die Frage, ob die Gesetzesänderung rechtens ist, sondern im Anschluß daran, welche Auswirkung sie auf den Bestand des Konkordats selbst hat. 1. Die Stellung der Konkordate im deutschen Recht Die Konkordate sind völkerrechtliche Verträge; wie diese müssen sie, um die Staatsorgane zu verpflichten, innerstaatlich für anwendbar erklärt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob von einem monistischen oder dualisti68

Bei bloß innerstaatlichen Gebietsverschiebungen trete aber der aufnehmende Gliedstaat voll in den Vertrag ein, A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 288. Wie Hollerbach auch W. Rüfner, FS Thieme, S. 345, 347. 69 Vgl. E. R. Huber, Verträge, S. 147 ff. Zur clausula rebus sic stantibus s. oben Dritter Teil, A.I.3. 70 Darauf weist A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 232 f., hin.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

schen Völkerrechtsverständnis ausgegangen wird:71 Die dualistische Sicht, die von einer Trennung von Völker- und nationalem Recht ausgeht, muß eine innerstaatliche Anerkennung fordern; aber auch nach der monistischen Sicht von der Einheit der Rechtsordnungen ist eine Anwendbarkeitserklärung erforderlich, um über eine ganz allgemeine Verpflichtung des Staates hinaus auch die Anwendbarkeit der Norm für die innerstaatlichen Organe zu erreichen.72 Da die Konkordate Länderverträge sind, richten sich Verfahren und Rechtswirkungen nach den Landesverfassungen.73 Ob die Übernahme in Landesrecht durch Transformation oder durch Vollzugsbefehl, der die völkerrechtliche Qualität unberührt läßt, erfolgen soll, ergibt sich aus den Landesverfassungen nicht.74 Weitestgehend durchgesetzt hat sich die Überzeugung, daß der Zustimmungsakt nur die innerstaatliche Beachtung des Völkerrechts anordnet, es sich also um einen Vollzugsbefehl handelt.75 Diese Auffassung ist auch vorzugswürdig, da nur sie erklärt, warum Inkrafttreten, Wirksamkeit und Auslegung des völkerrechtlichen Vertrages sich auch nach der Umsetzung des Vertrages in nationales Recht nach dem Völkerrecht richten.76 Der Rang des völkerrechtlichen Vertrages im innerstaatlichen Recht richtet sich dann nach dem Rang des Umsetzungsaktes.77 Die Länderverfassungen schreiben nicht sämtlich die Umsetzung durch Gesetz vor, teilweise wird auch die parlamentarische Zustimmung durch Beschluß für ausreichend erachtet.78 Alle Verträge der Länder mit dem Heiligen Stuhl wurden aber durch Landesgesetze umgesetzt. Daher bleibt die Völkerrechtsqualität 71 Durchgesetzt hat sich wohl die Theorie vom Dualismus der Rechtsordnungen, K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 701; Chr. Hillgruber, FS Schiedermair, S. 93, 96. 72 M. Schweitzer, Staatsrecht III, Rdnr. 418. 73 Art. 50 S. 2 BWVerf.; Art. 72 Abs. 2 BayVerf.; Art. 91 Abs. 2 BbgVerf.; Art. 43 S. 3 HHVerf.; Art. 103 Abs. 2 HessVerf.; Art. 47 Abs. 2 MVVerf.; Art. 35 Abs. 2 NdsVerf.; Art. 66 S. 2 NRWVerf.; Art. 101 S. 2 RhPfVerf.; Art. 95 Abs. 2 S. 1 SaarlVerf.; Art. 65 Abs. 2 SächsVerf.; Art. 69 Abs. 2 LSAVerf.; Art. 30 Abs. 2 SHVerf.; Art. 77 Abs. 2 ThürVerf. Nur die Verfassungen von Berlin und Bremen enthalten keine ausdrücklichen Regelungen über den innerstaatlichen Vollzug von Staatsverträgen. 74 M. Schweitzer, Staatsrecht III, Rdnr. 491. 75 M. Schweitzer, Staatsrecht III, Rdnr. 424; R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 172. Ausdrücklich für die Staatskirchenverträge A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 54 und A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 72. 76 B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 95 Rdnr. 89 ff.; O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 59 Rdnr. 33a. 77 F. Becker, NVwZ 2005, S. 290; R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 176; B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 59 Rdnr. 92. 78 So z. B. Art. 66 Abs. 2 NRWVerf.; dazu Th. Mann, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 66 Rdnr. 40.

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der Landeskonkordate erhalten, durch den Zustimmungsakt erhalten sie jedoch den Rang einfachen Landesrechts.79 2. Das Verhältnis von Konkordat und lex posterior a) Konkordate und untergesetzliche Rechtsakte Der innerstaatliche Rang der Konkordate entspricht also dem einfacher Landesgesetze. Dies hat Auswirkungen auf ihre Bestandskraft. Exekutive und Rechtsprechung sind an das vertraglich Vereinbarte gebunden.80 Werden niederrangige Rechtsakte – etwa Allgemeinverfügungen – erlassen, die im Widerspruch zu einem Konkordat stehen, so können diese an der Wirksamkeit des Vertrages sowie des Vertragsgesetzes nichts ändern und sind rechtswidrig.81 Dies war etwa der Fall, als das Land Mecklenburg-Vorpommern durch Allgemeinverfügung in den Seebädern den Ladenschluß an Sonntagen lockern wollte.82 Die Problematik des anschließenden Rechtsstreits lag in der Feststellung der Beschwerdebefugnis der Kirchen, wozu gem. § 42 Abs. 2 VwGO die Verletzung in einem subjektiven Recht erforderlich ist. §§ 3, 23 LSchlG a. F. und Art. 9 Abs. 1 MVVerf. i. V. m. Art. 139 WRV gewährten nur institutionellen Schutz, kein subjektives Recht.83 Die Bäderregelung widersprach jedoch auch Art. 7 des Schweriner Konkordats und Art. 23 des Güstrower Vertrags, die staatlichen Schutz für die Sonn- und Feiertage versprechen. Daß der Sonntagsschutz über den Verfassungstext hinaus auch vertraglich bestätigt wurde, machte deutlich, daß zur institutionellen Garantie des Art. 139 WRV noch ein subjektives Recht der Kirchen auf Respektierung des Sonntags hinzukommen sollte.84 Dieses 79

R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 172, 176. M. Germann, Kirchenverträge, RGG IV, Sp. 1362. 81 A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/ N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 234. 82 OVG Greifswald, NVwZ 2000, 945; das VG Schwerin, GewArch 1999, 430 hatte den Antrag zunächst zurückgewiesen. Das gerichtliche Verfahren, das die Kirchen anstrengten, wurde nur im einstweiligen Rechtsschutz betrieben, da die Bäderregelung schließlich zurückgenommen wurde. Das OVG gab dem Antrag der Kirchen auf einstweiligen Rechtsschutz jedoch statt und deutete an, daß die Allgemeinverfügung wegen Verstoßes gegen die Staatskirchenverträge rechtswidrig sei. 83 OVG Greifswald, NVwZ 2000, 945 (947); H. de Wall, ZevKR 45 (2000), S. 628; ders., NVwZ 2000, S. 860. s. zu Art. 139 WRV nur BVerfG, NJW 1995, 3378 (3379); A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 139 WRV Rdnr. 11. 84 OVG Greifswald, NVwZ 2000, 945 (947) und 948 (949); H. de Wall, ZevKR 45 (2000), S. 628 f.; ders., NVwZ 2000, S. 861. Vgl. auch W. Mosbacher, Sonntagsschutz und Ladenschluß, S. 358 ff., der aber sogar bereits Art. 139 WRV als subjektives Recht ansieht. 80

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subjektive Recht wurde durch das Zustimmungsgesetz auf der einfachgesetzlichen Ebene der Normenhierarchie verankert. Die Bäderregelung verstieß gegen diese Norm. Für diesen konkreten Fall mußte also die Frage nach der rechtlichen Wirkung der Verträge selbst nicht beantwortet werden, da bereits die Zustimmungsgesetze ausreichenden Schutz boten. b) Konkordate und nachfolgende Gesetze Schwieriger ist es, wenn der Konflikt zwischen dem Vertrag und einem Gesetz aufkommt, das hierarchisch dem Zustimmungsgesetz gleichsteht. Um beim obigen Beispiel zu bleiben, sei auf die Ladenöffnungszeiten verwiesen, die seit der Föderalismusreform in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. Wenn sie nicht mehr durch Allgemeinverfügung, sondern durch eine Änderung des Ladenschluß- oder (wie es in einigen Ländern jetzt benannt ist) Ladenöffnungsgesetzes verändert werden sollten, träfen das Zustimmungsgesetz zum Konkordat und das danach erlassene Landesgesetz aufeinander. (1) Möglichkeit und Grenzen der Aufhebung des Vertragsgesetzes durch lex posterior Ganz allgemein gilt die Regel, daß ein späteres Gesetz das frühere verdrängt: lex posterior derogat legi priori.85 Ein Vertragsgesetz wird als einfaches Gesetz erlassen und entfaltet keine übergesetzliche Bindungskraft. Grundsätzlich ist daher die Aufhebung eines Zustimmungsgesetzes zu einem völkerrechtlichen Vertrag durch neues Gesetz möglich. Die innerstaatliche Bindung an den völkerrechtlichen Vertrag entfällt daraufhin, er kann von den staatlichen Organen nicht mehr vollzogen werden.86 Dies gilt trotz der in Art. 25 GG zum Ausdruck gebrachten Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Diese gebietet dem Staat zwar völkerrechtsfreundliches Verhalten, ordnet einen Vorrang vor dem Gesetz aber nur für die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ an, nicht jedoch für alle son85

Dazu H. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr. 553 f. BVerfGE 111, 307 (319); Chr. Hillgruber, FS Schiedermair, S. 98. A. A. – unter Verweis auf das Rechtsstaatsprinzip – für völkerrechtliche Verträge F. Becker, NVwZ 2005, S. 291 und K. Vogel, JZ 1997, S. 161 ff.; K. Vogel, FS Schiedermair, S. 123 f. A. A. auch noch A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 160; in abgeschwächter Form, aber mit der rechtspolitischen Forderung nach Einführung einer Vorrangregelung für die Staatskirchenverträge in die Verfassung jetzt A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 277. Auch die Souveränitätslehre Jean Bodins eröffnete bereits dem Fürsten die Möglichkeit, das Völkerrecht für sein Reich außer Kraft zu setzen, J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 161 (dt. Übersetzung S. 239). 86

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stigen völkerrechtlichen Normen.87 Dies hebt denn auch nicht die völkerrechtlichen Verträge selbst als allgemeine Regeln des Völkerrechts in übergesetzlichen Rang,88 obgleich der Satz pacta sunt servanda selbst zu den „allgemeinen Regeln des Völkerrechtes“ i. S. v. Art. 25 GG zählt.89 Denn Art. 59 GG ordnet – insoweit lex specialis – eine innerstaatliche Geltung der Verträge mit dem Rang einfacher Gesetze an.90 Der Vertrag wird durch das nachfolgende Gesetz verletzt, seine Wirksamkeit bleibt davon jedoch unberührt.91 Dies widerspricht nicht dem Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung, denn auch das Völkerrecht fordert nicht die Nichtigkeit völkerrechtswidriger Akte, sondern sieht – neben der Verpflichtung, das vertragswidrige Recht zu beseitigen – eine Reihe von Sanktionen für den Vertragsbruch vor.92 Diese Trennung von Vertrag und Zustimmungsgesetz harmoniert auch mit der Rechtsprechung des BVerfG, das ausdrücklich nur das Vertragsgesetz prüft.93 Erfordert also die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes nicht die Höherstellung der Vertragsgesetze, so kommen dafür doch Gründe des staatlichen Verfassungsrechts in Betracht. Zu erwägen ist etwa, ob Gründe der Rechtsstaatlichkeit fordern, den Gesetzgeber an seiner Zustimmung zum Vertragswerk unbedingt festzuhalten.94 87 BVerfGE 6, 309 (362 f.); 41, 88 (120 f.); B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, Art. 59 Rdnr. 92; Chr. Koenig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 25 Rdnrn. 6, 18. Kritisch K. Vogel, JZ 1997, S. 162. 88 BVerfGE 6, 309 (362 f.); 31, 145 (177 f.); K. Heidenstecker-Menke, Die Bestandsgarantie völkerrechtlicher Verträge, S. 22 f.; O. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 59 Rdnr. 10; Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 246 f. So auch schon für Art. 4 WRV H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 397. A. A. G. Anschütz, HDStR I, S. 299, wenn auch beschränkt auf die Länder – das Reich sei daran nicht gebunden. 89 K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 741; W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 5. A. A. noch K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 277; Hessische Landesregierung, in: F. Giese/F. A. v. d. Heydte (Hrsg.), Der Konkordatsprozeß, Teilband I, S. 133. 90 K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 741; Chr. Koenig, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, Art. 25 Rdnr. 18. 91 Für die Konkordate U. Scheuner, Ev. Kirchenverträge, StL IX = Schriften zum Staatskirchenrecht, S. 344; Chr. Waldhoff, Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: H. M. Heinig/Chr. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 263. In diesem Sinne auch VGH Mannheim, ESVGH 17, 175. 92 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 219 f. 93 BVerfGE 6, 290 (295); 15, 337 (348). 94 So F. Becker, NVwZ 2005, S. 291 und ders., Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 222; K. Vogel, JZ 1997, S. 165. Dies ist auch Kernpunkt einer parallel gelagerten Diskussion, die im Internationalen Steuerrecht geführt wird. Hier geht es um die Wirksamkeit des sog. Treaty

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Das Rechtsstaatsprinzip fordert eine Unterwerfung des Gesetzgebers unter die Verfassung,95 aber auch nur unter diese. Die Verfassung ordnet über Art. 59 GG die Einordnung der völkerrechtlichen Verträge in das einfache Gesetzesrecht an und gibt den völkerrechtlichen Verträgen keine Sonderstellung über dem Gesetz. Diese ist den allgemeinen Regeln des Völkerrechts vorbehalten. Der Völkerrechtsfreundlichkeit geschuldet ist, daß das Grundgesetz einen Konflikt zwischen Völkerrecht und nationalem Recht nach Möglichkeit verhindern will. Im Zusammenspiel mit der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes folgt daraus das Gebot völkerrechtsfreundlicher Interpretation von Gesetzen.96 Ist das vertraglich Vereinbarte z. B. als lex specialis zur gesetzlichen Regelung anzusehen, findet die Verdrängung durch das spätere Gesetz nicht statt.97 Ist ein solch schonender Ausgleich nicht möglich – läßt sich also das Gesetz nicht völkerrechtsfreundlich auslegen oder als lex generalis betrachten – bleibt es aber dabei, daß das Vertragsgesetz durch das nachfolgende Gesetz derogiert wird.98 Das Rechtsstaatsprinzip bindet den Gesetzgeber nicht an Normen aus einem anderen Rechtskreis – scil. dem Völkerrecht – sondern nur an die eigene Verfassung. Nach dieser ist eine Sonderstellung der völkerrechtlichen Verträge hinsichtlich ihres Verhältnisses zum einfachen Gesetzesrecht nicht erkennbar. (2) Auswirkungen auf den Vertrag Entfällt der Umsetzungsakt durch die lex posterior, zeitigt dies zunächst einmal nur innerstaatliche Rechtsfolgen. Es ändert aber nichts daran, daß der Staat auf der völkerrechtlichen Ebene auch weiterhin an den Vertrag gebunden ist. Die Volkssouveränität, die verlangt, daß der Mehrheitswillen des Volkes sich auch ändern und damit auch Änderungen der Rechtslage erfordern kann, beschränkt sich nur auf die deutsche Staatsgewalt. Sie erstreckt sich nicht aber auf internationale Rechtsakte. Hebt der Staat ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag auf, so begeht er eine Override bei Doppelbesteuerungsabkommen, also der Gültigkeit von innerstaatlichen Gesetzen, die einem Doppelbesteuerungsabkommen widersprechen. Während der überwiegende Teil in Rechtsprechung und Literatur von der (innerstaatlichen) Rechtmäßigkeit des Treaty Override ausgeht (BFHE 198, 514 [521]; R. Bernhardt, HStR VII, § 174 Rdnr. 29; J. Bron, IStR 2007, S. 431 ff.; R. Seer, IStR 1997, S. 483 f.), wird dies teilweise – maßgeblich unter Bezug auf rechtsstaatliche Grundsätze – angezweifelt (H. Daragan, IStR 1998, S. 226; K. Vogel, IStR 2005, S. 30). 95 K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 253. 96 BVerfGE 74, 358 (370); R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 177. 97 R. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 177; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht I, S. 482, der dies offenbar als allgemeine Regel für das Verhältnis von Völkerrecht und staatlichem Recht heranziehen möchte. 98 BVerfGE 6, 309 (362). A. A. A. Erler, Kirchenrecht, S. 119.

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Vertragsverletzung, die die Folgen der Staatenverantwortlichkeit auslöst.99 Der Vertrag selbst bleibt bestehen und wird durch seine Verletzung nicht in seinem Bestand beeinträchtigt.100 In diesem Fall führt das dualistische Verständnis des Völkerrechts also dazu, daß völkerrechtliche Geltung und innerstaatliche Anwendbarkeit eines Vertrages auseinanderfallen können. All diese Regeln finden auf das Recht der Konkordate ebenso Anwendung. Durch widersprechende Gesetzgebung kann der Gesetzgeber die innerstaatliche Bindung an das Konkordat beseitigen, indem er den Vollzugsbefehl aufhebt. Dieses Gesetz ist wirksam und nicht per se verfassungswidrig. Allerdings kann es nichts an der Tatsache ändern, daß sich das Land völkerrechtlich vertragsbrüchig verhält. (3) Besonderheiten aus dem Landesverfassungsrecht Da die Konkordate mit den Ländern geschlossen werden, können sich weitere Begrenzungen oder Verstärkungen völkervertraglicher Bindung aus dem Landesverfassungsrecht ergeben. Dort gibt es teilweise Sonderregelungen über das Verhältnis von Landesrecht und Völker- bzw. Staatskirchenvertragsrecht.101 Dies sind verfassungsrechtliche Bindungen, die über das Völkerrecht hinaus die eigenmächtige und einseitige Loslösung von den Konkordaten erschweren. So postuliert Art. 8 BWVerf., daß die Verfassung die Geltung der Staatskirchenverträge nicht berühre. Art. 23 Abs. 2 NRWVerf. läßt die Änderung der Staatskirchenverträge nur mit Zustimmung der Vertragspartner zu. Brandenburg bindet zumindest die Ablösung der Staatsleistungen (und in diesem Rahmen auch der vertraglich begründeten) an eine Vereinbarung (Art. 37 Abs. 2 BbgVerf.), ebenso NordrheinWestfalen (Art. 21 NRWVerf.). Hessen räumt dem Völkerrecht darüber hinaus sogar einen generellen Vorrang ein und erklärt Gesetze, die gegen Regeln des Völkerrechts oder völkerrechtliche Verträge verstoßen, für ungültig, Art. 67 HessVerf.102 Für Konkordate mit dem Land Hessen gälte daher die Regel lex posterior derogat legi priori von Verfassungs wegen nicht, der völkerrechtliche Vertrag hätte Vorrang vor dem einfachen Gesetz. Hessen gehört jedoch zu den Ländern, die kein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl abgeschlossen haben; es regelt sein Verhältnis zur katholischen Kirche 99 K. Doehring, Völkerrecht, Rdnr. 723; Chr. Hillgruber, FS Schiedermair, S. 98; A. Hollerbach, Konkordat, StL III, Sp. 623; ders., HdbStKirchR I, S. 276 f.; B. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 59 Abs. 2 Rdnr. 97; W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 28. 100 H. Kremser, LKV 1998, S. 303 f.; J. Müller-Volbehr, HdbStKirchR I, S. 297. 101 Dazu D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 298 ff.; A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 276; D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 168 ff. 102 Dazu G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 16 f. und 128 ff.

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nur durch Bistumsverträge. Dennoch soll Art. 67 HessVerf. auch für diese Verträge gelten; Gesetze, die gegen den Kirchenvertrag verstoßen, sind daher von Verfassungs wegen nichtig.103 Anders ist es mit Art. 23 Abs. 2 NRWVerf., der anordnet, daß Vertragsänderungen nur im Einverständnis der Parteien zulässig sind.104 Ein widersprechendes Gesetz beeinträchtigt, wie gezeigt, die Wirksamkeit des Vertrags selbst nicht. Art. 23 Abs. 2 NRWVerf. sichert aber zusätzlich den innerstaatlichen Vollzug des Konkordats. Neben die völkervertragliche Bindung, die den Gesetzgeber innerstaatlich nicht von einer Vertragsverletzung abhalten kann, tritt eine verfassungsrechtliche Bindung. Dadurch verstoßen Gesetze, die nicht in Einklang mit dem Konkordat stehen, nicht nur gegen den Vertrag und stellen eine Vertragsverletzung dar, sie verstoßen auch gegen die Verfassung. Damit haben die Konkordate in Nordrhein-Westfalen einen Rang oberhalb der einfachen Gesetze – wenn auch wohl nicht ober103 A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 276; G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 128 ff.; a. A. D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 299. Art. 67 HessVerf. geht über Art. 25 GG insoweit hinaus, als er die unmittelbare Geltung der, also offenbar sämtlicher, „Regeln des Völkerrechts“ im Landesrecht anordnet. Deshalb ist in der Literatur umstritten, ob Art. 67 HessVerf., bei dem es sich um vorkonstitutionelles Recht handelt, auch nach Erlaß des Grundgesetzes fortgilt. Während dies von Zinn/ Stein aus historischen Gründen bejaht wird (Verfassung des Landes Hessen, Art. 67 Anm. 1 f.), sehen die kritischen Stimmen einen Konflikt mit Art. 25 GG (vgl. etwa R. Hoffmann, in: MAK-GG I, Art. 25 Rdnr. 7). Die Auseinandersetzung beschränkt sich jedoch auf die Geltungsanordnung für die „Regeln des Völkerrechts“, die tatsächlich problematisch ist. Art. 67 HessVerf. ist – wie alle Regelungen in Landesverfassungen, die das Verhältnis von Landes- und Völkerrecht behandeln – verfassungskonform auszulegen, so daß davon auszugehen ist, daß die unmittelbare Geltung nur die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ i. S. v. Art. 25 GG betrifft. Was die Umsetzung von Staatsverträgen in Landesrecht angeht, sind die Länder jedoch nicht – auch nicht durch Art. 28 GG – an bestimmte Formen gebunden, vgl. dazu B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28 Rdnr. 5. Daher dürfte es den Ländern auch überlassen sein, den Rang der Staatsverträge zu bestimmen. In Hessen bedarf ein Staatsvertrag nach Art. 103 Abs. 2 HessVerf. der Zustimmung des Landtages. Einem in Landesrecht umgesetzten Staatsvertrag von Verfassungs wegen Vorrang vor dem einfachen Gesetz zuzubilligen, erscheint aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit, die Art. 25 GG ausdrückt, zulässig. 104 Dazu J. Bauer, Das Verhältnis von Staat und Kirche in NRW, S. 158; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 61 mit Fn. 65; J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 8; U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 35; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 325; L. Renck, DÖV 1997, S. 937 vertritt allerdings die Auffassung, dies beziehe sich nur auf den Vertrag selbst, beschränke aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers. Nach dem bisher Gesagten wäre eine solche Norm allerdings überflüssig, denn auch ohne ausdrückliche Normierung bindet der Vertrag die Vertragsparteien. Etwas Neues sagt die Norm nur, wenn sie zusätzlich auch den innerstaatlichen Vollzug des Vertrags durch Gesetz sichert.

A. Die Konkordate

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halb der Verfassung – inne.105 So ist eine wirksame Bindung des Gesetzgebers an das Konkordat möglich. Nach seinem Wortlaut106 jedoch bezieht Art. 23 Abs. 2 NRWVerf. das Zustimmungserfordernis – was die Änderung von Konkordaten angeht – nur auf die bereits vorkonstitutionell bestehenden Verträge. Sollte ein neues Konkordat mit dem Land Nordrhein-Westfalen abgeschlossen werden, gälte diese verfassungsrechtliche Beschränkung nicht. Dies entspricht auch der Rechtslage in Baden-Württemberg. Obwohl hier der Wortlaut des Art. 8 BWVerf.107 es zuließe, ihn auch auf zukünftige Staatskirchenverträge anzuwenden, wird er als Kollisionsnorm nur für die zum Zeitpunkt der Verfassunggebung bereits bestehenden Verträge betrachtet. Neue Verträge würden von ihm nicht erfaßt.108 Für erstere heißt das aber, daß sie als leges speciales im Kollisionsfall nicht der entgegenstehenden Verfassungsbestimmung weichen müssen, erst recht nicht einfachem Gesetzesrecht.109 In den genannten Ländern können die Zustimmungsgesetze zu den Konkordaten daher nicht durch (einfachgesetzliche) lex posterior aufgehoben werden, es bedürfte hierzu zunächst einer Verfassungsänderung. In den übrigen Ländern gilt im Konkordatsrecht die lex-posterior-Regel;110 dies ändert aber nichts daran, daß die Verträge selbst nicht durch Gesetz aufgehoben werden können. Der Erlaß einer vertragswidrigen lex posterior stellt immer eine Verletzung des Völkervertragsrechts dar.

105 J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 8; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 276; U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 35. Für eine – zumindest eingeschränkte – Verfassungsbindung noch A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 159 f., 164 f. 106 Art. 23 Abs. 1 NRWVerf. lautet: „Die Bestimmungen der Verträge der Katholischen Kirche [. . .], die im früheren Freistaat Preußen Geltung hatten, werden [. . .] als geltendes Recht anerkannt.“, Abs. 2 dann: „Zur Änderung dieser Kirchenverträge und zum Abschluß neuer Verträge ist außer der Zustimmung der Vertragspartner ein Landesgesetz erforderlich.“ (Hervorhebung d. Verf.). 107 Art. 8 BWVerf. lautet: „Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, bleiben von dieser Verfassung unberührt.“ 108 M. Heckel, in: H. Maurer/R. Hendler, BWStVR, S. 583; A. Hollerbach, in: P. Feuchte (Hrsg.), BWVerf., Art. 8 Rdnr. 13. 109 A. Hollerbach, in: P. Feuchte (Hrsg.), BWVerf., Art. 8 Rdnr. 8; ders., HdbStKirchR I, S. 276. Allerdings kann Art. 8 BWVerf. selbst abgeändert werden: M. Heckel, in: H. Maurer/R. Hendler, BWStVR, S. 583. Zur Geltung für die evangelischen Kirchenverträge vgl. unten Dritter Teil, B.II.3.a). 110 Anders noch A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 160.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

III. Rechtsschutz gegen Konkordatsverletzungen Trotz der Vereinbarung von Freundschaftsklauseln in den Konkordaten kann es vorkommen, daß Konflikte auftreten, für die eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden wird. Die Freundschaftsklausel verpflichtet die Parteien dazu, in erster Linie eine gütliche Einigung zu suchen; kommt eine solche aber nicht zustande, schließt sie nicht aus, daß die Parteien von anderen Rechtsbehelfen Gebrauch machen.111 Auf einen Vertragsbruch kann die vertragstreue Partei mit völkerrechtlichen Mitteln reagieren und auf das allgemeine Repressalienrecht zurückgreifen, das das Völkerrecht bei der Verletzung völkerrechtlicher Pflichten vorsieht.112 Vor allem aber ist sie bei einer erheblichen Vertragsverletzung zur Beendigung oder Suspendierung des Vertrages berechtigt, was nunmehr auch Art. 60 WVK festschreibt.113 Im Gegensatz zu Verstößen gegen das Konkordat auf untergesetzlicher Ebene, die als Verletzung des Zustimmungsgesetzes vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden können,114 steht den Kirchen die Fachgerichtsbarkeit zur Ahndung von Verstößen in Gesetzesform nicht zur Verfügung. Verletzt ein Gesetz das Konkordat, so kann auch eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage (§ 43 VwGO) nicht helfen. Diese kann die Geltung des Konkordats als innerstaatliches Recht nicht feststellen, da durch die lex posterior die Verknüpfung mit dem innerstaatlichen Recht gerade aufgehoben worden ist.115 Die Verpflichtung zur Vertragserfüllung ist eine allein völkerrechtliche. Ein Gesetz ist ferner nicht bereits deswegen verfassungswidrig, so daß es mit Erfolg vor dem BVerfG angegriffen werden könnte, weil es gegen Völkerrecht verstößt.116 Die Vereinbarkeit deutschen Rechts mit dem Völkervertragsrecht ist auch kein Anwendungsfall des Normenverifikationsverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG.117 Damit hat die Konkordatsverletzung keine Verletzung des Verfassungsrechts zur Folge, die in einem Verfassungsrechtsstreit gerügt werden könnte. 111

A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 253 f. K. Doehring, Völkerrecht, Rdnrn. 371, 374, 1025 ff.; W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rdnrn. 77 ff., § 59 Rdnrn. 45 ff. 113 W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 77. 114 OVG Greifswald, NVwZ 2000, 948; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 261 f.; A. Vulpius, Kirchenverträge in den neuen Ländern, in: Chr. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 234. 115 H. Weber, HdbStKirchR II, S. 1065. 116 BVerfGE 6, 309 (363); VGH Mannheim, ESVGH 17, 175. 117 Dazu BVerfGE 94, 315 (328); Chr. Hillgruber, in: Chr. Hillgruber/Chr. Goos, Verfassungsprozessrecht, Rdnr. 651. 112

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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Denkbar erschiene es, den Streit vor die internationale Gerichtsbarkeit zu bringen. Diese ist für völkerrechtliche Streitigkeiten jedoch nicht automatisch zuständig, die Parteien müssen sich ihr vielmehr unterwerfen. Der Heilige Stuhl hat sich nie dem IGH-Statut118 und auch nicht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen und wird dies aufgrund seines Selbstverständnisses wohl auch nicht tun.119 Eine Verpflichtung, sich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, besteht nicht.120 Daher bleiben dem Heiligen Stuhl zur Durchsetzung der Konkordate gegen widersprechende staatliche Gesetzgebung nur diplomatische Schritte sowie das Vertrauen darauf, daß „ein Staat, in dem die freie öffentliche Meinung gewährleistet ist und die Staatsorgane öffentlicher Kontrolle und Kritik ausgesetzt sind, davon absehen wird, Verträge bewusst zu brechen oder auch nur zu verletzen.“121

B. Die Verbindlichkeit der dem innerstaatlichen Recht unterliegenden Staatskirchenverträge Von der Bestandskraft der Konkordate zu unterscheiden ist die der evangelischen Kirchenverträge. Diese sind, wie oben dargelegt, Verträge sui generis und im innerstaatlichen Recht angesiedelt. Ihre Bindungswirkung ist daher nicht nach dem Völkerrecht zu beurteilen, sondern muß sich an anderen Normen ausrichten. Es wird vertreten, daß selbst bei unterschiedlicher rechtlicher Qualifikation der Verträge mit der katholischen und den evangelischen Kirchen sich diese im Verhältnis zum Staat in keiner Weise auswirke.122 Dies soll wohl aus dem Paritätsprinzip folgen, wird aber nicht weiter begründet. Da die Parität jedoch, wie oben gezeigt, eben keine Gleichbehandlung der Kirchen in der Rechtsnatur ihrer Verträge fordert, ist nicht einzusehen, warum sie im Bestand der Verträge unerläßlich sein soll. 118

Dies hätte er gem. Art. 93 Abs. 2 UN-Charta tun können, obwohl er nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist. 119 Siehe can. 1404 CIC: „Prima Sedes a nemine iudicatur.“ („Der Papst kann von niemandem vor Gericht gezogen werden.“); J. Llobell, in: Instituto Martín Azpilcueta (Hrsg.), Comentario al Código de Derecho Canónico, Can. 1404, Anm. 3. Dazu auch A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 249 f.; H. Weber, HdbStKirchR II, S. 1080. W. Schätzel, Konkordatsprozeß III, S. 1121. Differenzierend P. Mikat, HdbkKR, S. 391. 120 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 250; H. Weber, HdbStKirchR II, S. 1080. Kritisch W. Schätzel, Konkordatsprozeß III, S. 1121 f. 121 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 53. 122 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 50; J. Depenbrock, ZevKR 38 (1993), S. 418.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Im innerstaatlichen Recht findet sich eine ausführliche Regelung öffentlich-rechtlicher Verträge in den §§ 54 ff. VwVfG. Wenn die §§ 54 ff. VwVfG laut ihrer Überschrift auch allgemein für den „öffentlich-rechtlichen“ Vertrag gelten, so kann sich ihre Regelung doch ausweislich des Anwendungsbereichs des VwVfG nur auf Verwaltungsverträge erstrecken, § 1 VwVfG. Bei den evangelischen Kirchenverträgen handelt es sich aber um Verträge eigener Art, die über die bloße Verwaltungstätigkeit einer Behörde hinausgehen und sich von den Verwaltungsverträgen in mehrfacher Hinsicht unterscheiden.123 Die §§ 54 ff. VwVfG sind daher nicht direkt anwendbar. Die Normen des VwVfG werden allerdings auf verwaltungsrechtliche Verträge, die nicht unter das VwVfG fallen, analog angewandt.124 Auf andere Verträge des öffentlichen Rechts – etwa Staatsverträge – wird die Analogie jedoch nicht ausgeweitet. Deshalb ist davon auszugehen, daß die analoge Anwendung tatsächlich auf Verträge der Verwaltung beschränkt bleibt, hingegen nicht auf Verträge anderer Rechtsnatur erstreckt wird. Als Verträge sui generis entziehen sich die Kirchenverträge dem Analogieschluß. Es fragt sich daher, inwieweit es möglich ist, die Probleme der evangelischen Kirchenverträge durch Rückgriff auf die Regeln des allgemeinen Vertragsrechts zu lösen. Zu diesen gehört vor allem der Grundsatz pacta sunt servanda. Auch im allgemeinen Vertragsrecht gilt er nicht absolut; er findet seine Schranken in der clausula rebus sic stantibus. Ebenso ermöglicht es das allgemeine Vertragsrecht aber auch, daß die Vertragsparteien Regeln für ihr vertragliches Verhältnis im Vertrag selbst und autonom festlegen. Im Folgenden sollen daher verschiedene Probleme der Bestandskraft angesprochen und eine Lösung versucht werden. I. Erlöschensgründe aus Vertragsrecht 1. Die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags Die einvernehmliche Aufhebung eines Vertrages ist die planmäßige Art, einen Vertrag friedlich zu beenden. Auch bei den evangelischen Kirchenverträgen steht dem natürlich nichts entgegen.125 Dies entspricht der oben126 behandelten Freundschaftsklausel, die die einvernehmliche Lösung von Unstimmigkeiten bevorzugt. 123

s. dazu oben Zweiter Teil, B.IV und V. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 54 Rdnr. 9. 125 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 58; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 273. 126 Dritter Teil, A.I.1. 124

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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2. Die ordentliche Kündigung der Kirchenverträge Ebenso wie die Konkordate enthalten auch die evangelischen Kirchenverträge keine Kündigungsklauseln. Dennoch gibt es immer wieder Vorstöße, fast ausschließlich von staatlicher Seite, mit dem Ziel, die Kündigung eines Kirchenvertrags zu erreichen. So regten Politiker in Schleswig-Holstein im Herbst 2006 an, wegen des generellen Sparzwanges auch die kirchenvertraglich vereinbarten Staatsleistungen zurückzufahren. Dies sollte durch Kündigung des Kirchenvertrages erreicht werden.127 Die Angelegenheit wurde auf Sommer 2007 vertagt.128 Ob ein solches Ansinnen Erfolg haben könnte, soll im Folgenden behandelt werden. Das allgemeine Vertragsrecht räumt das Kündigungsrecht nur ein, wenn es vertraglich vorgesehen ist.129 Anders als bei den völkerrechtlichen Verträgen wird bei innerstaatlichen Verträgen von einigen Autoren angenommen, daß der Staat sie unter einem Gemeinwohlvorbehalt abschließe, dessen Bedrohung ihn zur Kündigung berechtige.130 Dies ähnelt dem früher auch im Konkordatsrecht verbreiteten Konzept, der Heilige Stuhl könne aus Gründen des Heils der Seelen vom Vertrag zurücktreten.131 Für die Verwaltungsverträge findet sich dieses besondere Kündigungsrecht jetzt in § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG. Hier stellt es einen Sonderfall der clausula rebus sic stantibus dar, die in Abs. 1 S. 1 ihre Regelung gefunden hat.132 In der Tat ist der Staat dem Gemeinwohl verpflichtet.133 Ob er sich zu Lasten des gemeinen Wohls einem einzelnen innerstaatlichen Rechtssubjekt gegenüber ohne Kündigungsrecht binden kann, muß in stärkerem Maße hin127

Antrag der Abgeordneten M. Heinold, LT-Umdruck 16/1425. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Finanzausschuß, Niederschrift der 51. Sitzung vom 23. November 2006, S. 4. Der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, der mit den Staatsleistungen an die Kirchen befaßt war, hat in seinen Bemerkungen 2007 festgestellt, daß eine ordentliche Kündigung der Kirchenverträge nicht möglich sei; er geht jedoch offensichtlich davon aus, daß die Voraussetzungen für eine Anpassung der Staatskirchenverträge aufgrund der clausula rebus sic stantibus gegeben seien (Ziff. 9.6 f.). 129 E. R. Huber, Verträge, S. 118. 130 Anders H. U. Anke, Neubestimmung, S. 166 f., der annimmt, bei Betroffenheit des Gemeinwohls entfalle die Bindungskraft des Vertrages automatisch, so daß eine Kündigung gar nicht erforderlich sei; s. dazu unten Dritter Teil, B.II.1. 131 Dazu W. M. Plöchl, The Jurist 7 (1947), S. 32. 132 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 27; R. Köbler, Clausula rebus sic stantibus, S. 183 f. 133 Die ausschließliche Orientierung staatlichen Handelns am Gemeinwohl betont auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 763 ff., 881. 128

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

terfragt werden als im Völkerrechtsverkehr. Denn im Völkerrecht bindet der Staat sich im Verhältnis zu einem Rechtssubjekt, das ihm nebengeordnet und seiner Rechtsordnung entzogen ist. Der Gedanke, daß der Herrscher sich von Verträgen mit seinen Untertanen lossagen kann, um Nachteile von der Öffentlichkeit abzuwenden, ist der Vertragslehre schon lange eigen. Jean Bodin etwa, der Bindungen des Souveräns generell zurückhaltend gegenüberstand, verpflichtete diesen zur Einhaltung von Verträgen auch mit seinen Untertanen.134 In bestimmten Fällen, in denen er grundsätzlich eine Vertragsbindung annahm, billigte er die Lösung vom Vertrag aber.135 Dies reduzierte er allerdings auf die Ausnahmefälle, in denen sich der Vertrag als unbillig erwiese,136 also auf die Fälle, die heute landläufig der clausula rebus sic stantibus zugeordnet werden. Zudem errichtet Bodin selbst eine Art Schranken-Schranke: Ein Vertrag binde sogar den Nachfolger des Königs und zwar selbst dann, wenn daraus erhebliche Nachteile für das Gemeinwohl resultierten, sofern dieser Vertrag vom Souverän mit Zustimmung der Stände, Städte, Parlamente sowie der Prinzen und Hohen Herren geschlossen worden war.137 Dies, so führt er an derselben Stelle aus, entspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben. Möchte man hier eine Parallele mit der heutigen Rechtslage ziehen, würde dies bedeuten, daß Verträge, die die Regierung mit Zustimmung des Parlamentes schließt, für den Staat insgesamt bindend sind, Verträge, die die Exekutive allein schließt, hingegen nur für die Verwaltung selbst.138 Dem Grundsatz von Treu und Glauben erscheint es angemessen, wenn Verträge, die von zwei Gewalten gemeinsam geschlossen werden, den Staat stärker binden, als wenn eine Gewalt isoliert gehandelt hat. Wie bei den Konkordaten wird dies bestärkt durch die Freundschaftsklauseln, die in den Kirchenverträgen vereinbart sind, und dazu führen, daß Veränderungswünsche nicht durch Aufkündigung der vertraglichen Beziehung, sondern im Dialog bewältigt werden sollen.139 Auf das Gemeinwohl zur Begründung der Vertragsbeendigung kann sich der Staat daher nur dann berufen, wenn es so massiv bedroht ist, daß dem 134 Zur Bedeutung der bodinschen Souveränitätslehre für die Bestandskraft der Staatskirchenverträge s. unten Dritter Teil, B.II.2. 135 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 160 f. (dt. Übersetzung S. 239); J.-F. Spitz, Bodin et la souveraineté, S. 83. 136 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, 134 (dt. Übersetzung S. 216). 137 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, 160 (dt. Übersetzung S. 238 f.). 138 Vgl. dazu unten Dritter Teil, B.II.2.b). 139 So auch Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, am 6. Mai 2007 in seiner Ansprache zum 50-jährigen Jubiläum des Kieler Vertrages, vgl. Pressemeldung unter http://www.kulturnetz-sh.de/news/anz.php?id=2352.

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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Vertrag die Grundlage entzogen wird. Das ist dann aber keine ordentliche Kündigung, sondern ein Fall der clausula rebus sic stantibus, die sogleich behandelt werden soll.140 3. Die clausula rebus sic stantibus a) Anwendbarkeit von § 60 VwVfG Auch das deutsche Öffentliche Recht kennt die clausula rebus sic stantibus, um im Vertragsverhältnis auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können.141 Eine Regelung für den verwaltungsrechtlichen Vertrag enthält § 60 VwVfG. Nach dem oben Ausgeführten sind die Vorschriften des VwVfG aber nicht direkt auf die Kirchenverträge anzuwenden. Auch der Analogieschluß ist, wie gezeigt, nicht möglich.142 § 60 VwVfG liefert also keine Lösung des Problems. b) Die clausula rebus sic stantibus als allgemeiner Rechtsgrundsatz § 60 VwVfG trifft allerdings keine neuartige Regelung, sondern kodifiziert nur eine Rechtsregel, die sich (auch außerhalb des Völkerrechts) als Gewohnheitsrecht verfestigt hat und ungeschriebener Bestandteil des deutschen Verfassungsrechts143 ist. Sie folgt aus dem allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben144 und sichert das staatliche (und kirchliche) Selbsterhaltungsrecht145. Diese allgemeine Rechtsregel kann daher auch auf Verträge außerhalb des VwVfG angewandt werden146 und erfaßt auch Staatsverträge147. Zwar gehören die Kirchenverträge keiner der genannten Fallgruppen an; allerdings zeigen jene, daß die Lehre von der clausula rebus sic stantibus sich im öffentlichen Vertragsrecht allgemein durchgesetzt hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Staat an 140 Im Ergebnis ebenso A. v. Campenhausen, Münchener Gutachten, S. 226; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 277. 141 Zum Begriff s. oben Dritter Teil, A.I.3. 142 s. dazu oben Dritter Teil, B. vor I. 143 BVerfGE 34, 216 (231); 42, 345 (358). Dazu auch die Begründung zum Entwurf des (Bundes-)VwVfG, BT-Drs. 7/910, S. 82. 144 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 1; K. Stern, FS Mikat, S. 778; C. H. Ule, FG Maunz, S. 424. 145 E. R. Huber, Verträge, S. 127; E. Kaufmann, Clausula, S. 204. 146 OVG Münster, NVwZ 1991, 1106; H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 3. 147 BVerfGE 34, 216 (230).

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Verträge mit den Kirchen in dieser Hinsicht stärker gebunden sein sollte als an Verträge, die er im Völkerrecht oder durch Staatsverträge mit anderen ebenbürtigen Subjekten schließt.148 Deshalb sind auch die Kirchenverträge nicht von der clausula rebus sic stantibus ausgenommen.149 § 60 VwVfG hat als erste Kodifizierung im Bereich des öffentlichen Rechts natürlich eine besondere Bedeutung für Auslegung und Konkretisierung der clausula rebus sic stantibus.150 Obwohl nicht direkt oder analog einschlägig, kann § 60 VwVfG somit als Anhaltspunkt für die rechtliche Beurteilung dienen. Als Ausnahme von der vertragsrechtlichen Grundsatznorm pacta sunt servanda ist der Anwendungsbereich der clausula eng auszulegen, sie kann nur dazu da sein, wirkliche Notfälle zu entschärfen.151 Auch bei den Verträgen mit den evangelischen Kirchen ist die clausula daher nicht einschlägig, wenn die Vertragsparteien nur ihre politische Meinung ändern und sich aus diesem Grund vom Vertrag lösen wollen.152 So kann also eine Veränderung in der Zusammensetzung des Parlamentes den Staat nicht dazu berechtigen, den Vertrag unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus zu kündigen. Nicht überzeugend ist deshalb die Auffassung, jede beabsichtigte Rechtsänderung seitens des Staates berechtige diesen zur Kündigung unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus, wenn ein Versuch einvernehmlicher Einigung mit der Kirche fehlschlage.153 Im Recht der Verwaltungsverträge soll die clausula rebus sic stantibus Anwendung finden, wenn sich nach Vertragsschluß die Rechtslage in für den Vertrag erheblicher Weise ändert.154 Dies wird man aber auf die Kir148

So auch E. R. Huber, Verträge, S. 130. BVerfGE 34, 216 (230); H. U. Anke, Neubestimmung, S. 225; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 277 ff.; ders., HdbStKirchR I, S. 277; R. Köbler, Clausula rebus sic stantibus, S. 173, Fn. 7. 150 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 3. 151 A. v. Campenhausen, Münchener Gutachten, S. 226. 152 So aber K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 97. Wie hier dagegen D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 317. 153 So aber K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 97; U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 35. Kritik an diesem Ansatz bei H. U. Anke, Neubestimmung, S. 166; im Ergebnis nähert er sich dieser Auffassung aber wieder an, wenn er annimmt, in einem solchen Fall entfalle die Bindungswirkung des Vertrags, weshalb der Rückgriff auf die clausula rebus sic stantibus nicht notwendig sei; s. dazu unten Dritter Teil, B.II.1.b). In diesem Sinne auch der Abgeordnete W. Beuß in der Hamburgischen Bürgerschaft zu den dortigen Staatskirchenverträgen, Plenarprotokoll 18/ 60, S. 3125 D. 154 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 14. A. A. M. Bullinger, DÖV 1977, S. 818; L. Eckert, DVBl. 1962, S. 16; G. Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 60 Rdnr. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 60 Rdnr. 6a. 149

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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chenverträge nicht übertragen können. Untergesetzliche Normen können dem Vertrag ohnehin nichts anhaben, da dieser durch das Zustimmungsgesetz auf einer höheren Hierarchiestufe steht und die rangniedere Norm der höheren weichen muß. Anders könnte es bei Erlaß eines entgegenstehenden Gesetzes sein. Im Gegensatz zu den Konkordaten ändert sich hier nicht nur die rechtliche Verfaßtheit einer der Vertragsparteien, sondern das Recht, das den Vertrag beherrscht. Ob der staatliche Vertragspartner hier das Vertragsrecht unberücksichtigt lassen und den Vertrag unmittelbar aufheben kann, soll sogleich behandelt werden.155 An dieser Stelle ist zunächst zu klären, ob eine Gesetzesänderung den Staat, wenn er sich auch weiterhin im Vertragsrecht bewegen will, berechtigt, sich auf die clausula rebus sic stantibus zu berufen. Dies widerspräche für die Kirchenverträge aber den Grundsätzen der clausula. Hier sind nämlich der am Vertragsverfahren Beteiligte und der Normschöpfer identisch: Das Parlament hat durch das Erfordernis des Zustimmungsgesetzes beim Vertragsschluß eine essentielle Rolle. Es wird als Teil des Staates durch diesen Vertrag, der mit dem Land insgesamt (und nicht nur mit der Landesregierung) geschlossen wird, gebunden. Das Parlament könnte nun durch eine gesetzliche Regelung den Vertrag zwar vielleicht nicht unmittelbar beseitigen, aber doch eine Lage herstellen, die die Umstände des Vertrags ändert. Könnte es sich aber auf diese Veränderung berufen und einen Anspruch auf Vertragsanpassung geltend machen, stünde dies im Widerspruch zu dem allgemeinen Grundsatz, daß die erforderliche grundlegende Veränderung der Umstände nicht durch eine der Vertragsparteien selbst herbeigeführt werden darf.156 Insofern muß man hier zumindest einschränken und feststellen, daß eine Änderung des Landesrechts dem (staatlichen) Vertragspartner nicht die Rechte der clausula rebus sic stantibus verschafft.157 Anders dürfte dies bei Änderungen des Bundesrechts sein, die bei Vertragsschluß nicht vorhersehbar waren: Diese werden durch eine am Vertrag unbeteiligte Rechtsperson herbeigeführt, zudem wird diese Situation vom Vorrang des Bundesrechts nach Art. 31 GG erfaßt. Ent155

Dazu sogleich Dritter Teil, B.II. Insoweit für die im Verwaltungsverfahren vergleichbare Konstellation von Vertrag mit der Verwaltung und nachfolgender Änderung von Verwaltungsvorschriften Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 60 Rdnr. 9a. Allgemein R. Köbler, Clausula rebus sic stantibus, S. 233. A. A. wohl A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 278 f. 157 So aber K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 97; U. K. Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 35: Der Gesetzgeber dürfe unter keinen Umständen durch den Vertrag gebunden werden. Mit anderer Begründung kommt zu demselben Ergebnis H. U. Anke, Neubestimmung, S. 207 ff. Einschränkend auch S. Littbarski, Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 39 f., der die Normsetzungsbefugnisse nicht beschränken, dem betroffenen Bürger aber einen Entschädigungsanspruch einräumen will. 156

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hält ein (ansonsten rechtmäßiges)158 Bundesgesetz Widersprüche zum Kirchenvertrag, so hat es Geltungsvorrang vor dem Vertragsgesetz und setzt dieses außer Kraft.159 Dies nun ist eine wesentliche und unvorhersehbare Entwicklung, die von dem betreffenden Land auch nicht selbst herbeigeführt worden ist, und die daher ein Anwendungsfeld der clausula rebus sic stantibus darstellt.160 Berechtigt aber noch nicht einmal eine tatsächliche Änderung des Landesrechts zum Rückgriff auf die clausula rebus sic stantibus, so kann dies noch weniger bei nur geplanten Änderungen der Fall sein.161 Denn dies würde den unkündbar abgeschlossenen Vertrag in seiner Weitergeltung in das Belieben des Landes stellen: Ließe sich die Kirche auf eine vom Land angestrebte Regelung nicht ein, könnte dieses den Vertrag ohne weiteres kündigen und sich so von der unliebsamen Bindung befreien. Dies entspräche der sehr legalistischen Auffassung, die die Vertragsbindung allein auf das Belieben des Staates gründet. Nachdem aber heute außer Frage steht, daß es sich bei den Kirchenverträgen um echte Verträge und nicht um staatlicherseits gewährte Privilegien handelt, muß auch die Geltung des Grundsatzes pacta sunt servanda anerkannt werden, der die Parteien für den Regelfall an das vertraglich Vereinbarte bindet. Ins Feld geführt wird auch, es stelle eine gravierende Änderung der Umstände dar, wenn die staatliche Finanzlage angespannt sei.162 Dieses Argument dürfte für die neueren Verträge unbeachtlich sein, da die Haushalte der Länder seit Jahren belastet sind und die Länder, in denen in den letzten Jahren Verträge geschlossen wurden, keine Ausnahmen von dieser Regel darstellen. Zwar sind die Kirchenverträge – anders als etwa die Hochschulverträge163 – nicht gerade um der schwierigen Finanzlage der Länder willen geschlossen worden. Aber jedenfalls bei den nach der deutschen Wiedervereinigung geschlossenen Verträgen war doch allgemein bekannt, daß die Länderhaushalte sich in einem schlechten Zustand befanden. Die fortdauernde angespannte Haushaltssituation ist bei diesen Verträgen schon bei Vertragsschluß bekannt gewesen und damit Geschäftsgrundlage. Für die 158 Nur ein solches kann nach Art. 31 GG Vorrang genießen, H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 31 Rdnr. 19; W. März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 31 Rdnr. 30. 159 Wenn es dem Vertrag unmittelbar widerspricht, könnte es ihn sogar aufheben, so R. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: BK, Art. 31 Rdnr. 50. 160 Zur entsprechenden Rechtslage im Deutschen Reich E. R. Huber, Verträge, S. 126 f. 161 So aber K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 97. 162 So z. B. K. Wähler, Diskussionsbeitrag, in: Essener Gespräche 40 (2007), S. 100. 163 Dazu R. Uerpmann, JZ 1999, S. 651.

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Verträge, die zu Zeiten einer gesunden Haushaltslage geschlossen wurden, bleibt zu berücksichtigen, daß die clausula rebus sic stantibus als Ausnahme vom Prinzip pacta sunt servanda nur unter engen Voraussetzungen Anwendung finden kann.164 Die Veränderung der Umstände ist daher nur dann als „schwerwiegend“ zu qualifizieren, wenn der jeweilige Vertragspartner existentiell bedroht ist.165 Als Rechtsfolge der clausula rebus sic stantibus ergibt sich – wie im Völkerrecht – regelmäßig zunächst nicht die Nichtigkeit des Vertrages und auch kein Kündigungsrecht, sondern die Pflicht zur Anpassung des Vertrages an die geänderten Umstände.166 Ist eine Anpassung nicht möglich, hat die von der Veränderung belastete Partei das Recht, den Vertrag zu kündigen. Diese Kündigung ist, entsprechend zu den völkerrechtlich zu beurteilenden Konkordaten, durch die Landesregierung zu erklären, die dazu auch keine parlamentarische Zustimmung benötigt. Diese Kündigung dürfte sich stets auf den Vertrag insgesamt beziehen. Im Allgemeinen gilt der Grundsatz, daß eine Teilkündigung nur in Ausnahmefällen zulässig ist.167 Man könnte zwar auch an eine Kündigung nur der belastenden Klauseln denken. Dagegen spricht jedoch, daß der Vertrag als Gesamtwerk geschlossen wurde. Auch die parlamentarische Zustimmung kann nur für den Vertrag insgesamt oder gar nicht erteilt werden, nicht aber bedingt oder auf einige Vereinbarungen beschränkt. Es erschiene daher unbillig, wenn sich eine Partei von den sie belastenden Vertragsteilen befreien, die günstigen aber bestehen lassen könnte.168 Dadurch würde das Gleichgewicht der Vertragsbeziehung zerstört. Auch wurde ja bereits durch den Versuch der Anpassung eine Lösung gesucht, die durch Änderung einzelner Vertragsbestandteile wieder eine gerechte und angemessene Lastenverteilung herstellt. Ist dieser Versuch erfolglos, muß das Gesamtvertragswerk als gescheitert betrachtet werden. Die Grundlagen einer Anwendung der clausula rebus sic stantibus können sich also etwa aus unerwarteten Änderungen der Finanz- und Rechtslage ergeben. Ein wesentlicher Auslöser für eine Änderung der Geschäftsgrundlage sind jedoch auch Veränderungen bei den Vertragspartnern, besonders, wenn sich die territoriale Gliederung oder die Organisationsform ändern. 164

S. Littbarski, Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 28. Kritisch zur Anwendung der clausula rebus sic stantibus bei rein fiskalischen Interessen der Behörde S. Littbarski, Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 38 f. 166 A. v. Campenhausen, Münchener Gutachten, S. 226; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 279. 167 Dazu allgemein Chr. Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf. vor § 346 Rdnr. 12. 168 Nur in Bezug auf den kirchlichen Rücktritt E. R. Huber, Verträge, S. 134. 165

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4. Territoriale Veränderungen auf seiten einer Partei Treten im Lauf der Vertragsgeltung Gebietsänderungen beim vertragschließenden Land auf, so stellen sich im wesentlichen dieselben Probleme, wie sie bei den Konkordaten behandelt wurden.169 Anders als bei den Konkordaten mit der katholischen Kirche sind bei den evangelischen Kirchenverträgen Veränderungen in Organisation und territorialer Ausbreitung aber auch auf seiten des kirchlichen Vertragspartners durchaus denkbar. Im Jahr 1970 entstand so beim Zusammenschluß der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen Eutin, Hamburg, Hannover, Lübeck und Schleswig-Holstein die Nordelbische evangelisch-lutherische Kirche (NEK)170. Diese soll nun eventuell (insoweit Ausdruck der oben bereits erwähnten Konzentrationstendenzen bei den evangelischen Landeskirchen) nach Überlegungen des Frühjahrs 2007 gemeinsam mit der Evangelischlutherischen Landeskirche Mecklenburgs (ELLM) und der Pommerschen Evangelischen Kirche (PEK) in einer Nordkirche aufgehen. Nachdem zunächst eine Fusion der PEK und der ELLM geplant war, neigte die PEK zwischenzeitlich einem Anschluß an die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) zu. Der Anschluß an die EKBO wurde von der Synode der PEK jedoch nicht angenommen. Nun ist geplant, mit der Bildung der Nordkirche die Orientierung in den Nord- und Ostseeraum zu verlagern.171 Vergleichbare Folgen werden auch eintreten, wenn die Teilkirchen der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (die Kirchenprovinz Sachsen und die Thüringer Landeskirche) sich wie geplant zu einer Kirche vereinigen.172 Bei der Untersuchung, ob die Verträge territorial Bestand behalten, also für den Teil der neuen Kirche, der schon bislang vertraglich gebunden war, fortgelten, oder ob nach den Regeln der clausula rebus sic stantibus Anpassung oder gar Kündigung verlangt werden kann, ist zunächst danach zu un169

s. zu diesen oben Dritter Teil, A.I.4. Zu den Folgen dieses Zusammenschlusses für den Kirchenvertrag von 1957 C. H. Ule, FG Maunz, S. 415 ff. 171 Dies wurde von den Synoden der beteiligten Landeskirchen im November 2007 gebilligt. 172 Dazu M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen. Die Fusion scheiterte im April 2007 zunächst, weil sich nicht bei beiden beteiligten Landessynoden eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Zusammenschluß aussprach, wurde aber am 16. November 2007 doch noch durch die Synode der Kirchenprovinz Sachsen genehmigt. 170

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terscheiden, ob es sich um eine Vertragsfortführung bei Rechtsidentität der entstehenden Kirche mit einer der vorherigen Kirchen handelt oder um einen Fall der Rechtsnachfolge.173 Im Fall eines Beitritts bleibt die aufnehmende Kirche rechtsidentisch und damit ihren eigenen Verträgen als Partei erhalten. In dieser Konstellation ist eine Beeinträchtigung des Vertrages nur durch die clausula rebus sic stantibus denkbar. Die beitretende Kirche hingegen hört auf zu existieren, in ihre Kirchenverträge kann die aufnehmende Kirche allenfalls als Rechtsnachfolgerin eintreten. Ähnlich ist es bei der Kirchenfusion: Fusionieren zwei (oder mehrere) Kirchen, so bildet sich aus den Teilkirchen eine neue Rechtsperson. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach der Rechtsnachfolge in Kirchenverträge. Grundsätzlich ist Rechtsnachfolge in einen Vertrag möglich, wenn der Vertrag nachfolgefähige Inhalte regelt und ein nachfolgebegründender Tatbestand vorliegt. Mit ihren Vereinbarungen über Staatsleistungen an die Kirchen, die Beteiligung der Kirche an sozialen Diensten und weitere organisatorische Fragen sind die Verträge nicht so weit individualisiert, daß sie an eine Kirche in ihrer konkreten historischen Gestalt gebunden wären.174 Angeordnet wird die Rechtsnachfolge regelmäßig in den Vereinigungsverträgen der Kirchen; dies gehört in den Anwendungsbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und kann deshalb ohne staatliche Mitwirkung erfolgen.175 Die Veränderungen innerhalb der Kirchen sind bei Kirchenzusammenschlüssen immens. Dies kann auch nach außen in die Beziehung zum Staat ausstrahlen und eine Änderung der Geschäftsgrundlage des Kirchenvertrages darstellen. Das völkerrechtliche Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen kommt hier nur sehr eingeschränkt zum Tragen, da eine Ausdehnung des Vertragsgebiets nur insoweit möglich ist, wie Staats- und Kirchenterritorium sich überschneiden. 173 Dazu M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 4 ff.; ders./M. Hunger, DÖV 2007, S. 1533 f.; zur clausula rebus sic stantibus s. ebd., S. 1538 f. 174 So für den Güstrower Vertrag M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 9; ders./M. Hunger, DÖV 2007, S. 1536. 175 Dazu M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 9.

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Sind die Teilkirchen, die sich zusammenschließen, bereits vorher an denselben Kirchenvertrag gebunden (wie dies bei einigen Teilkirchen bei der Vereinigung zur Nordelbischen Landeskirche der Fall war)176, soll der Vertrag auch die neugebildete Gesamtkirche erfassen.177 Dies ist auch sachgerecht, denn der neue Vertragspartner ist den ursprünglichen wesensmäßig gleich. Eine gewisse Änderung der Umstände liegt zwar darin begründet, daß der kirchliche Vertragspartner dem Staat nun als eine große Einheit entgegentritt und nicht mehr als Mehrheit von Vertragspartnern. Diese Unterscheidung ist aber minimal; schon beim Vertragsschluß mit mehreren Kirchen treten diese dem Staat als Block entgegen, nur rechtlich getrennt, aber in demselben Verhältnis zum Staat und mit derselben Interessenlage. In den Verträgen ist auch folgerichtig stets ohne Unterscheidung und Individualisierung nur von „den Kirchen“ die Rede.178 Vereinigen sich diese Partner nun auch rechtsgültig, so ändert dies an der faktischen Situation, die geregelt werden sollte, nichts wesentliches. Der staatliche Vertragspartner ist daher nicht dazu berechtigt, sich auf die clausula rebus sic stantibus zu berufen.179 Daher stellte Carl Hermann Ule bei der Entstehung der Nordelbischen Kirche zutreffend keinen Fall der clausula rebus sic stantibus fest.180 Auch die Tatsache, daß sich die neue Kirche im Fall der Fusion eine neue Verfassung geben würde, ändert daran zunächst nichts,181 denn diese Änderung bleibt innerkirchlich.

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Vgl. dazu H. Lange, Die Nordelbische evangelisch-lutherische Kirche, passim; C. H. Ule, FG Maunz, S. 415 ff. 177 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 289. Gegen die Allgemeinheit dieser Aussage H. Lange, Die Nordelbische evangelisch-lutherische Kirche, S. 274 ff.; C. H. Ule, FG Maunz, S. 427 f. Für die Nordelbische Kirche wurde dies ausdrücklich in einem Schreiben des Kultusministers des Landes SchleswigHolstein vom 24. Januar 1973 anerkannt. 178 Vgl. auch M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 9; ders./M. Hunger, DÖV 2007, S. 1536; C. H. Ule, FG Maunz, S. 434. 179 Im Ergebnis ebenso C. H. Ule, FG Maunz, S. 432 f. 180 C. H. Ule, FG Maunz, S. 433 f. A. A. H. Lange, Die Nordelbische evangelisch-lutherische Kirche, S. 278. 181 Ausnahme könnte hier die Zusicherung der Existenz mehrerer theologischer Fakultäten in Mecklenburg-Vorpommern gem. Art. 4 Abs. 1 Güstrower Vertrag und Art. 9 Abs. 3 S. 1 MVVerf. sein; diese Garantie hat ihren Grund darin, daß die ELLM lutherisch geprägt ist, während die PEK zu den unierten Kirchen zählt. Schlössen sich beide Kirchen zusammen, entfiele die theologische Notwendigkeit getrennter Theologenausbildung und damit auch der Hauptgrund für die Zusicherung (mindestens) zweier theologischer Fakultäten. Dies wäre eine Änderung der Geschäftsgrundlage, die wohl auch so erheblich wäre, daß sie bei entsprechendem

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Zu differenzieren ist davon der Fall, daß die Kirchenverbindung über die bisherigen Vertragsgrenzen hinausgeht. Dies tritt zum einen ein, wenn eine Kirche sich einer anderen anschließt und in dieser aufgeht. Oft hat die aufnehmende Kirche ihr Stammgebiet außerhalb des Vertragsgebiets. Zum anderen kann dies aber auch eintreten, wenn Kirchen, die an verschiedene Kirchenverträge gebunden sind, fusionieren. Fusionieren NEK, ELLM und PEK zur Nordkirche, treffen Kieler Vertrag, Hamburger Vertrag und Güstrower Vertrag aufeinander; ähnlich ist es bei der Fusion der Mitteldeutschen Kirchen. In diesen Fällen tritt den beteiligten Ländern nach dem Anschluß ein gänzlich neuer Vertragspartner gegenüber, der nicht nur aus den Kirchen besteht, mit denen ohnehin vertragliche Beziehungen bestanden. Da Kirchen- und Landesgrenzen nur noch in wenigen Fällen übereinstimmen, kann der Staat zwar nicht davon ausgehen und darauf bauen, daß die Kirche, mit der er paktiert, nur auf seinem Territorium besteht, oder auch nur ihren größten Teil im Landesgebiet hat. Die Zusammenarbeit in den gemeinsamen Aufgaben für das Vertragsgebiet ist in diesem Fall nichtsdestotrotz möglich. Auch die Zahlung der Staatsleistungen erfolgt stets pauschal an die jeweilige Landeskirche, auch wenn sie länderübergreifend ist, so daß eine Verwendung nur innerhalb des Landes nicht gewährleistet ist.182 Das ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn erst durch den Kirchenzusammenschluß die Landeskirche die Landesgrenzen überschreitet. Dennoch kann die volle Rechtsnachfolge nicht ausnahmslos automatische Konsequenz eines Zusammenschlusses sein. Der Auffassung Alexander Hollerbachs zufolge tritt bei jeder Änderung auf seiten des evangelischen Vertragspartners volle Rechtsnachfolge ein; die Kirchen der EKD stünden zueinander im Verhältnis „brüderlicher Solidarität“, und so sei die vollumfängliche Nachfolge nur angemessen.183 Solange es sich nur um ZusamVerlangen des Landes eine Vertragsanpassung erfordern würde. A. A. aber wohl M. Germann/M. Hunger, DÖV 2007, S. 1539. 182 Setzt allerdings schon der Kirchenvertrag ausdrücklich eine Verwendung der Mittel nur im betreffenden Land voraus, so bleibt diese Regelung auch bei der Rechtsnachfolge erhalten, M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 14. Zum Ganzen M. Germann/M. Hunger, DÖV 2007, S. 1538 f., die daraus die Folge ziehen, die clausula rebus sic stantibus bei Kirchenfusionen nahezu auszuschließen und volle Rechtsnachfolge anzunehmen. 183 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 289 f. Dieser Auffassung schließt sich M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 15, an. A. A. C. H. Ule, FG Maunz, S. 429 f.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

menschlüsse mit EKD-Gliedkirchen handelt, mag diese Auffassung die unproblematischste Lösung sein. In der Geschichte der Staatskirchenverträge haben sich, da die Verträge auch auf lange Vertragslaufzeit ausgerichtet sind, oft Änderungen in Ausdehnung und Organisation des staatlichen oder kirchlichen Vertragspartners ereignet. Die Parteien haben sich in der Regel auf eine Fortführung geeinigt – sonst wäre auch eine bis heute währende Fortgeltung etwa des Preußischen Kirchenvertrags nicht denkbar. In den neueren Verträgen, die die Nachfolge älterer antreten, wird teilweise ausdrücklich formuliert, daß sie sich in der Tradition und Fortführung älterer Verträge, die unter anderer kirchlicher und staatlicher Organisation geschlossen wurden, sehen. Dies zeigen etwa die Präambeln des Düsseldorfer und des Güstrower sowie des Wittenberger Vertrags.184 Nicht undenkbar sind aber auch Zusammenschlüsse mit anderen Religionsgemeinschaften. Im Fall der der EKD angeschlossenen Kirchen ist dies vielleicht noch unwahrscheinlich. Umso möglicher ist es aber, wenn dereinst Verträge mit Religionsgemeinschaften geschlossen werden, die nicht in einem solchen Dachverband organisiert sind, seien es jüdische Gemeinden außerhalb des Zentralrats der Juden, seien es muslimische Gemeinden. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, daß die Religionsgemeinschaft sich mit einer anderen vereinigt, die vorher nicht im Blickfeld des Staates stand. Daß dies aber auch im Bereich der christlichen Gemeinschaften nicht undenkbar ist, zeigt das Beispiel Spaniens. Dort kommen in den Geltungsbereich des Vertrags mit der Föderation der Evangelischen Kirchen auch orthodoxe und andere Gemeinschaften, die dieser Föderation beitraten oder noch beitreten werden.185 Der staatliche Vertragspartner bleibt in dieser Frage ohne jeden Einfluß.186 Ebenso ist es auch in Deutschland. Der Zusammenschluß zu einer Kirche und die organisatorische Einigung fallen unter die kollektive Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.187 Hier ist die Möglichkeit durchaus gegeben, daß in einem solchen Fall dem Staat ein ihm unerwünschter – und nicht vorhersehbarer – Vertragspartner aufgedrängt würde. Dies muß nicht einmal die Furcht vor einer fundamentalistischen Splittergruppe von Haßpredigern bedeuten. Auch 184 Zu letzterem M. Germann, Gutachten zur Fortsetzung der Rechte und Pflichten aus den Staatskirchenverträgen nach einem möglichen Zusammenschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, S. 5 f. Vgl. dazu auch dens./M. Hunger, DÖV 2007, S. 1534 f. 185 Zum Staatskirchenvertragsrecht in Spanien s. unten Vierter Teil, zum hier diskutierten Problem besonders Fn. 8. 186 I. C. Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der EU, 2. Aufl., S. 161. 187 H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rdnr. 15; Art. 140 (Art. 137 WRV) Rdnr. 12.

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andere Umstände können dazu führen, daß der Staat mit der betreffenden Religionsgemeinschaft den Vertrag zumindest in anderer Form geschlossen hätte, um auf konfessionelle Besonderheiten einzugehen. Daher ist die volle Rechts- und Pflichtennachfolge bei Zusammenschlüssen von Religionsgemeinschaften nicht so unproblematisch, wie sie oft dargestellt wird. In jedem Fall eines Kirchenzusammenschlusses muß geprüft werden, ob dies als eine erhebliche Veränderung der Vertragsumstände zu qualifizieren ist und damit einen Fall der clausula rebus sic stantibus darstellt. II. Dem Vertrag widersprechende Gesetze und ihre Auswirkungen auf die Bestandskraft der Kirchenverträge 1. Einführung Gerade bei den evangelischen Kirchenverträgen, die nationalem Recht unterfallen, stellt sich die Frage, inwieweit der staatliche Gesetzgeber an das Vereinbarte gebunden sein kann. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn keiner der gerade genannten vertragsrechtlichen Gründe der Vertragsbeendigung einschlägig ist, die staatliche Partei aber dennoch eine vollständige Lösung vom Vertrag anstrebt oder ihm partiell widersprechende Regelungen schaffen will. Diese Frage blieb lange Zeit rein akademisch, gewinnt aber an praktischer Bedeutung: Zum einen geschieht dies in den oben bereits angesprochenen Fällen der Ladenschluß- (bzw. Ladenöffnungs-)Gesetze. Hier kollidiert die Neuregelung durch großzügige Gestattung der Ladenöffnung an Sonntagen mit der vertraglich vereinbarten Pflicht zur Respektierung der Sonn- und Feiertage. Zu nennen ist maßgeblich das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG)188, das als freizügigste Regelung durch die Möglichkeit der Ladenöffnung an vier Sonntagen zusätzlich zur generellen Freigabe der Adventssonntage (§§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 BerlLadÖffG) in Konflikt mit Art. 21 des Berliner Vertrags gerät. Ebenfalls problematisch sind Änderungen der Hochschulgesetze der Länder, die entgegen der Garantie in den Kirchenverträgen die Anzahl theologischer Lehrstühle an den Universitäten des Landes reduzieren sollen. In Mecklenburg-Vorpommern, wo gegen den erklärten Willen der Landeskirchen eine der beiden evangelisch-theologischen Fakultäten aufgelöst werden sollte, wurden bislang allerdings noch keine einseitigen Schritte in dieser Richtung unternommen. Im Verhältnis zur katholischen Kirche kam 188

Gesetz vom 14. November 2006, GVBl. S. 1045 ff.

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dieses Problem in Bayern auf, wurde dort allerdings durch Vereinbarung gelöst.189 Wie bei den Konkordaten kann eine Kollision zwischen Kirchenvertrag und Gesetz in zwei Gestalten auftreten. Entweder wird das Zustimmungsgesetz gezielt und isoliert aufgehoben oder der Gesetzgeber erläßt, ohne die Aufhebung des Vertragsgesetzes zu verfügen, ein Gesetz, das in Widerspruch zum Kirchenvertrag steht. In jedem Fall stellt sich nicht nur die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Gesetzesänderung, sondern darüber hinaus danach, welche Auswirkung sie auf den Bestand des Kirchenvertrags selbst hat. Dieses Problem besteht nicht zuletzt deshalb, weil sich die Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge – anders als die der völkerrechtlichen Verträge (z. B. der Konkordate) und der Staatsverträge – nicht aus einer beide Vertragspartner überwölbenden Rechtsordnung herleiten läßt. Die Kirchenverträge sind Verträge, die ihre Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht, und zwar im Landesrecht, haben. Eventuelle Einschränkungen oder Verstärkungen der Vertragsgeltung können sich daher aus zwei Rechtsgründen ergeben: Zum einen können sie auf dem Landesrecht selbst beruhen, zum anderen auf den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, die dem Landesrecht vorgehen. Während weithin eine weitgehende Bindung des Gesetzgebers an Verträge befürwortet wird, vertreten einige Autoren die Auffassung, auch das Vertragsrecht müsse zur Disposition des Gesetzgebers stehen. Denn dieser müsse einseitig auf Veränderungen in der Gesellschaft reagieren können.190 Unzweifelhaft können während der Geltung eines Vertrages Umstände auftreten, die eine Änderung der Rechtslage wünschenswert erscheinen lassen. Die Notwendigkeit allein schafft jedoch noch nicht die Befugnis.191 Die Kompetenz des Gesetzgebers, über die Kirchenverträge zu verfügen, müßte sich daher aus dem Gesetz ergeben. a) Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV als Verfügungsermächtigung über den Vertrag Ausdrückliche Regelungen über das Verhältnis von Kirchenvertrag und Gesetz finden sich nirgends. Man könnte geneigt sein, eine indirekte Kodi189 Dies wird in Form eines Zusatzprotokolls zum Bayerischen Konkordat geschehen. Der bayerische Landtag hat bereits zugestimmt, vgl. LT-Drs. 15/8058. 190 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 167; E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 278; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 79, 886 f., 913 ff.; H. Quaritsch, FS Schack, S. 134; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 35; ders., DÖV 1997, S. 936; O. v. Sarwey, ZtKR 3 (1863), S. 275, 287. 191 W. Leisner, FS Berber, S. 292.

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fizierung in Art. 140 GG/Art. 138 Abs. 1 WRV zu sehen, nach dem „[d]ie auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften [. . .] durch die Landesgesetzgebung abgelöst“192 werden. Hier bieten sich nun zwei Deutungsmuster an (schließt man die Interpretation aus, daß der Verfassunggeber die Länder zum Vertragsbruch auffordern wollte): Entweder soll diese Vorschrift nur dem Grundsatz Bundesrecht bricht Landesrecht Ausdruck verleihen; dann nähme sie Bezug auf das in S. 2 erwähnte (Bundes-)Grundsätzegesetz, das als höherrangiges Recht den gesetzesrangigen Vertrag beseitigen193 und daher auch eine Ablösung durch Landesgesetz anordnen könnte.194 Oder aber Art. 138 WRV soll tatsächlich besagen, daß man davon ausging, der Gesetzgeber könne einseitig vertragliche Verpflichtungen beseitigen.195 Mag der Wortlaut der Norm auf den ersten Blick für das zweite Deutungsmuster sprechen, so ist aber zu beachten, daß schon unter der Geltung der WRV die Lehre überwiegend gegen eine solche Auslegung des Art. 138 Abs. 1 WRV argumentierte.196 Dies wurde seinerzeit vor allem damit begründet, daß die Kirchen nicht der Gesetzgebungsgewalt des Staates unterworfen seien. Diese Losgelöstheit vom Staat ist für die Konkordate auch unschwer zu erkennen. Dieser Auffassung wurde auch bei Schaffung des Grundgesetzes und der Übernahme der staatskirchenrechtlichen Vorschriften aus der WRV vom Verfassunggeber nicht widersprochen, die Frage wurde eher ausgeklammert. Der Annahme, die evangelischen Kirchen seien aus der staatlichen Gesetzgebungsgewalt per se ausgenommen, kann zwar heute nicht mehr uneingeschränkt zugestimmt werden.197 Stünden sich Staat und Kirche im Rahmen dieser Ordnung als gleichrangige Akteure gegenüber, könnte von einer Gesetzgebungsgewalt des Staates über die Kirche in der Tat nicht die Rede sein. Wenn die Kirchen Kontakt mit dem Staat aufnehmen, handeln sie aber nicht in ihrer überweltlichen Eigenschaft als „Heilsanstalt“, sondern in der Welt und im Fall der evangelischen Kirchen auch 192

Hervorhebung durch die Verf. R. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: BK, Art. 31 Rdnr. 50. 194 In diesem Sinne wohl G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 138, Anm. 3. 195 In diese Richtung gehen die Ausführungen bei H. Weber, Grundprobleme, S. 36, der Art. 138 Abs. 2 WRV als Sonderfall von Art. 14 Abs. 3 GG versteht. Vgl. auch M. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 GG/138 WRV Rdnr. 21. 196 A. Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 43 f., wenn auch beschränkt auf die Konkordate; E. R. Huber, Verträge, S. 123 f.; ders., Pr. Pfarrarchiv 18 (1930), S. 7 f.; ders., AöR n. F. 18 (1930), S. 149; H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 397; W. Weber, Staatsleistungen, S. 46. Zur Unmöglichkeit eines Reichsablösungsgesetzes s. auch E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 892. 197 Dies folgt aus der Ablehnung der Koordinationslehre, zu dieser vgl. oben Zweiter Teil, B.V.4.a). 193

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im Staat. Im übrigen aber läßt sich die Interpretation des Art. 138 WRV auch auf die heutige Verfassungsrechtslage übertragen. b) Das „für alle geltende Gesetz“ als Schranke staatlicher Vertragsbindung Teilweise wird die Lösung des Problems in einer Verortung der Bindungskraft der evangelischen Kirchenverträge in Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV gesucht. Damit verbunden ist unmittelbar eine Beschränkung durch den dort formulierten Vorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“, Art. 137 Abs. 3 S. 1 a. E. WRV.198 In Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wird die Schranke des „für alle geltenden Gesetzes“ nicht mehr allgemein als Vorbehalt des für den „Jedermann“ geltenden Gesetzes verstanden.199 Die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen ist nach heutiger Auffassung nur durch ein Gesetz zulässig, das zwingenden Erfordernissen des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche in einem religiös und weltanschaulich neutralen politischen Gemeinwesen folgt.200 Hier muß dann eine Abwägung zwischen den Interessen der Kirche und des Staates vorgenommen werden.201 Bei den Kirchenverträgen soll sich dieser Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes in einem Gemeinwohlvorbehalt ausdrücken, der in Ausnahmefällen eine Lösung vom Vertrag ermögliche.202 Auch hier verbiete sich eine abstrakte Bestimmung, welche Normen als für alle geltendes Gesetz der vertraglichen Bindung vorgingen, es komme auf eine Einzelfallabwägung an.203 Ob die Schranke des für alle geltenden Gesetzes auch für die Bindung an die Kirchenverträge gelten kann, erscheint allerdings fraglich. Die Garantie des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen bringt sicherlich zum Ausdruck, daß die Kirchen eine Eigenexistenz unabhängig von staatlicher Erlaubnis haben und diesem nicht in einem Subordinationsverhältnis unterworfen 198 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 153 f., 167; S. Grundmann, BayVBl. 1962, S. 34. Im Anschluß daran auch F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 203, 205 ff. 199 So noch G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 137 Anm. 5. 200 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 122; im Anschluß daran A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 109. 201 A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 110. 202 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 169; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 121. 203 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 169.

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sind. Verträge sind daher ein probates Mittel der Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche. Damit ist jedoch noch nicht erläutert, warum das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht nur der vertraglichen Einigung nicht im Wege steht, sondern diese Bindung sogar auf diesem beruhen soll, denn sonst könnte auch seine Schranke nicht einschlägig sein. Die Ursächlichkeit einer verfassungsrechtlich festgeschriebenen Garantie des Selbstbestimmungsrechts für die Möglichkeit, die Beziehungen zum Staat einer vertraglichen Regelung zuzuführen, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der historischen Betrachtung heraus.204 Die katholische Kirche war auf die Gewährung des Selbstbestimmungsrechts insoweit nie angewiesen, als sie ihre Verträge mit den Staaten stets als ebenbürtige auswärtige Macht auf der Ebene des Völkerrechts schloß.205 Aber wenn auch die ersten Verträge mit den evangelischen Landeskirchen erst recht spät am Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen wurden, so war dies doch noch zu einer Zeit, in der das landesherrliche Kirchenregiment unangefochten galt und von einem verfassungsmäßig garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht die Rede war.206 Der Abschluß echter Verträge des Staates mit der Kirche ist zwar im Staatskirchentum eine Ausnahme, ist aber nicht undenkbar.207 Mag dies auch bereits den Übergang zu mehr Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der evangelischen Kirchen markiert haben, so zeigt dies, daß das Selbstbestimmungsrecht keine conditio sine qua non für den Abschluß staatskirchenrechtlicher Verträge ist. Dem Staat ist es unbenommen, mit auswärtigen Mächten, aber auch innerstaatlichen Rechtssubjekten, vertragliche Beziehungen aufzunehmen, ohne daß es dafür einer besonderen Ermächtigung und Qualifikation des Vertragspartners bedürfte. Nichts anderes gilt für die Verträge mit den Kirchen, wenn diesen auch durch ihr Recht auf Selbstbestimmung eine Sonderstellung eingeräumt wird. Ist das Selbstbestimmungsrecht aber nicht Grundlage der vertraglichen Bindung, so können auch seine Schranken keine Auswirkung auf die Reichweite der Vertragsbindung haben. Wäre dies anders, stellte es auch eine bedenkliche Entwertung des Vertrages dar. Zwar wird dadurch die Geltung des Vertrages nicht insgesamt in die Beliebigkeit des staatlichen Vertragspartners gegeben, aber diesem wird doch ausdrücklich die „letztverbindliche Bestimmungsmacht“208 vorbehal204

So auch D. Pirson, Vertragsstaatskirchenrecht, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3825 f. Vgl. dazu oben Zweiter Teil, A. 206 Vgl. dazu oben Erster Teil, B. 207 So auch E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 904; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 317. A. A. W. Kahl, Kirchenrecht, S. 236. 208 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 167. In diesem Sinne argumentiert auch St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 106 ff. 205

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ten. Das aber widerspricht der Grundidee des Vertrages, die gerade keiner der beiden Parteien eine einseitige Bestimmungsmacht einräumen, sondern beide gleichberechtigt an den Vertrag binden will.209 Denn durch den Gesetzesvorbehalt würde dem Staat eine Möglichkeit der Einflußnahme auf den Kirchenvertrag gegeben, die ihm nach dem allgemeinen Vertragsrecht nicht zukäme. So würde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das diesen doch eine besondere Freiheit von staatlicher Beeinflussung gewähren soll, ins Gegenteil verkehrt. Zudem wird zuwenig beachtet, daß das Vertragsrecht selbst genügend Mittel zur Verfügung stellt, unbillige Situationen zu entschärfen, sei es durch Inanspruchnahme der Freundschaftsklausel oder durch die clausula rebus sic stantibus. Deshalb kann auch nicht überzeugen, kirchenvertraglichen Vereinbarungen, die nicht zum Kernbereich des Selbstbestimmungsrechts gehörende Inhalte betreffen, generell die Möglichkeit abzusprechen, die Gesetzgebung zu binden. Auch sonst kann die Stärke der Bindung nicht danach differenziert werden, ob die Regelung nur das Verhältnis der Kirche zum Staat oder auch andere Rechtssubjekte betrifft.210 Die verfassungsrechtliche Einräumung des Selbstbestimmungsrechts ist nicht erforderlich, damit der Staat mit einem Verband einen Vertrag schließen kann. Deshalb können sich auch die möglichen Vertragsregelungen nicht nach dem Selbstbestimmungsrecht richten. Eventuelle Grenzen der Vertragsbindung liegen daher nicht in den in das GG übernommenen Normen der WRV begründet und müssen sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. 2. Selbstbindung als Aufgabe oder Ausübung staatlicher Souveränität? Nicht nur im Staatskirchenrecht begegnen vertragliche Verpflichtungen des Staates generellen Bedenken bei Autoren, die dadurch eine Aushöhlung der staatlichen Souveränität befürchten.211 Die Souveränität ist die Kerneigenschaft des modernen Staates. Nach heutigem Verständnis bezeichnet Souveränität die höchste Gewalt von Rechts wegen.212 Versteht man diese als völlige Bindungslosigkeit der staat209 Für die insoweit parallele Problematik der Bindung an völkerrechtliche Verträge vgl. Chr. Hillgruber, ARSP 85 (1999), S. 360. 210 So aber H. U. Anke, Neubestimmung, S. 169 ff. 211 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 886 f.; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 33; H. Weber, Grundprobleme, S. 24 ff. Vgl. auch schon O. v. Sarwey, ZtKR 2 (1862), S. 459. 212 P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3160; J. Isensee, HStR II, § 15 Rdnr. 98; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 23.

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lichen Gewalt,213 ergibt sich nun die paradoxe Situation, daß der Staat durch die möglichst weitgehende Bewahrung seiner Freiheit – er soll nicht gegen seinen Willen gebunden werden bzw. bleiben – in seiner Freiheit beschränkt wird, denn ihm wird so die Möglichkeit vorenthalten, sich absolut und endgültig zu binden und ein verläßlicher Vertragspartner zu sein.214 Wie in der Philosophie im Allmächtigkeitsparadoxon seit der Antike gefragt wird, ob eine allmächtige Gottheit einen Stein erschaffen kann, der so schwer ist, daß sie ihn nicht heben kann, bleibt hier die Frage, ob der souveräne und dadurch in gewissem Maße auch „allmächtige“ Staat sich selbst so binden kann, daß er sich von dieser Bindung nicht wieder zu lösen vermag. Und wie dort dies Problem in der Frage gipfelt, ob die Gottheit den Gesetzen der Logik trotz ihrer Allmacht unterworfen ist, ist hier zu beantworten, ob der souveräne Staat dem Vertragsrecht und seinen eigenen Rechtsnormen gehorchen muß, oder ob er außerhalb der Rechtsordnung steht, diese für ihn also disponibel ist. Gerade die Freiheit der Gesetzgebung, um die es in dieser Arbeit maßgeblich geht, bildet den Kern der staatlichen Souveränität.215 Deshalb müssen sich Einschränkungen dieser Freiheit in besonderer Weise an den Anforderungen der staatlichen Souveränität messen lassen.216 In der Koordination von Staat und Kirche wird vielfach eine Bedrohung für die Souveränität des Staates gesehen, so schon von Otto Mayer,217 ähnlich dann auch von Gerhard Anschütz218. Zwar bestehen heute wohl keine Zweifel mehr an der Staatstreue der etablierten Kirchen. Entsprechende Bedenken hatten noch am Ende des 19. Jahrhunderts eine staatliche Kooperation mit ihnen für einige Autoren gänzlich suspekt gemacht.219 Andererseits ist auch die heute zweifelsfreie Zuverlässigkeit der Großkirchen kein Argument, die Bindung an Verträge mit ihnen generell für unproblematisch zu halten.220 Im Unterschied zu den Konkordaten mit dem Heiligen Stuhl stehen sich bei den evangelischen Kirchenverträgen nicht zwei souveräne Völkerrechts213 So z. B. wohl H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 855 f. Kritisch F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 738 f. 214 Vgl. H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 393 f. 215 U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 139, 147 f. 216 D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 236; W. Leisner, FS Berber, S. 293. 217 O. Mayer, Staat und Kirche, Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, S. 708. 218 G. Anschütz, Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, S. 289. 219 P. Hinschius, Staat und Kirche, S. 231 f.; W. Kahl, Kirchenrecht, S. 303. 220 So aber wohl A. Albrecht, Koordination, S. 158 f.

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subjekte gegenüber, sondern der souveräne Staat paktiert mit den evangelischen Kirchen, die ihrerseits nur in seinem Herrschaftsbereich organisiert sind.221 Anders als bei den Konkordaten geht es hier also nicht um die Ausübung äußerer Souveränität im Umgang mit einem anderen Völkerrechtssubjekt, sondern um die Souveränität nach innen gegenüber Rechtspersönlichkeiten, die sich im Inneren des Staates bewegen. Während die völkerrechtliche Vertragsbindung nicht als Aufgabe der äußeren Souveränität, sondern gerade als ihre Ausübung betrachtet wird,222 herrscht für die innere Souveränität noch die Auffassung vor, sie erlaube keine Einschränkungen.223 Seit der Begriff der Souveränität von Bodin geprägt worden ist, ist er im Schrifttum oft thematisiert worden. Im Folgenden soll nun die Entwicklung des Souveränitätsbegriffs unter besonderer Berücksichtigung seiner Schranken nachvollzogen und anschließend untersucht werden, was dies für die Bindung des heutigen Gesetzgebers bedeutet. a) Die Entwicklung der staatlichen Souveränität (1) Die Grundlegung des Souveränitätsbegriffs durch Jean Bodin Der Begriff „sovrain“ wird bereits im 13. Jahrhundert in Frankreich erwähnt und bezeichnet den Status eines Inhabers von Herrschaftsgewalt über Land und Leute.224 Entgegen dem heutigen Verständnis der Souveränität war souverän jedoch nicht nur der Inhaber der höchsten Gewalt, „sovrain“ bedeutete „über anderen stehend“ und traf so nicht nur auf den einen König selbst, sondern auch auf die diesem untergebenen Herzöge und Fürsten im Verhältnis zu ihren Untertanen zu.225 Grundlegend für die Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs waren die Ausführungen, die Jean Bodin in seinen „Six Livres de la République“ über die „Souveraineté“ macht.226 Damit hat er den Begriff zwar nicht erfunden, ihn aber als erster konsistent beschrieben und in seiner Be221

s. dazu oben Zweiter Teil, B.I. So ausdrücklich schon im Fall Wimbledon der StIGH, Urteil vom 17.8.1923, Serie A, Nr. 1, S. 25. s. auch A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 26. 223 Vgl. dazu die sog. Gefrierfleischentscheidung des Reichsgerichts, RGZ 139, 177 (188 f.). Ähnlich M. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 82 f. s. auch die Nachweise oben Zweiter Teil Fn. 211. 224 H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 249. Zur Geschichte des Souveränitätsprinzips vgl. auch H. Steinberger, Sovereignty, EPIL IV, S. 501 ff. 225 H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 249 f. 226 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8. 222

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deutung maßgeblich beeinflußt.227 In den „Six Livres de la République“ definiert er den als souverän, der außer Gott keinen Höheren über sich anerkennt.228 Souverän ist nicht mehr der „Höhere“, sondern nur noch der „Höchste“, Voraussetzung für Souveränität ist also bereits die Einzigkeit der Herrschaft.229 Souveränität bedeutet absolute230, zeitlich und kompetentiell unbeschränkte231 Macht; zentral ist die Freistellung des Souveräns von der Bindung an Gesetze, sowohl an die seiner Vorgänger als auch an seine eigenen.232 Dies macht die Gesetzgebungsmacht zum Hauptmerkmal der Souveränität.233 Besonders wichtig ist dies, so Bodin, in einer Demokratie, in der Souverän und Volk identisch sind.234 Der Souverän ist legibus solutus; damit ist er aber nicht von allen Beschränkungen befreit, er ist nicht iure solutus.235 Hier kommt ein doppelter Souveränitätsbegriff zum Ausdruck, der zwischen der Souveränität der effektiven Machtausübung, die dem Staat zukommt, und der höchsten Herrschaft der Gerechtigkeit, die in Gott ihren Träger findet, unterscheidet.236 Deshalb formuliert Bodin auch deutlich die Grenzen der Freiheit, die die Souveränität bietet. Als solche nennt er das göttliche und das Naturrecht, wie auch Verträge, die der Souverän geschlossen hat, sei es mit einem anderen Souverän oder mit den seiner Herrschaft Unterworfenen.237 Verträge kann selbst der souveräne Fürst nicht nach Gutdünken kündigen oder aufheben.238 Vielmehr ist er – wie jeder seiner Bürger – auf einen Kündigungsgrund angewiesen, 227 P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3156; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 852; H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 39; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 13 ff. 228 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 9, S. 162 (dt. Übersetzung S. 240). 229 Vgl. U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 76. 230 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 122 (dt. Übersetzung S. 205). 231 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 124 (dt. Übersetzung S. 206). 232 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 132 (dt. Übersetzung S. 214). 233 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 142 (dt. Übersetzung S. 222). Dazu U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 77 und, zur heutigen Geltung dieses Konzepts, S. 147 f. 234 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 143 (dt. Übersetzung S. 223). 235 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 154 (dt. Übersetzung S. 233). Vgl. dazu P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3156; M. Imboden, Johannes Bodinus und die Souveränitätslehre, S. 11. 236 M. Imboden, Johannes Bodinus und die Souveränitätslehre, S. 20 ff. So für die heutige Souveränitätslehre auch U. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 124. Vgl. zur Unterscheidung von Recht und Gesetz auch J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 155 (dt. Übersetzung S. 234). 237 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 133 (dt. Übersetzung S. 214). So kann man den Staat nach Bodin tatsächlich bereits einen Rechtsstaat nennen, A. Schmitz, Staat und Kirche bei Jean Bodin, S. 19. 238 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 153 (dt. Übersetzung S. 232).

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etwa unzumutbare Härte, arglistige Täuschung, Betrug oder Irrtum.239 Dies gilt für Verträge, die der Souverän selbst geschlossen hat, ebenso wie für solche seiner Vorgänger – selbst wenn diese dem Staatswesen Nachteile bringen.240 Das einzige, was ihn vom Bürger unterscheidet, ist, daß er in dem Fall, in dem ein Vertrag nachträglich ungerecht wird, diesen ohne Zustimmung seines Vertragspartners einseitig aufheben kann, während der Bürger auf die Durchführung eines Gerichtsverfahrens angewiesen ist.241 Die Freiheit von Bindung beschränkt sich also auch für den Souverän auf die Normbereiche, über die er einseitig normsetzend verfügen kann. Kommt ein weiterer Beteiligter an der Normsetzung hinzu – sei es Gott, als einzige über dem Souverän angesiedelte Instanz, sei es aber auch der Untertan, der mit seinem Fürsten einen Vertrag schließt – verliert der Souverän die absolute Verfügungsmacht.242 Diese Bindung an Verträge begründet Bodin aus der Verpflichtung des Souveräns durch das Naturrecht heraus; breche er seine Versprechen, werde seine Herrschaft zudem unglaubwürdig, was der Funktion des absoluten Herrschers, durch seine Macht das friedliche Zusammenleben in seinem Staat zu sichern, schade.243 Verletzungen dieser Grenzen der Souveränität führen nicht nur zur ethischen Mißbilligung des Vorgehens des Souveräns, sondern zur Ungültigkeit des betreffenden Rechtsakts.244 Begründet hat Bodin seine Lehre im Umfeld einer absoluten Monarchie, und er geht weitgehend noch von der Person des Fürsten als Träger der Souveränität aus.245 Auch ist für ihn die Monarchie der Idealfall der souveränen Herrschaft.246 Doch erkennt er auch die Möglichkeit einer Demokratie an, in der die Souveränität beim Volk liegt.247 Zudem erkannte Bodin durchaus die Möglichkeit der Souveränität des Staates, losgelöst von der 239 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 133 f. (dt. Übersetzung S. 215). 240 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 160 (dt. Übersetzung S. 238 f.). 241 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 135 (dt. Übersetzung S. 216). 242 Vgl. dazu J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 134 f. (dt. Übersetzung S. 215 f.). 243 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 134, 149 (dt. Übersetzung S. 215 f., 229). 244 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 153 (dt. Übersetzung S. 232). Vgl. auch A. Schmitz, Staat und Kirche bei Jean Bodin, S. 19. 245 Dies betont auch K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 259. 246 J. Bodin, Les six Livres de la République IV, 4, S. 972 (dt. Übersetzung S. 424). 247 J. Bodin, Les six Livres de la République II, 1, S. 251 (dt. Übersetzung S. 319). Dies sieht nicht K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 259. Wie hier dagegen M. Imboden, Johannes Bodinus und die Souveränitätslehre, S. 15; A. Randelzhofer,

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Person des Monarchen.248 Damit steht er am Anfang der Entwicklung von der Fürsten- zur Staatssouveränität.249 Deshalb lassen sich seine Thesen auch in der heutigen Demokratie anwenden.250 (2) Die absolute Souveränität nach Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau Bodins Vorstellung von der absoluten Souveränität fand ihre Steigerung in der Staatstheorie Thomas Hobbes’ und später Jean-Jacques Rousseaus. Bei allen Unterschieden ihrer Souveränitätstheorien gibt es doch eine Übereinstimmung: Beide lehnen jegliche Beschränkung der Willensfreiheit des Souveräns – durch Gesetz, aber auch durch Übereinkünfte mit seinen Untertanen – ab. Hobbes folgert dies aus dem Gesellschaftsvertrag, in dem die Menschen ihre absolute Freiheit vollständig an den Herrscher abgegeben hätten;251 zur Sicherung des Friedens müsse dieser die absolute Gewalt besitzen und auch über dem Gesetz stehen. Was immer der Souverän tut, ist per definitionem gerecht;252 deshalb stellt sich die Frage der Bindung an übergeordnete Rechtsnormen nicht, Recht über dem Souverän kann es nicht geben.253 Rousseau spricht von der Unmöglichkeit, die volonté générale einzuschränken.254 Für ihn ist das Volk der Souverän, dessen Macht „absolut und geheiligt und unverletzbar“255 ist. Wenn der Gemeinwillen (die volonté généHStR II, § 17 Rdnr. 17 mit Fn. 47; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 74 f. mit Fn. 127. 248 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 122 (dt. Übersetzung S. 205): „La souveraineté est la puissance absoluë et perpetuelle d’une Republique [. . .]“ (Hervorh. d. Verf.), kurz darauf hebt er hervor: „[. . .] les Italiens segnoria, duquel mot ils usent aussi envers les particuliers, et envers ceux-là qui mantient toutes les affaires d’estat d’une Republique [. . .].“ (Hervorh. im Original). Das betonen auch M. Imboden, Johannes Bodinus und die Souveränitätslehre, S. 13 f., A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 17 und U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 74. A. A. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 457. 249 Vgl. dazu und zur Bedeutung für die Völkerrechtssubjektivität bereits oben Zweiter Teil, A.I. 250 Ebenso U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 129. A. A. wohl K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 259. 251 Th. Hobbes, Leviathan, Kap. 13, S. 104 f.; Kap. 17, S. 144 ff.; Kap. 20, S. 176. 252 Th. Hobbes, Leviathan, Kap. 18, S. 149. 253 Dazu H. Steinberger, Sovereignty, EPIL IV, S. 506. 254 J.-J. Rousseau, Contrat Social, I, 7, S. 104 (dt. Übersetzung S. 29). 255 J.-J. Rousseau, Contrat Social, II, 4, S. 156 (dt. Übersetzung S. 48).

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rale, abzugrenzen vom Willen der Mehrheit, der volonté de tous) eine Entscheidung trifft, so ist diese objektiv richtig und daher keiner Beschränkung zugänglich. Dies beinhaltet auch die Freiheit, diesen Willen jederzeit zu ändern: Der Souverän kann sich auch durch Versprechungen nicht selbst binden.256 Daher kann es kein Gesetz geben, das der Staat nicht wieder aufheben kann, auch nicht, wenn die Einhaltung versprochen worden war. Eine staatliche Selbstbindung ist danach ausgeschlossen – dies aber nur innerstaatlich, da auch der Gesellschaftsvertrag nur die Bürger des jeweiligen Staates bindet; auswärtige Bindungen sind sehr wohl möglich.257 Beide Seiten bindende Verträge des Staates mit den Bürgern sind für Hobbes und Rousseau daher – von dem (fingierten) Gesellschaftsvertrag zur Staatsbegründung abgesehen – undenkbar. (3) Heutige Anforderungen an souveränes Staatsverhalten Seit der Konkretisierung des Souveränitätsbegriffes durch Jean Bodin haben sich die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen des Staates radikal verändert. Konnte Bodin als Subjekt der Souveränität noch die Person des Fürsten festmachen, ging die Staatsrechtslehre bald dazu über, sie dem Staat als Territorialstaat zuzuschreiben.258 Dennoch knüpft auch die heutige Souveränitätslehre an Bodin an,259 wenn sie unter Souveränität das „Zu-Höchst-Sein der Staatsgewalt“260 subsumiert. Nach heutigem Verständnis wird unter Souveränität die höchste Gewalt von Rechts wegen verstanden.261 Differenziert werden muß zwischen der äußeren Souveränität, die die Stellung des Staates in der Völkerrechtsgemeinschaft kennzeichnet, und der inneren Souveränität, die das Verhältnis des Staates zu den Bürgern prägt.262 Nur um die innere Souveränität kann es gehen, wenn die Problematik der Bindung an die evangelischen Kirchenverträge besprochen werden soll, denn die evangelischen Kirchen sind – wie oben dargestellt – 256

J.-J. Rousseau, Contrat Social, II, 1, S. 136 (dt. Übersetzung S. 39). J.-J. Rousseau, Contrat Social, I, 7, S. 104 f. (dt. Übersetzung S. 29). 258 Vgl. dazu oben Zweiter Teil, A.I. Kritisch H. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 9 ff. 259 Vgl. auch U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 129. 260 So H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 855. Ähnlich schon G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 475. 261 P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3160; J. Isensee, HStR II, § 15 Rdnr. 98; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 23. Ähnlich (Souveränität als vom Recht verliehene Kompetenz zur Letztentscheidung in inneren und äußeren Angelegenheiten) Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073. 262 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 853. 257

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keine Völkerrechtssubjekte, sondern auf nationaler Ebene organisiert und damit dem staatlichen Recht unterworfen.263 Die innere Souveränität liegt ursprünglich in Form der Volkssouveränität beim Volk, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG.264 Diese Volkssouveränität übt das Volk allerdings im Verfassungsstaat nicht dauerhaft aus, sondern nur in seiner Funktion als pouvoir constituant, nicht mehr aber als pouvoir constitué. Mit der Verfassung gibt es seine Souveränität an die Staatsgewalt ab.265 Diese aber hat nur eine abgeleitete Souveränität, die sich im Rahmen dieser Verfassung halten muß.266 Die Besonderheit ist, daß die Staatsgewalt in ihrer Konkretisierung als verfassungsändernder Gesetzgeber diese Verfassung ändern, also selbst konstituierend eingreifen kann.267 Die den Staat konstituierende Verfassung untersteht selbst also wiederum seiner Souveränität. Im Gegensatz zum pouvoir constituant ist der verfassungsändernde Gesetzgeber darin allerdings nicht bindungslos. Von seiner verfassungsändernden Gewalt ausgenommen sind im deutschen Verfassungsrecht die Werte der sog. „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG. Diese sind selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber entzogen, in ihnen wirkt der pouvoir constituant noch fort. Die innere Souveränität des Staates zeichnet sich durch ihr Zuhöchstsein, durch Einseitigkeit und Einzigkeit aus.268 Über die weitergehenden Feinheiten einer Theorie der Souveränität besteht aber heute keine Einigkeit, vor allem was Umfang und Grenzen der souveränen Macht angeht. Zwar herrscht Einigkeit, daß nach heutigem Verständnis nicht eine Einzelperson, sondern die Staatsgewalt souverän ist. Doch ist in der modernen Demokratie, die auf den Grundsätzen der Gewaltenteilung basiert, die Zuordnung der Souveränität an ein Subjekt schwieriger. In der Gewaltenteilung wird jede Gewalt von den anderen kontrolliert und in ihrer Macht be263 Das bedeutet natürlich nicht, daß sie auch in ihrer innerkirchlichen Rechtsetzung vom staatlichen Recht abhängig wären. Es ist ihnen lediglich nicht möglich, auf völkerrechtlicher Ebene mit dem Staat zu kontrahieren, dafür müssen sie sich des staatlichen Rechts bedienen. 264 Dazu BVerfGE 77, 1 (40); 83, 60 (71); U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 140. 265 Dazu Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 103 f. 266 BVerfGE 8, 104 (115 f.); B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 5; J. Isensee, HStR VII, § 162 Rdnr. 36. Ähnlich P. Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 400 f. 267 Dazu H. Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rdnr. 5 268 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 851; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 143 ff.

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schränkt. Eine einheitliche Staatsgewalt, der die Souveränität eigen wäre, gibt es daher nicht mehr.269 Deshalb wird teilweise der Begriff der Souveränität für den heutigen Staat als unpassend abgelehnt,270 er soll für das Staatsorganisationsrecht unter dem GG keine Rolle spielen und sei von der Volkssouveränität abgelöst worden.271 Die bloße Aufteilung der Gewalt – von Thomas Hobbes, für den der Souverän die legislative, exekutive und judikative Gewalt in sich vereinte,272 noch als Untergang der Staatlichkeit angesehen273 – steht der staatlichen Souveränität aber nicht im Wege.274 Der Begriff der inneren Souveränität behält trotzdem seinen Wert, wenn man berücksichtigt, daß die Staatsgewalt insgesamt – als Gesamtheit der Gewalten – gegenüber dem Individuum noch die Befugnis zur Letztentscheidung innehat.275 Eine einzelne Person des Souveräns gibt es in der gewaltenteilenden Demokratie tatsächlich nicht mehr, aber die drei Gewalten gemeinsam formen den „Staat“, der dem Bürger gegenübertritt. Die einheitliche Souveränität zeigt sich jedoch noch im Staatsvolk als ursprünglichem Inhaber der Souveränität.276 Auch wenn die Staatsgewalt auf die Gewalten aufgeteilt ist, ist sie doch in ihrer Gesamtheit gegenüber dem Bürger weiterhin einzig und erfüllt damit eine der heute an die Souveränität gestellten Voraussetzungen. Die Einzigkeit der Staatsgewalt wäre bedroht, wenn durch den Abschluß von Verträgen eine zweite Macht im Staate begründet würde.277 Da sich die Lehre von der staatlichen Souveränität maßgeblich im Prozeß der Abgrenzung gegen die Kirche entwickelt hat,278 liegt diese Besorgnis bei Staatskirchenverträgen natürlich besonders nahe. Dies gilt insbesondere, wenn man 269 K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 259 ff.; Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073; Chr. Möllers, Souveränität, EvStL, Neuausgabe, Sp. 2178. 270 So wohl G. Roellecke, in: MAK-GG I, Art. 20 Rdnr. 7. Zweifelnd K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 258 ff. Kritisch auch U. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 125. 271 Chr. Möllers, Souveränität, EvStL, Neuausgabe, Sp. 2178. 272 Th. Hobbes, Leviathan, Kap. 18, S. 151 f. 273 Th. Hobbes, Leviathan, Kap. 18, S. 154. 274 P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3161; K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 312; J. Isensee, HStR II, § 15 Rdnr. 104; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 38; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 146. So auch schon G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 501. 275 C. D. Classen, JZ 2003, S. 143; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 102; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 90 ff. 276 U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 141 f. 277 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 857. 278 Dazu G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 441 ff.; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 106 ff. Vgl. auch A. Schmitz, Staat und Kirche bei Jean Bodin, S. 28 f.

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sie wie hier als besondere Art von Verträgen, die sich nicht auf die Wirkung von Verwaltungsverträgen beschränkt, betrachtet. So wird die Einzigkeit des Staates von Herbert Krüger als „General- und Blankovollmacht“279 der Staatsgewalt charakterisiert, was mit der Vorstellung von Bindungen der Staatsgewalt unvereinbar wäre. Auch muß der Staat, um souverän zu sein, einseitig handeln. Dies scheint in scharfem Kontrast zum Prinzip einer vertraglichen Einigung zu stehen.280 Jedoch kann das Prinzip der Einseitigkeit nicht bedeuten, daß der Staat dazu verpflichtet ist, stets im Konflikt mit dem Bürger zu handeln, und ihm nicht erlaubt ist, die Einigung mit ihm zu suchen.281 Auch kann nicht von der Hand gewiesen werden, daß der Staat nach heutiger Vorstellung ohnehin nicht mehr omnipotent ist – sofern er es denn je gewesen ist.282 Dabei kann hier dahinstehen, ob diese Bindungen vorstaatlich sind und tatsächlich eine Umfangseinschränkung der Souveränität bedeuten, oder ob der Staat aus freien Stücken lediglich auf den Gebrauch seiner Allmacht verzichtet.283 Das Bestehen vertraglicher Übereinkünfte des Staates mit seinen Bürgern gefährdet deshalb nicht per se seine Souveränität. b) Das Eingehen vertraglicher Bindungen als Ausübung souveräner Macht Nach Georg Jellinek folgt aus dem Zuhöchstsein der Staatsgewalt, daß Bindungen des Souveräns nur Selbstbindungen sein können.284 Ein Unterschied zwischen den evangelischen Kirchenverträgen und den Konkordaten besteht insofern, als dort eine Fremdbindung durch den (völkerrechtlichen) Vertrag eintritt; bei den evangelischen Kirchenverträgen handelt es sich im Gegenzug um eine Selbstbindung des Gesetzgebers.285 Er läßt sich darauf 279

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 859. So z. B. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 883 f. 281 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 732; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 91; für Verträge zwischen den Ländern ebenso K. H. Friauf, AöR 88 (1963), S. 312. 282 Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073; H. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 7; P. Kirchhof, DVBl. 1999, S. 639 f. 283 Für letzteres H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759 ff. Ebenso R. Herzog, DÖV 1962, S. 84 f. 284 G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatenverträge, S. 15 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 481. 285 Vgl. dazu Hamburgische Bürgerschaft, Drs. 18/4440, S. 8. E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 312 ff. Zur generellen Erlaubtheit staatlicher Selbstbindung R. Herzog, DÖV 1962, S. 85 Fn. 34. Dazu D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 240: eine Bindung des Gesetzgebers er280

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

ein, einen Gegenstand, über den er sonst einseitig durch Gesetzgebung verfügen könnte, im Einverständnis mit dem Betroffenen zu ordnen. Daraus läßt sich dann leicht der Schluß ziehen, auch diese Gebundenheit müsse der Staat ebenso wie die Bindung an das Recht durchbrechen können.286 Unter diesen Gesichtspunkten muß die Bindung an Verträge im allgemeinen und die Verträge mit den evangelischen Kirchen im besonderen natürlich fraglich sein. Scheint doch der Staat nicht mehr zuhöchst zu sein, wenn er einen Vertrag mit einem „Untergebenen“ nicht nach seinem Willen beseitigen kann.287 Dies entspricht dem absolutistischen Souveränitätsverständnis, das von Hobbes und Rousseau geprägt ist, und das keine Einschränkungen des Souveräns zuläßt. Wie die Auseinandersetzung mit dem Souveränitätsverständnis Bodins gezeigt hat, ist dies aber nicht zwingend. Souveränität muß nicht schrankenlos gedacht werden. Versteht man unter Souveränität die Letztentscheidungsmacht, so bedeutet dies nicht Freiheit von jeglicher Bindung,288 sondern schließt nicht aus, darunter auch die Freiheit zur Selbstbindung zu fassen. Das wäre dann keine von außen aufoktroyierte Bindung, sondern eine freiwillig selbst auferlegte Verpflichtung. Zu klären bleibt nun aber, ob diese Vorstellungen von der Souveränität und ihren Grenzen, die Bodin eigen sind, auch im heutigen Staat Geltung erlangen können.289 Bodin setzt die Vertragsbindung voraus mit der Begründung, der Souverän werde sonst unglaubwürdig und verstoße gegen das göttliche und das Naturrecht.290 Das Konzept eines an rechtliche Grenzen gebundenen Staates entspricht der modernen Staatskonzeption. Der Rechtsstaat ist nicht selbstherrlich und schrankenlos mächtig. Freiwillige Bindungen des Gesetzgebers kategorisch unter Verweis auf die staatliche Souveränität auszuschließen, widerspricht dieser Erkenntnis.291 scheine „rechtfertigungsfähig, wo sie auf dem eigenen Entschluß des Souveräns“ beruhe. 286 H. Heller, Staatslehre, S. 244; ähnlich E. R. Huber, Verträge, S. 130 f. Kritisch H. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 43 ff. 287 Kritisch dazu A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 159. 288 Ebenso P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3160; K. Doehring, Staatslehre, Rdnr. 269; P. Häberle, Verfassung als öffentlicher Begriff, S. 375, 393; Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 481; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 7, 16. 289 Dafür z. B. P. Dagtoglou, Souveränität, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3161 f.; A. Randelzhofer, HStR II, § 17 Rdnr. 38. 290 J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 134, 149 (dt. Übersetzung S. 215 f., 229) 291 Für die Möglichkeit, den Gesetzgeber an Verträge mit dem Bürger zu binden (v. a. bei Vorliegen eines Ratifikationsgesetzes!) R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rdnr. 21.

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Auch der Staat des Grundgesetzes ist nicht grenzenlos in seiner Herrschaftsgewalt. Er hat die Gewalten, die unterhalb der Ebene der verfassunggebenden Gewalt agieren, an gewisse Schranken gebunden. Die Souveränität in der modernen Demokratie steht an sich dem Volk zu. Dieses aber kann seine Volkssouveränität nur als pouvoir constituant entfalten, als pouvoir constitué in einer bestehenden Verfassungsordnung hat es (bis zur erneuten Verfassunggebung) seine Souveränität auf- und an die Staatsgewalt abgegeben.292 Diese ist jedoch an die Vorgaben der Verfassung gebunden.293 Diese Beschränkungen der staatlichen Souveränität im demokratischen Rechtsstaat zeigen, daß die Souveränität heute nicht nur nicht unbeschränkt gedacht werden muß, sondern vielmehr, daß sie nicht mehr absolut und schrankenlos gedacht werden kann, da sie sich immer im Rahmen der Verfassungsordnung halten muß.294 Dies zeigt sich auch schon in der oben angeführten Definition der Souveränität als „höchste Gewalt von Rechts wegen“, die die Unterwerfung des Souveräns unter das Recht bereits beinhaltet. Eine Ausübung staatlicher Souveränität, die an das Recht gebunden ist, ist daher keine Einschränkung der Souveränität. Sie ist dem modernen Souveränitätsverständnis bereits per definitionem vorausgesetzt und in der heutigen rechtsstaatlichen Konzeption auch gar nicht anders vorstellbar.295 Löst sich der Staat daher von seiner Bindung an das Recht, ist das nicht die Ausübung seiner souveränen Freiheit, sondern die Überschreitung ihrer Grenzen. Wie weit diese Schranken des Rechts eine Bindung des Staates an Verträge mit seinen Bürgern ermöglichen oder gar erfordern, soll im Folgenden untersucht werden. Für die vorliegende Problematik sind dabei insbesondere das Demokratieund das Rechtsstaatsprinzip296 aus Art. 20 GG einschlägig.

292

s. nur Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1074. Dazu bereits oben Dritter Teil, B.II.2.a)(3). 294 J. A. Frowein, FS Flume I, S. 310; Chr. Hillgruber, JZ 2002, S. 1073; P. Kirchhof, DVBl. 1999, S. 639; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 101; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 99 ff.; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 128, 138. Dazu auch H. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 7, 17, der Souveränität ohnehin nicht als Eigenschaft des Staates, sondern als Rechtssouveränität versteht. 295 Zustimmend D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 236; W. Leisner, FS Berber, S. 293. 296 Zum Rechtsstaatsprinzip als Schranke der Souveränität H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rdnr. 81. 293

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

3. Selbstbindung des Gesetzgebers als Problem von Demokratie und Gewaltenteilung a) Freiheit und Revidierbarkeit der demokratischen Entscheidung Die staatliche Souveränität läßt also grundsätzlich auch Beschränkungen der freien Gesetzgebung zu. Dies kann allerdings nur im Rahmen der souverän gegebenen Verfassungsgrundsätze geschehen. Einige Aspekte der Souveränität – insbesondere auch die Freiheit der Gesetzgebung – werden im Demokratieprinzip abgesichert. Eine Bindung des Staates an Versprechen, die er Dritten gegeben hat, könnte insoweit den Grundsätzen der Demokratie widersprechen. So wird gefordert, obwohl die Bindungskraft der Kirchenverträge grundsätzlich anzuerkennen sei, müsse der Gesetzgeber in der Lage sein, die Bindung an den Vertrag zu beseitigen.297 Dies könnte etwa durch Abänderung298 oder Aufhebung des Zustimmungsgesetzes bzw. durch Erlaß eines Gesetzes, das nicht mit den Vereinbarungen des Vertrages in Einklang steht, erfolgen. Begründet wird dies damit, es verstoße gegen das Demokratieprinzip, wenn der Gesetzgeber dauerhaft durch einen Vertrag, den die Exekutive geschlossen hat, an unbeschränkter Rechtssetzung gehindert werde – auch wenn diese Bindung nicht rechtlicher Natur sondern psychologisch oder politisch durch das „Odium des Vertragsbruches“299 verursacht sei. Darin enthalten sind zwei Anfragen an die Demokratietauglichkeit der Kirchenverträge: Zum einen wird unterstellt, die parlamentarische Zustimmung komme nicht frei zustande, zum anderen sei der parlamentatische Gesetzgeber auch in Hinblick auf eine Meinungsänderung und Revision der ursprünglichen Entscheidung seiner Freiheit beraubt worden. Art. 38 GG fordert als Spezifizierung des Demokratieprinzips die Freiheit der parlamentarischen Willensbildung auch von staatlicher Einflußnahme.300 Würde diese Freiheit der Abgeordneten bei den Kirchenverträgen nicht gewahrt, wäre dies unter demokratischen Aspekten bedenklich. Die gesetzgeberische Normsetzung ist dem Parlament vorbehalten.301 Eine Bedrängung des Parlaments durch die – nicht direkt demokratisch legitimierte302 – Verwaltung wäre unzulässig. Für den Staatskirchenvertrag gilt 297 G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 80; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 Rdnr. 26; H. Quaritsch, FS Schack, S. 134; L. Renck, ThürVBl. 1995, S. 35; ders., DÖV 1997, S. 935 f.; ders., ZRP 2006, S. 88. Ähnlich D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 304, der allerdings die rechtsstaatliche Problematik erkennt. 298 Dazu unten Dritter Teil, B.II.5. 299 H. Weber, Grundprobleme, S. 50. 300 M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rdnr. 130, 133, 190. 301 E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 180.

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jedoch, daß er zwar von der Landesregierung abgeschlossen wird, aber unter dem Vorbehalt steht, daß er vom Parlament gebilligt werden muß.303 Einige Autoren halten dies wiederum für bedenklich, da dem Parlament das Gesamtkorpus des Vertrages vorgelegt wird, dem es lediglich insgesamt seine Zustimmung geben oder verweigern kann;304 dies sei demokratisch zumindest suspekt, da so das Verhältnis von Staat und Kirche „der politischen Willensbildung im Parlament entzogen und in den Arkanbereich gegenseitiger Absprachen von kirchlicher und staatlicher Bürokratie verwiesen“305 werde. Abgesehen davon, daß dies in der Praxis auch bei „normalen“ Gesetzen nicht wesentlich anders ist, die von den Fachgremien erarbeitet und dann nur noch dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden,306 ist jedoch nicht einleuchtend, warum die auf das Gesamtkorpus beschränkte Abstimmung zur Bedenklichkeit der Staatskirchenverträge führen soll. Dieses Verfahren wird bei völkerrechtlichen und Staatsverträgen ebenso angewandt. Es folgt auch nahezu zwangsläufig daraus, daß der Vertrag im Einvernehmen mit dem Vertragspartner ausgehandelt wurde; die Möglichkeit einer eigenmächtigen Veränderung durch die Vertragsparteien im Implementierungsprozeß brächte den Vertrag aus dem Gleichgewicht.307 Die Zustimmungsgesetze werden im Parlament ausführlich debattiert, auch wenn schlußendlich nur die Annahme oder Ablehnung des Gesamtprojekts möglich ist.308 Haben die Abgeordneten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vertrages oder fühlen sich nicht ausreichend in den Prozeß einbezogen, ist es ihnen unbenommen, das Vertragsgesetz abzulehnen; nehmen sie es aber an, ist dies eine vollwertige demokratische Entscheidung.309 Politische und psy302

Dazu E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 178 f., 302 ff. Vgl. nur beispielshalber Art. 23 S. 1 Bremer Kirchenvertrag; Art. 23 Abs. 1 S. 1 Loccumer Vertrag; Art. 13 Abs. 1 Preußischer Kirchenvertrag; Art. 31 Abs. 1 Mainzer Vertrag. 304 Dies entspricht insoweit dem Verfahren beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge des Bundes, § 82 Abs. 2 GOBT; dazu E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 288. 305 H. Weber, Grundprobleme, S. 50; im Anschluß daran G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 70, 80 f. 306 Zu Einflüssen, denen die Abgeordneten stets ausgesetzt sind, M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rdnr. 144. 307 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 214; E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 288. Zur entsprechenden Diskussion im spanischen Staatskirchenrecht s. unten Vierter Teil, C.II. 308 Vgl. dazu nur beispielhaft aus neuester Zeit den Vorgang zum Zustimmungsgesetz zum Hamburger Kirchenvertrag: Hamburgische Bürgerschaft, Plenarprotokoll 18/60, S. 3124B ff. 309 Ebenso auch H. U. Anke, Neubestimmung, S. 117 f. 303

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

chologische Zwänge bestehen in der Politik stets; daß diese nicht überhandnehmen, wird durch das Postulat des freien Mandats gesichert. Ist das Zustimmungsverfahren also unbedenklich, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der Revidierbarkeit der Entscheidung. Die Demokratie als „Herrschaft der Mehrheit“ erfordert die prinzipielle Revisibilität demokratisch getroffener Entscheidungen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse im Staat ändern.310 Der Grundsatz der Herrschaft auf Zeit soll, so wird vertreten, dem Gesetzgeber verbieten, über sich selbst hinaus auch den zukünftigen Gesetzgeber zu binden; die Selbstbindung sei daher auf die laufende Legislaturperiode beschränkt.311 Tatsächlich sind – außerhalb der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG – „ewig“ wirksame Rechtsnormen kaum denkbar. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich jedes seiner Gesetze wieder aufheben.312 Dies gilt folglich auch für das Zustimmungsgesetz zum Kirchenvertrag.313 Denn eine Unterscheidung des einfachen Rechts in aufhebbare und nicht aufhebbare Gesetze ist dem deutschen Recht fremd.314 Eine Bindung kann immer nur durch Verfassungsrecht entstehen; sie kann aber ausgelöst werden durch den Erlaß eines (einfachen) Gesetzes.315 Man könnte diese Konstellation auch so formulieren, daß der Verfassunggeber hier den einfachen Gesetzgeber zur selbstbestimmten Bindung an seine eigenen Rechtsakte ermächtigt.316 Insofern kann dennoch von einer „Selbstbindung“ des Gesetzgebers gesprochen werden, auch wenn sie nicht aus eigener Kraft möglich ist, sondern nur durch verfassungsrechtliche Gestattung bzw. Anordnung. Diese Bindung kann dann wegen ihrer Grundlegung im Verfassungsrecht auch über eine Legislaturperiode hinausgehen. Eine solche Konstellation, in der dem demokratischen Gesetzgeber die Aufhebung des Zustimmungsgesetzes verboten ist, liegt etwa in den Landesverfassungen, die im Kollisionsfall von Gesetz und (Staatskirchen-)Vertrag dem Vertrag den Vorrang einräumen. Dies sind insbesondere Art. 23 310 H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 78; E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 174. 311 E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 315. Kritisch F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 220. 312 So schon J. Bodin, Les six Livres de la République I, 8, S. 134 (dt. Übersetzung S. 215). Aus heutiger Zeit H. Quaritsch, FS Schack, S. 134. 313 Dazu, welche Auswirkungen dies auf die Geltung des Vertrages hat, s. sogleich Dritter Teil, B.II.4. 314 Dazu Chr. Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 30 f. 315 A. Leisner-Egensperger, ThürVBl. 2004, S. 27 f. Ähnlich D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 248. Dazu sogleich unter Dritter Teil, B.II.4. 316 A. Leisner-Egensperger, ThürVBl. 2004, S. 28.

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Abs. 2 NRWVerf.317, der die Änderung eines Kirchenvertrags nur mit Einverständnis der Vertragsparteien zuläßt, Art. 67 HessVerf., der den Vorrang aller Staatsverträge vor dem Gesetz anordnet,318 und Art. 8 BWVerf., der die überkommenen Kirchenverträge von der Verfassung unberührt läßt.319 Diese Verfassungsnormen jedenfalls begründen eine verfassungsrechtliche Bindung an Verträge, die über das normale Maß hinausgeht. Es wird daher vertreten, diese Vorschriften verletzten das Demokratieprinzip, das über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für die Länder verpflichtend ist, und seien daher bundesverfassungswidrig und nach Art. 31 GG nichtig.320 Die gerade beschriebenen Bindungen des Gesetzgebers an Recht unterhalb der Verfassung sind jedoch keineswegs neu und beispiellos. So verhindert etwa das nach Art. 109 Abs. 3 GG erlassene Haushaltsgrundsätzegesetz nachfolgende konträre Bundesgesetzgebung und stellt so eine Ausnahme zum Grundsatz lex posterior derogat legi priori dar.321 Ansätze einer Selbstbindung des Gesetzgebers enthält auch das vom BVerfG entwickelte Maßstäbegesetz im Rahmen des Finanzausgleichs.322 Und sogar vertragliche Bindungen der Legislative sind anerkannt. Das prominenteste Beispiel sind wohl die europäischen Verträge: Dem Gemeinschaftsrecht kommt im Falle eines Widerspruchs zum nationalen Recht ein Anwendungsvorrang zu.323 Durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen wurde – auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 1 S. 2 n. F. GG – deren Vorranganspruch gebilligt. An diese Entscheidung ist auch der Gesetzgeber gebunden, er kann sich über die Vorrangregelung nicht hinwegsetzen, solange das Zustimmungsgesetz fortgilt und nicht aufgehoben worden ist.324 Auch der deutsche Einigungsvertrag beansprucht eine Geltung oberhalb der einfachen Gesetzgebung, insoweit er in Art. 44 das Fort317 J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 8. A. A. L. Renck, DÖV 1997, S. 937. 318 Obwohl es sich bei den evangelischen Kirchenverträgen nicht um Staatsverträge handelt, werden sie von Art. 67 HessVerf. erfaßt, G. Lenz, Rechtsbeziehungen, S. 128. 319 s. zu diesen landesverfassungsrechtlichen Besonderheiten bereits oben Dritter Teil, A.II.2.b)(3). 320 M. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 Rdnr. 46. Im Anschluß daran H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 254. A. A. B. Jeand’Heur/St. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 272. 321 BVerfGE 101, 158 (217, 219, 236); Chr. Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 109 Rdnr. 85. Vgl. auch Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109 Rdnr. 52. 322 BVerfGE 101, 158 (217 f.); dazu Chr. Waldhoff, ZG 2000, S. 208 ff. 323 s. dazu nur H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 23 Rdnr. 34. 324 Vgl. dazu BVerfGE 31, 145 (173 f.); 73, 339 (374 f.); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 23 Rdnr. 32.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

bestehen einzelner Rechte aus dem Vertrag auch nach dem Vollzug des Beitritts und dem daraus folgenden Untergang der DDR anordnet. Diese Vertragsklausel, die durch das Zustimmungsgesetz gebilligt worden ist, schränkt das Recht zur Setzung einer lex posterior ebenfalls ein.325 Für den Bereich des Völkerrechts wurde der Vorrang des Vertragsrechts vor innerstaatlichem Recht durch Anordnung des innerstaatlichen Rechts für zulässig befunden.326 Eine Einschränkung der gesetzgeberischen Freiheit durch Verfassungsrecht ist unter dem Aspekt des Demokratieprinzips nicht prinzipiell bedenklich. Demokratie bedeutet nicht völlige Unverbindlichkeit, Demokratie ist im Rechtsstaat nur im Zusammenspiel mit verfassungsrechtlichen Pflichten und Beschränkungen auch der demokratischen Mehrheit denkbar, sonst schlüge die Demokratie um in Willkür.327 Denn neben den immanenten Schranken, die den Bestand der Demokratie sichern (insbesondere dem Gebot regelmäßiger Neuwahlen), stellt das Demokratieprinzip kaum inhaltliche Anforderungen an die Mehrheitsentscheidung.328 Solche verfassungsrechtlichen Bindungen können in einem Verbot bestehen, ein konkretes Rechtsgut zu beeinträchtigen, also etwa ein Zustimmungsgesetz zu einem Vertrag aufzuheben. In allgemeiner Weise bindet die Verfassungsordnung des Grundgesetzes die Mehrheit (und durch Art. 79 Abs. 3 GG auch den verfassungsändernden Gesetzgeber) an rechtsstaatliche Grundsätze, die sogleich angesprochen werden.329 b) Die Kirchenverträge als Problem der Gewaltenteilung Zuvor soll aber ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an den Kirchenverträgen thematisiert werden: Dieser liegt darin, daß ihnen eine zu geringe Beteiligung demokratisch legitimierter Organe unterstellt wird. Das Demokratieprinzip ist eng mit dem Konzept der Gewaltenteilung verknüpft.330 Ziel der Gewaltenteilung ist es, nach dem Grundsatz „Checks and Balances“ keine Gewalt übermächtig werden zu lassen. Dies soll erreicht werden mit einer gegenseitigen Kontrolle der Gewalten,331 aber auch gerade durch den Schutz davor, daß die anderen Gewalten in den Kernbereich einer Staatsgewalt eingreifen. 325

P. Badura, HStR VIII, § 189 Rdnr. 46. A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 16. 327 Dazu Chr. Hillgruber, AöR 127 (2002), S. 465. 328 Chr. Hillgruber, AöR 127 (2002), S. 467. 329 H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 150; Chr. Hillgruber, AöR 127 (2002), S. 468; M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rdnr. 23. 330 B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 2. 331 Vgl. zur Situation im Völkerrecht F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 214. 326

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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Die Kirchenverträge stehen – wie in diesem Zusammenhang alle vertraglichen Einlassungen des Staates – unter dem Verdacht, hier werde die Legislative durch die Exekutive entmachtet.332 Dieser Vorwurf hängt eng mit der oben angeführten Argumentation, hier werde unredlicher Druck auf die Parlamentarier ausgeübt, zusammen. In der Tat wäre die Gewaltenteilung bedroht, wenn die Exekutive der Legislative einen Vertrag aufdrängen könnte, durch den diese unwiderruflich gebunden wäre. Wie jedoch oben dargestellt, ist keine der Gewalten für sich gesehen souverän, sie kontrollieren und begrenzen sich vielmehr gegenseitig. Ist zur Wirksamkeit eines von der Exekutive abgeschlossenen Vertrags die parlamentarische Zustimmung nötig, so kann diese zwar nur en bloc für den gesamten Vertrag erteilt werden, dies untergräbt aber nicht die Befugnisse des Parlaments. Denn dieses ist nicht daran gehindert, das Vertragsgesetz im Ganzen abzulehnen.333 Mögen dort auch politische Opportunitäten eine Rolle spielen,334 ist dies keine rechtliche Frage und kann nicht zur juristischen Unzulässigkeit des Vertragswesens führen. Ein Akt einer Gewalt kann im Rahmen der gegenseitigen Kontrolle von den anderen Gewalten gegebenenfalls korrigiert werden. Der Gesetzgeber ist nur an die Verfassung gebunden, nicht aber an seine eigene Gesetzgebung. Dabei geht die Bindung – abgesehen von materiellen Beschränkungen durch die Grundrechte – vor allem vom Rechtsstaatsgebot aus. Dennoch kann es in besonderen Fällen sogar zu einer ausnahmsweisen Bindung des Gesetzgebers an exekutives Handeln kommen.335 Die Besonderheit bei den Kirchenverträgen ist nun, daß hier nicht nur eine Gewalt isoliert handelt: Die Verwaltung schließt den Vertrag, die Legislative stimmt zu (womit hier das Zustimmungsgesetz nicht in seiner Funktion als Anwendungsbefehl für den Vertrag im Landesrecht, sondern als aufschiebende Bedingung der Vertragsgeltung gemeint ist). Anders als bei den Verträgen des Verwaltungsrechts, wo die (parlamentarische) Zustimmung sich durch Erlaß der entsprechenden Normen des VwVfG auf das Institut insgesamt bezieht und im Vorhinein abstrakt erteilt wird, haben hier die Gewalten der Souveränität gemeinsam einen konkreten Vertrag gutgeheißen. Dies ist nicht nur (im Rahmen der Gewaltenteilung) als Kontrolle der Exekutive gedacht,336 sondern soll auch verhindern, daß die spätere 332 So H. Weber, Grundprobleme, S. 49. Zur Möglichkeit der Präjudizierung gesetzgeberischer Entscheidungen durch die Verwaltung und ihre Einschränkung im Vertragsrecht vgl. G. Roellecke, in: MAK-GG I, Art. 20 Rdnr. 149. 333 s. dazu Dritter Teil, B.II.3.a) sowie sogleich Dritter Teil, B.II.4.b)(2). 334 Darauf stellt wohl H. Weber, Grundprobleme, S. 49 f. ab. 335 Vgl. dazu Chr. Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 44 ff., 76 ff. 336 Dazu F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 214.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Erfüllung des Vertrags am parlamentarischen Widerstand scheitert;337 der Umsetzungsakt geht also über die formale Umsetzung hinaus und beinhaltet gerade auch die materielle Prüfung und Zustimmung, d.h., der Vertrag wird auch inhaltlich vom Parlament gebilligt. Die parlamentarische Kontrolle der Exekutive zu sichern, ist Zweck der Gesetzesbindung der Verwaltung und Grund für den Vorbehalt des Zustimmungsgesetzes.338 Das Zustimmungsgesetz erfüllt diesen Zweck schon im Vorhinein.339 Das Parlament prüft das Verwaltungshandeln und stellt durch das Zustimmungsgesetz positiv seine Gesetz- und Rechtmäßigkeit fest. Damit ist dem Kontrollrecht genüge getan. Auch das Ziel, das Parlament nicht durch die Exekutive binden zu lassen, ist durch die Bedingung des Zustimmungsgesetzes gewahrt. Im Gegenteil wäre es unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung höchst bedenklich, wenn der Gesetzgeber einen Vertrag, den die Exekutive im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Verpflichtung des ganzen Staates geschlossen hat, durch einseitig-legislativen Akt beseitigen könnte. c) Zwischenergebnis In gewissem Umfang ist die Bindung an die Verträge mit den evangelischen Kirchen der Bindung an die völkerrechtlich zu beurteilenden Konkordate vergleichbar. Auch beim völkerrechtlichen Vertrag entschließt sich der Gesetzgeber durch Billigung des Vertrags, an diesen bis zum Ende seiner Geltung gebunden zu sein.340 Ebenso tut er dies in voller Freiheit bei der Zustimmung zu einem Vertragsgesetz zu den evangelischen Kirchenverträgen. Insofern hebt die parlamentarische Zustimmung die evangelischen Kirchenverträge über die Verwaltungsverträge hinaus und verleiht ihnen eine zusätzliche Bestandskraft. Innerhalb der Grenzen, die ihm die Verfassung setzt, ist der Gesetzgeber jedoch frei. Soweit insbesondere das Rechtsstaatsprinzip dem nicht entgegensteht, kann der Gesetzgeber seine Gesetze, damit auch sein Zustimmungsgesetz, modifzieren. Welche Schranken das Rechtsstaatsprinzip setzt und welchen Einfluß der Gesetzgeber auf den Bestand des dem Zustimmungsgesetz zugrunde liegenden Vertrages hat, soll im nächsten Kapitel behandelt werden. 337 Zu dieser Funktion eines Zustimmungsgesetzes allgemein H. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr. 221. 338 BVerfGE 36, 1 (13); 68, 1 (85 ff., 88); E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 279; Chr. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., § 74 Rdnr. 43. 339 So für die Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 282; G. Kretschmer, FS Helmrich, S. 545; K. Stern, Staatsrecht I, S. 504 f. 340 Diese Anerkennung der Völkerrechtsordnung ist mit dem Demokratieprinzip vereinbar, BVerfGE 63, 343 (367 ff., 370).

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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4. Das Rechtsstaatsprinzip: Hindernis oder Grundlage einer Bindung? Die demokratische Herrschaft der Mehrheit kann im Rechtsstaat nicht schrankenlos sein. Die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns werden im GG in vielen Vorschriften konkretisiert, als Kernnormen werden Art. 20 Abs. 2, 3 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG (die einzige Norm des GG, die den Begriff Rechtsstaat gebraucht) genannt.341 Über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG ist die Rechtsstaatlichkeit auch für die Länder verpflichtender Grundsatz.342 Die Forderung nach rechtsstaatlichem Verhalten erfaßt alle staatliche Gewalt: Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Verwaltung an Gesetz und Recht (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung),343 ebenso die Rechtsprechung, v. a. durch die Beschränkung der richterlichen Rechtsfortbildung344. Gegen die Rechtsstaatlichkeit soll es nach Helmut Quaritsch verstoßen, wenn die Kirchenverträge nicht vollumfänglich der Aufhebung durch staatliches Gesetz unterliegen.345 Diese Behauptung trifft in ihrer Generalität nicht zu: die Verletzung von Verträgen entspricht nicht den auf Respektierung des Rechts gerichteten rechtsstaatlichen Grundgedanken.346 Ob eine Aufhebung durch Gesetz im Einzelfall möglich ist, soll im Folgenden untersucht werden. Die Gesetzgebung ist durch die Bindung an die Verfassung auf die Grundrechte und verfassungsrechtlichen Garantien verpflichtet;347 darüber hinaus sind im Rechtsstaatsprinzip aber noch eigene Grundsätze enthalten, vor allem der Vertrauensschutz348.

341 So z. B. H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 28; H. SchulzeFielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 38 ff.; K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 227. 342 BVerfGE 2, 380 (403); 103, 332 (353); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 29. 343 H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 39 ff.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 92, 96 ff. 344 H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 41a ff.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 101 ff. 345 H. Quaritsch, FS Schack, S. 139. 346 So auch U. Scheuner, FS Ruppel, S. 326. Entsprechend F. Becker, NVwZ 2005, S. 291; J. A. Frowein, FS Flume I, S. 307; A. Leisner-Egensperger, ThürVBl. 2004, S. 30 f.; K. Vogel, JZ 1997, S. 165. 347 H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 32 ff. Zu rechtsstaatlichen Aspekten bei kooperativem Handeln des Gesetzgebers F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 310 ff. 348 Dazu H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 67 ff.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

a) Verfassungsrechtliche Gewährleistungen zugunsten der Kirchen Oft wiederholen die Kirchenverträge Gewährleistungen, die bereits verfassungsrechtlich verbürgt sind.349 (1) Die Religionsfreiheit Die Kirchenverträge statuieren regelmäßig das Recht auf Religionsfreiheit, die als eigenes Landesgrundrecht oder als Verweisung auf das Grundgesetz350 auch in den Ländern Geltung beansprucht.351 Auch das – zum Kernbereich der Religionsfreiheit gehörende – Recht auf caritative Betätigung wird geschützt.352 Eine Gesetzgebung, die diese Rechte nicht achtet, ist schon nach Art. 4 GG und den entsprechenden Normen des Landesverfassungsrechts nichtig. (2) Bindung an Verträge als Ausfluß des Rechts auf Eigentum? In den Kirchenverträgen geht es nicht nur um ideelle Fragen wie die der guten Zusammenarbeit von Staat und Kirchen. Es werden auch materielle Problemkreise geregelt. Dies geschieht teils durch die ausdrückliche Vereinbarung bestimmter Summen als Staatsleistungen an die Kirchen, teils aber auch unspezifischer durch die Festschreibung staatlicher Beteiligung an kirchlichen Sozialeinrichtungen oder bei der Lastenverteilung im Denkmalschutz. Gerade diese finanziellen Verpflichtungen sind es, die etwa in SchleswigHolstein dazu geführt haben, über Möglichkeiten der Lösung vom Vertrag nachzudenken. Angedacht ist dort die Kündigung des Vertrages mit der Nordelbischen Kirche. In anderen Fällen wäre aber auch ein einseitig-hoheitliches Vorgehen durch Gesetz nicht ausgeschlossen. Hier geht die Problematik über immaterielle Interessen hinaus, betroffen ist das Eigentumsrecht der Kirchen. Der Schutz des Eigentums erfolgt grundsätzlich über 349 Dazu A. v. Campenhausen, NVwZ 1995, S. 759; E. Ruppel, Kirchenvertragsrecht, S. 147 ff. Kritisch L. Renck, DÖV 1997, S. 936. 350 Z. B. Art. 4 NRWVerf. 351 So Art. 1 Abs. 1 Berliner Vertrag; Art. 1 Abs. 1 Brandenburger Kirchenvertrag; Art. 1 Abs. 1 Bremer Kirchenvertrag; Art. 1 Abs. 1 Hamburger Kirchenvertrag; Art. 1 Abs. 1 Wiesbadener Vertrag; Art. 1 Abs. 1 Loccumer Vertrag; Art. 1 Mainzer Vertrag; Art. 1 Preußischer Kirchenvertrag; Art. 1 Abs. 1 Güstrower Vertrag; Art. 1 Abs. 1 Wittenberger Vertrag, Art. 1 Kieler Vertrag. 352 Vgl. Art. 22 Güstrower Vertrag.

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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Art. 14 GG und umfaßt alle dem privaten Rechtsträger zugeordneten vermögenswerten Rechte.353 Auch subjektive öffentliche Rechte und Forderungen fallen unter den Eigentumsbegriff, wenn sie nicht nur auf der staatlichen Fürsorgepflicht gründen, sondern auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Berechtigten.354 Bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ergibt sich die Eigenleistung aus der synallagmatischen Vereinbarung von Gegenleistungen.355 Für das Kirchenvermögen kommt die bereits oben angesprochene Vorschrift des Art. 140 GG/138 WRV zum Tragen, die – als Konkretisierung von Art. 4 GG356 – die allgemeine Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ergänzt357. Dies wird teilweise noch eigens in den Kirchenverträgen wiederholt.358 Art. 138 WRV schreibt in Abs. 1 als Voraussetzung für die Ablösung der Staatsleistungen ein Grundsätzegesetz auf Reichs- (heute also Bundes-) Ebene vor. Davor ist die einseitige Ablösung durch die Länder nicht möglich, eine vertragliche Einigung soll aber zulässig sein359. Nach dem heutigen Stand des Bundesrechts sind die Staatsleistungen der Länder an die Kirchen daher der Änderung durch einfaches Gesetz entzogen.360 Zudem müßte der Bund aufgrund von Art. 18 des Reichskonkordats vor Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig mit dem Heiligen Stuhl – und daher aus Gründen der Parität auch mit der evangeli353 BVerfGE 83, 201 (209 f.); 95, 267 (300); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 7 f. Zu Art. 14 GG als vertrauensschützender Norm St. Muckel, Vertrauensschutz bei Gesetzesänderungen, S. 40 ff. 354 BVerfGE 53, 257 (290); 97, 271 (284); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 11. 355 E. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 543. 356 BVerfGE 99, 100 (119); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 140 (138 WRV) Rdnr. 3. 357 K.-H. Kästner, HdbStKirchR I, S. 894. Dieser Eigentumsschutz kommt den Kirchen trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation zu; dies ist bei den Universitäten anders, so daß deren Hochschulverträge nicht von Art. 14 GG geschützt werden, vgl. R. Uerpmann, JZ 1999, S. 651. 358 Art. 9 Berliner Vertrag; Art. 6 Brandenburger Vertrag; Art. 5 Bremer Vertrag; Art. 8 Hamburger Vertrag; Art. 8 Wiesbadener Vertrag; Art. 7, 12 ff. Güstrower Vertrag; Art. 18 Loccumer Vertrag; Art. 9 Mainzer Vertrag; Art. 7 Wittenberger Vertrag; Art. 23 Kieler Vertrag; Art. 8 Erfurter Vertrag; Art. 6 Preußischer Kirchenvertrag. 359 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 138 WRV Rdnr. 9. 360 Vgl. H. U. Anke, Neubestimmung, S. 172. Zu Ausnahmen A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 138 WRV Rdnr. 9. Zum Teil wird dies auch noch zusätzlich im Vertrag betont: So heißt es in Art. 15 Abs. 1 des Bayerischen Kirchenvertrags, der Staat werde seiner Verpflichtung zu Staatsleistungen „stets nachkommen“.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

schen Kirche – ein Einvernehmen herstellen. Die Kirchen müßten also in jedem Fall beteiligt werden.361 Art. 138 Abs. 2 WRV gewährt das Kirchengut. Damit stehen alle religionsbezogenen Güter der Kirchen – auch die Forderungen aus Kirchenverträgen362 – unter dem Schutz von Art. 140 GG/Art. 138 Abs. 2 WRV, der allerdings unter der Schranke des „für alle geltenden Gesetzes“ aus Art. 137 Abs. 3 WRV steht363. Ob ausreichender Bezug zur Religion gegeben ist, muß im Einzelfall festgestellt werden. Vor allem bei Streitigkeiten über die Rechte an Kirchengebäuden ist er zu bejahen.364 Fehlt er, bleibt es beim Schutz durch Art. 14 GG.365 (3) Übrige Wiederholungen verfassungsmäßiger Gewährleistungen Auch einige weitere Vertragsmaterien stellen nur Wiederholungen und Ausarbeitungen bereits verfassungsrechtlich vorgesehener Institute dar. Hierzu gehören etwa die nochmalige Betonung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts366 und die Gewähr des Religionsunterrichts, die sich bereits aus Art. 7 Abs. 3 GG ergibt, aber – in den neueren Verträgen – häufig auch vertraglich abgesichert ist.367 Ebenfalls wiederholt wird die Garantie der Sonn- und Feiertagsruhe nach Art. 140 GG/Art. 139 WRV.368 Art. 139 WRV gewährt kein subjektives Recht und stellt nur eine Institutsgarantie dar.369 Insofern gewinnt die vertragliche Absicherung eine eigene Bedeutung, als sie die Institutsgarantie in ein subjektives – und damit einklagbares – Recht umwandelt.370 361

Dazu auch A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 285 f. H. U. Anke, Neubestimmung, S. 172 f.; K.-H. Kästner, HdbStKirchR I, S. 895 f. Ähnlich auch BVerfGE 99, 100 (119). 363 Dazu H. U. Anke, Neubestimmung, S. 172; K.-H. Kästner, HdbStKirchR I, S. 903. 364 Vgl. zum Streit um St. Salvator in München BVerfGE 99, 100 (120 f.). 365 K.-H. Kästner, HdbStKirchR I, S. 895. 366 Art. 1 Abs. 2 Güstrower Vertrag. 367 s. nur Art. 6 Abs. 1 Güstrower Vertrag. Ausnahmen bilden hier Brandenburg (dazu Art. 5 Brandenburger Vertrag) und Berlin (Art. 5 Berliner Vertrag), wo wegen der Streitigkeiten um den staatlichen Religionskundeunterricht keine Einigung über diese Frage erzielt werden konnte, sowie Bremen, das ohnehin durch die Bremer Klausel, Art. 141 GG, von der Verpflichtung zum Religionsunterricht ausgenommen ist; dort findet sich aber eine Klausel über den „Unterricht in Biblischer Geschichte“, Art. 3 Bremer Kirchenvertrag. 368 Art. 23 Güstrower Vertrag. 369 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 139 WRV Rdnr. 11; H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 140 (139 WRV) Rdnr. 1. 362

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In all diesen Fällen verbietet sich eine entgegenstehende Gesetzgebung bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen, ohne daß die vertragliche Bekräftigung dazu notwendig gewesen wäre. Diese kann – neben rechtspolitischen Willensbekundungen der Parteien, bestimmte Aspekte besonders zu betonen – allenfalls als zusätzlichen Effekt haben, daß die verfassungsrechtlichen Grundsätze über ihren objektivrechtlichen Gehalt hinaus als subjektives Recht der Kirchen festgehalten werden. Die einschlägigen Vertragsbestimmungen sind aber stets durch die verfassungsrechtliche Bindung vor Abänderung geschützt. b) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip Jedoch gibt es auch Vertragsvereinbarungen, die über die genannten verfassungsrechtlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips nicht erfaßt werden. Im Regelfall erfolgt die Bindung des Gesetzgebers durch (Verfassungs-) Gesetz. Denklogisch ausgeschlossen ist eine Bindung des Staates an einen Vertrag aber nicht.371 Dennoch wird die Möglichkeit einer Bindung des Gesetzgebers durch Verträge kritisiert: Die Entwicklung der Rechtsprechung lasse „befürchten“372, daß das Rechtsstaatsprinzip zur Begründung vertraglicher Bindungen des Staates herangezogen werden könne. Eine solche Bindung des Gesetzgebers an vertragliche Abmachungen würde nach Helmut Quaritsch gerade auch für Staatskirchenverträge das Rechtsstaatsprinzip verletzen.373 Für die völkerrechtlichen Verträge – aber auch für Staats- und Verwaltungsverträge – hingegen wird vereinzelt aus dem Rechtsstaatsprinzip sogar die Folgerung gezogen, nicht nur binde der Vertrag den Gesetzgeber, auch das Zustimmungsgesetz könne dieser nicht einseitig aufheben.374 Ebenso fordert Hollerbach, daß auch für die Kirchenverträge die lex-posteriorRegel nicht gelten dürfe.375 Die gesetzgebende Gewalt, um deren Grenzen 370 Vgl. OVG Greifswald, NVwZ 2000, 945 (947). Weitere Nachweise oben Dritter Teil Fn. 84. 371 H. Liermann, AöR n. F. 13 (1927), S. 393. 372 M. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 83. 373 H. Quaritsch, FS Schack, S. 139. 374 So etwa F. Becker, NVwZ 2005, S. 291; ders., Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 217 ff.; K. Vogel, JZ 1997, S. 165. Ebenso wohl A. Leisner-Egensperger, ThürVBl. 2004, S. 30. Dazu schon oben Dritter Teil, A.II.2.b). 375 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 160; dies vertritt er mittlerweile nur noch als „rechtspolitische Forderung“: ders., HdbStKirchR I,

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

es hier geht, ist gem. Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung gebunden, nicht aber an ihr eigenes Gesetz. Gegner einer Vertragsbindung führen nun an, dieser Grundsatz werde durchbrochen, wenn ein Vertrag nicht dem Gesetz weichen müßte. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Gesetzgeber das Zustimmungsgesetz aufheben könne, davon aber die Vertragsgeltung unberührt bleibe; deshalb müsse, wenn das Zustimmungsgesetz durch lex posterior aufgehoben sei, auch der Vertrag selbst unwirksam werden.376 Zumeist wird jedoch davon ausgegangen, daß der Gesetzgeber das Zustimmungsgesetz zum Vertrag aufheben, sich dadurch aber nicht von der Vertragsbindung befreien kann.377 Da also ein Unterschied zwischen der Bestandskraft des Zustimmungsgesetzes und des Vertrages bestehen könnte, sollen beide getrennt untersucht werden. (1) Einseitige Aufhebbarkeit des Kirchenvertrages Der Staat kann, wie eben dargelegt, grundsätzlich das Recht ändern. Er kann im Einklang mit der lex-posterior-Regel frühere Gesetze aufheben. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wie sich das auf den Kirchenvertrag auswirkt. Ein völkerrechtlicher Vertrag wird von der Aufhebung des Vertragsgesetzes nicht tangiert, er bleibt bestehen, ist aber verletzt.378 Gleiches gilt für die Staatsverträge.379 Anders als bei den Konkordaten handelt es sich bei den evangelischen Kirchenverträgen um öffentlich-rechtliche Verträge, die ihre Wirkung aus dem innerstaatlichen Recht ziehen. Bei einer strengen Auslegung des Grundsatzes lex posterior derogat legi priori müßte ein nachfolgendes Gesetz auch den Vertrag verdrängen können. Im Vertragsrecht steht es grundsätzlich nicht einer Vertragspartei offen, das Vereinbarte einseitig abzubedingen. Bei den evangelischen Kirchenverträgen ist nun die Situation besonders, da sie dem staatlichen Recht angehören. Damit sind sie zunächst dem Recht und der Bestimmung einer VertragsS. 277. A. A. St. Muckel, Der Staatskirchenvertrag, in: R. Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen, S. 34 f. mit Fn. 77: Das Rechtsstaatsprinzip gebiete nicht die Aufrechterhaltung des Zustimmungsgesetzes. 376 H. Quaritsch, FS Schack, S. 139. Anders das BVerfG, BVerfGE 6, 290 (295). 377 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 61; St. Muckel, Der Staatskirchenvertrag, in: R. Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen, S. 34 f.; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 326. So mittlerweile auch A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 277. 378 Dazu bereits oben Dritter Teil, A.II.2.b). 379 So ausdrücklich BVerwGE 50, 137 (152). So zu verstehen sind auch BVerfGE 34, 216 und 42, 345.

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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partei unterworfen, ein überwölbendes, von beiden Parteien unbeeinflußbares Rechtsregime gibt es nicht. Dies unterscheidet die Kirchenverträge von den Verträgen des Völkerrechts und den intraföderalen Staatsverträgen. Wie oben beschrieben, beschneidet jedoch das Verfassungsrecht die Macht des Gesetzgebers, so daß er nicht alle seine Normen nach Belieben ändern und aufheben kann. Hier setzt die Rechtsstaatlichkeit dem Staat Grenzen. Ein Grundgedanke des Rechtsstaats ist die Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit des (Gesetzes-)Rechts.380 Dies wird vor allem durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz gewährleistet. Dem Bedürfnis des Bürgers nach Rechtssicherheit,381 das vom Rechtsstaatsprinzip geschützt wird, würde eine Rechtsordnung nicht gerecht, die dem Bürger zumutete, einseitig verbindliche Verpflichtungen zugunsten des Staates einzugehen, eine Bindung der staatlichen Vertragspartei aber kategorisch ablehnte.382 Andererseits ist der Staat dem Gemeinwohl verpflichtet, kann also auf die Sonderinteressen Einzelner nicht unbeschränkt Rücksicht nehmen. Durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes383, der über Art. 2 Abs. 1 GG auch eine grundrechtliche Ausprägung hat,384 wird in der Regel nur das Vertrauen geschützt, daß die Rechtslage nicht für bereits abgeschlossene Rechtsverhältnisse ex tunc geändert wird (sog. echte Rückwirkung).385 In die Zukunft gerichtet wird Vertrauensschutz grundsätzlich nicht gewährt, denn eine solche umfassende Bindung des Gesetzgebers würde jegliche Rechtsfortbildung verhindern.386 Ex nunc kann die Rechtslage daher in der Regel geändert werden, ohne daß dadurch ein schutzwürdiges Vertrauen der Bürger verletzt würde. Ausnahmsweise kommt eine Selbstbindung des Gesetzgebers jedoch in Betracht, wenn er einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, daß die Rechts380 H. Maurer, HStR IV, § 79 Rdnr. 1; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 146. 381 Dazu BVerfGE 60, 253 (268) und 63, 343 (357). Für die Kirchenverträge D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 256. 382 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 303; J. A. Frowein, FS Flume I, S. 307. 383 Zum Vertrauensschutz bei Gesetzgebungsverträgen vgl. F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 298 ff. 384 BVerfGE 72, 141 (154); 72, 175 (196 ff.); W. Leisner, FS Berber, S. 279; H. Maurer, HStR IV, § 79 Rdnr. 65. 385 BVerfGE 69, 272 (309); 72, 141 (154); 97, 271 (285 ff.). Dazu H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 68 ff., 71. 386 BVerfGE 69, 272 (309); 72, 141 (154); B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rdnr. 71; D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 242 f.; W. Leisner, FS Berber, S. 281 f.

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lage bestehen bleibt.387 In diesem Fall stellt die Gesetzesänderung ein widersprüchliches Verhalten des Gesetzgebers dar, das gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstößt.388 Ein schützenswertes Vertrauen kann z. B. dadurch erweckt werden, daß der Gesetzgeber in vorhergehenden Gesetzen eine Befristung einfügt; dann kann damit gerechnet werden, daß das Gesetz vor Fristablauf nicht geändert wird.389 Allerdings sind die Kirchenverträge in Deutschland nicht befristet, sondern auf unbestimmte Zeit abgeschlossen,390 so daß kein Vertrauen erzeugt wird, der Vertrag solle bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf jeden Fall gelten. Dennoch wird ein besonderer Vertrauenstatbestand bereits durch den Vertragsschluß geschaffen.391 Der Staat könnte sein Verhältnis zu den Kirchen auch einseitig hoheitlich regeln, er ist nicht auf die Vertragsform festgelegt. Sie mag die geeignete Form der Kommunikation von Staat und Kirche sein, ist aber nicht die einzige, in der der Respekt für und die Rücksicht auf die Besonderheit der Kirche zum Ausdruck kommen können.392 Erläßt der Staat Gesetze, verfügt er sie einseitig und aus seiner Autorität heraus. Dann muß grundsätzlich damit gerechnet werden, daß er die Norm auch wieder aufhebt oder ändert. Aber selbst hier ist der Staat gehalten, das Vertrauen, das die Kirchen in den Fortbestand der rechtlichen Regelung setzen, nicht ungerechtfertigt zu enttäuschen; dies gilt sogar bei einer Regelung durch Verwaltungsakt393. Verzichtet der Staat nun darauf, sein Verhältnis zu den Kirchen einer einseitigen Regelung zuzuführen, und sucht ausdrücklich die Kooperation mit der Kirche, indem er die gemeinsamen Fragen vertraglich regelt, muß der 387 BVerfGE 72, 175 (196 ff.); B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rdnr. 71; D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 242 f.; H. Maurer, HStR IV, § 79 Rdnr. 75 f. 388 D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 239; W. Leisner, FS Berber, S. 294. In diesem Sinne auch B. Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 283. Zum venire contra factum proprium des Gesetzgebers vgl. auch Chr. Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 69 f. 389 Dazu D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 243; H. Maurer, HStR IV, § 79 Rdnr. 78 ff. A. A. noch das RG in seiner „Gefrierfleischentscheidung“, RGZ 139, 177 (188 f.). 390 Vgl. dazu im Hinblick auf die Konkordate Dritter Teil, A.I.2. 391 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 311; M. Germann, Kirchenverträge, RGG IV, Sp. 1363. Ähnlich D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 255, 260. 392 So ist etwa in Österreich das Verhältnis zu den evangelischen Kirchen im sog. Protestantengesetz geregelt, dazu A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 147, Fn. 35. Anders noch P. Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik, in: Religionsrechtliche Schriften I, S. 180. 393 Dazu H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 78.

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Vertrauensschutz noch weiter in den Vordergrund rücken.394 Mit der Bereitschaft zum Vertragsschluß signalisiert der staatliche Vertragspartner durch die Einbeziehung der kirchlichen Seite in den Entscheidungsprozeß, daß er eine einvernehmliche Lösung anstrebt. Die Kirche, die sich auf eine solche Koordination einläßt, tut dies dann im Vertrauen darauf, daß auch das weitere Verhältnis sich nach den Regeln des Vertragsrechts richten wird. So kann sie davon ausgehen, daß die staatliche Seite den jedem Vertragsschluß zugrundeliegenden Grundsatz pacta sunt servanda anerkennt. Dies tut sie nicht zuletzt deshalb, weil die Begründung von Rechten und Pflichten in diesen Verträgen keine „Einbahnstraße“ ist. Mögen die materiellen Vorteile auch zumeist auf seiten der Kirche liegen, so sind diese doch nicht der einzig ausschlaggebende Grund für den Vertragsschluß. Sinn ist es vielmehr, die Bereiche, in denen sich die Tätigkeitsfelder von Staat und Kirche überschneiden, die res mixtae, zu regeln. Von der Zusammenarbeit und der Einigung über Kompetenzen profitieren letztlich beide Seiten.395 Auch wenn die Gegenleistung der Kirchen weniger in unmittelbaren materiellen Leistungen besteht, so liegt sie hauptsächlich darin, sich durch Wahrnehmung ihrer eigenen Angelegenheiten zugleich an der Erfüllung genuin staatlicher Aufgaben zu beteiligen und dadurch die Grundlagen zu schaffen, von denen – nach dem bekannten Diktum Ernst-Wolfgang Böckenfördes – der Staat lebt, ohne sie selbst garantieren zu können.396 Insofern handelt es sich um echte zweiseitige Verträge, die von beiden Seiten natürlicherweise in der Erwartung geschlossen werden, daß die andere Vertragspartei sich an die vertraglichen Regeln halten wird. Deutlich wird dies auch in den Vertragstexten; wenn die Kirchenverträge dort als „Staatsverträge“ bezeichnet werden, trifft das zwar nicht die tatsächliche Rechtsnatur, zeigt aber die Überzeugung beider Parteien von der Bedeutung des Vertrages. Die Präambeln betonen den Willen zur Zusammenarbeit, was einseitiges Handeln ausschließt. Das staatliche Zuerkenntnis vertraglicher Bindungswirkung wird auch deutlich in den Begründungen zu den Vertragsgesetzen, in denen betont wird, die Verträge seien notwendig für eine dauerhafte geordnete Zusammenarbeit von Staat und Kirche.397 Die Partnerschaftlichkeit wird noch deutlicher darin, daß die Kirchenverträge mit den Freundschaftsklauseln den Willen zur amicabilis compositio, also dem Verzicht auf einseitiges Vorgehen, nochmals manifestieren. Das 394 Insoweit ebenso D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 260. Zum Vertrauensschutz bei Verträgen mit dem Staat allgemein J. A. Frowein, FS Flume I, S. 309. 395 Dies verkennt G. Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 84 f., der einseitig auf Vorteile, die die Kirchen aus den Staatskirchenverträgen ziehen, abstellt. 396 E.-W. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 112. 397 Vgl. nur beispielhaft die Begründung zum Wittenberger Vertrag, LT-Drs. 1/ 3083, S. 2 f. der Vertragsbegründung.

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läßt sich auch nicht verharmlosen, indem der Inhalt der Freundschaftsklausel dahingehend beschränkt wird, der Gesetzgeber müsse vor einseitigem Vorgehen die einvernehmliche Lösung mit den Kirchen suchen. Blieben diese Gespräche aber ohne Erfolg, dürfe er – quasi als ultima ratio – rechtmäßigerweise vertragswidriges Recht setzen.398 Damit hätte der Staat immer eine Art „Notfallkompetenz“ in petto, die er einsetzen könnte, wenn die Verhandlungen mit der Kirche für ihn nicht zufriedenstellend verliefen. Dies liefe der Grundvorstellung des Vertrages, daß eben beide Parteien an das Vereinbarte gebunden sein sollen, zuwider. Damit wäre das Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien zerstört. Die einseitige Aufhebung des Vertrages durch Gesetz ist daher nicht zulässig. (2) Aufhebbarkeit des Zustimmungsgesetzes Eine lex posterior richtet sich aber auch gegen das Vertragsgesetz. Dieses ist einseitig gesetzt worden, unterliegt daher grundsätzlich der Aufhebbarkeit durch den Gesetzgeber. Auch die Aufhebung des Zustimmungsgesetzes begegnet jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit. Das Vertragsgesetz hat eine Doppelfunktion – abgesehen von der Erfüllung des bereits angesprochenen Vorbehalts des Gesetzes.399 Mit dem Zustimmungsvorbehalt wird nicht nur der Erlaß eines Vertragsgesetzes zur Eingliederung des Vertrages in das Landesrecht gefordert, die Vertragsgeltung wird unter die aufschiebende Bedingung der parlamentarischen Genehmigung gestellt.400 Gibt das Parlament seine Zustimmung und genehmigt die Ratifikation, ist die aufschiebende Bedingung eingetreten. Der Vertrag kann in Kraft treten und ist vollgültig. Durch Wegfall des Einverständnisses wird einem Vertrag nicht die Grundlage entzogen, da die Genehmigung eines Vertrages grundsätzlich unwiderruflich ist.401 398 K. Obermayer, in: BK, Art. 140 Rdnr. 97. Ähnlich auch H. U. Anke, Neubestimmung, S. 208 f.: Dann greife der Kompetenzvorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“; dazu oben Dritter Teil, B.II.1.b). 399 Zu den mehrfachen Funktionen des Zustimmungsgesetzes F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 214. 400 J. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, VerfNRW, Art. 23 Rdnr. 10. 401 Für das Zivilrecht K. Larenz/M. Wolf, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, § 51 Rdnr. 17 f.; U. Leptien, in: Soergel, BGB, § 184 Rdnr. 2. Im Verwaltungsrecht ist die Rücknahme eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts nicht per se, in den meisten Fällen aber aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes unzulässig, vgl. H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 33; a. A. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 275 Rdnr. 37. Zum Vertrauensschutz s. unten Dritter Teil, B.II.4.b).

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Das Vertragsgesetz geht insoweit über eine bloße Zustimmung hinaus, als es nicht nur Bedingung für das Inkrafttreten des Vertrages, sondern auch für seine innerstaatliche Anwendbarkeit ist. Im Staatsvertragsrecht entspricht es – anders als in der Völkerrechtslehre402 – der herrschenden Auffassung, daß das Zustimmungsgesetz nicht nur einen Anwendungsbefehl für den Vertrag enthält, sondern diesen in Landesrecht transformiert.403 Die evangelischen Kirchenverträge sind weder völkerrechtliche noch Staatsverträge, sondern Verträge eigener Art. Sie stehen aber in der Tradition der völkerrechtlichen Konkordate, nach deren Vorbild sie entwickelt wurden. Daher werden auch sie nicht in staatliches Recht transformiert, das Zustimmungsgesetz formuliert nur einen Anwendungsbefehl.404 Dies entspricht auch mehr der Erkenntnis, daß es sich bei den Kirchenverträgen nicht nur um paktierte Gesetzgebung handelt. Es geht darüber hinaus um die Kooperation des Staates mit einem Rechtssubjekt, das zwar organisatorisch nach den Regeln des staatlichen Rechts aufgebaut ist, aber trotzdem dem Staat als eigenständige Rechtspersönlichkeit gegenübersteht und nicht in den Staatsaufbau eingeordnet werden kann. Die Zustimmungsgesetze kommen als gewöhnliche Gesetze durch unilaterales staatliches Handeln zustande. Ihre Abänderung oder Aufhebung muß sich aber an den oben erläuterten rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen. Dies wird vor allem durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz gewährleistet. Wie bereits ausgeführt, wird durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes405 in der Regel nur das Vertrauen geschützt, daß die Rechtslage für bereits abgeschlossene Rechtsverhältnisse nicht ex tunc geändert wird.406 Ex nunc dürfen Gesetze grundsätzlich geändert werden,407 wenn nicht ein besonderer Vertrauenstatbestand gesetzt wurde, daß die Rechtslage unverändert Bestand haben werde. Obwohl die Verträge ohne Zeitbegrenzung und ohne Kündigungsklausel, teilweise sogar ausdrücklich zur dauerhaften Verhältnisbestimmung von 402

s. dazu oben Dritter Teil, A.II.1. Dazu Chr. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, S. 233 ff. m. w. N. A. A. A. Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 82; ders., HdbStKirchR I, S. 275. 404 Ebenso F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 210; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 54; A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 72. 405 Zum Vertrauensschutz bei Gesetzgebungsverträgen vgl. F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 298 ff. 406 Dazu H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 68 ff., 71. 407 B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rdnr. 71; D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 242 f.; W. Leisner, FS Berber, S. 281 f. 403

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Staat und Kirche geschlossen werden, ist doch stets klar, daß Verträge nicht für die Ewigkeit geschlossen werden, sondern bei Veränderung der Interessenlage eine Anpassung erlauben. Bereits bei der Behandlung der (nach dem Völkerrecht zu beurteilenden) Konkordate wurde betont, daß der staatliche Gesetzgeber auch durch die völkerrechtliche Verpflichtung nicht daran gehindert wird, dieser durch Gesetz zuwiderzuhandeln, auch wenn er dadurch eine Vertragsverletzung begeht.408 Die evangelischen Kirchenverträge sind als Entsprechungen zu den traditionellen Konkordaten entwickelt worden. Deshalb kann man davon ausgehen, daß der Staat sich in ihnen nicht weitergehend binden wollte, als er das im Völkerrecht täte. Dort aber besteht die Möglichkeit, den innerstaatlichen Vollzugsakt jederzeit zu widerrufen. Daher kann man nicht annehmen, er wolle durch sein Zustimmungsgesetz zum evangelischen Kirchenvertrag eine Garantie abgeben, es während der Vertragslaufzeit unangetastet zu lassen. Ein Verbot, das Zustimmungsgesetz aufzuheben, ergibt sich also nicht aus vertraglicher Zusicherung. Allerdings setzt der Gesetzgeber, indem er das Zustimmungsgesetz erläßt, keine einseitige Regelung seines Verhältnisses zur Kirche, sondern er stimmt einer einvernehmlich zustandegekommenen Einigung zu. Damit wird das Vertrauen erweckt, daß er den zugrundeliegenden Vertrag bejaht. Da die Kirchenverträge keine bloßen Verwaltungsverträge sind, mit denen sich nur die Exekutive selbst bindet, sie den Staat vielmehr insgesamt verpflichten, erweckt eine Zustimmung zum Vertrag das Vertrauen, daß der Gesetzgeber auch seine eigene Verpflichtung bejaht. Bei völkerrechtlichen Verträgen wird daraus nicht der Schluß gezogen, daß der Gesetzgeber so weit an den Vertrag gebunden ist, daß er sein Zustimmungsgesetz nicht aufheben könnte; es wird vielmehr hingenommen, daß völkerrechtliche Verpflichtung und innerstaatliches Recht einander widersprechen.409 Dies ist bei dualistischer Betrachtung des Verhältnisses von Völker- und Staatsrecht auch konsequent. Hier führt eine Verletzung der völkerrechtlichen Pflicht zur Vertragserfüllung auch nur auf völkerrechtlicher Ebene zu Konsequenzen, die in der Staatenverantwortlichkeit liegen. Eine völkerrechtliche Verpflichtung trifft den Staat nur in seiner Rolle als Subjekt des Völkerrechts, kann aber nicht direkt auf die innerstaatlichen Organe durchschlagen. Beide Rechtsordnungen beeinträchtigen sich nicht gegenseitig; der staatliche Gesetzgeber ist (innerstaatlich) nicht zur Beachtung fremder Rechtsordnungen verpflichtet und damit auch nicht daran gehindert, völkerrechtswidriges Recht zu setzen. Die evangelischen Kirchenverträge werden jedoch nach staatlichem Recht abgeschlossen. Aber selbst dem innerstaatlichen Recht ist diese Konstellation nicht fremd. Auch beim Verwaltungsvertrag kann es vorkommen, daß ein Gesetz unmittelbar in 408 409

Vgl. oben Dritter Teil, A.II.2.b)(1). H. U. Anke, Neubestimmung, S. 186 ff. s. dazu oben Dritter Teil, A.II.2.

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das vertraglich geregelte Rechtsverhältnis eingreift. Dabei ist nirgends normiert, daß eine lex posterior den Vertrag aufheben kann. Diese Frage ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, ein abweichendes Gesetz beseitige den betroffenen Verwaltungsvertrag unmittelbar.410 Nach anderer Auffassung mag das Kündigungsrecht der Verwaltung aus § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG greifen oder die clausula rebus sic stantibus,411 automatisch entfällt der Vertrag bei Änderung der Gesetzeslage nicht.412 Im Völker- wie (nach der letztgenannten Auffassung) im innerstaatlichen Recht wird durch diese dualistische Unterscheidung von Vertrag und Gesetz der Normenkonflikt perpetuiert.413 Im Völkerrecht rechtfertigt sich dieses Ergebnis durch die unterschiedlichen Rechtsordnungen, die einschlägig sind. Bei den Verwaltungsverträgen bewegen sich die gegenläufigen Normen auf verschiedenen Ebenen: Der Gesetzgeber, der selbst nicht an den Vertrag gebunden ist, verpflichtet die Verwaltung von staatlicher Seite aus zu einem bestimmten Handeln, der Vertrag hingegen verpflichtet sie im Verhältnis zum Bürger. Im Fall der Kirchenverträge sind die Parteien jedoch identisch: Hier ist die gesetzesändernde Gewalt zugleich Partei des Vertrages. Hebt nun der Gesetzgeber das Zustimmungsgesetz auf und verletzt dadurch den Vertrag, kommt es innerstaatlich zu einem Normwiderspruch. Ein Normwiderspruch zwischen zwei verschiedenen Rechtsordnungen kann hingenommen werden, weil diese nicht in einem Hierarchieverhältnis zueinander stehen. Die eine, innerstaatliche Rechtsordnung hingegen muß widerspruchsfrei sein. Dies gebietet der rechtsstaatliche Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.414 Die entgegenstehende Auffassung415 ist noch ein Re410 M. Bullinger, DÖV 1977, S. 818; L. Eckert, DVBl. 1962, S. 16; G. Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 60 Rdnr. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 60 Rdnr. 6a. 411 So H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 60 Rdnr. 14. Zur clausula rebus sic stantibus bei den evangelischen Kirchenverträgen vgl. auch schon oben Dritter Teil, B.I.3. 412 J. A. Frowein, FS Flume I, S. 309 f. 413 F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 225. 414 Dazu BVerfGE 98, 83 (97); 98, 265 (301); H. U. Anke, Neubestimmung, S. 188 f.; F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 228; B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rdnr. 56; H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 63. Vgl. auch P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, S. 8. 415 So A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 140 Rdnr. 61; ders./H. de Wall, Staatskirchenrecht, S. 147; D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 305; H. M. Heinig, Religionsgesellschaften, S. 254; A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 276 (anders jedoch noch in ders., Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 158 ff.); E. Ruppel, Kirchenvertragsrecht, S. 128; W. Rüfner, FS Starck, S. 1184; U. Scheuner, FS Ruppel, S. 324. Dagegen A. Erler, Kirchenrecht, S. 119.

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

sultat der alten Grundannahme, daß die evangelischen Kirchenverträge nicht dem staatlichen Recht, sondern einem staatlich-kirchlichen Zwischenrecht angehörten.416 Nachdem aber gezeigt wurde, daß die Kirchenverträge Verträge staatlichen Rechts sind, kann der Widerspruch zumindest von der Warte des Staates aus nicht geduldet werden. Dieser Widerspruch kann nur aufgehoben werden, wenn entweder der Vertrag unwirksam wird, oder aber der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des Vertrages wieder anordnet. Der Vertrag selbst ist dem Gesetzgeber nun entzogen. Damit besteht eine Kollision der Rechtsnormen in der Weise, daß auf der einen Seite die Anwendung des Vertrages nicht möglich ist, da der Anwendungsbefehl fehlt, auf der anderen Seite die vertragliche Weisung besteht, ebendiesen Anwendungsbefehl zu erlassen. Dieser Widerstreit bleibt erhalten, bis der Anwendungsbefehl wieder gegeben wird. Das Gesetz könnte also nur um den Preis des Gebots des sofortigen Wiedererlasses aufgehoben werden. In diesem Fall aber das Zustimmungsgesetz (entweder isoliert oder durch Gesetz, das ausdrücklich dem Vertrag widersprechende Normen enthält) außer Kraft zu setzen, widerspräche dem Verbot des venire contra factum proprium.417 Dennoch wird es als rechtsstaatlich geboten betrachtet, daß durch eine Rechtsänderung auf der Seite einer Vertragspartei nicht nur der Zustimmungsakt, sondern auch der zugrundeliegende Vertrag nichtig sein und mit dem Vertragsgesetz auch der Vertrag hinfällig werden müsse.418 Im Anschluß daran argumentiert Anke, eine Durchbrechung der Vertragswirkung durch den Gesetzgeber müsse (wenn auch nur in Ausnahmefällen eines überwiegenden öffentlichen Interesses) möglich sein. Ansonsten komme es unzulässigerweise zu einer nebenstaatlichen Rechtsordnung.419 Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist eine Forderung des Rechtsstaatsprinzips.420 Nicht nur die Freiheit des Gesetzgebers ist jedoch verfassungsrechtlich gesichert, auch der Grundsatz pacta sunt servanda ist ein Grundsatz 416 So ausdrücklich D. Pirson, Vertragsstaatskirchenrecht, EvStL, 3. Aufl., Sp. 3823 f. 417 Vgl. D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 260. 418 H. Quaritsch, FS Schack, S. 139. Anders für völkerrechtliche Verträge das BVerfG, BVerfGE 6, 290 (295). 419 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 188 mit Fn. 612, S. 209. Zustimmend F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 229; M. Germann, Kirchenverträge, RGG IV, Sp. 1362. Unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 3 GG kommt zu demselben Ergebnis J. A. Frowein, FS Flume I, S. 310 f. 420 Dazu BVerfGE 98, 83 (97); 98, 265 (301); B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rdnr. 56; H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 63. Vgl. auch P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, S. 8.

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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deutschen Verfassungsrechts421. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordern nicht eine ausnahmslose Entscheidungsfreiheit des Staates.422 Das öffentliche Interesse, auf das hier rekurriert wird, ist keine feste Größe, damit unbestimmt und für die Kirche als Vertragspartei nicht vorhersehbar.423 Es ist auch nicht einsichtig, warum die Auflösung eines Widerspruchs in der Rechtsordnung wie selbstverständlich zu Gunsten der Rechtsetzungsfreiheit des Staates und zu Lasten vertraglicher Verpflichtungen gehen soll. Es spricht vielmehr einiges gerade für die gegenteilige Lösung: Der Vertragsschluß hat einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der besonders schützenswert ist. Ein solcher kommt dem einseitig erlassenen vertragswidrigen Gesetz nicht zu. Der Vertrag ist daher schützenswerter und wäre in einer Abwägung vorzuziehen. Vor allem ist diese Durchbrechung des Vertrauensschutzes unnötig: In den Ausnahmefällen, in denen Anke die Befreiung des Staates von der Vertragsbindung fordert, stehen ihm auch die vertragsrechtlich vorgesehenen Mittel zur Verfügung, vor allem die clausula rebus sic stantibus.424 Damit kann die betroffene Vertragspartei eine Anpassung des Vertrages verlangen; wenn diese scheitert, kommt als ultima ratio die Kündigung des Vertrages in Betracht. Geht es aber nicht um eine derart schwerwiegende Vertragsstörung, sondern nur um eine generelle Unzufriedenheit mit dem Vertrag, gibt es keinen rechtfertigenden Grund, die Vertragsbindung zu lockern;425 derartige Fragen gehören in die amicabilis compositio. In dieser ist es stets möglich, den Vertrag an veränderte Rahmenbedingungen oder Interessen aller Beteiligten anzupassen. Abgesehen davon muß auch der Staat den Vertrag nach dem Grundsatz pacta sunt servanda gegen sich gelten lassen. Daß dies die Freiheit der Rechtsetzung in gewissem Maße einschränkt,426 ist ein Faktum, aber dies ist der Sinn eines Vertragsschlusses. Die Kirchenverträge sind damit der einfachen Gesetzgebung entzogen.427 Ein vertragsverletzendes Gesetz verstieße also gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es wäre verfassungswidrig und damit nichtig.428 421

Vgl. BVerfGE 34, 216 (230 ff.). A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 159. 423 Kritisch zur Einschränkung des Vertrauensschutzes aus Gründen des öffentlichen Interesses auch W. Leisner, FS Berber, S. 295. 424 Dies erkennt selbst L. Renck, ZRP 2006, S. 88, an. 425 Vgl. auch K. Vogel, JZ 1997, S. 165. Ähnlich für die sog. Qualitätspakte mit den Hochschulen R. Uerpmann, JZ 1999, S. 651. 426 Dies kritisiert L. Renck, ZRP 2006, S. 88. 427 Allgemein zustimmend zur Bindung des Gesetzgebers an Verträge R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VI, Rdnr. 21. 428 Zur Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze schon BVerfGE 1, 14 (36 f.); s. auch K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 256. 422

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Alle Änderungen des Vertrages richten sich daher nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts. Selbstverständlich schränkt dies den Gesetzgeber in seiner gesetzgeberischen Freiheit ein. Hier ist aber daran zu erinnern, daß die Bindung an den Vertrag freiwillig und mit dem Willen zu gegenseitiger Verbindlichkeit erfolgte. Daher muß dem Anspruch der Kirche auf Vertragstreue der Vorrang gegenüber der völligen Freiheit des Parlaments eingeräumt werden. Dies führt dazu, daß der Staat, und damit auch der parlamentarische Gesetzgeber, wenn er einem Vertrag einmal zustimmt, so lange an den Vertrag gebunden ist, bis der Vertrag – nach den Regeln des Vertragsrechts und nur nach dessen Maßgaben von ihm beeinflußbar – zu einem Ende kommt. Der Vertrag unterliegt nicht der alleinigen Verfügungsgewalt des Gesetzgebers, die Vertragsgeltung ist vielmehr unabhängig vom fortdauernden (parlamentarischen) Willen. Insoweit können auch die Auffassungen nicht überzeugen, die zwar grundsätzlich darin übereinstimmen, daß der Gesetzgeber zur einseitigen Aufhebung des Vertrages nicht befugt ist, andererseits als Rechtsfolge eines Verstoßes nur die Pflicht zur Entschädigung oder zum Erlaß von Übergangsvorschriften429 fordern. Der Erlaß von Übergangsvorschriften ist eine reguläre Möglichkeit, um bei Gesetzesänderungen die im Vertrauen auf die Fortgeltung des Gesetzes getroffenen Dispositionen zu schützen.430 Bei Verletzung einer Vertragspflicht ist normale Rechtsfolge Schadensersatz als Naturalrestitution, also Herstellung eines vertragsgemäßen Zustands. Die Vertragserfüllung im vorliegenden Fall besteht darin, die vertragswidrige Gesetzeslage durch erneuten Erlaß des Zustimmungsgesetzes wieder in eine vertragskonforme zu wandeln. Auch insoweit besteht hier daher kein schützenswertes Interesse an der Erhaltung eines vertragswidrigen Gesetzes, so daß es bei der regulären Folge, daß das verfassungswidrige Gesetz nichtig ist, bleibt. 5. Änderung des Zustimmungsgesetzes Wenn nun die Vertragsbindung nicht dadurch beseitigt werden kann, daß der Gesetzgeber ein Gesetz erläßt, das dem Vertrag widerspricht, weil ein solches Gesetz verfassungswidrig und damit nichtig wäre, so bleibt die Frage, ob er sich der Vertragsbindung noch anderweitig entziehen kann. Hier ist etwa daran zu denken, daß er das Vertragsgesetz modifiziert, etwa die Zustimmung auf einzelne Vertragsklauseln beschränkt. Geht man davon 429 So aber D. Wengenroth, Rechtsnatur, S. 265; dem zuneigend auch H. U. Anke, Neubestimmung, S. 207. Allgemein St. Muckel, Vertrauensschutz bei Gesetzesänderungen, S. 119 ff. Wie hier hingegen F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 311, Fn. 243. 430 W. Leisner, FS Berber, S. 296 f.

B. Verbindlichkeit der evangelischen Kirchenverträge

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aus, daß sich die Bindung an den Vertrag erst und nur aus dem Zustimmungsgesetz ergibt, so könnte die Schlußfolgerung naheliegen, daß mit dem Zustimmungsgesetz auch diese Bindung beseitigt werden kann. Dies könnte auch ein milderes Mittel im Verhältnis zur völligen Aufhebung des Vertrages darstellen. Ein historisches Beispiel für ein solches Vorgehen – wenn auch aus dem Bereich des Konkordatsrechts – ist das Verhalten der Bayerischen Landesregierung nach Abschluß des Bayerischen Konkordats 1817.431 Das Zustimmungsgesetz wurde zusammen mit einem Religionsedikt erlassen, das dem Gesetz in wesentlichen Punkten widersprach und Vorrang vor dem Zustimmungsgesetz beanspruchte.432 Die Frage, welcher Norm der rechtliche Vorrang gebühre, wurde bis zum Ende des Konkordats 1918 nicht abschließend geklärt.433 Grundlage für das Vorgehen der Bayerischen Regierung war wohl die Befolgung der Legaltheorie, nach der eine Abänderung eines Kirchenvertrages, das ja nur als Staatsgesetz galt, alleinige Angelegenheit des Staats war.434 Unter Anerkennung der Vertragstheorie für die Konkordate stellt eine solche Änderung des Zustimmungsgesetzes eine Vertragsverletzung dar. Dies gilt in gleichem Maße für die evangelischen Kirchenverträge. Es wurde gerade herausgestellt, daß das Zustimmungsgesetz für das Zustandekommen des Gesetzes und seine Einfügung in das innerstaatliche Recht notwendig ist. Hat das Parlament einmal zugestimmt, kann es den Vertrag selbst mit gesetzgeberischen Mitteln nicht erreichen. Allenfalls kann es seine innerstaatliche Anwendbarkeit durch Aufhebung des Zustimmungsgesetzes beenden, das geht aber nur unter Inkaufnahme des Vertragsbruches. Dies folgt auch daraus, daß der Gesetzgeber im Zustimmungsgesetz den Vertrag nur in Gänze annehmen oder ablehnen kann. Könnte er dann später die Anwendbarkeit einzelner Vertragsbestimmungen durch Änderung des Vertragsgesetzes aufheben, wäre dies ein Widerspruch in sich. 6. Rechtsschutz Darf der Gesetzgeber nun den Vertrag nicht verletzen, so steht doch außer Frage, daß er die faktische Möglichkeit dazu hat. Denn auch wenn das 431

s. dazu bereits oben Erster Teil, A. Dazu E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 419 ff, 427 ff.; H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 195 ff.; A. Schneider, Der Rechtsinhalt des bayerischen Konkordates, S. 18 ff. Der bayerischen Auffassung zustimmend W. Kahl, Kirchenrecht, S. 240, 303. 433 H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 197. 434 H. Reis, JöR n. F. 17 (1968), S. 199. 432

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

Gesetz, das den Kirchenvertrag verletzt, verfassungwidrig und damit nichtig ist, so entfaltet es doch bis zur Nichtigerklärung durch das BVerfG Bindungskraft.435 In diesen Fällen stellt sich das Problem, ob und wie die geschädigte Partei Rechtsschutz erlangen kann. Rechtsschutz gegen Vertragsverletzungen durch Gesetz kann allein auf verfassungsgerichtlicher Ebene gewährt werden.436 Durch eine Vertragsverletzung wird die Kirche weniger in ihrer Religionsausübung (die Art. 4 GG zuzurechnen wäre) als in ihrer Organisationsstruktur und Zusammenarbeit mit dem Staat (dem Anwendungsbereich von Art. 140 GG) beeinträchtigt.437 Eine Verfassungsbeschwerde müßte daher eigentlich bereits an der fehlenden Grundrechtsverletzung scheitern – Art. 140 GG ist nicht verfassungsbeschwerdefähig.438 Das BVerfG beschränkt sich in der Prüfung der Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde allerdings nicht darauf, eine Grundrechtsverletzung zu prüfen. Es untersucht zusätzlich zu dem (für die Beschwerdebefugnis erforderlichen) gerügten Grundrecht die verfassungsrechtliche Lage unter jedem Gesichtspunkt.439 In der „Zeugen-Jehovas-Entscheidung“440 ließ das BVerfG sogar die abstrakte Möglichkeit einer Verletzung von Art. 4 GG in der Zulässigkeitsprüfung der Verfassungsbeschwerde genügen, in der Begründetheit prüfte es allein Art. 140 GG.441 Die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 4 GG wurde also nur noch als „Einstiegshilfe“ in die Begründetheitsprüfung genutzt, einer materiellen Betroffenheit aber keine große Bedeutung zugemessen. So nähert sich das BVerfG im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, dem Teil des Schrifttums an, der die Möglichkeit einer allein auf Art. 140 GG gestützten Verfassungsbeschwerde befürwortet.442 Ob durch die Verletzung eines Kirchenvertrages das Selbstbestimmungsrecht der Kirche nach Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV berührt werden kann, hat die Rechtsprechung noch nicht beantwortet.443 Art. 140 GG schreibt nicht vor, daß das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaf435

K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 257. Dazu ausführlich H. U. Anke, Neubestimmung, S. 192 ff. 437 Der Möglichkeit einer Verletzung in Art. 140 GG durch Verletzung des Kirchenvertrages steht ablehnend gegenüber H. Weber, HdbStKirchR II, S. 1071. 438 U. Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG III, Art. 140 Rdnr. 4; H. Weber, HdbStKirchR II, S. 1070. 439 BVerfGE 17, 252 (258); 42, 312 (324); 53, 366 (390). 440 BVerfGE 102, 370. 441 BVerfGE 102, 370 (383, 348 ff.). Ähnlich auch schon BVerfGE 42, 312 (325 ff.). 442 So z. B. H. U. Anke, Neubestimmung, S. 201 ff.; a. A. M. Büning, NVwZ 2001, S. 900; D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 307. 443 In der Literatur wird dies bejaht von H. U. Anke, Neubestimmung, S. 201 ff. 436

C. Fazit

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ten vertraglich geregelt werden muß.444 Andererseits verbietet er es auch nicht und akzeptiert die hergebrachte Praxis, Staatskirchenverträge zu schließen. Jedoch stellt nicht jeder Verstoß gegen das Vertragsrecht zugleich den Ausdruck genereller Negierung des Vertragsinstruments dar. Dies wird aber wohl notwendig sein, damit von einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts durch Vertragsverletzung gesprochen werden kann. Wenn nicht nur ein Vertrag gebrochen wird, sondern der Gesetzgeber erkennen läßt, daß er das Instrument Staatskirchenvertrag insgesamt nicht anerkennen will, tangiert dies das Selbstbestimmungsrecht. Denn damit negiert er dann die eigenständige und „souveräne“ Stellung der Kirchen im Staat.445 Eine Verfassungsbeschwerde ist nichtsdestotrotz möglich, wenn durch die Vertragsverletzung Rechte betroffen sind, die auch grundrechtlich abgesichert sind.446 Zudem kann eine Verfassungsbeschwerde auf die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips gestützt werden.447 Da die Aufhebung des Vertragsgesetzes gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, ist eine Verfassungsbeschwerde unter Bezug auf Art. 2, 20 GG möglich. Entsprechend wäre auch Schutz durch die Verfassungsgerichte der Länder im Landesverfassungsbeschwerdeverfahren gegeben. Einige Bundesländer gewähren darüber hinaus noch weitergehenden Rechtsschutz. Bremen und Rheinland-Pfalz erlauben allen Körperschaften des öffentlichen Rechts den Gang vor das Landesverfassungsgericht bei „Zweifelsfragen über die Auslegung der Verfassung und andere staatsrechtliche Fragen“ (Art. 140 BremVerf.) bzw. dann, wenn sie „sich in ihren Rechten beeinträchtigt“ glauben (Art. 130 Abs. 1 S. 2 RhPfVerf.).448

C. Fazit In der Zusammenschau läßt sich daher feststellen, daß Konkordate mit dem Heiligen Stuhl und Kirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen unterschiedlich zu behandeln sind. Die Konkordate sind völkerrechtliche Verträge, deshalb richtet sich auch ihr Bestand nach den Regeln des Völkerrechts. Innerstaatliche Rechtsakte können dem Vertrag nichts an444

A. Hollerbach, HdbStKirchR I, S. 266 f. A. A. H. U. Anke, Neubestimmung, S. 195, der bei jeder Vertragsverletzung davon ausgeht, daß der Gesetzgeber das System vertraglicher Bindung in Abrede stelle. 446 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 307. 447 BVerfGE 72, 175 (196); 97, 271 (285 ff.); H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 223. 448 A. A. D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 307, der davon ausgeht, die Kirchen seien keine Körperschaften im Sinne dieser Vorschriften. 445

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3. Teil: Die (Selbst-)Bindung des Staates durch Staatskirchenverträge

haben, sondern allenfalls das Zustimmungsgesetz, und damit die innerstaatliche Anwendbarkeit beseitigen. Gerichtlicher Rechtsschutz dagegen fehlt, da der Heilige Stuhl sich keiner internationalen Gerichtsbarkeit unterworfen hat. Die evangelischen Kirchenverträge hingegen, die die Rechtsnatur von Verträgen sui generis in der staatlichen Rechtsordnung haben, richten sich auch in ihrem Bestand nach dem Verfassungsrecht. Das Rechtsstaatsprinzip verhindert jedoch sowohl eine Aufhebung des Vertrages als auch des Zustimmungsgesetzes. Ein Verstoß dagegen kann mittels einer Verfassungsbeschwerde gerichtlich gerügt werden. Durch diese Möglichkeit wird somit den evangelischen Kirchen eine Rechtsschutzmöglichkeit gegeben, die der katholischen Kirche/dem Heiligen Stuhl so nicht offensteht. Dies wird allerdings dadurch kompensiert, daß der Heilige Stuhl sich dafür aller völkerrechtlichen Maßnahmen bedienen kann. Eine gerichtliche Klärung scheidet zwar (zum jetzigen Zeitpunkt) aus, aber nur, weil der Heilige Stuhl aus freien Stücken auf den Beitritt zum IGH-Statut verzichtet hat. Alle anderen Mittel stehen ihm offen, vor allem die diplomatischen Sanktionen. Um diese Mittel zu ergreifen, ist er dank seiner völkerrechtlichen Stellung auch nicht auf staatlichen Rechtsschutz verwiesen wie die evangelischen Kirchen es sind, er ist vom Rechtssystem des Vertragsstaates unabhängig. Erstrebt die katholische Kirche ein Vertragswerk, dessen Einhaltung sie vor der staatlichen Gerichtsbarkeit einklagen kann, so bleibt es ihr unbenommen, auf staatlicher Ebene Bistumsverträge oder ähnliche Verträge, die nicht im Völkerrecht geschlossen werden, auszuhandeln.

Vierter Teil

Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien Das deutsche System des Staatskirchenrechts ist wohl im internationalen Vergleich dasjenige, das den stärksten Schwerpunkt auf das Vertragsrecht, also auf einvernehmliche Übereinkünfte von Staat und Kirche in gemeinsamen Angelegenheiten legt. Konkordate sind international verbreitet, Verträge mit anderen Religionsgemeinschaften aber sehr selten. Gerade deshalb ist es interessant, Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vergleich herauszuarbeiten. Es gibt im Wesentlichen zwei Länder, in denen sich die Gestaltung vertraglicher Beziehungen nicht auf die Konkordate mit der Katholischen Kirche beschränkt: Italien und Spanien. Mag dies angesichts der ausgeprägt katholischen Tradition beider Länder auch erstaunlich erscheinen, so haben doch beide Länder in ihrem Rechtssystem die Möglichkeit staatskirchenrechtlicher Verträge mit nichtkatholischen Religionsgemeinschaften vorgesehen (so in Spanien)1 oder gar vorgeschrieben (so in Italien)2. Vielleicht erklärt die katholische Geschichte dies sogar, gehört doch so die vertragliche Einigung mit der als ebenbürtig anerkannten Kirche ebenfalls zur Tradition beider Länder. Diese wird nun – im Zeichen der Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Kirche – auch auf die anderen Konfessionen und Religionen ausgeweitet.

A. Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts in Spanien Vorliegend soll nun der Vergleich mit Spanien gesucht werden,3 dessen Entwicklung insoweit am aktuellsten ist, als Vertragsabschlüsse mit den 1 So Art. 16 Abs. 3 der Spanischen Verfassung. Vgl. dazu ferner unten Vierter Teil Fn. 7. 2 Vgl. Art. 7 und 8 der Italienischen Verfassung. Zum italienischen Staatskirchenrecht s. S. Ferrari, Staat und Kirche in Italien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, S. 229–253. 3 Zur aktuellen Situation des Staatskirchenrechts in Spanien s. in der deutschsprachigen Literatur I. C. Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der EU, 2. Aufl., S. 151 ff.; St. Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, S. 314 ff.; M. J. Roca, Essener Gespräche 40 (2007), S. 127 ff.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

nichtkatholischen Religionsgemeinschaften erst in den neunziger Jahren erfolgten. Obwohl – oder gerade weil – dieses Land traditionell katholisch geprägt ist, mußte es seinen Weg finden, sein Verhältnis zu den verschiedenen Religionsgemeinschaften zu regeln. Aufgrund der Quasi-Monopolstellung der katholischen Kirche gab es jahrhundertelang ein rechtliches Verhältnis des Staates nur zu dieser.4 Es war zunächst durch umfassende Konkordate geregelt, zuletzt durch das Konkordat von 1953. In den Jahren 1976–1979 wurde es durch ein Konglomerat aus mehreren Einzelverträgen zu speziellen Themen ersetzt. Andere Religionsgemeinschaften kamen in den Blick des Staates erst durch die Verfassung von 1978. Diese fordert in Art. 16 Abs. 3 staatliche Kooperation nicht nur mit der katholischen Kirche, sondern auch mit den anderen Religionsgemeinschaften, wobei die Form der Zusammenarbeit nicht festgelegt ist.5 Konkretisiert wurde das Gebot der Kooperation im Jahr 1980 durch das Gesetz über Religionsfreiheit (Ley Orgánica de la Libertad Religiosa [LOLR]6), das bestimmt, daß das Verhältnis zu den bedeutendsten Religionsgemeinschaften durch Vertrag geregelt werden soll.7 Nach einigen Jahren der Vorbereitung kam es schließlich 1992 zu Vertragsschlüssen mit drei (nichtkatholischen) Religionsgemeinschaften – oder besser: religiösen Vereinigungen, denn sie bestehen zum Teil aus mehreren Religionsgemeinschaften, die sich allein zum Zwecke des Vertragsschlusses vereinigt haben. Dies sind die Vereinigung der evangelischen Kirchen (Federación de Entidades Religiosas Evangélicas de España [FEREDE])8, 4 Dazu M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 102. 5 So ausdrücklich die Begründungen (Exposiciones de Motivos) zu den Verträgen mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften; ebenso D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 159 f.; A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 289; A. Motilla, ADEE III (1987), S. 179; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 201. 6 Gesetz 7/1980 vom 5. Juli 1980, BOE Nr. 177 vom 24. Juli 1980. 7 Art. 7 Abs. 1 LOLR lautet: „El Estado, teniendo en cuenta las creencias religiosas existentes en la sociedad española, establecerá, en su caso, Acuerdos o Convenios de cooperación con las Iglesias, Confesiones y Comunidades religiosas inscritas en el Registro que por su ámbito y nfflmero de creyentes hayan alcanzado notorio arraigo en España. En todo caso, estos Acuerdos se aprobarán por Ley de las Cortes Generales.“ – „Der Staat wird unter Berücksichtigung der in der spanischen Gesellschaft bestehenden religiösen Überzeugungen gegebenenfalls Verträge oder Kooperationsabkommen mit den Kirchen, Konfessionen oder religiösen Gemeinschaften abschließen, die im Register eingetragen sind, soweit sie durch ihre Verbreitung und die Zahl ihrer Mitglieder in Spanien Bedeutung erlangt haben. In jedem Fall werden diese Verträge von den Cortes Generales durch Gesetz genehmigt.“

B. Voraussetzungen für den Abschluß von Staatskirchenverträgen

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die jüdische Gemeinschaft (Federación de Comunidades Israelitas de España [FCIE]) und der Islamrat (Comisión Islámica de España [CIE]). Diesen Verträgen stimmten die Cortes Generales mit den Gesetzen 24, 25 und 26/ 1992 vom 10. November 19929 zu. Die Gesetze sind nicht nur an demselben Tag verabschiedet worden, auch die Inhalte der Verträge sind, von wenigen religionsbezogenen Besonderheiten abgesehen, wortgleich formuliert. In der spanischen Literatur ist die Einstellung den Verträgen zwischen Staat und Kirche gegenüber (insbesondere, wenn sie über Verträge mit der katholischen Kirche hinausgehen) tendenziell kritischer, als dies in Deutschland der Fall ist, insbesondere wird im Abschluß von Staatskirchenverträgen eine Gefahr für die Gleichheit der Religionsgemeinschaften gesehen.10

B. Voraussetzungen für den Abschluß von Staatskirchenverträgen Nicht jede beliebige Religionsgemeinschaft kann Verträge mit dem Staat schließen. Dafür in Frage kommen nach Art. 7 Abs. 1 LOLR nur Religionsgesellschaften, die in das staatliche Verzeichnis der Religionsgemeinschaften eingetragen sind. Ferner müssen sie in Spanien gesellschaftliche Bedeutung erlangt haben (sog. notorio arraigo – insoweit wohl vergleichbar mit den Anforderungen, die in Deutschland Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV zur Erlangung des Körperschaftsstatus stellt, wenn er verlangt, die antragstellende Religionsgemeinschaft müsse „durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.“). Daher gibt es in Spanien heute drei11 (oder gar vier)12 verschiedene Stufen des Verhältnisses zum Staat: Zuerst die katholische Kirche, die in der Verfassung ausdrücklich genannt ist und dadurch eine Sonderstellung einnimmt. 8

Zu dieser Gemeinschaft gehören allerdings nicht nur evangelische Religionsgemeinschaften, ihr haben sich vielmehr auch z. B. orthodoxe Kirchen angeschlossen, um in den Genuß des Vertragsschlusses zu kommen. 9 BOE Nr. 272 vom 12. November 1992. 10 Kritisch z. B. D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 170 f.; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 174 ff. 11 So F. A. Concheiro Teijido, Algunas consideraciónes sobre la naturaleza jurídica de los Acuerdos españoles con las confesiones religiosas minoritarias y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 542; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 191 f. 12 I. C. Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der EU, 2. Aufl., S. 159.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

Sodann gibt es die Stufe der übrigen Religionsgemeinschaften, die ihr Verhältnis zum Staat vertraglich geregelt haben. Diejenigen, die keine Verträge abgeschlossen haben, aber im Verzeichnis der Religionsgemeinschaften eingetragen sind und damit Rechtspersönlichkeit besitzen, haben einen dritten Status. Zuletzt könnte man als eine vierte Gruppe die verbleibenden Religionen, auf die keine der zuvor genannten Situationen zutrifft und die daher keine Rechtsbeziehung zum Staat aufweisen, nennen. Die für den Abschluß von Staatskirchenverträgen kompetenten Stellen sind auf seiten der Religionsgemeinschaften recht einfach auszumachen (für die katholische Kirche der Heilige Stuhl, im Fall der anderen Religionsgemeinschaften die jeweilige Leitungsebene). Auf Seiten des Staates werden die Verträge in der Regel mit dem Zentralstaat geschlossen. Trotz der Untergliederung in 17 Autonome Regionen, die in Art. 2 und 137 der Spanischen Verfassung (Constitución Española [CE]) vorgesehen ist, ist Spanien kein Bundesstaat, den Regionen kommt keine eigene Staatlichkeit zu. Noch relativ unkompliziert ist es bei den Konkordaten, die nach ganz einhelliger Auffassung als Vertragspartei den Staat insgesamt binden. Im Fall der nichtkonkordatären Verträge ist jedoch etwas unklar, ob sie mit dem Staat insgesamt abgeschlossen werden, oder ob sie nur die unterzeichnende Regierung verpflichten. Die alle Staatsorgane umfassend verpflichtende Wirkung würde dann erst dem Umsetzungsgesetz zukommen. Angesichts des Wortlauts von Art. 7 Abs. 1 LOLR, der als Handelnden ausdrücklich den Staat („el Estado“) nennt, spricht jedoch einiges dafür, den Staat als Ganzen in die Pflicht zu nehmen: Vertragspartner, und damit aus dem Vertrag verpflichtet, ist also nicht die Regierung, sondern der Staat insgesamt. Dazu ist aus Gründen der Gewaltenteilung die parlamentarische Zustimmung erforderlich. Wird diese aber erteilt, ist kein Grund ersichtlich, warum nur die Regierung durch den Vertrag gebunden sein sollte.13

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge Seit dem Erlaß der LOLR im Jahr 1980 ist in Spanien ein heißer Streit um Rechtsnatur und Bestandskraft der Verträge entbrannt. Auch der zwi13 J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 77; P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 356, Fn. 78; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 111. Wohl ebenso M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 97. A. A. D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 214, 223; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 166 f.

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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schenzeitliche Abschluß der Verträge mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften und ihre Bestätigung durch die Cortes Generales haben nicht zur endgültigen Klärung der Frage geführt. In der Literatur wird unterschieden zwischen den Verträgen mit dem Heiligen Stuhl (bezeichnet als Concordatos) und den Verträgen mit den anderen Religionsgemeinschaften (Acuerdos). I. Die Konkordate Den Verträgen mit dem Heiligen Stuhl wird durchweg die Qualität völkerrechtlicher Verträge zuerkannt.14 Dies gilt zunächst für Konkordate im engeren Sinne als umfassende Regelungen des Staat-Kirche-Verhältnisses. Es wird aber auch auf die die 1976–1979 geschlossenen Teilverträge erstreckt,15 obwohl diese keine Konkordate im gerade genannten strengen Sinne mehr darstellen16. Schon in ihrem Zustandekommen entsprechen die Konkordate nicht der LOLR – im Gegensatz zu dem nach Art. 7 LOLR vorgeschriebenen Verfah14 So der spanische Verfassungsgerichtshof, Entscheidung 66/1982 vom 12. November 1982, Begründung, Nr. 5 und Entscheidung 93/1983 vom 8. November 1983, Vorbemerkung Nr. 3; D. Basterra Montserrat, ADEE VII (1991), S. 584; J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 83; J. Goti Ordeñana, Sistema de derecho eclesiástico del Estado, S. 264; I. C. Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der EU, 2. Aufl., S. 155; ders./L. Prieto Sanchis/A. Motilla, Curso de Derecho Eclesiástico, S. 150 mit Fn. 36; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 216; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 165 f.; P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 344; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 29, der allerdings zu einer Einordnung der Konkordate als Verträge sui generis neigt, S. 30, das sich aber analog zum Völkerrecht verhalte, S. 34, Fn. 25. s. dazu auch dens., Revista de Estudios Políticos 187 (1973), S. 230, 260 f. mit Fn. 63; J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 140; dens., Separatismo y cooperación, S. 100; A. Motilla, ADEE III (1987), S. 183 ff.; dens., Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 44; M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 105; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 211; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 295. Für eine analoge Anwendung der Regeln des Völkerrechts D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 240. 15 A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 52; A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 44 f.; ders., ADEE III (1987), S. 186. 16 J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 209. A. Fernández-Coronado González, Acuerdo con las confesiones religiosas, Enciclopedia Jurídica Básica I, S. 217.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

ren genehmigte das Parlament die Ratifikation des Konkordats, statt nach vollendetem Vertragsschluß den Vertragstext durch Gesetz zu bestätigen. Der Text der LOLR unterscheidet nicht zwischen der katholischen Kirche und anderen Religionsgemeinschaften. Die Regeln der LOLR sind auf die derzeit gültigen Verträge mit der katholischen Kirche aber nicht anwendbar, da jene vor Erlaß der LOLR geschlossen wurden. Da sich das das Gesetz auch inhaltlich zum Teil nicht auf die katholische Kirche anwenden läßt, spricht vieles dafür, daß die Konkordate aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes insgesamt ausgenommen sind.17 Zwar wird teilweise die Kündigung der derzeit geltenden Konkordate gefordert, der ein Neuabschluß nach den Vorgaben der LOLR folgen soll.18 Weitestgehend hat sich jedoch die Einsicht durchgesetzt, daß Gleichheit der Religionsgemeinschaften nicht uniforme Behandlung bedeutet, sondern eine Anerkennung der Sonderstellung der katholischen Kirche auch im Vertragsrecht erlaubt.19 Die in Deutschland vereinzelt auftretende Meinung, die Konkordate würden nur mit der nationalen Kirche abgeschlossen und nicht mit der Gesamtkirche, kommt auch in Spanien nur wenig vor.20 17 Dazu A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 55 f. Ebenso I. C. Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der EU, 2. Aufl., S. 155; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 243; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 100 f.; (noch beschränkt auf einige Normen der LOLR) ders., ADEE III (1987), S. 143 ff.; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 294 f. A. A. A. Fernández-Coronado, ADEE VII (1991), S. 576; A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 317; C. Serrano, ADEE VII (1988), S. 102. 18 A. Fernández-Coronado, ADEE VII (1991), S. 575; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 57, Fn. 52; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 207, 211 f., 221; D. Tirapu, Acuerdos „menores“, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 581. In diesem Sinne auch A. Fernández-Coronado González, Acuerdo con las confesiones religiosas, Enciclopedia Jurídica Básica I, S. 216. 19 F. A. Concheiro Teijido, Algunas consideraciónes sobre la naturaleza jurídica de los Acuerdos españoles con las confesiones religiosas minoritarias y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 542; J. Goti Ordeñana, Sistema de derecho eclesiástico del Estado, S. 266; D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 166; P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 362; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 42; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 99; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 190 f.; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 290. 20 A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 412, Fn. 11. Anders richtigerweise F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 262.

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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Konkordate bzw. Verträge mit dem Heiligen Stuhl sind also nach spanischem Recht völkerrechtliche Verträge. Der Abschluß der Konkordate erfolgt daher nach den Regeln, die die Art. 93 ff. der Spanischen Verfassung für völkerrechtliche Verträge vorschreiben, das heißt, nach der Aushandlung des Vertragstextes muß vor der Ratifikation die Zustimmung des Parlaments eingeholt werden. Das Parlament darf den Vertrag jedoch nur im Ganzen annehmen oder ablehnen.21 Nach der Ratifikation schließlich bedarf es für die Wirksamkeit des Vertrages nur noch der Eintragung in das Gesetzblatt (Boletín Oficial del Estado [BOE]). Die Bestandskraft der Konkordate als völkerrechtliche Verträge richtet sich nach Art. 94, 96 CE. Art. 96 Abs. 1 transformiert die völkerrechtlichen Verträge in innerstaatliches Recht und bestimmt, daß Änderung und Aufhebung nur nach den Regeln des Völkerrechts möglich sind.22 Damit sind die Konkordate der einseitigen Aufhebung durch staatliches Gesetz entzogen.23 Ohne daß dies ausdrücklich formuliert wäre, ergibt sich daraus eine Stellung der Verträge oberhalb des innerstaatlichen Gesetzes.24 Als Erlöschensgründe gelten die nach dem Völkerrecht üblichen: eine vertragliche Beendigungsklausel, das gemeinsame Einverständnis, Vertragsverletzung durch die Gegenpartei, die clausula rebus sic stantibus und der Wechsel der Vertragsparteien.25 Insoweit unterscheidet sich die rechtliche Situation der Konkordate auch in Spanien nicht von der völkerrechtlicher Verträge. Im Vergleich zu den 21 Vgl. Art. 156 Abs. 2 des Reglamento del Congreso de los Diputados und Art. 144 Abs. 1 S. 2 des Reglamento del Senado. 22 Art. 96 Abs. 1: „Los tratados internacionales válidamente celebrados, una vez publicados oficialmente en España, formarán parte del ordenamiento interno. Sus disposiciones sólo podrán ser derogadas, modificadas o suspendidas en la forma prevista en los propios tratados o de acuerdo con las normas generales del Derecho internacional.“ – „Die wirksam abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge werden, sobald sie in Spanien bekannt gemacht wurden, Teil des innerstaatlichen Rechts. Ihre Bestimmungen können nur in der Form, die in den Verträgen selbst vorgesehen ist, oder nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts aufgehoben, abgeändert oder gehemmt werden.“ 23 D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 221; J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 141. 24 D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 244, allerdings nur beschränkt auf einfache Gesetze; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 52; A. Motilla, ADEE III (1987), S. 186; J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 141 f., im Gegensatz zu Llamazares ausdrücklich für alle Arten von Gesetzen. 25 Zu den Beendigungsgründen: J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 86; P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 348 f.; F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 267 f.

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Konkordaten in Deutschland gibt es daher nur wenige Besonderheiten: Während in Deutschland die Vertragsschlußkompetenz staatlicherseits bei den Bundesländern liegt, werden die spanischen Konkordate mit dem Zentralstaat abgeschlossen. Zwar kommen die Autonomen Regionen als Partner eines Vertrages mit katholischen Einrichtungen in Frage, aber nur mit den in der Regionen belegenen Bistümern, nicht mit der Gesamtkirche,26 denn sie sind nicht zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge berechtigt. Verträge dieser Art sind dann – wie in Deutschland die Bistumsverträge – vergleichbar den Verträgen mit den anderen Religionsgemeinschaften, die nicht völkerrechtlich organisiert sind. Diese sollen sogleich behandelt werden. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus der von der deutschen Sichtweise verschiedenen völkerrechtlichen Konstruktion: In Spanien herrscht eine monistische Sicht des Verhältnisses von Völkerrecht und staatlichem Recht vor, die sich auch in dem soeben angesprochenen Art. 96 Abs. 1 CE zeigt.27 Deshalb müssen sich – insoweit nicht anders als nach der in Deutschland vertretenen Lehre vom Anwendungsbefehl28 – völkerrechtliche Rechtsmängel im Vertrag unmittelbar auch auf die innerstaatliche Rechtslage auswirken;29 andererseits aber kann der spanische Gesetzgeber seine Zustimmung nicht durch einfache Beseitigung des Zustimmungsaktes/-gesetzes unwirksam machen, wie dies in Deutschland der Fall ist. Eine Veränderung des Vertrags ist nur nach den Regeln des Völkerrechts möglich. In Deutschland kann der einfache Gesetzgeber durch lex posterior das Zustimmungsgesetz aufheben und so die innerstaatliche Anwendbarkeit des Vertrages außer Kraft setzen. Dies ist in Spanien nicht möglich. Deshalb kann es in Spanien auch nicht zu einem Auseinanderklaffen von völkerrechtlicher und innerstaatlicher Vertragsbindung kommen. Gilt das Konkordat völkerrechtlich, so gilt es auch als innerstaatliches Recht; und nur durch völkerrechtlichen Akt kann diese Wirksamkeit beseitigt werden. II. Die Verträge mit anderen Religionsgemeinschaften Umstrittener ist die Rechtslage bei den Verträgen mit anderen Religionsgemeinschaften. 26

Dazu A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 66 ff. M. Diez de Velasco Vallejo, Derecho Pfflblico Internacional, S. 195; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 52; A. Motilla, ADEE III (1987), S. 185 f. 28 Vgl. nur Ph. Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rdnr. 112. 29 P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 350. 27

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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Schon im Verfahren ihres Abschlusses unterscheiden sie sich von denjenigen mit dem Heiligen Stuhl, deren Abschluß nach Art. 93 ff. CE erfolgt. Bei letzteren muß die Zustimmung vorher (und nicht zwingend in Gesetzesform) erfolgen und sich schon nach der Verfassung auf den Vertrag im Ganzen beziehen, was also keine Abänderungen zuläßt.30 Den Verträgen mit den anderen Religionsgemeinschaften muß nach ihrer Vereinbarung das Parlament durch Gesetz zustimmen, Art. 7 Abs. 1 LOLR. Vom Ablauf her entspricht das Verfahren hinsichtlich der nichtkatholischen Verträge eher dem Gesetzgebungsverfahren als dem Verfahren zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge, das bei den Konkordaten befolgt wird. Diese Vorgehensweise beim Abschluß von Verträgen mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften entspricht insoweit dem Prozedere in Deutschland.31 Weder in den Vertragstexten noch in den Motiven dazu wird den Verträgen eine Rechtsnatur klar zugewiesen. In der Literatur finden sich daher fast alle möglichen Einordnungen. Das Spektrum der vertretenen Auffassungen reicht mindestens ebenso weit wie in Deutschland, wenn nicht gar weiter. Völkerrechtliche Verträge sind die Vereinbarungen mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften auch aus der Sicht der spanischen Literatur nicht, da diesen die Völkerrechtssubjektivität fehlt.32 Die Verträge werden als staatsrechtlich33 betrachtet, als verwaltungsrechtlich34, als paktierte Gesetzgebung (nach dem Vorbild eines foralen Rechtsinstituts aus Navarra),35 sehr verbreitet aber sogar auch als bloß einseitige Gesetze36. Teilweise wird 30 Darauf weist auch D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 165, Fn. 23 hin. 31 J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 217. 32 P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 358; A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 32 f., 57; M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 104; J. A. Souto Paz, Derecho eclesiástico del Estado, S. 78 f. 33 D. Basterra Montserrat, ADEE VII (1991), S. 585. 34 Dazu ablehnend A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 335. 35 A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 336 ff.; ders., ADEE III (1987), S. 197. Kritisch J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 146. 36 F. A. Concheiro Teijido, Algunas consideraciónes sobre la naturaleza jurídica de los Acuerdos españoles con las confesiones religiosas minoritarias y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 540; A. Fernández-Coronado, Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 152;

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

eine eindeutige Aussage auch ganz unterlassen und der Kirchenvertrag schlicht dem öffentlichen Recht (derecho pfflblico) zugeordnet.37 Ein Autor möchte die Verträge mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften ebenso wie die Konkordate einem Zwischenmächterecht zuordnen.38 Wenn er sich in seiner Argumentation auch hauptsächlich auf das italienische Staatskirchenrecht beruft und das deutsche nur am Rande mit einbezieht, so ähnelt diese Figur doch sehr der Auffassung von der Rechtsordnung sui generis, die sich zwischen dem staatlichen und dem Völkerrecht bewegt, und damit über die hier vertretene Auffassung, die Kirchenverträge seien Verträge sui generis innerhalb der staatlichen Rechtsordnung, hinausgeht.39 Damit werden die Verträge zu „echten“ Verträgen, die nicht nur Vorbereitung für ein Gesetzgebungsvorhaben sind, sondern dem Grundsatz pacta sunt servanda unterliegen.40 Er schließt daraus, daß das Parlament auch bei den nichtkonkordatären Verträgen nicht befugt sei, Veränderungen einseitig vorzunehmen. Gegen die Konzeption des Zwischenmächterechts sprechen im spanischen Recht allerdings dieselben Gründe wie schon im deutschen: Die Herleitung dieser neuen Rechtsebene bleibt unklar, woraus sich ihre Existenz ergeben soll, wird nicht erklärt.41 Überzeugende Gründe für die Annahme einer interpotestativen oder koordinationsrechtA. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 414; J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 84; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 221; J. Mantecón Sancho, Los acuerdos del Estado español con las confesiones acatólicas, S. 11; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 216, 218. P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 360 bezeichnen die nichtkatholischen Verträge ebenfalls als innerstaatliche Gesetze, betonen aber ihre Besonderheit, die sich aus ihrer vorherigen Aushandlung ergebe und daraus, daß der Staat sich verpflichtet habe, das Vereinbarte nicht ohne Benachrichtigung der anderen Partei aufzuheben oder zu modifizieren. Ähnlich J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 146 f.; ders., Separatismo y cooperación, S. 106 ff. und J. Goti Ordeñana, Sistema de derecho eclesiástico del Estado, S. 267, der den Verträgen eine Doppelnatur aus Vertrag und Gesetz zuschreibt. 37 F. de P. Vera Urbano, Derecho eclesiástico I, S. 284; A. Viana Tomé, Los Acuerdos con las confesiones religiosas, S. 205. 38 A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 57. Vgl. auch dens., Revista de Estudios Políticos 187 (1973), S. 250. 39 Darauf deuten die Ausführungen in A. Martínez Blanco, Revista de Estudios Políticos 187 (1973), S. 264 hin. Diesen Vergleich zieht auch J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 97. 40 Dies sieht er allerdings noch anders in A. Martínez Blanco, Revista de Estudios Políticos 187 (1973), S. 263, Fn. 74, wo er die spanische Rechtslage als zwar materiell paktiert, formell aber unilateral und durch Gesetz geregelt beschreibt. 41 s. dazu oben Zweiter Teil, B.V.

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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lichen Rechtsordnung zwischen innerstaatlichem und Völkerrecht finden sich auch im spanischen Recht nicht.42 Am weitesten verbreitet ist die Qualifikation der Verträge als Gesetze. Damit ist dann allerdings das Ende der Gemeinsamkeiten erreicht. Die Auffassungen gehen hinsichtlich der genauen Ausgestaltung und der Folgen weit auseinander. Ein Extrem bildet hier eine sehr legalistische Auffassung: Der Vertragsabschluß habe seine Bedeutung nur als Vorbereitung des staatlichen Gesetzes, aber keinen eigenen Rechtsgehalt.43 Deshalb lägen Bestand und Inhalt der Regelungen vollkommen in staatlicher Hand; eine Bestandskraft, die über die des Zustimmungsgesetzes hinausginge, bestünde nicht, die Verträge unterlägen also in vollem Umfang der lex-posterior-Regel.44 Dieser Befund scheint von der Formulierung des Ersten Zusatzartikels (Disposición adicional primera) zu allen Verträgen gestützt zu werden. 42 In diesem Sinne auch D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 222; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 107: tertium non datur. 43 A. Fernández-Coronado, ADEE VII (1991), S. 576; A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 414; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 224; J. Mantecón Sancho, Los acuerdos del Estado español con las confesiones acatólicas, S. 12. A. A. M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 103. 44 F. A. Concheiro Teijido, Algunas consideraciónes sobre la naturaleza jurídica de los Acuerdos españoles con las confesiones religiosas minoritarias y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 541; A. Fernández-Coronado, Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 153; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 218; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 167 f.; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 220. A. A. A. Motilla, ADEE III (1987), S. 197: Die Verträge hätten Vorrang vor dem einfachen Gesetz und könnten nicht einseitig modifiziert werden. Ebenso a. A. M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 103; vgl. auch dies., Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 107. Dies kann allerdings nur bei einer lex specialis gelten, vgl. Art. 2 Abs. 2 Código Civil: „Las Leyes sólo se derogan por otras posteriores. La derogación tendrá el alcance que expresamente se disponga y se extenderá siempre a todo aquello que en la ley nueva, sobre la misma materia, sea incompatible con la anterior.“ – „Die Gesetze werden nur durch nachfolgende aufgehoben. Die Aufhebung erfolgt in dem Umfang, der ausdrücklich angeordnet ist, und betrifft alles, was im neuen Gesetz bzgl. derselben Materie unvereinbar mit dem vorherigen ist.“; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 221 f., 237.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

Diese besagt, daß der Staat die Religionsgemeinschaften vor Gesetzesänderungen, die den Inhalt des Vertrages beträfen, informieren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben werde.45 Dafür spricht ferner der Art. 1 Abs. 1 eines jeden Vertrages, nach der sich die Rechte und Pflichten aus dem Zustimmungsgesetz (nicht also aus dem Vertrag selbst) ergeben.46 Daraus scheint zu folgen, daß dem Staat nach Einhaltung dieser Formalie der Weg zu einer einseitigen Abwandlung des Vertragstextes offenstünde. Einigen Autoren zufolge liegt eine Bindung des Gesetzgebers an die Verträge noch nicht einmal beim Erlaß des Zustimmungsgesetzes vor. Hier könne das Parlament auch eine von dem vorher Vereinbarten abweichende Fassung verabschieden.47 Allerdings ist zu beachten, daß eine erste Fassung des Zusatzartikels der Regierung ausdrücklich einräumte, Gesetzentwürfe, die den Vertrag abändern würden, einzureichen. Letztendlich in den Vertragstext aufgenommen wurde aber eine entschärfte Fassung; in dieser ist nur noch von Gesetzen, die den Vertragsinhalt „berühren“, die Rede. Dies stellt eine deutliche Einschränkung des ursprünglichen Entwurfes dar und läßt darauf schließen, daß die umfängliche Verfügungsbefugnis des Staates aus dem ersten Entwurf nicht gewollt wurde.48 Eine dem Ersten Zusatzartikel entsprechende Bestimmung findet sich auch in deutschen Staatskirchenverträgen, etwa in Art. 22 Abs. 2 des Brandenburger Konkordats. Aus dieser wird jedoch nicht die einseitige Verfü45

So argumentieren etwa A. Fernández-Coronado, Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 153; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 216. Vgl. auch D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 218; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 174 f. Der erste Zusatzartikel lautet in allen Verträgen: „El Gobierno pondrá en conocimiento de la Federación de Entidades Religiosas Evangélicas de España [bzw. der entsprechenden Religionsgemeinschaft, Anm. d. Verf.], para que ésta pueda expresar su parecer, las iniciativas legislativas que afecten al contenido del presente Acuerdo.“ „Die Regierung wird die Vereinigung der Evangelischen Kirchen in Spanien [bzw. die entsprechende Religionsgemeinschaft, Anm. d. Verf.] über die Gesetzesvorhaben, die den Inhalt des vorliegenden Vertrages berühren, in Kenntnis setzen, um ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.“ 46 „Los derechos y obligaciones que se deriven de la Ley por la que se apruebe el presente acuerdo [. . .]“. Dazu D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 167. 47 Für das Ganze A. Fernández-Coronado González, Acuerdo con las confesiones religiosas, Enciclopedia Jurídica Básica I, S. 218; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 216. 48 Anders sieht dies A. Fernández-Coronado, Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 153.

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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gungsgewalt des Staates über den Vertrag hergeleitet. Sie wird vielmehr so interpretiert, daß die legislative Freiheit insoweit nicht beschränkt ist, daß Gesetze, die den Inhalt der Verträge mittelbar berühren, zulässig sind; der unmittelbare Zugriff auf den Vertrag ist damit aber nicht erlaubt.49 Es soll damit festgehalten werden, daß auch bei Gesetzesvorhaben, die die Kirchen nur mittelbar betreffen, diese vorher gehört werden müssen, ist also als Erweiterung der Beteiligungsrechte der Kirche gemeint, nicht als Übergabe der vollen Verfügungsgewalt an den Staat.50 Der Schluß aus dieser Formulierung auf das unilaterale Ergebnis ist daher nicht zwingend. Die Vertragspraxis ist der Auffassung, daß Veränderungen am Vertragstext nicht zulässig seien, gefolgt. Fakt ist, daß die Vertragsgesetze im Verfahren der „lectura fflnica“51 (gemäß Art. 150 des Reglamento del Congreso de los Diputados52 bzw. Art. 129 des Reglamento del Senado53) verabschiedet wurden. In diesem wird über ein Gesetz nach einmaliger Lesung und ohne Möglichkeit der Veränderung des Entwurfstextes abgestimmt. Das Vertragsgesetz wiederum besteht jeweils aus einem einzigen Artikel, der anordnet, daß sich die Beziehungen des spanischen Staates zu der jeweiligen Religionsgemeinschaft nach dem Vertragstext richte, der sodann als Anlage angefügt ist. Gegen die Annahme, die Verträge seien nur Vorbereitungshandlungen zu den Vertragsgesetzen ohne eigene Bindungswirkung, spricht auch folgendes: Alle drei Verträge – sie sind auf unbestimmte Zeit abgeschlossen – enthalten als zweite Ergänzungsbestimmung eine Kündigungsklausel, nach der jeder Partei das Kündigungsrecht zugestanden wird.54 Besäße der Vertrag keine Bindungswirkung, wäre diese Klausel überflüssig,55 wenn nicht gar unzulässig: Der Staat wäre auf sie nicht angewiesen, er könnte ja die Rechtslage jederzeit mittels lex posterior ändern; der Religionsgemeinschaft 49 Ebenso für das spanische Recht J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 114 f. 50 Vgl. dazu etwa Denkschrift zum Brandenburger Konkordat, LT-Drs. 3/6879, zu Art. 22 Abs. 2; Begründung zum Wittenberger Vertrag, LT-Drs. 1/3087, zu Art. 2 Abs. 2. 51 Dies schlug schon vor Abschluß der Verträge D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 218 ff. vor. Zur lectura fflnica im allgemeinen s. I. Molas, Derecho Constitucional, 2. Aufl., S. 147. 52 BOE Nr. 55 vom 5. März 1982. 53 BOE Nr. 114 vom 13. Mai 1994. 54 „El presente Acuerdo podrá ser denunciado por cualquiera de las partes que lo suscriben, notificándolo a la otra, con seis meses de antelación.“ – „Der vorliegende Vertrag kann von jeder der unterzeichnenden Parteien gekündigt werden. Dies muß der anderen Partei sechs Monate im Voraus mitgeteilt werden.“ 55 Dieser Auffassung ist etwa A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 416.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

hingegen würde so das Recht zugestanden, ein Gesetz (das der Vertrag ja wäre) zu kündigen56! Für den Vergleich mit dem deutschen Recht zeigt das Vorhandensein einer Kündigungsklausel auch, daß die Kündbarkeit der Staatskirchenverträge nicht bereits in ihrer Natur liegt.57 Sie wird auch im internationalen Vergleich nicht als selbstverständlich vorausgesetzt. Im Fall der spanischen Verträge wurde schließlich ihre ausdrückliche Vereinbarung als notwendig angesehen. Des weiteren wird die bloße Gesetzesnatur der Verträge aus dem abschließenden Zusatzartikel, der dem Staat alle Angelegenheiten der Interpretation des Vertrages zuweist, hergeleitet. Tatsächlich hat der spanische Staat von der Möglichkeit einseitiger Interpretation bereits Gebrauch gemacht.58 In den Verträgen mit dem Heiligen Stuhl hingegen ist die gemeinsame Lösung von Konflikten ausdrücklich vereinbart.59 Die Interpretationsmacht über den Vertrag räumt dem Staat eine starke Stellung ein und beeinträchtigt die Parität der Vertragsparteien. Da sie nur für die Verträge mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften gilt, ist sie auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich. Sie ist daher auch nicht unumstritten und wird für nicht mit der LOLR vereinbar gehalten.60 Dennoch reduziert selbst sie die Verträge nicht auf bloße staatliche Gesetze. Denn dem Staat wird zwar das Recht zugesprochen, den Vertrag auszulegen, nicht aber, über seinen Bestand zu verfügen. Diesem Thema ist der zweite Ergänzungsartikel gewidmet, der die Kündigung behandelt. Ist der Staat aber zur Aufhebung eines Rechtsaktes auf eine Kündigung angewiesen, kann es sich nicht um ein Gesetz handeln. 56 Oder aber man wollte ihr das Kündigungsrecht trotz des Wortlautes aberkennen, so A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 416. 57 Zu dieser Frage betreffend die deutschen evangelischen Kirchenverträge s. die Ausführungen oben Dritter Teil, B.I.2. 58 Siehe dazu A. Fernández-Coronado, Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 154, unter Verweis auf die Verordnung des Ministerio de Justicia vom 21. Januar 1993 (BOE Nr. 29 vom 3. Februar) und die Instruktion der Dirección General de los Registros y el Notariado vom 10. Februar 1993 (BOE Nr. 47 vom 24. Februar 1993); D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 169. 59 Art. 7 des Vertrags über Rechtsfragen; Art. 16 des Vertrags über Bildung und kulturelle Angelegenheiten; Art. 6 des Vertrags über wirtschaftliche Fragen; Art. 7 des Vertrags über die Militärseelsorge (BOE Nr. 300 vom 15. Dezember 1979). 60 J. Martínez-Torrón, ADEE III (1987), S. 146; M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 108.

C. Die Rechtsnatur der spanischen Staatskirchenverträge

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Begründet wird dieses Ergebnis zudem mit einer Argumentation, die man auch in der deutschen Debatte findet: Die parlamentarische Souveränität müsse geschützt werden.61 Wie in Deutschland, finden sich in der Diskussion in Spanien jedoch keine zwingenden Argumente hierfür. Die Möglichkeit des Parlaments, daß es sein Einverständnis mit dem Vereinbarten erklären, oder aber gegebenenfalls verweigern kann, genügt. So wird gesichert, daß kein Vertrag gegen den Willen des Parlaments wirksam werden kann; dadurch ist die Souveränität gewährleistet.62 Eine legalistische Konzeption nähme dem Vertrag jede eigene Bedeutung. Damit widerspräche sie dem Grundgedanken der LOLR, die gerade zum Ziel hat, die Möglichkeit der vertraglichen Einigung über den Heiligen Stuhl hinaus auch anderen Religionsgemeinschaften zugute kommen zu lassen.63 Um diesem Grundgedanken gerecht zu werden, muß daher eine Bindung an den Vertrag angenommen werden. Diese äußert sich zunächst darin, daß die Regierung, die als Unterzeichner auftritt, durch den Vertrag gebunden wird und dem Parlament nur den vereinbarten Vertrag als Gesetzesvorhaben vorlegen, ihn also nicht selbst abwandeln darf.64 Das Parlament darf dann, wie gerade dargestellt, nur über Zustimmung oder Ablehnung des Vertrags 61

A. Fernández-Coronado, ADEE VII (1991), S. 577; dies., Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 154; A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 415; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 217; ders., Derecho Eclesiástico del Estado, S. 223; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 168; J. Mantecón Sancho, Los acuerdos del Estado español con las confesiones acatólicas, S. 12, 15 f.: Die Zusatzartikel, die auf eine echte Vertragsgeltung, die auch gesetzesfest ist, hinwiesen, seien nur Absichtserklärungen, das Parlament habe die absolute Gewalt über den Vertrag. 62 A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 324. Im Anschluß daran A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 57; J. A. Souto Paz, Derecho eclesiástico del Estado, S. 80 f.; M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 105. 63 J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 112 f.; A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 324. Dies räumt selbst J. Mantecón Sancho, Los acuerdos del Estado español con las confesiones acatólicas, S. 15 ein. 64 A. Fernández-Coronado, ADEE VII (1991), S. 577; dies., Acuerdos con confesiones minoritarias, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 154; D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 224; ders., Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 165, Fn. 23. A. A.: A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

insgesamt abstimmen.65 Auch die einseitige Änderung des Vertrages ist nicht möglich; wie dargestellt, erlaubt der Vertragstext nicht den einseitigen Zugriff des Staates auf den Vertrag. Dies stellt keinen Widerspruch zur gesetzgeberischen Souveränität dar, ist vielmehr nur Folge seiner eigenen vorhergehenden Gesetzgebung.66 Als Fazit bleibt also festzuhalten, daß die Verträge mit nichtkatholischen Religionsgemeinschaften mit Gesetzeskraft gelten. Ihre vertragliche Grundlage ist aber ebenso wirksam und entfaltet zusätzliche Bindungswirkung – auch für den parlamentarischen Gesetzgeber. Man könnte es so ausdrücken, daß es sich um eine formell unilaterale Rechtsquelle, die allerdings in ihrem Inhalt bilateral geprägt ist, handelt.67 So ist es auch in Spanien nicht gelungen, die nichtkatholischen Staatskirchenverträge einer bestehenden Vertragsart zuzuordnen. Sie sind vielmehr Verträge eigener Art innerhalb der staatlichen Rechtsordnung. Damit entspricht dies den Erkenntnissen, die in dieser Arbeit für die Einordnung der deutschen (evangelischen) Kirchenverträge als Verträge sui generis gewonnen wurden. Anders als in Deutschland, wo diejenigen Autoren, die den evangelischen Kirchenverträgen den geringsten Schutz (in diesem Fall die Anerkennung lediglich als Verwaltungsverträge) zukommen lassen wollen, diese Haltung auch in Bezug auf die Konkordate aufrechterhalten, findet in Spanien hier eine scharfe Trennung statt: Die meisten der Autoren, die die Verträge mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften als bloße Vorbereitungshandlungen zu den nachfolgenden Gesetzen betrachten, aus denen dann die alleinige Rechtswirkung folge, erkennen die Konkordate mit der katholischen Kirche dennoch als völkerrechtliche Verträge an. Dies geschieht teilweise unter Kritik und der Aufforderung, die völkerrechtlichen Verträge zu kündigen und durch Verträge nach der LOLR zu ersetzen.68 Zum Teil werden aber die Besonderheiten der katholischen Kirche betont, die eine Gleichbehandlung mit den anderen Konfessionen und Religionen verbieten.69 Für die nichtkatholischen Kirchenverträge gelten die üblichen Erlöschensgründe. Allerdings führt nicht jede Veränderung der Vertragsparteien zum Ende des Vertrages, vielmehr werden die Verträge auf später hinzutretende A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 415. 65 So auch J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 111. 66 J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 113. 67 J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 115. 68 D. Llamazares Fernández, Derecho Eclesiástico del Estado, S. 247. 69 So nur P. Lombardía/J. Fornés, Las fuentes del derecho eclesiástico español, S. 341, 362; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 100; M. E. Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: J. Bonet Navarro u. a., Acuerdos del Estado Español, S. 104.

D. Vergleichsansätze zwischen der spanischen und der deutschen Rechtslage 169

Mitglieder der Religionsföderationen erstreckt.70 Zusätzlich gilt die bereits erwähnte Kündigungsklausel des Ersten Zusatzartikels, ebenso wie die Revisionsklausel des Zweiten Zusatzartikels.

D. Vergleichsansätze zwischen der spanischen und der deutschen Rechtslage in der spanischen Literatur Von spanischer Seite aus wird zur Charakterisierung der Rechtslage der Vergleich zum einen mit Deutschland, zum anderen mit Italien, dessen Verfassung den Vertragsschluß mit den Minderheitenreligionen nicht nur zuläßt, sondern vorschreibt,71 gesucht.72 In der ganzen Diskussion zeigt sich allerdings eine weitverbreitete Unschärfe in den Vorstellungen über das deutsche Staatskirchenvertragsrecht. Diese liegt teilweise in den der deutschen Rechtslage inhärenten Unklarheit begründet, teilweise aber auch in Mißverständnissen. Von einigen Autoren wird der Vergleich mit Deutschland abgelehnt73: Die Lage sei zu unterschiedlich, da in Deutschland zum einen das Vertragsrecht detaillierter geregelt sei,74 zum anderen die Religionsgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts seien.75 70 D. Llamazares Fernández, Los Acuerdos y el principio de igualdad, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 172 f. 71 Vgl. die Nachweise oben Vierter Teil Fn. 2. 72 D. Basterra Montserrat, ADEE VII (1991), S. 583; M. Camarero Suárez, Los sujetos estatales y confesionales de los Acuerdos, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 208, 235 ff., 255 ff.; A. García Gárate, La clasificación de las fuentes en el Derecho eclesiástico Español, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 413; J. M. González del Valle, Derecho eclesiástico español, 2. Aufl., S. 108 ff.; ders./M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 68, 75, 82; J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 96 ff.; A. Motilla de la Calle, Acuerdos entre el Estado y las confesiones religiosas, S. 88 ff., 326 ff.; ders., ADEE III (1987), S. 195 f.; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 217; C. Serrano, ADEE VII (1988), S. 105. 73 So – im Gegensatz zur 2. Aufl. – J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 67 ff. Vgl. auch J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 96 f.: „Hasta el punto de que la comparación con el derecho alemán, aparte de proporcionar alguna justificación histórica en apoyo de la introducción legislativa de esta clase de fuentes pacticias, ha servido más para resaltar lo que no son los acuerdos que para describir su precisa naturaleza jurídica.“ 74 J. Martínez-Torrón, Separatismo y cooperación, S. 96. Worin genau diese detaillierte Regelung bestehen soll, wird allerdings nicht klar – bei unbefangener Betrachtung ist das spanische Recht mit seinen Verfassungsartikeln 9 und 16 Abs. 3 sowie Art. 7 Abs. 1 LOLR wesentlich genauer.

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4. Teil: Exkurs: Das Recht der Staatskirchenverträge in Spanien

Mit diesem Argument kann die Gegenüberstellung aber nicht abgelehnt werden. Der Körperschaftsstatus ist in Deutschland keine Voraussetzung dafür, Vertragspartei sein zu können76 (insofern sind die rechtlichen Anforderungen in Spanien sogar höher – in der Praxis werden sie sich wohl entsprechen, da die Voraussetzungen für den notorio arraigo in etwa dem des Körperschaftsstatus entsprechen und in Deutschland Verträge bislang nur mit als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgemeinschaften geschlossen wurden). Es wird auch der Vergleich zwischen den Acuerdos (den Verträgen mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften) und „Staatskirchenverträgen“ (denen eine einheitliche Rechtsnatur unterstellt wird)77 gezogen. Zugleich werden die Verträge mit der spanischen Bischofskonferenz „Kirchenverträgen“ gleichgestellt, die die Rechtslage nicht ändern, sondern nur ausgestalten sollten und keiner parlamentarischen Zustimmung bedürften.78 Mit den „Kirchenverträgen“ werden wohl die Verwaltungsabkommen zwischen Staat und Kirche gemeint sein, die nach deutschem Recht ja Verwaltungsverträge darstellen. Die Verträge mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften seien jedoch von den „Staatskirchenverträgen“ zu unterscheiden: Bei diesen handele es sich um bilaterale Verträge, bei jenen um multilaterale, da in Spanien Föderationen von Religionsgemeinschaften Vertragspartei seien.79 In Deutschland ist dies jedoch nicht anders.80 Auch hier werden, da Landes- und Kirchengrenzen nicht übereinstimmen, viele Verträge zwischen einem Land und mehreren Landeskirchen geschlossen. Sollte es in Deutschland zum Abschluß von Staatskirchenverträgen mit den Muslimen kommen, so werden auch diese keine einheitliche Religionsgemeinschaft aufweisen, sondern eine Föderation verschiedener Glaubensrichtungen. Das deutsche und das spanische Staatskirchenvertragsrecht weisen also durchaus Ansatzpunkte für einen Rechtsvergleich auf. 75 M. Camarero Suárez, Los sujetos estatales y confesionales de los Acuerdos, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 235. 76 s. dazu oben Zweiter Teil, B.IV.2.b). 77 J. M. González del Valle, Derecho eclesiástico español, 2. Aufl., S. 108. Im Anschluß daran M. Camarero Suárez, Los sujetos estatales y confesionales de los Acuerdos, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 255. 78 J. M. González del Valle, Derecho eclesiástico español, 2. Aufl., S. 108 f. Zu diesen Verträgen ausführlich M. J. Roca, Naturaleza jurídica de los convenios eclesiásticos menores. 79 J. M. González del Valle, Derecho eclesiástico español, 2. Aufl., S. 110 ff. 80 A. A. wohl J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 84.

E. Fazit

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E. Fazit Insofern ist die Situation in beiden Ländern durchaus vergleichbar: Die Stellung des Heiligen Stuhls als Völkerrechtssubjekt ist für die Konkordate anerkannt, die übrigen Religionsgemeinschaften besitzen eine – wie auch immer geartete, aber verfassungsrechtlich bestärkte – innerstaatliche Stellung. Die Verträge werden, je nach Zuständigkeit, mit dem Gesamtstaat oder seinen Untergliederungen (in Deutschland den Ländern, in Spanien den autonomen Regionen81)82 geschlossen. Diese Zuständigkeit liegt in Deutschland weitgehend bei den Bundesländern, in Spanien im wesentlichen beim Zentralstaat, Verträge der Autonomen Regionen bestehen allenfalls zwischen der Region und den in ihr belegenen Bistümern oder anderen regionalen Untergliederungen einer Religionsgemeinschaft.83 Bezüglich der Konkordate herrscht in Spanien ebenso wie in Deutschland die Qualifizierung der Verträge mit dem Heiligen Stuhl als Verträge des Völkerrechts vor. Auch im spanischen Staatskirchenrecht ist die Frage umstritten, ob die Verträge des Staates mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften echte Bindung entfalten, oder ob sie nur als einfache Gesetze gelten, und damit vom Staat jederzeit einseitig geändert und aufgehoben werden können. Eine Lösung, die sich einfach auf das deutsche Staatskirchenrecht übertragen ließe, bietet das spanische Schrifttum nicht. Auch hier setzt sich aber die Auffassung durch, daß die Verträge mit nichtkatholischen Religionsgemeinschaften den Rang einfacher Gesetze einnehmen, ihr vertraglicher Hintergrund aber nicht folgenlos bleibt. Dieser führt zu einer Bindung, auch des Gesetzgebers, ohne daß dadurch dessen Souveränität gefährdet wäre, denn diese Bindung entstand nur durch die freie Entscheidung des Gesetzgebers selbst.

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Vgl. dazu Art. 148, 149 Abs. 2 der spanischen Verfassung. Für Spanien: A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 64 ff.; J. M. Porras Ramírez, Libertad religiosa, S. 202 f. 83 A. Martínez Blanco, Derecho eclasiástico del Estado, Vol. II, S. 68. Der Kontrast zu Deutschland wird auch in dieser Beziehung hervorgehoben, etwa von J. M. González del Valle/M. Rodríguez Blanco, Derecho eclesiástico español, 5. Aufl., S. 67. Ebenso M. Camarero Suárez, Los sujetos estatales y confesionales de los Acuerdos, in: V. Reina/M. A. Félix Ballesta (Hrsg.), Acuerdos del Estado Español con Confesiones Religiosas Minoritarias, S. 256, die darauf hinweist, daß die Autonomen Regionen, anders als die deutschen Länder, nicht zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge befugt sind. 82

Zusammenfassung 1. Der Abschluß von Staatskirchenverträgen gehört zu den traditionellen Mitteln des deutschen Staatskirchenrechts. 2. Der Staatskirchenvertrag hat seinen Ursprung in der allmählichen Ablösung von Staat und Kirche nach dem Investiturstreit. Zunächst beschränkt auf die Kontakte zur katholischen Kirche, werden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch Pakte mit evangelischen Kirchen geschlossen. Das 19. Jahrhundert ist die „Epoche des Landeskonkordate“. Aber auch das 20. (und das beginnende 21.) Jahrhundert zeichnen sich durch eine rege Vertragstätigkeit aus, die im wesentlichen in drei Phasen verläuft: die Verträge der Weimarer Zeit, der Nachkriegszeit und der Nachwendezeit. 3. Nachdem zunächst sowohl Kirche (Privilegientheorie) als auch Staat (Legaltheorie) darauf beharrten, den Vertrag als bloßes Zugeständnis an die andere Partei ohne verpflichtende Wirkung zu sehen, setzte sich mit der Zeit auf beiden Seiten die Überzeugung durch, daß es sich um echte Verträge handelt (Vertragstheorie). 4. Der Heilige Stuhl ist ein Völkerrechtssubjekt. Diese Rechtsstellung bezieht er aus seinem Rang als Oberhaupt der katholischen Kirche, unabhängig von der Staatlichkeit des Staates der Vatikanstadt. Daher schließt er die Konkordate in Form völkerrechtlicher Verträge. Als Vertragspartner treten die Bundesländer auf, die insoweit ebenfalls (partiell) völkerrechtsfähig sind. An der Qualifizierung der Konkordate als völkerrechtliche Verträge ändert sich auch dadurch nichts, daß sie von ihrem territorialen Geltungsbereich her auf das betreffende Land beschränkt sind, die Interterritorialität ist keine Voraussetzung für einen völkerrechtlichen Vertrag. 5. Die evangelischen Kirchenverträge werden zwischen den Ländern und den jeweiligen Landeskirchen geschlossen. Ihre rechtliche Beurteilung ist nicht eindeutig. Es werden verschiedene Rechtsnaturen erwogen: a) Eine Zugehörigkeit zum Völkerrecht scheitert daran, daß den evangelischen Kirchen die Völkerrechtssubjektivität fehlt. Auch der Grundsatz der Parität zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung, da aufgrund der unterschiedlichen Organisationsformen die katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen diesbezüglich nicht vergleichbar sind. b) Die evangelischen Kirchenverträge werden weithin als „Staatsverträge“ bezeichnet. Die Inhalte beziehen sich auch auf Gegenstände, die der

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Umsetzung durch Gesetzgebung bedürfen. Staatsverträge im eigentlichen Sinne zeichnen sich jedoch dadurch aus, daß die Parteien zumindest einen „Rest an Eigenstaatlichkeit“ besitzen, den die evangelischen Kirchen nicht aufweisen. c) „Staatsrechtliche Verträge“ sind dem Staatsrecht als eigene Kategorie fremd. Eine ausreichende Präzisierung des Begriffs für die Kirchenverträge ist nicht erfolgt, so daß auch diese Bezeichnung zur Umschreibung nicht geeignet ist. d) Die innerstaatliche Organisation der evangelischen Landeskirchen legt den Abschluß der Kirchenverträge als Verwaltungsverträge nahe. Ihr Inhalt umfaßt jedoch Bereiche, die dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes unterliegen und damit der Vertragskompetenz der Verwaltung entzogen sind. e) Die evangelischen Kirchenverträge können also keiner bestehenden Vertragsart zugeordnet werden. Daher bilden sie eine eigene Form von Verträgen sui generis. Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für den Abschluß von Kirchenverträgen gibt es nur in wenigen Landesverfassungen. Der Staat ist jedoch nicht darauf beschränkt, Verträge in Formen zu schließen, für die es eine ausdrückliche (staatlich-)rechtliche Vertragsordnung gibt. Dies zeigt sich bereits in der Akzeptanz der Verwaltungsverträge vor der Einführung der §§ 54 ff. VwVfG. Anders als vielfach vertreten, findet der Vertragsschluß nicht in einem eigenen Raum des „Staat-Kirche-Rechts“ statt. Der Staat ist darauf beschränkt, im staatlichen oder im Völkerrecht zu agieren. Die Kirchen hingegen können durch ihren Transzendenzbezug im geistlichen, durch ihre weltliche Organisationsform aber auch im weltlichen Recht handeln; im Fall der evangelischen Kirchen ist dies mangels einer Völkerrechtspersönlichkeit das Recht des Staates. Staat und Kirche begegnen sich also auf der Ebene des staatlichen Rechts, das dann auch die evangelischen Kirchenverträge erfaßt. Die Vertragsabschlußkompetenz liegt in der Regel bei den Bundesländern. Zu ihrer Wirksamkeit bedürfen die Kirchenverträge der parlamentarischen Zustimmung. 6. Der aus dem Römischen Recht stammende Grundsatz pacta sunt servanda bindet beide Parteien an das vertraglich Vereinbarte und formuliert das Prinzip der Bestandskraft von Verträgen. Ob und in welchem Umfang die Staatskirchenverträge dennoch gelöst werden können, muß wiederum für Konkordate und evangelische Kirchenverträge getrennt untersucht werden. 7. Die Bestandskraft der Konkordate folgt den Regeln des Völkerrechts. a) Einschlägig sind also die üblichen Erlöschensgründe aus dem Vertragsrecht: einvernehmliche Aufhebung, ordentliche Kündigung und clau-

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sula rebus sic stantibus (mit dem Sonderfall der territorialen Veränderung bei einer der Vertragsparteien). Für die neuen Verträge gelten hier ggf. die Grundsätze der WVK, für die älteren Völkergewohnheitsrecht, das aber entsprechend ist. Die ordentliche Kündigung ist daher mangels ausdrücklicher Vereinbarung unzulässig. Bei territorialen Veränderungen gilt im wesentlichen das völkerrechtliche Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen. Bei einer wesentlichen Veränderung der Umstände kommt die clausula rebus sic stantibus zum Tragen. b) Im deutschen Recht haben die Konkordate durch die Zustimmungsgesetze den Rang einfacher Gesetze. Das Zustimmungsgesetz kann (außer in einigen Bundesländern aufgrund landesverfassungsrechtlicher Verpflichtung) aufgehoben werden. Damit endet die innerstaatliche Anwendbarkeit des Konkordats. Die Vertragsgeltung selbst wird aber nicht berührt, es liegt eine Vertragsverletzung vor. Diese kann die allgemeinen völkerrechtlichen Sanktionen nach sich ziehen. c) Rechtsschutz gegen Konkordatsverletzungen ist nur auf internationaler Ebene denkbar. Da der Heilige Stuhl sich der internationalen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen hat, bestehen derartige Rechtsbehelfe derzeit nicht. 8. Die evangelischen Kirchenverträge unterliegen dem staatlichen Recht. Auch hier ist zwischen vertraglichen Beendigungsgründen und der Frage nach der Beendigung durch entgegenstehendes Gesetzesrecht zu unterscheiden. a) Wie bei den Konkordaten ist eine ordentliche Kündigung nicht zulässig. Die einvernehmliche Vertragsaufhebung ist allerdings möglich. Die clausula rebus sic stantibus gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch für die evangelischen Kirchenverträge. Sie kann entweder aufgrund allgemeiner Veränderung der Umstände einschlägig sein oder bei territorialen Veränderungen. So kann etwa der Zusammenschluß zweier Landeskirchen oder Religionsgemeinschaften diese Rechtsfolge auslösen. b) Vielfach wird vertreten, der Gesetzgeber könne einen Kirchenvertrag auch durch einseitige Gesetzgebung aufheben. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV ermächtigt hierzu aber nicht. Auch die Souveränität des Staates ist nicht unbegrenzt, sondern bindet ihn an das Recht, insbesondere an die Verfassung. Die Verfassungsprinzipien von Demokratie und Gewaltenteilung fordern nicht, daß der Gesetzgeber jede seiner Entscheidungen nach Belieben aufheben können muß. Dies würde mit dem Rechtsstaatsprinzip kollidieren. Vertragliche Gewährleistungen können daher nicht aufgehoben werden, wenn dies gegen bereits anderweitig (besonders in den Grundrechten) verbürgte Verfassungsgarantien verstieße. Unabhängig von vertraglich wiederholten Verfassungsrechten schützt auch das allgemeine Rechts-

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staatsprinzip durch den Vertrauensschutz den Kirchenvertrag. Hier muß erneut differenziert werden. Der Vertrag selbst unterliegt zwar staatlichem Recht. Dadurch, daß der Staat auf die einseitige Rechtsetzung zugunsten einer einverständlichen verzichtet, erweckt er das Vertrauen, daß er sich auch an die Regeln des Vertragsrechts halten wird. Dies wird verstärkt durch die immer wiederkehrende Betonung der Dauerhaftigkeit der Verträge sowie die Vereinbarung der Freundschaftsklauseln, die eine Konfliktbewältigung im Dialog vorsehen. Eine einseitige Aufhebung des Vertrages würde dieses Vertrauen verletzen. Nach den oben skizzierten Regeln des Völkerrechts müßte der Staat aber zumindest sein Zustimmungsgesetz aufheben können. Hierdurch entsteht jedoch ein Widerspruch zwischen Vertragsgeltung und Gesetzeslage. Bei völkerrechtlichen Verträgen besteht dieser Konflikt zwischen zwei getrennten Rechtsordnungen: Das staatliche Recht widerspricht dem Völkerrecht. Ein solcher Konflikt kann ausgehalten werden. Im Fall der evangelischen Kirchenverträge bestünde dieser Widerspruch aber innerhalb der staatlichen Rechtsordnung: Der nach staatlichem Recht geschlossene Vertrag gebietet seine Anwendung, die das ebenfalls staatliche Recht versagt. Nach dem rechtsstaatlichen Prinzip der Einheit der Rechtsordnung ist ein solcher Widerspruch nicht möglich. Seine Hinnahme ist auch entgegen anderslautenden Auffassungen nicht notwendig: Die erforderliche Möglichkeit des Staates, zum Wohle der Allgemeinheit auf schwerwiegende Veränderungen und Notfälle zu reagieren, wird durch die clausula rebus sic stantibus in ausreichendem Maße gewahrt. Eine Aufhebung oder Außerkraftsetzung des Kirchenvertrages ist also nur nach den vertragsrechtlichen Vorgaben möglich. Dasselbe gilt für eine Änderung des Zustimmungsgesetzes. c) Rechtsschutz bei Vertragsverletzungen durch Gesetz kann nur durch das BVerfG gewährt werden. Art. 140 GG ist grundsätzlich nicht verfassungsbeschwerdefähig, das BVerfG handhabt dies jedoch großzügig. Allerdings liegt nicht in jeder Vertragsmißachtung zugleich eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Wohl aber verletzt die Norm das Rechtsstaatsprinzip. Dies kann mit einer Verfassungsbeschwerde unter Rückgriff auf Art. 2, 20 GG gerügt werden. 9. Ein dem deutschen vergleichbares System von Staatskirchenverträgen, das nicht nur den Heiligen Stuhl, sondern auch andere Kirchen und Religionsgemeinschaften erfaßt, existiert in Spanien. 10. Die dortige Entwicklung ist sehr aktuell, Verträge mit nichtkatholischen Religionsgemeinschaften wurden erst 1992 geschlossen. Sie beruht auf der Verfassung von 1978, die in Verbindung mit der LOLR die Begründung vertraglicher Beziehungen auch zu anderen Religionsgemeinschaften als der katholischen Kirche vorsieht.

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11. Verträge mit den Kirchen werden in der Regel vom spanischen Zentralstaat geschlossen. Zwar sind die Autonomen Regionen in gewissem Umfang vertragsschlußberechtigt, dies kann aber nicht über Verwaltungsabkommen hinausgehen. 12. Davon abgesehen, teilen sich auch in Spanien die Verträge in zwei Gruppen: Die Konkordate sind völkerrechtliche Verträge. Sie werden nach den Regeln des Völkerrechts geschlossen und nach den entsprechenden Normen der Verfassung in spanisches Recht transformiert. 13. Die übrigen Staatskirchenverträge werden nach den Regeln der LOLR abgeschlossen und durch Zustimmungsgesetz bestätigt. Ihre Rechtsnatur ist sehr umstritten, die Einordnung reicht von der Annahme staatsrechtlicher oder allgemein als öffentlich-rechtlich bezeichneter Verträge bis zur Konstruktion paktierter Gesetzgebung. Weit verbreitet ist die Auffassung, dem Vertrag selbst komme keinerlei Rechtswirkung zu, diese entfalte allein das Parlamentsgesetz. Dies jedoch nähme dem Instrument des Staatskirchenvertrags seinen Sinn. Auch die konkrete Vertragsgestaltung zeigt, daß die Verträge rechtsverbindlich sind. 14. In der spanischen Literatur wird oft der Vergleich mit der deutschen Rechtslage gesucht. Ob Vergleichbarkeit gegeben ist, ist allerdings umstritten. 15. Es kann jedoch festgehalten werden, daß durchaus viele Gemeinsamkeiten bestehen: Die Konkordate sind nach beiden Rechtsordnungen völkerrechtliche Verträge. Die Verträge mit den anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften können nicht völkerrechtlich sein, sondern finden ihre Grundlage in der innerstaatlichen Rechtsordnung. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie für den Staat keine bindende Kraft hätten. Der Staat hat vielmehr durch seine gesetzliche Zustimmung zum Vertrag eine Bindung begründet, die er nicht eigenmächtig wieder aufheben kann.

Die derzeit geltenden Staatskirchenverträge in Deutschland (Auswahl)1 15. November 1924

29. März 1925

Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz Bayerisches Konkordat, Konkordat zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern

14. Juni 1929

Preußenkonkordat, Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhle

11. Mai 1931

Preußischer Kirchenvertrag, Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen

12. Oktober 1932

Badenkonkordat, Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden

14. November 1932

Badischer Kirchenvertrag, Vertrag zwischen dem Freistaat Baden und der Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens

20. Juli 1933

Reichskonkordat, Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich

19. März 1955

Loccumer Vertrag, Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen

23. April 1957

Kieler Vertrag, Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in SchleswigHolstein

6. März 1958

Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche

18. Februar 1960

Wiesbadener Vertrag, Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen

31. März 1962

Mainzer Vertrag, Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den Evangelischen Landeskirchen in Rheinland-Pfalz

9. März 1963

Hessischer Bistumsvertrag, Vertrag des Landes Hessen und den Katholischen Bistümern in Hessen

26. Februar 1965

Niedersachsenkonkordat, Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen

1

Aufgeführt ist jeweils das Datum der Vertragsunterzeichnung.

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Die derzeit geltenden Staatskirchenverträge in Deutschland

29. März 1984

15. September 1993 20. Januar 1994

15. März 1994 24. März 1994

2. Juli 1996 10. März 1997

11. Juni 1997 15. September 1997 15. Januar 1998 31. Oktober 2001 27. Januar 2003 12. November 2003 21. November 2003 29. November 2005

20. Februar 2006 17. Oktober 2007

Düsseldorfer Vertrag, Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche Wittenberger Vertrag, Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit den Evangelischen Landeskirchen in Sachsen-Anhalt Güstrower Vertrag, Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche Erfurter Kirchenvertrag, Vertrag des Freistaats Thüringen mit den Evangelischen Kirchen in Thüringen Dresdener Kirchenvertrag, Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und den evangelischen Landeskirchen in Sachsen Dresdener Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen Brandenburger Vertrag, Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und den evangelischen Landeskirchen in Brandenburg Erfurter Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen Schweriner Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern Magdeburger Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt Bremer Kirchenvertrag, Vertrag der Freien Hansestadt Bremen mit den Evangelischen Kirchen in Bremen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland Potsdamer Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg Bremer Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien Hansestadt Bremen Hamburger Konkordat, Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburger Kirchenvertrag, Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen EvangelischLutherischen Kirche Berliner Vertrag, Vertrag des Landes Berlin mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Stuttgarter Vertrag, Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit der Evangelischen Landeskirche in Baden und mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

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Sachwortverzeichnis bewegliche Vertragsgrenzen 83 ff., 105 f. Bistumsvertrag 36 f., 46, 152 clausula rebus sic stantibus 18, 75, 78, 79 ff., 97, 99 ff., 114, 145, 147, 159 Demokratieprinzip 126 ff. Deutsche Demokratische Republik 24 – Fortgeltung der Staatskirchenverträge 24, 83 Eigenrechtsmacht der Kirchen siehe Selbstbestimmungsrecht der Kirchen Evangelischer Kirchenvertrag – Kündigung 97 ff., 165 f. – Rechtsnatur 40 ff., 160 ff. – und Gesetz 109 ff., 163 ff. Feiertagsgarantie siehe Sonntagsschutz Freundschaftsklausel 76, 78, 96, 98, 141, 147 Gemeinsame Angelegenheiten 15 Gesetz – und evangelische Kirchenverträge 109 ff. – und Konkordate 85 ff. – und völkerrechtliche Verträge 85 ff. – Vertragsgesetz siehe Zustimmungsgesetz – Zustimmungsgesetz siehe Zustimmungsgesetz Gesetzgeber – Bindungsmöglichkeit 88 ff., 114 ff.; 126 ff. – Souveränität 114 ff.

Gewaltenteilung 121 f., 130 ff. Gleichheitssatz siehe Parität Heiliger Stuhl 17 ff., 28 ff. – als auswärtiger Staat 32 f. – im Völkerrecht 17 ff. – und Vatikanstaat 29 Hochschulvertrag 54 ff. Investiturstreit 17 f. Jüdische Verträge 25, 68 f., 108, 155 Katholische Kirchenverträge siehe Konkordat Kirchengutsgarantie 136 Kirchenstaat siehe Vatikanstaat Kirchenvertrag 16, 40 ff., 95 ff. Konkordat 16, 27 ff., 72 ff., 144, 151, 154, 157 ff. – Kündigung 76 ff. – Rechtsnatur 27 ff., 157 ff. – und Gesetz 85 ff., 159 – und Völkerrecht 27 ff. – Völkerrechtsfähigkeit der Vertragspartner 28 ff., 32 ff. Koordinationslehre 44 f. Körperschaft des öffentlichen Rechts 54 ff., 151, 155 – Hochschulen als 54 ff. – Kirchen als 36 f., 43, 45, 54, 169 f. Kündigung 76 ff., 97 ff. Legaltheorie 19 f. lex posterior 87 ff., 109 ff., 137 ff., 160, 163, 165

Sachwortverzeichnis pacta sunt servanda 20, 64, 66, 71 ff., 89, 141, 146 Parität 42 ff., 59 f., 71, 95, 135 Parlament siehe Gesetzgeber Preußenkonkordat, Fortgeltung 24, 84 Privilegientheorie 20 f. Ratifikation 57 f. Rechtsschutz 94 f., 149 ff. – bei ev. Kirchenverträgen 149 ff. – bei Konkordatsverletzungen 94 f. – durch das BVerfG 94, 150 – im internationalen Recht 95, 152 Rechtsstaat 89 f., 124 f., 133 ff. Reichskonkordat 22, 32 ff., 63, 78, 83, 135 – Geltung in den neuen Ländern 24 Religionsfreiheit 134 Res Mixtae siehe gemeinsame Angelegenheiten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen 50 f., 112 ff. Selbstbindung 123, 139 f. Sonntagsschutz – als subjektives Recht 136 – im Vertragsrecht 109, 136 Souveränität 78, 114 ff., 167, 171 Staat-Kirche-Recht 65 ff. Staatsleistungen 135 Territoriale Veränderungen 82 ff., 104 ff. Theologische Fakultät 106, Fn. 181; 109 ff. Treu und Glauben 98

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Vatikanstaat 28 ff. venire contra factum proprium 140, 146 Vertrag – quasi-völkerrechtlicher 46 f. – staatsrechtlicher 52 – Staatsvertrag 47 ff. – sui generis 23, 60 ff., 143, 151, 162, 168 – Verwaltungsvertrag 52 ff. – völkerrechtlicher 23, 27 ff., 34 ff., 40 ff., 85 ff., 137, 144, 151, 157 f. Vertragsanpassung siehe clausula rebus sic stantibus, siehe Freundschaftsklausel Vertragsgesetz siehe Zustimmungsgesetz Vertragstheorie 20 f. Vertrauensschutz 133, 138, 140 f. Völkergewohnheitsrecht 74, 79 Völkerrecht – und Landesverfassungsrecht 91 ff. – und staatliches Recht 85 ff. Völkerrechtssubjekt 28 ff., 32 ff., 40 ff., 115 f., 144, 161 Volkssouveränität 121 Wegfall der Geschäftsgrundlage siehe clausula rebus sic stantibus Wiener Vertragsrechtskonvention 72 ff., 77 f., 79 f. Wormser Konkordat 17 f. Zustimmungsgesetz 85 ff., 126 ff., 142 ff., 160, 165