Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen [1 ed.] 9783428442195, 9783428042197


127 106 20MB

German Pages 203 Year 1979

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen [1 ed.]
 9783428442195, 9783428042197

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

EBERHARD NORDMANN

Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen

Schriften zum Internationalen Recht Band 14

Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen

Von

Dr. Eherhard Nordmann

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1979 Duncker & Humblot, Berl!n 41

Gedruckt 1979 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04219 0

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Universität Bielefeld im Wintersemester 1976 als Dissertation angenommen worden. Sie war im wesentlichen abgeschlossen im Wintersemester 1975. Aufrichtigen Dank sage ich meinem akademischen Lehrer, Professor Dr. J. Abr. Frowein, dem ich sowohl Förderung in der akademischen Ausbildung als auch insbesondere die Anregung und Betreuung der vorliegenden Arbeit verdanke. Eberhard Nordmann

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Einführung A. Eingrenzung des Themenbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Setzung und Anwendung innerstaatlichen Rechts und das Völker-

recht

19

................................... .......................

19

II. Durchsetzung innerstaatlichen Rechts und Völkerrecht . . . . . . . .

21

1. Vollstreckung von Entscheidungen

2. Ermittlung von Entscheidungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . .

21 21

B. Wirtschaftliche und machtpolitische Hintergründe extraterritorialer Zuständigkeitsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

C. Praktische Verwertbarkeit eineT völkerrechtlichen Untersuchung der Ermittlungszuständigkeit

..........................................

26

2. Te i 1

Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Reclttshilfe A. R echtshilfe im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Ermittlungshandlungen durch ins Ausland entsandte Beauftragte

28

1. Ermittlungen von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Kernstrafrecht: Interpol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlungen a uf anderen Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c} Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 29 29

2. Ermittlungen im Parteiverfahren am Beispiel des amerikanischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Beweiserhebung "by stipulation" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweiserhebung "on notice" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c} Beweiserhebung "by commission" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 31

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Inhaltsverzeichnis

8

II. Ermittlungshandlungen durch ersuchte ausländische Stellen . . . .

32

1. Arten der Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2.

3.

4. 5.

a) Ersuchen um Übermittlung von Dokumenten und Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersuchen um Übermittlung von Informationen . . . . . . . . . . c) Ersuchen um Überstellung von Personen als Zeugen . . . . . . Vertragliche Regelung der Rechtshilfe bei Ermittlungen . . . . a) Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hindernisse des vertraglichen und des vertragslosen Hechtshilfeverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlen vertraglich festgelegter Verfahrensregeln . . . . . . . . b) Unterschiedliche materielle und prozessuale Regeln in den beteiligten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sprachschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Lange Dauer bis zum Rücklauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erforderlichkeit der Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperationsunwilligkeit bei Tangierung des öffentlichen Interesses des ersuchten Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschleunigte Rechtshilfe durch Israel in Prozessen wegen nationalsozialistischer Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32 32 33 33 34

35 36 36 37

38 38 38 39 39 40 41

3. Te i 1

Beschaffung von Beweismitteln durch ins Ausland entsandte Beauftragte A. Ermittlungen unter Zwangsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Beispiele

43 43

1. Kämpfer ./. Zürich, Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2. Amerikanische Loyalitätsüberprüfungen in der Schweiz . . . . . .

44

3. Australische Zollwertermittlungen in der Bundesrepublik . . . .

44

4. Amerikanische Banküberprüfungen in der Bundesrepublik . .

45

5. Amerikanische Steuerermittlungen in Frankreich . . . . . . . . . .

45

6. Gordon ./. Volkswagenwerk AG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 7. Zusammenfassung: gemeinsame Tatbestandsmerkmale der Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

II. Vertragliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

III. Gewohnheitsrechtliche Schranken der Anwendung absoluter Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Inhaltsverzeichnis

9

IV. Gewohnheitsrechtliche Schranken der Ausübung von Zwang durch Androhung von Nachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Staatenpraxis in den Beispielfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Völkerrechtliche Würdigung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Zwangsfreie Ermittlungen, z. B. bei Mitwirkungswilligen . . . . . . . . . . . .

I. Beispiele

55 55

1. Niederländische Steuerermittlungen in der Schweiz . . . . . . . . . . 2. Niederländische Steuerverhandlungen in Deutschland . . . . . . . . 3. Amerikanische Steuerermittlungen in der Dominikanischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Amerikanische commissioners of deeds in Deutschland . . . . . . 5. Observationen durch Spitzel von Zollbehörden im Ausland . .

55 56

II. Völkerrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

C. Ausnahmen vom V erbot hoheitLicher Ermittlungen im Ausland . . . . . .

59

I. Allgemeine Rechtfertigungsgründe

56 56 57

59

II. Besonderer Rechtfertigungsgrund der Beweisbeschaffung für ein Verfahren vor einem internationalen Gericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 61

D. Ergebnis I. Der gegenwärtige Stand des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

II. Entwicklungstendenzen: Bereitschaft zur Einschränkung der Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Grenzüberschreitende Fälle krimineller Aktivitäten . . . . . . . . . . 61 2. Rein technische Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Faktischer Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4. Te i 1

Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland unter Sanktionsandrohung A. Notwendige und überflüssige Unterscheidungen I. Anforderung von Dokumenten und Anforderung von Informa-

tionen

........................................................

67 67

II. Arten der anfordernden Stellen und Rechtsnatur der innerstaatlichen Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Natur und Intensität der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

IV. Fehlen einschlägiger wissenschaftlicher Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . .

69

10

lnhaltsverzeichnis

B. Die abstrakt-genereUen innerstaatlichen RechtsgrundZagen der Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland .. ..................... .

70

I. Vereinigte Staaten: das Rechtsinstitut der subpoena .... . ...... .

71

Il. Bundesrepublik Deutschland ............ ... ............. .. ..... .

73

1. Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen ............ . ... ... .

2. Zivilprozeßrecht ..... . ................ ... .................. . a) Auslandszustellungen ............................... . ... . b) Anordnung der Aktenvorlage .. .... . . .. . .. ....... ... ... . . c) Beweiserhebung im Ausland . . . . .. . .. ............. .. ..... .

73 73 73 73 74

3. Strafprozeßrecht ....................... .. .............. .. .. . 4. Verwaltungsstreitverfahren .... . ........ .. ............... .. . . 5. Verwaltungsverfahren ............... .. ................ . . . . .

74 75 75

III. Das Verfahren der Europäischen Kommission in Wettbewerbssachen 76 IV. Unzweckmäßigkeit der Prüfung abstrakt-genereller Normen .. ..

77

C. Die Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland unter dem Gesichtspunkt der Jurisdiktion . ............... ... .. .

77

I. Zum Begriff der Jurisdiktion: Inhalt, Bedeutung und Anwend-

barkeit ....................................................... .

77

1. Methodischer Ansatz der Untersuchung ..... .. ....... .. ... . 2. Definition 3. Fehlen eines Anknüpfungsmerkmals als völkerrechtliche Verbotsnorm? ............................. .. ............... .. . . a) Die Konzeption der konkreten Schranken hoheitlichen Tätigwerdens .......................... . ................ .. . b) Die Konzeption des positiven Titels . . ................. . . . c) Stellungnahme .. ....... . ........... .. ...... . ........ . . . . 4. Die Lösung von Jurisdiktionskonflikten ................ .. . .

77 78

79 79 80 81

82

Il. Ausnahmetatbestände ......................................... .

84

III. Anknüpfung an die Gebietshoheit des anfordernden Staates ..

85

1. Die Anwesenheit von Ausländern oder Ausländern gehörenden

Gegenständen im Inland .... .. ......................... .. . . . a) Anwesenheit einer einem Ausländer gehörenden (unbeweglichen) Sache im Inland: Deutsch-Schweizerischer Staudamm-Fall .. . . ...... .. ...................... .. ........ . . b) Anwesenheit einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person im Inland durch eine Niederlassung: In the Matter of Equitable Plan Co. . ... . .. .. ..... .. ......... .. . 2. Anwesenheit und Handeln von Auslä ndern im Inland: Canadian Paper-Fall ........................................... . 3. Aufenthalt und Handeln von Ausländern im Ausland, Erfolg und Auswirkungen des Handeins im Inland ................. .

85 85

86 91 93

Inhaltsverzeichnis a) Der Frachtratenkrieg im Nordatlantik: Grand Jury Untersuchung 1959/60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Frachtratenkrieg im Nordatlantik: Federal Maritime Board Untersuchungen 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frachtraten-Ermittlung im September 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . d) Securities Exchange Act Amendment 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . e) Völkerrechtliche Anerkennung des Auswirkungsprinzips . .

11 94 96 97 97 99

4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5. Völkerrecht und Kollisionsrecht ... ... ...................... 102 IV. Die Anknüpfung an die Personalhoheit des anfordernden Staates 103 1. Staatsangehörigkeit natürlicher und juristischer Personen .... 103

2. Die Anforderung von Beweismitteln von ausländischen Nieder-

lassungen oder Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen ................. . ................. . .................... a) Minas de Artemisa-Fall 1945 ... .. ............... . ..... . . b) § 15 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes der Bundesrepublik ..... .. ......................... . ..................... c) First National City Bank v. Interna! Revenue Service 1959 d) Application of the Chase Manhatten Bank 1961 . . . . . . . . . . e) U. S. v. First National City Bank 1968 ............. . .. . . .. 3. Völkerrechtliche Würdigung ....... ... .............. . . ..... . a) Anwesenheit ausländischer Untergesellschaften im Inland b) Völkerrecht und Kollisionsrecht ..... . ... .. . . ............. c) Beherrschung als Anknüpfungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Unterscheidung zwischen rechtlich selbständigen und unselbständigen ausländischen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 106 108 109 109 110 110 111 113 114

V. Schutzprinzip ......................... . ................. . .... . . 115 116

VI. Ergebnis D. Vertragliche Schranken der Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

I. Konsultationsvereinbarung Bundesrepublik Deutschland- AustraUen

.. . ................. . ............... . . . .............. . .... 117

II. Vereinigte Staaten -Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Informationsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . 118 1. Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik- Schweiz vom

5. 9. 1972 ................. . .............. . ............... . ... 119 2. Andere neue Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

IV. OECD -

Empfehlung zum Wettbewerbsrecht .... . ............. 120

V. VN- Überlegungen zum Wettbewerbsrecht . ............... . ... 121 VI. Völkerrechtswidrigkeit von Anforderungen bei Unterbleiben von Konsultationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis

12

E. Das Gebot der Gewährung von Immuni.tät .. . ........ . ......•.... . .. 123

I. Der Anglo-Iranian Oil-Fall 1952

123

II. Staatenimmunität und die amerikanische Act of State-Doktrin . . 124 III. Geltungsgrund und Inhalt des Gebots der Gewährung von Immunität . .............. .... ............................... .. ...... 125 IV. Keine Pflicht zur Gewährung von Immunität gegenüber Staatsunternehmen ........ . . . .............................. ... ...... 126 F. Das Gebot der Achtung fremder Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

I. Besondere Ausprägung des Verbots der Verletzung fremder Ge-

bietshoheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

II. Maßnahmen einzelner Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Großbritannien

a) Gesetzgeberische Maßnahmen: Shipping Contracts and Commercial Documents Act 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aide memoire und Vorlageverbote 1960 ............ .... .. c) Unterhausdebatte über das Bonner Amendment 1962 . ..... d) FMC-Untersuchung 1963 ............. . .............. .. .... e) Ludlow-Fall 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 129 130 131 132 132 133

2. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) b) c) d) e) f)

Gesetzgeberische Maßnahmen: Aufgabengesetz 1965 . . . . . . Verordnung über die Übermittlung von Dokumenten 1966 Grand Jury und FMC-Untersuchungen 1960/61 ..... .. ..... Ludlow-Fall 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . UNCTAD-Studie 1972/73 . ........ . .. ......... ..... . .... . Ergebnis

3. Frankreich

133 135 135 136 136 137 138

a) Gesetzgeberische Maßnahmen: Gesetz über die Übermittlung von Dokumenten 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Frachtratenstreit und Bonner Amendment ............ .. .. 138 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Niederlande a) b) c) d) e)

Kartellgesetz von 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. S. v. Standard Oil Company (New Jersey) 1953 .... . . .. Frachtratenstreit 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludlow-Fall 1967 ................... .. ............. .... .. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5. Belgien

139 139 139 140 141 141

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

a) Gesetz von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Bonner Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis

13

c) Ludlow-Fall 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Ergebnis ....... . . . ............. ... .................... .. 142 6. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 7. Schweiz ........... ... ............ . ......................... 143 a) Gesetzgeberische Maßnahmen .... ... ............. ... .... . 143 b) Fall des Watchmakers of Switzerland Information Centre .. 144 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 8. Norwegen ......... .. .............. . . ....... . .. . ... . .. ...... 145 a) Gesetz von 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Frachtratenstreit 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Bonner Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 9. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Verordnung von 1966 ........... . ................ . ..... .. 146 b) Frachtratenstreit 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Stellungnahmen von 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 10. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Gesetzgeberische Maßnahmen .. . .................. . ..... . 147 b) Frachtratenstreit 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Bonner Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11. Finnland

148

12. Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 13. Kanada

148

a) Canadian Paper-Fall 1947 ........ . ..................... . . 148 b) Business Records Protection Act der Provinz Ontario 1947 149 c) C. R. P. L.-Fall 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 14. Panama .................................................. . . 150 15. Japan

151

a) b) c) d) e)

151 152 152 153 153

Frachtratenstreit 1960/61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bonner Amendment ........... . ........................ . . Mitsui Steamship Co.-Fall 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Gegenmaßnahmen ..... . ..... . ................ . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16. Philippinen

153

17. Indien ........................ . ......... . ....... . .. ....... .. 154 III. Kollektive Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Die Londoner Konferenz vom Dezember 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . 154

2. Consultative Shipping Group and Cotton Club . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Ergebnis

158

14

Inhaltsverzeichnis 159

G. Das Einmischungsverbot

I. Geltungsgrund und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Rechtsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Tatbestandsmerkmale 161

a) Eingriff ......... . .............. ... ............. .. .. . .. . 161 b) Vorbehaltener Bereich ........ . . . ... . ........... ... .. ... 163 II. Die Bestimmung des vorbehaltenen Bereichs hinsichtlich der Anforderung von Dokumenten im Bereich des Seeverkehrs . . . . . . . . 164 1. Berührung des Schutzbereichs des Einmischungsverbots . . . . . . 164

2. Interessenahwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Verstoß von Abwehrmaßnahmen gegen das Estoppel-Prinzip 171 H . Das Verbot des Rechtsmißbrauchs . ............................... .. 172

I. Geltungsgrund des Rechtsmißbrauchsverbots ... . . . ....... . . . .. 172 II. Rechtsmißbrauch bei dürftiger Verbindung zwischen anforderndem Staat und angefordertem Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Rechtsmißbrauch bei zu weitgehenden Anforderungen . . . . . . . . . . 174 IV. Rechtsmißbrauch bei den Anforderungen im Bereich des Seeschiffsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 V. Kein Rechtsmißbrauch b ei entgegensteh endem fremdem Recht . . 176 5. Te i 1

Aufforderung zu freiwilliger Vorlage von Beweismitteln A. V orlage aufgrun d prozessualer B ew eispflicht .. .. ..... . . . ..... ... .... 178

I. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Prisenfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Pretrial Discoveries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

II. Völkerrechtliche Grenzen der Beweispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Beweislastumkehr im P risenrecht . . . ........... ... ......... 181 2. Überspannung der Beweisanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Der Beweisführung entgegensteh endes fremdes Recht . . . . . . . . 182

B . Vorlage von Unterlagen zur Erlangung oder Aufrechterhaltung v on B egünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

I. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Registrierung der Liniendienste in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Inhaltsverzeichnis

15

2. Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel: Bayer-Fall 185 3. Zulassung als broker-dealer: !OS-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Erfordernis von Resident Representatives ................ . . 187 II. Völkerrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Gewohnheitsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

III. Die Umgehung der Völkerrechtswidrigkeit von Anforderungen

Literaturverzeichnis

189 191

Abkürzungsverzeichnis A. A. A.B.A. AFDI A. J. Comp. L. AJIL AO

App. Cas. AVR AWD BGBl BGH BGHStE BSTBl BT Drs. Business L. Rev. BVerfGE BYIL c. A. C. A. Dist. Col. CCH Trade Cases cert. den. Col. L. Rev. DBA D. C.D.C. D. C. E. D. N. Y. D. C. S. D. N. Y.

DStR DStZ Duke L.J. E.D.L.A. EFG EuGHE F. 2d

FMC

anderer Ansicht American Bar Association Annuaire Fran~ais de Droit International American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Abgabenordnung Appeal Cases (Großbritannien) Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Business Law Review Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts The British Yearbook of International Law Court of Appeals (Großbritannien) Court of Appeals for the District of Columbia Commerce Clearing House, Trade Cases certiorari denied Columbia Law Review Doppelbesteuerungsabkommen District Court for the District of Columbia District Court for the Eastern District of New York District Court for the Southern District of NewYork Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitschrift Duke Law Journal Eastern District of Los Angeles Entscheidungen der Finanzgerichte Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Federal Reporter, Second Series, Cases Argued and Determined in the United States Court of Appeals for the District of Columbia, United States Courts of Appeals and the United States Court of Customs and Patent Appeals, United States Emergency Court of Appeals Federal Maritime Commission

Abkürzungsverzeichnis F.M.C. F.R.D. F. Supp. GAOR G. A. Res. Georgetown L. J. Geo. Washington L. Rev. GWB Harv. L. Rev. H. C. Deb. H.R. ICJ

i. d. F.

IGH ILA

ILM I. L. Q. Int. Comp. L. Q. IPR i.

s. d.

JR JZ L. A. Bar. Bulletin L. Ed.

lk. Sp. LoNTS ModernL. R. Ned. Tijdschrift Int. R. NJW N.Y.S. N. Y. Univ. L . Rev. Northwestern Univ. L. Rev. OECD ÖZöR OLG PCIJ RabelsZ Recueil des Cours RFH 2 Nordmann

17

Reports of the Federal Maritime Commission Federal Rules Decision Federal Supplement, Cases Argued and Determined in the United States District Courts and the United States Court of Claims General Assembly Official Records Resolutions of the General Assembly of the United Nations Georgetown Law Journal George Washington Law Review Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957, BGBl I, 1081 Harvard Law Review House of Commons Debates House Reports International Court of Justice in der Fassung Internationaler Gerichtshof Den Haag International Law Association. Report of Conferences. Die Jahresangabe gibt das Jahr der Konferenz, nicht das der Veröffentlichung wieder International Legal Materials International Law Quarterly The International and Comparative Law Quarterly Internationales Privatrecht Im Sinne des (der) Juristische Rundschau Juristenzeitung Los Angeles Bar Bulletin Lawyer's Edition of United States Supreme Court Reports linke Spalte League of Nations Treaty Series Modern Law Review Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht Neue Juristische Wochenschrift New York Supplement New York University Law Review Northwestern University Law Review Organization for Economic Cooperation and Development Osterreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Oberlandesgericht Permanent Court of International Justice Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recueil des Cours de l'Academie de Droit International Reichsfinanzhof

18

RGBl r. Sp. RVO SC.

S. Ct. SEC StAnpG StiGH

StuW Supp. UN UNCTAD Univ. Chicago L. Rev. Univ. Pa. L. Rev. UNTS

u.s.

U.S.C.A. VG Virginia L. R. VN

vo

VwGO WVR

Yale L. R ZaöRV ZPO ZRHO Z. vgl. RW ZVR ZZP

Abkürzungsverzeichnis Reichsgesetzblatt rechte Spalte Reichsversicherungsordnung scilicet (ergänze) Supreme Court Reporter Securities and Exchange Commission Steueranpassungsgesetz Ständiger Internationaler Gerichtshof, Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofes, Amtliche Sammlung Steuer und Wirtschaft, Jahrgänge 1922 - 1942 und ab 1947 Supplement United Nations United Nations Conference on Trade and Development University of Chicago Law Review University of Pennsylvania Law Review United Nations Treaty Series Cases Argued and Decided in the Supreme Court of the United States United States Code Annotated Verwaltungsgericht Virginia Law Review Vereinte Nationen Verordnung Verwaltungsgerichtsordnung Wörterbuch des Völkerrechts, begründet von Karl Strupp, in 2. Aufl. herausgegeben von Hans-Jürgen Schlochauer, 3 Bde., Berlin 1960 1962

Yale Law Review Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Deutsche Zivilprozeßordnung (Deutsche) Rechtshilfeordnung für Zivilsachen vom 19. 10. 1956 Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für Zivilprozeß, begr. von Busch

1. TEIL

Einführung A. Eingrenzung des Themenbereichs I. Setzung und Anwendung innerstaatlieben Rechts und das Völkerrecht

Das Verhältnis innerstaatlichen Rechts zum Völkerrecht wirft auf verschiedenen Ebenen Probleme auf. Zum einen ist zu überprüfen, inwieweit ein Völkerrechtssubjekt im Verhältnis zu anderen Völkerrechtssubjekten zur Setzung von Recht befugt ist. Auf der gleichen Ebene liegt die Frage nach den Grenzen der Anwendung von innerstaatlichem Recht auf konkrete Sachverhalte durch die dazu berufenen Entscheidungsinstanzen. Rechtsetzung und Rechtsanwendung können in Rechtskreisen mit richterlicher Rechtsschöpfung zusammenfallen. Seit einigen Jahrzehnten, insbesondere aber in der Zeit seit dem Ende des 2. Weltkrieges, machen sich Tendenzen bemerkbar, die Anwendbarkeit nationalen Rechts in einem territorialen und personalen Umfang zu beanspruchen, der zusehends zu zwischenstaatlichen Konflikten geführt hat. In erster Linie hat das Verhalten der Vereinigten Staaten die hier zu erörternden Probleme entstehen lassen. Die Anwendbarkeit staatlichen Rechts, insbesondere die Anwendung von Kartellrecht, auf Sachverhalte mit Auslandsbezug ist Gegenstand einer in den vergangeneu beiden Jahrzehnten fast ins Unübersehbare angeschwollenen Flut von Aufsätzen in erster Linie amerikanischer1 Autoren gewesen2 • Diese Aufsatzliteratur knüpft vornehmlich an die Entscheidungen amerikanischer Gerichte in den Fällen United States v . Aluminum Company of America (Alcoa) 3 , United States v. Imperial 1 Die Begriffe "Amerika" bzw. "amerikanisch" bezeichnen, soweit nicht anders vermerkt, die Vereinigten Staaten von Amerika. 2 Eine Bibliographie amerikanischer und englischer Beiträge, die im Zeitraum von 1940 bis 1964 veröffentlicht worden sind, hat G. W . Haight für die Tagung der ILA in Tokio zusammengestellt. ILA, Report of the 51st Conference (1964), S. 505 - 510. 3 148 F. 2d 416 (2d Cir. 1945); 91 F. Supp. 333 (S. D. N. Y. 1950). Der hier interessierende Teil der Entscheidung betrifft den Beitritt der kanadischen Firma Aluminum Ltd. zu einem von schweizerischen, englischen und deutschen Firmen geschlossenen Kartellvertrag. Zweck des Kartells war es, daß

20

1. Teil: Einführung

Chemical Industries (ICI)4 und United States v. Watchmakers of Switzerland Information Center5 an, in denen das sog. Auswirkungskein Partner von einem Nichtmitglied produziertes Aluminium kaufen, leihen, verarbeiten oder verkaufen durfte. Der Anteil der Vertragspartner an der Weltproduktion von Bauxit und Aluminium war erheblich. Die Anwendbarkeit des amerikanischen Kartellrechts wurde in den berühmt gewordenen Ausführungen von Judge Learned Hand damit begründet, daß Auswirkungen auf den amerikanischen Markt beabsichtigt seien. Die nachgewiesene Absicht rechtfertige die Unterstellung des Erfolges (148 F. 2d 416, 444 r. Sp.). Dazu Hermanns, Völkerrechtliche Grenzen für die Anwendung kartellrechtlicher Verbotsnormen, S. 29 ff.; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147- 175, hier: S. 164 f., 175; W. Kronstein, Enforcement of United States Antitrust Laws over Alien Corporations, 43 Georgetown L. J. (1954/55), S. 661- 670, hier: S. 661 f.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 104 ff.; Raymond, A New Look at the Jurisdiction in Alcoa, 61 AJIL (1967), S. 558-570, passim; Verzijl, The Controversy Regarding the So-Called Extraterritorial Effect of the American Antitrust Laws, Ned. Tijdsschrift Int. R., Bd. 8 (1961), S. 3-30, hier: S. 17. 4 105 F. Supp. 215 (S. D. N. Y. 1952); Vorabentscheidung F. Supp. 504 (S. D. N. Y. 1951). In den 30er Jahren schlossen der amerikanische Chemiekonzern DuPont de Nemours und das englische Unternehmen !CI Verträge, durch die sie bestimmte Weltmärkte in der Weise aufteilten, daß gewisse Gebiete der Belieferung durch DuPont vorbehalten und andere für !CI reserviert wurden. Eine in diesem Zusammenhang von DuPont eingeräumte Lizenz für die Produktion von Nylon übertrug die !CI auf British Nylon Spinners (BNS), an der sie mit 50 °/o beteiligt war. Der District Court entschied daraufhin: "We do not hesitate therefore to decree that the British Nylon Patents may not be asserted by the !CI to prevent the importation of Nylon Yarn or Nylon Polymer into Great Britain" (105 F. Supp. 215, 231 r . Sp.). Dazu Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147- 175, hier: S. 167 f.; Kahn I Freund, English Contracts and American Antitrust Law, 18, The Modern Law Review (1955), Seite 65- 70; W. Kronstein, Enforcement of United States Antitrust Laws over Alien Corporations, 43 Georgetown L. J . (1954/55), Seite 661 - 670, hier: Seite 666 f.; Meinhardt, Territorial Limits of the United States Antitrust Jurisdiction, Business L. R. Bd. 3 (1956), S. 187 - 190, hier: S. 187 f. 5 133 F. Supp. 40 (S. D. N. Y. 1955); 134 F. Supp. 720 (S. D. N. Y. 1955); 1962 CCH Trade Cases 70 600 (S. D. N. Y. 1962); 1963 CCH Trade Cases 77 414 (S. D. N. Y. 1963). Die schweizerischen Gesellschaften hatten praktisch ein Exportkartell gegründet, das u. a. den Import in die Vereinigten Staaten beeinflußte. Die schweizerischen Uhrenhersteller vereinbarten außerdem mit amerikanischen Wettbewerbern, daß diese ihre Produktion drosseln sollten. Nach Ansicht des Gerichts verletzte das schweizerische Kartell den Sherman Act. Die in der Schweiz zwischen schweizerischen Unternehmen geschlossenen Kartellvereinbarungen waren nach schweizerischem Recht rechtmäßig und genossen überdies die Unterstützung der Regierung. Der District Court erklärte, daß angesichts der Verstöße leitende Angestellte (officers) und Vertreter der schweizerischen Uhrenindustrie bei Besuchen in den Vereinigten Staaten damit rechnen müßten, in Haft genommen und mit Geldstrafen belegt zu werden und daß amerikanisches Eigentum der Industrie, insbesondere ihre Patente, beschlagnahmt werden könnten. Dazu Fugate, Antitrust Jurisdiction and Foreign Sovereignty, 49 Virginia L. R. (1963), s. 925- 937, hier: S. 928 f.; ders., General Course on Principles of International Law, Recueil des Cours 1967 II (Bd. 121), S. 323-605, hier: S. 522 ff.: Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 106, 152.

A. Eingrenzung des Themenbereichs

21

prinzip entwickelt wird. Danach erstreckt sich die Anwendbarkeit staatlichen Rechts auf solche extraterritorialen Sachverhalte, die "effects" im Inland zeitigen. Dieser Gedanke liegt auch § 98 Abs. 2 GWB zu· grunde. Trotz des Vorliegens zahlreicher, überwiegend englischsprachiger Aufsätze zu den Anwendbarkeitsgrenzen innerstaatlichen Rechts kann auch nicht im entferntesten die Rede davon sein, daß die völkerrechtliche Problematik geklärt sei. Viele Berichte beschränken sich auf eine Zusammenfassung amerikanischer Entscheidungen; wenn rechtliche Erwägungen angestellt werden, so regelmäßig nicht unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten. lnsonderheit fehlte bis zur Veröffentlichung der Habilitationsschrift von Meessen im Jahre 1975 6 eine das Material aufarbeitende systematische Untersuchung. Dieser Umstand dürfte seinen Grund darin haben, daß dem Common-law-Juristen systematische Darstellungen weitgehend fremd sind. Obwohl also auch das scheinbar abgegraste Feld der Anwendbarkeit staatlichen Rechts noch weiten Raum für wissenschaftliche Bemühungen läßt, soll es hier nicht im Mittelpunkt stehen. TI. Durcllsetzung innerstaatlichen Recllts und Völkerrecht

Hier geht es vielmehr um die zweite völkerrechtlich problematische Ebene der Geltung innerstaatlichen Rechts: die Rechtsdurchsetzung. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Anwendung insbesondere amerikanischen Rechts auf Sachverhalte mit Auslandsbezug auch zu Bestrebungen zur Durchsetzung innerstaatlichen Rechts im Ausland führte. Unter den Begriff der Rechtsdurchsetzung sind zwei Fragenkreise zu subsumieren.

1. Vollstreckung von Entscheidungen Zum einen wirft die Anerkennung und Vollstreckung rechtskräftiger bzw. unanfechtbarer Entscheidungen7 Probleme auf, die hiertrotzihrer in der Literatur meist nur summarischen Behandlung lediglich . am Rande interessieren sollen.

2. Ermittlung von Entscheidungsvoraussetzungen Zum anderen müssen sowohl in Zivil-, Verwaltungs- und Strafprozessen als auch in Verwaltungsverfahren zur Beschaffung von Entscheidungsdaten Tatsachenermittlungen angestellt werden8 . Das kann Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts. Vgl. unten 2. Teil, A. 8 Schon hier muß darauf hingewiesen werden, daß in den common law Ländern die Rechtsgebiete nicht so klar voneinander geschieden sind wie im 8

1

22

1. Teil: Einführung

entweder in der Weise geschehen, daß eigene Beauftragte ins Ausland gesandt werden oder daß man in- oder ausländische Private auffordert, über Auslandssachverhalte auszusagen bzw. im Ausland befindliche Dokumente beizubringen. Zu zwischenstaatlichen Konflikten ist es namentlich im Rahmen von amerikanischen Untersuchungen gegen wettbewerbsbeschränkende Abreden gekommen. Hoheitliche Stellen der Vereinigten Staaten haben vielfach von ausländischen Unternehmen verlangt, Geschäftsunterlagen zur Überprüfung vorzulegen. Den Anlaß bildeten regelmäßig vermutete Verstöße gegen amerikanisches Wirtschaftsverwaltungsrecht, wobei neben dem Kartellrecht auch andere Rechtsmaterien bedeutsam waren. Angefordert wurden ausnahmslos Dokumente, die in gerichtlichen und verwaltungsmäßigen Ermittlungsverfahren für wichtig gehalten wurden. Es handelte sich also um Ermittlungshandlungen in einem weiten Sinne, die sowohl von Gerichten und gerichtsähnlichen Einrichtungen als auch von Verwaltungsbehörden oder parlamentarischen Untersuchungsausschüssen durchgeführt werden können. Für den Fall, daß derartigen Anordnungen nicht nachgekommen wurde, drohten die anfordernden Stellen Beugehaft für in den Vereinigten Staaten ansässige Mitarbeiter oder Beschlagnahme von Vermögensbestandteilen des betroffenen Unternehmens an. Die dadurch aufgeworfenen völkerrechtlichen Probleme bilden den Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Anwendbarkeit staatlichen Rechts ist logische Voraussetzung eines Ermittlungsverfahrens. Sie wird regelmäßig die erste Frage sein, mit der ein zur Entscheidungsfindung berufenes staatliches Organ sich auseinanderzusetzen hat. Dieser logischen Vorrangigkeit kann jedoch häufig nicht durch eine entsprechende zeitliche Organisation des Verfahrensablaufes Rechnung getragen werden. Oft wird über die Frage der Anwendbarkeit materiellen Rechts sinnvollerweise erst nach Durchführung von Ermittlungen zur Sachverhaltserhellung entschieden werden können. Daher kann es im Zuge von Verfahren dazu kommen, daß ohne vorherige Überlegungen der das Verfahren betreibenden Stelle zur Anwendbarkeit staatlichen Rechts jedenfalls Verfahrensrecht bereits angewendet wird, indem Ermittlungen angeordnet und durchgeführt werden, die in fremde Staaten hineinreichen. Eine Möglichkeit hierzu bieten z. B. die im amerikanischen Prozeßrecht vorgesehenen pre-trial discoveries9 , die bereits vor Eröffnung eines Verfahrens durchgeführt werden. deutschen Recht. Dementsprechend ist auch die Justizorganisation weniger differenziert. 9 Dazu v. Hülsen, Vorlage von Dokumenten und Zeugenvernehmungen für US-Zivilprozesse (Pre Trial Discovery) A WD 1974, S. 313- 321, hier: S. 315 f. Zu einem Anwendungsfall s. u. 3. Teil, A. I. 6.

B. Wirtschaftliche und machtpolitische Hintergründe

23

Fest steht jedoch, daß die Anwendbarkeit materiellen Rechts dogmatisch Voraussetzung der Anwendung des jeweiligen Verfahrensrechts ist. Diese enge Verknüpfung rechtfertigt einige Bemerkungen zu den stets vernachlässigten Hintergründen der extraterritorialen Rechtsanwendung, ihren wirtschaftlichen und machtpolitischen Ursachen, die in gleicher Weise die Entstehung der mit der Ermittlung extraterritorialer Sachverhalte verbundenen Probleme erklärt.

B. Wirtschaftliche und machtpolitische Hintergründe extraterritorialer Zuständigkeitsansprüche Tatsächliche Grundlage der Ausdehnung des Geltungsbereiches nationalen Rechts ist der noch immer in ständigem Zunehmen begriffene zwischenstaatliche Waren- und Kapitalaustausch sowie der Verkehr. Die Rechtsvorschriften, deren Anwendung zu Problemen geführt hat, entstammen denn auch fast ausschließlich solchen Normenkomplexen, die jeweils bestimmte Teilaspekte von Wirtschaft und Verkehr regeln. Die sehr großzügige Ziehung der Anwendbarkeitsgrenzen durch die Vereinigten Staaten wird man ursprünglich aus dem Selbstverständnis dieses Landes als wirtschaftliche, politische und nicht zuletzt auch moralische Führungsmacht der freien Welt zu erklären haben. Der Ausgang des 2. Weltkrieges bedeutete auf lange Jahre hinaus wirtschaftliche und politische Abhängigkeit der westeuropäischen Staaten von Amerika, sei es als im Kriege Unterlegene, sei es als Schuldner. Das Bewußtsein der daraus resultierenden Dominanz und der Anspruch politischer Hegemonie innerhalb der nicht-kommunistischen Welt waren Nährboden eines Rechtsverständnisses, das zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs materiellen amerikanischen Rechts neigte. Das zeigt sich besonders im W ettbewerbsrecht. Während die Vereinigten Staaten schon seit Beginn dieses Jahrhunderts durch eine scharfe Kartellgesetzgebung den Wettbewerb als Grundlage einer marktwirtschaftliehen Ordnung zu wahren bestrebt sind, wurde dieser Notwendigkeit von den westeuropäischen Handelspartnern nur mit weit geringerem Nachdruck durch gesetzgeberische Schritte Rechnung getragen. Diese Divergenz der Rechtsordnungen und der zugrundeliegenden Wirtschaftsphilosophien macht das Bestreben der Vereinigten Staaten verständlich, auch vom Ausland ausgehende wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen in den Griff zu bekommen10• 10 Vgl. Whitney, Sources of Conflict between International Law and the Antitrust Laws, 63 Yale L. J. (1954), S. 655-662, hier: S. 661: "The new idea of leadership in international affairs and the ease of its assertion against the comparative weakness of foreign nations, the sense of power here and acquiescence there, subconciously led us into neglect of the heretofore well-established limitations on sovereignty."

24

1. Teil: Einführung

War es die Position der Stärke der amerikanischen Volkswirtschaft, die die Grundlage weiterer Anwendung nationalen Rechts bot, so führte die mit dem Erstarken der westeuropäischen Länder eintretende nachhaltige Veränderung des Kräfteverhältnisses aus dem Gedanken der Schutzbedürftigkeit der amerikanischen Wirtschaft zu ähnlichen Konsequenzen. Der Anteil amerikanischer Gesellschaften am internationalen Flugverkehr verringerte sich zusehends11 , der Wiederaufbau der europäischen Handelsflotten fügte den unter erheblich höheren Kostenbelastungen stehenden amerikanischen Reedern schwere WettbewerbsnachteHe zu. Aus dieser Entwicklung heraus ist z. B. das Bemühen des National Labour Relations Board zu verstehen, die amerikanischen arbeits- und sozialrechtlichen Standards auf den Verkehrsträgern zur Geltung zu bringen, die den zwischenstaatlichen Warenund Personenverkehr bewältigen12 • Dabei dürfte den Amerikanern das Wohl der ausländischen Seeleute allenfalls in zweiter Linie am Herzen gelegen haben. Ausschlaggebend war sicherlich die Überlegung, daß die einheimische Wirtschaft vor Schäden geschützt werden müsse, die ihr aus den auf geringeren sozialen Anforderungen beruhenden Wettbewerbsvorteilen der ausländischen Konkurrenten erwuchs. Daß ständig neue Konflikte aus extraterritorialer Rechtsanwendung entstehen können13, zeigt ein aktueller Fall. Bekanntlich wird die kanadische Wirtschaft in einem ganz ungewöhnlichen Maße durch nordamerikanische Unternehmen beherrscht. Nur ein relativ geringer Teil des kanadischen Produktivvermögens wird von Kanadiern kontrolliert. 11 Der Anteil der Vereinigten Staaten am internationalen Luftverkehr fiel von 1955 bis 1966 von 68 Ofo auf ca. 52,3 Ofo, der Anteil am NordatlantikVerkehr im gleichen Zeitraum von 53,8 Ofo auf 42,6 Ofo. Diese Angaben stützen sich auf ein für die 1968 in Buenos Aires abgehaltene Tagung der ILA von Prof. Baxter ausgearbeitetes unveröffentlichtes Papier, das mir vom Verfasser freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. (Settlement of Disputes between the United States and other Countries Concerning the Alleged Extraterritorial Application of the Antitrust Laws; Hinweis in: ILA, Report of the 53rd Conference (1968), S. 399 f.). 12 Die Bedeutung dieser Fragen darf allerdings nicht überschätzt werden. Wie die gründliche Analyse der amerikanischen Praxis von Raymond, The Application of our Laws to Foreign Merchant Ships, 67 Dickinsan L. R. (1962/63), S. 289 - 313, passim und S. 312 f., zeigt, hat die amerikanische Rechtsprechung die Zuständigkeit der Vereinigten Staaten insoweit sehr zurückhaltend beurteilt. Das zeigen besonders die Entscheidungen des Supreme Court in den Fällen McCulloch v. Sociedad Nacional de Marineros de Honduras, 372 U. S. S. 10 (1963), and Incres SS Co. v. International Maritime Workers Union, 372 U. S. 24 (1963). Das Department of Justice hat das Vorgehen des National Labour Relations Board ebenfalls nicht unterstützt. Dazu Note, Limitations on the Federal Judicial Power to Compel Acts Violating Foreign Laws, 63 Col. L. R. (1963), S. 1441 - 1495, hier: S. 1465 Fn. 212. 13 Im Hinblick darauf empfiehlt der Comment, Extraterritorial Application of the Antitrust Laws 69 Harv. L. Rev. (1955/56), S. 1452- 1462, hier: S. 1461 f., vor Ingangsetzung eines Verfahrens auf diplomatischer Ebene dessen Erfolgsaussichten zu prüfen.

B. Wirtschaftliche und machtpolitische Hintergründe

25

Die kanadische Gesellschaft MLW Worthington Ltd., deren Anteile sich zu 52 °/o in den Händen der US-amerikanischen Firma Studebaker Worthington befinden, hatte im Verlaufe des Jahres 1973 einen Vertrag mit einer kubanischen Stelle über die Lieferung von 25 Lokomotiven geschlossen. Derartige Geschäfte sind nach dem amerikanischen Trading with the Enemy Act verboten. Unter Hinweis darauf wurde von amerikanischer Seite versucht, den Vollzug des Geschäfts zu verhindern. Auf der entscheidenden Sitzung des Board des Unternehmens stimmten jedoch neun der elf Mitglieder, ausnahmslos kanadische Staatsangehörige, dafür, das Geschäft abzuwickeln14• Die amerikanische Haltung löste bei der kanadischen Regierung erhebliche Betroffenheit aus. Der Premierminister15 und der Handelsminister nahmen vor dem Parlament Stellung für die kanadischen Interessen, die bei einem Geschäftsumfang von ca. 13 Millionen US-Dollar auf der Hand liegen16• Das über die Staatsgrenzen hinausgreifende amerikanischeVorgehen beruht in diesem Falle auf der verständlichen Absicht, die Umgehung der politisch motivierten Feindhandelsgesetzgebung durch Verlagerung von Geschäften auf ausländische Tochtergesellschaften zu verhindern. Das Ausmaß aber, in dem dadurch nicht nur die kanadische Wirtschafts-, sondern auch Außenpolitik berührt wird, läßt die völkerrechtliche Problematik extraterritorialer Rechtsanwendung in aller Deutlichkeit erscheinen17•

New York Times vom 9. 3. 1974, S. 35, Sp. 3. Premierminister Trudeau erklärte vor dem Parlament, die kanadische Regierung habe die Möglichkeit sicherzustellen, daß derartige Geschäfte, die zum Vorteil kanadischer Firmen seien, durchgeführt werden könnten. Die erwogenen Möglichkeiten machen allerdings die Schwäche der kanadischen Position klar: während einerseits vorgeschlagen wurde, die Lokomotiven durch eine staatseigene Firma aufkaufen zu lassen, um sie an die Kubaner weiter zu verkaufen, gibt der Premierminister dem Versuch der "moral suasion" der Amerikaner den Vorzug. New York Times, ebd. 16 Der Ausgang der Angelegenheit ist dem Verfasser nicht bekannt. Der Sprecher des US-Außenministeriums erklärte am 27. 2. 1974 "that Secretary of State Kissinger was concerned about the matter - similar to the proposed sale of automobiles to Cuba by U. S. subsidiaries in Argentina - but he bad no detailed information". Der Fall sei "under consideration". Daily Bulletin des Information Service der US-Botschaft in Bern vom 28. 2. 1974, s. 2 f. 17 G. W. Haight, Comment on Extraterritorial Effects of Trade Regulation, 111 Univ. Pa. L. Rev. (1962), S. 1117-1129, hier: S. 1126, schreibt: "This is also apparent from the fact that even if the United States should have Jurisdiction in personam over a foreign national it would have no right to punish him for having traded in his own country with the Soviet bloc." 14

15

26

1. Teil: Einführung

C. Praktische Verwertbarkeit einer völkerrechtlichen Untersuchung der Ermittlungszuständigkeit Wenn man davon ausgeht, daß es deutschem privatem und öffentlichem Interesse entspricht, Ermittlungshandlungen ausländischer Stellen mit Auswirkung auf die Bundesrepublik möglichst zu beschränken18, so erhebt sich die Frage, welchen Beitrag das Völkerrecht dazu leisten kann. Dieser Beitrag ist sehr bescheiden. Er kann nur darin bestehen, das von der Staatenpraxis gelieferte Material aufzuarbeiten und rechtlich auszuwerten mit dem Ziel, völkerrechtliche Grenzen zu finden, die durch die fraglichen Ermittlungshandlungen überschritten worden sind. Im Vordergrund steht die empirische Erfassung des geltenden Völkerrechts, das als Vertragsrecht ebenso wie als Gewohnheitsrecht Produkt der Staatenpraxis ist; das Völkerrecht läßt seiner Natur nach nur geringeren Raum für deduktives Denken. Auch wenn eine völkerrechtliche Verbotsnorm gefunden ist, fragt sich noch sehr, ob damit geholfen ist. Falls sich z. B. eine deutsche Reederei auf Völkerrechtswidrigkeit der Anforderung eines Dokuments durch amerikanische Stellen beruft und die Gegenseite die Richtigkeit dieses Vorbringens zwar einräumt, aber gleichzeitig mit dem Ausdruck des Bedauerns die Schiffe dieser Linie vom weiteren Zugang zu amerikanischen Häfen ausschließt, ist angesichts der wirtschaftlichen Interessenlage eine befriedigende Lösung auf rechtlicher Ebene zunächst nicht mehr zu erwarten. Es bleibt nur der Verhandlungsweg. Das ist in der Tat auch die Methode, durch die die aus dem Schiffahrtssektor stammenden Probleme bisher in der Praxis gelöst worden sind. Im Rahmen der Gespräche zwischen den Beteiligten kann allerdings das Völkerrecht wichtige Argumentationshilfen bieten: wenn sich ein Verhandlungspartner in überzeugender Weise auf Völkerrechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens berufen kann, so wird das seine Position regelmäßig stärken. Denn entgegen allen pessimistischen Äußerungen zur Bedeutung des Völkerrechts besteht die Tendenz, Konfliktlösungen auf der Basis des rechtlich Gebotenen zu suchen.

ts

Dazu unten 4. Teil, G. II. 2.

2. TEIL

Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe Berichte über die eingangs umrissenen Probleme fordern bei Gesprächspartnern die offenbar naheliegende Frage heraus, ob denn nicht durch Inanspruchnahme internationaler Rechtshilfe1 das Entstehen von Konflikten aus grenzüberschreitenden Ermittlungshandlungen vermieden werden kann. Zwischenstaatliche Rechtshilfe erfolgt gerade aus der Einsicht heraus, daß Amtshandlungen in fremdem Gebiet oder mit Auswirkungen auf fremdes Gebiet die Souveränität des betroffenen Staates beeinträchtigen können. Sie findet auch - insbesondere in Gestalt von Zeugenvernehmungen - in zahlenmäßig erheblichem Umfange statt2• Daher kann es in der Tat wunder nehmen, daß gleichwohl in einer Vielzahl von Fällen - und diese stehen hier zur Erörterung - eigenmächtig vorgegangen wird. Es erscheint deshalb zweckmäßig, eingangs die praktischen Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe für den vorliegenden Problemkreis darzustellen.

A. Rechtshilfe im Vollstreckungsverfahren Hierzu genügen einige Worte, da die Ermittlung des für hoheitliche Entscheidungen erforderlichen Tatsachenmaterials und nicht deren Vollstreckung Anlaß und Gegenstand dieser Arbeit ist. Wie die Nottebohm-Entscheidung des IGH3 zeigt, kennt das allgemeine Völkerrecht keine generelle Verpflichtung zur Anerkennung ausländischer Hoheitsakte. Eine solche Anerkennung aber ist Voraussetzung der Vollstreckung eines fremden Hoheitsaktes im Inland4 • Die Vollstreckung eines ausländischen Gerichtsurteils5 oder eines anderen 1 Zwischen Rechtshilfe und Amtshilfe wird im internationalen Bereich nicht unterschieden, vgl. Grützner, Rechtshilfe (internationale) in Strafsachen, WVR III, S. 49-57, hier: S. 50 lk. Sp. 2 So berichtet Nehlert, Grundsätze des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Zivilsachen, JR 1958, S. 121 - 127, hier: S. 121 lk. Sp., daß allein in Berlin im Jahre 1957 1 300 ein- und ausgehende Rechtshilfeersuchen in Zivilsachen registriert wurden. 3 ICJ -Reports 1955, S. 4 ff. 4 Vgl. §§ 722 ff. ZPO.

28

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

hoheitlichen Aktes6 setzt daher, soll sie befriedigend funktionieren, das Bestehen einer vertraglichen Regelung voraus. Aber auch ohne völkerrechtliche Verpflichtung werden fremde Urteile, wenn sie in einem Streit zwischen Privaten ergangen sind, in der Praxis häufig anerkannt und vollstreckt. Das gilt indessen nicht für Entscheidungen, denen ein Rechtsstreit zwischen einer ausländischen hoheitlichen Einrichtung und einem Individuum z. B. auf dem Gebiet des Strafrechts oder des Steuerrechts zugrundelag7 •

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren Zunächst taucht die Frage auf, welche Verfahren für die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland vorstellbar sind. Für den vorliegenden Zweck sind zwei Wege der Beweiserhebung im Ausland zu unterscheiden. Zum einen kommt es öfters dazu, daß ein Staat Beauftragte ins Ausland entsendet, die dort Informationen beschaffen, seltener auch Beweisgegenstände sicherstellen sollen. Rechtshilfe könnte hier so aussehen, daß die zuständigen Stellen des Staates, in dem ermittelt wird, diese Emissäre bei ihrer Arbeit unterstützen (dazu unten I). Zum anderen kann die Beweiserhebung in der Weise erfolgen, daß die mit gewissen Zwangsandrohungen versehene Aufforderung zur Übermittlung von Beweismitteln ausgesprochen wird. In diesem Falle ist Rechtshilfe in der Form denkbar, daß der das Verfahren betreibende Staat Stellen des anderen beteiligten Staates ersucht, die Beweiserhebung "für ihn", d. h. kommissarisch durchzuführen (dazu unten II). I. Ermittlungshandlungen durch ins Ausland entsandte Beauftragte

Maßnahmen ins Ausland entsandter Beauftragter sind im Zusammenhang mit internationaler Rechtshilfe insoweit zu erwähnen, als sie mit offizieller Unterstützung der örtlichen Behörden durchgeführt werden. 1. Ermittlungen von Amts wegen

a) leernstrafrecht: Interpol Bereits seit langer Zeit haben besonders die hochzivilisierten Staaten mit dem Problem der mehrere Länder berührenden Jeriminalität zu kämpfen. Hier ist z. B. auf Schmuggel, besonders von Rauschgift, auf 5

Dazu Geck, Anerkennung fremder Urteile und Schiedssprüche WVR I,

s. 57-59.

Dazu Geck, Anerkennung fremder Hoheitsakte WVR I , S. 55 - 57. Vgl. Geck, Anerkennung fremder Ur teile und Schiedssprüche, WVR I, S. 57- 59, hier : S. 58 lk. Sp. 8

1

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

29

die weltumspannende Tätigkeit internationaler Verbrecherorganisationen wie der Mafia und auf in großem Maßstabe arbeitende Wirtschaftskriminelle zu verweisen. Die Notwendigkeit koordinierten Vergehens führte bereits 1923 zur Gründung der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission, als deren Nachfolgerin 1956 die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) ins Leben gerufen wurde. Die Interpol selbst beruht auf einem Verwaltungsabkommen, das augenscheinlich nicht publiziert ist8 • Die Organisation selbst wird nicht hoheitlich tätig9 ; ihre Aufgabe besteht darin, Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zu koordinieren. Ein Recht auf Durchführung von Ermittlungshandlungen in fremden Staaten schafft das Interpolabkommen nicht. b) Ermittlungen auf anderen Gebieten Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich jedoch vornehmlich mit Fallmaterial aus dem in der deutschen Rechtssprache als Wirtschaftsverwaltungsrecht bezeichneten Bereich. Hinsichtlich dieses Rechtsgebietes kann nur lapidar festgestellt werden, daß Abkommen, die zur Entsendung von mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Beauftragten berechtigen, nicht existieren. c) Zusammenfassung Generell besteht kaum die Neigung, ausländische Amtsermittlungen im Inland zuzulassen. Der Grund hierfür dürfte darin liegen, daß hierbei einem inländischen Privaten eine ausländische hoheitliche Stelle als Partei gegenübertritt. Hoheitliches Handeln eines ausländischen Staates im Inland in seinem ureigensten, quasi höchstpersönlichen Interesse bringt in besonderem Maße die Gefahr einer Gefährdung der Interessen und - bei unterschiedlichen Rechtsordnungen - des ordre public des betroffenen Staates mit sich.

2. Ermittlungen im Parteiverfahren am Beispiel des amerikanischen Rechts Verfahren, die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht als Parteiauseinandersetzungen organisiert sind, berühren regelmäßig in geringerem Maße das öffentliche Interesse der beteiligten Staaten. Daher liegt der Gedanke nicht fern, daß dafür eher Abkommen über etwa notwendige Beweiserhebungen im Ausland bestehen könnten. 8 Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 139, Fn. 50. 9 Schneider, Interpol, WVR II, S . 143- 144, hier: S. 144 I. Sp.

30

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

Welche Wege der Erhebung von Beweisen durch ins Ausland entsandte Beauftragte denkbar sind, illustriert die Zusammenstellung der nach amerikanischem innerstaatlichem Recht bestehenden Möglichkeiten. Das Bundes-Prozeßrecht der Vereinigten Staaten, die in erster Linie als beweiserhebender Staat in Erscheinung getreten sind, kennt neben letters rogatory10 weitere Wege, im Ausland Personen zu vernehmen oder Einblick in deren Unterlagen zu gewinnen. Im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstreitverfahren, die in den common law Ländern nicht oder nicht in der Weise vom Privatrecht abgegrenzt sind wie etwa in der Bundesrepublik, bestehen nach innerstaatlichem Recht vergleichbare Regeln. a) Beweiserhebung "by stipulation" Zunächst besteht die Möglichkeit, daß sich die Beteiligten durch beliebige Vereinbarung (by stipulation) eines Verfahrens auf ein ihnen genehmes Vorgehen einigen11 • Durch Abrede kann danach auch festgelegt werden, daß im Ausland durch von amerikanischer Seite dazu autorisierte Personen Beweise erhoben werden. Naheliegend ist die Vereinbarung der Einschaltung des zuständigen Konsuls. Diese Vorschrift des amerikanischen innerstaatlichen Rechts kann allerdings nur die interne Verwertbarkeit eines Beweises sicherstellen; ob er tatsächlich erhoben werden kann, ist eine aus dem Verhältnis zwischen den beteiligten Staaten zu beantwortende Frage. In diesem Verhältnis gilt das Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen vom 24. April 196312, das von den meisten Staaten ratifiziert worden ist. Soweit das nicht der Fall ist, wird es aber doch in der Praxis angewandt, so daß seine Vorschriften als universelles Völkerrecht gelten können. Es sieht vor, daß zu den konsularischen Aufgaben notarielle Befugnisse13 sowie das Recht gehören, "gerichtliche und außergerichtliche Urkunden zuzustellen, Rechtshilfeersuchen auszuführen, soweit dies geltenden internationalen Übereinkünften entspricht oder, in Ermangelung solcher, mit den Gesetzen und sonstigen Hechtshilfevorschriften des Empfangsstaates vereinbar ist" 14 • 10 Die klassische Definition dieses Begriffes für den amerikanischen Bereich enthält die Entscheidung: The Signe (E. D . L. A. 1941) 37 F . Supp. 819, 820: "Letters rogatory are the medium, in effect whereby one country, speaking through one of its courts, requests another country, acting through its own courts and by methods of court procedure peculiar thereto and entirely within the latter's control, to assist the administration of justice in the former country; such request being made, and being usually granted, by reason of the comity existing between nations in ordinary peaceful times." VgL zu den Einzelheiten Moore, Federal Practice Bd. 4, S. 1929 -1934 (§ 28.05). 11 Rule 29, Federal Rules of Civil Procedure. 12 AJIL 57 (1963), S. 995; Berber, Dokumentensammlung Bd. I, S . 884. 13 Art. 5 f.

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

31

Diese Einschränkung lenkt den Blick bereits auf die praktische Problematik; die einschlägige Regel des Völkerrechts verweist auf innerstaatliche Vorschriften desjenigen Staates, in dem der Konsul tätig werden soll. Der Umfang der Befugnisse eines Konsuls hängt damit entscheidend vom Recht des Empfangsstaates ab. Das gilt auch für die im deutschen Konsulargesetz vom 11. Sept. 197415 vorgesehene Möglichkeit der Vernehmung von Zeugen durch deutsche Konsuln im Ausland. Gern. § 15 Abs. 1 des Konsulargesetzes sind die Konsuln berufen, auf Ersuchen deutscher Gerichte und Behörden Vernehmungen durchzuführen. Nach § 4 des Konsulargesetzes sind dabei die Schranken zu berücksichtigen, die sich aus dem im Konsularbezirk geltenden Recht ergeben. b) Beweiserhebung "on notice" Die gleiche Schwierigkeit ergibt sich bei der Aussage "on notice" 18, die vor einem Botschafts- oder Konsulatsbeamten abzugeben ist. c) Beweiserhebung "by commission" Noch weit ungünstiger sehen die Aussichten für die Beweiserhebung aus, wenn sie nicht durch einen Konsul, sondern durch einen Beamten oder Richter durchgeführt werden soll, der keinerlei diplomatische oder konsularische Funktion hat. Derartige Versuche können bei entsprechender Parteivereinbarung oder bei Vernehmung "by commission" vorkommen17• Die "commission" ist ein von dem Prozeßgericht erteilter Auftrag, bestimmte Zeugen zu vernehmen. 3. Ergebnis

Es hat sich gezeigt, daß Ermittlungshandlungen durch ins Ausland entsandte Beauftragte schwer überwindbare Hindernisse entgegenstehen. Die Schwierigkeiten sind derart, daß dieser Weg der Beschaffung von Beweismitteln als praktische Möglichkeit vernachlässigt werden kann.

a

Art. 5 j.

BGB11974, Teil I, S. 2317. 16 Rule 48 (b) (1), Federal Rules of Civil Procedure. 17 Rule 48 (b) (2), Federal Rules of Civil Procedure. Siehe dazu den Fall Gordon v. Volkswagenwerk A. G. unten 3. Teil, A. I . 6. 15

32

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

li. Ermittlungshandlungen durch ersuchte ausländische Stellen

Eine größere Rolle als die Beweiserhebung durch im Ausland tätig werdende Beauftragte des ermittelnden Staates spielt in der Praxis die Anforderung von Beweismitteln.

1. Arten der Beweismittel In welcher Form eine Zuziehung lokaler Stellen bei der Durchführung der Ermittlungen in Frage kommt, hängt von der Art des gewünschten Beweismittels ab. a) Ersuchen um Übermittlung von Dokumenten und Gegenständen Zentrales Problem der vorliegenden Arbeit ist die Beschaffung von Dokumenten aus dem Ausland im Rahmen von Ermittlungen zwecks Vorbereitung hoheitlicher Entscheidungen. Die Sicherstellung von Sachen, die als Beweismittel geeignet sind, kann in der Weise vonstatten gehen, daß die zuständigen Stellen eines fremden Staates ersucht werden, die Beweisgegenstände zu beschlagnahmen und zu übermitteln. Als solche kommen neben Verträgen, Kontoauszügen und anderen Dokumenten auch instrumenta sceleris in Betracht18• b) Ersuchen um Übermittlung von Informationen Nicht immer kommt es der das Verfahren betreibenden Stelle jedoch darauf an, Beweisgegenstände im Original zu erhalten. Häufig genügt es ihr, über den Inhalt eines Dokuments informiert zu werden. Wenn z. B. eine amerikanische Stelle, sei es ein Gericht, sei es eine Behörde, von einer deutschen Reederei Informationen darüber wünscht, ob und mit welchen Abreden sie sich an wettbewerbsbeschränkenden Übereinkünften beteiligt hat, könnte sie daran denken, eine deutsche Stelle um Durchführung von Ermittlungen zu ersuchen. Dieses Begehren kann dadurch erfüllt werden, daß ein Beamter oder ein Richter in der Weise Augenschein einnimmt, daß er den Inhaber der Verfügungsgewalt auffordert, ihm Einblick zu gewähren. Dem steht der Wunsch nach Informationen gleich, die keine Dokumente, sondern tatsächliche Vorgänge betreffen. c) Ersuchen um Überstellung von Personen als Zeugen Nur am Rande zu erwähnen ist die Möglichkeit, daß der um Rechtshilfe ersuchte Staat einer in seinem Gebiet sich aufhaltenden Person eine Ladung vor ein ausländisches Gericht zustellt. Die meisten Staaten lehnen es jedoch ab, ihre Einwohner zum Erscheinen vor einem auslän1s Mettgenberg, Die Ausantwortung von Gegenständen im internationalen Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, ZVR 12 (1923), S. 498 - 504.

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

33

dischen Gericht zu zwingen18. Nach § 43 des deutschen Auslieferungsgesetzes20 ist Voraussetzung, daß der fremde Staat dem Zeugen freies Geleit gewährt. Daß bedeutet, daß effektive Druckmittel gegen aussageunwillige Personen nicht vorhanden sind.

2. Vertragliche Regelung der Rechtshilfe bei Ermittlungen Das Völkergewohnheitsrecht gewährt keinen Anspruch darauf, daß einem Rechtshilfeersuchen nachgekommen wird21 . Eine Pflicht zur Gewährung von Rechtshilfe und ein dieser Pflicht korrespondierendes Recht kann sich vielmehr allenfalls aus Verträgen ergeben. Gerichte und Behörden eines Staates sind möglicherweise nach innerstaatlichem Recht verpflichtet, zwischenstaatliche Rechtshilfe zu leisten; völkerrechtlich ist das jedoch bei Fehlen von Verträgen nur eine Frage der Courtoisie. a) Strafrecht Soweit die angeforderten Gegenstände in Zusammenhang mit einem Kriminaldelikt stehen, ergeben sich Regeln der Übermittlung aus Auslieferungsabkommen22, die - verglichen mit Rechtshilfeabkommen auf anderen Gebieten- in größerer Anzahl bestehen. Vorschriften über die Übermittlung von Beweisgegenständen sind aber keineswegs ein Standard-Bestandteil solcher Abkommen. Ursprünglich regelten Auslieferungsabkommen die Herausgabe von Gegenständen nur als akzessorische Nebenleistung bei der Auslieferung von Personen23. Die Übergabe hatte danach zur selben Zeit und am seihen Ort zu erfolgen wie die der gesuchten Person. Ein beschränkter Anspruch auf Übermittlung ergibt sich z. B. schon aus Art. XII des Auslieferungsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien vom 14. Mai 187224. Art. 13 des deutsch-französischen Auslieferungsvertrages vom 29. Nov. 195125 enthält ebenfalls Regeln über die Übergabe von Gegenständen, die als Beweisstücke dienen können. 19 Grützner, Rechtshilfe (internationale) in Strafsachen, WVR, III, S. 49 57, hier: S. 52lk. Sp. 2o RGBl 1929 I, S. 239. 21 Nagel, Die Begrenzung des internationalen Zivilprozeßrechts durch das Völkerrecht, ZZP 75. Band, S. 408-446, hier: S. 442 ff.; ders., Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozeß, S. 445. 22 Die von der Bundesrepublik geschlossenen Auslieferungsabkommen sind abgedruckt in: Grützner, Internationales Rechtshilfeverfahren in Strafsachen (Loseblattsammlung), Bd. II; vgl. auch ders., Auslieferung, WVR I, s. 115-123. 23 Mettgenberg, Die Ausantwortung von Gegenständen im internationalen Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, ZVR 12 (1927), S. 498-504, hier: S. 499. 24 RGBl 1872, S. 229 ff. 25 BGB11953, II, S. 151; Berber, Dokumentensammlung Bd. I, S. 1108.

3 Nordmann

34

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

Inzwischen hat die Auslieferung von Gegenständen in gewissem Umfang eigenständige Bedeutung erlangt. Das von fünfzehn europäischen Staaten unterzeichnete und jedenfalls von 10 Staaten ratifizierte Europäische Auslieferungsabkommen vom 13. Dez. 195726 bestimmt in Art. 1 (a), daß der ersuchte Staat auf Verlangen des ersuchenden Staates solche Gegenstände beschlagnahmt und übergibt, die als Beweisstücke dienen können. Auslieferungsabkommen betreffen aber nur den Fall, daß bereits ein vollstreckbares Urteil oder wenigstens ein Haftbefehl vorliegt. Das bedeutet, daß zumindest bereits ein sehr konkreter Tatverdacht nachgewiesen sein muß. Für frühere Phasen des Ermittlungsverfahrens ist das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 195927 einschlägig. Aus dessen Art. 6 ergibt sich, daß das Ersuchen um Übermittlung von Gegenständen, Akten und Schriftstücken zum normalen Instrumentarium der Rechtshilfe in Strafsachen zählen soll. Nach Art. 2 (b) desselben Übereinkommens kann die Rechtshilfe jedoch verweigert werden "wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, daß die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, . . . oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen". Zumindest der generalklauselartige Begriff der "wesentlichen Interessen" kann jedenfalls dann angezogen werden, wenn z. B. in Kartellsachen der ersuchte Staat andere ordnungspolitische Vorstellungen verfolgt als der ersuchende. b) Zivilrecht Mehrseitige vertragliche Regelungen der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen bestehen nur in geringem Umfange28 • In größerer Anzahl bestehen zweiseitige Abkommen29• Besondere Verdienste um eine ver26 Nach Conseil de l'Europe (Hrsg.), Aspects juridiques de l'Extradition entre Etats Europeens, Strasbourg 1970, haben folgende Staaten ratifiziert: Österreich, Griechenland, Dänemark, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz, Türkei. Die Tabelle der Ratifikationen von Konventionen des Europarats, in: Mitteilungen des Europarats Nr. 4/1971 nennt nicht Griechenland, dafür aber Zypern, das in der obigen Liste nicht enthalten ist. Beide Tabellen führen die Bundesrepublik nicht auf, obwohl der Bundestag dem Abkommen zugestimmt hat, vgl. BGBl 1964 II, S. 1369. Offensichtlich ist die Ratifikationsurkunde nicht hinterlegt worden, so daß das Abkommen für die Bundesrepublik völkerrechtlich nicht in Kraft getreten ist. Weitere Quellen für das Abkommen: UNTS Bd. 359, S. 273; Berber, Dokumentensammlung Bd. I, S. 1095. 27 BGB11964 II, S. 1386; UNTS Bd. 472, S. 185; Berber, Dokumentensammlung, Bd. I, S. 1116. 28 Bülow, Rechtshilfe (internationale) in Zivilsachen, WVR III, S. 59- 69, hier: S. 60 r. Sp. 29 Zusammenstellungen enthalten: für die Bundesrepublik: BüZow !BöckstiegeZ, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen; für

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

35

tragliehe Regelung der Beweiserhebung im Ausland hat sich die von der niederländischen Regierung initiierte Haager Konferenz über das internationale Privatrecht erworben. Die Kodifizierung des internationalen Zivilprozeßrechts wurde durch das Abkommen über den Zivilprozeß vom 17. Juli 190530 und das Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1. März 195431 gefördert. Das neueste Produkt der Konferenz ist die "Convention on the Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters" vom 26. Okt. 196832, die am 7. Okt. 1972 mit der Ratifikation durch die Vereinigten Staaten in Kraft trat. Ihr sind jedoch bisher nur Dänemark, Norwegen und die Vereinigten Staaten beigetreten33• Ganz ähnlichen Charakter trägt die "Inter-American Convention on the Taking of Evidence Abroad" 34 vom 30. Jan. 1975, die den Mitgliedstaaten der Organisation der Amerikanischen Staaten zur Ratifizierung offensteht. Diese Abkommen enthalten keine Spezialvorschriften für die Übermittlung von Dokumenten; deren Entwicklung bleibt also der Praxis überlassen. Überdies sind sie nur für einen kleinen Teil der im gegenwärtigen Zusammenhang zu untersuchenden Fälle von Bedeutung, weil sie sich nur auf Zivil- und Handelssachen erstrecken. Ferner schließen die Verträge ein Recht auf Rechtshilfe für den Fall ausdrücklich aus, daß Ortsrecht entgegensteht35• Das ist aber in den zur Erörterung stehenden Beispielen vielfach der Fall. c) Verwaltungsrecht Es erhebt sich somit die Frage, ob es vertragliche Regelungen der Rechtshilfe in Verwaltungssachen gibt. Das ist nur in sehr geringem Umfang der Fall36 • Insbesondere fehlt es an Vorschriften über die BeGroßbritannien: Miller, International Judicial Assistance in Civil Cases, 9 A. J. Comp. L. (1960), S. 680- 687, hier: S. 685, Fn. 41. 30 RGBl 1909, S. 410. 31 BGBl 1958 II, S. 576 ff.; Bülow I Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblattsammlung), 101, S. 1 - 32. Mitglieder dieses Übereinkommens sind die Bundesrepublik, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz. a2 8 ILM 1969, S. 37 ff. 33 Message from the President of the United States Transmitting the Convention on the Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters, 12 ILM (1973), S. 323; Bericht der Delegation der Vereinigten Staaten über die Konvention, in: 8 ILM (1969), S. 804-820, 12 ILM (1973), S. 324326; Amram, Explanatory Report in Civil or Commercial Matters, 12 ILM (1973), S. 327- 343 (Amram war Berichterstatter der Konferenzen). 34 14 ILM (1975), S. 328 - 332. 3s Vgl. Art. 12 der Inter-American Convention on the Taking of Evidence Abroad, siehe Fn. 4. 38 Gaerte, Rechtshilfe (internationale) in Verwaltungssachen, WVR III,

s. 58f.

36

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

schaffung von Entscheidungsdaten aus dem Ausland zur Vorbereitung von Verwaltungsentscheidungen37• Extraterritoriale Ermittlungstätigkeit wird vorwiegend insbesondere im Hinblick auf Fälle untersucht, die materiell-rechtlich im Kartellrecht, im Steuerrecht und im Bankenaufsichtsrecht etc. wurzeln. Soweit die Ermittlungen Rechtsverletzungen zum Gegenstand haben, ist diesen Fällen mit den genannten, auf das Kernstrafrecht zugeschnittenen Regeln auch dann nicht beizukommen, wenn Verstöße gegen diese, nach deutschem Recht dem Verwaltungsrecht zuzurechnenden, Vorschriften pönalisiert werden. Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen sind häufig sogar ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Abkommen ausgeschlossen38•

3. Hindernisse des vertraglichen und des vertragslosen Rechtshilfeverkehrs39 Aus der geringen Zahl von Rechtshilfeabkommen mit Klauseln über Sachverhaltsermittlungen allein ergibt sich noch nicht, daß eine funktionierende internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet fehlt. Hier stehen die praktischen Möglichkeiten der zwischenstaatlichen Rechtshilfe zur Debatte. Diese sind zwar entscheidend dadurch gekennzeichnet, daß die gewünschten Beweisbeschaffungen bei Fehlen vertraglicher Regelungen durch den ersuchenden Staat in keinem Fall erzwingbar sind. Das Fehlen vertraglicher Regeln ist aber unerheblich, wenn die Praxis gleichwohl alle Beteiligten befriedigende Methoden der internationalen Rechtshilfe entwickelt hat. Das ist jedoch nicht der Fall. Selbst wenn vertragliche Regeln bestehen, so sind die Möglichkeiten, mit deren Hilfe das Entstehen von Konfliktstoff zu vermeiden, wegen der geringen Effizienz der Rechtshilfeverfahren äußerst skeptisch zu beurteilen. Das gilt in verstärktem Maße für den vertragslosen Rechtshilfeverkehr. In beiden Fällen stößt die internationale Rechtshilfe auf einige typische Probleme. a) Fehlen vertraglich festgelegter Verfahrensregeln Zunächst ist allen bisherigen vertraglichen Abmachungen gemeinsam, daß sie keine konkret ausgestalteten Verfahren für die Beweiser37 Die Schrift von König "Die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte" ist eine theoretische Abhandlung. Mit der Problematik von Verwaltungsakten, die einer sich im Ausland aufhaltenden Person ein bestimmtes Tun oder Unterlassen aufgeben, setzt sie sich nicht besonders auseinander. 38 Art. 5 des Europäischen Auslieferungsabkommens (oben, 2. Teil, Fn. 26), Art. 6 des deutsch-französischen Auslieferungsvertrages (oben, 2. Teil, Fn. 25). 39 Aus amerikanischer Sicht: Longley, Serving Process, Subpoenas and other Documents in Foreign Territory, Proceedings, A. B. A. Section of International and Comparative Law, 1959, S. 34- 36.

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

37

hebung zur Verfügung stellen. Vielmehr beschränken sie sich auf die meist sehr allgemeine Formel, die Übermittlung von Beweisgegenständen sollte verlangt werden können. Die Ausgestaltung der Details muß sich dann in der Praxis ergeben. Daß das zu erheblicher Unsicherheit bei den Beteiligten führen muß, liegt auf der Rand40 • b) Unterschiedliche materielle und prozessuale Regeln in den beteiligten Staaten Die Beweisaufnahme muß in einer Weise erfolgen, die zu einem nach dem Recht des ersuchenden Staates verwertbaren Beweis führt. Einerseits wird der ersuchte Staat seine verfahrensrechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen und damit möglicherweise gegen ein in dem ersuchenden Staat bestehendes Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverbot verstoßen. Andererseits wird er sich regelmäßig auf das nach seinem Recht Zulässige beschränken und damit eventuell unter der Grenze dessen bleiben, was nach dem Recht des ersuchenden Staates zulässig ist41 • Wenn nun ein Staat wesentlich schärfere Vorschriften über die Beschlagnahme von Beweisgegenständen hat als ein anderer, so wird ihn das Rechtshilfeverfahren nicht sehr befriedigen42 • Nach Art. 8 des Raager Übereinkommens von 1954 kann das Gericht eines Vertragsstaates gemäß seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften um Beweisaufnahme ersuchen. Art. 14 Abs. 1 stellt jedoch außer Zweifel, daß die ersuchte Stelle nur nach der lex fori verfahren muß. Eine Möglichkeit des Ausgleiches zwischen unterschiedlichen Verfahrensordnungen räumt lediglich Art. 14 Abs. 2 ein, wonach dem Antrag der ersuchenden Behörde, nach einer besonderen Form zu verfahren, entsprochen werden muß, wenn diese Form den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft. Art. 1 des Raager Abkommens von 1968 entspricht diesem Artikel.

40 Vgl. Jones, International Judicial Assistance: Procedural Chaos and a Program for Reform, 62 Yale L. J. (1953), S. 515 - 562, hier: S. 525. 41 Jones, International Judicial Assistance: Procedural Chaos and a Program for Reform, 62 Yale L. J. (1953), S. 515- 562, hier: S. 519. 42 Leider ohne nähere Angaben berichtet Doyle, Taking Evidence by Deposition and Letters Rogatory and Obtaining Documents in Foreign Territory, A. B. A. Section of International and Comparative Law, Proceedings, 1959, S. 38 lk. Sp., daß erstaunlicherweise Hindernissen nach deutschem Recht zum Trotz "ingenious counsel persuaded a German Court of minor jurisdiction to issue a subpoena which subpoena forced the executives of an important German concern to testify on oral deposition in Western Germany". - Vgl. die ausdrücklichen Einschränkungen auf das nach dem Recht des ersuchten Staates Zulässige in Art. 20 (1) des Europäischen Auslieferungsabkommens.

38

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

c) Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme Aber auch abgesehen vom unterschiedlichen Umfang der konkreten Eingriffsbefugnisse kann die bloße Unterschiedlichkeit von Rechtsordnungen und des Rechtsdenkens erhebliche Probleme aufwerfen. Das zeigt sich besonders im Verhältnis zwischen common law-Ländern einerseits und den Staaten des kontinental-europäischen Rechtskreises andererseits. Wesen und Form der Ermittlungsverfahren in beiden Rechtskreisen unterscheiden sich grundlegend48 • d) Sprachschwierigkeiten Ein Rechtshilfeersuchen (letter rogatory44, lettre rogatoire) muß bestimmte inhaltliche und formale Voraussetzungen erfüllen sowie auf bestimmtem Wege angebracht werden, wenn es nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein soll45• Insbesondere ist eine genaue Bezeichnung des gewünschten Beweismittels bzw. der Frage, über die Beweis erhoben werden soll, erforderlich. Eine Schwierigkeit praktischer Natur knüpft sich an eine im Rechtshilfeverfahren allgemein geltende Regel, die z. B. in Art. 10 des Raager Übereinkommens von 1954 formuliert ist. Das Ersuchen ist in der Sprache des ersuchten Landes zu halten46 • Der Vielfalt von Rechtsordnungen entspricht eine terminologische Vielfalt, der auch ein fachlich geschulter Übersetzer kaum Herr zu werden vermag. Daher kommt es in der Praxis oft zu Mißverständnissen und damit zu Rückfragen, die den Gang der Sache verzögern. e) Lange Dauer bis zum Rücklauf Die Zustellung hat auf diplomatischem Wege, d. h. unter Einschaltung der Außenministerien des ersuchenden und des ersuchten Staates, zu 43 Ebd., S. 37 r. Sp.; Jones, International Judicial Assistance: Procedural Chaos and a Program for Reform, S. 516; Nehlert, Grundsätze des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Zivilsachen, JR 1958, S. 121- 127, hier: S. 121 lk. Sp. '' s. o. 2. Teil, Fn. 10. 45 Vgl. z. B. Loebenstein, International Mutual Assistance in Administrative Matters, S. 43; Art. 3 der Convention on the Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters (s. o. 2. Teil, Fn. 32). 48 Loebenstein, International Mutual Assistance in Administrative Matters, S. 43; vgl. auch Art. 4 Abs. 2 der Convention on the Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters (oben, 2. Teil, Fn. 33). Diese Konvention hat allerdings insofern eine fortschrittliche Tendenz, als nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ein ersuchter Staat ein in englischer oder französischer Sprache abgefaßtes Ersuchen akzeptieren soll, es sei denn, daß er einen entsprechenden Vorbehalt gemacht hat. Inwieweit von der Möglichkeit des Vertragsvorbehaltes Gebrauch gemacht wird, ist wegen der geringen Anzahl der bislang vorliegenden Ratifikationen noch nicht abzusehen.

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

39

erfolgen47• Beantwortung und Rückfragen müssen regelmäßig denselben Weg gehen. Diese aus der Divergenz der nationalen Rechtsordnungen und sprachlichen sowie organisatorischen Problemen sich ergebenden Schwierigkeiten führen dazu, daß ein Rechtshilfeersuchen zwischen Ausstellung und Rücklauf nicht selten eine jahrelange Reise durch zahlreiche Stellen des ersuchenden und des ersuchten Staates zurücklegen muß. Unterdessen tritt häufig an die Stelle des anfänglich lebhaften Interesses an Rechtshilfe Resignation, oder die Frage erledigt sich wegen zwischenzeitliehen Fortgangs des Verfahrens durch Zeitablauf. f) Erforderlichkeit der Gegenseitigkeit Schließlich sei noch angemerkt, daß der vertragslose ebenso wie der vertragliche Rechtshilfeverkehr von den meisten Staaten vom "gegenseitigen Entgegenkommen" abhängig gemacht wird48 • Auch daher kann sich bei Staaten, die die Gegenseitigkeit sicherzustellen nicht bereit oder nicht in der Lage sind, Desinteresse am formellen Weg der Rechtshilfe ergeben.

4. Kooperationsunwilligkeit bei Tangierung des öffentlichen Interesses des ersuchten Staates Die aus Erwägungen der Courtoisie gewährte Rechtshilfe wird maßgeblich davon beeinflußt, welche Relevanz die zu beweisende Tatsache für den ersuchten Staat hat. Während ein Staat nur relativ geringes Interesse daran hat, die Durchführung ausländischer Zivilverfahren zu hemmen, bestehen im strafrechtlichen Bereich trotz weitgehender Übereinstimmung der nationalen Strafrechtsordnungen schon größere Bedenken, z. B. wenn der Beschuldigte ein Staatsangehöriger des ersuchten Staates ist. Auf die generalklauselartigen Ausnahmen, die in Rechtshilfeabkommen auf dem Gebiete des Strafrechts enthalten sind, ist oben49 bereits hingewiesen worden. Weitgehend aussichtslos sind aber in praxi Rechtshilfeersuchen, die sich auf Gegenstände beziehen, die der ersuchte Staat dem Kernbereich 47 Vgl. Doyle, Taking Evidence (vgl. oben, Fn. 42), S. 40 lk. Sp.; siehe auch das von Jones, International Judicial Assistance (vgl. oben, Fn. 40), S. 523 mitgeteilte Beispiel. 48 Vgl. z. B. § 3 der deutschen Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO), in: Bülow I Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblattsammlung), 900, S. 1- 68; Bayerisches Justizministerialblatt 1956, S. 191 ff.; dazu Nehlert, Grundsätze des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Zivilsachen, JR 1958, S. 121 - 127. Zum Erfordernis der Gegenseitigkeit Nadelmann, Reprisals Against American Judgements? 65 Harv. L. Rev. (1952), S. 1184 - 1191. 49 s. o. 2. Teil, B. II. 2. a).

40

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

seiner Hoheitsfunktionen zurechnet. Das ist bei öffentlich-rechtlichen Fragen wie dem Kartellrecht und insbesondere dem Steuerrecht wegen ihrer ordnungspolitischen bzw. fiskalischen Tragweite der Fall: hier liegt gleichsam eine Privatsphäre des Staates, die gegen als Eingriffe empfundene Maßnahmen anderer Staaten sorgfältig abgeschirmt wird. Die Fälle, die die zentrale Problematik der vorliegenden Untersuchung ausmachen, stammen aber gerade aus dem bei uns als öffentlich-rechtlich qualifizierten Bereich, im wesentlichen aus dem Wirtschaftsverwaltungsrecht. 5. Beschleunigte Rechtshilfe durch Israel in Prozessen wegen nationalsozialistischer Gewalttaten

In deutschen Strafverfahren gegen Personen, denen Verbrechen gegenüber Juden zur Zeit des Nationalsozialismus zur Last gelegt werden, kommt es ständig dazu, daß entweder der Berichterstatter oder das gesamte Gericht in Begleitung eines Vertreters der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers bzw. der Verteidiger zu Zeugenvernehmungen nach Israel reist. Bei den dort durchzuführenden Vernehmungen israelischer Zeugen werden die Vernehmungskommissionen in Tel Aviv und Haifa als ersuchte Richter tätig. Die deutschen Gerichtspersonen und Beteiligten machen von der nach israelischem Recht bestehenden Möglichkeit Gebrauch, der Vernehmung beizuwohnen und Fragen an die Zeugen zu richten. Zweck dieses Vorgehens ist es, dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit und der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu vermitteln, für die das bloße Vernehmungsprotokoll regelmäßig keine ausreichenden Anhaltspunkte bietet. Von der Möglichkeit, daß ein ganzes Schwurgericht nach Israel reist, wird insbesondere dann Gebrauch gemacht, wenn nur ein einziger Zeuge zur Verfügung steht. Von Richtern, die auf diesem Gebiet Erfahrungen gesammelt haben, ist zu hören, daß auf israelischer Seite sogar eine gewisse Verstimmung aufkommt, wenn nur ein Berichterstatter anreist. Daraus wird gelegentlich seitens des vernehmenden Richters geschlossen, daß das deutsche Gericht dem Prozeß nicht die angemessene Bedeutung beimesse. Besonders interessant ist das Verfahren, das in diesen Rechtshilfefällen beachtet wird. Sobald der Gerichtsvorsitzende sich darüber im klaren ist, welche in Israel wohnhaften Zeugen benötigt werden, teilt er deren Namen und Anschriften der ,.Untersuchungsstelle für Nationalsozialistische Gewaltverbrechen beim Landesstab der Israelpolizei"5° mit. Dort wird unverzüglich ein eigens für diese Aufgabe abgestellter Polizeimajor in Marsch gesetzt, der die Zeugen aufsucht und feststellt, 50

Salamestr. 18, TelAviv- Yaffo.

B. Rechtshilfe im Ermittlungsverfahren

41

ob sie bereit sind, zum Prozeß in die Bundesrepublik zu reisen. Das Ergebnis seiner Bemühungen teilt er dem deutschen Gericht mit. Soweit die Zeugen zur Anreise nicht bereit oder imstande sind, stellt das deutsche Gericht über den Landesjustizminister auf diplomatischem Wege ein Rechtshilfeersuchen. Eine Ausfertigung dieses Schriftsatzes wird gleichzeitig der "Untersuchungsstelle" zugestellt, die bereits alle Vorbereitungen trifft, um die Vernehmungen durchzuführen. Wenn das Rechtshilfeersuchen über die israelische Regierung beim zuständigen Gericht ankommt, hat dieses bereits Termin anberaumt und die Ladungen verschickt. Die Verhandlungen werden in deutscher Sprache geführt, notfalls mit Hilfe von Dolmetschern. Das in deutscher Sprache erstellte Vernehmungsprotokoll wird den Beteiligten sofort an Ort und Stelle eingehändigt. Ein besonderes praktisches Bedürfnis für dieses schnelle Verfahren besteht in umfangreichen Prozessen deshalb, weil sich erfahrungsgemäß ständig neue Zeugen melden, die aus der Presse oder durch frühere Leidensgefährten von dem anhängigen Verfahren gehört haben. In diesen Fällen bedient sich das Gericht des geschilderten Verfahrens, um zügig an eine verwertbare Aussage zu kommen. Die Tschechoslowakei stellt ein ähnliches beschleunigtes Rechtshilfeverfahren über die "Tschechoslowakische Regierungskommission für die Verfolgung nationalsozialistischer Kriegsverbrechen" 51 zur Verfügung. Die tschechoslowakischen Gerichte lassen alle Rechtshilfeersuchen über diese Stelle laufen. Von deutscher Seite wird gemutmaßt, daß sie auch die Aufgabe hat, die Tätigkeit der Gerichte zu überwachen. lll. Zusammenfassung

Der vorstehende kurze Abriß war dazu bestimmt, die rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten der internationalen Rechtshilfe zu verdeutlichen, um verständlich zu machen, warum es zu den im folgenden abzuhandelnden eigenmächtigen grenzüberschreitenden Ermittlungshandlungen kommen konnte. Dabei mußten viele Aspekte außer acht bleiben. So hängen z. B. die Aussichten eines Rechtshilfeersuchens mit davon ab, ob die zu vernehmende Person Staatsangehöriger des ersuchenden oder des ersuchten Staates, eines Drittstaates oder gar staatenlos ist; denn sicher wird jeder Staat seine eigenen Bürger stärker vor dem Zugriff ausländischer hoheitlicher Stellen schützen als Fremde. Weiter macht es einen Unterschied, ob der Betreffende als unmittelbar Verfahrensbeteiligter, z. B. als Partei oder Beschuldigter, vernommen werden soll oder lediglich als Zeuge. st

Karmelitska 19, Prag 1.

42

2. Teil: Gegenwärtige Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe

Diesen denkbaren Unterscheidungen in feinere Verästelungen nachzuspüren ist hier jedoch kein Raum. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die Möglichkeiten, Beweise im Ausland im Wege der Rechtshilfe sichern zu lassen, recht beschränkt und vor allem weitgehend unberechenbar sind52• Einigermaßen systematische vertragliche Regelungen gibt es nur im Bereiche des engeren Strafrechts in Gestalt von Auslieferungsabkommen. Das grundlegende Problem besteht darin, daß es zumeist im freien Ermessen der ersuchten Stellen steht, ob und in welchem Umfange sie dem Ersuchen nachkommen wollen53• Aus dieser unbefriedigenden Lage der internationalen Rechtshilfe sind die Versuche zu verstehen, entsprechend dem Umfang der beanspruchten materiell-rechtlichen Kompetenz auch die verfahrensrechtliche Jurisdiktion über die territorialen Grenzen hinaus auszudehnen.

52 So bemerkt Doyle, Taking Evidence (vgl. oben, Fn. 42), S. 37 r. Sp., der als amerikanischer Prozeßanwalt in erheblichem Umfange praktische Erfahrungen mit Rechtshilfefragen gemacht hat: "Let there be no doubt about it, such a task (obtaining evidence abroad, d. Verf.) entails an expensive, cumbersome and most uncertain process." 53 Jones, International Judicial Assistance (vgl. oben, Fn. 40), S. 531 f. Zu der wenig kooperativen Praxis der Vereinigten Staaten Jones, ebd., S. 538 f: "lt is probable that no other government permits such widespread confusion and such profound disregard for the concept of comity or international obligation in connection with judicial assistance between nations."

3. TEIL

Beschaffung von Beweismitteln durch ins Ausland entsandte Beauftragte A. Ennittlungen unter Zwangsausübung

Verschiedentlich sind Fälle vorgekommen, in denen sich staatliche Stellen - teils mit, teils ohne Erfolg - bemüht haben, verfahrensrelevante Unterlagen im Ausland direkt zu beschaffen. I. Beispiele

Fälle, in denen durch staatliche Stellen oder deren Beauftragte auf fremdem Territorium zwangsweise Dokumente beschlagnahmt, eingesehen oder kopiert bzw. Informationen beschafft worden sind, sind in der Staatenpraxis vergleichsweise selten. 1. Kämpfer ./. Zürich, Staatsanwaltschaft

Bekannt geworden ist in diesem Bereich insbesondere der Fall Kämpfer ./. Zürich, Staatsanwaltschaft!. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Drei deutsche Kaufleute waren an einer schweizerischen Holding beteiligt. Mit den übrigen Teilhabern schlossen sie 1937 einen Vergleichsvertrag zum Zwecke der Auseinandersetzung, der der Genehmigung der "deutschen Devisenstelle" bedurfte. Die deutschen Kaufleute wurden gezwungen, einer Überprüfung der Akten der Gesellschaft zuzustimmen. Ein Prüfer der Reichstreuhandstelle, die von den deutschen Teilhabern auf Anordnung der Devisenstelle mit der Prüfung beauftragt war, eben Kämpfer, wurde in die Schweiz entsandt, um an Ort und Stelle Akteneinsicht zu nehmen. Er arbeitete dort drei Wochen lang. Dann wurde er verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine dagegen vor dem Bundesgericht geführte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das Gericht stützte die Verurteilung auf § 1 Abs. 1 des "Bundesbeschlusses betreffend den Schutz und 1 Urteil des Kassationshofes vom 6. März 1939, Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Bd. 65, I, S. 39 ff.; Internationale Quelle: Annual Digest, 1941/42, pp. 6, 7-9 (No. 2); Bericht, in: Whiteman, Digest, Bd. XI, S. 179 f.

44

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

die Sicherheit der Eidgenossenschaft" 2 • Dieser Bundesbeschluß verbietet zum Zwecke des Schutzes der schweizerischen Gebietshoheit alle Handlungen auf dem Boden der Schweiz, die sich als Amtshandlungen darstellen.

2. Amerikanische Loyalitätsüberprüfungen in der Schweiz Mitte der fünfziger Jahre entstanden aus vergleichbaren Gründen Differenzen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten. Zu dieser Zeit war die amerikanische Regierung - gewiß im Zusammenhang mit der seinerzeit besonders aktuellen Furcht vor kommunistischer Infiltration - bestrebt, die Loyalität ihrer bei internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz tätigen Beamten zu überprüfen. Die erste in dieser Absicht durchgeführte Untersuchung bestand darin, daß den betreffenden Personen im amerikanischen Generalkonsulat in Genf die Fingerabdrücke abgenommen und Fragebogen zur Beantwortung vorgelegt wurden. Darüber hinaus war die Entsendung einer aus sechs Mitgliedern bestehenden ad hoc-Kommission vorgesehen, die in der Schweiz Informationen über den fraglichen Personenkreis sammeln sollte3• 3. Australische Zollwertermittlungen

in der Bundesrepublik Deuts.c hland4

Aber nicht nur die über ihre Gebietshoheit stets mit besonders peinlicher Sorgfalt wachende Schweiz hat an Ermittlungsmaßnahmen ausländischer Organe in ihrem Territorium Anstoß genommen. Die Bundesrepublik war in einigen Fällen betroffen, deren Umstände nicht veröffentlicht sind. Nach der australischen Zollgesetzgebung ist die Grundlage für die Verzollung der Einfuhren der Exportpreis oder der Marktwert. Ermittlungen zur Feststellung des danach maßgeblichen Preises haben australische Behörden in der Bundesrepublik mehrere Jahre lang ohne Wissen deutscher Behörden durchgeführt5 • Erst durch Beschwerden vert Vom 21. Juni 1935; Amtliche Sammlung Bd. 51 (1935), S. 482; die Entstehungsgeschichte behandelt Outry, Verletzung schweizerischer Gebietshoheit durch verbotene Handlungen für einen fremden Staat (1951), S. 37 ff. 3 Diese Fakten sind einem Bericht im Schweizerischen Jahrbuch für internationales Recht, 1957 (XIV), S. 149 ff., hier: S. 150 unter Ziff. 4, zu entnehmen. ' Die unter 3. und 4. mitgeteilten Fälle sind nicht veröffentlicht. Die Kenntnis ihrer Umstände beruht auf der liebenswürdigen Unterstützung des verstorbenen Völkerrechtsberaters und Leiters der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, Dr. Dedo von Schenck. 5 Ähnliche Untersuchungen haben amerikanische Stellen in den frühen fünfziger Jahren in der Bundesrepublik Unternehmen der Textilindustrie angekündigt und in einem Falle auch durchgeführt. Dabei ging es um die

A. Ermittlungen unter Zwangsausübung

45

schierlener Firmen wurde diese Praxis dem Auswärtigen Amt bekannt. Das Druckmittel, mit dem diese Ermittlungen erzwungen wurden, bestand darin, daß bei Verweigerung die Einfuhr deutscher Güter nach Australien zumindest erheblich erschwert wurde. Der Zwang bestand also in der Androhung wirtschaftlicher Nachteile. Er ist jedoch nicht dem privatrechtliehen Bereich zuzuordnen, da er von staatlichen Behörden ausgeübt wurde und hoheitlichen Zwecken - der Durchführung der Zollgesetzgebung - diente. 4. Amerikanische Banküberprüfungen in der Bundesrepublik

Der amerikanische Camptroller of the Currency läßt die Zweigniederlassungen amerikanischer Banken in der Bundesrepublik in der Regel in 2jährigen Abständen durch sogenannte National Bank Examiners prüfen. Der Kontrolle unterliegt das gesamte Geschäft der Zweigniederlassungen. Diese Prüfungen wurden durchgeführt, ohne daß deutsche Stellen um Zustimmung gebeten oder auch nur informiert wurden. Erst 1971 gelangten sie dem Auswärtigen Amt zur Kenntnis. Grundlage des Eingriffs sind hierbei Vorschriften des amerikanischen innerstaatlichen Rechts über die Bankenaufsicht. Als Sanktion steht bei Verweigerung der Überprüfung die Ablehnung oder der Entzug der erforderlichen Genehmigung zur Geschäftsausübung zu Gebote. 5. Amerikanische Steuerermittlungen in Frankreich

Ein Versuch, in Frankreich Nachforschungen in Steuerangelegenheiten durch Staatsbedienstete anstellen zu lassen, ging 1934 von den Vereinigten Staaten aus. Zuverlässige Quellen über diesen Vorfall gibt es nicht. In einem amerikanischen Aufsatz aus dem Jahre 19366 wird von diesbezüglichen "Gerüchten" berichtet. Den mit den Ermittlungen betrauten Agenten sei von den französischen Behörden die Einreise verweigert worden. 6. Gordon ./. Volkswagenwerk AG1

In den Jahren 1970 bis 1973 war die Volkswagenwerk AG in einen Zivilprozeß vor kaliforniseben Gerichten verstrickt, der wesentliche Fragen der Beweiserhebung im Ausland aufwarf. Die dabei zu klärenErmittlung des "home value" der Exportwaren, der zur Verhinderung von Dumping-Preisen festgestellt werden sollte. Der zuständige Verband war leider zur Mitteilung von Einzelheiten nicht bereit. 8 Angelt, The Nonresident Alien: A Problem in Federal Taxation of Income, 36 Col. L. R. (1936), S. 908-919, hier: S. 910. 7 Die Informationen über diesen Fall verdankt der Verfasser Herrn Dr. Hans-Viggo von Hülsen, dem Leiter der Auslandsrechtsabteilung der Volkswagenwerk AG.

46

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

den Fragen sind anderweitig von amerikanischen Gerichten kaum entschieden worden8 • Ausgangspunkt des Falles war eine Produzentenhaftungsklage eines amerikanischen Bürgers. Dieser behauptete, durch ein von der Volkswagenwerk AG mangelhaft konstruiertes und hergestelltes Fahrzeug Schaden erlitten zu haben, dessen Ersatz er verlangte. Der Kläger beantragte beim Prozeßgericht, dem Superior Court von Sacramento, zwei sogenannte discovery orders. Dabei handelt es sich um ein dem common law eigenes Verfahren der Beweiserhebung. Eine discovery order kann auf Antrag einer Partei, die sich in Beweisnot befindet, gegen die andere Partei erlassen werden: "The purpose of discovery under statutes providing therefore is to proeure evidence in order to prove one's case, and its general function is the disclosure by the adverse party of facts or documents which are necessary to the party seeking the discovery as a part of a cause of action or as evidence of his rights or titleG." Dieses Institut ist also in macher Hinsicht mit dem Beweismittel der Parteivernehmung gern. §§ 445 ff,ZPO vergleichbar, geht jedoch darüber hinaus10• Discovery orders sind nicht nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung möglich, sondern auch im Bereich der Equity11 • Kommt der Adressat einer solchen Anordnung nicht nach, so hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum (discretionary power) hinsichtlich von Sanktionen. Diese lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Zum einen können Konsequenzen gezogen werden, die einer Beweislastumkehr gleichkommen12• Insbesondere im Bereich der Produzenten8 Der amerikanische Anwalt der Volkswagenwerk AG kommentierte in einem Schreiben die letztinstanzliehe Entscheidung mit den Worten: "The opinion is extremely interesting because it is one of the few cases in the United States where the state courts have discussed jurisdiction of the american state courts to compel discovery in foreign nations." Der zuständige Court of Appeals ließ Rechtsmittel mit der Begründung zu: "The present ruling is one of first impression in California", Volkswagenwerk AG v. Superior Court of Sacramento, 33 C. A. 3d 503, 508. 9 Definition aus Corpus Juris Secundum, Bd. 27, Discovery, § 20 (S. 44). Zum englischen Recht siehe Halsbury's Laws of England, 3rd ed. (Lord Simonds), Vol. 12 Discovery sect. 1, 1: "The term ,discovery' is used to describe certain processes by which a party to a civil cause or matter (a) is enabled to obtain from the opposite party answers on oath to questions as to the facts (b) in dispute between them and to obtain information as to, and production of, the documents relevant to the dispute, for the purpose of preparing for the trial of the cause and of obtaining a final judgement." 10 v. Hülsen, Vorlage von Dokumenten und Zeugenvernehmungen für USZivilprozesse (Pre Trial Discovery), AWD 1974, S. 315 - 321, hier: S. 315 f. 11 Corpus Juris Secundum, Bd. 27, Discovery, §§ 1 -19 (S. 6- 44). 12 Wenn der Adressat der discovery order sich weigert, dieser nachzukommen, kann die Behauptung des Antragstellers als zugestanden betrachtet werden; Corpus Juris Secundum Bd. 27, §§ 53 (S. 168 ff.), 68 (S. 197 ff.). Das gleiche gilt, wenn der Anordnung, Dokumente vorzulegen, keine Folge geleistet wird, Corpus Juris Secundum, Bd. 27, § 86 (S. 268 ff.).

A. Ermittlungen unter Zwangsausübung

47

haftung ist das die Lösung, die auch die deutsche Rechtsprechung für die äußerst schwierige Beweissituation des Anspruchstellers gefunden hat13 • Es können aber auch Geld- und Haftstrafen verhängt werden14. Im Rechtsstreit Gordon ./. Volkswagenwerk AG verlangte der Kläger zum einen, seinen Anwalt als Commissioner einzusetzen und zu ermächtigen, im Wolfsburger Büro des Vorstandsvorsitzenden der Volkswagenwerk AG, Leiding, am 4. Oktober 1972 acht leitende Herren in Anwesenheit einer Gerichtsstenographin "by commission" 15 vernehmen zu lassen. Sodann wünschte er die Ermächtigung des Anwalts zur Inspektion und fotografischen Aufnahme des W erksgeländes, der Testabteilung und der Qualitätskontrolle in Begleitung eines ihn beratenden Ingenieurs16. 7. Zusammenfassung: gemeinsame Tatbestandsmerkmale der Beispielsfälle

Gemeinsam ist diesen Fällen, daß (a) Personen, deren Handeln einem Völkerrechtssubjekt zuzurechnen ist (b) auf dem Boden eines fremden Staates (c) durch Beschaffung von Informationen oder Dokumenten (d) hoheitlich gehandelt haben bzw. das beabsichtigen. Es fragt sich, ob Maßnahmen mit diesen Tatbestandsmerkmalen völkerrechtlichen Bedenken begegnen. II. Vertragliche Schranken

Besondere vertragliche Regelungen zwei- oder mehrseitiger Art, die derartige Ermittlungshandlungen ausdrücklich verbieten, sind nicht ersichtlich. Gewisse Schlußfolgerungen bieten sich allerdings dort an, wo Rechtshilfeabkommen ein Verfahren zur Erlangung von Beweismitteln zur Verfügung stellen: dann liegt die Annahme nahe, daß jedes davon abweichende Vorgehen unzulässig sein soll. Dieser Schluß ist jedoch nicht gedanklich zwingend. Es ist jedenfalls durchaus denkbar, Bahnbrechend war die Entscheidung BGHZ, 51, 91 = NJW 1969, 269. Wenn die Ladung mittels subpoena (dazu unten S. 72) erfolgt, stellt das Ausbleiben ein contempt of court dar, Corpus Juris Secundum Bd. 27, Discovery, § 53 (S. 168). Die gleiche Folge hat die Aussageverweigerung, Corpus Juris Secundum, ebd., S. 170 f. Bei Nichtvorlegung von Dokumenten können Geldstrafen verhängt werden, Corpus Juris Secundum, Bd. 27, discovery, § 86 (S. 268 f.), unter Hinweis auf American Blue Stone Co. v. Cohn CutStone Co., 164 N. Y. S. 506, 98 Mise. 439. 15 Zur Beweiserhebung by commission s. o. 2. Teil, B. I. 2. c). 18 Die Ergebnisse der Beispielfälle werden unten 3. Teil, A. IV. 1. zusammenfassend erörtert. 13

14

48

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

daß vertragliche Abreden lediglich aus einer Reihe völkerrechtlich zulässiger Verfahren ein aus praktischen Gründen bevorzugtes besonders ausgestalten. Allerdings wird eine an den Grundsätzen der Art. 31 - 33 der Wiener Vertragsrechtskonvention17 orientierte Auslegung in der Regel die Beschränkung auf das vertragliche Verfahren gebieten. Oben18 ist indessen gezeigt worden, daß einschlägige Verträge nur in sehr geringem Umfang existieren. 111. Gewohnheitsrechtliche Schranken der Anwendung absoluter Gewalt

Damit tritt die Frage nach gewohnheitsrechtliehen Schranken der Beweisbeschaffung im Ausland auf. Aus dem gewohnheitsrechtliehen Bereich könnte das Gebot der Achtung fremder Gebietshoheit als verletzte Regel des Völkerrechts in Betracht kommen. Die Pflicht zur Achtung fremder Gebietshoheit (territorial jurisdiction) ist unbestrittener Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts 19• Da es sich bei diesem Rechtssatz nicht um eine gesetzte, sondern um eine durch Übung entstandene Regel handelt, ist eine methodisch befriedigende Lösung der hier interessierenden Gruppe von Fällen nicht durch deduzierende Subsumtion, sondern richtigerweise nur durch Vergleich mit den Fällen zu erreichen, die zur Herausbildung des Rechtssatzes geführt haben. Das gilt insbesondere angesichts der Unbestimmtheit der Regel. Auch ein Zurückgreifen auf den Satz, daß Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet eine Verletzung des Gebotes der Achtung fremder Gebietshoheit darstellen20 - es sei denn, daß eine Erlaubnisnorm vorliegt - führt noch nicht zur abschließenden Klärung, da offenbleibt, welche Arten von Hoheitsakten gemeint sind. Die intensivste Form eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet ist die Anwendung manifester Gewalt. Hier hat insbesondere die Festnahme von Personen, z. B. zum Zwecke der Entführung, eine Rolle gespielt. Derlei Entführungen haben als zahlenmäßig stärkste Gruppe ZaöRV 1969, S. 711 ff. Im 2. Teil. 19 Lotus-Entscheidung, PCIJ Series A, No. 9 {1927), S. 18; vgl. auch John Bassett Moore, Dissenting Opinion, ebd., S. 68 f.; Korfu-Kanal-Fall, ICJ Reports 1949, S. 35; vgl. auch die vielzitierte Entscheidung des amerikanischen Supreme Court {per Marshall, C. J.) in The Schooner Exchange v . McFaddon, wiedergegeben bei Bishop, International Law, Cases and Materials, S. 659 ff.; Green, International L a w through the Cases, S. 265 ff. Aus dem Schrifttum seien genannt: Berber, Völkerrecht Bd. I, S. 184, 297 f.; Brownlie, Principles of International Law, S. 250; Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 540; Ketsen I Tucker, Principles of International Law, S. 357 ff.; Meessen, Vö.l kerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 15 f.; Ridder, Gebietshoheit, WVR I, S. 624-629, hier: S. 625. 20 Dahm, Völkerrecht Bd. I , S. 251; Geck, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, WVR I, S. 795. 17

18

A. Ermittlungen unter Zwangsausübung

49

von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet zu einer besonders aufschlußreichen Staatenpraxis geführt. Als Beispiel sei der spektakuläre Eichmann-Fan angeführt, der zu zahlreichen Äußerungen auch allgemeiner Art von staatlichen Organen21 und Völkerrechtsgelehrten22 geführt hat23. Zahlreiche Fälle von Entführungen politischer Flüchtlinge nach Deutschland ereigneten sich während der Zeit des Dritten Reiches24. Aufsehen erregte insbesondere der Fall des Juden Jacob-Salomon im Jahre 193925, der der Schweiz auf diplomatische Schritte hin rücküberstellt wurde26. Mit einer gerichtlichen Verfolgung fand das Deutsche Reich sich ab 27. 21 Auf Antrag Argentiniens, dessen Verhandlungen mit Israel über die Rücküberstellung Eichmanns ergebnislos verlaufen waren, fand eine Debatte im Sicherheitsrat der VN statt. Im Zuge dieser Debatte verliehen die Vertreter der Mitgliedstaaten der Ansicht Ausdruck, daß die Ausübung hoheitlicher Gewalt in der praktizierten Form auf fremdem Boden völkerrechtswidrig sei. Security Council Official Records (XV), 865. Sitzung vom 22. Juni 1960: Argentinien, §§ 9, 25; argentinischer Resolutionsentwurf, daselbst, § 47. 866. Sitzung vom 22. Juni 1960: Italien (§§ 32, 33); Equador (§§ 47, 48, 53); Tunesien (§§ 68, 73); Sicherheitsratsresolution 138 vom 23. Juni 1960, Security Council Official Records (XV), Resolutions and Decisions of the Security Council, S. 4, die mit 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen wurde. Für grundsätzliche Völkerrechtswidrigkeit auch diejenigen Staaten, die angesichts der Einzigartigkeit der Eichmannsehen Verbrechen eine Ausnahme befürworten: 867. Sitzung: Polen(§§ 11, 12); Frankreich(§ 63). 22 Bauer, Die völkerrechtliche Entführung, 1968; Green, Aspects juridiques du proces Eichmann, AFDI 9 (1963), S. 150- 190, hier: S. 151; ders., The Eichmann Case, 23 (1960), Modern L. R., S. 507- 515; Fawcett, The Eichmann Case, 38 BYIL (1962), S. 182-215, hier: S. 198; Morgenstern, Jurisdiction in seizures effected in Violation of International Law, 29 BYIL (1952), S. 265 285. Schwarzenberger, Current Legal Problems, 1962, S. 252. - Für eine Relativierung der Jurisdiktionsgesichtspunkte zugunsten naturrechtlicher Erwägungen unter Berücksichtigung des Charakters der Eichmannsehen Verbrechen Silving, In re Eichmann: A Dilemma of Law and Morality, 55 AJIL (1961), S. 307- 358; für Völkerrechtswidrigkeit jedoch auch Security Council Resolution vom 23. Juni 1960; ohne eigene Stellungnahme F enwick, International Law, S. 324 f. 23 Zur parallelen Situation der Entführung des Obersten Argoud aus München nach Frankreich Cocatre-Zilgien, L'Affaire Argoud, 1965; Doehring, Restitutionsanspruch, Asylrecht und Auslieferungsrecht im Fall Argoud, ZaöRV 25 (1965), S. 209- 222; Kirchner, Der Fall Argoud und das Auslieferungsrecht, NJW 17 (1964), S. 853 f.; Seibert, Bemerkungen zum Argoud-Fall, JZ 21 (1966), S. 9 f.; Mann, The Doctrine, S. 129; Ctunet, 1964, S. 187 ff. Ähnliche Probleme warf der Martinez-Fall (1905) auf, Hackworth, Digest Bd. II,

s. 321.

24 Preuss, Kidnapping of Fugitives from Justice in Foreign Territory, 29 AJIL (1935), S. 502-507. Als Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit vgl. den Bericht in der "Times" vom 9. Aug. 1973 "Israel court jails for seven years Kurdish guerilla captured in raid on Al-Fatah base in Libanon" und Leitartikel, ebd., "Not in the interest of jews". 2s Preuss, ebd., S. 503 f. 26 Dahm, Völkerrecht, Bd. I, S. 251, Fn. 3; Mann, The Doctrine of Jurisdiction, in: International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1 - 162, hier: S. 129; Oppenheim I Lauterpacht , International Law, S. 295, Fn. 1.

4 Nordmann

50

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

Diese Fallgruppe erfüllt die oben28 genannten vier Merkmale in besonders deutlicher Weise. Über die Unzulässigkeit der Anwendung physischen Zwanges durch staatliche Organe auf fremdem Staatsgebiet besteht Einigkeit29 • Anlaß zu Zweifeln am Fortbestand dieses Rechtssatzes etwa aufgrund neuerer Entwicklungen besteht nicht. Die Begründungen für die Völkerrechtswidrigkeit legen allerdings großes Gewicht auf den Gesichtspunkt der Gewaltanwendung. IV. Gewohnheitsrechtliche Schranken der Ausübung von Zwang durch Androhung von Nachteilen

Die Informationsbeschaffung im Ausland hat jedoch in den hier zur Erörterung stehenden Beispielen nicht zur Anwendung von vis absoluta geführt. Die Erwähnung der evident intensivsten Form der Zwangsausübung rechtfertigt sich aber einmal daraus, daß sie im vorliegenden Zusammenhang keineswegs als praktisch ausgeschlossen erscheint. Man wird als sicher annehmen können, daß sie im Rahmen geheimdienstlicher Tätigkeit eine nicht unerhebliche Rolle spielt, ohne indessen ans Licht der Öffentlichkeit zu dringen. Überdies ist der herausgearbeitete Rechtssatz zur Ableitung der Behandlung subtilerer Formen von Zwang bedeutsam. Der Zwang zur Übermittlung von Dokumenten und Informationen beruhte in den hier zu erörternden Fällen darauf, daß Privaten wirt27 Rousseau, L'lndependance de l'etat dans !'ordre international, Recueil des Cours 1948 II (Bd. 73), S. 167-253, hier : S. 228; Outry, Verletzung schweizerischer Gebietshoheit durch verbotene Handlungen für einen fremden Staat, S. 72 ff. 28 3. Teil, A. I. 7. 29 Berber, Völkerrecht, Bd. I, S. 298; Dahm, Völkerrecht Bd. I, S . 251; Geck, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, WVR I, S. 795- 796, hier: S . 795 r . Sp.; Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts I, S. 331 f .; von der Heydte, Völkerrecht Bd. I, S. 232 f.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: 129, 137; Molodzow, Staatsgebiet im Völkerrecht, in: Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Völkerrecht, Deutsch von L. Schutz, Hamburg, 1960, S. 184; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 64; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht Bd. IV, S. 496, 500; Oppenheim I Lauterpacht, International Law, 1967, S. 295; Schlochauer, Extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S . 68; Stei ndorff, Internationales Verwaltungsrecht, WVR 111, S. 581-586, hier: S. 583 1. Sp.; gering ist die völkerrechtliche Autorität von Schwartz, Deutsches Internationales Kartellrecht, der sich lediglich auf Neumayer stützt; Vogel, Der räumliche Geltungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S . 102; Wengler, Völkerrecht Bd. I, S. 962 f. Aus der Staatenpraxis sind folgende Beispiele zu nennen: Panther-Zwischenfall, mitgeteilt bei Moore, Digest of International Law, Bd. II (1906), S. 175; vgl. dazu auch v. Münch, Panther-Fall, WVR II (1961), S. 735 f.; Schön, Panther-Fall, WVR II (1925), S. 232; Revue Generale de Droit International XIII (1906), S. 200 ff.; Jacob-Salomon-Fall, vgl. oben; Vaccaro v. Collier, The US Marshall, 51 F. 2d 17 (4th Cir. 17. Juni 1931), Annual Digest 1929/30, No. 180; Samuel Cantu-Fall, Hackworth, Digest Bd. II, S. 310 f. ; vgl. auch den Fall Bermudez, Hackworth, Digest Bd. li, S. 371 - 399 (§§ 211, 212).

A. Ermittlungen unter Zwangsausübung

51

schaftliehe oder persönliche Nachteile drohten. Diese Sanktionen ergaben sich als Rechtsfolgen aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die Betroffenen wurden daher zu hoheitlichen Zwecken unter psychologischen Druck gesetzt. Der Unterschied zu der soeben mit unzweifelhaftem Ergebnis erörterten Fallgruppe liegt im weniger offenkundigen Charakter des Zwanges, der hier- in der strafrechtlichen Terminologie gesprochen- keinen absoluten, sondern eher compulsiven Charakter hat. Es ist zu fragen, ob dieser Unterschied zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß gibt.

1. Staatenpraxis in den Beispielsfällen Bei der Behandlung der eingangs mitgeteilten Fälle der Beschaffung von Unterlagen oder Informationen in fremdem Territorium zeichnet sich eine einheitliche Linie ab. Gegen die Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts im Falle Kämpfer ./. Zürich30 sind Bedenken unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten, soweit ersichtlich, nicht laut geworden. Sie wird vielmehr allgemein unter Hinweis auf das Verbot der Verletzung fremder Gebietshoheit als zutreffend angesehen31• Die amerikanischen Loyalitätsuntersuchungen32 hat der Schweizerische Bundesrat (die Regierung) zum Anlaß einer mit völkerrechtlicher Begründung versehenen Stellungnahme genommen. Darin wird das amerikanischeVorgehen als Verletzung der Souveränität, Unabhängigkeit und ausschließlichen Zuständigkeit der Schweiz bezeichnet. Das Völkerrecht verbiete jegliche Ausübung einer Zwangszuständigkeit eines Staates im Territorium eines anderen Staates. Darüber hinaus wird angedeutet, daß es sich um eine deliktische Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates handele 33• s. o. 3. Teil, A. I. 1. Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 251; Oppenheim I Lauterpacht, International Law, 1967, S. 295, Fn. 1. Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung können sich allerdings - was allgemein unbeachtet bleibt - unter dem Gesichtspunkt der Immunität ergeben. Da Kämpfer im Auftrage einer deutschen staatlichen Dienststelle tätig wurde, war die von ihm vorgenommene Buchprüfung ein actum iure imperii. Als solches unterlag sie dem insoweit unbestrittenen völkergewohnheitsrechtliehen Anspruch auf Immunität. Dieses Bedenken gegen die Völkerrechtsmäßigkeit des Urteils kann nur dadurch überwunden werden, daß man die Verurteilung angesichts der Völkerrechtswidrigkeit der Prüfung als gerechtfertigte Repressalie ansieht. Dazu Bothe, Die strafrechtliche Immunität fremder Staatsorgane, ZaöRV 1972 (31), S. 246 bis 269, 259. Zweifelhaft ist die Auffassung Seidl-Hohenvelderns, Völkerrecht Rdn. 1118. s2 s. o. 3. Teil, A. I. 2. 33 Investigations de loyaute du Gouvernement americain a l'egard de ses ressortissants fonctionnaires d'organisations internationales ... , Schweizerisches Jahrbuch, ebd. (s. o. Fn. 3), Ziff. 1. 30

31

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

52

Hinsichtlich der Zollwertermittlungen australischer Behörden be1 deutschen Firmen34 hat das Auswärtige Amt unter Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft ein besonderes Verfahren mit dem australischen Zollministerium vereinbart. Danach sollte das Auswärtige Amt jeweils im voraus offiziell über australische Ermittlungen ins Bild gesetzt werden. Außerdem wurde vereinbart, daß den betroffenen Firmen die Besuche australischer Beamter rechtzeitig anzukündigen sind. Schließlich wurde klargestellt, daß die Durchführung der Recherchen nicht erzwingbar ist. Aus dem Ergebnis der Verhandlungen wird deutlich, daß beide Seiten von der Unzulässigkeit der australischen Ermittlungshandlungen ausgingen35. Bezüglich der Maßnahmen des Comptroller of the Currency36 bemühte sich das Auswärtige Amt im Jahre 1971 nach Absprache mit dem Bundesministerium für Wirtschaft, die Vereinigten Staaten zur Abgabe einer Erklärung zu bewegen, daß gleichartige Untersuchungen durch deutsche Stellen in den Vereinigten Staaten durchgeführt werden können. Dieamerikanische Seite war zu einer solchen Gegenseitigkeitserklärung nicht bereit. Die Gespräche verliefen schließlich ohne rechtlich greifbares Ergebnis, weil die Erteilung entsprechender Erlaubnisse in den Vereinigten Staaten in die Zuständigkeit der Gliedstaaten fällt. Im Falle Gordon v. Volkswagenwerk AG37 ging auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes in Bonn dem Superior Court über die Washingtoner Botschaft der Bundesrepublik und das State Department ein vom 21. Sept. 1972 datiertes Aide Memoire zu. Darin heißt es: "The execution of the court decision would - as taking of evidence by foreign agencies on German soil - mean an encroachment upon German sovereign rights. The procedure decided upon by the court in Sacramento violates German and International Law and therefore may not be executed in the FRG. There are no hesitations against the interrogation of the witnesses in the FRG by a Germancourt- if necessary, also a visit of the scene - if the american court submits to the German agencies a proper letter rogatory through the normal channel existing between the FRG and USA38. " Gleichwohl erließ der Superior Court am 29. Sept. 1972 die beantragten discovery orders. s. o. 3. Teil, A. I. 3. Nach Mitteilungen von informierter Seite funktioniert das Verfahren mittlerweise zur allseitigen Zufriedenheit. 36 s. o. 3. Teil, A. I. 4. 37 s. o. 3. Teil, A. I. 6. 38 über das Auswärtige Amt ist nicht einmal etwas von der Existenz dieses aide memoire zu erfahren. Über amerikanische Quellen ist es jedoch ohne weiteres zugänglich. 34

as

A. Ermittlungen unter Zwangsausübung

53

Nach Ansicht des Court of Appeals war der Erlaß der discovery orders rechtsirrig (erroneous). Zwar lasse der kalifornisehe Code of Civil Procedure die Beweiserhebung im Ausland "by commission" zu39• Auch sei die Volkswagenwerk AG als Partei des Verfahrens kalifornisehern Zivilprozeßrecht unterworfen; daraus folge jedoch nicht automatisch die Anwendbarkeit der lex fori auf "interne Angelegenheiten" des beklagten Unternehmens, denn das Gericht habe "no jurisdiction over persons or property outside their territory" 40 • Für die Zulässigkeit einer Vernehmung "by commission" im Ausland nach kalifornisehern Zivilprozeßrecht wird entscheidend auf das Recht des Ortes abgestellt, an dem die Beweiserhebung erfolgen soll. Civil Law Länder sähen im Gegensatz zu Common Law Ländern die Vernehmung aussagewilliger Zeugen nicht als private Angelegenheit an: "(In Germany) A deposition in aid of a foreign proceeding is a public matter requiring the participation and consent of their own courts; the activity of a commissioner appointed abroad represents an intrusion upon the ,judicial sovereignty' of such a nation; thus a letter rogatory is the usual and accepted method of taking depositions in a civillaw nation41 . " Ähnliche Probleme wirft die einem Beauftragten durch einen New Yorker District Court erteilte Ermächtigung auf, eine Aussage eines Einwohners von Ontario an Ort und Stelle aufzunehmen42 • Der Gerichtsbeschluß enthielt eine Anweisung an d en Zeugen, bestimmte Dokumente am Ort der Vernehmung vorzulegen43 • Eine Abstimmung mit den kanadischen Behörden war nicht erfolgt. Mit welchem Ergebnis der Fall abgeschlossen wurde, ist nicht ersichtlich. In beiden Fällen sollte die eigentliche Beweiserhebung durch Private erfolgen. Diese leiteten ihre Ermittlungsbefugnisse jedoch von der Ermächtigung durch eine staatliche Stelle ab. Daher kann ihr geplantes Vorgehen dem betreffenden Staate zugerechnet werden. Aus diesem Grunde weicht die völkerrechtliche Würdigung von derjenigen des Vorgehens von Beamten bzw., allgemeiner ausgedrückt, Staatsbediensteten, nicht ab. 39 Sec. 2018 (b) regelt die Zeugenvernehmung, Sec. 2031 die Inaugenscheinnahme von Sachen (property). 40 Volkswagenwerk AG v. Superior Court of Sacramento, 33 C. A. 3 d 503, 507. 41 Dazu Dorman, California's Statutory Contributions in the Field of International Judicial Assistance (1963) 39 L. A. Bar Bulletin 7, 30- 32 ; siehe auch United States v. Paraffin Wax, 2255 Bags (E. D. N. Y.) 23 F. R. D. 289; Edwards, Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters, 18 Int. Comp. L. Q. (1969), S. 646 f.; Moore, Federal Practice, Bd. 4, § 28.05, S. 1931. 42 Grassmann v. Young, Fed. Rules Serv. 30 b. 41 (S. D. N. Y. June 28, 1949). 43 Jones, International Judicial Assistance, Procedural Chaos and a Program for Reform, 62 Yale L. J . (1953), S. 515- 562, hier: S. 511, Fn. 15.

54

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

2. Völkerrechtliche Würdigung und Ergebnis Die um die Wahrung ihrer Gebietshoheit besonders besorgte Schweiz steht also mit ihrer Haltung nicht allein. Bei aller Nachgiebigkeit, die die Bundesrepublik in diesen Fällen im Ergebnis gezeigt hat, geht doch aus der Haltung des Auswärtigen Amtes hervor, daß das Vorgehen der jeweiligen ausländischen Stellen nach deutscher Ansicht der Zustimmung der deutschen Verwaltung bedurfte. Von der gleichen Auffassung gingen die anderen beteiligten Staaten aus. In die gleiche Richtung deutet das Ergebnis des Falles der in der Bundesrepublik lebenden südkoreanischen Staatsangehörigen, die im Juli 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst mit offenbar recht massiven Mitteln "überredet" wurden, zur Durchführung von Strafverfahren in ihre Heimat zurü-ckzukehren. Heftige Proteste der Bundesregierung führten dazu, daß die Urteile gegen die Südkoreaner nicht vollstreckt und ihnen alsbald die Ausreise gestattet wurde44 • Auch die durch französische Behörden gegenüber den amerikanischen Steuerbeamten ausgesprochene Einreiseverweigerung ist bezeichnend. Man könnte zweifeln, ob diese geringe Anzahl von Fällen eine zutreffende Einschätzung des geltenden Völkerrechts ermöglicht. Es wäre daher nützlich, in ihren wesentlichen Merkmalen vergleichbare Fälle zur Auswertung heranzuziehen. Es müßte sich um Beispiele handeln, in denen auf fremdem Territorium Handlungen ausgeführt werden, die mit der Ausübung eines gewissen Zwangs verbunden sind. Die Quellenwerke der völkerrechtlichen Praxis sind erstaunlich arm an parallelen Situationen. Allgemein als unzulässig angesehen werden steuerliche Betriebsprüfungen im Ausland45 • Diese Auffassung wird dezidiert in einem Urteil des Reichsfinanzhofs46 vertreten. Es ging um die Frage, ob ein deutsches Finanzamt die Akten einer Firma überprüfen durfte, deren Betriebsgrundstück teilweise auf deutschem Boden lag, wobei sich aber alle Büros auf schweizerischem Staatsgebiet befanden. Der Reichsfinanzhof führte dazu aus: .,Wenn aber die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen sich im Ausland befinden, so hindert dieser Umstand, sofern nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes gilt, die Durchführung der Buchprüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen. Ohne solche zwischenstaatliche 44

Zum Sachverhalt ZaöRV 1970, S. 665 f.

Bühler, Völkerrecht und Landesrecht im internationalen Steuerrecht, ZaöRV 19 (1958), S. 668- 692, hier: S. 683; P. Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, S. 195; Seidl-Hohenveldern, Völker45

rechtliche Erwägungen zum deutschen internationalen Kartellrecht, A WD 9 (1963), S. 73 f., 75; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 102; a. A. v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 64; Schwartz, Deutsches internationales Kartellrecht, S. 249. 48 Vom 27. Sept. 1933, Reichssteuerblatt 1933, S. 1188 ff.

B. Zwangsfreie Ermittlungen

55

Vereinbarungen oder Erlaubnis des ausländischen Staates dürfen die Beamten des deutschen Finanzamtes das ausländische Gebiet nicht betreten." Gleiches gilt im Hinblick auf die Ausübung des sogenannten Eideszwanges auch für die Abnahme von Eiden47 • In der Literatur wird übereinstimmend davon ausgegangen, daß auch die Ausübung verfeinerter Formen von Zwang völkerrechtlich unzulässig ist48 • Diese Ansicht erscheint zwar häufig als abstrakt begründete Lehrmeinung, ohne durch Beispiele aus der Staatenpraxis hinreichend belegt zu sein. Sie wird jedoch durch die hier besprochenen Fälle bestätigt. Zusammenfassend wird man daher feststellen können, daß die Staatenpraxis davon ausgeht, daß die völkerrechtliche Beurteilung hoheitlicher Zwangsmaßnahmen unabhängig davon ist, in welcher Form Zwang angewendet wird.

B. Zwangsfreie Ermittlungen, z. B. bei Mitwirkungswilligen Die Beschaffung von Dokumenten und Informationen auf fremdem Territorium zu hoheitlichen Zwecken ist aber nicht nur unter Zwangsanwendung vorgekommen. Vielmehr lassen sich auch eine Reihe von Fällen anführen, denen dieses Merkmal fehlt. Das Gebiet der Spionage, die per definitionem der Ausspähung von Staatsgeheimnissen dient49, soll dabei außer acht bleiben. I. Beispiele

1. Niederländische Steuermittlungen in der Schweiz Im Oktober 1949 erschienen drei Beamte des niederländischen Finanzministeriums in Luzern, um einem dort ansässigen niederländischen Staatsangehörigen, der einen Steuerprozeß gegen die niederländische Regierung angestrengt hatte, Fragen zur Sache vorzulegen und Material zu sammeln50 • Die drei Herren wurden unter der Beschuldi47 Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 251; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht Bd. IV, S. 500; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 102. Vogel ordnet Eide unter Hoheitsmaßnahmen ohne Zwangsausübung ein, während Neumayer den Aspekt des Eideszwanges betont. 48 Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 251; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 102; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht Bd. IV, S. 497 f.; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S. 68; Steindorff, Internationales Verwaltungsrecht, WVR III, S. 581-586, hier: S. 583lk. Sp.; Wengler, Völkerrecht Bd. II, S. 962; ohne nähere Erwägungen Schwarzenberger, International Law, S. 91 ff.; Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1925, S. 137; ders., General Theory of Law and State, Cambridge/Mass. 1945, S. 42 f. 49 Hinz, Spionage, WVR III, S. 298 - 300, hier: S. 298 r. Sp. 50 Jones, International Judicial Assistance: Procedural Chaos and a Program for Reform, 62 Yale L. J. (1953), S. 514 ff., 520.

56

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

gung, gegen Vorschriften des schweizerischen Strafrechts verstoßen zu haben, in Untersuchungshaft genommen. Die Berner Gesandtschaft der Niederlande gab im Namen der Regierung ihrer Majestät eine Entschuldigung ab. Daraufhin wurde die Anklage auf Anweisung des Bundesrates als des obersten Exekutivorgans niedergeschlagen.

2. Niederländische Steuerverhandlungen in Deutschland Protestiert hat das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches auch, als im Jahre 1930 Verhandlungen zwischen der niederländischen Zentralsteuerverwaltung und der IG Farben auf deren Einladung hin in Frankfurt stattfanden51 • Bei den Gesprächen ging es um die Steuerpflicht von Tochtergesellschaften der IG Farben im heutigen Indonesien, das seinerzeit niederländische Kolonie war. 3. Amerikanische Steuerermittlungen

in der Dominikanischen Republik

Erwähnenswert erscheint auch ein weiterer Fall, in dem der von einer hoheitlichen Stelle um Informationen angegangene Private auskunftsbereit war. Das amerikanische Justizministerium, Abt. Steuern, führte durch die zuständige Stelle einen Prozeß gegen einen amerikanischen Staatsbürger, in dem der Umfang seiner Steuerpflicht festgestellt werden sollte. Der Steuerpflichtige hatte Bauarbeiten für die Regierung der Dominikanischen Republik durchgeführt. Die amerikanische Botschaft bat mit Schreiben an das Außenministerium der Dominikanischen Republik vom 11. Aug. 195862 um Erlaubnis, Bankunterlagen, die mit der Bezahlung der Bauarbeiten in Zusammenhang standen, durch amerikanische Beamte und sachverständige Zeugen einsehen lassen zu dürfen. Dabei wurde auf das Einverständnis des Rechtsvertreters des Beklagten Bezug genommen. Mit Schreiben vom 19. Aug. 1958 lehnte das Außenministerium der Dominikanischen Republik die Bitte ab. Entspreche man ihr nämlich, so könne das nachteilige Folgen für die auf Anziehung ausländischen Kapitals gerichtete Politik der Dominikanischen Republik haben53• 4. Amerikanische commissioners of deeds in Deutschland

Völlig zwangsfreie Tätigkeit sollte auch ein in Berlin wohnhafter amerikanischer Anwalt ausüben, der 1908 zum sog. commissioner of 51 Bühler, Völkerrecht und Landesrecht im Internationalen Steuerrecht, ZaöRV 1958 (1), S. 668- 692, hier: S. 683. 52 Despatch No. 92, August 20, 1958, US Department of State, file 811.11/8 53 Berichtet in: Whiteman, Digest Bd. VI, S. 183.

B. Zwangsfreie Ermittlungen

57

deeds bestellt wurde. Als solcher sollte er notarielle Befugnisse haben. Insbesondere sollte er notarielle Akte vollziehen, die nach amerikanischem Recht wirksam und zur Verwendung in den Vereinigten Staaten bestimmt waren54• Obwohl die Ausübung der Tätigkeit eines commissioner of deeds nicht mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs verbunden ist, wurde sie ihres hoheitlichen Charakters wegen vom Deutschen Reich als Verletzung seiner Gebietshoheit angesehen. Ähnliche Ernennungen erfolgten 1909 in Stuttgart und 1923 in Heidelberg durch amerikanische Gliedstaaten. Auch diese begegneten nachdrücklichen Protesten55 • 5. Observationen durch Spitzel von Zollbehörden im Ausland

Verschiedentlich haben Zollbehörden durch Spitzel Informationen im Ausland beschaffen lassen. Zu Differenzen zwischen der Schweiz und Frankreich aus Anlaß eines solchen Vorganges kam es im Jahre 1948. Französische Spitzel hatten in der Schweiz schweizerische Bürger zu illegalen Devisentransaktionen verleitet. Die Täter I Opfer wurden dann veranlaßt, sich nach Frankreich zu begeben, wo sie verhaftet und gegen hohe Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Augenscheinlich dienten diese eigenartigen Maßnahmen fiskalischen Zwecken. Auf schweizerischem Boden war Zwang nicht ausgeübt worden. Gleichwohl sah die Schweiz in der Tätigkeit der Spitzel eine Verletzung ihrer Gebietshoheitss. Neumayer berichtet von Fällen, in denen Österreichische Zollbeamte auf deutschem Boden Österreicher beim Einkauf beobachtet hatten, um sie anschließend aufgrund der bei diesen Observationen gewonnenen Informationen bei einer Wiedereinreise eventueller Zollhinterziehung überführen zu könnens7. II. Völkerrechtliche Schranken

Nach einer nicht unbeachtlichen Meinung sollen solche hoheitlichen Handlungen auf fremdem Staatsgebiet völkerrechtlich unbedenklich sein, die ohne jede Form von Zwangsausübung vor sich gehen58. Das Hackworth, Digest Bd. II, S. 313 f. Ebd., S. 314. Zur Durchführung von Beurkundungen vgl. auch Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours, 1964 I, (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 134. 58 Schweizer. Jahrbuch für Internationales Recht, 1948 (V), S. 167 f. 57 Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht Bd. IV, S. 498, Fn. 34. 58 Vgl. Geck, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, WVR I, S . 795 - 796, hier: S. 795 r . Sp.; so- erstaunlicherweise ohne Begründung - Schlochauer, Extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S. 68, mit Hinweis darauf, daß derartige Untersuchungen in der Praxis häufig und insbesondere durch Kartellbehörden der Vereinigten Staaten im ICI-Fall Ermittlungen im Aus54

55

58

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

Vorliegen dieser Voraussetzung wird man- cum grano salis- bei den obigen Fällen bejahen können, da die Durchführung der Besprechungen, Beobachtungen und Beurkundungen nicht durch Einsatz von Druckmitteln erzwungen wurde59• Diese Meinung wird insbesondere von verwaltungs- und kartellrechtlicher Seite vertreten60 • Danach wäre eine Beschlagnahme von oder Einsichtnahme in Dokumente im Ausland völkerrechtlich unbedenklich, wenn sie durch den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt freiwillig gewährt wird. Selbst unter Autoren der Gebiete, die auf Völkerrecht lediglich als Hilfswissenschaft zurückgreifen, besteht jedoch keine Einigkeit in diesem Sinne61 • Fest steht, daß die Schweiz, die allerdings eine besonders intensive Staatspraxis in der Abwehr jeglicher Form von Eingriffen entwickelt hat, ihre strafrechtlichen Vorschriften gegenüber Ermittlungstätigkeiten im Inland62 auch auf nicht mit Zwangsausübung verbundenes Vor~ gehen erstreckt63• Die gleiche Auffassung ist von deutscher Seite in den berichteten Fällen vertreten worden. Änliche Schlüsse können auch aus dem Fall gezogen werden, an dem die Vereinigten Staaten und die Dominikauische Republik beteiligt waren. Allerdings liegt die Beantragung einer Genehmigung einigermaßen außerhalb der gängigen amerikanischen Praxis. So bemerkt Jones64 zur Vernehmung aussagewilliger Zeugen durch amerikanische Beamte im Ausland: "To an american observer, the procedure would appear routine." Für Völkerrechtwidrigkeit zwangsfreier Ermittlungen sprechen auch Entscheidungen internationaler Gerichte. Den bekannten Satz der Lotus-Entscheidung des StiGH65 , daß die erste völkerrechtliche Beland durchgeführt worden seien; Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, S. 151 f. teilt diese Auffassung allerdings nicht. Unrichtig daher Schwartz, Deutsches Internationales Kartellrecht, S. 249, Fn. 14. so Freilich darf man nicht die Augen davor verschließen, daß die Unterredungen der Vorbereitung von Entscheidungen der Finanzbehörden dienten. 60 Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. IV, S. 496-498, vgl. auch S. 500, Fn. 45; offenbar auch Steindorff, Internationales Verwaltungsrecht, WVR III, S. 581-586, hier: S. 583 L. Sp. (so auch verstanden von Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 102, Fn. 66; Schwartz, Deutsches Internationales Kartellrecht, S. 249). 81 A . A. Bühler, Völkerrecht und Landesrecht im internationalen Steuerrecht, ZaöRV 1971 (31), S. 668-692, hier : S. 683 ; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm (Untertitel: Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts), S. 101 f. 62 Dazu unten 4. Teil, F. II. 7. 63 Gleiches gilt für den Bundesbeschluß betreffend die Sicherheit der Eidgenossenschaft, vgl. oben 3. Teil, A. I. 1., Fn. 2. 64 International Judicial Assistance: Procedural Chaos and a Program for Reform, 62 Yale L. J. (1953), S. 515- 562, hier: S. 520 mit Bezug auf die Vernehmungen durch niederländische Beamte in Luzern. 65 PCIJ Series A No. 10 (1927).

C. Ausnahmen vom Verbot hoheitlicher Ermittlungen im Ausland

59

schränkung eines Staates der Ausschluß hoheitlicher Betätigung auf dem Gebiet eines anderen Staates sei, wird man dahin zu verstehen haben, daß nach Ansicht des StiGH jede hoheitliche Betätigung ausgeschlossen sein soll. Die Kritik an der Entscheidung hat sich nicht auf diesen Punkt gerichtet66 • Die gleiche Auffassung ergibt sich aus der Entscheidung des ständigen Schiedshofes (durch Max Huber) im Palmas-Fall67. Auch der IGH hat sich in diesem Sinne geäußert68 • Überdies verbietet sich die obige Auffassung auch aus einer theoretischen Überlegung. Die Unterscheidung danach, ob Dokumente bzw. Informationen zwangsweise von Herausgabewilligen beschafft werden, scheint dogmatisch auf dem Gedanken der Einwilligung zu beruhen. Die Einwilligung eines beliebigen Privaten kann jedoch für die Beurteilung der Völkerrechtsmäßigkeit der Maßnahmen des handelnden Staates keine Bedeutung haben; denn die Gebietshoheit ist ein Recht des Staates, das nicht zur Disposition des einzelnen steht. Daher kann insofern nur eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Erklärung eines Organs des völkerrechtlichen Verkehrs69 relevant sein. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch einen Blick in die völkerrechtliche Literatur70. C. Ausnahmen vom Verbot hoheitlicher Ermittlungen im Ausland I. Allgemeine Rechtfertigungsgründe

Soweit nach den obigen Darlegungen die Gebietshoheit eines fremden Staates verletzt ist, liegt ein völkerrechtliches Delikt vor. Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Durchführung hoheitlicher Ermittlungen im Ausland können sich zunächst aus den allgemeinen völkerrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgründen ergeben. Ermittlungstätigkeit kann als Repressalie gerechtfertigt sein, wenn sie eine Antwort auf ein völkerrechtswidriges Verhalten des anderen Staa88 Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1.1. (1929), S. 1-56, hier: S. 50 ff.; Brierly, The Lotus- Case, Law Quarterly Review 44 (1928), S. 154 ff. 67 ZaöRV I (1929) Teil 2, S. 3 ff. 68 Korfu-Kanal-Fall, ICJ Reports 1949, S. 35. 69 Meyer-Lindenberg, Organe des völkerrechtlichen Verkehrs, WVR II, S. 668 - 672, hier: S. 668 r . Sp. ff. 70 Berber, Völkerrecht Bd. I (1960), S. 184, 297 f.; Brownlie, Principles of International Law, S. 250; Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 250, 540; Hyde, International Law Bd. I, sec. 200; Mac Nair, International Law Opinions I, S. 69 ff.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours, 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 140; Oppenheim I Lauterpacht, Bd. I, S. 205 Fn. 1; Ri dder, Gebietshoheit, WVR I , S. 624 ff. , 625 ; zweifelnd Kai ser, Internationale und nationale Zuständigkeit im Völkerrecht der Gegenwart, in: Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 7 (1957), S. 1-26, hier: S. 16.

60

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

tes darstellt. Des weiteren kommen die Gesichtspunkte der Selbsthilfe und der Selbstverteidigung in Betracht. Für die praktisch gewordenen Fälle haben diese Rechtsinstitute jedoch keine Bedeutung erlangt. II. Besonderer Rechtfertigungsgrund der Beweisbeschaffung für ein Verfahren vor einem internationalen Gericht?

Im Rahmen des Korfu-Kanal-Falles ergab sich eine besondere Variante der Beweiserhebung durch einen Staat in fremdem Hoheitsgebiet. Er warf die Frage auf, ob ein Staat abweichend von den oben herausgearbeiteten Grundsätzen in fremdem Territorium hoheitlich tätig werden darf, um Beweismittel für ein Verfahren vor einem internationalen Gericht zu beschaffen. Am 22. Okt. 1946 liefen zwei britische Kriegsschiffe, die vom Recht der innocent passage durch den zu albanischen Territorialgewässern gehörenden Korfu-Kanal Gebrauch machten71 , auf Minen und wurden schwer beschädigt. 44 Besatzungsmitglieder fanden den Tod. Der Kanal war nach Beendigung des 2. Weltkrieges von Minen geräumt worden. Am 13. Nov. 1946 lief ein britisches Geschwader in den Korfu-Kanal ein und räumte dort ein größeres Feld verankerter Kontaktminen72. Im Verfahren vor dem IGH erstrebte das Vereinigte Königreich die Feststellung der Schadensersatzpflicht Albaniens für die Verluste an Mannschaften und Material infolge der Explosion, die Volksrepublik Albanien die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit der Minenräumaktion. Die Rechtmäßigkeit der Minenräumaktion suchte das Vereinigte Königreich73 in erster Linie auf die Notwendigkeit einer raschen Beweissicherung zu stützen74 . Es wurde geltend gemacht, daß eine Intervention dann zulässig sei, wenn sie den Zweck verfolge, in fremdem Hoheitsgebiet befindliches Beweismaterial sicherzustellen, um es einem internationalen Schiedsgericht vorzulegen und so dessen Arbeit überhaupt erst zu ermöglichen. Diese These wird vom Gerichtshof mit der Begründung zurückgewiesen, daß trotz aller Mängel des gegenwärtigen 71 Im Verfahren vor dem IGH wurde von Albanien bestritten, daß die Durchfahrt ,.innocent" gewesen sei. Der Gerichtshof entschied jedoch im gegenteiligen Sinne, ICJ Reports 1949. 72 Der Tatbestand ist mitgeteilt in ICJ Reports 1949, S. 13 - 15. 73 In diesem Streit u. a. vertreten durch so namhafte Juristen wie Sir Eric Beckett, Humphrey Waldock und Lord Wilberforce. 74 ICJ Reports 1949, S. 34 f. Dieses Argument wurde allerdings nach Ansicht von Schah, Discovery by Int ervention, 54 AJIL (1959), S. 595- 612, hier: S. 599, für die vieles spricht, im nachhinein ausg edacht.

D. Ergebnis

61

Standes internationaler Organisation Gewaltanwendung zwischen Staaten keinesfalls rechtens sein könne75 • Dieser Fall weist gegenüber den bisher behandelten Fällen zwei Besonderheiten auf. Zunächst handelt es sich nicht um ein von einer nationalen Rechtsordnung regiertes Verfahren, sondern um eines vor einem internationalen Gericht. Zum anderen wurden Beweismittel im Verfahren gegen einen Staat und nicht gegen einen Privaten beschafft. Beide Unterschiede geben aber zu einer von den oben aufgestellten Grundsätzen abweichenden Beurteilung keinen Anlaß. Der entscheidende Aspekt, nämlich das Handeln eines Völkerrechtssubjekts im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich eines anderen, lag auch hier vor. D. Ergebnis I. Der gegenwärtige Stand des Völkerrechts

Als Ergebnis der Untersuchung der Informationsbeschaffung durch Beamte auf fremdem Territorium ist festzuhalten, daß jegliche von einem Staat ausgehende Ermittlungstätigkeit auf fremdem Boden, die entweder in hoheitlicher Form erfolgt oder hoheitlichen Zwecken wie der Vorbereitung eines Verfahrens unmittelbar dient, völkerrechtlich unzulässig ist. Hieran wird sich auch in absehbarer Zeit kaum etwas grundlegend ändern. II. Entwicklungstendenzen: Bereitschaft zur Einschränkung der Gebietshoheit

Die Formulierung dieser Regel des geltenden Völkergewohnheitsrechts bleibt aber unvollständig, solange nicht darauf hingewiesen wird, daß sie in der Praxis in verschiedener Hinsicht Relativierungen erfahren hat. 1. Grenzüberschreitende Fälle krimineller Aktivitäten

Auf die Fragen grenzüberschreitender Kriminalität und die zu ihrer Bekämpfung geschaffene Interpol ist bereits hingewiesen worden76 • Zwar ist nicht ersichtlich, ob das Interpol-Abkommen selbst den Mitgliedstaaten Rechte gewährt und Pflichten auferlegt77• Auch wenn es nur formelle Regelungen der zwischenstaatlichen Kooperation regelt, so ist seine praktische Bedeutung jedenfalls erheblich. Die aufsehenerreEbd., S. 35. s. o. 2. Teil, B. I. 1. a). 77 Wie bereits erwähnt wurde, ist das Verwaltungsabkommen anscheinend nicht publiziert worden. 75

76

62

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

gende Festnahme des als Posträuber zu großer Bekanntheit gelangten Engländers Ronald Biggs durch britische Kriminalbeamte in Brasilien78 zeigt, daß im Rahmen der Interpol sogar hoheitliches Tätigwerden in fremden Staaten vereinbart wird. Auch vertragslose informelle Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden verschiedener Staaten spielt praktisch eine erhebliche Rolle. Ein aufschlußreiches Schlaglicht hat darauf kürzlich eine Entscheidung des OLG München79 geworfen, der folgender Sachverhalt zugrunde lag. Zwei Beamte des amerikanischen Central Intelligence Department (CID) verschafften sich im November 1970 zur Nachtzeit Zutritt zu einer Münchner Wohnung, indem sie deren Besitzer Interesse am Ankauf von Rauschgift vorspiegelten. In Wahrheit ging ihre Absicht auf die Aufdeckung des dort vermuteten Rauschgiftdepots. Auf ein vereinbartes Zeichen hin sollte ein vor der Tür postierter deutscher Beamter eingreifen. Die Sicherung der erwarteten Beweise gelang in vollem Umfange80• Der Tatbestand der Entscheidung verliert kein Wort der Erklärung über diese immerhin etwas ungewöhnliche Mitwirkung ausländischer Beamter. Im Mai 1973 wurde zwischen den Vereinigten Staaten und der Schweiz der erste sog. Anti-Mafia-Vertrag geschlossen81 • Dabei handelt es sich um ein Abkommen zur Rechtshilfe in Strafsachen hinsichtlich von Delikten, die typisch für die Praktiken der Mafia sind. Das deutsch-französische Kriegsverbrecherabkommen vom 2. Februar 1971 82 betrifft die Übermittlung von Strafakten für den Fall, daß ein Täter in Frankreich in Abwesenheit verurteilt worden ist und nunmehr in der Bundesrepublik gegen dieselbe Person ein Verfahren läuft. Danach werden Auskunftsersuchen deutscher Stellen grundsätzlich auf diplomatischem Wege übermittelt und auf gleiche Weise erledigt. Erweist sich jedoch dieses Verfahren wegen der Schwierigkeit der Sache oder des Umfangs der Akten als schwer durchführbar, so wird einem deutschen Richter oder Staatsanwalt gestattet, die Akten an Ort und Stelle einzusehen. Dieses Zugeständnis der französischen Seite ist mit dem besonderen politischen Interesse Frankreichs an der Verfolgung der von dem Abkommen erfaßten Kriegsverbrecher zu erklären. Wenn im Zusammenhang mit diesen Beispielen hoheitliche Ermittlungshandlungen im Ausland vorgenommen werden, so treten völkerrechtliche Probleme selbstverständlich nicht auf, da das Einverständnis Hannoversche Allgemeine Zeitung v. 4. 2. 1974. Beschluß vom 10. März 1972, NJW 1972, S. 2275 f . 8o NJW, ebd., S. 2275 r. Sp. 81 Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Mai 1973, S. 11. 82 BGBl 1975 II, S. 431 ff. Die hier maßgeblichen Regelungen ergeben sich aus dem Notenwechsel zum Abkommen. 78

79

D. Ergebnis

63

des Gebietsherrn sichergestellt ist. Sie belegen jedoch, daß die modernen Staaten häufig bereit sind, ihre Gebietshoheit einzuschränken, wenn es um die Verfolgung von Verstößen gegen das Kernstrafrecht geht.

2. Rein technische Angelegenheiten Eine zweite Gruppe von Fällen, in denen viele Staaten zu liberalem Verständnis der Gebietshoheit bereit sind, bilden verwaltungstechnische Vorgänge im Rahmen des internationalen Wirtschaftsverkehrs. Die sicherheitstechnische Beschaffenheit von Seeschiffen unterliegt den Vorschriften des Staates, in dem sie registriert sind und dessen Flagge sie führen. Nun ist es keine Seltenheit, daß Fracht- und Passagierschiffe nie oder nur selten einen Hafen des Flaggenstaates anlaufen. Dann ergibt sich die Notwendigkeit, die periodisch fälligen Sicherheitsüberprüfungen in einem ausländischen Hafen durchzuführen. Für die Bundesrepublik werden die Sicherheitseinrichtungen von der Seeberufsgenossenschaft83 überwacht. Die Seeberufsgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts wird auf der Grundlage einer Satzung84 hoheitlich tätig. Die Durchführung der Schiffssicherheitsüberprüfungen hat sie einem Privatunternehmen, dem Germanischen Lloyd, übertragen. Wenn sich eine Überprüfung in einem ausländischen Hafen als erforderlich erweist, so wird entweder ein Angestellter des Germanischen Lloyd dorthin entsandt oder ein Korrespondenzunternehmen, z. B. das American Bureau of Shipping, mit der Durchführung beauftragt. Die privatrechtliche Organisation der unmittelbar tätig werdenden Prüfungsinstitution ändert nichts an dem hoheitlichen Charakter ihrer Überprüfungshandlungen85 . Diese Art der Überwachung sicherheitsrechtlicher Vorschriften entspricht allgemeiner Übung. In gleicher Weise wird vorgegangen, wenn z. B. in deutschem Auftrag ein für die Fahrt unter deutscher Flagge bestimmtes Schiff in einer spanischen Werft gebaut wird. Die technische Überwachung der Erstellung und die Endabnahme werden dann von deutscher Seite an Ort und Stelle vorgenommen. ss §§ 850 - 863 RVO. 84

§§ 662, 670 - 673 RVO.

Im Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) des Bundestages über den Entwurf des zweiten Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt wird mitgeteilt, daß im Ausschuß über folgenden Ergänzungsantrag Einigung erzielt wurde: Die für die Überwachung der seegängigen Wasserfahrzeuge in weitem Umfang zuständige See-Berufsgenossenschaft soll verpflichtet sein, bei Fragen der Schiffstechnik, der Festlegung des Freibords der Seeschiffe sowie bei Überwachungshandlungen im Ausland die Hilfe des Germanischen Lloyd - der großen deutschen Klassifikationsgesellschaft für die Seeschiffahrt - in Anspruch zu nehmen. BT Drs. IV/2549. 85

64

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

Die Duldung dieser Tätigkeiten hat zwar nicht die Bedeutung wie etwa polizeiliches Einschreiten. Denn es ist eine langgeübte Praxis völkerrechtlicher Courtoisie, sich mit internen Vorgängen auf in inländischen Häfen liegenden ausländischen Seeschiffen grundsätzlich nicht auseinanderzusetzen. Das gilt jedoch nicht für Schiffsbauwerke. Jedenfalls insoweit stellt diese internationale Praxis sich als großzügige Handhabung der aus der Gebietshoheit fließenden Rechte dar.

3. Faktischer Zwang Schließlich sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen ein faktischer Zwang besteht, von der Berufung auf die ausschließende Kraft der Gebietshoheit abzusehen. Hier ist insbesondere an Bestimmungen des ausländischen öffentlichen Rechts zu denken, die den Import von Gütern an gewisse Bedingungen knüpfen. Andeutungsweise ist diese Situation bereits im oben mitgeteilten Fall der australischen Zollwertermittlungen gegeben. Allerdings wird nicht gleich die scharfe Waffe des Importverbots angewandt, wenn sich Wertermittlungen durch australische Beamte im Ausland aus rechtlichen Gründen als unmöglich erweisen. Vielmehr wird dann eine Schätzung vorgenommen, die allerdings i. d. R. für den Lieferanten ungünstig ist. Die Androhung der Einfuhrsperre gehört jedoch zum gängigen Instrumentarium amerikanischer Wirtschaftsverwaltung. Als Beispiel seien jüngst erlassene Vorschriften der Environmental Protection Agency (EPA) über Kontrollen des Automobilbaus im Hinblick auf Abgaserzeugung von Fahrzeugen genannt. Am 26. 2. 1974 wurde in einer sog. notice of proposed rulemaking die Absicht der EPA veröffentlicht, verschärfte Regeln zur Kontrolle der Automobilherstellung zu erlassen86 • U. a. sollte Beamten der Umweltbehörde, sog. EPA-inspectors, auf Verlangen Zutritt zum Werksgelände von Automobilherstellern zu gewähren sein. Dabei ging die EPA davon aus, daß nur bei einer Überwachung des Herstellungsprozesses durch eigene Beamte, die mit weitestgehenden Eingriffsermächtigungen ausgestattet sind, die Einhaltung der materiellen Umweltschutzbestimmungen gewährleistet werden könne. Auf die notice of proposed rulemaking hin haben zahlreiche Automobilhersteller und Verbände - aus der Bundesrepublik die Volkswagenwerk AG - Stellung genommen und insbesondere Zweifel an 88 Federal Register Bd. 38, S. 5138 - 5192 (No. 37 vom 26. 2. 1974). Es ist eine Besonderheit des amerikanischen Gesetzgebungsverfahrens, daß eine "notice of proposed rulemaking" im Federal Register veröffentlicht wird. Alle interessierten Kreise, Inländer und Ausländer, sind eingeladen, Stellungnahmen dazu abzugeben.

D. Ergebnis

65

der Normsetzungsbefugnis der EPA und an der organisatorischen und technischen Zweckmäßigkeit einiger Regeln geäußert. Im internationalen Recht wurzelnde Bedenken sind von den ausländischen Herstellern, soweit ersichtlich, nicht geltend gemacht worden. Dabei mag die im Schiffahrtssektor gemachte Erfahrung eine Rolle gespielt haben, daß amerikanische Stellen darauf sehr kühl reagieren. Die endgültige Verordnung87 weicht vom Entwurf inhaltlich nicht wesentlich ab. Danach ist der Verkauf von Kraftfahrzeugen in den Vereinigten Staaten u. a. von einer Genehmigung der EPA88 abhängig. Diese Genehmigung wird erteilt, wenn die EPA sich von der Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge überzeugt hat. Zu diesem Zweck ist den EPA-inspectors Zutritt zum Werksgelände und Einblick nicht nur in jede Phase des Herstellungsprozesses, sondern auch in alle relevanten Unterlagen zu gewähren. Im Rahmen ständiger Überwachung wird überprüft, ob die Genehmigungsvoraussetzungen weiterhin bestehen89• Über die Schwierigkeit, von ausländischen Herstellern im Rechtswege die Zustimmung zur Inspektion zu erzwingen, war man sich im klaren: "However, any attempt to enforce inspection requirements on foreign companies through orders obtained from American courts would face serious obstaclesoo."

Um diesen rechtlichen Problemen aus dem Wege zu gehen, entschied man sich für einen höchst praktischen Zwangsmechanismus: die EPA versagt die Verkaufsgenehmigung, wenn sie keine Möglichkeit hat, die gewünschten Überprüfungen anzustellen91 • Dabei bestand die Auffassung, daß das Erzwingen der Zustimmung zu Kontrollmaßnahmen rechtlich unproblematisch sei: Federal Register Bd. 39, S. 7545 - 7569. Certificate of conformity issued under sec. 206 of the Clean Air Act. 89 § 85.006 (Maintenance of Records; submittal of information; right of entry) (c) (1): "Any manufacturer shall admit or cause to be admitted any EPA Enforcement Officer during operating hours on presentation of credentials to any of the following: ..." 9° Federal Register Bd. 39, S. 7545- 7569, hier: S. 7546 Fn. 1. 91 Federal Register Bd. 39, S. 7545, Sp. 2 f. "Though it is weil established that American Courts will not order a person to disclose documents or other information located in a foreign jurisdiction that forbids such disclosure, the reason behind that rule is to avoid a conflict of laws, and is not applicable here. EPA will not attempt to make any inspections which it has been informed that local law forbids. However, if local law makes it impossible to do what is necessary to ensure the accuracy of data generated at a facility or the conformity to design requirements of cars produced at it, no informed judgement that a car is certifiable or covered by a certificate can properly be made. It is the responsibility of the manufacturer to locate his testing and production facilities in jurisdictions where this situation will not arise." 87

88

5 Nordmann

66

3. Teil: Beschaffung von Beweismitteln durch Beauftragte

" ... to condition the certificate of conformity on consent to such inspections would not involve any extraterritorial extension of judicial authority. It would simply set conditions under which goods may be imported into this country, an exercise of the commerce power clearly justified both under the Constitution and under usual concepts of private international law"92,

Gegen diese Verordnung der EPA lassen sich gewiß heftige Bedenken völkerrechtlicher Natur geltend machen. Jeder Protest verstummt aber spätestens dann, wenn von amerikanischer Seite mit dem Ausdruck des Bedauerns darauf hingewiesen wird, daß bei Ausbleiben der Zustimmung zu Besuchen der EPA-inspectors natürlich die Genehmigung nicht erteilt werden könne- eine Haltung, die die Vereinigten Staaten sich aus der starken Position des Käufermarktes erlauben können. Die Regierungen der Staaten, in denen ausländische Lieferanten produzieren, werden deshalb im Ergebnis den Inspektionen zustimmen. Bemerkenswert ist, daß die interessierten Wirtschaftskreise die zuständigen staatlichen Stellen der Bundesrepublik noch nicht einmal dafür haben erwärmen können, auf diplomatischem Wege Mißbehagen über die EPA-Verordnung zum Ausdruck zu bringen. Das macht deutlich, daß der Staat nur geringes Interesse an den Maßnahmen amerikanischer Beamter auf deutschem Boden hat. Darin zeichnet sich eine pragmatische Haltung ab, die auf der Einsicht in die Erfordernisse des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs beruht.

92 Federal Register Bd. 39, S. 7546, Sp. 3, Fn. 1 a. E.

4. TEIL

Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland unter Sanktionsandrohung A. Notwendige und überflüssige Unterscheidungen I. Anforderung von Dokumenten und Anforderung von Informationen

Neben die im Ausland an Ort und Stelle vorgenommene Beschaffung von Beweismitteln tritt als verfeinertes Verfahren die Aufforderung an einen In- oder Ausländer, Beweismittel aus dem Ausland bei einer inländischen Stelle vorzulegen. Dabei kann sich die Aufforderung entweder darauf beziehen, bereits vorhandene Dokumente wie etwa Geschäftsbücher oder schriftlich fixierte Verträge zu übermitteln oder aber Informationen gerade zum Zwecke der Übermittlung zusammenzustellen und möglicherweise in schriftlicher Form vorzulegen. Zwischen diesen beiden Varianten besteht kein völkerrechtlich erheblicher Unterschied. Zwar kann im zweiten Falle die Übermittlung z. B. auch per Fernschreiber erfolgen. Dann verläßt kein körperlich existierender Gegenstand das Gebiet des Staates, in dem der Adressat der Vorlageverfügung sich aufhält. Im ersten Falle dagegen beansprucht der anfordernde Staat Zuständigkeit hinsichtlich einer Sache, die sich im Gebiet des anderen Staates befindet und damit dessen Gebietshoheit unterliegt. Hier sticht die völkerrechtliche Problematik zwar deutlicher ins Auge. Sie besteht jedoch in beiden Fällen gleichermaßen, nämlich darin, daß staatliche Stellen von einer natürlichen oder juristischen Person ein Tun oder Unterlassen im Ausland fordern. Dieser Aspekt ist allen hier zu erörternden Beispielen gemeinsam. Wenn bereits existierende Dokumente angefordert werden, so ergibt sich allerdings u. U. eher ein zusätzliches Problem daraus, daß das Recht des Staates, in dem sie sich befinden, der Übermittlung entgegensteht. Zu denken ist dabei z. B. an steuerrechtliche Vorschriften, die die ständige Bereithaltung von Unterlagen an einem bestimmten Ort zur jederzeitigen Einsichtnahme durch die Behörden vorschreiben. Davon wird unten1 noch zu handeln sein. 1

4. Teil, H. V. und 5. Teil, A. II. 3.

68

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung II. Arten der anfordernden Stellen und Rechtsnatur der innerstaatlichen Ermächtigungsgrundlagen

Auch einige für das innerstaatliche Recht wichtige Unterschiede spielen auf der Ebene des Völkerrechts keine Rolle: die Anforderung im Ausland befindlicher Dokumente insbesondere durch amerikanische Stellen ist nicht auf bestimmte Behörden, Rechtsgebiete oder Adressatenkreise beschränkt. Sie wird von Gerichten, Grand Juries2 und Verwaltungsbehörden3 praktiziert. Eine dementsprechende Differenzierung der völkerrechtlichen Würdigung ist jedoch nicht geboten, da diese Stellen völkerrechtlich ausnahmslos als Organe eines Staates anzusehen sind und ihr Verhalten diesem zuzurechnen ist. Völkerrechtlich kommt es nur auf das Verhalten des Völkerrechtssubjekts an. Materiell-rechtliche Grundlagen der Anforderung sind u. a. das Kartellrecht\ das Konkursrecht5 , das Recht der Bankenaufsicht6 , das Steuerrecht7 und das Seeschiffahrtsrecht8 • Auch hinsichtlich der materiellen Rechtsgebiete, die zur Anwendung des Verfahrensrechts Anlaß geben, ist eine völkerrechtliche Unterscheidung grundsätzlich nicht notwendig. Vom Völkerrecht werden diese Rechtsmaterien als einheitliches System des innerstaatlichen Rechts behandelt.

2 Eine Grand Jury ist eine Gruppe von 12 - 23 Personen aus der Bevölkerung, die von einem Gericht ausgewählt, berufen und vereidigt werden. Sie hat die Aufgabe, hinsichtlich strafrechtlich relevanter Delikte, zu deren Verhandlung das betreffende Gericht örtlich und sachlich zuständig ist, Ermittlungen anzustellen und ggfs. Anklagen zu erarbeiten. In der Grand Jury findet eine dem deutschen Recht unbekannte Beteiligung von Geschworenen bereits im Ermittlungsverfahren statt; sie steht als Bestandteil der Exekutive neben der Staatsanwaltschaft. Grand Juries sind in der Regel befugt, zur Zitierung von Zeugen und Beschaffung von Beweismitteln subpoenas zu erlassen. - Ausführlich hierzu American Jurisprudence, Bd. 34, S. 831 - 868 (Pocket Part 1947), S. 59- 64; Corpus Juris Secundum, Bd. 38, S. 979- 1065 (Pocket Part 1973, S. 177 - 210). 3 Auch Anforderungen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind denkbar, soweit ersichtlich jedoch bisher nicht praktisch geworden. 4 z. B. in re Grand Jury Investigations of World Arrangements with Relation to the Production, Transportation, Refining and Distribution of Petroleum, 12 F. R. D. 280 (D. C. D. C. 1952). 5 In re Harris, 27 F. Supp. 480 (D. C. S. D. N. Y. 1959); in the Matter of Equitable Plan Company, 185 F . Supp. 57 (D. C. S. D. N. Y. 1960, modifiziert sub nom. Ings v. Ferguson, 282 F. 2d 149 (2d Cir. 1960). 6 Securities and Exchange Commission v. Minas de Artemisa, S. A., 150 F. 2d 215 (9th Cir. 1945). 7 First National City-Bank v. Interna! Revenue Service, 271 F. 2d 616 (2nd Cir. 1959). 8 Insbesondere die wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften dieses Wirtschaftszweiges, in re Grand Jury Investigation of the Shipping Industry, 186 F. Supp. 298 (D. C. D. C. 14. Juni 1960); Montship Lines, et. al. v. Federal Maritime Board, 295 F. 2d 147 (C. A. Dist. Col. 1961).

A. Notwendige und überflüssige Unterscheidungen

69

111. Natur und Intensität der Sanktionen

Zur Durchsetzung der Anforderung werden Zwangsmittel von unterschiedlicher Art und Intensität eingesetzt. Einerseits gibt es Fälle, in denen die Vorlage dem eigenen Interesse des Verpflichteten entspricht, weil er entweder einer zivilprozessualen Beweispflicht zu genügen hat oder eine öffentlich-rechtliche Genehmigung erwirken bzw. deren Verlust vermeiden will. Man kann hier von einer Obliegenheit sprechen9 • Dem steht die Gruppe der Fälle gegenüber, in denen Verwaltungsbehörden im Verwaltungsverfahren bzw. Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte im Rahmen von Strafverfahren Vorlageverfügungen erlassen, für deren Durchsetzung das innerstaatliche Recht meist Strafsanktionen zur Verfügung stellt. In diesem Bereich sind besonders solche Stellen hervorgetreten, denen Aufgaben der Überwachung und Lenkung des Wirtschaftslebens insgesamt oder einzelner seiner Zweige obliegen. Aber auch in gerichtlichen und gerichtsähnlichen Verfahren, die vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht werden, kommt es in erheblichem Umfange zur Anforderung von Unterlagen als Beweismittel. Von diesen sanktionsbewehrten Vorlageverfügungen wird im gegenwärtigen Teil gehandelt. IV. Fehlen einschlägiger wissenschaftlicher Arbeiten

Die Suche nach völkerrechtlichen Grenzen der Anforderung im Ausland befindlicher Dokumente kann sich kaum auf spezielle wissenschaftliche Vorarbeiten stützen. Die Lehrbücher haben die Problematik entweder gar nicht oder nur am Rande zur Kenntnis genommen10• In verschiedenen Aufsätzen mit allgemeinerer Themenstellung ist die Frage zumindest aufgeworfen11 . Das Ergebnis der Auswertung der Spezialliteratur ist dürftig. Teils geben diese Beiträge nur einen ÜberDazu unten 5. Teil. BrownHe, Principles of International Law, läßt die Problematik in der 1. Aufl. (1966) ausdrücklich aus, S. 261; die 2. Aufl. (1972) spricht das Thema unter der überschrift "Extraterritorial Enforcement Measures" kurz an, S. 300; O'Connell, International Law, Bd. II, S. 896, beschränkt sich auf die Aussage, daß die (amerikanischen) Gerichte künftig Unterscheidungskriterien werden finden müssen. 11 Kaiser, Internationale und nationale Zuständigkeit im Völkerrecht der Gegenwart, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Heft 7 (1967), S. 1-25, hier: S. 15, erwähnt die amerikanische Praxis, ohne einen Lösungsweg vorzuschlagen; Verzijl, The Controversy Regarding the So-Called Extraterritorial Effect of the American Antitrust Laws, Nederlands Tijdschrift for Internationaal Recht 8 (1961), S. 3-30, hier: S. 10 f. meint, daß die Anforderung u. U. das Rechtsmißbrauchsverbot oder die Domestic Jurisdiction des Staates, in dem sich die Dokumente befinden, verletzen könne; am verläßlichsten sind die Ausführungen von Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 154158, mit Leitsätzen. 9

10

70

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

blick über die Lage nach amerikanischem innerstaatlichem Recht - gelegentlich mit Hinweisen auf entgegenstehendes ausländisches Recht1 2 -, teils enthalten sie knappe völkerrechtliche Hinweise13 . Den fundiertesten einschlägigen Aufsatz hat Onkelinx14 vorgelegt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt jedoch auf der Zusammenstellung der von den amerikanischen Gerichten selbst angenommenen Grenzen der Jurisdiktionsausübung. Besonderer Erwähnung bedarf die Monographie von Meessen über die Zuständigkeit zum Erlaß kartellrechtlicher Hoheitsakte15. Ermittlungshandlungen stehen dort freilich nicht im Vordergrund. B. Die abstrakt-generellen innerstaatlichen Rechtsgrundlagen der Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland

Einleitend soll ein kurzer Überblick über die internen abstrakt-generellen Regeln einiger Völkerrechtssubjekte gegeben werden, die die Grundlage der Anforderung von Dokumenten darstellen. Im Vordergrund steht dabei die Rechtsordnung der Vereinigten Staaten, deren Staatspraxis in erster Linie die vorliegend zu erörternden völkerrechtlichen Fragen aufgeworfen hat. Nach einer Gegenüberstellung des Rechts der Bundesrepublik schließt sich ein Hinweis auf die Rechtslage in den Europäischen Gemeinschaften an. 12 Comment, Ordering Production of Documents from Abroad in Violation of Foreign Law, 31 Univ. Chicago L. Rev. (1963/64), S. 791 - 810; Edwards, Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters, 18 Int. Comp. L. Q. 4th series (1969), S. 646 - 651; Emmerglich, Antitrust Jurisdiction and Production of Documents Located Abroad, Record, Association of the Bar of the City of New York, March 1956, Vol. IV, No. 3, S. 122- 134; Gill, Problems of Foreign Discovery, in: Brewster, Antitrust and American Business Abroad, S. 474- 488 ; Roth, Subpoena of Documents Located in Foreign Jurisdiction where Law of Situs Prohibits Removal, 37 N. Y. Univ. L. Rev. (1962), S. 295 - 305. 13 Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, S. 191 ff.; die Note, Limitations of the Federal Judicial Power to Compel Acts Violating Foreign Law, 63 Col. L. Rev. (1963), S. 1441- 1495, enthält auf S. 1473- 1480 völkerrechtliche Überlegungen, ohne aber speziell auf die Anforderung von Dokumenten aus dem Ausland einzugehen; Tercier, Die Herausgabe im Ausland belegeuer Dokumente in der amerikanischen Rechtsprechung, RabelsZ 36 (1972), S. 341-353, hier: S. 344, beschränkt sich auf die These, die Auffassung der amerikanischen Praxis zur Anforderung von Dokumenten aus dem Ausland verstoße "insgesamt gegen den allgemein anerkannten Grundsatz des internationalen Rechts, daß ein Staat seine Jurisdiction lediglich innerhalb seiner Grenzen ausüben kann"; vgl. auch v. Hülsen, Vorlage von Dokumenten und Zeugenvernehmungen für US-Zivilprozesse, A WD 1974, S. 315 - 321. 14 Conflict of International Jurisdiction: Ordering the Production of Documents in Violation of the Law of the Situs, 64 Northwestern Univ. L. Rev. (1969/70), S. 487 - 533. 15 Völkerrechtliche Grundsätze des Internationalen Kartellrechts.

B. Innerstaatliche Rechtsgrundlagen

71

I. Vereinigte Staaten: das Rechtsinstitut der subpoena18

Für die Anforderung von Dokumenten zu Tatsachenermittlungen spielt im Recht der Vereinigten Staaten das Institut der subpoena eine zentrale Rolle. Das macht es erforderlich, diese dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis unbekannte Figur näher zu beleuchten. Die subpoena ad testificandum17 ist ein Mittel zur Sicherstellung des persönlichen Erscheinens von Zeugen vor Gericht. Demgegenüber dient die subpoena duces tecum18 dazu, die Beibringung von Beweismaterial zu erzwingen. Bundesgerichte sind im Zivilverfahren zum Erlaß von subpoenas duces tecum gemäß Rule 45 (b) der Federal Rules of Civil Procedure19 ermächtigt. Für das Strafverfahren gilt Rule 17 (e) (2) der Federal Rules of Criminal Procedure20• Diese Vorschrift ist hier deshalb von Bedeutung, weil Verstöße gegen das allgemeine Kartellrecht der Vereinigten Staaten grundsätzlich nicht wie in den meisten anderen Staaten von einer besonderen, dazu berufenen Verwaltungsbehörde verfolgt werden21 • Diese Aufgabe obliegt, da Verstöße gegen das Kartellrecht als Vergehen (misdemeanour) echte Kriminaldelikte sind, der Staatsanwaltschaft, die Strafverfahrensrecht anzuwenden hat. Aber auch ohne ausdrückliche Ermächtigung können von Gerichten subpoenas erlassen werden, denn "der Supreme Court und alle durch 18 Zum englischen Recht siehe The Supreme Court Practice 1973, Part 1, Order 38, 14-19, Jones, Service and Evidence Abroad under English Civil Procedure, A Symposium. 29 Geo. Washington L. Rev. (1961), S. 495 - 538. Darin Harwood, The Rules of the Supreme Court, S. 497-509, hier: S. 502 ff.; Lord Dunboyne, daselbst, In Particular Countries, S. 509 - 519. Zur Beweiserhebung in Großbritannien Miller, International Judicial Assistance in Civil Cases, 9 A. J. Comp. L. (1960), S. 680- 687. 17 Dazu Corpus Juris Secundum, § 19 (S. 368): "A person served with a subpoena is bound to obey it, and appear in court; but a witness is not punishable for failure to attend in obedience to a subpoena where it is served so late that sufficient time to comply with it is not afforded him." 18 Dazu Corpus Juris Secund um, § 25 (S. 376): "A subpoena duces tecum is a process or writ whereby a court, at the instance of a suitor, commands a person who has in bis possession or control some book or paper which is pertinent to the issues of the pending controversy to attend and produce it for use at the trial; and such a subpoena is the usual and ordinarily proper way of compelling the production of books or papers in a proceeding." 19 28 U. S. C. A. Rule 45. 20 18 u. S. C. A. Rule 17. 21 Zur extraterritorialen Anwendbarkeit englischen Kartellrechts Lever, The Extra-Territorial Jurisdiction of the Restrictive Practices Court, Int. Comp. L. Q. Supplement No. 6 (1963), S. 117-130. Zum kanadischen Kartellrecht Hansard, U. S. Antitrust Process Beyond Our Borders: Jurisdiction and Comity. C. C. H. Antitrust Law Symposium 1953, Proceedings, N. Y. State Bar Association, Section on Antitrust Law, 5th Annual Meeting Chicago 1953, S. 44-55, hier: S. 51 f.

72

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Act of Congress errichteten Gerichte dürfen alle Anordnungen treffen (issue all writs), die zur Ausübung ihrer jeweiligen Gerichtsbarkeit notwendig oder geeignet sind und die mit den Bräuchen und Prinzipien des Rechts übereinstimmen"22, Durch eine Novelle aus dem Jahre 1961 wurde eine klare Regelung auch für subpoenas gegen sich im Ausland aufhaltende Staatsangehörige oder Einwohner der Vereinigten Staaten getroffen23 • Vorher hatten ausdrückliche Vorschriften für die Beschaffung von Beweismaterial aus dem Ausland nicht bestanden24 • Die neugefaßte Vorschrift besagt u. a., daß jedes Gericht der Vereinigten Staaten von dem bezeichneten Personenkreis die Übermittlung von Dokumenten auch aus dem Ausland verlangen kann25 • Eine entsprechende Vorschrift für sich im Ausland aufhaltende Ausländer, hinsichtlich deren amerikanische Stellen aus dem einen oder anderen Grund Zuständigkeit beanspruchen, scheint nicht zu bestehen. Der Erlaß von subpoenas durch Verwaltungsbehörden und deren Organe bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung26 • Ermächtigungen finden sich in einzelnen Gesetzen27, nicht in einer Generalklausel. So sind nach dem Securities Act von 1933 die Mitglieder der Securities and Exchange Commission oder von diesen dazu bestimmte Beamte ermächtigt, Zeugen zu zitieren und die Vorlage von Büchern, Akten und Dokumenten zu verlangen28• Das gleiche Recht hat die Federal Maritime Commission nach dem Shipping Act von 191629 • Verwaltungsbehörden können Maßnahmen zur Vollstreckung der von ihnen erlassenen subpeonas nicht selbst durchführen. Sie müssen sich, wenn den in einer subpoena enthaltenen Anordnungen nicht nachgekommen wird, an ein Gericht wenden, um Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen zu lassen. Unentschuldigtes Nichterfüllen der in einer gerichtlichen subpoena enthaltenen Anordnungen stellt contempt of court dar30 und zieht ein 28 u. s. c. A. 1651. 28 U. S. C. A. 1783; Whiteman, Digest Bd. VI, S. 160 ff. 24 Smit, International Aspects of Federal Civil Procedure, 61 Col. L. Rev. (1961), S. 1031 - 1072, hier: S. 1052. 25 Vgl. "Judicial Procedure in Litigation with International Aspects", S. Rept. 1580, 88th Congress, 2nd Sesssion, Sept. 15, 1964. Auszug (pp. 9 -10) in: Whiteman, Digest Bd. VI, S. 161 f. 26 42 American Jurisprudence 415, § 88; 97 Corpus Juris Secundum 377 f., 425. 27 42 American Jurisprudence 416, § 89. 28 15 U. S. C. A. 77 s (b), 77 uuu (a), 78 a (b), 79 r (c), 80 a- 41 (b), 80 b- 9 (b). 29 U. S. C. A. § 826. 30 Rule 45 (f), Federal Rules of Civil Procedure, 28 U. S. C. A. Rules 43 - 51; 12 American Jurisprudence 398, § 14; 97 Corpus Juris Secundum 399-413 22

23

B. Innerstaatliche Rechtsgrundlagen

73

entsprechendes Verfahren nach sich, in dem Kriminalstrafen verhängt werden können. Wenn subpoenas gegen Personen erlassen werden, die sich im Ausland befinden, können sie nach "Notice of Hearing" durch Einziehung und Veräußerung in den Vereinigten Staaten befindlichen Vermögens erzwungen werden31 • Das Institut der discovery order ist bereits oben32 im Zusammenhang mit dem Fall Gordon ./. Volkswagenwerk AG erörtert worden. 11. Bundesrepublik Deutschland

1. Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen Das Recht der Bundesrepublik kennt verschiedene materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen auf Übermittlung von Dokumenten, so z. B. §§ 371, 402, 716, 810 BGB und §§ 118, 157 HGB. Die Durchsetzung richtet sich nach § 422 ZPO. Da die Rechtsgrundlage des Übermittlungsverlangens in diesen Fällen im Bereich des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts liegt und die fraglichen Unterlagen i. d. R. nicht unmittelbar zu Ermittlungen im Rahmen eines Verfahrens dienen, können diese Vorschriften hier außer Betracht bleiben. 2. Zivilprozeßrecht

a) Auslandszustellungen Im Rahmen von Ermittlungen etwa erforderlich werdende Zustellungen, die völkerrechtlich wieder ein Problem eigener Art darstellen, regelt § 199 ZPO. Sie sind danach mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder des in diesem Staate residierenden Konsuls oder Gesandten des Bundes zu bewirken. b) Anordnung der Aktenvorlage Gern. § 142 ZPO kann das Gericht anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden und eine Reihe anderer im einzelnen bezeichneter Unterlagen vorzulegen hat. Die gleiche Regelung trifft§ 143 ZPO für die Handakten der Parteien33• Voraussetzung dafür (§§ 27, 28); Entschuldigungsgründe siehe Rule 17 (g), Federal Rules of Criminal Procedure, 28 U. S. C. A. 1784; 58 American Jurisprudence 37. at 58 American Jurisprudence, S. 30 - 35, §§ 13- 19. s2 s. o. 3. Teil, A. I. 6. 33 Wieczorek, Zivilprozeßordnung, Bd. I Teil 2, Anm. A. zu § 143.

74

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

ist jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes, daß die Partei sich selbst auf das betreffende Dokument bezogen hat. Die Vorlegung dient also der Untersuchung des eigenen, nicht des gegnerischen Parteivortrages. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur discovery order. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, daß die Nichterfüllung einer Vorlageabordnung nicht mit Strafsanktionen geahndet werden kann. c) Beweiserhebung im Ausland

Soweit Tatsachen im Streit liegen, auf die es für die Entscheidung ankommt, entscheidet das Gericht durch Beweisbeschluß gern. § 358 ZPO, wer welche Tatsachen auf welche Weise zu beweisen hat. Dabei ist es jedoch- das folgt aus der Parteimaxime- an die Beweisantritte der beweispflichtigen Partei gebunden. Die Ermittlungen im Ausland hat die Zivilprozeßordnung in dem Titel "Allgemeine Vorschriften über die Beweisaufnahme" geregelt. Wenn eine Beweisaufnahme im Ausland erfolgen soll, dann hat das Gericht die zuständige Behörde darum zu ersuchen,§ 363 ZP034 • Damit ist aber die Anforderung im Ausland befindlicher Beweismittel nicht ausgeschlossen. Sie kann jedoch nur aufgrund eines Beweisantrages derjenigen Partei in Frage kommen, die die Verfügungsgewalt über die Beweismittel hat.

3. Strafprozeßrecht Nach§ 94 StPO sind Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung dienen können, sicherzustellen. Wie das zu geschehen hat, ist im einzelnen nicht geregelt. Die Sicherstellung kann daher nach allgemeiner Meinung auf jede zweckdienliche Weise erfolgen. Es ist durchaus naheliegend, zunächst den Besitzer zur Übermittlung der Sache aufzufordern35• Bei fehlender Herausgabebereitschaft können die angeforderten Gegenstände gern. §§ 94 Abs. 1, 98 StPO beschlagnamt werden, gleich, ob sie sich im Gewahrsam eines Beschuldigten oder eines Zeugen befinden. Ist der Besitzer gern. § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe verpflichtet, so kann durch Verhängung einer Ordnungsstrafe oder Androhung von Beugehaft durch richterliche Anordnung Zwang ausgeübt werden, §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1, 3 StPO. Diese Regeu Die Einzelheiten ergeben sich aus §§ 1 - 3 des Ausführungsgesetzes zum Haager übereinkommen über den Zivilprozeß (vgl. oben 2. Teil B. II. 2. b) Fn. 31), BGBI 1958 I, S. 939. Für im Ausland zu bewirkende Zustellungen trifft § 199 ZPO eine entsprechende Regelung. Siehe im einzelnen die (in Bund und Ländern einheitliche) Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) V.

19. 10. 1956.

ss Ausnahmen bestehen für Zeugen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, § 95 Abs. 2 S. 2 StPO, und den Beschuldigten.

B. Innerstaatliche Rechtsgrundlagen

75

lung entspricht unter den Verfahrensvorschriften des deutschen Rechts am ehesten dem anglo-amerikanischen Institut der subpoena duces tecum. Dem Wortlaut nach besteht keine Beschränkung auf Beweisgegenstände, die sich im Territorium der Bundesrepublik befinden.

4. Verwaltungsstreitverfahren Gern. § 86 VwGO haben die Verwaltungsgerichte jeden Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dabei können sie sich der Rechtshilfe anderer Gerichte und Behörden bedienen. Über die Art und Weise, wie dabei die Ermittlungen anzustellen sind, sagt die VwGO nichts aus. Daher ist insoweit gern. § 173 VwGO auf die ZPO zurückzugreifen. 5. Verwaltungsverfahren

Mangels eines bundeseinheitlichen Verwaltungsverfahrensgesetzes35"' gibt es auch keine kodifizierten allgemeinen Regeln darüber, wie Verwaltungsbehörden Ermittlungen durchführen und insbesondere Beweismittel beschaffen können36• Vorschriften über die Beschaffung von Beweismitteln ergeben sich jedoch aus einzelnen Gesetzen. Als Beispiel sei hier das GWB herangezogen. Die Kartellbehörde kann zunächst von Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen gern.§ 46 Abs. 1 GWB Auskünfte verlangen. Sie kann außerdem Unterlagen einsehen und prüfen. In der Pflicht zur Duldung von Untersuchungen und zur Erteilung von Auskunft erschöpfen sich die Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörde. Die zur Beweisführung oftmals besonders geeignete Aufforderung, Originaldokumente wie etwa Protokolle über Absprachen vorzulegen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Da sie jedoch gegenüber der Beschlagnahme ein Minus darstellt, ist nicht einzusehen, waum sie unzulässig sein sollte. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 39 Abs. 1 Nr.1 GWB. Die Erzwingung der Pflichten richtet sich nach § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GWB. Danach können die Nichterteilung von Auskünften, die 35a Nach Beendigung des Manuskripts der vorliegenden Arbeit wurde am 25. 5. 1976 das Verwaltungsverfahrensgesetz verabschiedet, das am 1. 1. 1977 in Kraft getreten ist. § 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sieht vor, daß eine Behörde sich der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Insbesondere ist verwiesen auf Einholung von Auskünften, Anhörung von Beteiligten, Zeugen und Sachverständigen, Beiziehung von Urkunden und Akten und Einnahme des Augenscheins. Die Art der Beweismittel und die Methode ihrer Beschaffung ist allerdings nicht im entferntesten so ausführlich geregelt wie z. B. in der Zivilprozeßordnung. 38 Eingehend dazu Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, S. 378- 396, der die völkerrechtlichen Aspekte auch andeutet.

76

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Nichtvorlage von Unterlagen oder die Verweigerung der Duldung von Prüfungen als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet werden. Im Wortlaut des GWB gibt es nichts, was die Anwendung dieser Ermittlungsbefugnisse auf im Ausland befindliche Beweismittel als unzulässig erscheinen lassen würde. Zumal wenn man den extraterritorialen Geltungsanspruch des § 98 Abs. 2 GWB 37 in Betracht zieht, ist somit die Durchführung von Auslandsermittlungen nicht schon nach dem Buchstaben internen Rechts ausgeschlossen. Zahlreiche Vorschriften zur Vorlage von Dokumenten gibt es für das Steuerermittlungsverfahren. Nach § 204 AO hat das Finanzamt die steuerpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer wesentlich sind. Dazu sind gern. § 172 AO Aufzeichnungen, Bücher und Geschäftspapiere sowie Urkunden, die für die Festsetzung der Steuer von Bedeutung sind, auf Verlangen zur Einsichtnahme und Prüfung vorzulegen. Diese Pflicht trifft gern. § 204 Abs. 2 AO Personen, die im Inland einen Wohnsitz haben oder sich dauernd oder vorübergehend im Inland aufhalten38• 111. Das Verfahren der Europäischen Kommission in Wettbewerbssachen

Interessant ist ein kurzer Blick auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften. Nach§ 11 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zu den Art. 85 und 86 des EWG-Vertrages (VO Nr. 17) 39 sind die Regierungen und zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie Unternehmen und Unternehmensvereinigungen gegenüber der Kommission auskunftspflichtig, wenn diese in Erfüllung der Aufgaben tätig wird, die ihr im Bereich des Wettbewerbsrechts übertragen sind40 • Nach einem ergebnislos gestellten Auskunftsverlangen ist gern. Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 17 eine Auskunftsentscheidung der Kommission möglich. Die Entscheidung enthält die Androhung von Sanktionen. 37 Die bisherige Anwendung dieser Vorschrift erörtert Meessen , Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 126 - 133. Siehe auch Schapir o, The German Law Against Restraints of Competition Comparative and International Aspects, 62 Col. L. Rev. (1962), S. 1 - 48 und S. 201-256, hier: S. 237 ff. Seidl-Hohenveldern, Völkerrechtliche Erwägungen zum Deutschen Internationalen Kartellrecht, AWD 1963, S. 73 - 75. 38 Die Frage möglicher völkerrechtlicher Grenzen findet in den gebräuchlichen Kommentaren keine Berücksichtigung, vgl. Kühn I Kutter, Abgabenordnung, Anm. 1- 6 zu§ 204; Becker I Riewald I Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentierung zu§ 204; Tipke I Kruse, Kommentierung zu§ 204 AO. 39 Amtsblatt der EG 1962, S. 204; Sartorius li, Europarecht und internationale Verträge (Loseblattsammlung), S. 165. 40 Dazu Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 594 ff.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

77

Auch die Art. 85 und 86 EWG-Vertrag sind nach internem Gemeinschaftsrecht auf extraterritoriale Sachverhalte anwendbar41 • Im Hinblick darauf erscheint es möglich, daß Auskunftsverlangen an Personen gerichtet werden, die in Drittstaaten ansässig sind42 • IV. Unzweckmäßigkeit der Prüfung abstrakt-genereller Normen

Es fragt sich indessen, ob es sinnvoll ist, an die bloß abstrakte Möglichkeit der Anforderung von Dokumenten aus dem Ausland Überlegungen hinsichtlich der völkerrechtlichen Grenzen anzuknüpfen. Gewiß wirft schon die Verabschiedung und das Bestehen eines Gesetzes völkerrechtliche Fragen jedenfalls dann auf, wenn die Möglichkeit der Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland ausdrücklich vorgesehen ist43 • Zu praktisch relevanten Konflikten wird es aber erst durch die konkretisierende Anwendung der Normen kommen. Die Erörterung völkerrechtlicher Schranken soll daher erst daran anknüpfen. In dem Zusammenhang werden sich dann interessante Schlüsse aus dem Verhältnis von nach innerstaatlichem Recht theoretisch Möglichem und praktisch Durchgeführtem ergeben.

C. Die Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln aus dem Ausland unter dem Gesichtspunkt der Jurisdiktion I. Zum Begriff der Jurisdiktion: Inhalt, Bedeutung und Anwendbarkeit

1. Methodischer Ansatz der Untersuchung Die nachfolgende Darstellung verfolgt das Ziel, das einschlägige Fallmaterial vorzustellen. Die Mitteilung von Beispielsfällen ist eingebunden in die Erörterung der jurisdiktionellen Verknüpfung zwischen anforderndem Staat und angefordertem Gegenstand bzw. Anforderungs41 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 134 -143; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 157 f.; SeidlHohenveldern, Kartellbekämpfung im Gemeinsamen Markt und das Völkerrecht, AWD 1960, S. 225- 233; v. Stoephasius, Anwendung des Europäischen Kartellrechts auf Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, Göttinger Diss. 1971, s. 11 ff., 32 ff. 42 Dazu Deringer, The Common Market Competition Rules with Particular Reference to Non-Member-Countries 12 Int. Comp. L. Q. 4th series (1963), S. 582- 590; Nebolsine, Foreign Enterprises Under the Common Market Antitrust Rules, 38 N. Y. Univ. L. Rev. (1963), S. 479-495, hier: S. 480 f. 43 Zweifelhaft ist demnach, ob nur die Vollzugsgewalt, nicht aber die Befehlsgewalt völkerrechtlich erheblich ist; so K elsen, General Theory of Law and State, S. 211; Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, S. 274 f.

78

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

adressaten. Die Völkerrechtsmäßigkeit staatlichen Handeins hängt zuerst davon ab, ob hinsichtlich der getroffenen Maßnahmen Zuständigkeit bestand. Erst wenn das bejaht worden ist, kann überprüft werden, ob diese Zuständigkeit Grenzen vertraglicher oder sonstiger Art unterliegt. Hier geht es daher zunächst um die Frage, ob Zuständigkeit begründet ist. Ob und wie die Zuständigkeit ausgeübt werden darf, wird Thema der anschließenden Abschnitte sein. 2. Definition

Mit dem Terminus Jurisdiktion wird der Umfang der Hoheitsbefugnisse bezeichnet, die den Völkerrechtssubjekten nach Völkerrecht zustehen. Der Ausdruck findet in den der deutschen Rechtssprache bekannten Wörtern Zuständigkeit, Kompetenz44 und Gerichtsbarkeit nur unvollkommene Übertragungen, die das Gemeinte nicht voll treffen. Die Verwendung dieser Begriffe ist deshalb problematisch, weil sie üblicherweise die Befugnisse einzelner Staatsorgane nach innerstaatlichem Organisations- bzw. Prozeßrecht bezeichnen. Das gleiche gilt allerdings für das Wort "jurisdiction", sofern es im innerstaatlichen Recht eines englischsprachigen Landes angewandt wird. Die Auswertung des englischsprachigen Schrifttums wird oft dadurch erschwert, daß "jurisdiction" sowohl im Sinne innerstaatlicher als auch zwischenstaatlicher Zuständigkeit verwendet wird45 • Was die völkerrechtliche Jurisdiktion bzw. jurisdiction betrifft, so basiert sie auf der Souveränität des Staates. Der Inhalt des Begriffs läßt sich am anschaulichsten anhand der Drei-Elementen-Lehre verdeutlichen: Jurisdiktion46 ist die Gesamtheit der Befugnisse, die der Staatsgewalt in Bezug auf Staatsgebiet und Staatsvolk zustehen. Das amerikanische Restatement of the Foreign Relations Law of the United States, § 6, definiert: "Jurisdiction ... means the capacity of a state under internationallaw to prescribe or enforce a rule of law47."

44 Beispielsweise Berber, Völkerrecht Bd. I, S. 296, 352 verwendet diesen Ausdruck. 45 Vgl. Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147-175, hier: S. 148, Fn. 1. 40 Zu dem Begriff Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1 -162, hier: S. 16; Mosler I Bräutigam, Staatliche Zuständigkeit, WVR III, S. 317- 323; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S. 38, spricht anschaulich von "Gesamtkompetenz im weiteren Sinne". 41 Die Restatements sind systematische Zusammenstellungen des geltenden Case Law, die auf Initiative des privaten American Law Institute jeweils von angesehenen Fachgelehrten erarbeitet werden, vgl. Blumenwitz, Einführung in das Anglo-Amerikanische Recht, S. 51.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

79

3. Fehlen eines Anknüpfungsmerkmals als völkerrechtliche Verbotsnorm?

Es ist in Staatenpraxis, Schrifttum und Rechtsprechung stets unstreitig gewesen, daß Jurisdiktion hinsichtlich von Personen, Handlungen oder Gegenständen fehlt, wenn keinerlei sinnvolle Verbindung zwischen dem Kompetenz beanspruchenden Staat und dem zu regelnden Sachverhalt besteht48 • Derartige Fälle sind im vorliegenden Zusammenhang kaum praktisch geworden. Es ist auch unwahrscheinlich, daß das je in erheblichem Umfang geschehen wird: denn ein Staat wird kaum ein mit Personal- und Sachaufwendungen verbundenes Verfahren einleiten, wenn weder der zu erhellende Sachverhalt noch die darauf bezüglichen Beweismittel eine erkennbare Verbindung zu ihm aufweisen. Das Bestehen von Jurisdiktion wird üblicherweise anhand von Kriterien überprüft, die man häufig als Anknüpfungsmerkmale bezeichnet. Die größte praktische Bedeutung haben das Territorialprinzip und das Personalprinzip erlangt. Wenn die Voraussetzungen eines der Anknüpfungskriterien vorliegen, ist zweifelsfrei Jurisdiktion begründet. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen zwar eines der anerkannten Anknüpfungsmerkmale nicht vorliegt, gleichwohl aber eine irgendwie geartete sinnvolle Verbindung zwischen dem Jurisdiktion beanspruchenden Staat und dem zu regelndem Sachverhalt besteht. Dann erhebt sich die sehr umstrittene Frage, ob das Fehlen aller anerkannten Jurisdiktionsprinzipien Völkerrechtswidrigkeit einer hoheitlichen Maßnahme zur Folge hat. Es geht m. a. W. darum, ob Völkerrechtssubjekte in der Entfaltung ihrer Tätigkeit grundsätzlich frei sind und allenfalls im Einzelfall konkret nachzuweisenden völkerrechtlichen Grenzen unterliegen oder ob die Völkerrechtsmäßigkeit staatlichen Handeins von der positiven Nachweisbarkeit eines Anknüpfungsprinzips abhängt. a) Die Konzeption der konkreten Schranken hoheitlichen Tätigwerdens Die im Schrifttum ganz überwiegend vertretene Ansicht geht dahin, daß Staaten bei der Entfaltung ihrer Macht in räumlicher und personeller Hinsicht im Grundsatz frei sind. Relativiert wird die Überzeugungskraft dieser "herrschenden Auffassung" allerdings dadurch, daß 48 Literatur: Brownlie, Principles of International Law, S. 261; Jeschek, Internationales Strafrecht, WVR III, S. 396-399, hier: S. 397 lk. Sp.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1- 162, hier: S. 97; Neuhaus, Internationales Zivilprozeßrecht und Internationales Privatrecht, RabelsZ 20 (1955), S. 201-269, hier: S. 214. Internationale Rechtsprechung: Hinsichtlich der Zuständigkeit über Personen vgl. die "Genuine-Link-Doktrin" des IGH im Nottebohm-Fall, ICJ Reports 1955, S. 4 ff.

80

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

zu ihren Verfechtern in erheblichem Umfang Juristen zählen, für die das Völkerrecht nur den Rang einer Hilfswissenschaft hat49 • Die Ausführungen dieser Autoren haben daher nicht den Rang von HUfsquellen zur Erkenntnis des Völkerrechts, zu denen gern. Art. 38, Nr. 1 des IGH-Statuts die Lehrmeinungen hervorragender Völkerrechtsautoren zählen. Aber auch namhafte Fachgelehrte vertreten die gleiche Ansicht50• b) Die Konzeption des positiven Titels Eine umfassende Aufarbeitung der Literatur ergibt jedoch, daß sich für die oft übersehene Gegenansicht ebenfalls eine Reihe angesehener Völkerrechtler ausgesprochen hat51 • Diese Autoren gehen davon aus, daß ein Staat Jurisdiktion bezüglich einer Person bzw. eines Sachverhalts nur dann ausüben darf, wenn ihm der Nachweis gelingt, daß die Voraussetzungen zumindest eines der anerkannten Anknüpfungsmerkmale vorliegen. 49 Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, S. 320 - 358, dazu die Besprechung von Seidl-Hohenveldern in 16 A. J. Comp. L. (1968), S. 274277; Hermanns Völkerrechtliche Grenzen für die Anwendung kartellrechtlicher Verbotsnormen, S. 13, insbes. Fn. 7; Romburger I Jenny, Internationalrechtliche Aspekte des EWG-Wettbewerbsrechts, S. 52; Rehbinder, Extraterritoriale Anwendungen des deutschen Kartellrechts, S. 53; Sandrock, Neuere Entwicklungen im Internationalen Verwaltungs-, insbesondere im Internationalen Kartellrecht, Z. vgl. RW 69 (1968), S. 1-33, hier: S. 5; so wohl auch Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 102, der unter Hinweis auf die Lotus-Entscheidung das Mißbrauchsverbot anwenden will. so Dahm, Völkerrecht Bd. 1, S. 250, 255; Herndl, Lotus-Fall, WVR II, S. 431434, hier: S. 433 lk. Sp.; Kaiser, Internationale und nationale Zuständigkeit im Völkerrecht der Gegenwart, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 7 (1967), S. 1-25, hier: S. 12; offenbar auch Oppenheim I Lauterpacht, International Law Vol. I, 8th ed., S. 333 f.; Mosler I Bräutigam, Staatliche Zuständigkeit, WVR III, S. 317 - 323, hier: S. 317 r. Sp., S. 319 lk. Sp., S. 320 lk. Sp.; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsordnung, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11 (1971), S. 7-46, hier: S. 17; wohl auch Verdross konkludent in: Völkerrecht, S. 318. A. A. noch ders., Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, S. 173, Wengler, Völkerrecht Bd. II, S. 934. 51 Jennings, General Course on Principles of International Law, Recueil des Cours 1967 II (Bd. 121), S. 323-605, hier: S. 518; Kelsen mußte mit der von ihm ursprünglich vertretenen Theorie des Strengen Monismus (Ableitung des innerstaatlichen Rechts aus dem Völkerrecht), vgl. Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts (1920), S. 146 ff. zum gleichen Ergebnis kommen (siehe Schiffer, Die Lehre vom Primat des Völkerrechts, S. 165 ff.); Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Recueil des Cours 1964 I (Bd. 111), S. 1 -162, hier : S. 10; O'Connell, International Law Vol. Il, S. 655; Frowein, Diskussionsbeitrag, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11 zum Thema: Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsordnung, S. 102 - 104.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

81

c) Stellungnahme Aus Raumgründen ist hier nicht möglich, dieser sowohl in theoretischer Hinsicht als auch wegen ihrer praktischen Konsequenzen hochinteressanten Frage so weit nachzugehen, daß eine eindeutige Entscheidung für die eine oder andere Ansicht möglich würde. Da die in der Literatur vertretenen Meinungen kaum und oft gar nicht begründet sind, wäre dies Thema dankbarer Gegenstand einer eigenständigen Arbeit. Es sei nur kurz angemerkt, daß die Gegner der Konzeption des positiven Titels sich einhellig auf die Lotus-Entscheidung des StiGH52 berufen. Dagegen ist anzuführen, daß der Wortlaut der Entscheidung nur bei oberflächlicher Lektüre so eindeutig ist, wie weithin angenommen wird. Außerdem wurde sie mit sechs gegen sechs Stimmen gefällt, wobei diejenige des Präsidenten Max Huber den Ausschlag gab- und das ist bei einer Entscheidung eines internationalen Gerichts, von der keine formell abgesicherte bindende oder rechtsbildende Wirkung ausgeht, sondern die nur durch die Überzeugungskraft ihrer Argumente wirkt, ein entscheidendes Beurteilungskriterium53• Daß es sich bei dieser Grundfrage nicht bloß um ein akademisches Gedankenspiel handelt, erhellt daraus, daß die Antwort die Funktion einer Beweislastregel hat. Die Auswirkung auf die Realisierbarkeit materiellrechtlicher Rechtspositionen liegt somit auf der Hand. Gleichwohl ist eine Entscheidung für eine der beiden einander ausschließenden Ansichten nicht sinnvoll. Das Völkerrecht ist nicht in der Lage, theoretisch für richtig erkannte Rechtssätze rigide durchzusetzen. Vielmehr hat es dann, wenn keine eindeutige Rechtslage besteht, auf einen ausgewogenen Interessenausgleich der Beteiligten Bedacht zu nehmen, will es seine Mißachtung nicht herausfordern. Kaum ein Staat wird sich damit abfinden, hinsichtlich eines Sachverhalts für unzuständig erklärt zu werden, der von ihm für wesentlich erachtete Interessen berührt. Sollte in einem solchen Falle einmal kein anerkanntes Anknüpfungsprinzip vorliegen - was allerdings höchst selten der Fall sein wird -, so wird man gleichwohl Jurisdiktion möglicherweise nicht einfach verneinen können. Denn die Anknüpfung der Zuständigkeit an Jurisdiktionsprinzipien hat einen formalen, weil im Ansatz dogmatischen Charakter. Nicht alle Rechtskreise und nicht alle Staaten sind jedoch bereit, eine dogmatische Lösung, mag sie noch so wohlgegründet sein, zu akzeptieren, wenn damit Interessengerechtigkeit hinter SystemgerechtigPCIJ Series A, No. 10; StiGH Bd. 5, S. 71. Eingehender zur Problematik der Lotus-Entscheidung Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 75. 52

53

6 Nordmann

82

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

keit zurückstehen müßte, dies um so deutlicher, je mehr die Staaten der "Dritten Welt" in der Völkerrechtsgemeinschaft aktiv werden. Das bedeutet, daß aus dem Fehlen eines Anknüpfungsprinzips jedenfalls nicht notwendig auf das Fehlen von Jurisdiktion geschlossen werden muß54•

4. Die Lösung von JurisdiktionskonfZikten 55 Ohne daß es dazu der Darlegung von Beispielsfällen bedürfte, kann aufgrund theoretischer Überlegungen bereits von einer Gemeinsamkeit aller zu erörternden Fälle ausgegangen werden. Derjenige Staat, in dem sich die angeforderten Dokumente oder die Personen befinden, die Beweismaterial übermitteln sollen, ist mit Sicherheit aufgrund seiner Gebietshoheit zuständig, die Rechtsverhältnisse der angeforderten Gegenstände und das Verhalten der verfügungsberechtigten Personen zu regeln. Aber auch der anfordernde Staat wird praktisch stets eine irgendwie geartete Verknüpfung mit dem angeforderten Gegenstand aufweisen, da er andernfalls kaum seine Herbeischaffung zu erreichen suchen würde. Stellt man für die Entscheidung über die Völkerrechtsmäßigkeit lediglich auf die Erforderlichkeit eines Titels ab, so ergibt sich folgendes Bild: Liegen die Voraussetzungen eines Titels vor, und seien sie noch so schwach, so darf die Anforderung nach beiden Ansichten ergehen, es sei denn, eine besondere Verbotsnorm steht dem entgegen. Das gilt selbst dann, wenn die sachliche Verknüpfung, auf die sich der anfordernde Staat berufen kann, wesentlich schwächer ist als diejenige des Staates, aus dem das Beweismittel beigebracht werden soll. Somit ist festzustellen, daß regelmäßig sowohl der Staat, von dem die Anforderung ausgeht, als auch derjenige, in dem das angeforderte Beweismittel sich befindet, völkerrechtlich zuständig sind. Es liegt ein Zuständigkeitskonflikt vor. Es ist unbefriedigend, bei dieser Feststellung stehenzubleiben. Um eine klare Lösung zu erhalten, müßten die Jurisdiktionskollisionen in der Weise aufgelöst werden können, daß die alleinige Zuständigkeit eines der beteiligten Staaten begründet wird. Dies könnte im Wege der Interessenahwägung geschehen. So sagt auch das Restatement, § 40 (Limitations on Exercise of Enforcement Jurisdiction): "Where two states have jurisdiction to prescribe and enforce rules of law and the rules they may prescribe require inconsistent conduct upon the 54 So im Ergebnis auch Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 79. 55 Überlegungen aus diplomatischer Sicht finden sich bei Becker, The Antitrust Laws and Relations with Foreign Nations, 40 Department of State Bulletin 272 (Feb. 23, 1959). Becker ist Legal Adviser im Department of State.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

83

part of a person, each state is required by internationallaw to consider, in good faith, moderating the exercise of its enforcement jurisdiction, in the light of such factors as (a) vital national interest of each of the states, (b) the extent and the nature of the hardship that inconsistent enforcement actions would impose upon the person, (c) the extent to which the required conduct is to take place in the territory of the other state, (d) the nationality of the person, and (e) the extent to which enforcement by action of either state can reasonably be expected to achieve compliance with the rule prescribed by that state56." Im gleichen Sinne heißt es in Art. 7 b) der New Yorker Resolution der !LA von 197257 : "In the event of there being concurrent jurisdiction of two or more states so as to create a conflict with respect to the conduct of any person each state shall, in applying its own law to conduct in another state, pay due respect to the major interests and economic policies of such other state." Die auf Wertungen angewiesene Interessenahwägung sollte indessen im Rahmen des Zuständigkeitsbegriffes, der jedenfalls nach dem hier zugrundegelegten Verständnis einen stark objektiven Charakter hat, mit größter Zurückhaltung gehandhabt werden. Aber selbst wenn man Interessengesichtspunkte ohne Vorbehalt anwendet, wird es gerade bei einer Abwägung der beteiligten Interessen meist nicht möglich sein, einen der beteiligten Staaten als ausschließlich zuständig anzusehen. Dann erhebt sich die Frage nach Inhalt und Umfang der einem völkerrechtlich zuständigen Staat zustehenden Befugnisse. Deren Bestimmung wird hier nicht als eine Frage der Zuständigkeit angesehen. Nach der hier verwendeten Bedeutung kann die Antwort auf die Zuständigkeitsfrage nur Aufschluß darüber geben, ob Jurisdiktion eines Staates begründet ist. Wie die Jurisdiktion ausgeübt werden darf, ist eine davon zu unterscheidende Frage. Sie ist zu beantworten, indem man das Verhalten des handelnden Staates an anderen Völkerrechtssätzen als denen über die Zuständigkeit mißt. Darunter sind Ge- und Verbote zu verstehen, wie z. B. das Verbot der Einmischung in fremde Angelegenheiten. Man muß sich freilich darüber im klaren sein, daß eine schematische Trennung der beiden Themenbereiche schwierig ist. 68 Dazu Metzger, The Restatement of the Foreign Relations Law of the United States : Bases and Conflicts of Jurisdiction, 41 N. Y. Univ. L. Rev. (1966), S. 7-24, hier: S. 18 ff. (conflicts of jurisdiction). 57 Abgedruckt bei Meessen, Die New Yorker Resolution der International Law Association zu den völkerrechtlichen Grundsätzen des internationalen Kartellrechts, AWD 1972, S. 560-565, hier: S. 563.

84

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Der praktische Wert des Begriffes Jurisdiktion erscheint als gering, wenn man von seiner Bejahung oder Verneinung bereits die Feststellung von Völkerrechtsmäßigkeit oder Völkerrechtswidrigkeit erwartet. Hervorragend geeignet ist er indessen, die Intensität des sachverhaltsbezogenen Interesses der beteiligten Staaten herauszuarbeiten. Damit stellt dieser Begriff ein wertvolles Hilfsmittel bei der Bewertung der völkerrechtlichen Erheblichkeit der beteiligten Interessen dar, die im Rahmen der Prüfung vertraglicher oder gewohnheitsmäßiger Rechtssätze bezüglich der Anforderung von Dokumenten relevant wird. Den Rang einer eigenständigen Ge- oder Verbotsnorm sollte man ihm jedoch sinnvollerweise nicht beilegen. 11. Ausnahmetatbestände

Ohne das Bestehen einer konkreten Verbindung zu Territorium, Volk oder Institutionen und Instituten hoheitlicher Gewalt eines Staates gelingt der positive Nachweis von Jurisdiktion nur in wenigen, eng umgrenzten Ausnahmefällen, nämlich für die "crimes under international law" wie Piraterie58 und im Anwendungsbereich des Weltrechtsprinzips. Beide spielen hier indessen zweifelsfrei keine Rolle. Es erscheint daher zumindest als sinnvolle Ausgangshypothese, daß Jurisdiktion regelmäßig eine Anknüpfung an Territorial- oder Personalhoheit des anfordernden Staates voraussetzt59•

58 Unter Piraterie sind zu privaten Zwecken ausgeübte gewalttätige Akte auf Hoher See zu verstehen, vgl. Abendroth, Piraterie, WVR II, S. 768 - 770, hier: S. 768 lk. Sp. und Berber, Völkerrecht Bd. I, S. 326. Der Pirat als "communis hostis omnium" (Berber, Völkerrecht Bd. I, S. 327) oder "hostis humani generis"; Brownlie, Principles of International Law, S. 213; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147-175, hier: S. 156; ders., General Course on Principles of Public International Law, Recueil des Cours 1967 II (Bd. 121), S. 323-605, hier: S. 515, ist vogelfrei : "Piracy, by law of nations, in its jurisdictional aspects is sui generis ... (The pirate is) hostis humani generis whom any nation may in the interest of all capture and punish" (Richter J. B. Moore in seiner Separate Opinion im Lotus-Fall, PCIJ Ser. A. No. 10 (1927), S. 70. Ebenso Art. 19 der Genfer Konvention über die Hohe See von 1958 (UNTS Bd. 450, S. 82; Berber, Dokumentensammlung Bd. I, S. 1344). 59 Das Kapitel "Bases of Jurisdiction" des Restatement of the Foreign Relations Law of the United States ist untergliedert in die Topics "Territory as a Basis of Jurisdiction" (§§ 10- 25), und "Nationality as a Basis of Jurisdiction" (§§ 26- 32). Weitere Grundlagen sind das "Protective Principle" und das "Universality Principle". Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang, daß ausdrücklich von "Grundlagen" gesprochen wird. Dazu Metzger, The Restatement of the Foreign Relations Law of the United States: Bases and Conflicts of Jurisdiction, 41 N. Y. Univ. L. Rev. (1966), S. 7- 24, hier: S. 8 ff.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

85

111. Anknfipfung an die Gebietshoheit des anfordernden Staates

1. Die Anwesenheit von Ausländern oder Ausländern gehörenden Gegenständen im Inland Die territoriale Anknüpfung im (engen) traditionellen Sinne setzt Anwesenheit oder Handeln im Inland voraus. Der einfachste Fall besteht darin, daß ein Ausländer oder eine dem Ausländer gehörende Sache sich im Inland befindet. Dann besteht Jurisdiktion des Aufenthaltsstaates hinsichtlich der Person des Ausländers oder der Sache. Der Aufenthaltsstaat ist befugt, seine Rechtsordnung und damit auch sein Verfahrensrecht auf den Ausländer anzuwenden. Dieser ist z. B. an die örtlichen Straßenverkehrsvorschriften und Abgabegesetze gebunden. Angewandt auf die Anforderung von Informationen bedeutet das: von ihm können Aussagen auch über extraterritoriale Sachverhalte verlangt und gegen ihn Durchsetzungsmaßnahmen ergriffen werden. Bereits dieses Beispiel wirft die Frage auf, wie weit die Auskunftspflicht geht: unterwirft der bloße Aufenthalt den Fremden uneingeschränkt dem lokalen Verfahrensrecht oder bestehen Einschränkungen in der Weise, daß eine Verbindung speziell des zu erhellenden Sachverhaltes zum auskunftheischenden Staat erforderlich ist? Noch drängender wird diese Frage, wenn von dem Ausländer ein Tätigwerden in seinem Heimatland oder einem Drittstaat verlangt wird. a) Anwesenheit einer einem Ausländer gehörenden (unbeweglichen) Sache im Inland: Deutsch-Schweizerischer Staudamm-Fall Im Jahre 1933 kam es zu Differenzen zwischen einem deutschen Finanzamt und einer schweizerischen Aktiengesellschaft. Ein Bestandteil der Betriebsanlagen des Unternehmens in Gestalt eines Staudamms befand sich teils auf deutschem, teils auf schweizerischem Gebiet. Alle sonstigen Anlagen einschließlich der Büros dagegen lagen auf der schweizerischen Seite. Daß das Unternehmen im Deutschen Reich steuerpflichtig war, war unstreitig. Probleme ergaben sich daraus, daß das Finanzamt nach dem damaligen§ 162 Abs. 10 AO (heute§ 162 Abs. 11 AO) Betriebsprüfungen durchführen wollte. Da davon ausgegangen wurde, daß eine Prüfung an Ort und Stelle in der Schweiz unzulässig sei, verlangte das Finanzamt die Verbringung der Akten an seinen Amtssitz in Deutschland. Hiergegen wandte sich die betroffene Firma mit der Beschwerde, über die anschließend der Reichsfinanzhof entschied60 • 60 Urteil des Reichsfinanzhofs vom 27. Sept. 1933, Reichssteuerblatt 1933, S. 1188 - 1191, s. o. 3. Teil, A . IV. 2., Fn. 46.

86

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Der RFH kam zu der Ansicht, daß ausländische Gesellschaften unter den Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO hinsichtlich ihrer in Deutschland belegenen Anlagen und Einrichtungen der Buchführungspflicht unterliegen. Grundsätzlich könne das Finanzamt auf Grund des § 162 Abs. 9 AO die Vorlegung der Bücher einer buchführungspflichtigen ausländischen Gesellschaft verlangen, auch wenn der Sitz der Firmenleitung, die Geschäftsräume und die Bücher sich im Ausland befinden. Da die Steuerpflicht an die Belegenheit des Staudammes in Deutschland anknüpft, besteht eine deutliche territoriale Verbindung zwischen besteuerndem Staat und besteuertem Objekt. Die Verbindung zum Steuersubjekt ergibt sich aus dessen Eigentum und Besitz am Staudamm. Diese Art der Verknüpfung ist in allen nationalen Steuerrechten enthalten. Somit kann das Vorliegen der Voraussetzungen eines völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungsprinzips festgestellt werden. b) Anwesenheit einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person im Inland durch eine Niederlassung: In the Matter of Equitable Plan Co. 81 Der Konkursverwalter der Equitable Plan Co. erließ gegen die New Yorker Filialen von drei kanadischen Banken subpoenas duces tecum um zu ermitteln, ob sie mit der bankrotten Firma betrügerisch zusammengearbeitet hatten62 • Die subpoenas verlangten die Vorlage von Akten und Dokumenten, die sich in Niederlassungen außerhalb der Vereinigten Staaten befanden. Sie sind den "New York Agencies" der Banken - rechtlich unselbständigen Niederlassungen63 - zugestellt worden. Die Handlungsanforderung richtete sich jedoch an die kanadischen Mutterhäuser. Diese mußten tätig werden, um der subpoena nachzukommen. Es ist daher die Frage zu stellen, ob amerikanische hoheitliche Stellen nach Völkerrecht berechtigt waren, von den in Kanada ansässigen Unternehmen ein positives Tun zu verlangen. Anlaß der subpoena war eine Überweisung zwischen zwei Konten, die bei der Toronto Dominion Bank (TDB) in Montreal und bei der 01 In the Matter of Equitable Plan Co., 185 F. Supp. 57 (D. C. S. D. N. Y. 1960), modified sub nom. Ings v. Ferguson, 282 F. 2d 149 (2d Cir.). 82 Der Tatbestand der erstinstanzliehen Entscheidung beginnt mit den für den deutschen Juristen überraschend blumenreichen Worten: "This action is another chapter in the attempt to unravel the affairs and make whole the victims of Lowell Birrell, presently a fugitive from justice ...", ebd., S. 58. 63 v . Eichborn, Wirtschaftswörterbuch Englisch/Deutsch, übersetzt "agency" mit "Filiale" und fügt erklärend hinzu: "branch of bank". Wie die Agencies rechtlich zu qualifizieren waren, hat das Gericht nicht herausgearbeitet. Es bedient sich ständig des in Anführungsstriche gesetzten Begriffes "Agencies".

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

87

Niederlassung der Royal Bank of Canada (RBC) in Havanna geführt wurden. Die in den Vereinigten Staaten belegenen Niederlassungen der beiden Banken waren an diesem Vorgang nicht beteiligt. Der Sachverhalt läßt sich schematisch wie folgt darstellen: RBC - - - - - - - - Überweisung - - - - - - - - TOB Niederlassung Niederlassung Havanna Montreal Ook. Ook. I I RBC TOB Zentrale Zentrale Kanada Kanada I I RBC TOB Niederlassung Niederlassung New York New York ~

subpoena --------

~

- - - -subpoena

Konkursverwalter New York Die New Yorker Filiale der Toronto Dominion Bank erklärte, selbst keine einschlägigen Unterlagen in New York aufzubewahren64 • Die vom Konkursverwalter von der Royal Bank of Canada verlangten Dokumente befanden sich in deren Niederlassung in Havanna und bezogen sich auf das dort geführte Konto. Die Banken beantragten Aufhebung der subpoenas, da die verlangten Akten sich nicht innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Gerichts befänden. Der District Court entschied, daß ausländische Firmen, die im Gerichtsbezirk Geschäfte trieben, dem lokalen Verfahrensrecht unterliegen65. Wörtlich heißt es: "The general rule is that a foreign corporation doing business in the district is subject to process, including subpoenas duces tecum; and it must produce its records and documents even though they are outside the United States. It is immaterial that the agent upon whom service is made does not have control of the books and records required to be produced. It is not the agent who is to respond, but the corporation. The agent is merely the vehicle for reaching the corporation." Das Gericht ging also davon aus, daß amerikanische hoheitliche Stellen Jurisdiktion über die kanadischen Banken besaßen, weil diese durch Niederlassungen im Inland vertreten waren. 84 Diese Fakten ergeben sich aus dem Tatbestand der Entscheidung in der Berufungsinstanz Ings v. Ferguson, 282 F. 2nd 149, 150 r. Sp. 65 In the Matter of Equitable Plan Co., 185 F. Supp. 57, 59, unter Hinweis auf In re Electric and Musical Industry Ltd., 155 F. Supp. 832 (D. C. S. D. N. Y. 1957), petition for mandamus denied, 249 F. 2nd 308 (2nd Cir., 1957); In re Grand Jury Subpoena duces tecum 72 F. Supp. 1013 (D. C. S. D. N. Y. 1947).

88

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Trotzdem wurden die subpoenas aus einem anderen Grund aufgehoben. Aus dem unwidersprochenen affidavit eines Experten für kubanisches Recht ergab sich, daß die Übermittlung von Informationen unter den gegebenen Umständen gegen kubanisches Recht verstoßen und die dortigen Angestellten Kriminalstrafen aussetzen würde. Hierdurch sah sich das Gericht an der Aufrechterhaltung der subpoenas gehindert66 • Die Entscheidung befaßt sich anschließend mit einem zweiten Sachverhaltskomplex. Eine weitere subpoena war an die New Yorker Niederlassung der Bank of Nova Scotia (BNS) gerichtet. Sie forderte zur Vorlage von Dokumenten auf, die sich bei der Bank of Nova Scotia in Montreal befanden. Die Unterlagen bezogen sich auf eine Überweisung von einem Konto bei der Chase Manhattan Bank (ChMB), New York, auf ein bei der Bank of Nova Scotia in Montreal geführtes Konto. Die New Yorker Niederlassung der Bank of Nova Scotia war an der Abwicklung dieses Geschäftsvorganges nicht aktiv beteiligt gewesen. Sie meldete aber, daß sie selbst eine andere Überweisung an die Montrealer Zweigstelle des eigenen Hauses vorgenommen habe und erklärte sich bereit, die darauf bezüglichen Unterlagen vorzulegen. Die Beibringung der angeforderten Dokumente verweigerte sie jedoch unter Hinweis darauf, daß diese sich in Kanada befänden. Schematisch stellt sich der Vorgang so dar: BNS ~----- Überweisung 100.000 Dollar - - -- -- ChMB Montreal New York I BNS New York ~ subpoena

----

K onkursverwalter

Die Berufungsentscheidung67 brachte eine bemerkenswerte Überlegung hinsichtlich der in Kanada befindlichen Unterlagen. Rechtsbeistände der Banken hatten geltend gemacht, daß es nach dem Recht der Provinz Quebec68 den Banken und ihren Angestellten verboten sei, irgendwelche der angeforderten Unterlagen aus der Provinz fortzuschaffen. Das war zwar nicht unbezweifelt geblieben69, aber das Gericht ließ diese Frage dahingestellt. 86 Zur Berücksichtigung der Anforderung entgegenstehenden Rechts durch amerikanische Gerichte und der völkerrechtlichen Würdigung dieser Haltung s. u. 4. Teil, H. V. und 5. Teil, A. li. 3. 67 Ings v. Ferguson, 282 F. 2nd 149 (2nd Cir., 1960). 68 Chapter 42, Statutes of Quebec, 2- 7 Elizabeth II, 1957 - 1958, betreffend Geschäftsunterlagen in der Provinz Quebec. 69 Der kanadische Rechtsbeistand des Konkursverwalters hatte den Vorschriften eine abweichende Auslegung gegeben.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

89

Es bezog sich vielmehr auf "das elementare Prinzip der Jurisdiktion, daß Verfahren der Gerichte eines souveränen Staates nicht die Staatsgrenzen überschreiten und in einem fremden Staat durchgesetzt werden können" 70 • Unter den zivilisierten Nationen, zwischen denen international comity walte, gebe es lange gefestigte Verfahrensarten, durch die der Anforderung von Aussagen oder Unterlagen von Beklagten in fremden Ländern entsprochen werde. Der einzig richtige Weg sei es, durch letters rogatory die Entscheidung einem kanadischen Gericht zu überlassen71 . Amerikanische Gerichte sollten keine Maßnahmen ergreifen, die die Verletzung oder eine Umgehung des Rechts eines befreundeten Nachbarstaates zur Folge haben könnte72 • Der Fall hat deutlich gezeigt, daß amerikanische Stellen grundsätzlich Jurisdiktion über Unternehmen beanspruchen, die durch eine Dependance im Territorium der Vereinigten Staaten vertreten sind. Den Durchgriff auf die im Ausland ansässigen beherrschenden natürlichen oder juristischen Personen halten sie völkerrechtlich für zulässig. Damit wurde auch die Befugnis behauptet, diesen Unternehmen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen im Ausland vorschreiben zu können. Als Grenze wurde zunächst entgegenstehendes Recht des Handlungsortes, dann aber auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtshilfe angesehen. Die Aufhebung der subpoenas erfolgte nicht deshalb, weil der 2nd Circuit des Court of Appeals sich aus völkerrechtlichen Erwägungen für verpflichtet gehalten hat, die Erzwingung der Vorlageverfügungen abzulehnen. Der Hinweis darauf, daß es sich bei den formulierten Prinzipien nur um Regeln der comity handle, zwingt zwar nicht zu diesem Schluß; er könnte auch der vielgeübten Praxis entspringen, als Völkerrechtssätze angesehene (belastende) Regeln nicht als solche zu bezeichnen, um nicht auf diese Weise zur Erhärtung von Gewohnheitsrecht beizutragen. Aber die noch zu erörternde sonstige amerikanische Praxis widerspricht doch der Annahme, daß eine entsprechende opinio juris besteht. Am gegenwärtigen Punkt der Untersuchung interessiert zunächst nur die Frage, ob die Bejahung der Begründetheit der Zuständigkeit durch die amerikanischen Gerichte völkerrechtlich zu beanstanden ist. Die Überlegungen, die dazu geführt haben, daß von der angenommenen Jurisdiktion kein Gebrauch gemacht wurde, werden weiter unten zu erörtern sein. lngs v. Ferguson, 282 F. 2nd, S. 151. Das amerikanische Bundesrecht enthält eine entsprechende Vorschrift: Federal Rules of Civil Procedure 28 (b), 28 U. S. C. A. § 1781. Für Quebec: sec. 16, Special Procedure Act of the Province of Quebec, Ch. 342 (1941), abgedruckt in: Ings v. Ferguson, vgl. oben Fn. 67. 72 Vgl. Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 33 U. S. 501, 509 (1947). 70

71

90

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Die International Law Association hat in ihre New Yorker Resolution zu den völkerrechtlichen Grundsätzen des internationalen Kartellrechts73 folgende Regel aufgenommen: "A state has jurisdiction to prescribe rules governing conduct originating outside its territory if and in so far as such conduct is implemented within its territory by any natural or legal person whose conduct can be attributed to the author of the conduct performed abroad." Auf diesen Grundsatz konnte der Zuständigkeitsanspruch im Equitable Plan-Fall jedoch nicht gestützt werden, da es an einem Verhalten der amerikanischen Niederlassungen überhaupt fehlte. Die durch den Equitable Plan-Fall aufgeworfene zentrale Frage lautet, ob das Vorhandensein einer inländischen Niederlassung ausreicht, um die Anwesenheit der hinter ihr stehenden ausländischen Personen im Inland annehmen zu können. Die Niederlassung selbst ist zweifelsfrei anwesend i. S. d. Territorialprinzips. Problematisch kann nur sein, ob der "Durchgriff" auf die ausländische beherrschende Person bzw. Gesellschaft völkerrechtlichen Bedenken begegnet. Die Anknüpfung an deren bloße Anwesenheit ist dann denkbar, wenn die faktische Leitung des Unternehmens im Ausland liegt, die erheblichen Entscheidungen dort getroffen werden und die inländische Filiale - gleich ob sie rechtlich selbständig oder unselbständig organisiert ist - sich lediglich als verlängerter Arm der ausländischen Mutter darstellt. Bedenken gegen die Erstreckung inländischer Maßnahmen auf die ausländischen Mütter ergeben sich jedoch jedenfalls dann, wenn die inländischen Niederlassungen, auf deren Präsenz die Zuständigkeit hinsichtlich der ausländischen Mutter sich stützt, an denjenigen Handlungen, auf die die Ermittlungen sich beziehen, in keiner Weise beteiligt waren. Jedenfalls unter dieser hier vorliegenden Voraussetzung wird mit guten Gründen bereits die Begründetheit von Jurisdiktion verneint werden können. Zwar besteht eine gewisse Verbindung zu den ausländischen Müttern schon aufgrund der Anwesenheit der Niederlassungen. Zu dem Vorgang, auf den die Ermittlungen sich beziehen, besteht jedoch keine erkennbare Verbindung. Der allgemein als Zuständigkeitsvoraussetzung geforderte sinnvolle Zusammenhang zwischen anforderndem Staat und angefordertem Beweismittel fehlt. Diese Auffassung ist allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln, da sie nicht durch Spezialbeispiele aus der Staatenpraxis untermauert werden kann. Sie dürfte aber gute Aussichten haben, in der Literatur und in der internationalen Rechtsprechung Zustimmung zu finden. 73 Abgedruckt bei Meessen, Die New Yorker Resolution der International Law Association zu den völkerrechtlichen Grundsätzen des internationalen Kartellrechts, AWD 1972, S. 560-656, hier: S. 563 (Article 4).

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

91

Fortschrittlicher und völkerrechtspolitisch wünschenswerter wäre jedoch eine andere Lösung. Die Staaten des westlichen Wirtschaftskreises sehen sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert, daß multinational operierende Unternehmen eine Art "international private government" begründen. Die damit verbundenen Probleme der Infragestellung der Durchsetzbarkeit staatlicher Gewalt sind erst im vergangenen Jahrzehnt in das Bewußtsein politischer Entscheidungsgremien gedrungen. Der schwerfällige Prozeß der Entstehung völkerrechtsbildender Staatenpraxis zur Bewältigung neuer Fragen steht daher noch in den Anfängen. Es dürfte jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß die Staaten künftig Wege werden finden müssen, um insbesondere belastenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegenüber multinationalen Unternehmen wirksamer Geltung zu verschaffen. Der ideale Weg hierfür wären Abkommen, die Rechtsangleichung und Rechtshilfe zum Gegenstand haben müßten. Es wäre jedoch unrealistisch, mit solchen Abkommen zu rechnen. Es spricht daher einiges für die Annahme, daß die Staaten unter dem Dru-ck der Notwendigkeit ihre Zuständigkeitsgrenzen übereinstimmend ausdehnen werden. Falls man also gegenwärtig oder künftig auch für Fälle von der Art des vorliegenden Jurisdiktion bejaht, sind die Bedenken unter den Ausübungssehranken zur Geltung zu bringen. 2. Anwesenheit und Handeln von Ausländern im Inland: Canadian Paper-Fall

Ein eindeutiger territorialer Bezug liegt vor, wenn ein Ausländer im Inland Willenserklärungen abgibt oder rechtlich relevante Handlungen vornimmt. Auf der Seite der Voraussetzungen von Jurisdiktion wirft diese Fallgruppe besonders bei in mehreren Staaten tätigen Unternehmen das schon bekannte Problem auf, wann ein Ausländer (respektive eine ausländische juristische Person) sich im Inland aufhält. Ferner sind Handlungen im Inland abzugrenzen von Handlungen mit Auswirkungen im Inland. Im Jahre 1946 wurde eine Grand Jury eingesetzt, die mögliche Verstöße gegen den Sherman Act74 im Bereich der Herstellung von und des Handeins mit Papier untersuchen sollte. Mittels subpoenas duces tecum sollten in Kanada befindliche Unterlagen von zwei kanadischen Gesellschaften angefordert werden, die in Quebec inkorporiert waren und ihren Sitz in Montreal hatten. Eine dieser Gesellschaften, Canadian International Paper Company (kurz: Canadian) war eine Tochtergesellschaft der New Yorker Gesellschaft International Paper Company 74 15 U. S. C. A. § 1 et seq.; abgedruckt auch in: Oppenheim I Weston, Federal Antitrust Acts, S. 403 ff.

92

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

(kurz: International)15 • Die andere, International PaperSales Company (kurz: Sales), war eine Tochter von Canadian. Zwischen den drei Firmen bestanden enge personelle und organisatorische Verflechtungen; ein Büro in New York nutzten sie bei Aufteilung der Kosten gemeinsam. Die nachfolgende Skizze mag zur Verdeutlichung dienen: International /Sitz: New York subpoenas--:;:.. Canadian . K ""' Sitz: anada /

~ Gememsames · B..uro m · New y ork

~ Sales

/ diverse Verkaufsbüros Sitz: Kanada ___ in den Vereinigten Staaten

Den Anträgen von Canadian und Sales auf Aufhebung der subpoenas wurde nicht stattgegeben76 • Das Gericht argumentierte, daß es für die Wirksamkeit der subpoenas darauf ankomme, ob die beiden Gesellschaften innerhalb der amerikanischen Gerichtsbarkeit betroffen würden. Das sei der Fall, wenn sie dort geschäftliche Aktivitäten entfalteten oder durch Agenten vertreten seien77• Für Canadian wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit der Begründung bejaht, daß diese Gesellschaft sich in erster Linie an den Kosten des Büros von International beteilige78• Sales unterhalte sechs Vertriebsbüros in den Vereinigten Staaten, die Aufträge entgegennähmen79 • Das Gericht hatte daher keine ZweifelamBestehen amerikanischer Jurisdiktion80• Es ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß das Gericht für die Begründung amerikanischer Jurisdiktion nicht auf die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der kanadischen Unternehmen mit der amerikanischen Muttergesellschaft abstellte8 t, sondern auf deren faktische Entfaltung geschäftlicher Aktivitäten in den Vereinigten Staaten. Die rele75 Es ist also unzutreffend, wenn Whiteman, Digest Bd. VI, S. 163, diese Firma als "United States affiliate" der beiden kanadischen Unternehmen bezeichnet. 76 In re Grand Jury Subpoena duces tecum Addressed to Canadian International Paper Company, et al. 72 F. Supp. 1013 D. C. S. D. N. Y., July 21, 1947; Whiteman, Digest Bd. VI, S. 163 ff. 77 Ebd., S. 1019. 78 Ebd., S. 1019. 70 Ebd., S. 1021. 80 Materialien zu dem Fall in: ILA, Report of the 51st Conference (1964), S. 565 ff.; Whiteman, Digest Bd. VI, S. 104 ff. 81 Zur Anknüpfung von Zuständigkeit über ausländische Körperschaften an die Staatsangehörigkeit eines beherrschenden Inländers, s. unten 4. Teil, C. IV.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

93

vanten Inlandshandlungen der kanadischen Unternehmen bestanden im Vertrieb von Waren. Daß dieser Handel den Regelungen des amerikanischen Kartellrechts unterliegt, ist nicht zweifelhaft. Die Jurisdiktion zur Anwendung des diese Tätigkeit regulierenden materiellen Kartellrechts lag nicht im Streit und wirft völkerrechtliche Probleme nicht auf. Damit ist amerikanisches Antitrustrecht auf Beschlüsse und Handlungen der Organe der kanadischen Gesellschaften anwendbar, die das Handeln in den Vereinigten Staaten betreffen. Von der eingangs erörterten Equitable Plan-Entscheidung unterscheidet sich der Canadian Paper-Fall dadurch, daß hier auch an eine Tätigkeit der inländischen Niederlassungen angeknüpft werden konnte. Im ersteren Fall sollte über die Niederlassungen auf die ausländischen Banken durchgegriffen werden, ohne daß die Inlandsbüros bei den zu erhellenden Sachverhalten eine aktive Rolle gespielt hatten. Dagegen bezogen sich im Canadian Paper-Fall die von der Grand Jury beabsichtigten Ermittlungen gerade auf die in den Vereinigten Staaten von den dortigen Niederlassungen entfalteten Tätigkeiten. Die Frage, ob der District Court zur Annahme amerikanischer Jurisdiktion völkerrechtlich berechtigt war, ist daher einfacher zu beantworten als im Equitable Plan-Fall. Da gegenüber dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hier ein zusätzliches verbindendes Element gegeben ist, war amerikanische Jurisdiktion zu bejahen. Nur am Rande sei erwähnt, daß ein ausreichendes Quorum des Board of Directors der kanadischen Firmen, die ausnahmslos Einwohner von Kanada waren, beschlossen hatte, daß die Unterlagen unter keinen Umständen aus Kanada entfernt werden82• Daß dieser Beschluß die völkerrechtliche Würdigung der Jurisdiktionsfrage nicht beeinflussen kann, bedarf keiner weiteren Begründung. 3. Aufenthalt und Handeln von Ausländern im Ausland, Erfolg und Auswirkungen des Handelns im Inland

Problematischer ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Inlandsauswirkungen von Handlungen, die Ausländer im Ausland vornehmen, ein hinreichendes Anknüpfungsmerkmal für die Anforderung von Unterlagen darstellen.

82 Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147- 175, hier: S. 170; O'Connetl, International Law Bd. II, S. 896.

94

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung a) Der Frachtratenkrieg im Nordatlantik: Grand Jury Untersuchung 1959/60

Zu - wenngleich nicht nachhaltigen - zwischenstaatlichen Komplikationen kam es zuerst durch die Ereignisse, die unter der Bezeichnung "Frachtratenkrieg im Nordatlantik" zusammengefaßt werden können. Die in diesem Zusammenhang in den Jahren 1959 bis 1961 unternommenen rechtlichen Schritte amerikanischer Stellen, die entscheidend durch wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Hintergründe geprägt waren, sind eines der interessantesten Beispiele einer völkerrechtlich problematischen Anwendung nationalen Verfahrensrechts. Am 24. November 1959 wurde auf Betreiben des zuständigen Deputy Attorney General eine Grand Jury eingesetzt, die untersuchen sollte, ob im Bereiche der Schiffahrt Verstöße gegen Bundeskartellrecht, den Shipping Act und andere Gesetze stattgefunden hattens3• Solche Verstöße stellen "criminal offences" dar. Der Deputy Attorney General seinerseits war aufgrund von Mitteilungen des House Antitrust Committee eingeschritten, das im Rahmen von Hearings Hinweise auf Gesetzesverstöße erhalten hatte84• Vom 29. Dez. 1959 an wurden in- und ausländischen Schiffahrtslinien sowie deren Agenten und Konferenzen85 über 150 subpoenas duces tecum zugestellt, die die Aufforderung enthielten, der Grand Jury bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Zusammenschlüsse von Schiffahrtslinien in Konferenzen zum Zwecke von Preisabsprachen stellen wettbewerbsbeschränkende Abreden dar, die die amerikanische Kartellgesetzgebung grundsätzlich untersagt. Der Shipping Act enthält in sec. 1586 für Schiffahrtskonferenzen einen Erlaubnisvorbehalt Für diese Ausnahmeregelung gibt es verschiedene Gründe87 • Entscheidend ist, daß Konferenzen allen Ver83 Die Zuständigkeit der Grand Jury hinsichtlich der Materie dieser Untersuchung war nach innerstaatlichem Recht im Hinblick darauf umstritten, daß die Kartellaufsicht im Bereiche der Seeschiffahrt dem Federal Maritime Board oblag. Der District Court (D. Col.) entschied, daß die Grand Jury kompetent sei, In the Matter of Grand Jury Investigation of the Shipping Industry, 186 F. Supp. 298, 304-306 (14. Juni 1960). Ein ähnliches Problem entstand im Falle In re Investigation of World Arrangements etc., 13 F. R. D. 280, 287 (D. C. D. C. 1952), 4. Teil, D. I. 84 "Monopoly Problems in Regulated Industries", Hearings before the Antitrust Subcommittee (Subcommittee No. 5) of the Committee on the Judiciary, House of Representatives, 86th Congress, Ist session, pp. 1 - 5656 (1959). 85 Eine Linienkonferenz ist ein Zusammenschluß von Schiffahrtslinien, die hinsichtlich des Dienstes auf einer Route in einer oder in beiden Richtungen Frachtraten und Konditionen absprechen. Die Konferenzen verpflichten sich gegenüber den Verladern, die Route zu festgelegten Terminen unabhängig von der Auslastung des Schiffes zu befahren. 86 46 U. S. C. A. 814. 87 Auflistung der "Vorteile des Konferenzsystems", in: The Liner Conferences. Report by the UNCTAD secretariat. New York 1970, S. 5 f.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

95

ladern gleiche und ziemlich stabile88 Frachtraten abverlangen. An den Verladern im voraus bekannten und stabilen Frachtraten besteht ein ebenso starkes handelspolitisches Interesse wie - um ein bekannteres Beispiel zu nehmen- an festen Wechselkursen89• Aus diesen Gründen wird die Einrichtung von Schiffahrtskonferenzen von der offiziellen Wirtschaftspolitik zahlreicher Staaten gefördert. Zu Problemen kommt es regelmäßig dann, wenn auf einer von einer Konferenz bedienten Route Außenseiter als Wettbewerber in Erscheinung treten. Dann versuchen die Konferenzen häufig, durch wettbewerbsrechtlich nicht zulässige Maßnahmen wie z. B. Dumping-Preise den lästigen Konkurrenten außer Gefecht zu setzen. Auf diese Weise kommt es zu Frachtratenkriegen (rate wars). Zudem birgt die fast immer marktbeherrschende, mitunter sogar monopolistische Stellung der Konferenzen die Gefahr mißbräuchlicher Preisbildung. Schließlich lassen als diskriminierend zu beurteilende Verhaltensweisen (wie z. B. die Berechnung niedrigerer Frachtraten für den Transport bestimmter Güter von europäischen Häfen nach Amerika als in der umgekehrten Richtung90) den dadurch benachteiligten Staat regelmäßig hellhörig werden und auf Gegenmaßnahmen sinnen. Im Falle des Frachtratenkrieges im Nordatlantik waren es verschiedenartige vermutete Verstöße gegen amerikanisches Recht, die Anlaß für die Grand Jury-Untersuchung gaben. Die mit Hilfe der subpoenas duces tecum geführten Ermittlungen richteten sich auch gegen deutsche Reedereien, nämlich die Harnburg-Amerika-Linie und gegen den Norddeutschen Lloyd91 • Den Anträgen auf Aufhebung der subpoenas gab das Gericht nicht statt. Wenn auch in einigen Fällen nicht klar sei, ob eine im Ausland zwischen Ausländern getroffene Vereinbarung AusVgl. UNCTAD-Bericht, ebd., S. 12 ff. zur Ratenstabilität. Die ersten Schiffahrtskonferenzen entstanden vor etwa 100 Jahren. Sie entsprangen dem Bedürfnis der Reeder, das Geschäftsrisiko zu vermindern, das wegen des mit 75 Ofo außerordentlich hohen Fixkostenanteils sehr problematisch ist. Im Jahre 1909 erstellte die (britische) Royal Commission on Shipping Rings einen Bericht über das Konferenzwesen. Die Mehrheit der Kommission gewann die (m. E. allerdings sehr problematische, vgl. Note, Rate Regulation in Ocean Shipping, 78 Harv. L. Rev. (1965), S. 635-654, hier: S. 638) Auffassung, daß weder Wettbewerb noch Konferenzen ohne bindende Abmachungen einen regelmäßigen Dienst bei stabilen Raten sicherstellen können. Diese Ansicht liegt auch dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zugrunde, dessen § 99 Abs. 2 Verträge von Schifffahrtsunternehmen und Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen vom Kartellverbot des § 1 und den Vorschriften der §§ 15 - 18 GWB ausnimmt. 90 Dazu Hinweis in Journal of Commerce vom 3. Nov. 1966, S. 4, "Bigger than it was". 91 Diese beiden bedeutenden Reedereien haben sich 1970 unter der Firma Hapag-Lloyd zusammengeschlossen. 88

89

96

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

wirkungen auf den Handel der Vereinigten Staaten habe, so solle dies doch durch die Grand Jury-Untersuchung gerade ermittelt werden92• Die diesem Ergebnis vorangegangenen ausführlichen Erörterungen der Jurisdiktion der Grand Jury93 behandeln nur die Lage nach innerstaatlichem Recht. b) Der Frachtratenkrieg im Nordatlantik: Federal Maritime Board Untersuchungen 1960/61 Am 11. April 1960 erließ der Federal Maritime Board subpoenas duces tecum u. a. gegen 183 ausländische Gesellschaften, die im Zusammenhang mit dem Transport von Personen und Gütern zur See zwischen den Vereinigten Staaten und dem Ausland tätig waren. Die subpoenas waren gestützt auf sec. 21 des Shipping Act von 191694• Verlangt wurde eine Liste, die alle Verträge, Übereinkommen oder Absprachen bezeichnete, die den seegehenden Handel der Vereinigten Staaten betrafen und die der Adressat mit anderen Schiffahrtslinien, Spediteuren, Lagerhaltern, Staufirmen oder Schiffsagenten geschlossen hatte, sofern sie am 1. Jan. 1960 in Kraft waren. Durch einen spezifizierten Themenkatalog wurde festgelegt, welche Dokumente im einzelnen vorzulegen seien96• Die im Zuge der Federal Maritime Board-Untersuchung erlassenen subpoenas duces tecum waren durch ausdrückliche Formulierung beschränkt auf Vereinbarungen "involving the water-borne commerce of the United States". Darunter sollen aber auch im Ausland wirksam geschlossene Verträge zwischen Ausländern fallen, die den Transport von Gütern unter Berührung eines amerikanischen Hafens betreffen. Die Vorlageverfügungen, die im Rahmen der Grand Jury-Untersuchung erlassen worden waren, waren weit vager formuliert. Sie erstreckten sich auch auf Dokumente mit Bezug auf Transporte zwischen außeramerikanischen Häfen. Ein territorialer Bezug kann in diesen 92 186 F. 2nd 298, 314, Kurzberichte der Entscheidung, in: Whiteman, Digest Bd. VI, S. 178. 9 ' Die sich auch auf die Alcoa-Entscheidung, s. oben 1. Teil, A. 1., Fn. 3, berufen. 94 46 U. S. C. A. 820: "Der Federal Maritime Board und der Handelsminister können jede Seeschüfahrtslinie oder andere diesem Kapitel unterliegende Personen oder jeden ihrer vertretungsberechtigten Angestellten, Konkursverwalter, Treuhänder, Pächter, Agenten oder Mitarbeiter auffordern, jeden periodischen Sonderbericht, oder jede Rechnung, Akte, Tarif, oder Preisliste oder jedes Memorandum über jegliche Tatsache und Transaktion vorzulegen, die das Geschäft einer solchen Linie oder Person betreffen." Für jeden Tag der Nichterfüllung sind nach dieser Vorschrift dem Staat 100 Dollar verfallen. 95 Wortlaut der Federal Maritime Board Order, in: Montship Lines Ltd., et al., v. Federal Maritime Board, 295 F. 2nd 147, 156 f. (C. App. D. C. Cir. 1961).

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

97

Fällen nur über Auswirkungen auf den Handel der Vereinigten Staaten hergestellt werden. Die FMC und die Grand Jury haben sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Ein- und Ausladen der unter den abgesprochenen Bedingungen beförderten Waren in amerikanischen Häfen eine Anwesenheit oder ein Handeln in zuständigkeitsbegründendem Sinne darstellt. Das ist zu bejahen. Dieser Anknüpfungspunkt war jedoch möglicherweise nicht bei allen Betroffenen gegeben. Jedenfalls haben die amerikanischen Stellen ihr Einschreiten nicht darauf gestützt. Ausschlaggebend war vielmehr, daß die Konferenzabsprachen über die Frachtraten sich- möglicherweise- auf das Preisniveau der transportierten Waren in Amerika auswirkten. Es ist daher zu überlegen, ob die Anknüpfung an diese Auswirkungen zulässig ist. c) Frachtraten-Ermittlung im September 197698 Der letzte Vorgang in der Reihe großangelegter Untersuchungen der Frachtraten im Nordatlantik-Bereich wurde vom amerikanischen Justizministerium im Sommer 1976 eingeleitet. Die Ermittlungen richten sich gegen die 7 amerikanischen und europäischen Linienreedereien und deren Konferenzen, die den Container-Frachtverkehr über den Nordatlantik betreiben. In der Bundesrepublik ist der Hapag-Lloyd AG eine Verfügung zugestellt worden, wonach sie detaillierte Geschäftsunterlagen für den Zeitraum von 1972 bis 1976 bei der Antitrustbehörde einzureichen hat. Die Aufforderung geht dahin, Unterlagen "jeder Art" einzureichen, die sich auf Preise (Raten), Konditionen, Dienstleistungsbedingungen und andere Vereinbarungen im Verkehr miteinander, mit Frachtspediteuren, Exporteuren und Empfängern und auch mit konferenzunabhängigen Schiffahrtsunternehmen beziehen97 • Angefordert worden sind außer den von der FMC genehmigten Verträgen Protokolle von Konferenzverhandlungen, Briefwechsel, Fernschreiben, Notizen, Studien und Redemanuskripte. Von amerikanischer Seite wird erwartet, daß die Auswertung des Materials zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen wird. Bei Abschluß des Manuskripts war noch nicht bekannt, ob die Bundesregierung die Genehmigung zur Übermittlung des angeforderten Materials erteilen würde. d) Securities Exchange Act Amendment 1964 Im August 1964 wurde in den Vereinigten Staaten eine Novelle zum Securities Exchange Act98 verabschiedet. Danach sind ausländische 98 Dazu FAZ vom 3. Sept. 1976, S. 13. 97 Angaben nach F AZ ebd. 98

15 U. S. C. A. §§ 771 ff.

7 Nordmann

98

4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Emittenten verpflichtet, ihre Wertpapiere unter Vorlage von Unterlagen in den Vereinigten Staaten registrieren zu lassen und regelmäßig Geschäftsberichte zu publizieren, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen: (1) (a) Anlagevermögen im Wert von 1 Million Dollar oder mehr oder (b) 500 oder mehr Aktionäre vorhanden (2) 300 Aktionäre in den Vereinigten Staaten wohnhaft (3) (a) Tätigkeit im zwischenstaatlichen Handel oder (b) Abwicklung des Handels mit den Wertpapieren unter Benutzung der Vereinigten Staaten oder anderer Einrichtungen des zwischenstaatlichen Handels99. Für die vorsätzliche Verletzung der Vorschriften sieht das Gesetz Kriminalstrafen vor, und zwar Geldstrafe bis zu 10 000 Dollar und Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Überdies enthält es eine Ermächtigung für die SEC, die Einhaltung der Vorschriften durch bestimmte Zwangsmittel zu erzwingen100• Es ist dem Verfasser kein Fall bekannt, in dem in völkerrechtlich bedenklicher Weise von diesen Sanktionsbefugnissen Gebrauch gemacht worden ist. Völkerrechtlich problematisch wären Zwangsmaßnahmen gegen solche Unternehmen, die zwar alle oben genannten Voraussetzungen erfüllen, die aber selbst in keiner Weise veranlaßt haben, daß ihre Aktien in den Vereinigten Staaten gehandelt werden. Die Bayer AG, Leverkusen, und andere deutsche Großunternehmen wie die Siemens AG und die Dresdner Bank AG, sind - allerdings ohne Androhung von Zwangsmitteln - aufgefordert worden, die nach dem Securities Exchange Act erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Die Bayer AG war von dieser Aufforderung überrascht, weil sie gar nicht daran interessiert war, daß ihre Aktien in den Vereinigten Staaten gehandelt wurden. Das Beispiel zeigt, daß die Entstehung von völkerrechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Securities Exchange Act keineswegs ausgeschlossen ist. Daher wird zu prüfen sein, ob Jurisdiktion unter dem Gesichtspunkt des Auswirkungsprinzips bejaht werden kann. Eine andere Anknüpfung kommt nicht in Betracht, wenn der Emittent selbst nicht durch positives Tun dazu beigetragen hat, daß die Papiere in den Vereinigten Staaten gehandelt werden. 99 Stevenson, The SEC and International Law, 63 AJIL (1969), S. 278- 284, hier: S. 279 f.; The Committee on International Law, Association of the Bar of New York, The 1964 Amendments to the Securities Exchange Act, 21 Record of the Association of the Bar of the City of New York (1966), S. 240- 253, hier: S. 24 ff. too Committee on International Law, ebd., S. 242.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

99

e) Völkerrechtliche Anerkennung des Auswirkungsprinzips Das Bestehen von Jurisdiktion aufgrund territorialer Anknüpfung wurde noch zu Beginn dieses Jahrhunderts insbesondere von der britischen, amerikanischen und französischen Völkerrechtspraxis101 und Völkerrechtslehre102 nur unter den Voraussetzungen des engen Territorialprinzips - Anwesenheit oder Handeln im Inland - anerkannt. Die fortschreitende Verflechtung der Handels- und Industrieinteressen innerhalb der westlichen Welt blieb jedoch nicht ohne Folgen für die Rechtsentwicklung. Die Tendenz von der durch vielfältige Schutzmaßnahmen nach außen hin abgekapselten nationalen Wirtschaft zur Weltwirtschaft veranlaßte zu einer Ausdehnung der beanspruchten Zuständigkeit. Ein zur Ausübung von Jurisdiktion berechtigender territorialer Bezug wurde bald nicht mehr nur unter den engen Voraussetzungen des traditionellen Territorialitätsgrundsatzes angenommen. Dieser erfuhr in zweierlei Hinsicht Erweiterungen. Das gilt zunächst für den Fall, daß eine Handlung, die ein Ausländer im Inland vornimmt, Folgen im Ausland zeitigt, oder daß eine im Inland befindliche und einem Ausländer gehörende Sache Wirkungen ins Ausland ausstrahlt. Unter diesen Umständen wird heute Jurisdiktion 101 Der Entscheidung American Banana Co. v. United Fruit Co., 213 U. S. 347 (1909) lag folgender Fall zugrunde: Um einen lästigen Wettbewerber auszuschalten, veranlaßte die United Fruit Company die Regierung von Costa Rica, Plantagen und Eisenbahnanlagen der American Banana Co. durch Militäreinheiten besetzen und beschädigen zu lassen. In einer privatrechtliehen Treble Damages-Klage der American Bananas Co. entschied der Justice Hornes: "But the general and almost universal rule is that the character of an act as lawful or unlawful must be determined wholly by the law of the country where the act is done. For another jurisdiction, if it should happen to lay hold on the actor, to treat him according to its own notion rather than those of the place where he did the acts, not only would be unjust, but would be an interference with the authority of another souvereign, contrary to the comity of nations . .." (ebd., S. 356 f.). Das wurde insoweit auch angenommen, als nicht wegen des Tätigwerdens eines fremden Souveräns Besonderheiten galten, vgl. Jennings, Extraterritorial Jurisdiction, hier: S. 161 f.; vgl. weiter Baggett, The Gloss on American Banana, A. B. A. Section of Int. and Comp. Law Bulletin, Dec. 14, 1961; Fugate, Antitrust Jurisdiction and Foreign Sovereignty, 49 Virginia L . Rev. (1963), S. 925-937, hier: S. 926; W. J. Kronstein, Enforcement of United States Antitrust Laws over Alien Corporations, 43 Georgetown L. J. (1954/55), S. 661-670, hier: S. 661. 102 Zu dieser älteren Auffassung Beckett, The Exercise of Criminal Jurisdiction over Foreigners, 6 BYIL (1925), S. 44-60, hier: S. 45; Brownlie, Principles of International Law, S. 263; Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 258; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction ... hier, S. 148 f.; Moore, A Digest of International Law, Bd. II, S. 236 (1906); O'ConneH, International Law Bd. II, S. 897. Für ein enges Verständnis des Territorialitätsprinzips in jüngerer Zeit noch G. W. Haight, International Law and Extraterritorial Application of the Antitrust Laws, 63 Yale L. J. (1954), S. 639 - 654. Zur Lage nach heutigem englischem innerstaatlichem Recht Oppenheim I Lauterpacht, International Law, Bd. I, S. 331 f. mit Fn. 5.

100 4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

auch bezüglich der Auslandswirkungen angenommen103• Dieser Gedanke ist für den Zweck der vorliegenden Arbeit jedoch ohne Bedeutung. Im Mittelpunkt steht hier die zweite Erweiterung des Territorialitätsgrundsatzes. Diese betrifft Handlungen von Ausländern im Ausland oder im Ausland belegene Sachen bzw. ausländische Rechte von Ausländern, von denen im Inland eintretende Wirkungen ausgehen1 o4. Das Restatement of the Foreign Relations Law of the United States formuliert in§ 18 das Anknüpfungsprinzip folgendermaßen: "A state has jurisdiction to prescribe a rule of law attaching legal consequences to conduct that occurs outside its territory and causes an effect within its territory, if either (a) the conduct and its effect are generally recognized as constituent elements of a crime or tort under the law of states that have reasonably developed legal systems, or (b) (i) the conduct and its effect are constituent elements of activity to which the rule applies; (ii) the effect within the territory is substantial; (iii) it occurs as a direct and foreseeable result of the conduct outside the territory; and (iv) the rule is not inconsistent with the principles of justice generally recognized by states that have reasonably developed legal systems106." Unter den im Restatement genannten einschränkenden Voraussetzungen sind Inlandswirkungen im Begriff, sich als Anknüpfungskriterium durchzusetzen106• Für die Europäischen Gemeinschaften kommt diese 1os Hier wird vom "subjektiven Territorialitätsgrundsatz" (subjective territorial principle) gesprochen, vgl. Brownlie, Principles of International Law, S. 263; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL (1957), S. 147-175, hier: S. 156. 104 Diese Anknüpfungsregel wird als objektives Territorialitätsprinzip (objective territorial principle) bezeichnet, vgl. die oben in Fn. 102 angegebenen Fundstellen. Dazu Falk, International Jurisdiction: Horizontal and Vertical Conceptions of Legal Order, 32 Temple L. Q. (1959), S. 295-320, hier: S. 306 ff. Als Wendepunkt wird meist die Entscheidung in United States v. Norddeutscher Lloyd, 223 U. S. 512 (1912), angesehen. Im Jahre 1910 brachte ein Schiff des Norddeutschen Lloyd zwei russische Emigranten von Bremen nach New York. Offenbar wurde von vornherein davon ausgegangen, daß deren Einwanderung durch die zuständigen amerikanischen Stellen nicht genehmigt werden würde. Es war bekannt, daß nach amerikanischem Recht in diesem Falle derjenige, der die Emigranten in spe ins Land gebracht hatte, sie kostenlos an den Ausgangspunkt zurückzuschaffen hatte. Daher ließ die Reederei die Russen in Bremen gleich Rückfahrkarten lösen. Im Falle ihrer Aufnahme in den USA sollte ihnen der Mehrbetrag zurückgezahlt werden. Der Vertrag war nach deutschem Recht rechtmäßig. Der Supreme Court entschied, daß diese in Deutschland getroffene und nach deutschem Recht wirksame Vereinbarung wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift des amerikanischen Immigration Act von 1907 unwirksam sei. tos Dazu Metzger, The Restatement of the Foreign Relations Law of the United States: Bases and Conflict of Jurisdiction, 41 N. Y. Univ. L. Rev. (1966), S. 7-24, hier: S. 12 ff. Zum Entwurf des Restatement Jennings, The Limits of State Jurisdiction, Nordisk Tidsskrift for International Ret 32 (1962), S. 209 - 229, bes. S. 214 f.

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

101

Tendenz in der Anwendung des Art. 85 EWG-Vertrag in den Teerfarben-Urteilen zum Ausdruck. Der EuGH bestätigte in mehreren Entscheidungen die Verhängung von Bußgeldern gegen schweizerische und ein britisches Unternehmen, deren im gemeinsamen Markt tätige Tochtergesellschaften sich an wettbewerbsbeschränkenden abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt hatten107• Das Bundeskartellamt hatte gegen dieselben Betroffenen Bußgelder verhängt. Der BGH hatte die extraterritorialen Wirkungen dieser Maßnahme nicht zu erörtern, da er bereits das Vorliegen eines Verstoßes gegen§ 1 GWB wegenFehlenseines Vertrages verneinte108• Auch die New Yorker Resolution der ILA erkennt das Wirkungsprinzip an, wenn sie in Artikel 5 sagt: "A state has jurisdiction to prescribe rules of law governing conduct that occurs outside its territory and causes an effect within its territory if: (a) the conduct and its effect are constituent elements of activity to which the rule applies; (b) the effect within the territory is substantial; and (c) it occurs as a direct and primarily intended result of the conduct outside the territory1o9." Für ein verhältnismäßig enges Verständnis des Territorialprinzips hat sich allerdings Großbritannien noch 1967 anläßlich des Vorgehens der Europäischen Kommission gegen ICI Ltd. im Rahmen des Teerfarbenfalles110 ausgesprochen. Als Anlage zu einem aide memoire überreichte die britische Regierung der Kommission ein "Statement of Principles According to which, in the View of the United Kingdom Government, Jurisdiction may be Exercised over Foreign Corporations in Antitrust Matters" 111• Das Auswirkungsprinzip im oben formulierten Sinne findet darin keinen Niederschlag. 108 Ausführlich Meessen , Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 108 ff., bes. S. 145- 148; Habscheid, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Heft 11 (1971), S. 47- 76, hier: S. 69 ff. 107 Rechtssachen 48/49 und 51- 57/59; im vorliegenden Zusammenhang interessieren die Urteile gegen ICI Ltd. (48/69; EuGHE Bd. XVIII (1972), S. 619), Ciba-Geigy (52/69; EuGHE Bd. XVII (1972), S. 787), und Sandoz (53/ 69; EuGHE Bd. XVIII (1972), S. 845). Dazu Frisinger, Die Anwendung des EWG-Wettbewerbsrechts auf Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, AWD 1972, S. 553 - 560. Zur Praxis des Bundeskartellamts und der Europäischen Kommission Meessen, Die New Yorker Resolution der International Law Association zu den völkerrechtlichen Grundsätzen des internationalen Kartellrechts, A WD 1972, S. 560- 565, hier: S. 561 Fn. 8; Seidl-Hohenveldern, Kartellbekämpfung im Gemeinsamen Markt und das Völkerrecht, AWD 1960, S. 225-233, hier: S. 229 lk. Sp. 108 Beschluß des BGH vom 17. 12. 1970, BGHStE 24, 54; NJW 1971, 521. 109 Abgedruckt bei Meessen, Die New Yorker Resolution der International Law Association zu den völkerrechtlichen Grundsätzen des internationalen Kartellrechts, AWD 1972, S. 560-565, hier: S. 563. 110 Dazu auch unten 4. Teil, G. II. 3. 111 !LA, Report of the 54th Conference 1970, S. 184 ff.

102 4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

Der veröffentlichte Teil der Entscheidungen enthält keine Tatbestände im Sinne der deutschen Urteiltechnik. Vielmehr werden die tatsächlichen Umstände, die die Gerichte zu beurteilen hatten, nur vereinzelt im Rahmen der Entscheidungsgründe angedeutet. Daher ist nicht festzustellen, ob die Voraussetzungen des Wirkungsprinzips bei allen 150 Betroffenen der Grand Jury-Untersuchungen und bei allen 183 Adressaten der Federal Maritime Board-Verfügungen vorlagen. In den meisten Fällen ist Jurisdiktion schon deshalb zu bejahen, weil die Schiffe der betroffenen Reeder amerikanische Häfen anliefen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß in einzelnen Fällen auch "foreign to foreign" Bewegungen erfaßt wurden. Auch dann können jedoch die Voraussetzungen des Wirkungsprinzips gegeben sein. Fraglich ist allerdings, ob die Jurisdiktion ausgeübt werden darf.

4. Ergebnis Wenn aufgrundder Vorschriften des Security Exchange Act Amendments 1964 ausländische Emittenten zur Übermittlungen von Unterlagen aufgefordert werden sollten, die selbst nicht veranlaßt haben, daß ihre Aktien in den Vereinigten Staaten gehandelt werden, ist Jurisdiktion zu verneinen. In solchen Fällen würde es bereits an einer rechtlich erheblichen Handlung fehlen, von der Wirkungen auf den amerikanischen Markt ausgehen können. Erhebliche Zweifel an der Begründetheit von Zuständigkeit haben sich im Equitable Plan-Fall ergeben. Im Frachtratenstreit fehlt es an zuverlässigen Informationen darüber, ob auch solche ausländischen Reedereien von Vorlageverfügungen betroffen waren, deren Schiffe lediglich zwischen außeramerikanischen Häfen verkehrten. Wenn das der Fall ist, wird man die Begründetheit von Zuständigkeit im Hinblick darauf, daß das Wirkungskrinzip mit Sicherheit nicht in dem dafür erforderlichen Umfang begründet ist, mit einem Fragezeichen versehen müssen. Eindeutig begründet hingegen war die jeweilige Zuständigkeit im deutsch-schweizerischen Staudamm-Fall und im Canadian PaperFall. 5. Völkerrecht und Kollisionsrecht

Es ist deutlich gemacht worden, daß es in allen hier problematischen Fällen um die Lösung von Zuständigkeitskollisionen geht. Bereits der Begriff lenkt das Augenmerk auf die Frage, ob das Kollisionsrecht richtiger: die Kollisionsrechtsordnungen- zur Abgrenzung von Jurisdiktionssphären beizutragen vermögen. Um die Jahrhundertwende wurde besonders in Kontinentaleuropa die These vertreten, daß Kollisionsrecht Völkerrecht sei112 • Diese Auf-

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

103

fassung wird heute nicht mehr vertreten. Wenn Hambro einem im Jahre 1959 veröffentlichten Aufsatz den Titel "Conflict Law as Part of International Law" 113 gegeben hat, so ist das nicht als Feststellung zu verstehen. Vielmehr wird damit die Frage aufgeworfen, ob bestimmte kollisionsrechtliche Regeln aufgrund gleichförmiger Anwendung durch zahlreiche Staaten und internationale Schiedsinstanzen völkerrechtliche Qualität als Gewohnheitsrecht oder als allgemeine Rechtsprinzipien erlangt haben. Zu denken wäre etwa im !PR an die Regel, daß die Rechtsverhältnisse unbeweglicher Sachen nach der lex rei sitae zu beurteilen sind. Solche Regeln, deren Verletzung eine Rechtsverweigerung (denial of justice) darstellen kann, bestehen jedoch allenfalls mit so allgemeinem Inhalt, daß sie für den Zweck der vorliegenden Arbeit nicht aussagekräftig sind114. Im übrigen stellt sich das Kollisionsrecht als Rechtsanwendungsrecht zwar die Frage, welche Rechtsordnung auf einen gegebenen Fall anwendbar ist. Insofern gleicht seine Fragestellung derjenigen dieser Arbeit. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. Die Kollisionsrechtsordnungen gehen davon aus, daß nur eine Rechtsordnung auf einen Fall Anwendung finden kann115• Wollte man das auf eine völkerrechtliche Untersuchung übertragen, so würde das bedeuten, daß bei Jurisdiktionskonflikten die ausschließliche Zuständigkeit eines Staates ermittelt werden müßte. Diese Zielsetzung ist jedoch für das Völkerrecht kein sinnvoller Ansatzpunkt. IV. Die Anknüpfung an die Personalhoheit des anfordernden Staates

1. Staatsangehörigkeit natürlicher und juristischer Personen

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß ein Staat nach Völkerrecht befugt ist, gegenüber seinen Staatsangehörigen von ihm gesetztes Recht anzuwenden und Zwangsmaßnahmen zu ihrer Durchsetzung zu ergreifen11e. uz Nussbaum, Rise and Decline of the Law of Nations Doctrine in the Conflict of Laws, 42 Col. L. Rev. (1942), S. 189-206, hier: S. 194; aus jüngerer Zeit Niederer, Internationales Privatrecht und Völkerrecht, Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht, Bd. V. (1948), S. 63 - 82. 113 Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht VI/2 (1959), S. 132 - 139. 114 Lipstein, Conflict of Laws Before International Tribunals, 27 Transactions of the Grotius Society (1941), S. 142-175, hier: S. 146, 175; ders., Conflict of Laws Before International Tribunals (II), 29 Transactions of the Grotius Society (1943), S. 51-83, hier: S. 83. Vgl. auch ders., General Principles of Private International Law, Recueil des Cours 1972 I (Bd. 135), S. 97 229, hier: S. 167 -194; Stevenson, The Relationship of Private International Law to Public International Law, 52 Col. L. Rev. (1952), S. 561-588, hier: s. 588. 115 Bühler, Internationales Steuerrecht, WVR III, S. 377-390, hier: S. 383 r. Sp.

104 4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung Die personale Anknüpfung wird relevant, wenn das Verhalten eines Staatsangehörigen im Ausland entweder im nachhinein beurteilt oder für die Zukunft durch ein Ge- oder Verbot geregelt werden soll. So kann von Inländern die Rückkehr aus dem Ausland verlangt werden, um eine Aussage zu machen117. Die bei Bestehen der personalen Anknüpfung gewährten Befugnisse umfassen auch das Recht staatlicher Stellen, von sich im Ausland aufhaltenden Inländern die Übermittlung von (körperlich existierenden) Dokumenten und (abstrakten) Informationen zu verlangen. Auf die vereinfachende Begrifflichkeit der Drei-Elementen-Lehre zurückgeführt, handelt es sich dabei um nichts anderes als die Ausübung von Staatsgewalt über Glieder des Staatsvolkes. Diese im Grundsatz so überzeugende Regel wird jedoch bei einer auf Differenzierung bedachten Suche nach ihren Anwendungsmöglichkeiten nach verschiedenen Richtungen hin problematisch. Das gilt zunächst für die Voraussetzungen der personal begründeten internationalen Zuständigkeit118. Es fragt sich, auf welchen Personenkreis als Inländer Zugriff genommen werden kann. Das ist weniger bei natürlichen Personen fraglich119, die zumeist die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen. Im vorliegenden Zusammenhang praktisch weit wichtigere Fragen wirft die völkerrechtliche 116 Insbesondere bei straf- und verwaltungsrechtlichen Ge- und Verboten unterscheidet die völkerrechtliche Terminologie zwischen dem aktiven Personalprinzip und dem passiven Personalprinzip. Dabei ist das erstere die Grundlage der Zuständigkeit über eigene Staatsangehörige. Das letztere bezeichnet die Zuständigkeit zur Rechtssetzung, -anwendung und -durchsetzung gegenüber Handlungen von Ausländern im Ausland, die eigene Staatsangehörige betreffen (ein Beispiel für das passive Personalprinzip ist die Anwendung mexikanischen Strafrechts auf eine in den Vereinigten Staaten von dem Amerikaner Cutting gegenüber einem Mexikaner in einer Zeitung geäußerte Beleidigung, vgl. v. Münch, Cutting-Fall, WVR I, S. 305. Auch hätte sich die Türkei im Lotus-Fall auf diesen Gesichtspunkt berufen können). Vgl. zum passiven Personalprinzip auch Brownlie, Principles of International Law, S. 264; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL S. 146-175, hier: S. 154; O'Connell, International Law Bd. II, S. 901. Gegen das Bestehen eines solchen Prinzips Lord Finlay in seiner Dissenting Opinion zum Lotus-Fall, PCIJ Series A, S. 55 f., das. Moore, Dissenting Opinion, S. 92. Der Begriff "passives Personalprinzip" ist irreführend; eine systematisch überzeugendere Einordnung des Gemeinten ist im Zusammenhang mit dem Schutzprinzip zu suchen. 117 Vgl. z. B. Blackmer v. United States, 284 U. S. 421. 118 Die personale Zuständigkeit nach Völkerrecht ist zu unterscheiden von der personal jurisdiction nach amerikanischem innerstaatlichem Prozeßrecht, vgl. Frisinger, Extraterritoriale Anwendung des US Antitrust-Rechts und "personal jurisdiction" über ausländische Gesellschaften, A WD 1972, S. 12-21, hier: S. 16. Dieser Begriff umfaßt sämtliche Voraussetzungen der Zuständigkeit über die Person und nicht etwa nur die mit dem deutschen Begriff "Personalprinzip" bezeichneten. Dieses heißt im englischen Sprachraum "nationality principle".

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

105

Zuständigkeit hinsichtlich juristischer Personen120 und innerhalb dieses Bereichs besonders die Behandlung solcher Unternehmen auf, die der allgemeine Sprachgebrauch oft unscharf unter der schlagwortartigen Bezeichnung "multinationals" zusammenfaßt121 • Welche Befugnisse hinsichtlich von Unternehmen oder Unternehmensgruppen, deren Einheiten sich in verschiedenen Staaten befinden, die Staaten nach Völkerrecht haben, ist im einzelnen noch nicht ausdiskutiert. 2. Die Anforderung von Beweismitteln von ausländischen Niederlassungen oder Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen Oben ist die Frage amerikanischer Zuständigkeit über ausländische Gesellschaften, die im Inland durch eine Untergesellschaft vertreten sind, unter dem Gesichtspunkt territorialer Anknüpfung geprüft worden122. Hier liegt die spiegelbildliche Situation vor: es geht um die völkerrechtliche Zuständigkeit hinsichtlich ausländischer Untergesellschaften inländischer Unternehmen. Da in diesen Fällen regelmäßig die inländische Gesellschaft die ausländische beherrscht und damit die Obergesellschaft im Inland die wesentlichen Unternehmerischen Entscheidungen fällt, kann man sich fragen, ob nicht auch diese Fallgestaltung unter dem Aspekt territorialer Anknüpfung zu betrachten ist. Nach Mitteilung der Beispielsfälle wird unten123 darauf einzugehen sein, warum hier die personale Anknüpfung gewählt wird. a) Minas de Artemisa-Fall 1945124 Der amerikanische Staatsbürger Kendall war Hauptaktionär und Präsident der Artemisa Mines, Inc. (Arizona), die 100 °/o des Aktienkapitals der mexikanischen Minas de Artemisa, S. A. hielt. Die Lei119 Obgleich auch hier z. B . durch Änderungen der Staatsangehörigkeit und des Staatsangehörigkeitsrechts oder durch Kollision unterschiedlicher Staatsangehörigkeitsrechte Schwierigkeiten auftreten können: das hat z. B. der Streit um die französischen Staatsangehörigkeitsdekrete in Tunis und Marokko gezeigt, PCIJ Series B, No 4 (1923), in dem die französische Anknüpfung der Staatsangehörigkeit an das jus soli mit der englischen an das jus sanguinis kollidierte. 120 Jennings, Extrater ritorial Jurisdiction and the United States Antitrust Laws, 33 BYIL 146- 175 (1957), hier: S. 154; Kronstein, The Nationality of International Enterprises, 52 Col. L. Rev. (1952), S. 983- 1002; Mann, Zum Problem d er Staatsangehörigkeit der juristischen Person, in: Festschrift für Martin Wolff, S. 271-286. 121 Hadari, The Choice of National Law Applicable to the Multinational Enterprise and the Nationality of such Enterprise, Duke L. J . 1974, S. 1-59. 122 4. Teil, C. III. 1. b). 123 4. Teil, C. IV. 3. a). 124 Securities and Exchange Commission v. Mina s de Artemisa S. A., 150 F. 2nd 215 (9th Cir. 1945).

1(!6 4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

tung beider Unternehmen lag tatsächlich in den Händen Kendalls. Die SEC führte Ermittlungen darüber durch, ob die Gesellschaft und Kendall selbst Vorschriften des Securities Act von 1933 125 verletzt hatten. In diesem Zusammenhang wurden Kendall an seinem Wohnsitz in Arizona an ihn und an Artemisa S. A. adressierte subpoenas zugestellt, die die Vorlage in Mexiko befindlicher Dokumente verlangten. Der 9th Circuit des Court of Appeals entschied, Voraussetzung der Befugnis zur Anforderung von Unterlagen sei nur, daß die mexikanische Gesellschaft in Arizona "angetroffen" werde126 • Das wird ohne weitere Begründung bejaht. Die Berufung darauf, daß die Vorlage mexikanisches Recht verletzen würde, genüge nicht1 27 ; vielmehr müßten Versuche unternommen werden, eine Erlaubnis zur Übermittlung zu erhalten128• Die SEC ging also mit subpoenas sowohl gegen den amerikanischen Aktionär als auch gegen die mexikanische Gesellschaft vor. Sitz und Registrierung der betroffenen Firma lagen in Mexiko. Die Verbindung zu den Vereinigten Staaten bestand in der Kontrolle durch den 100 Ofoigen Aktionär, der amerikanischer Staatsbürger war. Das amerikanische Einschreiten stützte sich auf eine aktienrechtliche Vorschrift, wonach ausländische Unternehmen, an denen eine gewisse Beteiligung durch Amerikaner besteht, amerikanischer Aufsicht unterliegen. Nun ließ zwar das Vorgehen der SEC erkennen, daß sie als Verpflichteten primär Kendall ansah, indem sie an diesen, nicht direkt an die mexikanische Gesellschaft herantrat. Gleichwohl tritt die Frage nach der Jurisdiktion über die mexikanische Minas de Artemisa S. A. mit aller Deutlichkeit auf, da eine der subpoenas nicht nur an sie gerichtet war, sondern auch von ihren Organen die Vornahme von Handlungen verlangte. b) § 15 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes der Bundesrepublik Fälle von größerer Brisanz ließ der vormalige § 15 Abs. 2 des deutschen Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) entstehen. Das ist besonders durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahre 1963, das sog. Schering-Urteil, deutlich geworden129. Eine 990foige Tochtergesellschaft der Sehering AG, Berlin, die Scheresia Yugenkaisha in Tokio, war durch das deutsche Finanzamt als subjektiv steuerpflichtig 15 U. S . C. A. § 77 a et seq. Securities Act von 1933, § 22 (b); vgl. Washington-Virginia Railway Comp. v. Real Estate Trust Comp. 238 U. S. 185, 59 L. ed. 1262. 12s 126

Anders hatte der District Court entschieden. Damit stimmt im Tenor die Entscheidung In re Investigation of World Arrangements ... überein, 13 F . R. D. 280 ff. (D. D. C. 1952). 129 Urteil vom 18. Dez. 1963, BStBl 1964 III, S. 253; JZ 1965, S. 21 m. Anm. v. Wengler; Bericht in: ZaöRV 1968, S. 93 f. (Nr. 87). 127

128

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

107

eingestuft worden. Diese Entscheidung wurde auf § 15 Abs. 2 StAnpG gestützt. Diese Vorschrift fingierte einen inländischen Sitz der Geschäftsleitung bei Körperschaften oder Personenvereinigungen, die im Inland weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung hatten, wenn sie von einer inländischen natürlichen oder juristischen Person beherrscht wurden. Zweck der Vorschrift war es, der Steuerflucht z. B. durch Verlagerung von Gewinnen auf ausländische Tochtergesellschaften entge'genzuwirken. Der danach steuerpflichtige Unternehmer unterlag einer Informationspflicht hinsichtlich der für die Steuerveranlagung relevanten Umstände. Der BFH hatte im Sehering-Urteil zu prüfen, ob § 15 Abs. 2 StAnpG einer allgemeinen Regel des Völkerrechts widersprach. Hierzu führte er aus: da "sich die ausländische Gesellschaft als ein im Rahmen des beherrschenden inländischen Unternehmens geführter Betrieb darstellt" und "die beherrschende Person dem Inland zugeordnet ist, wird auch die im Organverhältnis stehende Körperschaft dem Inland steuerlich zugerechnet"13°. Nach Ansicht des BFH gibt es keinen Satz des Völkerrechts, der den direkten Durchgriff auf die ausländische Körperschaft verbiete131. Dieser Auffassung ist überwiegend zugestimmt worden132. Die entgegengesetzte Ansicht hatte Bühler in einem Gutachten für die Beschwerdeführetin vertreten133. Bei rechtsvergleichender Betrachtung fällt auf, daß der dem § 15 Abs. 2 StAnpG zugrundeliegende Organschaftsbegriff134 in keinem ausländischen Steuerrecht auftaucht. Auch neue Regelungen in anderen BFH a.a.O., JZ 1965, S. 22 lk. Sp. Zu diesem Ergebnis war auch die erstinstanzliehe Entscheidung des VG Berlin, EFG 1961, 554 (Nr. 628), gelangt. 132 Debatin, Die Besteuerung der Betriebsstätten, der Tochtergesellschaften und der Arbeitsausübung in der deutschen Judikatur zum internationalen Steuerrecht, DStZ, Ausgabe A, 1966, S . 209-216, hier: S. 215; Hübschmann I Hepp I Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung (Loseblattsaminlung), Bd. IV, Anm. 26 zu § 15 StAnpG; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, passim und S. 196; Tipke I Krttse, Reichsabgabenordnung (Loseblattsammlung), Bd. II, Anm. 3 zu § 15 StAnpG; Rattpach, Der Durchgriff im Steuerrecht, S. 173 ff.; Vogel, Theorie und Praxis des internationalen Steuerrechts, DStR 1968, S. 427 - 434, hier: S. 430; Wengler in seiner Anmerkung zum Urteil des BFH, JZ 1965, S. 23. Flick, Die internationale Organschaft - Erste Bemerkungen zu einem BFH-Urteil betr. § 15 Abs. 2 StAnpG, DStR 1964, S. 228 f., regt an zu untersuchen, ob nicht angesichts des gegenwärtigen Umfangs des Netzes von DBA, der einseitigen Maßnahmen und der einschlägigen OECD-Arbeiten Völkerrecht für die Begrenzung der Fiskalsouveränität entstanden ist. 138 Vgl. Bühler, Grenzen der Steuerhoheit, Unvereinbarkeit von § 15 Abs. 2 StAnpG mit der heutigen Auffassung von Steuersouveränität und völkerrechtlichem Territorialprinzip, DStR 1965, S . 398- 402; ders., Prinzipien d es internationalen Steuerrechts, S . 99 ff., b esonders S . 105, Fn. 1. - Eine differenzierte Ansicht v ertritt Jakobs,§ 15 Abs. 2 StAnpG und die internationalsteuerrechtliche Anknüpfung der Körperschaftssteuerpflicht, StuW 1970, S. 587 - 602, passim. 13o

181

lOR 4. Teil: Anforderung von Beweismitteln unter Sanktionsandrohung

westlichen Staaten wie die englische von 1957 und die amerikanische Revenue Bill von 1962 haben sich den direkten Durchgriff auf von Inländern beherrschte ausländische Unternehmen nicht zu eigen gemacht. Der Bundesgesetzgeber hat die Vorschriften des § 15 Abs. 2 StAnpG im September 1972 aufgehoben135 • An seine Stelle sind die §§ 7 -14 des neuen Außensteuergesetzes (AStG) getreten, die eine wesentliche Änderung gebracht haben. Danach ist nicht mehr die beherrschte ausländische juristische Person selbst unmittelbar steuerpflichtig, sondern das Gesetz hält sich an den beherrschenden136 inländischen Steuerpflichtigen, § 7 Abs. 1 AStG137• Damit ist das Problem der Staatsangehörigkeit juristischer Personen hier nicht mehr relevant. Die Befugnis, inländische natürliche und juristische Personen für im Ausland auf welche Weise auch immer erwirtschaftete Gewinne zu besteuern, ist unter Jurisdiktionsgesichtspunkten nicht zu bestreiten. c) First National City Bank v. Interna! Revenue Service138 1959 Der Interna! Revenue Service forderte 1959 die First National City Bank gern. § 26 U. S. C. A. § 2602 139 auf, Bücher vorzulegen. Deren Inhalt bezog sich auf das Konto einer Panamaischen Gesellschaft, Atlanta, mit Niederlassung in New York, deren Steuerpflicht untersucht wurde. Die Bank legte bestimmte Dokumente vor, lehnte es aber ab, solche Akten beizubringen, die sich in einer Niederlassung in Panama befanden. Diese Weigerung wurde folgendermaßen begründet: 1. Diese Unterlagen seien nicht in ihrem Besitz, ihrer Obhut oder Kon-

trolle, 2. Die Vorlage ohne Atlantas Zustimmung würde gegen gesicherte Grundsätze der Bankpraxis verstoßen,

Tipke I Kruse, Reichsabgabenordnung (Loseblattsammlung), § 114 AO A 1. Durch Art. 6 des Gesetzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen (im folgenden: AußensteuerG) vom 8. Sept. 1972, BGBl I, S. 1713. Dazu Becker, Zur Änderung des Außensteuerrechts, DStR 1972, S. 359 - 367. 138 An der Praktikabilität dieses im Gesetz durch Festlegung von Prozentsätzen determinierten Begriffes bestehen gewisse Zweifel, vgl. Wassermeyer, Noch einmal: verschärftes Steuerfluchtgesetz, DStR 1972, S. 519- 522, hier: s. 520. 137 BT Drucks. VI/2883, Tz 30, 25; Flick I Wassermeyer I Becker, Kommentar zum Außensteuergesetz (Loseblattsammlung), Anm. 7 zu§ 7. 138 First National City Bank v. Interna! Revenue Service, 271 F. 2nd 616 (2nd Cir. 1960), cert. den. 316 U. S. 948 (1960), 8 S. Ct. 402, 4 L. Ed. 2 d 381. 139 Danach ist der Secretary des Interna! Revenue Service oder sein Beauftragter ermächtigt, zur Feststellung der Steuerschulden (1) alle Bücher, Papiere, Akten oder andere Daten, die für eine solche Untersuchung wesentlich sein können, zu untersuchen; (2) bestimmte Personen vorzuladen und zu verpflichten, Dokumente vorzulegen. 134

135

C. Staatenpraxis zur Anforderung von Beweismitteln

109

3. Die Vorlage würde gegen a) die Verfassung b) einfaches Recht des Staates Panama c) hergebrachte Prinzipien der "international comity" verstoßen.

Der Court of Appeals schloß sich der Argumentation der Bank nicht an. Unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung In re Harris140 entschied das Gericht, die Bank habe auch über die in ihrer ausländischen Filiale befindlichen Unterlagen tatsächliche Kontrolle. Die Vorlage solle allerdings nicht angeordnet werden, wenn sie gegen Panamaisches Rechts verstoßen sollte141 • Vergebens sucht man allerdings eine Erörterung der Frage völkerrechtlicher Zuständigkeit der Vereinigten Staaten, die aufzuwerfen aller Anlaß bestanden hätte. d) Application of the Chase Manhattan Bank 1961 ~