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German Pages 401 Year 2018
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 284
Die Bedeutung des Irrtums über täterschaftsbegründende Umstände Eine Untersuchung der vermeintlichen und verkannten Täterschaft
Von
Isabel Wendeburg
Duncker & Humblot · Berlin
ISABEL WENDEBURG
Die Bedeutung des Irrtums über täterschaftsbegründende Umstände
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 284
Die Bedeutung des Irrtums über täterschaftsbegründende Umstände Eine Untersuchung der vermeintlichen und verkannten Täterschaft
Von
Isabel Wendeburg
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT. Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professorin Dr. Bettina Weißer, Münster Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-15481-4 (Print) ISBN 978-3-428-55481-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-85481-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017 / 2018 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Januar 2018 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt allen voran meiner Doktormutter Prof. Dr. Bettina Weißer für ihre hervorragende Betreuung und wertvollen Anregungen, die maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Auch während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an ihrem Lehrstuhl hat sie mich sowohl in persönlicher als auch in fachlicher Hinsicht stets unterstützt, gefördert und mir viele Freiheiten gewährt und dadurch diese Arbeit erst möglich gemacht. Herrn Prof. Dr. Ulrich Stein danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die vielen hilfreichen Diskussionen und aufmunternden Worte danke ich meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Kriminalwissenschaften, ganz besonders Nicola Beyer, Erik Duesberg, Katrin Klein, Jutta Mettenborg und Sandra Petry. Dank gebürt daneben auch Nicola Beyer, Lucas Hertneck, Henrik Kühl und Sandra Petry für die hilfreichen kritischen Anmerkungen und das Korrekturlesen der Arbeit. Entscheidend hat schließlich Henrik Kühl zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihm danke ich nicht nur für die unermüdliche Unterstützung in jeder Phase meiner Arbeit, sondern vor allem auch für seine Aufmunterungen, seine Geduld und Zuneigung. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern und Großeltern, die mir auch über die Promotion hinaus stets zur Seite standen und mir Kraft und Rückhalt gaben. Ohne ihre Unterstützung wäre diese Arbeit nicht entstanden. Münster, im April 2018
Isabel Wendeburg
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kapitel 1
Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
16
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Vermeintliche Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Charakterisierung der vermeintlichen Mittäterschaft und zentrale Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Strafbarkeit der übrigen Beteiligten wegen mittäterschaftlichen Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Anwendbarkeit der Versuchsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Unmittelbares Ansetzen bei der Mittäterschaft und Bedeutung für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 aa) Einzellösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 bb) Gesamtlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (1) Wortlaut des § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (2) Einwand des Gesinnungsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 30 (3) Möglichkeit einer getrennten Bestimmung des Versuchsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (4) Fehlende Tatherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (5) Vergleich mit dem vollendeten Delikt . . . . . . . . . . . . . . . 46 (6) Kriminalpolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (7) Tätigkeitsanrechnung bei der Mittäterschaft . . . . . . . . . . 49 (8) Einheitlichkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (9) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Zurechnung fremden Handelns im Wege der Gesamtlösung bei der vermeintlichen Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Struktur der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Vorliegen eines Zurechnungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . 55 (1) Eigenes unmittelbares Ansetzen als Zurechnungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
8
Inhaltsverzeichnis
II.
(b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Sonstige Anforderungen an den Zurechnungs gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Vorliegen einer Zurechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Allgemeine Anforderungen an die Zurechnungs grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (a) Gemeinsamer Tatplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (aa) Funktionen des gemeinsamen Tatplans . . . . . . 70 (bb) Verzicht auf den gemeinsamen Tatplan? . . . . . 71 (cc) Verhältnis zum Vorsatz des einzelnen Mit täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (dd) Subjektives oder objektives Merkmal . . . . . . . 81 (b) Mittäterschaftlicher Tatbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Anwendung auf die vermeintliche Mittäterschaft . . . . . . 85 (a) (Fort-)Bestand eines zwischen allen Beteiligten gefassten gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (aa) Fortbestand bei späterer Lossagung . . . . . . . . . 87 (bb) Fortbestand trotz inneren Vorbehalts . . . . . . . . 96 (cc) Bestand des gemeinsamen Tatplans in den übrigen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (dd) Zwischenergebnis zum Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage bei der vermeintlichen Mittäterschaft . . . 97 (b) Bestand einer Zurechnungsgrundlage in Form eines zwischen den übrigen Beteiligten geschlossenen Tatplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (c) Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 100 (aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Zwischenergebnis und offene Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . 109 Vermeintliche mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Charakterisierung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und wesentliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Strafbarkeit wegen Versuchs in mittelbarer Täterschaft . . . . . . . . . . . 115 a) Verortung im Deliktsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Unmittelbares Ansetzen bei der mittelbaren Täterschaft und Bedeutung für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Einzellösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Gesamtlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Rechtsgutsgefährdungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Freisetzungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Inhaltsverzeichnis9 ee) Divergenzen zwischen den verschiedenen Abgrenzungs methoden und Auswirkungen auf die vermeintliche mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 ff) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Wortlaut des § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Struktur der mittelbaren Täterschaft und Tathandlung . 128 (3) Beurteilungsgrundlage für die Verwirklichungsstufe der Gesamttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (4) Vergleich mit den übrigen Beteiligungsformen . . . . . . . . 144 (5) Kriminalpolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (6) Zwischenergebnis und Bedeutung für die vermeintliche mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Zurechnung fremden Handelns im Wege der Gesamtlösung bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Struktur der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Vorliegen eines Zurechnungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . 157 cc) Vorliegen einer Zurechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (1) Allgemeine Anforderungen an die Zurechnungs grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (2) Zurechnungsgrundlage bei eigener Ausführungs handlung des mittelbaren Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Zurechnungsgrundlage in den übrigen Fällen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft . . . . . . . . . . . 164 (a) Willensherrschaft des vermeintlichen mittelbaren Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (b) Willensherrschaft bei zunächst erfolgreicher Instrumentalisierung des Tatmittlers . . . . . . . . . . . . . 164 (c) Vorstellung vom Bestand einer Willensherrschaft als Zurechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Zwischenergebnis und offene Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . 170 B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände auf die Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Notwendigkeit und Möglichkeit einer einheitlichen Lösung . . . . . . . . . 172 II. Präzisierung der Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Strukturelle Vergleichbarkeit der Tätervoraussetzungen mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Zusammenspiel objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale . . . 177 2. Struktur der Tätervoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Bedeutung subjektiver Elemente nach der Tatherrschaftslehre . . 179 b) Trennbarkeit objektiver und subjektiver Tatherrschaftsmerkmale 186 aa) Tatherrschaft als objektiv-subjektive Sinneinheit . . . . . . . . . 187 bb) Tätervorsatz als separater Bestandteil der Tatherrschaft . . . . 188 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Bedeutung der personalen Handlungslehre . . . . . . . . . . . 189
10 Inhaltsverzeichnis (2) Tatherrschaft als Charakterisierung der Täterperson . . . . 192 (a) Prinzipielle Untrennbarkeit innerer und äußerer Tätermerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (b) Zugänglichkeit der Tatherrschaft als Tätermerkmal für die Anwendung allgemeiner Irrtums- und Versuchsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (aa) Sonderstellung der besonderen Tätermerk male . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (bb) Vergleichbarkeit der Tatherrschaftsvoraussetzungen mit den besonderen Tätermerkmalen der Sonderdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (cc) Tatherrschaft als sonstiges besonderes Tätermerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) Ergebnis zum Verhältnis der Tatherrschaftselemente . . . 208 3. Ergebnis und Aussagekraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 IV. „Vorstellung von der Tat“ im Sinne des § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 208 V. Genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 VI. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Widerspruch zu § 30 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Rückschlüsse aus der Bestimmung anderer Zurechnungskriterien beim Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Der Irrtum über die Täterrolle i. R.d. §§ 160, 271 StGB . . . . . . . . . . 215 4. Systematische Stellung des § 25 StGB im Allgemeinen Teil . . . . . . . 218 5. Ergebnis der systematischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 VII. Strafgrund des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Diskussion um den Strafgrund des Versuchs beim Alleintäter . . . . . 220 2. Besonderheiten der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 VIII. Die Tatherrschaftslehre und ihre Funktion als Zurechnungsgrundlage . 230 1. Tatherrschaft des unmittelbaren Versuchstäters . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Funktion der Tätervoraussetzungen beim Versuch im Vergleich zum vollendeten Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Übertragbarkeit der Tatherrschaftsvoraussetzungen auf den Versuch . 245 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 IX. Berücksichtigung der Eigenheiten des untauglichen Versuchs . . . . . . . . 251 X. Ergebnis der dogmatischen Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 XI. Konsequenzen für die Täterstrafbarkeit bei vermeintlicher Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Strafbarkeit bei ausbleibender Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . 256 a) Gesamttat befindet sich noch im Vorbereitungsstadium . . . . . . . . 256 b) Gesamttat befindet sich im Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Irrender Mittäter setzt eigenhändig zur Tatbestandsverwirklichung an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
Inhaltsverzeichnis11 bb) Ein anderer ebenfalls zur gemeinsamen Tat entschlossener Mittäter setzt zur Tatbestandsverwirklichung an . . . . . . . . . . cc) Allein vermeintlicher Mittäter setzt zur Tatbestands verwirklichung an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafbarkeit bei eingetretener Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . XII. Konsequenzen für die Täterstrafbarkeit bei vermeintlicher mittelbarer Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafbarkeit bei ausbleibender Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . 2. Strafbarkeit bei eingetretener Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . .
257 257 259 260 260 261
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Verhältnis der Unterlassungs- zu den Begehungsdelikten . . . . . . . . . . . . 262 II. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Dogmatische Begründbarkeit einer Garantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Erfordernis einer nahen, adäquaten Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Garantenpflicht zur Verhinderung der Straftat eines anderen . . . . . . 274 3. Ingerenzgarantenstellung bei vorsätzlichem Vorverhalten . . . . . . . . . 276 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Strafbarkeit gem. § 323c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Unglücksfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Möglichkeit und Erforderlichkeit der Hilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Hilfeleistungspflicht bei vorsätzlich-rechtswidrigem Vorverhalten . 289 V. Ergebnis bezüglich der Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt . . . . . 292 D. Strafbarkeit als Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmen im Sinne des § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teilnehmervorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Irrtum betrifft die Schuld des Tatmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irrtum betrifft die Tatbestandsmäßigkeit, die Vorsätzlichkeit oder die Rechtswidrigkeit der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zur Teilnahmestrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 293 295 296 297 300
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Begründbarkeit der Fahrlässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Objektiv sorgfaltswidriges Handeln des vermeintlichen Täters . . . . . 307 2. Objektive Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 3. Zurechnungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Vermeintliche mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Vermeintliche Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den Vordermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Ergebnis zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Ergebnis für die vermeintliche mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . 316 2. Ergebnis für die vermeintliche Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
12 Inhaltsverzeichnis F. Strafbarkeit nach § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. An der Abrede ist neben dem Irrenden mindestens eine weitere ernsthaft zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossene Person beteiligt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. An der Abrede ist neben dem Irrenden nur der vermeintliche Mittäter beteiligt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Übertragbarkeit der Erwägungen zum zwingenden Charakter der Mittäterschaftsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 320 bb) Lossagung als Vorsatzproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 cc) Strafgrund der Verbrechensverabredung . . . . . . . . . . . . . . . . 321 dd) Ergebnis zur Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung . 325 b) Strafbarkeit wegen Sich-Bereiterklärens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 II. Strafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 G. Ergebnis zur Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen und kritischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Kapitel 2
Auswirkungen der Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
335
A. Charakterisierung der Irrtümer und Vergleich mit der Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 B. Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. Strafbarkeit gem. § 323c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 D. Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I. Irrtum bezieht sich auf das vorsätzliche, rechtswidrige Handeln des Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 II. Irrtum bezieht sich nicht auf das vorsätzliche, rechtswidrige Handeln des Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 F. Strafbarkeit nach § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Verkannte mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Verkannte Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 G. Ergebnis zur Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen und kritischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
Einleitung Hinter dem Irrtum über täterschaftsbegründende Umstände verbergen sich die Konstellationen der vermeintlichen bzw. verkannten Mittäterschaft1 und mittelbaren Täterschaft2. Ein solcher Irrtum ist zum einen in der Form denkbar, dass der Täter seine eigene Rolle im Tatgeschehen überschätzt, weil er sich Umstände vorstellt, die ihm Tatherrschaft verleihen würden, ihm tatsächlich jedoch keine beherrschende Stellung im Geschehen zukommt. Einer solchen Fehlvorstellung kann ein Mittäter unterliegen, wenn er annimmt, er handele mit einem anderen gemeinschaftlich, obwohl ein verbindender gemeinsamer Tatplan objektiv fehlt. Ebenso kann ein mittelbarer Täter in dem Glauben handeln, er habe bei dem Vordermann einen strafbarkeitsausschließenden Defekt hervorgerufen, obgleich dieser das tatbestandsmäßige Geschehen vollverantwortlich steuert. In allen Konstellationen stellt sich die Frage, ob der Irrende gemäß seiner Vorstellung als Täter zu bestrafen ist oder ob die objektiv fehlende Tatherrschaft eine solche Strafbarkeit ausschließt. Zum anderen kann der Täter umgekehrt nicht erkennen, dass ihm tatsächlich eine beherrschende Stellung im Geschehen zukommt. Dann stellt sich die Frage, ob eine täterschaftliche Begehung auch bei fehlender Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände denkbar ist. Obwohl es sich bei allen Problemen um in Lehre und Rechtsprechung umfassend diskutierte Fragestellungen handelt, gehört ihre Behandlung noch immer zu den umstrittensten Fragen der Strafrechtswissenschaft.3 Trotz der in den letzten Jahrzehnten kaum zu überblickenden Flut an Publikationen lohnt eine erneute Auseinandersetzung mit diesen Irrtümern allein schon deshalb, weil sie sich an der Schnittstelle zwischen Beteiligungs-, Versuchs- und Irrtumsdogmatik befinden und Bezugspunkte zu einer Vielzahl grundsätzlicher Fragen aufweisen. Der Blick auf diese grundsätzlichen Fragen ist oftmals bei der Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Täter1 Siehe dazu insb. Kap. 1 A. I. für die vermeintliche Mittäterschaft und Kap. 2 für die verkannte Mittäterschaft. 2 Vgl. Kap. 1 A. II. für die vermeintliche und Kap. 2 für die verkannte mittelbare Täterschaft. 3 Vgl. bspw. Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213 ff., die bzgl. der vermeintlichen Mittäterschaft zutreffend feststellen, dass es, obwohl inzwischen viele Jahre vergangen seien, zu einer Auflösung der umstrittenen Fragen nicht gekommen sei. Ebenso in neuerer Zeit auch Mitsch, ZIS 2013, S. 369 ff.
14 Einleitung
schaft vernachlässigt worden.4 Gerade dies mag auch der Grund dafür sein, dass es trotz der Relevanz der Fragestellungen noch nicht gelungen ist, eine überzeugende Lösung für sie zu finden. Auch in der Rechtsprechung stehen sich seit inzwischen mehr als 20 Jahren zwei nicht miteinander in Einklang zu bringende grundlegende Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur vermeintlichen Mittäterschaft gegenüber,5 ohne dass es zu einer Auflösung der Kontroverse durch den Großen Senat gekommen ist. Ziel dieser Arbeit soll es daher sein, die zu den jeweiligen Irrtümern bisher vorgeschlagenen Lösungen erneut auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen und insbesondere die dahinter stehenden und bislang kaum beachteten grundsätzlichen Fragen nach der Struktur der Täterschaftsvoraussetzungen und ihrer Zugänglichkeit für die Anwendung allgemeiner Regeln zu beantworten. Nur die Analyse dieser allgemeinen Fragestellung kann der Schlüssel zu einer überzeugenden dogmatischen Lösung sein. Außerdem beschränkt sich die Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Täterschaft in Rechtsprechung und Literatur weitestgehend darauf, die Irrtümer getrennt voneinander zu untersuchen. Weil sie jedoch eine Vielzahl von Parallelen aufweisen, werden die verschiedenen Irrtümer einer übergreifenden Betrachtung unterzogen, um zu prüfen, ob ihnen eine gemeinsame Fragestellung zugrunde liegt und sie somit einer einheitlichen Lösung zugänglich sind. Zugleich soll der Versuch unternommen werden, einen weiteren Beitrag zum Verständnis der Täterschaftsvoraussetzungen zu leisten. Angesichts der Vielschichtigkeit der Fragestellung kann es dabei nicht Ziel der Arbeit sein, auch das differenzierte Beteiligungsformensystem, wie es insbesondere von Roxin entwickelt worden ist,6 einer grundsätzlichen Kritik zu unterziehen. Die Tatherrschaft soll vielmehr als maßgebliches Kriterium der Täterschaft anerkannt und der Irrtum über die Beteiligungsform unter dieser Prämisse untersucht werden. Eingangs werden dazu die einzelnen Irrtümer und die hierzu bislang entwickelten Lösungsvorschläge analysiert.7 Der Blick richtet sich dabei zunächst auf die Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen. Unerlässlich ist es in diesem Zusammenhang, auch den Fragen nach Grund und Grenzen der Zurechnung fremder Tatbeiträge und der Abgrenzung von Vor4 So stellen auch Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 219, 221 heraus, dass die grundsätzliche Frage nach dem Charakter der Zurechnungsvoraussetzungen bislang nicht diskutiert wurde und es den Ausführungen zur vermeintlichen Mittäterschaft und insb. zu den Eigenschaften des Tatplans bislang an einer dogmatischen Begründung mangelt. 5 BGHSt 39, 236 und BGHSt 40, 299. An dieser Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung vermochte auch die im Jahr 2003 gefasste Entscheidung BGH NStZ 2004, 110 nichts zu ändern. 6 Vgl. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, passim. 7 Siehe dazu Kap. 1 A.
Einleitung15
bereitung und Versuch nachzugehen. Für jeden Irrtum wird herausgearbeitet, welche zentrale Fragestellung sich hinter ihm verbirgt und inwieweit sie bislang überzeugend beantwortet wurde. Anschließend wird ein eigener Lösungsvorschlag erarbeitet.8 Ein Vergleich der Fragestellungen zeigt, ob eine einheitliche Lösung für alle Irrtümer möglich und notwendig ist. Ist dies der Fall, soll diese gemeinsame Lösung in der Anwendung der allgemeinen Irrtumsregeln auf die Täterschaftsvoraussetzungen gesucht werden. Eine Anwendung der gefundenen Lösung auf die einzelnen Irrtumsfälle muss dann zeigen, ob die mit ihr erzielten Ergebnisse auch unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten überzeugen können.9 Während der Blick in Kap. 1 A. und B. auf die Täterschaft beim vorsätzlichen Delikt gerichtet wird, wird in Kap. 1 C.–F. auch untersucht, inwieweit die vermeintliche Täterschaft über eine Teilnahme-, Fahrlässigkeits- oder Unterlassungsstrafbarkeit erfasst werden kann. Abschließend wird die umgekehrte Konstellation der Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen untersucht und ermittelt, inwieweit sich dessen Behandlung bereits aus den zur Überschätzung der eigenen Rolle gewonnenen Erkenntnissen ergibt.10
8 Siehe
Kap. 1 B. Kap. 1 B. XI.–XII. 10 Siehe dazu Kap. 2. 9 Siehe
Kapitel 1
Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage, ob als Täter eines vorsätzlichen Begehungsdelikts auch strafbar ist, wer nur irrtümlich annimmt, eine beherrschende Stellung im Tatgeschehen einzunehmen.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge in Rechtsprechung und Literatur Dazu bedarf es zunächst einer Untersuchung der in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Lösungsvorschläge und ihrer Einordnung in das System täterschaftlicher Haftung.
I. Vermeintliche Mittäterschaft Begonnen wird die Analyse mit dem in der Strafrechtswissenschaft wohl am meisten beachteten Irrtum über die Beteiligungsrolle, dem Irrtum des Mittäters über die Gemeinschaftlichkeit des Handelns. 1. Charakterisierung der vermeintlichen Mittäterschaft und zentrale Fragestellungen Die vermeintliche Mittäterschaft zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Personen arbeitsteilig zusammenwirken, es jedoch an einem von allen Beteiligten getragenen gemeinsamen Tatplan zum Zeitpunkt der Tatbegehung fehlt. Mindestens ein Mittäter hat tatsächlich nicht (mehr) den Willen, den Tatplan umzusetzen, er handelt ohne Vollendungsvorsatz. Dem oder den übrigen Beteiligten bleibt dieses Defizit jedoch verborgen. In seiner oder ihrer Vorstellung dient der Beitrag des scheinbaren Mittäters weiterhin der Verwirklichung eines gemeinsamen Tatplans. Die Beteiligten handeln also nur vermeintlich als Mittäter.11 11 Üblicherweise wird zur Charakterisierung dieser Konstellation von vermeintlicher Mittäterschaft gesprochen, vgl. Buser, S. 127 ff.; Erb, NStZ 1995, S. 424 ff.; Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213 ff.; Heckler, GA 1997, S. 72 ff.; Küpper/
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge17
Bei einer solchen nur scheinbaren Beteiligung lassen sich verschiedene Problemkomplexe unterscheiden. Zum einen ist fraglich, wie sich die stille Lossagung des vermeintlichen Mittäters auf dessen Strafbarkeit auswirkt. Haben die übrigen Mitwirkenden den gemeinsamen Tatentschluss plangemäß umgesetzt, stellt sich die Frage, ob diese Handlungen auch dem scheinbaren Mittäter zugerechnet werden können oder ob seine Abstandnahme im Vorbereitungsstadium die Zurechnungsgrundlage beseitigt.12 Weil Erkenntnisziel dieser Arbeit allein die Auswirkungen eines Irrtums über Täterschaftsvoraussetzungen sind, soll diese Fallkonstellation nicht Gegenstand der Untersuchung sein. Es soll vielmehr darum gehen, zu analysieren, welche Auswirkungen die irrtümliche Vorstellung der übrigen Mitwirkenden, auch der scheinbare Mittäter sei weiterhin zur gemeinsamen Tat entschlossen und sein Tatbeitrag diene der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans, auf ihre Strafbarkeit hat. Veranschaulichen lässt sich diese Konstellation anhand des sog. Klingelfalls13: B und C hatten vereinbart, die Eheleute D zu überfallen und auszurauben. Hierzu gewannen sie A, der zunächst seine Bereitschaft zur Mitwirkung zusagte. Ob er tatsächlich mitwirken wollte oder seine Zusage nur zum Schein gab, blieb ungeklärt. Später offenbarte er sich der Polizei und war jedenfalls von diesem Zeitpunkt an nicht (mehr) bereit, sich an der geplanten Tat zu beteiligen. Er informierte die Polizei über den Stand der Planung, während er B und C in dem Glauben ließ, dass er die Tat zusammen mit ihnen ausführen werde. Nach dem Tatplan sollte A an der Haustür klingeln und Frau D, die voraussichtlich öffnen würde, überwältigen. B sollte dann sofort in die Wohnung stürmen, Herrn D in seine Gewalt bringen und ihn fesseln. Danach sollte C hinzukommen und die Eheleute zur Herausgabe des Tresorschlüssels oder zur Abgabe der Zahlenkombination für den Tresor zwingen. Am 10. April 1992 fuhren A, B und C zum Tatort. Während C im Pkw blieb, ging A, gefolgt von B, zur Haustür und klingelte. Dies war für die Polizei das Zeichen zum Zugriff; sie nahm B und C sogleich fest.14 Mosbacher, JuS 1995, S. 488 ff.; Zopfs, Jura 1996, S. 19 ff. Synonymisch kann auch von scheinbarer Mittäterschaft gesprochen werden, vgl. Ingelfinger, JZ 1995, S. 704 ff.; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 471. Allein Gorka, S. 165 ff. und 181 ff. verwendet die Begriffe nicht synonymisch, sondern zur Charakterisierung unterschiedlicher Varianten. Dies kann jedoch nicht überzeugen, steht doch hinter allen Varianten – wie noch zu zeigen sein wird – dieselbe Grundfrage. Zudem müsste dann konsequenterweise für jede der mehr als zwei Varianten ein unterschiedlicher Begriff verwendet werden, sodass dadurch mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen würde. 12 Hierzu BGHSt 37, 289; Eisele, ZStW 112 (2000), S. 745 ff.; Erb, JuS 1992, S. 197 ff.; Fricke, S. 75 ff.; Hauf, NStZ 1994, S. 263 ff.; Herzberg, JZ 1991, S. 856 ff.; Rengier, JuS 2010, S. 281, 286 ff.; Roxin, JR 1991, S. 206; ders., in: FS Frisch (2013), S. 613; Stein, StV 1993, S. 411. 13 BGHSt 39, 236. 14 BGHSt 39, 236, 237.
18
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
A war hier allenfalls bis zur Offenbarung gegenüber der Polizei zum gemeinschaftlichen Raub entschlossen, danach ist sein Handeln nur noch von dem Willen getragen, zur Festnahme von B und C beizutragen. Diese dagegen nehmen irrtümlich an, die Ausführungshandlung des A, das Klingeln, diene der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans. Entscheidend ist daher, wie sich die Distanzierung des A auf die Strafbarkeit von B und C auswirkt. Hätten sie bereits selbst Ausführungshandlungen vorgenommen, wäre die Beurteilung vergleichsweise einfach. Es handelte sich um eine klassische Konstellation des untauglichen Versuchs, denn der Mittäter glaubt in diesem Fall, mit seiner Ansatzhandlung zur gemeinschaftlichen Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar anzusetzen, während eine gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung tatsächlich wegen der fehlenden Bereitschaft der anderen Mittäter, an der gemeinsamen Tat mitzuwirken, von vornherein unmöglich ist. Weil der Täter jedoch durch eigenes Verhalten die Versuchsschwelle überschritten hat, verwirklicht er bereits in eigener Person die Tatbestandsvoraussetzungen dieses untauglichen mittäterschaftlichen Versuchs. Deshalb ist es in dieser Konstellation unschädlich, dass die Voraussetzungen der Mittäterschaft nur in der Vorstellung des Täters vorliegen.15 Sie erfüllen in dieser Variante der scheinbaren Mittäterschaft nicht die Funktion, die Verantwortung für ein fremdhändig vollzogenes Außenweltgeschehen zu begründen, sondern bedingen nur die Untauglichkeit des gemeinschaftlich begangenen Versuchs. Bedeutung erlangt die Frage, ob ein allein in der Vorstellung der Komplizen tatplangemäßes Verhalten deren Strafbarkeit begründen kann, nur dann, wenn die übrigen Beteiligten – wie im Beispielsfall – in eigener Person keinen Ausführungsbeitrag leisten. Denn in diesen Fällen ist entscheidend, ob auch die übrigen Beteiligten trotz der verborgen gebliebenen Lossagung des vermeintlichen Mittäters vom gemeinsamen Tatplan mit dessen Ansatzhandlung ins Versuchsstadium eintreten. Schwierigkeiten bereitet die rechtliche Würdigung dieser Konstellation nur, wenn der Vorsatz des vermeintlichen Mittäters vor dem Eintritt in das Versuchsstadium entfällt. Distanziert sich der Mittäter erst danach von der Tat, kann er Straffreiheit ohnehin nur nach den Rücktrittsvorschriften erlangen.16 Dass in diesem Fall der Rücktritt keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit der anderen Mitwirkenden hat, ergibt sich bereits aus § 28 II StGB.17 Zu beantworten bleibt daher allein die Frage, wie 15 Im Ergebnis ebenso Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Graul, JR 1995, S. 427, 428; Joerden, JZ 1995, S. 735, 736; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 471; Schönke/ Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55a. 16 So auch Rengier, JuS 2010, S. 281, 286. 17 Fischer, StGB, § 24 Rn. 2; Linke, S. 324; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 28 Rn. 14; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 24 Rn. 4, 49; v. Heintschel-Hei negg-Beckemper, StGB, § 24 Rn. 3.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge19
sich die Lossagung eines Mittäters im Vorbereitungsstadium auf die Strafbarkeit der anderen Mittäter auswirkt. Von vermeintlicher Mittäterschaft kann nur gesprochen werden, wenn der vermeintliche Mittäter seinen Sinneswandel den übrigen Mittätern nicht mitteilt, weil nur dann ein Irrtum der übrigen Beteiligten über die Gemeinschaftlichkeit des Handelns denkbar ist. Es wird daher zu untersuchen sein, ob der Versuchsbeginn ohnehin für jeden Mittäter gesondert zu bestimmen ist, sodass bereits aus diesem Grund eine Versuchsstrafbarkeit ausscheidet oder ob das Überschreiten der Versuchsschwelle nur eines Mittäters auch für alle übrigen den Eintritt in das Versuchsstadium begründen kann.18 Sofern letzteres der Fall ist, muss der Frage nachgegangen werden, ob ein solcher einheitlicher Versuchseintritt trotz des fehlenden Vollendungsvorsatzes des scheinbaren Mittäters auch in den Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft in Betracht kommt.19 Dazu ist zu ermitteln, welche Anforderungen an das mittäterschaftliche Zusammenwirken zu stellen sind, insbesondere um eine Zurechnung fremden Ausführungshandelns als Basis der eigenen täterschaftlichen Verantwortlichkeit legitimieren zu können. Entscheidend ist, ob die spätere Lossagung eines Mittäters nicht nur seinen Vorsatz, sondern auch die Zurechnungsvoraussetzungen entfallen lässt. Wenn wie im Klingel-Fall neben dem scheinbaren Mittäter noch mindestens zwei weitere Mittäter an der Tatplanung beteiligt sind, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob bei Lossagung eines Mittäters zumindest zwischen den übrigen Mittätern ein gemeinsamer Tatplan fortbesteht und ob er die Versuchsstrafbarkeit dieser Mitwirkenden tragen kann.20 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die vermeintliche Mittäterschaft in unterschiedlichen Varianten denkbar ist, so muss beispielsweise nicht einmal wie im Klingel-Fall ein gemeinsamer Tatplan gefasst worden sein, sondern eine scheinbare Mittäterschaft liegt auch vor, wenn ein solcher Tatplan nur in der Vorstellung des Zurechnungssubjekts besteht. Die Rechtsprechung hatte sich mit dieser Konstellation im sog. Münzhändler-Fall21 zu befassen: C erzählte B, ihm sei ein Münzhändler bekannt, der seine Versicherung betrügen wolle. Er machte B den Vorschlag, diesen in seinem Haus zu überfallen und zu berauben; der Münzhändler sei mit allem einverstanden. Nachdem C dem B für seine Mitwirkung 50.000 DM versprochen hatte, erklärte sich B bereit, den Überfall durchzuführen. Die zum Schein zu raubenden Münzen sollten C übergeben werden. C wies B an, gegenüber dem Münzhändler nicht zu erkennen zu geben, dass er wisse, dass dieser dem Überfall zugestimmt habe. Der Münzhändler war allerdings nicht, wie C den B glauben machte, mit dem Überfall einverstanden. Der 18 Siehe
dazu Kap. 1 A. I. 3. b). dazu Kap. 1 A. I. 3. c). 20 Siehe dazu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b). 21 BGHSt 40, 299. 19 Siehe
20
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
geplante „Raub“ wurde von B durchgeführt. Dem bei der Tat gefesselten und in den Waschkeller seines Hauses verbrachten Münzhändler gelang es, sich zu befreien und die Polizei zu alarmieren. Noch am Tattag meldete er seiner Versicherung den Schadensfall.22
Auch in diesem Fall scheint eine Strafbarkeit des B wegen versuchten gemeinschaftlichen Versicherungsbetruges gem. §§ 263, 22, 25 II StGB denkbar, obwohl der Münzhändler tatsächlich Opfer eines Raubes geworden ist, an dem er selbst nicht beteiligt war und somit einen Anspruch gegen die Versicherung auf Auszahlung der Versicherungssumme hatte. Denn der Anruf wäre, hätte tatsächlich ein entsprechender gemeinsamer Tatplan bestanden, eine taugliche Versuchshandlung gewesen, weil damit bereits auf das Vorstellungsbild der Versicherung eingewirkt worden wäre. Damit liegt in Form der Ansatzhandlung des vermeintlichen Mittäters ein möglicher Zurechnungsgegenstand vor. Es stellt sich allerdings auch hier die Frage, ob diese Handlung des vermeintlichen Mittäters den übrigen Mitwirkenden zugerechnet werden kann. Anders als bei einer späteren Lossagung kommt eine Zurechnung in dieser Konstellation nur in Betracht, wenn bereits die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans die Zurechnung tragen kann.23 2. Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters Auch wenn der Fokus der Untersuchung auf dem Irrtum über den Bestand eines gemeinsamen Tatplans und damit auf der Strafbarkeit der übrigen Mittäter liegt, ist eine solche Analyse nicht möglich, ohne vorab zu klären, ob der vermeintliche Mittäter selbst für die von ihm vorgenommene Ansatzhandlung, die als Zurechnungsgegenstand fungieren soll, zu bestrafen ist. Fraglich ist, ob er wegen der objektiv tatplangemäßen Vornahme seines Tatbeitrags strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, obgleich er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr mit dem Willen handelt, die gemeinsame Tat zu vollenden. Auf den ersten Blick erscheint die Beurteilung der Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters eindeutig, fehlt ihm doch der Tatentschluss zum Zeitpunkt seiner Ansatzhandlung.24 Umso mehr verwundert es, dass sich Rechtsprechung und Lehre vergleichsweise schwer tun, das unumstrittene Ergebnis 22 BGHSt
40, 299 f. Teil wird mit der Kritik auch bereits bei der Charakterisierung als Mittäter angesetzt: So wird zu Recht in Zweifel gezogen, ob B im Münzhändler-Fall hinsichtlich des Betruges zum Nachteil der Versicherung tatsächlich Mittäter und nicht bloß Gehilfe ist, vgl. Joecks, wistra 1995, S. 57, 58 f.; Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 558; Küpper/Mosbacher, NJW 1995, S. 488, 489 f.; Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. Dafür aber Marxen, AT, S. 163. Wegen der fehlenden Relevanz für die zu untersuchende Frage ist insoweit auf die genannten Beiträge zu verweisen. 24 So auch Heckler, GA 1997, S. 72, 73 und Ingelfinger, JZ 1995, S. 704. 23 Zum
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge21
der Straflosigkeit des scheinbaren Mittäters zu begründen. So stellt der BGH im Klingel-Fall lediglich fest, dass das Klingeln für A „selbst kein Versuch war“.25 Und im Brandstifter-Fall26 kommt er zu dem Schluss, dass A, sofern er von vornherein nur die Absicht hatte, einen Brandlegungsversuch vorzutäuschen, nicht zur Verwirklichung des Versicherungsbetruges angesetzt hätte.27 In der Literatur wird sogar vertreten, dass nur die Tatsache, dass der vermeintliche Mittäter seinen Beitrag noch im Vorbereitungsstadium unschädlich gemacht habe und damit die Rücktritts- oder rücktrittsähnlichen Grundsätze Anwendung fänden, die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Mittäters auszuschließen vermag.28 Allerdings könnte seine Straflosigkeit nur dann dogmatisch auf ein fehlendes unmittelbares Ansetzen oder gar einen Rücktritt gestützt werden, wenn sich zumindest ein entsprechender Tatentschluss des vermeintlichen Mittäters begründen ließe. In den Fällen, in denen der scheinbare Mittäter zu keinem Zeitpunkt in das deliktische Vorhaben eingeweiht war29 oder von Beginn an keinen Vollendungsvorsatz besaß30, lässt sich ein Tatentschluss keinesfalls konstruieren. In dieser Variante scheitert daher die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Mittäters zwingend bereits am fehlenden Tatentschluss. Zweifelhaft ist der Grund der Straflosigkeit allein dann, wenn zunächst ein entsprechender Vorsatz bestand, dieser jedoch vor Eintritt in das Versuchsstadium wieder aufgegeben wurde.31 In diesem Fall könnte der Tatentschluss trotz der Lossagung fortbestehen. Ein bedingter Vorsatz liegt jedenfalls dann weiter vor, wenn der scheinbare Mittäter die Tat zwar nicht mehr selbst vollenden will, es jedoch für möglich hält, dass die übrigen Mittäter den Straftatbestand verwirklichen werden und dies zumindest billigend in Kauf nimmt.32 25 BGHSt
39, 236, 238. MDR 1986, 974: B und C hatten zusammen mit A verabredet, das Werkstattgebäude der von B und C betriebenen Autohandelsfirma in Brand zu setzen, um die Versicherungssumme zu erlangen. A drang vereinbarungsgemäß in die Halle ein, verschüttete dort Benzin, entzündete es aber aus unbekannt gebliebenen Gründen nicht, sodass es zu keinem Brandschaden kam. Mangels anderweitiger Feststellungen des LG ging der BGH zugunsten von B und C davon aus, dass A nur zum Schein auf den Tatplan eingegangen ist, etwa um die im Voraus gezahlte Belohnung zu erhalten. Ausführlich zu diesem Fall in Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (1) (a). 27 BGH MDR 1986, 974. 28 Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435, 439. Träfe dies zu, ergäbe sich bereits aus § 28 II StGB, dass dieser für die Strafbarkeit der übrigen Mittäter ohne Belang ist, vgl. auch bereits Fn. 17. 29 Zu dieser Konstellation s. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). sowie Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (cc). 30 Vgl. hierzu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). sowie Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (bb). 31 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). und Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa). 32 Vgl. dazu m. w. N. Fad, S. 121. 26 BGH
22
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Die meisten Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft zeichnen sich aber dadurch aus, dass bislang nur der scheinbare Mittäter Ausführungshandlungen vollzogen hat, die übrigen Beteiligten jedoch untätig bleiben. Aufgrund seines fehlenden Vollendungsvorsatzes wird der scheinbare Mittäter jedoch nur handeln, wenn er sicher ist, dass damit das geschützte Rechtsgut nicht gefährdet wird, der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges also von vornherein ausgeschlossen ist, bspw. weil er die Polizei verständigt hat. Er nimmt also zum Zeitpunkt der Ansatzhandlung den Erfolg gerade nicht billigend in Kauf, sondern vertraut auf dessen Ausbleiben. Ein Tatentschluss ließe sich nur begründen, wenn sich dieser auf den zunächst im Vorbereitungsstadium bestehenden Vorsatz stützen ließe. Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen würden dann zeitlich auseinanderfallen. Dies verstieße jedoch gegen das Koinzidenzprinzip, wonach der Vorsatz während der Ausführungshandlung vorliegen muss.33 Da dieses beim Versuch ebenso wie bei der Vollendung gilt, muss der Vorsatz zwingend zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens fortbestehen.34 Etwas anderes könnte sich allenfalls aus den Besonderheiten des mittäterschaftlichen Delikts ergeben. Allerdings handelt es sich bei dem Tatentschluss um eine individuelle subjektive Voraussetzung der Strafbarkeit, die für jeden Mittäter separat zu bestimmen und unabhängig von den spezifischen Anforderungen der Mittäterschaft ist. Dies spricht dagegen, den Zeitpunkt des Tatentschlusses beim Mittäter anders zu bestimmen als beim Alleintäter. Eigenheit der mittäterschaftlichen Tat ist, dass jeder Mittäter jeweils nur einen Teil der Tat eigenhändig verwirklicht. Aus diesem Grund lässt sich der Zeitpunkt der Tat bei der Mittäterschaft nicht ebenso eindeutig ermitteln wie bei der Alleintäterschaft. Unklar ist, ob relevanter Zeitpunkt für den Vorsatz bei der gemeinschaftlichen Tatbegehung allein die Vornahme des eigenen Tatbeitrags oder die Gesamttat ist.35 Auch mit dieser Schwierigkeit kann eine Vorverlagerung des Vorsatzzeitpunktes allerdings nicht gerechtfertigt werden, denn in den zu untersuchenden Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft wurde jeweils nur ein Beitrag vorgenommen, nämlich der des scheinbaren Mittäters. Gerade zu diesem Zeitpunkt fehlte jedoch ein entsprechender Tatbestandsvorsatz. 33 Grundsätzlich zum Koinzidenzprinzip BGH JZ 1983, 864; BGH NStZ 2004, 201, 202; BGH NStZ 2010, 503; Kühl, AT, § 5 Rn. 20; Roxin, AT I, § 12 Rn. 89; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 48 f., die insoweit vom Simultanitätsprinzip sprechen. 34 Zur Anwendbarkeit auch auf den Tatentschluss beim Versuch BGH NStZ 2002, 309; BGH NStZ-RR 2008, 139; Angerer, S. 87 ff.; Fad, S. 121 f.; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 13. 35 Zu diesem Problem ausführlich Fad, S. 122 ff. und Graul, in: GedS Meurer (2002), S. 89, 91.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge23
Damit kann auf den zunächst im Vorbereitungsstadium bestehenden Vorsatz zur Begründung der Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters nicht abgestellt werden, sodass auch im Falle eines erst nachträglichen Vorsatzentfalles der scheinbare Mittäter bereits aufgrund des fehlenden Tatentschlusses straflos ist. 3. Strafbarkeit der übrigen Beteiligten wegen mittäterschaftlichen Versuchs Zentrales Problem der vermeintlichen Mittäterschaft ist nun, wie sich dieser Entfall des Tatentschlusses auf die Strafbarkeit der übrigen Mittäter auswirkt. Weil der vermeintliche Mittäter kein Interesse (mehr) daran hat, dass es zur Tatbestandsverwirklichung kommt, bildet Schwerpunkt dieser Untersuchung und auch der bisherigen Diskussion zur vermeintlichen Mittäterschaft dabei die Frage, ob die übrigen Mittäter sich wegen mittäterschaftlichen Versuchs strafbar machen.36 a) Anwendbarkeit der Versuchsregeln Möglicherweise können die Versuchsregeln auf die nur vermeintliche Mittäterschaft bereits gar nicht angewendet werden. Bloy geht davon aus, die scheinbare Täterschaft sei nicht erst eine Frage des unmittelbaren Ansetzens, sondern bereits der Anwendbarkeit der Versuchsregeln.37 Dem liegt der Gedanke zugrunde, § 22 StGB erfasse in Verbindung mit § 25 II StGB als Versuch in Mittäterschaft nur den Fall einer tatsächlichen und nicht den einer nur scheinbaren Mittäterschaft. Der Anwendungsbereich des § 22 StGB dürfe daher nicht auf die Beteiligungsformen erstreckt werden. Der strafbare Versuch nach § 22 StGB sei nur die täterschaftlich begangene versuchte Straftat, nicht aber die in versuchter Täterschaft begangene Straftat.38 Auch Kühne sieht in der Strafbarkeit des irrenden Mittäters in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der Mittäterschaft bei dem Ansetzenden nur scheinbar vorliegen, die Einführung einer Strafbarkeit des Versuchs der Mittäterschaft contra legem.39 Die scheinbare Mittäterschaft sei der Versuch einer Beteiligung, der allein nach § 30 StGB strafbar sei. Es fehle zudem an einer nach 36 Zur Frage, ob in bestimmten Konstellationen der vermeintlichen Mittäterschaft auch eine Vollendungs-, Unterlassungs-, Fahrlässigkeits- oder Vorfeldstrafbarkeit gem. § 30 StGB in Betracht kommt, in Kap. 1 B. XII. 2. bzw. Kap. 1 C., E. und F. 37 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 26. 38 Bloy, Beteiligungsform, S. 265. 39 Kühne, NJW 1995, S. 934.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
außen wirksamen Rechtsgutsgefährdung, sodass weder Interesse noch Legitimation der Gesellschaft bestehe, mit Sanktionen zu intervenieren.40 Tatsächlich erscheint fraglich, ob von einem mittäterschaftlichen Versuch auch dann gesprochen werden kann, wenn der Versuchstäter eine mittäterschaftliche Stellung nur in seiner Vorstellung innehat. Zweifelhaft ist aber, ob es sich hierbei tatsächlich, wie Bloy und Kühne postulieren, um eine Frage des Anwendungsbereichs der Versuchsregeln handelt. Kühne verweist insbesondere darauf, dass die versuchte Beteiligung allein in § 30 StGB geregelt sei.41 Dem liegt jedoch die Fehlvorstellung zugrunde, § 30 StGB und der Versuch einer mittäterschaftlichen Deliktsverwirklichung unterschieden sich dadurch, dass im Falle des mittäterschaftlichen Versuchs die Voraussetzungen der Mittäterschaft vorlägen, d. h. ein gemeinsamer Tatplan gefasst wurde, während in den Fällen des § 30 StGB die Mittäterschaft misslinge, es also nicht zu einer Willensübereinkunft komme. Der entscheidende Unterschied ist jedoch vielmehr die Verwirklichungsstufe des geplanten Deliktes. § 30 II Var. 3 StGB verlagert die Strafbarkeit bei einer Einbeziehung Dritter in Planung und Vorbereitung in das Vorbereitungsstadium vor, weil aus der konspirativen geistigen Verbindung eine besondere Gefährlichkeit resultiert.42 Bei einem mittäterschaftlichen Versuch befindet sich das Delikt dagegen bereits im Versuchsstadium. Dieses Stufenverhältnis bei der Verwirklichung des ins Auge gefassten Deliktes ist der Grund für die obligatorische Strafmilderung nach § 30 I S. 2 StGB. Die Frage, ob auch dann, wenn ein Mittäter die Verabredung nur zum Schein eingegangen ist, eine Strafbarkeit der übrigen Mitwirkenden in Betracht kommt, stellt sich dagegen in beiden Fällen gleichermaßen. Auch die Verbrechensverabredung nach § 30 II Var. 3 StGB setzt eine erfolgreiche Verabredung voraus, sodass hier in gleicher Weise wie beim mittäterschaftlichen Versuch ungeklärt ist, wie sich ein innerer Vorbehalt auf die Strafbarkeit der übrigen Beteiligten auswirkt.43 Abgrenzungskriterium beider Institute ist demnach allein das Verwirklichungsstadium des geplanten Deliktes. Jedenfalls dann, wenn der scheinbare Mittäter bereits eine Handlung vorgenommen hat, die bei Zugrundelegung des vorgestellten gemeinsamen Tatplans die Versuchsschwelle überschreitet, ist wegen dieser Ausführungshandlung zu erwägen, ob wegen der begonnenen Verwirklichung der Tat eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt. Die Diskussion allein auf 40 Kühne,
NJW 1995, S. 934. NJW 1995, S. 934. 42 Hinderer, JuS 2011, S. 1072; Kühl, AT, § 20 Rn. 244 f.; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 1; Matt/Renzikowski-Haas/Heger, StGB, § 30 Rn. 1; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 11; Roxin, JA 1979, S. 169 f.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Thalheimer, S. 8. 43 Vgl. dazu Becker, Strafgrund, S. 85 ff.; Fieber, S. 62 ff.; Thalheimer, S. 98 ff. 41 Kühne,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge25
eine Vorbereitungsstrafbarkeit nach § 30 StGB zu beschränken, kann wegen der objektiv tatsächlich vorliegenden Ansatzhandlung nicht überzeugen. Es könnte jedoch der Einwand zutreffen, dass damit contra legem eine Strafbarkeit der versuchten Mittäterschaft eingeführt wird. Allerdings wird die Versuchsstrafbarkeit erwogen, weil eine taugliche Ansatzhandlung in Form des Beitrags des scheinbaren Mittäters vorliegt und sich somit die Frage stellt, ob dieser Beitrag den übrigen Beteiligten zugerechnet werden kann. Die Versuchsstrafbarkeit wird also nicht auf den Versuch einer Verabredung, sondern den Versuch der Rechtsgutsverletzung gestützt. Damit geht auch die Behauptung, es werde contra legem eine Strafbarkeit der versuchten Mittäterschaft eingeführt, fehl.44 Die berechtigte Frage, ob die nur vorgestellte, tatsächlich jedoch gescheiterte der erfolgreichen Mittäterschaft unter Heranziehung der Versuchsgrundsätze gleichgestellt werden kann, ist demnach keine der Strafbarkeit eines solchen Versuchs. Vielmehr geht es darum, zu untersuchen, ob die objektiv gegebene Versuchshandlung auch demjenigen zugeschrieben werden kann, der mit dem Ausführenden nur in seiner Vorstellung durch einen gemeinsamen Tatplan verbunden ist. b) Unmittelbares Ansetzen bei der Mittäterschaft und Bedeutung für die Untersuchung Die übrigen Mittäter gehen in den Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft im Gegensatz zum scheinbaren Mittäter weiter davon aus, es werde zu einer gemeinschaftlichen Tatbegehung kommen, sodass sie über einen Tatentschluss verfügen. Haben sie selbst aber bislang keine über die Vorbereitung hinausgehenden Handlungen vollzogen, ist zweifelhaft, ob sie auch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben.45 Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist dabei von entscheidender Bedeutung für die Frage der Auswirkungen des Vorsatzentfalls beim scheinbaren Mittäter auf die Strafbarkeit der übrigen Mittäter: Die Folgen des Irrtums und des objektiven Fehlens des gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage müssen nur untersucht werden, wenn überhaupt die Möglichkeit bestünde, dass die übri44 Buser,
450.
S. 131; Joerden, JZ 1995, S. 736; Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435,
45 So auch (zumeist ohne Begründung) Bosch, Jura 2011, S. 909, 915 f.; Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 281 f.; Heckler, GA 1997, S. 72 ff.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Kühl, AT, § 20 Rn. 123 f.; Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488, 490 ff.; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 471 f.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 308 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55a; Weißer/Kreß, JA 2003, S. 857, 860; Zopfs, Jura 1996, S. 19 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gen Beteiligten mit der Ansatzhandlung des scheinbaren Mittäters in das Versuchsstadium eintreten. Daher ist zunächst zu klären, wann bei einer mittäterschaftlichen Tatbegehung unmittelbar zur Tat angesetzt wird. aa) Einzellösung Die Vertreter der sog. Einzellösung gehen davon aus, der Versuchsbeginn müsse für jeden Mittäter gesondert auf der Grundlage seines eigenen Handelns bestimmt werden. Jeder Mittäter müsse also – getragen von einem entsprechenden Tatentschluss – selbst unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzen, um Mittäter des Versuchs sein zu können;46 einen einheitlichen Gesamtversuch der Mittäter gäbe es hiernach nicht.47 Die Konsequenz wäre, dass jeder Mittäter bezüglich der gemeinsam verwirklichten Tat je nach Einbindung in den Tatablauf zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt die Versuchsschwelle überschritte. Je nachdem in welchem Verhalten der Beteiligten man den Beginn der Ausführung sieht, kann die Einzellösung somit zu einer Ausweitung bzw. Einengung der Strafbarkeit führen. Stellt man mit Schilling bereits auf die psychische Einwirkung in Form der Verabredung ab, würde der Versuchsbeginn weit nach vorne verlagert.48 Schilling stützt die Einzellösung auf sein kausales Verständnis der Mittäterschaft, nach dem stets die eigene Handlung Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit sei, während die Beiträge der anderen Mitwirkenden bloße Kausalfaktoren darstellen sollen, sodass es einer Zurechnung dieser fremden Beiträge gar nicht bedürfe.49 Die sog. modifizierte Einzellösung fordert dagegen weitergehend ein unmittelbares Ansetzen zur Leistung des eigenen Tatbeitrags oder sogar die Leistung des Beitrags selbst.50 Jeder Mittäter würde hiernach erst mit Vornahme einer eigenen, im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung wesent46 Bloy, Beteiligungsform, S. 266; Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 491; ders., in: FS Frisch (2013), S. 613, 626; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 387; Schilling, S. 104, 112; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 330; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839 ff., 872. 47 Küper, JZ 1979, S. 775, 783. 48 So Schilling, S. 112 ff. Ähnlich auch Kratzsch, JA 1983, S. 578, 587, der zwar auch fordert, dass jeder Mittäter selbst zur Gesamttat ansetzt, es jedoch bereits für ausreichend erachtet, wenn der andere Mittäter am Tatort anwesend ist und damit das Verhalten des Handelnden verstärke. 49 Schilling, S. 104 f. Umfassende Kritik zum kausalen Ansatz Schillings bei Buser, S. 26 ff. 50 Bauer, S. 187 ff.; Bloy, Beteiligungsform, S. 266; Küper, Versuchsbeginn, S. 65 ff.; ders., JZ 1979, S. 775, 784 f., Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 384 ff. und Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 854 ff., 868 ff. Diese Variante der Einzellösung wird als „modifizierte“, vgl. Stoffers, MDR 1989, S. 208, 212, oder „tat herrschaftsorientierte“ Einzellösung bezeichnet, vgl. Rönnau, JuS 2014, S. 109, 110.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge27
lichen Handlung ins Versuchsstadium eintreten. Beiträge im Vorbereitungsstadium sollen hierfür nicht genügen.51 Nach der Einzellösung käme es nicht darauf an, ob die Ausführungshandlung des scheinbaren Mittäters den übrigen Beteiligten zugerechnet werden kann; entscheidend wäre vielmehr allein, ob die von den Mitgenossen selbst vorgenommenen Beiträge die Versuchsschwelle überschritten. Die meisten Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft zeichnen sich jedoch gerade dadurch aus, dass – über die bloße Verabredung zur gemeinschaftlichen Tatbegehung hinaus – von den anderen Mitwirkenden noch keine Handlungen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung vorgenommen wurden, sie insbesondere auch ihren mittäterschaftlichen Tatbeitrag noch nicht erbracht haben.52 Folgt man der modifizierten Einzellösung, scheitert daher bereits an diesem fehlenden Beitrag im Ausführungsstadium die Strafbarkeit der Mitgenossen, sodass es auf die Auswirkungen ihrer Irrtümer gar nicht ankäme. Ließe man dagegen mit Schilling auch eine psychische Bestärkung in Form der Verabredung als eigene Versuchshandlung genügen, könnte zumindest dann, wenn es tatsächlich zu einer Willensübereinkunft gekommen ist, eine Versuchsstrafbarkeit der anderen Beteiligten erwogen werden. Bei diesem Verständnis der Einzellösung wird der Versuchsbeginn gegenüber demjenigen des Alleintäters für den einzelnen Mittäter nach vorne verlagert, denn Handlungen, die unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen, hat der Mittäter noch nicht vorgenommen. Vielmehr kann zwischen der Verabredung und der Umsetzung des Tatplans ein erheblicher Zeitraum liegen. Somit wäre diese Handlung bei einem Alleintäter noch nicht als unmittelbares Ansetzen zu werten. Diese Vorverlagerung der Strafbarkeit ließe sich allein mit dem besonderen Gefährdungspotential der gemeinschaftlichen Begehung einer Straftat rechtfertigen. Daher müsste sich eine solche Einzellösung ebenso die Frage stellen, ob die Vorverlagerung der Strafbarkeit auch dann gerechtfertigt ist, wenn ein gleichgerichteter Vorsatz tatsächlich fehlt, die Willensübereinkunft vielmehr nur zum Schein eingegangen wurde.53 Somit lässt sich festhalten, dass zumindest bei Zugrundelegung der modifizierten Einzellösung die Strafbarkeit der übrigen Mittäter bereits an ihrer fehlenden eigenen Ausführungshandlung und damit am unmittelbaren Ansetzen scheitert. Auf die Auswirkungen ihres Irrtums käme es also nach dieser An51 Roxin, in: FS Frisch (2013), S. 613, 626; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 384 ff.; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 854 ff., 868 ff. 52 Siehe bereits oben Kap. 1 A. I. 1. 53 Diese Unterscheidung der verschiedenen Spielarten der Einzellösung wird in der Literatur zumeist nicht vorgenommen. Vielmehr wird nur pauschal darauf verwiesen, das Problem der vermeintlichen Mittäterschaft stelle sich bei Zugrundelegung der Einzellösung nicht, vgl. Heckler, GA 1997, S. 72, 73 m. Fn. 6; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Roxin, AT II, § 29 Rn. 314.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sicht gar nicht mehr an. Für die strenge Einzellösung gilt dies dagegen nicht in gleicher Weise. bb) Gesamtlösung54 Fraglich ist jedoch, ob eine separate Bestimmung des Versuchsbeginns, wie sie die Einzellösung favorisiert, dem Charakter der Mittäterschaft in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Dies bestreitet die sog. Gesamtlösung. Sie stützt sich dabei auf § 25 II StGB, der die Mittäterschaft als eine Form der Täterschaft beschreibt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass mehrere die Straftat gemeinschaftlich begehen. § 25 II StGB wird als Zurechnungsregel verstanden: Sofern zwei Personen eine Straftat gemeinschaftlich begehen, müssen sich die Mittäter ihre wechselseitigen Tatbeiträge zurechnen lassen, so als ob sie diese in eigener Person begangen hätten.55 Diesen Gedanken der wechselseitigen Zurechnung fremder Tatbeiträge wollen die Vertreter der sog. Gesamtlösung56 auch auf die Frage des unmittelbaren Ansetzens bei der Mittäterschaft übertragen. Sobald ein Mittäter die Versuchsschwelle der gemeinschaftlichen Tat überschreite, begründe dies auch für die übrigen Mittäter den Versuchsbeginn, da jedem Mittäter das Verhalten des anderen so zugerechnet werde, als ob er es selbst begangen hätte.57 Dahinter steht die Idee einer Gesamttat der Mittäter, deren Versuchsqualität dann auch für alle Genossen einheitlich zu bestimmen sei.58 Dieser Gesamttat-Gedanke fungiert 54 Grundlegend zur Gesamtlösung und dem ihr zugrundeliegenden Verständnis der Mittäterschaft Buser, S. 16 ff.; Küper, Versuchsbeginn und Stoffers, MDR 1989, S. 208, 211 ff. Der Begriff „Gesamtlösung“ stammt von Schilling, Verbrechensversuch. 55 Haft, AT, S. 205; Kraatz, S. 217; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 612, 621; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 155; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 6; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 77; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 107. Kritisch Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 852 ff. Auch Roxin, AT II, § 25 Rn. 257 nimmt an, einer Zurechnung fremden Verhaltens bedürfe es bei der Mittäterschaft nicht, vielmehr sei Grund der mittäterschaftlichen Haftung die eigene Mitherrschaft des Mittäters über die Gesamttat. Zu diesem allerdings rein konstruktiven Unterschied auch Weißer, S. 367 f. Ausführlich dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). 56 Auch die Rspr. vertritt in st. Rspr. die Gesamtlösung, vgl. RGSt 58, 279; RGSt 66, 141, 143; RGSt 77, 172, 175; BGHSt 11, 268, 272; BGH GA 1980, 24 f.; BGH NStZ 1981, 99; BGH MDR 1986, 974; BGH wistra 1987, 26, 27; BGHSt 36, 249 ff.; BGHSt 39, 236, 237 f.; BGHSt 40, 299, 301. 57 Ahrens, JA 1996, S. 664, 665; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 79; Fad, S. 90; Geppert, JK 1995, StGB § 25 II/9b; Graul, JR 1995, S. 425, 429; Hauf, AT, S. 130; Küper, Versuchsbeginn, S. 13, 17; ders., JZ 1979, S. 775, 776; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462; Otto, JA 1980, S. 641, 646; ders., Grundkurs Strafrecht, § 21 Rn. 125; Vogler, ZStW 98 (1986), S. 331, 342. 58 Jakobs, AT, § 21 Rn. 61; Küper, Versuchsbeginn, S. 17; ders., JZ 1979, S. 775, 777; Stoffers, MDR 1989, S. 208, 213. Kritisch hierzu Schilling, S. 73 f., 104.
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dabei zum einen als Haftungsprinzip, das die Möglichkeit bieten soll, die individuelle Versuchshandlung eines oder mehrerer Beteiligter auch als Teilverwirklichung des gemeinsamen Deliktes zu begreifen und deshalb allen Beteiligten zuzurechnen. Zum anderen wird er aber auch bereits zur Versuchsbestimmung herangezogen: Ob die Einzelhandlung eines Mittäters die Versuchsschwelle überschreite, lasse sich nicht wie beim Einzeltäter bestimmen, sondern müsse vor dem Hintergrund der geplanten Gesamttat ermittelt werden. Eine Versuchshandlung soll daher bereits dann vorliegen, wenn sich die Handlung als Beginn einer gemeinsamen Tat begreifen lasse, auch wenn sie für sich gesehen den Anforderungen des § 22 StGB nicht entspricht.59 Grund sei, dass die Koordination der Einzelwillen und Einzelakte in einem gemeinschaftlichen Werk dem Handeln eine neue Qualität für die strafrechtliche Bewertung verleihe.60 Weil nach der Gesamtlösung auch die übrigen Beteiligten mit der Ansatzhandlung des vermeintlichen Mittäters in das Versuchsstadium eingetreten sein könnten, sofern ihnen diese mittäterschaftlich zugerechnet werden kann, kommt es hiernach entscheidend darauf an, wie sich die Divergenz zwischen objektiver Lage und subjektiver Vorstellung der Mitwirkenden auf die Zurechnungsvoraussetzungen auswirkt. Es stellt sich die Frage, ob eine Zurechnung fremden Ausführungshandelns auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Handelnde tatsächlich nicht (mehr) mit dem Willen handelt, die gemeinschaftliche Tat zu begehen. cc) Stellungnahme Demnach entfaltet sich die Problematik der vermeintlichen Mittäterschaft erst bei Zugrundelegung der Gesamtlösung in vollem Umfang. Daher gilt es zu klären, welche Lösung vorzugswürdig ist. (1) Wortlaut des § 22 StGB Möglicherweise lässt sich bereits dem Wortlaut des § 22 StGB entnehmen, dass auch bei der Mittäterschaft der Versuchstäter selbst zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzen muss.61 Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, „wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt“. Diese Formulierung spricht dafür, dass jeder 59 Küper,
Versuchsbeginn, S. 22; ders., JZ 1979, S. 775, 777. Versuchsbeginn, S. 53 f. 61 So Bauer, S. 189; Kratzsch, JA 1983, S. 578, 587; Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 493; ders., in: FS Frisch (2013), S. 613, 627. Vgl. auch Gorka, S. 77. 60 Küper,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Versuchstäter selbst Handlungen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung vorgenommen haben muss. Dies lässt jedoch außer Acht, dass § 22 StGB ebenso wie alle Tatbestände des Besonderen Teils zunächst auf den Regelfall der Alleintäterschaft zugeschnitten ist. So kann seinem Wortlaut nach Täter des § 249 StGB auch nur sein, wer sowohl die Nötigungs- als auch die Wegnahmehandlung vornimmt.62 Dennoch wird niemand behaupten, dass dies die Mittäterschaft ausschließt; § 25 II StGB modifiziert insoweit die Straftatbestände des Besonderen Teils. Dann muss jedoch § 22 StGB in derselben Weise gelesen werden. Auch er regelt seinem Wortlaut nach nur den Versuch des Alleintäters und muss unter Berücksichtigung des § 25 II StGB an die Mittäterschaft angepasst werden. Der neuralgische Punkt ist, ob der Charakter der Mittäterschaft eine solche Modifikation der allgemeinen Versuchsgrundsätze erforderlich macht. Diese Frage kann jedoch mit dem Wortlaut des § 22 StGB, der zunächst nur den Alleintäter betrifft, nicht beantwortet werden.63 (2) Einwand des Gesinnungsstrafrechts Weiter wird für eine separate Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens angeführt, die Gesamtlösung bestrafe den Mittäter, der selbst noch nicht gehandelt hat, allein für seinen noch nicht realisierten Tatentschluss.64 Würde tatsächlich auf eine Manifestation des Tatentschlusses und damit ein objektives Element des Versuchs verzichtet, wäre der Einwand eines bloßen Gesinnungsstrafrechts, das dem deutschen Strafrecht fremd ist, tatsächlich schwer zu leugnen. Strafgrund des Versuchs ist der rechtserschütternde Eindruck, den die Betätigung des verbrecherischen Willens in der Allgemeinheit hinterlässt,65 sodass der gemeinsame Tatentschluss im Gegensatz zur Verbrechensverabredung beim mittäterschaftlichen Versuch schon betätigt worden sein, die Verletzung des geschützten Rechtsgutes also unmittelbar bevorstehen muss.66 Allerdings ist damit noch nicht begründet, warum diese Betätigung auch durch jeden Einzelnen selbst erfolgen muss.67 Auf eine rechtsgutsgefährdende An62 So bereits Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 143; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 619. 63 Gegen das Wortlaut-Argument auch HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 34; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 619; Kühl, AT, § 20 Rn. 125; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 110. 64 Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 385. In diese Richtung auch Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 864, die ebenfalls die Ausübung der Tatherrschaft fordert. Dagegen Fad, S. 89 und Küper, Versuchsbeginn, S. 69, die davon ausgehen, der rechtsfeindliche Wille des Untätigen habe sich bereits in dessen Beteiligung an der Deliktsplanung und der Mitwirkung am gemeinsamen Tatentschluss manifestiert. 65 Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, Vor § 22 Rn. 22 mit umfangreichen w.N. 66 Umfassend dazu noch in Kap. 1 B. VII. 67 Ähnlich kritisch auch Gorka, S. 84 f.
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satzhandlung soll auch bei einer einheitlichen Versuchsbestimmung nicht verzichtet werden, vielmehr muss als Zurechnungsgegenstand auch nach der Gesamtlösung stets ein Beitrag vorliegen, welcher der Verwirklichung der Gesamttat unmittelbar vorgelagert ist und damit den gemeinsam gefassten verbrecherischen Willen nach außen manifestiert. Auch die Gesamtlösung bestraft die übrigen Mittäter also nicht wegen ihrer jeweiligen Tatentschlüsse, sondern wegen der Ausführungshandlung, die aufgrund des arbeitsteiligen Vorgehens auch allen übrigen Mittätern zugerechnet wird. Damit ist der Einwand zirkulär: Eine Zurechnung der Ausführungshandlung soll deshalb ausscheiden, weil beim einzelnen Mittäter letztlich nur ein Tatentschluss, nicht aber eine Ansatzhandlung vorliege. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Ansatzhandlung des Mitgenossen nicht auch den anderen Mittätern zugeschrieben werden kann. Hinzu kommt, dass sich mit dieser Annahme auch nur schwer begründen ließe, warum bei der Vollendung jeder Mittäter für die ganze Tat verantwortlich ist, auch wenn er bei einem gemeinschaftlichen Raub gem. § 249 StGB nur den Nötigungsteil selbst verwirklicht hat. Denn auch in diesem Fall bezieht sich zwar der Vorsatz des Mittäters auf die Wegnahme, er hat diesen jedoch ebenfalls nicht selbst betätigt. (3) Möglichkeit einer getrennten Bestimmung des Versuchsbeginns Gegen die Einzellösung wird eingewandt, sie berücksichtige nicht hinreichend, dass die Mittäter eine gemeinschaftliche Tat begehen und damit eine Übertragung der zum Alleintäter entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres möglich sei, soll nicht auch der handelnde Mittäter straflos sein. Dieser habe selbst keinen Vorsatz bezüglich der ganzen Straftat, weil ein Teil der Tat durch einen anderen begangen werden soll.68 Somit könne ohne die Hinzunahme der Beiträge der übrigen Mittäter eine Versuchsstrafbarkeit des handelnden Mittäters nicht angenommen werden, weil es ihm am Versuchsvorsatz in Bezug auf den gesamten objektiven Tatbestand fehle.69 Daraus wird gefolgert, dass eine separate Bestimmung des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft per se unmöglich sei, sodass bereits deshalb das Versuchsstadium nur einheitlich durch alle Mittäter erreicht werden könne. Warum aber aus der Notwendigkeit, den Tatentschluss auf das mittäterschaftliche Gesamtvorhaben zu beziehen, zwingend folgen soll, dass auch das unmittelbare Ansetzen als objektives Versuchselement einheitlich zu bestimmen ist, bleibt offen. Richtig ist, dass der Tatentschluss jedes Mittäters nur vor dem Hintergrund des gemeinsamen Tatplans bestimmt werden kann, weil sein Vorsatz 68 Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 466 f. Ähnlich auch Küper, Versuchsbeginn, S. 68 f. Kritisch dazu Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 841 f. 69 Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 466.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
stets auf die eigenhändige Teilverwirklichung einer gemeinsamen Tat gerichtet ist. Dies ziehen indes auch die Vertreter der Einzellösung nicht in Zweifel, denn die Tat ist bei der Mittäterschaft die gemeinschaftlich und arbeitsteilig begangene Tat und nicht nur der einzelne Tatbeitrag. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass auch der Versuchsbeginn für alle Mittäter einheitlich zu bestimmen ist. So könnte ebenso die Vorstellung jedes Einzelnen bezüglich der gemeinsamen Tat zugrunde gelegt, dennoch aber eine individuelle Ansatzhandlung gefordert werden.70 (4) Fehlende Tatherrschaft Für die Einzellösung wird geltend gemacht, ein täterschaftlicher Versuch erfordere, dass der Versuchstäter Tatherrschaft innehabe; diese bestehe aber erst mit der Leistung des eigenen Tatbeitrags im Ausführungsstadium.71 Wenn bei der vollendeten Tat die Mittäter das Ausführungsstadium gemeinsam beherrschen müssen, könne im Versuchsstadium nichts anderes gelten.72 Diese auch für den Versuch erforderliche Mitherrschaft sei jedoch nur durch eigenes Tätigwerden im Ausführungsstadium zu erlangen.73 Ließe sich ihr Zurechnungsmodell tatsächlich nicht mit der Tatherrschaftslehre vereinbaren, läge hierin ein kaum zu entkräftender Einwand gegen die Gesamtlösung. Ob die Tatherrschaftslehre tatsächlich dazu Anlass gibt, einer modifizierten Einzellösung den Vorzug einzuräumen, hängt davon ab, worauf sich die Tatherrschaft des Mittäters stützt und ob sie daher tatsächlich erst mit Leistung des eigenen Tatbeitrags bestehen kann. Außerdem kann diese Argumentation nur überzeugen, sofern die Täterschaft auch beim Versuch überhaupt nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei der Vollendung. Tatherrschaft meint das In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs, die faktische Möglichkeit jederzeitiger tatbestandsgestaltender Steuerung.74 Einen Täter zeichnet aus, dass er die Tatbestandserfüllung nach seinem Willen ablaufen, hemmen oder abbrechen kann.75 auch Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 841 f. Beteiligungsform, S. 266; Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 492; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 386; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 862 f., 872. Vgl. dazu auch Fad, S. 83 ff. 72 Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 492. 73 Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 492; Schilling, S. 108 ff. 74 Statt vieler Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 90. Kritisch Marlie, Unrecht, S. 179 f.; Rotsch, S. 417; Schlehofer, in: FS Herzberg (2008), S. 355, 360 ff. Zu alternativen Erklärungsansätzen vgl. Marlie, Unrecht, S. 180 ff. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesen Konzepten würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, weshalb die Kritik rein systemintern erfolgen soll. 75 SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 13 m. w. N. 70 So
71 Bloy,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge33
Zum Teil wird vertreten, die Tatherrschaftslehre versage bei der Begründung der Mittäterschaft, weil jeder Mittäter stets nur über seinen eigenen Anteil, nicht aber über die Gesamttat Herrschaft habe.76 Dem widerspricht Roxin77: Der Mittäter besitze auch Herrschaft über die Gesamttat, weil jeder, indem er seinen Tatbeitrag zurückzieht, den Gesamtplan zunichtemachen könne. Er bezeichnet diese dritte, selbstständige Form der Tatherrschaft als funktionelle, d. h. tätigkeitsbedingte Tatherrschaft.78 Seine eigene Funktion im Gesamtplan verschaffe dem Mittäter auch Herrschaft über die Gesamttat, weil sie ihn in die Lage versetze, durch seinen Rückzug die Gesamttat zum Scheitern zu bringen. Deshalb wird diese Form der Tatherrschaft auch als „negative funktionelle Tatherrschaft“ bezeichnet.79 Für ein solches Verständnis der Tatherrschaft spricht, dass die Mittäterschaft bereits vom Gesetzgeber in § 25 II StGB als gemeinschaftliche Begehung einer Straftat definiert wird. Eine gemeinschaftliche Begehungsweise charakterisiert, dass nicht ein Einzelner den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführt, sondern dass dieser im Wege der Arbeitsteilung durch mehrere Beteiligte im Zusammenwirken verwirklicht wird. Paradefall einer solchen Arbeitsteilung ist derjenige, dass jedem Mittäter eine unverzichtbare Aufgabe bei der Tatbestandsverwirklichung zuteil wird. Ist dem so, kann keiner die Tat ohne die Beiträge der übrigen verwirklichen. Jeder hat in diesem Fall die Macht, die gemeinschaftliche Tat durch die Nichterfüllung der ihm zugeteilten Funktion zum Scheitern zu bringen. Zumindest dann, wenn nach dem Tatplan jeder mittäterschaftliche Beitrag einen unverzichtbaren Teilakt der Tatbestandsverwirklichung darstellt, besitzt jeder Mittäter eine negative Herrschaft über die Gesamttat. Fraglich ist aber, ob diese negative Hemmungsmacht allein geeignet ist, die tatbeherrschende Stellung des Mittäters zu begründen. Dagegen spricht, dass sie nur in der Lage ist, einen kleinen Ausschnitt der Mittäterschaft zu erklären. Eine Tat begeht nicht nur derjenige gemeinschaftlich, der sich mit einem oder mehreren anderen so gleichberechtigt zusammenschließt, dass jeder Teilakt 76 Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 400 ff.; Haas, JR 2014, S. 104, 109; Schönke/Schröder10-Schröder, StGB, Vor § 47 VIII.5.b), S. 245. Hierzu auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 276 f. 77 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 277 ff. 78 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 280. Diese Terminologie und auch die dahinter stehende Vorstellung von der Tatherrschaft bei der Mittäterschaft wurden in der Literatur weitgehend übernommen, vgl. bspw. Jescheck/Weigend, AT, S. 674; Kühl, AT, § 20 Rn. 99; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 756. Umfassende Nachweise zur Übernahme dieser Konzeption auch bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 719 in Fn. 648. Kritisch hierzu Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 485, der meint, es gehe bei der Mittäterschaft nicht um Tatherrschaft, sondern um Tatzuständigkeit. 79 Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 709 f.; Küper, JZ 1979, S. 775, 786; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 15; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 862. Kritisch Gorka, S. 126; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 484 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gleichermaßen unverzichtbar für das Gesamtprojekt ist. Ein solches Verständnis würde die Mittäterschaft zu einem theoretischen Konstrukt machen, dem kaum praktische Relevanz zukäme, denn für die Mehrzahl der Fälle wird es dem Richter kaum möglich sein, die Unverzichtbarkeit des Teilaktes zu begründen. Dies gilt nicht nur für die Fälle der additiven Mittäterschaft,80 sondern bereits bei einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung, bei der ein Beteiligter das Opfer festhält, während der andere zuschlägt. Auch hier wäre bei einer körperlichen Überlegenheit des Zuschlagenden eine Hemmungsmacht für den festhaltenden „Mittäter“ bereits nicht mehr zu begründen.81 Auch sinkt die Bedeutung des einzelnen Teilakts notwendigerweise, je mehr Beteiligte mitwirken und je weiter die Arbeitsteilung geht.82 In solchen Fällen ist der Beitrag jedes Einzelnen zwar prägend und auch wesentlich, jedoch nicht zwingend unverzichtbar für die Gesamttat.83 Die Nichtleistung des Tatbeitrags erschwert demnach zwar stets die mittäterschaftliche Tat, verhindert sie jedoch nicht immer. Somit ist die negative Hemmungsmacht allein nicht in der Lage, den tatbeherrschenden Einfluss des Mittäters zu erklären.84 Die Hemmungsmacht darf nicht als Verhinderungsherrschaft, sondern nur als Erschwerungs- oder Frustrationsherrschaft verstanden werden. Zu begründen ist deshalb, weshalb die Übernahme einer wesentlichen Handlung in einem deliktischen Geschehen dem Mittäter die Steuerungsmacht über dieses Geschehen insgesamt vermittelt. Bestandteil der Gesamttat sind zum einen der vom jeweiligen Mittäter selbst erbrachte Tatbeitrag und zum anderen die Handlungen der übrigen Mitwirkenden. Über seinen eigenen Tatanteil besitzt er die Handlungs- und Gestaltungsherrschaft, die ihm die Entscheidung über „Ob“ und „Wie“ seines Vorgehens ermöglicht und damit auch eine positive Herrschaft.85 Diese positive Herrschaft besteht aber nur in den Grenzen der ihm durch den Tatplan zugewiesenen Funktion.86 Fraglich ist jedoch, ob der Mittäter auch hinsichtlich der fremdhändig vorgenommenen Teile der Gesamttat eine positive Herrschaftsmacht besitzt. Küper nimmt an, Aufgabenteilung sei zugleich Herrschaftsteilung und damit für den einzelnen Herrschaftsbegrenzung.87 Daraus folge, dass jeder Mittäter 80 Zur Problematik der additiven Mittäterschaft Becker, Additive Mittäterschaft; Knauer, S. 139 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 109; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 194 f.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 229 f. jew. m. w. N. 81 Marlie, Unrecht, S. 157 f. 82 Weißer, S. 335. 83 Weißer, S. 335 ff. 84 So auch Knauer, S. 152 f.; Marlie, Unrecht, S. 158. 85 So auch Küper, JZ 1979, S. 775, 786. 86 Küper, JZ 1979, S. 775, 786. 87 Küper, JZ 1979, S. 775, 786. Zustimmend auch Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 709.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge35
eine positive Herrschaft nur über seinen eigenen Beitrag, nicht aber über die Beiträge der übrigen Mittäter oder die Gesamttat habe.88 Zutreffend ist, dass die Mittäterschaft anders als die mittelbare Täterschaft, bei welcher der Hintermann den Vordermann beherrscht, weil er diesem in Wissen oder Wollen überlegen ist, dadurch gekennzeichnet ist, dass zwei Personen als freie Individuen zusammenwirken.89 Daraus folgt dann auch zwingend, dass jedem Beteiligten die letztendliche Entscheidung über die Erbringung seines eigenen Tatbeitrags selbst vorbehalten ist. Eine positive Herrschaftsmacht auch über die nicht selbst vorgenommenen Handlungen könnte dem Mittäter jedoch aus einem anderen Grund zuteilwerden: Er besitzt hinsichtlich der übrigen Teile der Gesamttat einen wesentlichen psychischen Einfluss.90 Diese psychische Herrschaft gründet sich auf eine „Summe […] willensbeeinflussende(r) Momente“.91 Zum einen schafft der Zusammenschluss Mehrerer eine innere Bindung an das Gesamtvorhaben. So wird jeder seinen Beitrag zur Gesamttat in der Regel nur erbringen, weil er weiß, dass die anderen ihren Beitrag ebenfalls leisten werden, sodass jeder nicht nur für sich, sondern auch für den anderen handelt.92 Damit schafft der gemeinsame Tatplan eine Solidarität zwischen den Mittätern.93 88 So auch Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 709; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 862. Zustimmend Gorka, S. 125. 89 Anders RGSt 58, 279; RGSt 63, 101, 103; RGSt 66, 236, 240; Binding, AT, S. 159; Haas, Tatherrschaft, S. 112 f.; ders., JR 2014, S. 104, 109; Lange, S. 55, 58 ff.; Nowakowski, JZ 1956, S. 545, 549; Sax, ZStW 69 (1957), S. 412, 434 f., die in der Mittäterschaft einen Sonderfall mittelbarer Täterschaft sehen. Buser, S. 55 ff., 58 nimmt zwar ebenfalls an, die mehrseitige Mittäterschaft sei zugleich auch eine wechselseitige mittelbare Täterschaft, diese sei jedoch kein Fall des § 25 I Var. 2 StGB, sondern nur eine anschauliche Betrachtungsweise für die Zurechnungsproblematik innerhalb der mehrseitigen Mittäterschaft. So wie hier Kühl, AT, § 20 Rn. 99; Kraatz, S. 216; Küper, Versuchsbeginn, S. 19 m. Fn. 24; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 13; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 276; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 373 f., 383; Weißer, S. 372. 90 Ebenso Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 710. In der gegenseitigen Motivation sieht auch Puppe, GA 1984, S. 101, 112 sowie dies., ZIS 2007, S. 234, 236 eine wesentliche Rechtfertigung für die Zurechnung fremder Beiträge bei der Mittäterschaft. Zustimmend auch Fad, S. 126 f. und Graul, in: GedS Meurer (2002), S. 89, 98. Eine umfassende Untersuchung der bei der Mittäterschaft wirkenden psychischen und gruppendynamischen Einflüsse findet sich bei Kosmalla, S. 98 ff. und Steckermeier, S. 70 ff. 91 So überzeugend Steckermeier, S. 156. 92 So bereits Welzel, ZStW 58 (1939), S. 491, 551. In neuerer Zeit Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 710 und Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 25 Rn. 9. 93 Fad, S. 127; Herzberg, JuS 1975, S. 35, 37; Kamm, S. 38. Ähnlich auch Gorka, S. 95, der die aufgrund des gemeinsamen Tatentschlusses bestehende „innere Bindung, Hartnäckigkeit und Sicherheit bei jedem einzelnen Tatgenossen“ für besonders gefahrbegründend erachtet.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Mit der Übernahme einer Funktion im Gesamtplan bindet sich der Mittäter zwangsläufig an die Gruppe. Die Hürde, von dem gemeinsamen Vorhaben Abstand zu nehmen, ist beim Zusammenschluss mehrerer ungleich höher als bei einem Alleintäter, denn jeder Mittäter weiß, dass er sich gegenüber den übrigen Mitwirkenden für seinen Ausstieg rechtfertigen muss und mit Unmut zu rechnen hat, sollte er seinen Tatbeitrag schlicht nicht erbringen. Er fühlt sich zudem den übrigen Mitwirkenden gegenüber verpflichtet und dadurch an die getroffene Abmachung gebunden. Durch die Zusage der eigenen Mitwirkung beeinflusst damit jeder Mittäter mittelbar auch die Bereitschaft der Übrigen, am Tatgeschehen mitzuwirken. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zur tatplangemäßen Durchführung kommt und somit das Gefährdungspotential.94 Der Gedanke, dass der Zusammenschluss mehrerer die Bindung des Einzelnen an das deliktische Vorhaben erhöht und damit die Gefahr für das Rechtsgut steigert, legitimiert auch in anderen Vorschriften die Sanktionierung. So wird bspw. durch § 30 II Var. 3 StGB die Verabredung zu einem Verbrechen, die eigentlich im Vorfeld der Tat liegt, kriminalisiert. Begründet wird dies damit, dass die Beteiligten sich durch die Verabredung an die getroffenen Abmachungen gebunden fühlen.95 Dies zeigt, dass auch der Gesetzgeber dem gemeinsamen Tatplan eine tatfördernde Funktion beimisst. Neben dieser inneren Bindung an das Gesamtvorhaben bildet auch die psychische Bestärkung der übrigen Mittäter einen wesentlichen Grund für die Herrschaft jedes Einzelnen über die nicht von ihm verwirklichten Tatteile: So bewirkt der Zusammenhalt und die Solidarität der Gruppe, dass der Einzelne sich gegenseitiger Hilfe und Unterstützung sicher ist und dadurch Hemmschwellen im Hinblick auf die Umsetzung des deliktischen Vorhabens 94 Ebenso Steckermeier, S. 136. Für die Verbrechensverabredung auch bereits Letzgus, S. 126 ff., 130: Die verschiedenartigen suggestiven Einflüsse führten zu einer Verfestigung des kriminellen Willens und einer gegenseitigen Bindung, die die besondere objektive Gefährlichkeit begründeten. Vgl. zu diesem Phänomen des Gruppendrucks ausführlich Jäger, Individuelle Zurechnung, S. 24 ff., insb. 34 ff.; Meindl, S. 139 ff. Dagegen Buser, S. 119, der entgegenhält, dass der Einzelne in seinem Handeln frei bleibe und damit ein bloß psychischer Einfluss kein Mehr an Herrschaft begründen könne. Allgemein zur besonderen Gefährlichkeit von Vereinigungen, Banden und Gruppen Schröder, ZIS 2014, S. 389 ff. und Walther, ZIS 2014, S. 393 ff. Beide Beiträge sind zwar auf längerfristige Zusammenschlüsse bezogen, viele der von Ihnen angesprochenen Aspekte lassen sich aber auch auf kurzfristige Gemeinschaften übertragen. 95 BT-Drucks. IV/650, S. 154; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1. Ebenso Fad, S. 127; Kosmalla, S. 94 ff.; Schlehofer, in: FS Herzberg (2008), S. 355, 367; Stein, StV 1993, S. 411, 414. Umfassend zum Strafgrund der Verbrechensverabredung auch Meindl, S. 145 ff. und Steckermeier, S. 136 ff., auch zur Bedeutung für die Tatherrschaft bei der Mittäterschaft.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge37
abgebaut werden.96 Weil er weiß, dass er zur Not auf die Hilfe der anderen Mittäter vertrauen kann, fühlt er sich in seinen eigenen Fähigkeiten gestärkt und zu deliktischen Handlungen in der Lage, die er sich alleine womöglich niemals zugetraut hätte. Auch die psychische Beihilfe beruht auf dem Gedanken, dass das Bestärken des Tatentschlusses in Form der Vermittlung eines erhöhten Gefühls der Sicherheit die Begehung der Haupttat fördern kann.97 Somit kann auch bei der Mittäterschaft der Willensübereinkunft eine tatfördernde Wirkung nicht abgesprochen werden. Für eine solche Herrschaft ist nicht erforderlich, dass der andere in seinem Handeln vollständig beherrscht wird und damit unfrei handelt. Vielmehr gründet sich die Herrschaft allein auf die Motivationswirkung der Abrede. Der Anerkennung dieser psychischen Herrschaft als Teil der funktionellen Tatherrschaft bei der Mittäterschaft könnte jedoch entgegenstehen, dass sich so anerkannte Fallkonstellationen nicht mehr als Fall der Mittäterschaft begreifen ließen. Namentlich bei der sukzessiven Mittäterschaft handele der eine Genosse zunächst, ohne dass bereits eine Verabredung und damit ein psychischer Einfluss des anderen bestehe und dennoch sollen diesem auch die zuvor vorgenommenen Handlungen zugerechnet werden, obwohl es an einer Motivierung zum Zeitpunkt dieser Beiträge erkennbar fehle.98 Zutreffend ist, dass eine psychische Herrschaft stets erst nach der Fassung des gemeinsamen Tatplans besteht, aber bezüglich der zuvor verwirklichten Tatteile fehlt. Nichtsdestotrotz besteht auch in diesen Fällen ein positiver psychischer Einfluss auf die Gesamttat, weil auch eine sukzessive Mittäterschaft nur in Betracht kommt, wenn die Tat zum Zeitpunkt des Eintritts noch nicht abgeschlossen ist.99 Deshalb besitzt auch der sukzessive Mittäter zumindest über die noch bevorstehenden Tatteile eine entsprechende Herrschaft. Ob eine solche erst später bestehende Tatherrschaft ausreicht, um dem Hinzutretenden auch bereits abgeschlossene Erschwerungsgründe zuzurechnen, ist keine Frage allein der psychischen Herrschaft, sondern auch im Hinblick auf die anerkannte negative funktionelle Tatherrschaft hoch umstritten.100 Auch diese 96 Ebenso Jäger, Individuelle Zurechnung, S. 28 f.; Kosmalla, S. 103; Meindl, S. 136; Steckermeier, S. 113 ff. 97 Vgl. hierzu BGH StV 1982, 517 ff.; BGH NStZ 1999, 609, 610; BGH NStZ 2008, 284; BayObLG NStZ 1999, 627; BayObLG StV 2000, 367, 368; OLG Naumburg NJW 2001, 2034; Baunack, insb. S. 98 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 226 f.; Lackner/ Kühl-Lackner, StGB, § 27 Rn. 4; Osnabrügge, S. 161 ff.; Phleps, Psychische Beihilfe; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 27 Rn. 15. 98 Buser, S. 123. 99 Roxin, AT II, § 25 Rn. 219 ff. 100 Vgl. hierzu die zusammenfassenden Darstellungen bei Geppert, Jura 2011, S. 30, 34 ff.; Grabow/Pohl, Jura 2009, S. 656 ff.; Rengier, JuS 2010, S. 281, 282 f.; Seher, JuS 2009, S. 304, 306 f. Kritisch insb. Gössel, in: FS Jescheck (1985), S. 537 ff.; Heinrich, AT, Rn. 1236 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1198; Kühl, JuS 2002, S. 729, 733;
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gründet sich auf die Zuweisung einer Rolle im Tatgeschehen und besteht daher ebenfalls erst nach der Verabredung. Wenn aber die Anerkennung einer sukzessiven Mittäterschaft kein Problem nur der psychischen Herrschaft, sondern aller Elemente der Tatherrschaft ist, vermag diese die Richtigkeit einer Mehrspurigkeit der Tatherrschaft nicht in Zweifel ziehen. Dagegen, aus der psychischen Bestärkung eine Herrschaft des Mittäters über die Gesamttat abzuleiten, könnte schließlich sprechen, dass diese Bestärkung des Einzelnen in seinem deliktischen Vorhaben bereits durch die psychische Beihilfe erfasst wird und daher möglicherweise nicht zugleich Tatherrschaft begründen kann. Allerdings ist die Intensität der psychischen Beeinflussung bei der Mittäterschaft eine andere, geht es hier doch nicht nur um eine einseitige Verstärkung der Tatbereitschaft, sondern um eine gegenseitige Unterstützung.101 Zudem gründet sich die psychische Beihilfe allein auf die psychische Motivation des Haupttäters, während bei der Mittäterschaft in Form des gemeinsamen Tatplans eine weitere innere Bindung hinzutritt, die das Gesamtvorhaben sichert. Somit übersteigt der psychische Einfluss des Mittäters auf die übrigen Beteiligten den des Gehilfen. Des Weiteren soll die Tatherrschaft des Mittäters nicht allein auf dessen psychischen Einfluss gestützt werden, sondern erst die Frustrationsherrschaft bezüglich der Gesamttat, die positive Herrschaft über den eigenen Tatbeitrag und die psychische Herrschaft zusammen können eine den übrigen Tatherrschaftsformen vergleichbare funktionelle Tatherrschaft begründen. Nur durch eine Kumulation aller Komponenten ergibt sich eine Herrschaft des Mittäters, die ihn vom Gehilfen unterscheidet. So kann auch dem Gehilfen in geringerem Umfang eine Frustrationsmacht zukommen,102 weil er dann, wenn er seinen tatfördernden Beitrag unterlässt, die Haupttat zumindest erschweren kann. Ebenso besitzt auch der psychische Gehilfe einen motivierenden Einfluss auf das Handeln des Haupttäters. Zwar unterscheiden sich auch bereits hinsichtlich der einzelnen Elemente Art und Umfang der Herrschaft von der des Mittäters, entscheidender Unterschied ist jedoch, dass bei der Beihilfe stets nur die eine oder die andere Form der Herrschaft, nicht jedoch beide kumulativ bestehen müssen. So kann Beihilfe entweder darin bestehen, dass Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 25 Rn. 12; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 204 ff.; Murmann, ZJS 2008, S. 456, 459; Otto, Jura 1987, S. 246, 253; Roxin, JA 1979, S. 519, 525; ders., AT II, § 25 Rn. 227; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 377 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 96; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 125. 101 So auch Steckermeier, S. 121. 102 Ähnlich auch Haas, JR 2014, S. 104, 109, der allerdings noch weitergehend annimmt, der Teilnehmer habe eine vergleichbare Hemmungsmacht inne, und dies als Beleg dafür ansieht, dass die Tatherrschaftslehre die Mittäterschaft nicht erklären könne.
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der Gehilfe einen aktiven unterstützenden Beitrag zur Haupttat leistet. In diesem Fall kann er zwar negativ durch Untätigkeit die Haupttat erschweren, weil der Haupttäter von dem Handeln des Gehilfen jedoch gar keine Kenntnis haben muss, fehlt es an der dogmatischen Notwendigkeit einer psychischen Bestärkung. Der psychische Gehilfe bestärkt zwar den Haupttäter, er braucht die Tat aber nicht allein durch seine Untätigkeit wesentlich erschweren können, weil er keinen objektiven Beitrag zur Verwirklichung der Tat leisten muss. Anders als für die Mittäterschaft genügt zur Begründung der Gehilfenstellung also bereits das Vorliegen entweder eines psychischen Einflusses oder einer Frustrationsherrschaft. Dass gleichwohl Überschneidungen möglich sind, insbesondere auch bei der Beihilfe beide Einflüsse zusammentreffen können und sich Mittäterschaft und Beihilfe deshalb nicht immer trennscharf qualitativ abgrenzen lassen, ist der Tatsache geschuldet, dass es sich bei der Tatherrschaft um einen offenen Wertungsbegriff handelt103 und damit kein Einwand gegen das hier vorgeschlagene Begründungsmodell der funktionellen Tatherrschaft. Nur mithilfe eines solchen offenen Wertungsmodells lassen sich die Beteiligungsformen sachgerecht abgrenzen und das Unrecht jeder Mitwirkungshandlung sachgerecht erfassen. Verzichtete man auf eine der Komponenten, würde die Tatherrschaft dagegen zu weit von derjenigen der übrigen Täterformen entfernt, sodass sich eine Gleichstellung schwer rechtfertigen ließe. Damit lässt sich festhalten, dass die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters auf drei Säulen fußt: Zum einen besitzt jeder Mittäter eine Erschwerungsherrschaft über das Gesamtgeschehen, zum anderen einen zumindest psychischen positiven Einfluss auf die Beiträge der übrigen Mittäter und die Gesamttat.104 Daneben besteht eine positive Herrschaft über den eigenen Tatbeitrag, die jedem Mittäter auch eine positive Teilherrschaft über die Gesamttat verleiht. Entscheidend für die Vereinbarkeit der Gesamtlösung mit der Tatherrschaftslehre ist, ob auch die bislang untätigen Mittäter, denen nach der Gesamtlösung die Ansatzhandlung zugerechnet werden soll, das Versuchsgeschehen in diesem Sinne tatherrschaftlich steuern. Die Vertreter der Einzellösung nehmen an, dem nach dem Tatplan erst später hinzutretenden Mittäter fehle bezüglich der Versuchshandlung die für die Tatherrschaft erforderliche negative Hemmungsmacht.105 Dies träfe nur zu, wenn sich die Frustationsherrschaft auf die Versuchshandlung und damit den Beitrag des handelnden Mittäters bezöge. Eine so 103 Vgl. dazu Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 284 f.; Weißer, S. 337. Kritisch Marlie, Unrecht, S. 160 f. 104 Diese Zweispurigkeit arbeitet auch Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 708 ff. heraus. 105 Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 862 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
verstandene Hemmungsmacht bestünde jedoch auch beim vollendeten Delikt nicht. Der einzelne Mittäter kann durch Nichtleistung seines Beitrags die Gesamttat wesentlich erschweren, weil sich der tatbestandsmäßige Erfolg nur durch das Zusammenwirken aller Beiträge plangemäß verwirklichen lässt. Einen Einfluss auf die Beiträge der übrigen Mittäter und die Möglichkeit ihrer Verhinderung hat der Mittäter dagegen nie.106 Durch die Nichterbringung seines Beitrags kann er diesen nur ihren Sinn entziehen. Die negative Tatherrschaft gründet sich vielmehr auf die Funktion des Mittäters für den tatbestandlichen Erfolg. Somit muss sie stets im Hinblick auf das Gesamtgeschehen und nicht die einzelne Handlung bestimmt werden.107 Eine so verstandene negative Tatherrschaft ergibt sich dann aber aus der Verabredung und der danach dem einzelnen Mittäter zuteilwerdenden Rolle.108 Auf das Stadium der Deliktsverwirklichung und die Frage, ob der eigene Beitrag bereits erbracht wurde oder nicht, kommt es demnach gar nicht an, sodass auch der bislang noch untätige Mittäter allein kraft der ihm zugeteilten Aufgabe bereits die negative Tatherrschaft innehat. Auch die positive Herrschaft in Form der psychischen Beeinflussung und Bindung der übrigen Mittäter ergibt sich allein aus der Verabredung und besteht daher auch schon vor Leistung des eigenen Tatbeitrags.109 Sie gründet sich auf die innere Bindung und Solidarität zwischen den Mitwirkenden, die bereits mit der Verabredung zur Tat entsteht. Dem könnte man entgegenhalten, dass auch die gemeinsame Umsetzung der Tat und damit die vom Mittäter zum Ausdruck gebrachte fortdauernde Bereitschaft, seinen Beitrag zur Tat zu erbringen, einen weiteren motivierenden Einfluss auf den Mittäter hat. Auch für einen solchen verstärkenden psychologischen Effekt kommt es jedoch nicht darauf an, ob bereits der eigene Beitrag geleistet wurde, sondern die fortdauernde Tatbereitschaft kann auch in anderer Weise zum Ausdruck gebracht werden, z. B. durch die Anwesenheit am Tatort oder tatplangemäßes Verhalten wie das Begleiten zur Tür im Klingel-Fall.110 Somit kommt es zur 106 So nimmt auch Buser, S. 63 an, dass „unbestrittenermaßen“ keine Hemmungsmacht bezüglich der von den Komplizen unternommenen Handlungen bestehe. 107 Ähnlich Buser, S. 62 ff., der allerdings auch beim vollendeten Delikt auf die subjektiv gewollte Tat abstellen will, die allerdings bei der Vollendung mit dem objektiv verwirklichten Geschehen identisch sei. 108 Küper, JZ 1979, S. 775, 786. 109 Hieran knüpft Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713 an, um zu begründen, dass auch bereits vor Leistung des eigenen Tatbeitrags funktionelle Tatherrschaft bestünde: „Der Einfluss […] auf die Handlungsmotivation des anderen kann […] (den) Mangel an positiver faktischer Herrschaft ausgleichen und (begründet) zusammen mit der Innehabung der negativen Tatherrschaft über den Gesamterfolg das mittäterschaftliche Unrecht.“ 110 Auf die Anwesenheit am Tatort stellt auch die Rspr. in BGHSt 37, 289, 291 f., 293 zur Begründung einer weiteren psychischen Bestärkung des Handelnden ab.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge41
Begründung der psychischen Herrschaft auf die Leistung des eigenen Beitrags ebenfalls nicht an. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der mittäterschaftliche Tatbeitrag sei für die funktionelle Tatherrschaft nicht von Belang. Es wird insbesondere eingewandt, zur Innehabung der Tatherrschaft müsse zwingend auch deren Ausübung und damit die positive Herrschaft über den eigenen Tatbeitrag hinzukommen; fehle es daran, leiste der Mitgenosse lediglich psychische Beihilfe.111 Damit ist nichts anderes gemeint, als dass die funktionelle Tatherrschaft zwingend auch die Handlungsherrschaft zumindest über einen Teil der Tat voraussetzt. Dass diese Grundannahme zutrifft, wurde bereits gezeigt,112 denn nur durch die Kombination aus dieser Herrschaft über den eigenhändig verwirklichten Tatteil und der psychischen Herrschaft erlangt der Mittäter positive Herrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen insgesamt. Erst mit dem Ausfüllen der eigenen Rolle im Geschehen offenbart sich die positive Seite der funktionellen Tatherrschaft, sodass auf die Erbringung eines eigenen Teilakts nicht verzichtet werden kann. Somit ist den Vertretern der Einzellösung darin beizupflichten, dass vor Leistung des eigenen Beitrags keine volle funktionelle Tatherrschaft über das Gesamtgeschehen besteht, weil es an der Handlungs- und Gestaltungsherrschaft zumindest über einen Teil des Geschehens fehlt. Die Forderung, zumindest über einen Teil der Tat müsse eine Gestaltungsherrschaft bestehen, kann jedoch nur bezüglich der Gesamttat erhoben werden. Unklar bleibt deshalb, warum die Bestimmung der Tatherrschaft beim Versuch ohne Begründung denselben Maßstäben wie bei der Vollendung unterzogen wird, obwohl hier die Gesamttat notwendigerweise erst unvollständig verwirklicht ist und daher ein objektives Geschehen, hinsichtlich dessen Herrschaft bestehen könnte, gerade nicht im selben Umfang gegeben ist. Daher ist zu untersuchen, ob beim Versuch überhaupt wie bei der Vollendung Herrschaft über objektives Geschehen gefordert werden kann.113 Nur 111 Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 386 f.; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 864. In diese Richtung argumentieren auch Bauer, S. 190 f., 194 ff.; Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 376 f.; ders., in: FS Kühne (2013), S. 31, 44 f. 112 Siehe Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 113 Von den Vertretern der Einzellösung wird dies weitgehend ohne Begründung angenommen, vgl. bspw. Roxin, AT II, § 29 Rn. 299; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 384 ff.; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 861 ff. Auch die Kritik der Anhänger der Gesamtlösung setzt erst beim Vorliegen der Tatherrschaft auch schon vor Vornahme des eigenen Beitrags an, vgl. Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Küper, JZ 1979, S. 775, 785 ff. Allein Buser, S. 63 f. differenziert zwischen Versuch und Vollendung, wobei er allerdings auch beim vollendeten Delikt nicht auf das objektive Geschehen, sondern die subjektiv gewollte Tat abstellen will. Gorka, S. 134 nimmt sogar an, die Begründung der Tatherrschaft beim Versuch sei ohnehin bloße Fiktion.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
wenn dem tatsächlich so ist, ließe sich aus der mit der Nichtleistung eines eigenen Tatbeitrags einhergehenden fehlenden positiven Steuerungsmacht ableiten, die Gesamtlösung sei nicht mit der Tatherrschaftslehre vereinbar. Die Tatherrschaftslehre verfolgt einen tatbestandsbezogenen Täterbegriff.114 Mit Herrschaft über die Tat ist stets Herrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen gemeint.115 Während dieses bei der vollendeten Tat bereits objektiv verwirklicht ist und somit als Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der Tatherrschaft fungieren kann, charakterisiert den Versuch gerade, dass es an einer vollständigen objektiven Realisierung des Tatgeschehens bislang fehlt. Der Versuch impliziert einen Tatbestandsmangel, denn diesen zeichnet aus, dass allein der subjektive, nicht jedoch der objektive Tatbestand vollständig verwirklicht ist.116 Der Tatentschluss braucht nur in Teilen umgesetzt worden sein. Existiert aber das tatbestandsmäßige Geschehen beim Versuch bislang größtenteils allein in der Vorstellung des Täters, stellt sich die Frage, ob die Beurteilung der Tatherrschaft bei Versuch und Vollendung identisch erfolgen kann. Der Vorwurf, sie sei mit der Tatherrschaftslehre nicht vereinbar, ließe sich der Gesamtlösung nur dann machen, wenn der Versuchstäter über das Versuchsgeschehen im selben Maße funktionelle Tatherrschaft besitzen müsste wie der Täter des vollendeten Delikts über das vollständig realisierte Tatgeschehen. Auch hinsichtlich des Versuchsgeschehens als Ausschnitt der Gesamttat müsste dann jedem Mittäter neben der durch den Zusammenschluss vermittelten psychischen Herrschaft eine Frustrationsherrschaft sowie die Handlungsherrschaft über einen Teil des Versuchsgeschehens zukommen, die sich aus der Leistung eines eigenen wesentlichen Tatbeitrags des Mittäters ergäbe. Die Anforderungen an die Tatherrschaft des Mittäters wären dann unabhängig von der Verwirklichungsstufe der Gesamttat, ändern würde sich nur der Bezugspunkt: Während sich die Beurteilung beim vollendeten Delikt auf das gesamte tatbestandsmäßige Geschehen beziehen würde, wäre beim Versuch der Prüfung nur das Versuchsgeschehen zugrunde zu legen. Das hieße, sämtliche Voraussetzungen der Täterschaft müssten bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein, ohne dass das weitere geplante Geschehen in die Beurteilung einbezogen würde. Damit wäre dann aber kein Gleichlauf, sondern eine Überspannung der Tatherrschaftsvoraussetzungen beim Versuch verbunden. Weil man die Undazu Schild, S. 26. wird die Tatherrschaft auch meist prägnant als das In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehens umschrieben. Vgl. dazu auch bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 116 So prägnant Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 34 ff. 114 Vgl. 115 So
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge43
vollständigkeit des Versuchsgeschehens ausblendete, würden an die Täterschaft bezüglich desselben Tatteils unterschiedliche Anforderungen gestellt, je nachdem ob er Bestandteil einer vollendeten oder nur versuchten gemeinschaftlichen Begehung ist.117 Nimmt man bspw. an, A, B und C haben vor, den O auszurauben, indem A sich zunächst des O bemächtigt, damit B diesen dazu nötigen kann, ihm die Kombination für seinen Tresor preiszugeben, den C dann ausräumen soll. Besitzt O nun eine Alarmanlage und schreitet die Polizei deshalb unmittelbar nach der Bemächtigungshandlung des A ein, müsste man die Strafbarkeit von B und C wegen mittäterschaftlichen Versuchs verneinen, weil sie keinen für das Versuchsgeschehen wesentlichen Tatbeitrag erbracht haben und ihnen daher nach dem Verständnis der Vertreter der Einzellösung die Tatherrschaft fehlt. Kommt es aber zur plangemäßen Verwirklichung der Tat, würden auch diese die Tatherrschaft von B und C bejahen, weil sie nun ihren Beitrag geleistet haben. Dass ihre Beiträge dem des A zeitlich nachgelagert erbracht wurden und ihnen somit zuvor die Tat herrschaft fehlte, steht bei der vollendeten Tat somit einer Zurechnung auch des zuvor erbrachten Beitrags des A nicht entgegen, weil es nur darauf ankommt, dass die Gesamttat insgesamt beherrscht wurde. Dies ist für das vollendete Delikt überzeugend, führt aber im Vergleich zum versuchten Delikt zu Friktionen.118 Die Widersprüchlichkeit der erzielten Ergebnisse rührt daher, dass der Tatbestandsbezug der Tatherrschaft aufgegeben und die Eigenheiten der versuchten Tat ausgeblendet werden, wenn auch beim Versuch allein das objektiv verwirklichte Geschehen als Grundlage für die Bestimmung der Tatherrschaft dient. Da für den Versuch gerade charakteristisch ist, dass das tatbestandsmäßige Geschehen nur unvollständig verwirklicht ist, würde auch niemand fordern, dass die bislang vorgenommenen Handlungen bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen müssen. Vielmehr ist anerkannt, dass diesem objektiven Geschehen das noch geplante fiktive Geschehen hinzuzudenken ist und nur für dieses Konstrukt insgesamt die Tatbestandsmäßigkeit ermittelt werden kann. Dann kann aber für die Tatherrschaft nichts anderes gelten: Beim Versuch kann gerade nicht allein anhand des bislang umgesetzten äußeren Geschehens beurteilt werden, ob dem Beteiligten eine tatprägende Stellung zukommt. Die Tatherrschaft kann sich stets nur auf die Gesamttat beziehen, nicht aber auf einen einzelnen Tatteil und kann daher anhand des objektiven Geschehens auch erst dann beurteilt werden, wenn das Gesamtgeschehen vollständig verwirklicht ist.119 Da dies beim Versuch geauch bereits Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 203 ff. Kausalität und Gesamttat, S. 203 ff. 119 Kritisch dazu Buser, S. 62 ff., der auch beim vollendeten Delikt die subjektiv gewollte Tat als Beurteilungsgrundlage heranziehen will. 117 So
118 Dencker,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
rade nicht der Fall ist, kann die Tatherrschaft hier nur unter Berücksichtigung des gemeinsamen Tatplans beurteilt werden.120 Allein anhand des bislang umgesetzten äußeren Versuchsgeschehens und damit unter Umständen nur einer einzelnen Handlung ließe sich auch nicht beurteilen, ob der Täter in der Lage ist, das tatbestandsmäßige Gesamtgeschehen zu steuern. Dies zeigt der sog. Klingel-Fall:121 Betrachtet man allein das objektive Geschehen – das Klingeln an der Tür – so kann trotz der zweifellosen Beherrschung dieser Handlung durch A allein anhand dieses Geschehens nicht beurteilt werden, ob A Tatherrschaft über den gemeinschaftlich zu begehenden Raub hat und daher Mittäter oder bloß Gehilfe ist. Dies ist nur unter Hinzunahme des gemeinsamen Tatplans und der Vorstellung der Beteiligten von der weiteren Mitwirkung am tatbestandlichen Geschehen möglich. Allein aus der Herrschaft über die Ansatzhandlung kann keine Herrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen gefolgert werden. Dann erscheint jedoch nicht einleuchtend, warum es darauf ankommen soll, ob die übrigen Mittäter diese Ansatzhandlung, also das Klingeln, beherrschen. Einen Gleichlauf zwischen den Tatherrschaftsanforderungen beim Versuch und beim vollendeten Delikt, wie er auch für die übrigen Tatbestandsmerkmale praktiziert wird, erreicht man nur, wenn man dieselben Maßstäbe an dieselbe Bezugstat anlegt. D. h. dass sich nur beim beendeten Versuch, bei dem bereits alle Ausführungshandlungen vollzogen wurden, die Tatherrschaft ebenso wie beim vollendeten Delikt anhand des objektiven Geschehens beurteilen lässt. Beim unbeendeten Versuch muss man sich dagegen zu dem Versuchsgeschehen das noch ausstehende, geplante Geschehen hinzudenken. Nur bezüglich dieses fiktiven Gesamtgeschehens muss dann die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters bestehen.122 Die Tatherrschaft ist also in jedem Fall für die Gesamttat zu ermitteln, die entweder bereits als objektives Außenweltgeschehen existiert oder unter Berücksichtigung des Tatplanes und des bislang bereits verwirklichten Versuchsgeschehens fingiert werden muss. Nur so lassen sich die Tatherrschaftsvoraussetzungen mit den Versuchsgrundsätzen in Einklang bringen. Deshalb ist die Erbringung eines eigenen wesentlichen Tatbeitrags für die Versuchsstrafbarkeit nur unverzichtbar, wenn der gemeinsame Tatplan die Leistung dieses Beitrags für den bereits umgesetzten Teil der Gesamttat vorsieht.123 Soll er dagegen plangemäß zu einem späteren Zeitpunkt erbracht 120 Im Ergebnis ebenso Buser, S. 62 ff.; Erb, NStZ 1995, S. 424, 426; Fad, S. 84 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 454; Weißer, S. 528 f. Kritisch hierzu Gorka, S. 88 ff. 121 BGHSt 39, 236. Siehe dazu auch bereits Kap. 1 A. I. 1. 122 Ebenso Weißer, S. 529. 123 So auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 212.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge45
werden, kommt es nur darauf an, ob der Tatplan im weiteren Verlauf der Tat noch einen Mitwirkungsakt vorsieht, der dem Ausführenden die Steuerungsmacht über die Gesamttat verleiht. Der objektive Bestand eines gemeinsamen Tatplans ist dagegen grundsätzlich auch beim Versuch vonnöten. Denn nur mithilfe dieses Tatplans lässt sich die Gesamttat überhaupt bestimmen. Außerdem prägt die psychische Herrschaft, die sich aus dem Zusammenschluss ergibt, gerade die gesamte Tatausführung und muss damit auch bereits bei Beginn der Tat wirken. Dadurch wird die Tatherrschaft beim Versuch im Ausgangspunkt ebenso wie beim vollendeten Delikt bestimmt, es verändert sich nur die Beurteilungsgrundlage: Ebenso wie bei der Prüfung, ob das Verhalten unter den jeweiligen Tatbestand des Besonderen Teils zu subsumieren ist, muss auch bei der Bestimmung der Tatherrschaft neben dem bereits vollzogenen Geschehen die Vorstellung der Beteiligten vom weiteren Verlauf der Tat ausschlaggebend sein. Die Vorstellung vom Gesamtgeschehen äußert sich bei der Mittäterschaft im gemeinsamen Tatplan, sodass dieser Grundlage der Beurteilung sein muss, ob der Einzelne Mittäter oder nur Gehilfe des Versuchs ist. Mit dieser Methode der Bestimmung der Tatherrschaft beim Versuch ist auch keine Rückkehr zu einer subjektiven Theorie beim Versuch verbunden. Denn die Täterschaft soll auch weiter anhand materiell-objektiver Kriterien, derselben wie beim vollendeten Delikt, bestimmt werden und allein die Beurteilungsgrundlage für diese Prüfung an den Versuchscharakter angepasst werden.124 Entscheidend ist weiterhin nicht, ob der Mitwirkende den Willen zur Täterschaft hat, sondern ob er in der Lage ist, das tatbestandsmäßige Geschehen zu steuern. Weil dieses tatbestandsmäßige Geschehen abgesehen von der bereits realisierten Ansatzhandlung allein in der Vorstellung der Beteiligten besteht, muss auch diese Vorstellung zur Beurteilung herangezogen werden. Außerdem wird auf ein objektives Vorliegen von Tatherrschaft auch nicht vollständig verzichtet. Eine Steuerungsmacht muss bezüglich des äußeren Geschehens jedenfalls in dem Umfang bestehen, wie sie auch bei einer späteren Vollendung hinsichtlich dieses Tatteils erforderlich wäre. Ein Widerspruch zwischen Tatherrschaftslehre und Gesamtlösung besteht nach diesem Verständnis nicht. Auch derjenige, der bislang untätig geblieben ist, kann Tatherrschaft besitzen, wenn man den geplanten Verlauf der Gesamttat berücksichtigt. Auf dieses Erfordernis wird auch bei einer gesamttatbezogenen Bestimmung des Versuchsbeginns nicht verzichtet. Auch aus der 124 Auch Roxin, Täterschaft und Teilnahme, S. 455 versucht, diesen Einwand zu entkräften. Hierzu führt er an, es bilde zwar der Tatplan und damit etwas Subjektives den Ausgangspunkt der Abgrenzung, jedoch sei auch der Plan „etwas Objektives und vor allem nur das Substrat für die Zuordnung der Beteiligungsformen, die sich in genau derselben Weise vollzieht wie beim vollendeten Delikt“.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Tatherrschaftslehre lässt sich somit kein Einwand gegen die Gesamtlösung ableiten. Vielmehr ist gerade sie in der Lage, die Kriterien der Tatherrschaft sachgerecht mit den Versuchsgrundsätzen in Einklang zu bringen, während die Einzellösung die Anforderungen an die Tatherrschaft beim Versuch überspannt und damit zu widersprüchlichen Ergebnissen gelangt. (5) Vergleich mit dem vollendeten Delikt Des Weiteren stützen sich die Vertreter der sog. Einzellösung auf einen bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auftretenden vermeintlichen Widerspruch zwischen versuchtem und vollendetem Delikt.125 Sofern ein Mittäter – gleich aus welchen Gründen – seinen Tatbeitrag nicht erbringe, die Tat aber dennoch durch die übrigen Mittäter vollendet werde, sei anerkannt, dass der untätig Gebliebene wegen der mittäterschaftlich begangenen Tat nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Dann könne aber beim versuchten Delikt für den Fall, dass einige Mittäter ihren Tatbeitrag noch nicht erbracht haben, für diese nichts anderes gelten. Hier wolle die Gesamtlösung jedoch das unmittelbare Ansetzen des Handelnden den untätig Gebliebenen zurechnen und so auch deren Versuchsstrafbarkeit begründen.126 Die unterschiedlichen Auswirkungen der Nichtleistung des eigenen Beitrags sind jedoch allein Beleg für das Stufenverhältnis zwischen versuchtem und vollendetem Delikt, nicht aber für die Unbilligkeit der Gesamtlösung. Beim versuchten Delikt ist der objektive Tatbestand nur unvollkommen verwirklicht, sodass – wie gezeigt – Beurteilungsgrundlage für die Tatherrschaft der gemeinsame Tatplan sein muss, während beim vollendeten Delikt eine positive Gestaltungsherrschaft zwingend erforderlich ist, weil hier das Gesamtgeschehen bereits objektiv verwirklicht ist und jeder Mittäter zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt auch tatsächlich die Handlungsherrschaft über dieses Geschehen besessen haben muss. Hinzu kommt, dass beim versuchten Delikt vor Leistung des eigenen Beitrags der untätig Gebliebene stets noch die Möglichkeit hat, durch die Nichtleistung seines Beitrags die Tat zu verhindern und damit die negative Tatherrschaft innehat. Hätte aber nach dem geplanten Ablauf der Beitrag bereits erbracht werden müssen und unterbleibt dieser, entfällt damit auch jeder Einfluss auf die Gesamttat. In diesem Fall wurde die Gesamttat von dem Mittäter weder positiv mitbeherrscht, noch bestand für ihn weiterhin im Sinne einer negativen Herrschaft die Möglichkeit, den Tatablauf zu 125 Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 856 spricht von einem „eklatanten Wertungswiderspruch“. 126 Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 492; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 856. Kritisch zu dem von Valdágua angeführten Beispielsfall auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 614 ff.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge47
hemmen. Im Übrigen ist die Zurechnung auch beim vollendeten Delikt davon unabhängig, ob das Zurechnungssubjekt zum Zeitpunkt der zuzurechnenden Handlung selbst bereits einen Tatbeitrag erbracht hat. Denn sobald irgendwann im Laufe des Gesamtgeschehens ein eigener wesentlicher Tatbeitrag erbracht wurde, ist beim vollendeten Delikt anerkannt, dass auch zuvor von anderen vorgenommene Beiträge zugerechnet werden.127 (6) Kriminalpolitische Erwägungen Jede Lösung zur Bestimmung des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft muss sich auch daran messen lassen, ob die von ihr erzielten Ergebnisse kriminalpolitisch sinnvoll erscheinen. Der Gesamtlösung wird insoweit entgegengehalten, die Versuchsstrafbarkeit zu überdehnen und die Rücktrittsmöglichkeiten des bislang Untätigen in unbilliger Weise einzuschränken.128 Valdágua bildet hierzu das Beispiel, dass A und B vereinbaren, mittäterschaftlich eine Straftat zu begehen, wobei A den Anfang und B den letzten Teil der Ausführung übernehmen soll. Trete nun A nach der Leistung seines Beitrags, jedoch vor dem Beitrag des B zurück, würde B dennoch die Ausführungshandlung des A zugerechnet, mit der Folge, dass B wegen mittäterschaftlichen Versuchs zu bestrafen wäre. Wenn B nun bspw. von der Offenbarung des A gegenüber der Polizei erfahre, komme für ihn ein „freiwilliger“ Rücktritt nicht mehr in Betracht, gleichgültig, ob er den von ihm übernommenen Tatbeitrag noch leiste oder nicht. Dann könne er aber leicht dazu neigen, das Delikt doch noch zu vollenden.129 Die Tatsache, dass B in diesem Fall wegen versuchten mittäterschaftlichen Delikts zu bestrafen ist, obwohl er seinen eigenen Beitrag noch nicht erbracht hat, resultiert jedoch daraus, dass er zum Zeitpunkt der Ansatzhandlung des A den Willen hatte, das Delikt zu verwirklichen und sich diese als Teil einer gemeinschaftlichen Tat darstellt. Anders als A hat B diesen Willen später auch nicht mehr aufgegeben, sodass es vielmehr unbillig erschiene, würde B die Aufgabe der Tat durch A zum Vorteil gereichen. Auch ist das geschützte Rechtsgut durch die Ansatzhandlung des A bereits gefährdet. Dass diese Gefährdung nach der Offenbarung gegenüber der Polizei objektiv nicht mehr besteht, B aber dennoch bestraft wird, ist charakteristisch für den fehlgeschlagenen Versuch und damit keine kriminalpolitisch zweifelhafte Folge der Gesamtlösung.130 Auch eine 127 Vgl. dazu Buser, S. 68; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 110. 128 Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 493; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 856 f. Zustimmend Bauer, S. 191 f. 129 Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 857. 130 So aber Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 493. Wie hier Buser, S. 48.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
unbillige Einschränkung der Rücktrittsmöglichkeiten lässt dieses Beispiel nicht erkennen, denn B wird ein Rücktritt nicht per se versagt, sondern nur, wenn er davon Kenntnis erlangt, dass das gemeinsame Vorhaben, bspw. wegen der Offenbarung des A gegenüber der Polizei, ohnehin nicht mehr gelingen kann. In einem solchen Falle wäre aber auch dem Alleintäter der Rücktritt nach § 24 I StGB versagt, denn es liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor bzw. die Rücktrittsbemühungen erfolgen nicht mehr freiwillig.131 Dieses Ergebnis zieht auch beim Alleintäter niemand in Zweifel, weil es dadurch gerechtfertigt ist, dass es an einer honorierungswürdigen Willensumkehr fehlt, wenn die Aufgabe allein der verbrecherischen Vernunft entspricht.132 Somit kann dieses Beispiel die Gesamtlösung nicht in Zweifel ziehen. Auch der Einwand, der untätige B stehe dann schlechter als der Tätige, der die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts bis zur Vollendung behalte,133 greift nicht durch. Auch der bereits tätig gewordene A hat die Möglichkeit des Rücktritts nur, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist und seine Rücktrittsbemühungen freiwillig erfolgen, sodass auch ihm der Rücktritt versagt wäre, sobald sich B der Polizei offenbaren und A hiervon erfahren würde.134 Einziger Unterschied wäre, dass A dann bereits mit der Leistung seines eigenen Beitrags begonnen hätte, B jedoch trotz Untätigkeit wegen Versuchs strafbar wäre. Dass dies hinsichtlich der Tatherrschaft keinen relevanten Unterschied macht, weil es insoweit stets nur auf das Gesamtgeschehen ankommen kann, wurde bereits gezeigt,135 sodass auch insofern kein unbilliges Ergebnis erzielt wird. Somit kann das von Valdágua gebildete Beispiel eine Unzulänglichkeit der Gesamtlösung nicht aufzeigen. Vielmehr erscheinen einige Konsequenzen der Einzellösung unbillig. So sieht sie sich mit dem Problem konfrontiert, bei einem ausschließlich im Vorbereitungsstadium agierenden Täter den Versuchsbeginn entweder weit in das Vorfeld der Tat vorverlegen oder einen selbstständigen Eintritt dieses Täters in die Ausführungsphase gänzlich verneinen zu müssen.136 Mit Schil131 Die Frage, ob in derartigen Fällen der Rücktritt aufgrund eines Fehlschlags oder wegen der Unfreiwilligkeit des Rücktrittswilligen scheitert, ist umstritten, vgl. dazu Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 24 Rn. 7 m. w. N. 132 Vgl. dazu Jescheck/Weigend, AT, S. 542 f.; Kühl, AT, § 16 Rn. 55 f.; Schönke/ Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 24 Rn. 7. 133 Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 494. 134 Ebenso auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 618. 135 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 136 Buser, S. 27 f.; Bosch, Jura 2011, S. 909, 915; Erb, NStZ 1995, S. 424, 426; Fad, S. 81; Gorka, S. 49; Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 281; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 712; Kühl, AT, § 20 Rn. 124; Küper, Versuchsbeginn, S. 66; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 97; Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 376; Roxin, JuS 1979, S. 1, 13; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 108; Weißer/Kreß, JA 2003, S. 857, 860.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge49
ling auf die bloße Verabredung als Ansatzhandlung abzustellen, würde den Unterschied zur Verbrechensverabredung nivellieren137 und letztlich einen gänzlichen Verzicht auf eine objektive Gefährdung des geschützten Rechtsgutes zur Begründung der Versuchsstrafbarkeit bedeuten. Knüpft man aber an die Leistung des eigenen Beitrags an, müsste für einen im Vorbereitungsstadium agierenden Mittäter die Möglichkeit des Versuchs stets versagt werden. Diese Lösung ist zwar konsequent, sofern man Tatherrschaft generell nur bei einem Tatbeitrag im Ausführungsstadium annimmt und folglich Mittäterschaft im Vorbereitungsstadium prinzipiell ablehnt,138 aus der Tatherrschaftslehre ergibt sie sich aber nicht zwangsläufig. Ebenso führt die Einzellösung auch bei nach dem Tatplan erst später hinzutretenden Beteiligten zu Friktionen, weil diese durch die Rollenverteilung im Deliktsplan unbillig bevorteilt würden.139 Berücksichtigt man, dass die Mittäter eine gemeinsame Tat begehen, allen eine gleichermaßen wesentliche Funktion für die Tatbestandsverwirklichung zukommt, widerspräche es diesem Charakter der gemeinsamen Tat, für den Versuchsbeginn auf den zufälligen Zeitpunkt der Erbringung des eigenen Tatbeitrags abzustellen.140 (7) Tätigkeitsanrechnung bei der Mittäterschaft Für die Gesamtlösung könnte des Weiteren die Lehre von der Tätigkeitsanrechnung sprechen: Wäre Prinzip der Mittäterschaft tatsächlich, wie diese Lehre postuliert, die wechselseitige Zurechnung fremder Tatbeiträge, so wäre es in der Tat konsequent, dieses Prinzip auch auf die Bestimmung des Versuchsbeginns zu übertragen.141 Fraglich ist daher, ob die Mittäterschaft tat137 Darauf, dass eine solche Vordatierung der Versuchsbeendigung in einem „eklatanten Widerspruch zu § 30 Abs. 2 StGB“ stünde, weist auch Küper, Versuchsbeginn, S. 61 hin. Zustimmend auch Buser, S. 27 f. 138 So konstatiert auch Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 491, dass die Einzellösung wenigstens dann vorzuziehen sei, wenn man für die Mittäterschaft bei vollendeter Tat ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Ausführungsstadium verlange. 139 Fad, S. 92; Gorka, S. 42; Küper, Versuchsbeginn, S. 68; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 173; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 51; Roxin, JuS 1979, S. 1, 13; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 453; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 52; Steinke, KR 1979, S. 125, 126; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 108. Kritisch Bauer, S. 193 f.; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 99; Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 494 f., der anmerkt, dass bei der Berücksichtigung fiktiver anderer Rollenverteilungen hypothetische Kausalverläufe zur Grundlage der Zurechnung gemacht würden; Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 866. 140 Ebenso Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488, 491. 141 So auch Fad, S. 86 f.; Gorka, S. 34 f.; HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 34; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 711; Jung, JuS 1994, S. 355; Kühl, AT, § 20 Rn. 123; Küpper, GA
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sächlich auf einer solchen Tätigkeitsanrechnung fußt. Jedenfalls im Ergebnis unbestritten ist, dass der Mittäter kraft der gesetzlichen Anordnung in § 25 II StGB für die gemeinschaftliche Deliktsverwirklichung insgesamt und nicht etwa nur für die eigenhändig verwirklichten Tatteile verantwortlich ist.142 Die Mittäter begehen eine aus den Tatbeiträgen aller Komplizen gebildete Gesamttat, für die jeder Mittäter einstehen muss.143 Die Einigkeit endet jedoch bei der dogmatischen Begründung dieser überwiegend anerkannten Verantwortlichkeit des Mittäters für das Gesamtgeschehen.144 Die Lehre von der Tätigkeitsanrechnung versucht dieses Ergebnis mit einer Zurechnung der von den übrigen Mittätern vorgenommenen Ausführungshandlungen zu begründen. Nach diesem Verständnis ordnet § 25 II StGB die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge an, sofern materiell die Bedingungen gemeinschaftlicher Begehung vorliegen.145 Dieses gesamttatbezogene Zurechnungsprinzip sei durch § 25 II StGB gesetzlich fundiert, der konstitutiv statuiere, dass ein Täter, der selbst nur einen Teil des deliktischen Erfolges verwirklicht, dennoch für die ganze Tat einzustehen habe.146 Nur vor diesem Hintergrund erlange § 25 II StGB überhaupt eigenständige Bedeutung, denn sofern die Beteiligten eigenhändig alle Tatbestandsmerkmale verwirklichen, würden sie bereits von § 25 I Var. 1 StGB erfasst. Nur wenn es hieran fehlt, es einer Zurechnung nicht eigenhändig vorgenommener Außenweltvorgänge zur Begründung der Strafbarkeit bedürfe, erlange § 25 II StGB einen eigenständigen Anwendungsbereich.147 Das Erklärungsmodell für diese Zurechnungsstrukturen liefert die Lehre von der funktionellen Tat herrschaft.148 Sie formuliert die Bedingungen, die jeder Beteiligte zumindest 1986, S. 437, 446; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 173; MüKo-StGB-HoffmannHolland, § 22 Rn. 139; Roxin, JuS 1979, S. 1, 13; Stoffers, MDR 1989, S. 208, 213; v. Heintschel-Heinegg-Beckemper, StGB, § 22 Rn. 54. 142 Ebenso Weißer, S. 366. 143 Buser, S. 35. Grundlegend dazu Küper, Versuchsbeginn und Weißer, S. 367 f. m. w. N. 144 Dazu auch Weißer, S. 366 f. 145 So grundlegend Küper, Versuchsbeginn, S. 60. Ebenso Buser, S. 44; Frister, AT, § 26 Rn. 9; Gropp, AT, § 10 Rn. 184; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 51; Jescheck/Weigend, AT, S. 675; Kindhäuser, LPK-StGB, § 25 Rn. 47; ders., in: FS Hollerbach (2001), S. 627, 652; Kühl, AT, § 20 Rn. 100; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 60; Seher, JuS 2009, S. 1, 3. Zur Vereinbarkeit dieses Konzepts mit strafrechtlichen Grundprinzipien überzeugend Frister, in: FS Dencker (2012), S. 119, 124 ff. 146 So bereits Birkmeyer, S. 105; Herzberg, ZStW 99 (1987), S. 49, 55. Zustimmend auch Fad, S. 86 f. 147 Ebenso Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 25 Rn. 54; Buser, S. 42; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 77. 148 So überzeugend Bloy, Beteiligungsform, S. 370.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge51
erfüllen muss, damit er als Mittäter angesehen und ihm so das insgesamt verwirklichte Geschehen zugerechnet werden kann.149 Im Ergebnis wird der Mittäter damit so gestellt, als hätte er nicht nur die eigenen, sondern auch die fremden Handlungen vorgenommen und damit das tatbestandliche Geschehen insgesamt verwirklicht. Insbesondere Roxin lehnt dagegen eine solche Zurechnung fremden Ausführungshandelns ab. § 25 II StGB sei nicht als Zurechnungsnorm zu verstehen, sondern unterstelle die dem Mittäter zuteilwerdende Mitherrschaft über die Gesamttat wegen der besonderen Gefährlichkeit eines von mehreren verübten Angriffs den Regeln der Täterschaft.150 Auch nach diesem Konzept käme § 25 II StGB konstitutive Bedeutung zu, jedoch nicht als Zurechnungsnorm, sondern zur Gleichstellung der Mitherrschaft über eine Gesamttat und der Handlungs- und Gestaltungsherrschaft über eine Einzeltat. Die Unterschiede zwischen beiden Ansichten scheinen marginal, herrscht doch über die Voraussetzungen und das Ergebnis weitgehend Einigkeit und ist nur der dogmatische Weg Gegenstand der Auseinandersetzung. Allerdings würde die Tätigkeitsanrechnung die Gesamtlösung entscheidend tragen, während dann, wenn eine solche Zurechnung bei der Mittäterschaft nicht vonnöten wäre, eine einheitliche Bestimmung des Eintritts in das Versuchsstadium nicht zwingend wäre. Gegen die Lehre von der Tätigkeitsanrechnung führt Roxin an, dass eine Anrechnung fremden Verhaltens nur insoweit anerkannt sei, als jemand das Verhalten des anderen beherrsche. Weil der Mittäter jedoch das Verhalten seiner Komplizen nicht beherrsche, könne er auch nicht für das verantwortlich sein, was diese tun.151 Zuzustimmen ist Roxin darin, dass der Mittäter die Beiträge der übrigen Mitwirkenden nicht steuernd in den Händen hält. Vielmehr erlangt er auf diese Beiträge nur einen mittelbaren psychischen Einfluss, weil er die anderen Mittäter in ihrem Vorhaben bestärkt und sie mit seiner Zusage an das Gesamtvorhaben bindet.152 Diese Herrschaft kann in der Tat die Zurechnung nicht tragen, ließen sich so doch kaum die deutlich darüber hinausgehenden Anforderungen erklären, die an die Wissens- oder Willensherrschaft des mittelbaren Täters zu stellen sind153 und das Mehr an Herrschaft gegenüber der psychischen Beihilfe begründen. Die Kritik beruht 149 SK-StGB-Hoyer,
§ 25 Rn. 107 f. in: FS Frisch (2013), S. 613, 631; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 756 f.; ders., AT II, § 25 Rn. 257. 151 Roxin, in: FS Frisch (2013), S. 613, 629. 152 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 153 Zur Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft Fuhrmann, S. 59 ff.; MüKoStGB-Joecks, § 25 Rn. 55 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 142 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 7 ff. jew. m. w. N. 150 Roxin,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
jedoch auf der Annahme, dass sich Zurechnung und demzufolge auch Herrschaft allein auf den fremden Tatbeitrag als isoliert zu betrachtendes Geschehen beziehen müssen. Die Zurechnung kann jedoch allein auf die Herrschaft des Mittäters über die Gesamttat gestützt werden. Deswegen ist es auch die Gesamttat, die dem Mittäter zugerechnet werden muss. Diese Gesamttat hält der Mittäter jedoch tatherrschaftlich in den Händen. Von einer Zurechnung der Tatbeiträge kann nur deshalb gesprochen werden, weil sich die Gesamttat aus dem Beitrag des Zurechnungssubjekts und denjenigen der übrigen Mitwirkenden zusammensetzt. Weil das Zurechnungssubjekt das von ihm selbst ausgeführte Geschehen ohnehin zu verantworten hat, bedarf es demnach nur noch der Zurechnung der Beiträge der übrigen Mitwirkenden, um den Mittäter für das insgesamt verwirklichte Geschehen verantwortlich zu machen. Somit geht es eigentlich nicht um die Zurechnung fremder Handlungen, sondern um die Zurechnung des Gesamtgeschehens, der Gesamttat, die im Wege der Zurechnung der einzelnen Beiträge erreicht wird. Des Weiteren wendet Roxin ein, die Lehre von der Tätigkeitsanrechnung verleihe der Mittäterschaft akzessorische Züge und mache sie zu einer Sonderform der Teilnahme. Dies stehe jedoch im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, der die Mittäterschaft gerade als Täterform ausgestalten wollte.154 Damit unterstellt er der Zurechnung bei der Mittäterschaft jedoch einen Umfang, den diese tatsächlich nicht haben kann. Gegenstand einer Zurechnung kann nur der Außenweltvorgang sein, das rein tatsächliche Geschehen, das durch die übrigen Mitwirkenden in Gang gesetzt wurde, nicht jedoch der in ihrer Person dadurch verwirklichte Unrechtsvorwurf. Dieser muss vielmehr für jeden Mittäter individuell ermittelt werden.155 Ein solches Verständnis unterstellt, würde die Mittäterschaft aber auch bei einer Zurechnung nicht eigenhändig verwirklichten Geschehens nicht zu einer akzessorischen Beteiligungsform. Für eine solche Zurechnung des Außenweltgeschehens als Gesamttat spricht, dass sie eine Brücke zwischen dem Wortlaut der jeweiligen Tatbestände des Besonderen Teils, die grundsätzlich auf die eigenhändige Tatbestandsverwirklichung abstellen, und der Mittäterschaft baut. Sie liefert eine überzeugende Begründung dafür, dass auch derjenige, der selbst nicht eigenhändig das gesamte tatbestandliche Geschehen vollzieht, den objektiven Tatbestand des jeweiligen Deliktes verwirklicht. Allein darauf abzustellen, dass es dem Gesetzgeber möglich sein muss, die Mitherrschaft den Regeln der Täterschaft zu unterwerfen, lässt dagegen außer Acht, dass auch der Ge154 Roxin,
in: FS Frisch (2013), S. 613, 629. dazu ausführlich Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (1) (c). Frister, in: FS Dencker (2012), S. 119, 126 spricht von einem „Zusammenspiel wechselseitig zuzurechnenden und individuell zu beurteilenden Strafbarkeitsvoraussetzungen“. 155 Siehe
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge53
setzgeber grundsätzlich an Art. 3 GG gebunden ist und die Regelungen der Täterschaft dem Schuldprinzip verpflichtet sein müssen. Zudem wird das Konzept einer Mitherrschaft dem Umfang der Herrschaft des Mittäters nicht gerecht, denn dieser besitzt gerade nicht nur Herrschaft über die eigenhändig verwirklichten Tatteile, sondern eine mittelbare Herrschaft auch über das übrige Geschehen. Folglich ist festzuhalten, dass die strafrechtliche Verantwortung der Mittäter auf der Zurechnung des Gesamtgeschehens fußt. Der üblicherweise verwendete Begriff der Tätigkeitsanrechnung ist dabei jedoch insofern irreführend, als es nicht in erster Linie um die Zurechnung der fremden Ausführungshandlungen, sondern um die Zurechnung des Außenweltgeschehens, der Gesamttat und damit allenfalls mittelbar um die Zurechnung fremder Tatbeiträge geht. Die Verbindung der Einzelbeiträge zu einer Gesamttat und die damit einhergehende Zurechnung wird dabei von der gesetzlichen Regelung des § 25 II StGB getragen. Erkennt man damit an, dass wesentliches Element der Mittäterschaft die Zurechnung fremdhändig vollzogenen Geschehens ist, ist jedoch den Vertretern der Gesamtlösung darin beizupflichten, dass es dann zwingend erscheint, dieses Prinzip auch auf die Bestimmung des Versuchsbeginns zu übertragen. (8) Einheitlichkeit des Versuchs Gegen die Einzellösung spricht auch, dass nach ihr eine einheitliche Tat zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Versuchsstadium eintritt.156 Mittäterschaft ist gem. § 25 II StGB gemeinschaftliche Tatbegehung, sodass alle Mittäter eine einheitliche Gesamttat begehen.157 Dafür spricht, dass nur alle Beiträge zusammen den objektiven Tatbestand des jeweiligen Deliktes verwirklichen und daher nur als Einheit eine Tat darstellen können. Auch § 25 II StGB spricht davon, dass bei der Mittäterschaft mehrere „die Straftat“ gemeinschaftlich begehen. Demnach begeht gerade nicht jeder Mittäter eine Einzeltat, sondern alle Mittäter wirken an einer einheitlichen Gesamttat mit. Dann erscheint es jedoch widersprüchlich, bezüglich dieses einheitlichen Geschehens für unterschiedliche Beteiligte den Versuchsbeginn unterschiedlich zu bestimmen. Der Versuchsbeginn beschreibt ebenso wie die Vollendung oder Beendigung die Verwirklichungsstufe eines strafrechtlichen Deliktes. Wenn aber bei der Mittäterschaft nur das Gesamtgeschehen den objekti156 Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 473; Krey/Esser, AT, Rn. 1241; LK-StGBHillenkamp, § 22 Rn. 173. 157 In diese Richtung auch Jakobs, AT, § 21 Rn. 61; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 52. Ausführlich zum Gesamttat-Gedanken auch Küper, Versuchsbeginn, S. 17 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
ven Tatbestand verwirklicht, kann sich diese Gesamttat auch nur einheitlich in einem bestimmten Verwirklichungsstadium und nicht für jeden Beteiligten in jeweils unterschiedlichen Verwirklichungsstadien befinden.158 (9) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gegen die Gesamtlösung vorgebrachten Bedenken nicht durchgreifen. Im Gegenteil harmoniert sie besser mit der Struktur der Mittäterschaft und liefert die überzeugenderen Ergebnisse, weshalb der Gesamtlösung zu folgen ist. Alle Mittäter treten demnach einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen unmittelbar zur gemeinsamen Tat angesetzt hat. c) Zurechnung fremden Handelns im Wege der Gesamtlösung bei der vermeintlichen Mittäterschaft Nach der Gesamtlösung wird das Prinzip der Zurechnung fremdhändig vollzogenen Geschehens auf den Versuch übertragen und somit der Versuchsbeginn einheitlich für alle Mittäter bestimmt. Damit ist eine erhebliche Erweiterung der Strafbarkeit verbunden, die einer Rechtfertigung bedarf. Daher gilt es zu untersuchen, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um eine solche Zurechnung legitimieren zu können. Vor diesem Hintergrund kann dann geklärt werden, ob bei der vermeintlichen Mittäterschaft trotz der objektiv fehlenden tatbeherrschenden Stellung der übrigen Beteiligten Raum für eine solche Zurechnung ist. aa) Struktur der Zurechnung Zurechnung im Sinne der Gesamtlösung meint nicht etwa Zurechnung des tatbestandlichen Erfolges, sondern der nicht eigenhändig vorgenommenen Geschehensteile.159 Sie setzt zunächst einen Zurechnungsgegenstand voraus, also ein Verhalten, eine Veränderung der Außenwelt, für die der Komplize zur Verantwortung gezogen werden soll. Der Zurechnungsgegenstand ist damit Ausgangspunkt des Zurechnungsprinzips der Mittäterschaft. Derjenige, dem dieses Veralten zugerechnet werden soll, kann als Zurechnungssubjekt bezeichnet werden. Des Weiteren bedarf es auch einer inhaltlichen Rechtfer158 Ebenso Jakobs, AT, § 21 Rn. 61. Ähnlich auch Kühl, AT, § 20 Rn. 124, der fordert, „die Ansatzformel des § 22 […] auf das aus den einzelnen Tatbeiträgen zusammengesetzte Gesamtverhalten zu beziehen“. 159 Bloy, GA 1996, S. 424 m. Fn. 1; Krüger, Versuchsbeginn, S. 44 f.; Küper, GA 1997, S. 301, 311 f.; SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 15.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge55
tigung dafür, das Zurechnungssubjekt für den Zurechnungsgegenstand zur Verantwortung zu ziehen. Die Voraussetzungen der mittäterschaftlichen Zurechnung, die die Legitimationsbasis für die Zurechnung der Gesamttat bilden, sollen Zurechnungsgrundlage genannt werden.160 bb) Vorliegen eines Zurechnungsgegenstandes Bei der vermeintlichen Mittäterschaft könnte es schon an einem tauglichen Zurechnungsgegenstand fehlen. Es ist zu untersuchen, welche Anforderungen an das Verhalten des ansetzenden Mittäters zu stellen sind und ob diese auch von der nur scheinbar vom gemeinsamen Tatplan getragenen Ansatzhandlung erfüllt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die vermeintliche Mittäterschaft in ganz unterschiedlichen Varianten denkbar ist. Dies zeigen bereits die sehr heterogenen Sachverhalte, mit denen sich der BGH im Zusammenhang mit der scheinbaren Mittäterschaft in den letzten Jahrzehnten zu befassen hatte.161 Auch diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Fallkonstellationen werden bei der Frage nach einem tauglichen Zurechnungsgegenstand bei nur vorgestellter gemeinschaftlicher Tatbegehung zu berücksichtigen sein. (1) Eigenes unmittelbares Ansetzen als Zurechnungsgegenstand Weil mit der Ansatzhandlung des handelnden Mittäters auch der Versuchsbeginn für alle übrigen Mittäter begründet werden soll, könnte zu fordern sein, dass dieses Verhalten zumindest in der Person des Handelnden die Voraussetzungen des § 22 StGB erfüllt. Tauglicher Zurechnungsgegenstand wäre somit nur ein Verhalten, das auch bei einem Einzeltäter nach den für diesen entwickelten Maßstäben ein unmittelbares Ansetzen darstellen würde. Dieser durch den Ansetzenden in eigener Person vorgenommene Eintritt in das Versuchsstadium würde dann im Wege der Zurechnung auf die übrigen Mittäter übergeleitet. Dann würde die Versuchsstrafbarkeit der übrigen Mittäter in den meisten Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft bereits am Zurechnungsgegenstand scheitern,162 schließlich setzt der vermeintliche Mittäter in eigener Person nicht gem. § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung 160 Zu der Unterscheidung zwischen dem Zurechnungsgegenstand und der Zurechnungsgrundlage auch Buser, S. 91 ff. und Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 434, 443. 161 Vgl. nur BGHSt 39, 236; BGHSt 40, 299; BGH NJW 1952, 430; BGH MDR 1986, 974. 162 Anders wäre es nur in Fällen, in denen der Irrende selbst oder ein anderer, ebenfalls weiterhin zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossener Mittäter die Versuchshandlung vornimmt. Zu diesen Fällen vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b) und Kap. 1 B. XI. 1. b) aa)–bb).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
an. Ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB wird von der Rechtsprechung beim Alleintäter immer dann angenommen, wenn der Täter subjektiv dazu entschlossen ist, mit der Tatausführung zu beginnen und objektiv Handlungen vornimmt, die ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen.163 Subjektiv ist demnach erforderlich, dass der Täter davon ausgeht, auf der Grundlage seines Tatplans in diesem Moment zur Tatbestandsverwirklichung anzusetzen.164 Dies setzt jedoch zwingend voraus, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch mit dem Willen handelt, die Tat zu vollenden. Der vermeintliche Mittäter hat jedoch zum Zeitpunkt des Klingelns oder der Schadensmeldung gar nicht den Willen, dadurch den Raub oder den Betrug einzuleiten, weil er davon ausgeht, dass diese Delikte niemals verwirklicht werden. Somit fehlt es ihm an dem subjektiven Element, das dem unmittelbaren Ansetzen nach § 22 StGB innewohnt. (a) Rechtsprechung Dass Zurechnungsgegenstand nur eine Handlung sein kann, die in der Person des Ausführenden die Voraussetzungen des § 22 StGB erfüllt, vertritt der BGH im sog. Brandstifter-Fall165: B und C hatten zusammen mit A verabredet, das Werkstattgebäude der von B und C betriebenen Autohandelsfirma in Brand zu setzen, um die Versicherungssumme zu erlangen. A drang vereinbarungsgemäß in die Halle ein, verschüttete dort Benzin, entzündete es aber aus unbekannt gebliebenen Gründen nicht, sodass es zu keinem Brandschaden kam. Mangels anderweitiger Feststellungen des LG ging der BGH zugunsten von B und C davon aus, dass A nur zum Schein auf den Tatplan eingegangen sei, etwa um die im Voraus gezahlte Belohnung zu erhalten.
Da zugunsten von A zugrunde zu legen sei, dass dieser von vornherein nur die Absicht hatte, den Brandlegungsversuch vorzutäuschen, stelle für ihn das Verschütten des Benzins kein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB dar. Damit fehle dann jedoch ein B und C „zurechenbarer Tatbeitrag, der die Grenze vom Vorbereitungs- zum Versuchsstadium überschritten hat“166, sodass eine Bestrafung wegen versuchten Versicherungsmissbrauchs ausscheiden soll. Somit nimmt der BGH an, tauglicher Zurechnungsgegenstand im Sinne der Gesamtlösung könne nicht bereits eine Handlung sein, 163 BGHSt 26, 201, 203; BGHSt 28, 162, 163; BGHSt 37, 294, 297 f.; BGHSt 40, 257, 268; BGHSt 48, 34, 36; vgl. auch Borchert, JA 1980, S. 254, 255; Kühl, JuS 1980, S. 811 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1219; Puppe, AT, § 20 Rn. 27, 40; Safferling, JuS 2005, S. 135, 138; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 850. 164 Heinrich, AT, Rn. 725. Dazu auch Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 374 f. 165 BGH MDR 1986, 974. 166 BGH MDR 1986, 974.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge57
die nach dem Gesamtplan die Schwelle zum Versuch überschreitet, sondern diese Handlung müsse vielmehr zugleich in der Person des handelnden Mittäters die Voraussetzungen des § 22 StGB erfüllen. Eine Begründung dieses restriktiven Verständnisses unterbleibt jedoch. Dies erscheint vor allem deshalb problematisch, weil sich der BGH in anderen gleichgelagerten Entscheidungen mit dem Fehlen des Zurechnungsgegenstandes nicht mehr auseinandersetzt, sondern stets aus anderen Gründen an der Strafbarkeit der vermeintlichen Mittäter zweifelt:167 Im Klingel-Fall168 verneint der BGH eine Zurechnung im Wege der Gesamtlösung, weil sich das Klingeln für den handelnden A nicht mehr als „mittäterschaftlicher Tatbeitrag darstellt, also (nicht) von dem Willen getragen ist, gemeinschaftlich mit den anderen Beteiligten zum Zwecke der Tatausführung zusammenzuwirken.“169 Es wird also darauf abgestellt, dass es an der Gemeinschaftlichkeit des Handelns und damit an der Rechtfertigung der Zurechnung, der Zurechnungsgrundlage, fehle. Dass das Klingeln in der Person des A selbst kein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB darstellt, wird hier vom BGH nur in einem Nebensatz erwähnt, aber nicht zur Grundlage der Argumentation gemacht.170 Im Münzhändler-Fall wird sogar allein auf die Vorstellung des Täters von der mittäterschaftlichen Natur des Beitrags abgestellt und so eine Zurechnung des fremden Handelns begründet,171 ohne dass auf die Frage eingegangen wird, ob ein hinreichender Zurechnungsgegenstand vorliegt. (b) Literatur Auch in der Literatur172 wird die Handlung des vermeintlichen Mittäters zum Teil bereits nicht als tauglicher Zurechnungsgegenstand erachtet und 167 Insgesamt sind die Entscheidungen zur vermeintlichen Mittäterschaft widersprüchlich, weil allen Entscheidungen dieselbe Grundfrage, nämlich die nach den Auswirkungen des Vorsatzdefizites des handelnden scheinbaren Mittäters auf die Versuchsstrafbarkeit der Mitgenossen zugrunde liegt und diese Frage jeweils, ohne auf die anders lautenden vorherigen Entscheidungen einzugehen, divergierend beantwortet worden ist. So auch Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Geppert, JK 1995, StGB § 25 II/9b; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704; Joecks, wistra 1995, S. 58, 59; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 22. A. A. Sonnen, JA 1995, S. 361, 363. 168 BGHSt 39, 236. Ausführlich zu diesem Fall in Kap. 1 A. I. 1. 169 BGHSt 39, 236, 238. 170 Vgl. BGHSt 39, 236, 238. Anders interpretiert Buser, S. 93 f. die Entscheidung des 2. Strafsenates: Er geht davon aus, dieser hätte hier ebenfalls die Zurechnung wegen des fehlenden Versuchseintritts und damit des fehlenden Zurechnungsgegenstandes verneint. 171 BGHSt 40, 299, 302. 172 Beulke, Klausurenkurs II, Rn. 240; Erb, NStZ 1995, S. 424, 427; Geppert, JK 1995, StGB § 25 II/9b; HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 35; Joerden, JZ 1995, S. 735, 736;
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
daher der Rechtsprechung des 3. Strafsenates im Brandstifter-Fall173 gefolgt. Der vermeintliche Mittäter handele zum Zeitpunkt seiner Ansatzhandlung nicht mit dem Willen, einen Raub bzw. Betrug zu begehen. Deshalb begründe diese Handlung für ihn selbst nicht den Eintritt in das Versuchsstadium. Die Gesamtlösung verlange jedoch, dass zumindest ein Beteiligter in den strafrechtlich relevanten Versuchsbereich vorgedrungen sei; nur dann könne dessen Beitrag den anderen als Versuchsbeginn zugerechnet werden.174 Begründet wird dies damit, dass dann, wenn es an einer „Ansatz“-Handlung fehlt, „letztlich nur ein böser Wille vor(liegt), der in einem Strafrecht, das nicht Gesinnungsstrafrecht sein will, als bloßes Internum nicht pönalisiert werden darf.“175 Der rechtsgutsfeindliche Wille könne nur dann Gegenstand der Strafverfolgung sein, wenn er betätigt wurde.176 (c) Stellungnahme Fraglich ist, ob der Gesamtlösung tatsächlich ein solches Verständnis des Zurechnungsgegenstandes zugrunde liegt. Die Gesamtlösung will das Prinzip der Gesamttatzurechnung, das der Mittäterschaft immanent ist, auf die Bestimmung des Versuchsbeginns übertragen.177 Wäre, wie diese Ansicht vorschlägt, jedoch nicht jeder Beitrag zurechnungsfähig, sondern nur ein solcher, der auch von einem entsprechenden Vollendungsvorsatz getragen ist, würde dadurch das Zurechnungsprinzip zwangsläufig eingeschränkt. Den Versuchsbeginn in dieser Form für den handelnden Mittäter zunächst wie beim Einzeltäter zu bestimmen, widerspräche dem Charakter der Mittäterschaft.178 Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 560 f.; Krell, Jura 2012, S. 150, 152; Krey/Esser, AT, Rn. 1242; Küper, JZ 1979, S. 775 f.; Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488, 492; LKStGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 175; Marxen, AT, S. 164; Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 372 ff.; ders., in: FS Kühne (2013), S. 31, 37 ff.; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 142; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 471 f.; Otto, JK 1994, StGB § 25 II/7; ders., Grundkurs Strafrecht, § 21 Rn. 126; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 111; Streng, ZStW 109 (1997), S. 865, 891 ff.; ders., in: GedS Zipf (1999), S. 325, 328 f. 173 BGH MDR 1986, 974. 174 Beulke, Klausurenkurs II, Rn. 240; Erb, NStZ 1995, S. 424, 427; Küpper/Mosbacher, NJW 1995, S. 488, 492; Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 373 f. So verstehen auch Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986 f. die Gesamtlösung. Gegen ein solches Verständnis LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 174 m. w. N. 175 Geppert, JK 1995, StGB § 25 II/9b. 176 Erb, NStZ 1995, S. 424, 428. 177 Vgl. bereits die Nachweise in Fn. 141. 178 Ebenso Küper, Versuchsbeginn, S. 18 ff. und Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 466 f., die allerdings in ihrer Schlussfolgerung noch weitergehend annehmen, eine Bestimmung des Versuchsbeginns für den Handelnden wäre ohne die Berücksichtigung dieser Gesamttat bereits nicht möglich.
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Nach § 25 II StGB begehen mehrere bei der Mittäterschaft gemeinschaftlich eine Gesamttat.179 Gerade dieses Gesamttat-Prinzip trägt maßgeblich die Gesamtlösung.180 Die Idee einer Gesamttat würde jedoch aufgegeben, wenn zur Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes doch allein auf den Handelnden abgestellt und von dessen subjektiver Einstellung die Strafbarkeit aller abhängig gemacht würde. Der Vorzug einer gesamttatbezogenen Bestimmung des Versuchsbeginns besteht gerade darin, die Handlungen der Mittäter als einheitliches Gesamtgeschehen betrachten zu können und damit dem Prinzip der Arbeitsteilung angemessen Rechnung zu tragen. Wenn es aber nur darauf ankommt, ob das einheitliche Geschehen als Beginn der Ausführung angesehen werden kann und die Frage, wer es vollzogen hat, erst dafür relevant ist, wem dieses Versuchsgeschehen zugerechnet werden kann, darf die subjektive Einstellung des Handelnden auch nur für die Frage bedeutsam sein, ob er für seine Handlung strafrechtlich verantwortlich gemacht weden kann. Für die Beurteilung, ob das Geschehen bereits eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist, kann dagegen nicht die individuelle Vorstellung des Handelnden, sondern nur der Gesamtplan ausschlaggebend sein,181 ist es doch auch eine Gesamttat aller Mittäter, die auf ihren Versuchscharakter hin untersucht wird. Darauf, ob der Handelnde damit selbst die Schwelle des § 22 StGB überschreitet, kann es nicht ankommen. Ansonsten würde die Gesamttat zur Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes wieder künstlich in verschiedene Teiltaten aufgespaltet. Allerdings würde den übrigen Mitwirkenden ein Verhalten zugerechnet, das für sich genommen kein kriminelles Unrecht darstellt. Ob das Verhalten des vermeintlichen Mittäters tauglicher Zurechnungsgegenstand sein kann, hängt also davon ab, welchen Charakter die Mittäterschaft und damit die ihr innewohnende Zurechnung hat. Normierte § 25 II StGB nicht allein die Zurechnung eines äußeren Geschehens, sondern eine Unrechtszurechnung, würde also das in der Person des Ausführenden verwirklichte Unrecht den übrigen Tatgenossen zugerechnet und so auch deren Strafbarkeit begründet, käme als Zurechnungsgegenstand nur eine Handlung in Betracht, die in der Person des Ausführenden selbst strafrechtliches Unrecht darstellt. Die Mittäterschaft wäre demnach eine akzessorische Beteiligungsform im normativen Sinne, denn die Strafbarkeit aller Mittäter hinge ebenso wie die Strafbarkeit des Teilnehmers davon ab, dass überhaupt strafrechtliches Unrecht vorliegt, 179 Buser, S. 35; Jakobs, AT, § 21 Rn. 61; Kühl, AT, § 20 Rn. 100; Küper, Versuchsbeginn, S. 17; ders., JZ 1979, S. 775, 777; Stoffers, MDR 1989, S. 208, 213; Weißer, S. 367 f. m. w. N. Kritisch hierzu Schilling, S. 73 f., 104. 180 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). 181 Küper, Versuchsbeginn, S. 18 ff. Zustimmend auch Buser, S. 32 ff. und Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 705.
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das Gegenstand dieser Zurechnung sein kann.182 Genauso „wie Anstifter und Gehilfe zum Täter“, so stünden auch „die Mittäter in akzessorischem Verhältnis zu einander“.183 Ebenso wie die Strafbarkeit des Teilnehmers zwingend ausscheidet, wenn es an einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat fehlt, wäre die Strafbarkeit der übrigen Mittäter zwingend davon abhängig, dass die Handlung, die als Zurechnungsgegenstand fungieren soll, in der Person des Handelnden das Unrecht des jeweiligen Tatbestandes verwirklichte.184 Insbesondere die Tatsache, dass § 28 I StGB, der die Akzessorietät lockert, allein den Teilnehmer, nicht aber den Mittäter in den Blick nimmt, spricht eher dafür, dass der Gesetzgeber die Mittäterschaft nicht akzessorisch ausgestalten wollte und daher davon ausging, einer Lockerung der Akzessorietät bedürfe es hier gar nicht. Jedenfalls von der Schuld des Handelnden kann die Strafbarkeit der übrigen Mitwirkenden nicht abhängen, steht insoweit doch § 29 StGB entgegen.185 Gegen eine solche Akzessorietät sprechen auch die hierdurch entstehenden kaum tragbaren Strafbarkeitslücken: So stünde beispielsweise die Tatsache, dass dem Handelnden die Zueignungsabsicht im Sinne des § 242 StGB fehlt oder dieser gerechtfertigt handelt, auch einer Strafbarkeit der anderen Beteiligten entgegen. Dies erscheint deshalb problematisch, weil die Handlung trotz der fehlenden Absicht bzw. der Rechtfertigung objektiv eine taugliche Tatbestandshandlung darstellt. Wäre sie durch die anderen Mitwirkenden vorgenommen worden, die auch die übrigen Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllen, stellte sie zweifelsfrei strafrechtliches Unrecht dar. Dann bleibt aber unklar, warum die strafrechtliche Würdigung anders ausfallen soll, wenn die Handlung durch einen anderen Mittäter vorgenommen wurde, soll doch gerade Folge der mittäterschaftlichen Zurechnung sein, dass das Handeln der anderen Mitwirkenden wie eigenes Tun zu behandeln ist. Wenn ein Verhalten in der Person eines Mittäter kriminelles Unrecht begründet, ist nicht ersichtlich, warum seine Strafbarkeit daran scheitern soll, dass dieses Verhalten in der Person des Handelnden kein Unrecht darstellt. Es käme zu einer grundlosen Privilegierung der übrigen Mit182 Dafür Birkmeyer, S. 148; Gallas, Verbrechenslehre, S. 105 f.; Jakobs, GA 1996, S. 253, 260, 264 f.; ders., in: FS Lampe (2003), S. 561, 570 ff.; ders., in: FS Puppe (2011), S. 547, 558; Küper, Versuchsbeginn, S. 60 f. 183 Birkmeyer, S. 148. 184 Diese Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie erlangt bspw. auch im Rahmen der teilweisen Mittäterschaft Bedeutung, bei der sich ebenfalls die Frage stellt, ob das Zurechnungssubjekt aus einem anderen Straftatbestand strafbar sein kann als der Ausführende, vgl. hierzu Haas, JR 2014, S. 104 sowie Rengier, in: FS Puppe (2011), S. 849 und Frister, AT, § 25 Rn. 23 jew. m. w. N. 185 So auch Renzikowski, in: FS Otto (2007), S. 423, 435; Rengier, in: FS Puppe (2011), S. 847, 857, der allerdings annimmt, dies ergebe sich bereits aus § 25 II StGB, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 29 StGB bedürfe.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge61
täter, würde ihnen der Vorsatzentfall des handelnden Mittäters zum Vorteil gereichen. Diese Strafbarkeitslücken wären jedoch hinzunehmen, ließe sich nur eine solche Deutung mit dem Wortlaut des § 25 II StGB in Einklang bringen. So wird angeführt, nach § 25 II StGB sei die gemeinschaftliche Begehung der Straftat Voraussetzung der Mittäterschaft, sodass die Feststellung der Mittäterschaft zwingend voraussetze, dass es mindestens einen zweiten Täter derselben Tat gebe, bei dem ebenso die Mechanismen der außerordentlichen Verhaltenszurechnung der Mittäterschaft eingriffen.186 Es sei „widersprüchlich, einerseits die Tatbestandsbezogenheit der Mittäterschaft zuzugestehen, andererseits aber von einer gemeinsamen Tat bei Verwirklichung verschiedener Strafgesetze auch dann zu sprechen, wenn es sich um selbstständige Tatbestände handelt“.187 Entscheidend ist, was unter der „Straftat“ zu verstehen ist, die § 25 II StGB in Bezug nimmt. Zweifelhaft erscheint es, aus dem Wortlaut des § 25 II StGB abzuleiten, dass mindestens zwei Personen denselben Straftatbestand verwirklichen müssen, obwohl dieser zunächst nur von einer Straftat spricht: So begehen mehrere bei der Mittäterschaft die Straftat gemeinschaftlich und nicht etwa die gleichen Straftaten. Wenn aber nur von einer Straftat die Rede ist, kann diese nicht gleichgesetzt werden mit der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Tat, die in der Person jedes Beteiligten verwirklicht sein muss, soll er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Denn jeder Mittäter soll ja für die mittäterschaftlich begangene Tat bestraft werden und nicht etwa die Mittäter als Gesamtsubjekt188 für die einmalige Verwirklichung des Straftatbestandes. Wenn A und B verabreden, O auszurauben und A dazu auf O einschlägt, während B ihm seine Geldbörse entwendet, haben sich, sofern die Mittäterschaftsvoraussetzungen vorliegen, sowohl A als auch B wegen Raubes nach §§ 249, 25 II StGB strafbar gemacht. Damit liegen dann aber zwei tatbestandsmäßige, rechtwidrige und schuldhafte Taten vor, sodass diese nicht mit der Straftat in § 25 II StGB gemeint sein können. Darunter kann vielmehr nur der einheitliche Außenweltvorgang verstanden werden, der durch A und B gemeinschaft186 Haas, JR 2014, S. 104, 109 f. Ebenso Dehne-Niemann, JuS 2008, S. 589, 591; ders./Weber, JA 2009, S. 868, 870. Auch Dencker, in: FS Lüderssen (2002), S. 525, 533 nimmt an, allein eine solche Deutung sei mit dem Wortlaut des § 25 II StGB vereinbar; er hält aber zugleich die bei einer solchen Auslegung erzielten Ergebnisse für „unsinnig“ und leitet daraus seine Forderung nach einer Reform des Strafrechts im Bereich der Beteiligung mehrerer ab. 187 Haas, JR 2014, S. 104, 110. 188 Die Vorstellung eines solchen Gesamtsubjekts, dem die Tatbestandsverwirklichung zugerechnet wird und von dem dann die individuelle Verantwortlichkeit der Mittäter abgeleitet wird, lässt sich bereits nicht mit § 29 StGB vereinen. Im Übrigen findet sich für ein solches Verständnis auch kein Anhalt im Gesetz. Vgl. hierzu auch Kraatz, S. 221 m. w. N.
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lich vorgenommen wird, das tatsächliche einheitliche tatbestandsmäßige Geschehen, die Gesamttat, die den objektiven Straftatbestand verwirklicht und als Basis für die Beurteilung der Strafbarkeit jedes einzelnen Beteiligten dient.189 Versteht man den Begriff „Straftat“ jedoch in diesem Sinne, folgt aus § 25 II StGB keineswegs zwingend, dass mindestens zwei Beteiligte auch tatsächlich aus demselben Straftatbestand strafbar sein müssen. Zudem wäre eine solche akzessorische Deutung der Mittäterschaft mit der Tatherrschaftslehre nicht zu vereinbaren. Hiernach gründet sich die Strafbarkeit des Mittäters auf seine eigene Herrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen und nicht darauf, dass er für fremdes Unrecht verantwortlich ist.190 Gerade diese eigene Herrschaft über das Geschehen unterscheidet den Täter vom Teilnehmer. Zwar findet im Rahmen der Mittäterschaft eine Zurechnung statt, diese stützt sich jedoch darauf, dass das Zurechnungssubjekt auch diese nicht eigenhändig verwirklichten Geschehensteile mitbeherrscht.191 Folglich begehen die Mittäter zwar eine einheitliche Gesamttat im Sinne eines einheitlichen deliktischen Geschehens, das – insgesamt betrachtet – die im jeweiligen Deliktstatbestand formulierte Verbotsnorm verletzt, das letztendliche Urteil über die Strafbarkeit kann jedoch nur für jeden Mittäter separat gefällt werden. Will man die Mittäter nicht als Gesamtsubjekt begreifen, das über einen einheitlichen Willen und einheitliche Schuld verfügt, kann die Ermittlung subjektiver Tatbestandsvoraussetzungen wegen der Verortung im Inneren der Person ohnehin nur für jeden gesondert erfolgen. Damit handelt es sich bei der Mittäterschaft nicht um eine akzessorische Beteiligungsform.192 § 25 II StGB normiert allein eine auf den äußeren Tatbeitrag beschränkte Geschehenszurechnung, nach der jedem Mittäter das äußerliche Wirken des jeweils anderen so zugerechnet wird, als habe er es selbst vorgenommen.193 Dann entspricht es allerdings auch der Struktur der Mittäterschaft, den übrigen Mitwirkenden eine Handlung zuzurechnen, die in der Person des Handelnden kein Unrecht darstellt. Hinzu kommt, dass eine Begrenzung des Zurechnungsgegenstandes auf Handlungen, die auch für den Ausführenden ein unmittelbares Ansetzen darauch Dencker, in: FS Lüderssen (2002), S. 525, 535. Täterschaft und Tatherrschaft, S. 287, 290. Auch Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 89 betonen, dass der Mittäter anders als der Teilnehmer nicht für die Veranlassung einer fremden Tat, sondern für „eigenes täterschaftliches Unrecht“ hafte. 191 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 292. 192 So auch Frister, AT, § 25 Rn. 23; Jescheck/Weigend, AT, S. 675 f.; Kraatz, S. 222 f.; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 61; Rengier, in: FS Puppe (2011), S. 849, 853, 858; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 92 ff.; SK-StGBHoyer, § 25 Rn. 107. Wohl auch Renzikowski, in: FS Otto (2007), S. 423, 435. 193 Ebenso Kraatz, S. 223. 189 Ähnlich 190 Roxin,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge63
stellen, zur Konsequenz hätte, dass die Strafbarkeit aller Mittäter vom Vorsatz des Handelnden abhinge. Dies stünde jedoch in eklatantem Widerspruch dazu, dass nur objektive Elemente zurechnungsfähig sind, es für die Bestimmung subjektiver Elemente aber stets auf den einzelnen Beteiligten selbst ankommt.194 Ein abschließendes Urteil darüber, ob das Zurechnungssubjekt tatsächlich die Versuchsschwelle überschritten hat, wird mit der Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes ohnehin nicht gefällt, dient dieser doch nur als Anknüpfungspunkt der Zurechnung. Vielmehr muss auch die Zurechnungsgrundlage bestehen und das Zurechnungssubjekt in eigener Person die subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllen. Dann erscheint es aber auch möglich und sinnvoll, den Zurechnungsgegenstand rein objektiv zu fassen und subjektive Elemente erst bei der Bestimmung der individuellen Strafbarkeit des jeweiligen Mittäters zu berücksichtigen. Dagegen könnte allerdings sprechen, dass bei einem Verzicht auf dieses subjektive Element bei der Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes die bloß böse Gesinnung, nämlich die Vorstellung der übrigen Beteiligten, der handelnde Mittäter agiere mit einem entsprechenden Vollendungsvorsatz, bestraft würde.195 Dies lässt jedoch außer Acht, dass tatsächlich ein Beitrag vorliegt, der nach dem Gesamtplan das Rechtsgut unmittelbar gefährdet: Der vermeintliche Mittäter hat schließlich geklingelt, das Benzin verschüttet oder die Versicherung informiert. Daher wird nicht an die bloße Vorstellung der übrigen Mittäter, sondern an den tatsächlich vorhandenen objektiven Beitrag zur Begründung ihrer Strafbarkeit angeknüpft. Es ist festzuhalten, dass Zurechnungsgegenstand nicht allein eine Handlung sein kann, die in der Person des Handelnden ein unmittelbares Ansetzen darstellt, sondern dass die Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes überindividuell und losgelöst vom Ausführenden erfolgen muss. (2) Sonstige Anforderungen an den Zurechnungsgegenstand Zurechnungsgegenstand kann damit grundsätzlich jede Handlung sein, die nach dem gemeinsamen Tatplan ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung münden soll. Damit lässt sich ein Zurechnungsgegenstand jedoch nicht in allen Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft annehmen. Es ist nämlich auch denkbar, dass aufgrund des fehlenden gleich194 In diese Richtung argumentiert auch Hauf, NStZ 1994, S. 263, 266; ders., JA 1995, S. 776, 779. Dass § 25 II StGB eigentlich keine Handlungszurechnung, sondern eine auf den äußeren Tatbeitrag begrenzte bloße „Tätigkeitszurechnung“ konstituiert, stellt auch Kraatz, S. 223 heraus. 195 Siehe dazu bereits Fn. 175.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gerichteten Vorsatzes bereits keine Ausführungshandlung mehr vorgenommen wird. Ein Beispiel hierfür ist der sog. Viehhändler-Fall196: Der Viehhändler B hatte vor, von der Weide des Bauern A Rinder zu stehlen. C und D machte er vor, A komme es darauf an, seiner Versicherung einen angeblichen Viehdiebstahl melden zu können und so die Versicherungssumme zu erlangen, die höher sei als ein etwaiger Verkaufserlös. C und D führten den Diebstahl aus, eine Schadensmeldung gegenüber der Versicherung nahm A jedoch nicht vor.
Weil es in diesem Fall nicht zu einer Schadensmeldung des Bauern kommt, fehlt es an einer Handlung, die den Eintritt in das Versuchsstadium begründen könnte. Ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB wird von der Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn der Täter Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen.197 Der Abtransport der Rinder erfüllt diese Voraussetzungen nicht, soll hierdurch doch nur der Schein eines Diebstahls geschaffen werden. Mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen im Sinne des § 263 StGB wird jedoch erst begonnen, wenn es zu einer Gedankenäußerung in Richtung auf den zu Täuschenden kommt.198 Das Beiseiteschaffen der Rinder ist dagegen nach natürlicher Auffassung noch nicht geeignet, bei ungestörtem Fortgang zu einer Gefährdung des Vermögens der Versicherung zu führen. Daher stellt die Schadensmeldung einen wesentlichen Zwischenakt dar, sodass die bislang vorgenommenen Handlungen nur Vorbereitungshandlungen sind. In dieser Variante der vermeintlichen Mittäterschaft, in der die geplante Tat bereits das Vorbereitungsstadium nicht überschreitet, kommt eine Strafbarkeit aus dem Versuchsdelikt von vornherein nicht in Betracht, weil es an einer Handlung fehlt, die als Zurechnungsgegenstand fungieren könnte. Dennoch eine Versuchsstrafbarkeit zu erwägen, hieße, auf eine objektive Ansatzhandlung völlig zu verzichten. Stellte man allein auf eine fiktive, in der Vorstellung der übrigen Beteiligten vorliegende Handlung zur Begründung des Versuchsbeginns ab, läge hierin die Aufgabe des objektiven Versuchselementes. Es würde letztlich allein die böse Gesinnung der übrigen Mittäter bestraft. Ein solches Gesinnungsstrafrecht ist dem deutschen Strafrecht jedoch fremd. Auch beim untauglichen Versuch muss der rechtsfeindliche 196 BGH
NJW 1952, 430. 26, 201, 203; BGHSt 28, 162, 163; BGHSt 37, 294, 297 f.; BGHSt 40, 257, 268; BGHSt 48, 34, 36; vgl. auch Borchert, JA 1980, S. 254, 255; Kühl, JuS 1980, S. 811 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1219; Puppe, AT, § 20 Rn. 27, 40; Safferling, JuS 2005, S. 135, 138; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 850. 198 RGSt 70, 151, 157; RGSt 72, 66 f.; BGH NJW 1952, 430, 431; BGHSt 37, 294; MüKo-StGB-Hefendehl, § 263 Rn. 816 ff.; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 263 Rn. 179. 197 BGHSt
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge65
Wille äußerlich in Erscheinung getreten sein.199 Weil im Gegensatz zu den zuvor geschilderten Fällen also bereits ein Zurechnungsgegenstand fehlt, kommt von vornherein nur eine Strafbarkeit der übrigen Beteiligten aus § 30 StGB in Betracht. Damit stellt sich in dieser Variante gar nicht die Frage, welchen Einfluss der fehlende Vollendungsvorsatz und der damit einhergehende Irrtum der anderen Mittäter auf die Möglichkeit der Zurechnung fremder Ausführungshandlungen haben. Schwerer fällt die Beurteilung, ob überhaupt ein tauglicher Zurechnungsgegenstand vorliegt, im sog. Drogenpaket-Fall200: B und C hatten vereinbart, auf dem Postwege aus Kolumbien drei Kilogramm Kokain in die Bundesrepublik einzuführen, um es hier gewinnbringend zu veräußern. C hatte dabei die Aufgabe, das Rauschgift in Kolumbien zu beschaffen und für dessen Versendung nach Deutschland zu sorgen. Entsprechend dieser Vereinbarung schloss er in Kolumbien mit A einen „Vertrag“ über den Ankauf von Kokain, das in Filmrollen versteckt in einem Paket per Post nach Deutschland versandt werden sollte. Die Filmrollen, die als Versteck für das Kokain dienen sollten, kamen jedoch leer in Deutschland an. In dubio pro reo ist daher davon auszugehen, dass A die Pakete bewusst ohne Kokain abgeschickt hat.201
Das Verschicken des leeren Paketes müsste eine objektiv taugliche Ansatzhandlung darstellen, die nach dem Tatplan unmittelbar in den tatbestandlichen Erfolg münden soll. Während in den übrigen Fällen die vom vermeintlichen Mittäter vorgenommene Handlung aus objektiver Sicht der im Tatplan vorgesehenen Handlung entspricht und allein subjektiv dem vermeintlichen Mittäter die Bereitschaft zur Verwirklichung des Tatplans fehlt, unterscheidet sich im Drogenpaket-Fall die vorgenommene Handlung bereits äußerlich vom Tatplan: A sollte mit Kokain gefüllte Filmrollen verschicken, tatsächlich verschickte er jedoch leere Filmrollen. Daher scheint fraglich, ob überhaupt eine Ansatzhandlung vorliegt, die Gegenstand der Zurechnung sein kann. Auch der BGH weist darauf hin, dass ein Tatbeitrag zur Betäubungsmittel einfuhr durch A nicht geleistet wurde, weil davon auszugehen sei, dass das Paket bereits bei der Einlieferung keine Betäubungsmittel enthielt.202 Eine Ansatzhandlung liegt nur dann vor, wenn diese ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll und damit nach der Vorstellung der Beteiligten das Rechtsgut bereits konkret gefährdet.203 § 30 I BtMG soll „besonders gefährliche und verabscheuungswürdige Angriffe ge199 Nur deshalb wird auch der untaugliche Versuch vom Strafgrund des Versuchs erfasst. Vgl. dazu Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Joecks, wistra 1995, S. 57, 59; Kühl, AT, § 15 Rn. 90 m. w. N. 200 BGH NStZ 2004, 110. 201 BGH NStZ 2004, 110. 202 BGH NStZ 2004, 110, 111. 203 Vgl. dazu bereits Fn. 197.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gen das Schutzgut Volksgesundheit“ ahnden.204 Eine Gefährdung der Volksgesundheit hätte aber nur bestanden, wenn sich in dem Paket zum Zeitpunkt der Einlieferung bei der Post in Kolumbien tatsächlich Betäubungsmittel befunden hätten. Dass von der Ansatzhandlung objektiv keine Gefährdung ausgeht, schließt jedoch, wie der Münzhändler-Fall205 zeigt, eine Strafbarkeit der übrigen Beteiligten wegen untauglichen mittäterschaftlichen Versuchs nicht per se aus, sofern die Handlung jedenfalls nach dem Tatplan unmittelbar in die geplante Gesamttat münden soll. Auch bei einem untauglichen Versuch kann eine Handlung jedoch nur Zurechnungsgegenstand sein, wenn sie zumindest nach der Vorstellung der Mittäter geeignet war, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, mag dies auch objektiv nie der Fall gewesen sein.206 Hierin liegt jedoch der entscheidende Unterschied zum MünzhändlerFall, bei dem allein die Tatbereitschaft des Münzhändlers fehlte, die Meldung gegenüber der Versicherung jedoch objektiv dem Tatplan der Gesamttat entsprach. Das Verschicken der leeren Filmrollen ist auch bei Zugrundelegung des gemeinsamen Tatplans und der Unterstellung, A wäre bereit gewesen, an der Tat mitzuwirken, nicht geeignet, die Gesamttat zu verwirklichen. Auch nach der Vorstellung der Beteiligten war das Verschicken leerer Filmrollen nicht tauglich, einen Beitrag zur Betäubungsmitteleinfuhr zu leisten, sondern ihrer Vorstellung nach sollte eine ganz andere Handlung vorgenommen werden. Die bloße Vorstellung einer tatsächlich nie vorgenommenen Ansatzhandlung kann jedoch nicht als Zurechnungsgegenstand dienen. Somit fehlte es im Drogenpaket-Fall an einer Ausführungshandlung, die B und C hätte zugerechnet werden können.207 Festhalten lässt sich also, dass Zurechnungsgegenstand nur ein Außenweltvorgang sein kann, der im unmittelbaren räumlich-zeitlichem Zusammenhang 204 BT-Drucks. 8/3551, S. 37; vgl. auch Körner/Patzak/Volkmer-Patzak, BtMG, § 30 Rn. 1; Weber, BtMG, § 30 Rn. 4. Kritisch hierzu m. w. N. MüKo-StGB-Rahlf, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 3 ff. 205 BGHSt 40, 299. Siehe hierzu bereits oben Kap. 1 A. I. 1. In diesem Fall nahmen die Raubtäter an, ihr Opfer, ein Münzhändler, sei mit dem Raub einverstanden und werde anschließend der Versicherung zum Schein den Schaden melden, um die Versicherungssumme zu kassieren. Tatsächlich war der Münzhändler in den Plan nicht eingeweiht, sodass seine später erfolgende Schadensmeldung nicht wahrheitswidrig, sondern wahrheitsgemäß erfolgte, weil er als Opfer eines Raubes, an dem er selbst nicht beteiligt war, Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme hatte. Die Schadensmeldung als Versuchshandlung gefährdete also in diesem Fall objektiv das Vermögen der Versicherung nicht. 206 Ha, S. 46 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 529 ff.; Kühl, AT, § 15 Rn. 87; Lackner/ Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 12; LK-StGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 49; Maurach/ Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 184 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 60 ff.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 6. 207 Zu einem anderen Ergebnis kommt Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 561 ff.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge67
mit der Deliktsverwirklichung steht, während die bloße Vorstellung eines solchen Geschehens nicht als Zurechnungsgegenstand fungieren kann. Zudem muss es sich um ein Verhalten handeln, das nach der in dem gemeinsamen Tatplan zum Ausdruck kommenden gemeinschaftlichen Vorstellung der Mittäter vom Tatablauf geeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Der Zurechnungsgegenstand muss damit losgelöst von der Vorstellung des Ausführenden bestimmt werden: Es kann nur darauf ankommen, ob ein Beitrag vorliegt, der mit Blick auf die Gesamttat unmittelbar in eine Rechtsgutsverletzung münden soll. Ob eine solche erfolgstaugliche Handlung vorliegt, muss auf der Basis des zuvor ausdrücklich oder konkludent gefassten gemeinsamen Tatplans bestimmt werden. Hinreichender Zurechnungsgegenstand ist somit jede Handlung, die sich im Rahmen des gemeinsamen Tatplans hält und nach diesem den Beginn der Ausführung markiert. Hierbei kann es sich auch um ein Verhalten handeln, das bei einem Einzeltäter noch bloße Vorbereitung gewesen wäre.208 Einer solchen Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes könnte entgegengehalten werden, dass beim Versuch bereits nach dem Wortlaut des § 22 StGB objektive und subjektive Merkmale eng miteinander verzahnt sind, sodass die Außerachtlassung der Vorstellung des Handelnden der Konzeption des Gesetzgebers widersprechen könnte. In der Tat ist beim Versuch die Vorstellung des Täters für die Beurteilung der Strafbarkeit bereits deshalb unerlässlich, weil ein objektives Geschehen, an das diese Prüfung angeknüpft werden könnte, nur in geringem Umfang existiert. Jedoch wird auch nach dem hier vorgeschlagenen Konzept die Vorstellung der Beteiligten keinesfalls außer Acht gelassen: Es wird nur nicht an die Vorstellung des jeweils Handelnden, sondern an den gemeinsamen Tatplan angeknüpft, der die gemeinsame Vorstellung der Mittäter vom Tatablauf enthält. Auf diese gemeinschaftlich getragene Vorstellung statt auf die Vorstellung des Handelnden abzustellen, resultiert notwendigerweise daraus, dass auch der Versuchsbeginn nicht im Hinblick auf die Tat eines Einzelnen, sondern eine Gesamttat bestimmt werden soll. Auch der Vorsatz des Einzelnen wird damit nicht ausgeklammert. Er erlangt im Rahmen der Zurechnungsgrundlage Bedeutung.209 Zudem kann auf ihn bei der Bestimmung der Strafbarkeit jedes Einzelnen nicht verzichtet werden. Denn Sinn der Gesamtlösung kann es allein sein, jedem Mittäter ein Geschehen zuzurechnen, das so zu behandeln ist, als hätte er es eigenhändig vorgenommen. Ob dieses auch vom Vorsatz umfasst, also von einem entsprechenden Tatentschluss getragen war, muss in einem zweiten Schritt für jeden Täter separat beurteilt werden.
Unterschied stellt auch bereits Küper, Versuchsbeginn, S. 21 f. heraus. dazu sogleich Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc).
208 Diesen 209 Vgl.
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Gegen ein solches Verständnis des Zurechnungsgegenstandes könnte sprechen, dass so letztlich auf das Erfordernis einer objektive Gefährdung des geschützten Rechtsgutes völlig verzichtet würde, weil von der Handlung des scheinbaren Mittäters in allen Fällen objektiv keinerlei Gefahr für das Rechtsgut mehr ausgeht. Allerdings ist das Versuchsunrecht auch dann verwirklicht, wenn die Handlung zwar objektiv ungeeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, der Täter sie jedoch für tauglich hält und dadurch seinen rechtsfeindlichen Willen betätigt.210 Dies ergibt sich bereits aus § 22 und § 23 III StGB.211 Um einen solchen untauglichen Versuch handelt es sich bei allen Konstellationen der vermeintlichen Mittäterschaft:212 Weil das Klingeln bereits beim Eintreffen am Tatort als Zeichen für die Polizei zum Eingriff verabredet worden war, konnte es im Klingel-Fall213 nie zu einer Überwältigung der Eheleute und einem Diebstahl der Wertgegenstände kommen, sodass der Raub von vornherein nicht vollendet werden konnte. Auch im Brandstifter-Fall214 ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass A nie vorhatte, das Benzin zu entzünden und damit nie die Gefahr bestand, dass das Vermögen der Versicherung geschädigt wird. Ebenso verhält es sich im Münzhändler-Fall215, in dem die Schadensmeldung nie eine Täuschung darstellen konnte, weil der Münzhändler tatsächlich Opfer eines Raubes geworden war. Auch eine von Anfang an zur Erfolgsherbeiführung untaugliche Ansatzhandlung kann somit Zurechnungsgegenstand sein. Dieser objektiven Untauglichkeit muss dann aber die Vorstellung gegenüberstehen, die Tat könne gelingen.216 Auch insoweit kann es für die Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes nur darauf ankommen, ob die Handlung gemessen am 210 Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs vgl. Ha, S. 46 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 529 ff.; Kühl, AT, § 15 Rn. 87; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 12; LKStGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 49; Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 184 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 60 ff.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 6. 211 Frister, AT, § 23 Rn. 3; Ha, S. 46; LK-StGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 49; Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 196; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 61; Roxin, AT II, § 29 Rn. 6. 212 So für den Klingel- und Münzhändler-Fall auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 240; Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 559; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 22. Der BGH hat dagegen versucht, die Unterschiedlichkeit der Entscheidungen damit zu begründen, dass nur im Münzhändler-Fall ein untauglicher Versuch vorliege, vgl. BGHSt 40, 299, 304; zustimmend auch Jung, JuS 1995, S. 360, 361. 213 BGHSt 39, 236. 214 BGH MDR 1986, 974. 215 BGHSt 40, 299. 216 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 37; Kühl, AT, § 15 Rn. 87; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 12; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 179; Maurach/ Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 201; Rengier, AT, § 35 Rn. 1.
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gemeinsamen Tatplan ein tauglicher Tatbeitrag ist. Dass der scheinbare Mittäter selbst sie nicht mehr für tauglich hielt, kann allein für seine Strafbarkeit Bedeutung erlangen. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass Zurechnungsgegenstand jedes Verhalten sein kann, das eine hinreichende Nähe zur geplanten Tatbestandsverwirklichung aufweist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den bereits zur Alleintäterschaft entwickelten Kriterien mit dem Unterschied, dass Beurteilungsbasis nicht die Vorstellung eines Einzelnen, sondern der gemeinsame Tatplan als gemeinschaftliche Vorstellung aller Mittäter ist. Damit kommt es nicht darauf an, ob der Ausführende selbst mit diesem Verhalten im Sinne des § 22 StGB unmittelbar ansetzt. Ein so verstandener Zurechnungsgegenstand liegt – außer im Viehhändler- und DrogenpaketFall217 – auch bei der scheinbaren Mittäterschaft vor. Denn bei Zugrundelegung des gemeinsamen Tatplans markiert die Handlung des scheinbaren Mittäters, also das Klingeln, das Verschütten des Benzins bzw. die Schadensmeldung, unmittelbar den Beginn der Gesamttat. Das Vorsatzdefizit des scheinbaren Mittäters ist ohne Belang für den Zurechnungsgegenstand. cc) Vorliegen einer Zurechnungsgrundlage Um eine Zurechnung im Wege der Gesamtlösung vornehmen zu können, bedarf es neben einem Zurechnungsgegenstand auch einer Zurechnungsgrundlage.218 Daher muss ermittelt werden, welche allgemeinen Anforderungen an diese Zurechnungsgrundlage zu stellen sind (1)), um vor diesem Hintergrund beurteilen zu können, ob eine solche Zurechnungsgrundlage auch bei der nur vermeintlichen Mittäterschaft vorliegt (2)). (1) Allgemeine Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage Die Zurechnungsgrundlage bildet die Rechtfertigung dafür, das Zurechnungssubjekt für den Zurechnungsgegenstand verantwortlich zu machen. Sie kann sich allein aus der funktionellen Tatherrschaft ergeben,219 die jeder Mittäter innehat. Diese stützt sich nach überwiegender Auffassung auf zwei 217 Siehe 218 Dies
dazu bereits oben S. 63 ff. arbeiten auch Buser, S. 91 ff. und Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 434,
443 heraus. 219 Von dieser Prämisse soll in der vorliegenden Arbeit ausgegangen werden. Anspruch dieser Arbeit kann es nicht sein, die Tatherrschaftslehre erneut auf den Prüfstand zu stellen, denn dies würde den Umfang der Untersuchung sprengen. Vielmehr soll auf der Basis der Tatherrschaftslehre ein Lösungsvorschlag für den Irrtum über die Beteiligungsrolle erarbeitet werden.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Säulen:220 Zum einen müssen die Handlungen der Mittäter durch einen gemeinsamen Tatplan miteinander verbunden sein, um so als gemeinschaftliche Tatausführung zu erscheinen (a). Zum anderen muss jeder Mittäter selbst einen wesentlichen Tatbeitrag erbracht haben (b). Beide Voraussetzungen sind jedoch einer kritischen Prüfung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Vermittlung der Tatherrschaft und damit auch für die Zurechnungsgrundlage zu unterziehen. (a) Gemeinsamer Tatplan Die scheinbare Mittäterschaft zeichnet aus, dass es an einem verbindenden gemeinsamen Tatplan fehlt, was dem oder den übrigen Mittätern jedoch verborgen bleibt. Daher sind Berechtigung und Auslegung dieses Merkmals von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der Ausgangsfrage. Es muss ermittelt werden, welche Funktion der gemeinsame Tatplan erfüllt (aa)) und ob auf ihn unter Umständen sogar verzichtet werden kann (bb)). Von Relevanz für die Auswirkungen des Vorsatzdefizits des vermeintlichen Mittäters auf die Strafbarkeit des oder der übrigen Beteiligten ist auch das Verhältnis des gemeinsamen Tatplans zum Vorsatz des einzelnen Mittäters (cc)) und die Frage, ob es sich beim gemeinsamen Tatplan tatsächlich, wie überwiegend postuliert, um ein subjektives Erfordernis handelt (dd)). (aa) Funktionen des gemeinsamen Tatplans Der gemeinsame Tatplan verbindet die Einzelbeiträge der Mittäter zu einer gemeinschaftlichen Tat, denn gemeinschaftliches Handeln ist nur bei einer Willensübereinstimmung denkbar.221 Zudem weist er dem Einzelnen seine Funktion im Gesamtgeschehen zu.222 Mit der Zuteilung seiner Rolle im Tatplan erlangt der Mittäter seine täterschaftliche Stellung und damit die Möglichkeit, das Gesamtgeschehen durch Nichtleistung seines Beitrags wesentlich zu erschweren, sodass er essentiell für die Frustrationsherrschaft des Mittäters ist. Auch die positive psychische Tatherrschaft, die besteht, weil jeder Beteiligte mit der Zusage seines Tatbeitrags die anderen Mittäter zur Leistung ihrer Beiträge motiviert, wird durch die Willensübereinkunft ver220 Vgl. statt vieler Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 707; Kühl, AT, § 20 Rn. 103 ff.; Marlie, JA 2006, S. 613; Roxin, AT II, § 25 Rn. 189; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 78 f. 221 Arana, S. 170; Fad, S. 126; Häring, S. 130; Jakobs, AT, § 21 Rn. 41; Kamm, S. 35; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 301; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 21; Roxin, AT II, § 25 Rn. 190. 222 Arana, S. 170; Roxin, AT II, § 25 Rn. 190.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge71
mittelt.223 Somit erfüllt der gemeinsame Tatplan eine wesentliche Funktion bei der Vermittlung der funktionellen Tatherrschaft und begründet dadurch die Mittäterschaft.224 Zugleich erfüllt er aber auch eine zurechnungsbegrenzende Funktion, weil er festlegt, bis zu welcher Grenze eine Zurechnung fremder Tatbeiträge erfolgen kann: Nur diejenigen Handlungen, die vom gemeinsamen Tatplan gedeckt sind, unterliegen der gegenseitigen Zurechnung; im Übrigen liegt ein Exzess vor, der eine Zurechnung ausschließt.225 Zudem verleiht der gemeinsame Tatplan der Mittäterschaft Kontur und ermöglicht die Abgrenzung von anderen Beteiligungsformen. So ist wesentlicher Unterschied zwischen Mit- und Nebentäterschaft der verbindende gemeinsame Tatplan. Durch seine wesentliche Bedeutung bei der Vermittlung der Tatherrschaft dient er auch der Abgrenzung zur Beihilfe. (bb) Verzicht auf den gemeinsamen Tatplan? Obwohl der gemeinsame Tatplan die Mittäterschaft begründet und begrenzt, ist dieses Kriterium in der Lehre mittlerweile nicht mehr unbestritten.226 Wäre ein Verzicht auf dieses Merkmal möglich und der gemeinsame Tatplan damit für die Zurechnungsgrundlage bedeutungslos, würde dies die strafbarkeitsrelevanten Unterschiede zwischen scheinbarer und tatsächlicher Mittäterschaft erheblich verringern, denn das Fehlen eines gemeinsamen Tatplans würde dann der Zurechnung der Gesamttat nicht entgegenstehen. Jakobs will auf die Gemeinsamkeit des Entschlusses verzichten und lässt stattdessen zumindest in Fällen, in denen ein Delikt nur eine einzige Ausführungshandlung erfordert oder alle Ausführungshandlungen durch eine einzige Person vollzogen werden, auch einen „Einpassungsentschluss“ als verbin223 Fad, S. 126 f.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 708 ff.; Puppe, GA 1984, S. 101, 112; dies., ZIS 2007, S. 234, 236; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 127. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 224 AnwK-StGB-Waßmer, § 25 Rn. 54; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 707; Kamm, S. 35 f.; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 301 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 78; Stratenwerth/Kuhlen, AT, Rn. 809 ff. 225 Fad, S. 126; Häring, S. 131; Kühl, AT, § 20 Rn. 117; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 302; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 21 und 58 ff.; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 242 ff.; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 486; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 286; Weißer, S. 368 f. 226 Hierauf verzichten wollen Becker, Additive Mittäterschaft, S. 157 ff.; v. Danwitz, S. 143, 174 f., 176 ff.; Derksen, GA 1993, S. 163 ff.; Jakobs, AT, § 21 Rn. 43; ders., in: FS Puppe (2011), S. 547, 555 ff., 562; Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271 ff.; ders., JA 2000, S. 73 ff.; Sánchez Lázaro, S. 56 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
dendes Element der Mittäterschaft genügen.227 Damit könnten auch demjenigen, der den Ausführenden ohne dessen Wissen bei der Tatbegehung wesentlich unterstützt, die Handlungen des Ausführenden mittäterschaftlich zugerechnet werden. Die Folge wäre eine einseitige Mittäterschaft des unerkannt Unterstützenden an dem vom unmittelbar Ausführenden verwirklichten Delikt. Der Ausführende wäre dagegen weiterhin Alleintäter nach § 25 I Var. 1 StGB, weil ihm das Wissen um die gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung fehlt. Nach dieser Lösung könnte der heimlich Mitwirkende wegen Mittäterschaft und nicht nur wegen Beihilfe zur Verantwortung gezogen werden. Fraglich ist allerdings, ob diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Mittäterschaft in der Sache angemessen ist. Funktion des gemeinsamen Tatplans ist es wie gezeigt228 auch, eine Abgrenzung zur Beihilfe und zur Nebentäterschaft zu ermöglichen. Daher kann ein Einpassungsentschluss nur die Mittäterschaft tragen, wenn sich auch mit ihm eine solche Abgrenzung vornehmen ließe. Nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 25 II, 27 StGB setzt die Mittäterschaft ein arbeitsteiliges Wirken voraus, während der Gehilfe den Haupttäter lediglich bei dessen Tatbegehung unterstützt, d. h. nur eine untergeordnete Rolle übernimmt. Dass auch die einseitige Begründung der Mittäterschaft durch Einpassungsentschluss möglich sein muss, will Jakobs an dem Beispiel verdeutlichen, dass jemand dem Opfer, das im Schlaf erschlagen werden soll, ohne Verabredung mit dem Ausführenden ein Schlafmittel verabreicht, dem Täter die Tür öffnet, ihm ein geeignetes und dann auch benutztes Tatwerkzeug bereit stellt und schließlich das Hinzutreten störender dritter Personen vor der Ausführung verhindert.229 Hier soll der heimliche Unterstützer aufgrund der einseitigen Einpassung wegen mittäterschaftlicher Tatbegehung strafbar sein. Aber gerade das von Jakobs gebildete Beispiel zeigt, dass die Beteiligten bei nur heimlicher Unterstützung nicht gleichberechtigt zusammenwirken. Der ausführende Täter steuert das Geschehen in dem Beispielsfall allein, denn der Unterstützende hat keinerlei Einfluss darauf, ob der Haupttäter auch tatsächlich erscheint, um das Opfer zu erschlagen. Damit fehlt ihm jedenfalls eine positive Herrschaft über das Geschehen. Dies schließt eine Mittäterschaft jedoch nicht aus, denn eine positive Handlungsund Gestaltungsherrschaft über die von den anderen Beteiligten vorgenommenen Handlungen haben die Mittäter wie gezeigt ohnehin nicht. Allerdings erscheint auch zweifelhaft, ob der heimlich Unterstützende die Frustrationsherrschaft über die Gesamttat innehat, denn der Ausführende hat die Unter227 Jakobs, AT,
§ 21 Rn. 43 f. Ebenso auch Becker, Additive Mittäterschaft, S. 158 f. bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (aa). 229 Jakobs, AT, § 21 Rn. 43. 228 Vgl.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge73
stützung des Hinzukommenden nicht erwartet und hätte die Tat daher – mag ihm die Unterstützung die Ausführung auch erleichtern – vermutlich auch ohne die Maßnahmen des Hinzutretenden begangen. Die negative Hemmungsmacht entsteht durch die Zuweisung einer wesentlichen Rolle im Tatgeschehen und kann daher nicht bestehen, wenn der Beitrag zunächst für die Verwirklichung der Gesamttat gar nicht angedacht war. Denn hat der Ausführende seinen Tatplan unabhängig von den Beiträgen des Hinzutretenden gefasst, kann dieser die Tatbegehung durch Nichtleistung seiner Tatbeiträge auch nicht wesentlich erschweren, muss doch der Ausführende nur zu seinem ursprünglichen Tatplan zurückkehren. Auch eine psychische Bindungswirkung kann die Unterstützung nicht entfalten, weil dem Ausführenden die Kenntnis der Beteiligung fehlt. Somit fällt es schwer, davon zu sprechen, der Unterstützende habe die Tatherrschaft inne, weil diese gerade wesentlich durch den verbindenden gemeinsamen Tatplan vermittelt wird, sodass sie sich bei einem Verzicht hierauf kaum noch begründen ließe.230 Es erscheint naheliegender, von einer Förderung der Haupttat durch den Unterstützenden zu sprechen.231 Damit nivelliert der Verzicht auf die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses die Unterschiede zwischen Mittäterschaft und Beihilfe und erschwert die Abgrenzung.232 Auch lässt sich eine einseitige Mittäterschaft schwer mit dem Gesetzeswortlaut des § 25 II StGB in Einklang bringen, der von einer gemeinschaftlichen Begehungsweise spricht.233 Derksen234 und Lesch235 wollen auf das Merkmal des gemeinsamen Tatplans als Element mittäterschaftlicher Tatbegehung sogar vollständig verzichten. Auch Derksen verlangt, dass die Einzelbeiträge in einem einheitsstiftenden Kontext stehen, weil nur dann von einer einheitlichen Tat gesprochen werden könne.236 Ob ein solcher Kontext besteht, will er jedoch nicht mithilfe des gemeinsamen Tatplans, sondern allein objektiv ermitteln. Ein hinreichender Zusammenhang bestehe, wenn der Beitrag des anderen Be230 Dies sieht auch Lesch, JA 2000, S. 73, 75 f., wenn er die Lehre von der „funktionellen Tatherrschaft“ als wesentlichen Argumentationsstrang für die Notwendigkeit eines gemeinsamen Tatplans herausstellt. Insoweit konsequent will er dann nicht nur auf den gemeinsamen Tatplan verzichten, sondern lehnt auch die funktionelle Tatherrschaft als Begründungsmodell der Mittäterschaft ab. 231 So auch Puppe, ZIS 2007, S. 234, 236. Die fehlende Willensübereinstimmung zwischen Haupttäter und Gehilfen schließt eine solche Beihilfe nach h. M. nicht aus, vgl. dazu Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 27 Rn. 18 m. w. N. 232 Roxin, AT II, § 25 Rn. 251. 233 Fad, S. 108; Kamm, S. 40; Knauer, S. 160; Kühl, AT, § 20 Rn. 106; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 302; ders., GA 1998, S. 519, 526; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 101; Roxin, AT II, § 25 Rn. 251. 234 GA 1993, S. 163 ff. 235 ZStW 105 (1993), S. 271 ff. und JA 2000, S. 73 ff. 236 GA 1993, S. 163, 172.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
standteil einer umfassenderen Organisation sei.237 Mittäterschaft sei dabei die Kumulation individueller Entwürfe zu einem Planungskontext. Indem der Täter Handlung A vornehme, erlange er zugleich auch die Zuständigkeit für die dieser nachfolgende Handlung B, weil die unzulässige Fremdorganisation, die mit Handlung A eingeleitet werde, durch Handlung B fortgeführt werde und Handlung A die institutionelle Zuständigkeit zur Vermeidung von Handlung B begründe oder aktualisiere. Diese unzulässige Fremdorganisation und die Verletzung der aus institutioneller Zuständigkeit folgenden Pflichten schaffe die mittäterschaftsbegründende Relation.238 Ähnlich argumentiert auch Lesch: Er nimmt an, das strafrechtliche Unrecht werde bei einer arbeitsteilig begangenen Tat allein durch die Gesamttat, d. h. die einem Kollektiv zuzurechnende Tat verwirklicht. Konstituierendes Element dieses Kollektivs sei dabei jedoch nicht ein gemeinsamer Tatplan, sondern die Verfolgung eines überindividuellen gemeinsamen Zwecks, der in der gemeinsamen arbeitsteiligen Verwirklichung eines bestimmten Delikts bestehe.239 Ob ein solcher objektivierter Planzusammenhang bestehe, bestimme sich nach dem sozialen und normativen Kontext des Geschehens sowie den jeweiligen Rollen der Akteure.240 Die Zweckverbindung könne zum einen dadurch begründet werden, dass die Tatbeiträge in einem objektiven Wirkungsund Zweckbezug im Sinne eines „In-die-Hände-Arbeitens“ stünden. Zum anderen könne ein objektiver Planzusammenhang dann angenommen werden, wenn der Beteiligte Sicherungspflichten wegen der Inhaberschaft gefährlicher Sachen oder Situationen oder qua Übernahme verletze.241 Beiden Ansätzen ist gemein, dass auch sie eine mittäterschaftliche Zurechnung nur dann zulassen, wenn die Einzelbeiträge der Beteiligten zu einer Gesamttat verbunden sind. Ob ein solcher Gesamtkontext besteht, wollen Derksen und Lesch allerdings rein objektiv und nicht anhand des gemeinsamen Tatplans ermitteln. Dies kann jedoch nur dann überzeugen, wenn sich die Gemeinsamkeit des Handelns auch tatsächlich in allen Fällen ohne Hinzunahme ausdrücklich oder konkludent getroffener Absprachen ermitteln ließe. Möglich erscheint ein solcher Verzicht bei einem erkennbaren Zusammenwirken der Beteiligten am Tatort. Wenn also, um Leschs Beispiel242 zu nehmen, bei einem Bankraub der eine Akteur den Kassierer mit der Waffe in Schach hält, während ein anderer gleichzeitig Banknoten aus dem Kassen237 Derksen,
GA 1993, S. 163, 172 f. GA 1993, S. 163, 174. 239 Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271, 276 f. 240 Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271, 282; ders., JA 2000, S. 73, 77 f. 241 Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271, 282 f. und 286; ders., JA 2000, S. 73, 78. Ähnlich auch Sánchez Lázaro, S. 56 ff. 242 Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271, 283. 238 Derksen,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge75
schalter in eine Tasche räumt, ist bereits anhand des äußeren Geschehens erkennbar, dass beide Beteiligten ein gemeinschaftliches Ziel verfolgen, da ihre Handlungen nur vor diesem Hintergrund sinnvoll erscheinen. Der Tatbeitrag der einzelnen Beteiligten lässt sich jedoch nicht in allen Fällen derart eindeutig einem Gesamtvorhaben zuordnen: Wenn A und B jeweils an unterschiedlichen Stellen eines Hanges Steine hinabstoßen, lässt dieses Geschehen verschiedene Deutungen zu. So könnten A und B aufgrund eines gemeinsamen, möglicherweise konkludent gefassten Tatplans agieren und sich nur deshalb an unterschiedlichen Stellen platzieren, um möglichst sicher den zu einem bestimmten Zeitpunkt erwarteten O zu treffen. Ebenso könnten A und B auch völlig unabhängig voneinander handeln und sich möglicherweise aufgrund der großen Entfernung auch gar nicht bemerken. Die Unterscheidung, ob ersteres oder letzteres der Fall ist und A und B daher Mit- oder nur Nebentäter sind, ist von entscheidender Bedeutung für die Klärung der Strafbarkeit, wenn nur ein Stein den O trifft. Nur bei einer Mittäterschaft könnte auch der andere Beteiligte oder bei Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Frage, von wem der entscheidende Stein gestoßen wurde, überhaupt jemand hierfür zur Verantwortung gezogen werden. Eine zweifelsfreie Deutung des Geschehens ohne Hinzunahme vorheriger Absprachen ist jedoch unmöglich.243 Bereits dieses Beispiel zeigt, dass die Mittäterschaft bei einem Verzicht auf den gemeinsamen Tatplan erheblich an Kontur verliert. Will man dies dadurch überwinden, dass man im Falle eines objektiv mehrdeutigen Geschehens zur Interpretation des Geschehens auch auf vorherige Interaktionen zwischen den Akteuren wie Deliktsvorbereitungen und -planungen abstellt,244 so wird dadurch durch die Hintertür doch der gemeinsame Tatplan zur Bestimmung der Zurechnungsgrundlage herangezogen. Dann ist aber nicht ersichtlich, worin der Mehrwert liegen soll, zunächst auf ihn zu verzichten.245 Ebenso ließen sich im Falle des Versuchs Mit- und Nebentäterschaft nach diesem Konzept nicht abgrenzen, denn auch hier hat die Mittäterschaft als Zurechnungsregel nur dann konstitutive Bedeutung, wenn noch nicht alle Beteiligten selbst die Schwelle des § 22 StGB überschritten haben, sondern ihnen das unmittelbare Ansetzen eines anderen im Sinne der Gesamtlösung zugerechnet werden soll. In diesem Fall haben die übrigen Beteiligten aber gerade noch keine objektiven Handlungen vorgenommen, anhand derer man einen einheitsstiftenden Kontext und eine Rollenverteilung ermitteln könnte.246 243 Ähnlich Angerer, S. 140; Fricke, S. 87 ff.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 708; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 302. 244 So wohl Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271, 283 m. Fn. 56. 245 Fricke, S. 88; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 708. 246 Ebenso Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 303.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Wenn aber der Verzicht auf das Kriterium des gemeinsamen Tatplans die Abgrenzung zwischen Mit- und Nebentäterschaft erschwert, müsste hierin andererseits ein Mehrwert liegen, der diese Schwierigkeiten rechtfertigt. Ein solcher ist jedoch nicht erkennbar. Vielmehr erfüllt der Tatplan eine klare Begrenzungsfunktion bei der Zurechnung fremden Verhaltens und durch ihn wird dem Mittäter auch eine psychische Einflussnahme auf die Beiträge der übrigen Mittäter ermöglicht, sodass ein Verzicht auf den gemeinsamen Tatplan die Konturen der Mittäterschaft eher verwischt als präzisiert. Will man an der Tatherrschaftslehre festhalten, ist der gemeinsame Tatplan überdies ohnehin unverzichtbar, weil sich nur mit ihm die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters über die Gesamttat erklären lässt. Somit ist der gemeinsame Tatplan als Teil der Zurechnungsgrundlage unentbehrlich. (cc) Verhältnis zum Vorsatz des einzelnen Mittäters Was genau unter dem gemeinsamen Tatplan zu verstehen ist und in welchem Verhältnis er zum Vorsatz des einzelnen Mittäters steht, wird zumeist nicht näher begründet.247 Die Klärung dieser Frage ist jedoch von entscheidender Bedeutung für die Auswirkungen des Vorsatzwegfalls eines Mittäters auf den Fortbestand des gemeinsamen Tatplans sowie das Verständnis der Struktur der Mittäterschaft. Der gemeinsame Tatplan könnte zum einen nichts anderes als der übereinstimmende Vorsatz aller Mittäter sein. Dann wäre notwendige Voraussetzung des gemeinsamen Tatplans nur der auf die gemeinsame Tatbestandsverwirklichung gerichtete Vorsatz eines jeden Mittäters, ob es zu einer Entäußerung des Willens in Form einer objektiven Übereinkunft gekommen ist, wäre dagegen ohne Relevanz. Weil auch bei der Mittäterschaft nach § 15 StGB jeder Täter vorsätzlich handeln muss, könnte der gemeinsame Tatplan als übereinstimmender im Ausführungsstadium bestehender Vorsatz der Mittäter im Hinblick auf die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes verstanden werden. Dagegen spricht jedoch, dass der gemeinsame Tatplan – soll er als Zurechnungsgrundlage fungieren – bereits zu einem früheren Zeitpunkt relevant wird und daher dem Vorsatz im Ausführungsstadium vorgelagert sein muss.248 Die Willensübereinkunft in Form des gemeinsamen Tatplans beinhaltet die gemeinsame Vorstellung von der geplanten Tat und dient der Zuweisung 247 Um eine Abgrenzung dieser Elemente bemühen sich aber Buser, S. 102 ff., 134 ff. sowie Fad, S. 119 ff. 248 So auch Buser, S. 102; Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 132, 150 f.; Fad, S. 120.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge77
einer Rolle im Gesamtgeschehen. Koordination und Funktionszuweisung müssen jedoch notwendigerweise vor der Erbringung der jeweiligen Einzelbeiträge erfolgen, weil sich sonst eine zielführende arbeitsteilige Tatausführung kaum realisieren lässt. Dass auch der Gesetzgeber von einer solchen Chronologie der mittäterschaftlichen Tat ausgegangen ist, zeigt § 30 II StGB. Hiernach ist auch die bloße Verabredung eines Verbrechens strafbar. § 30 II StGB erfasst dabei den Fall, dass die geplante Tat nicht einmal versucht, die Verabredung also noch nicht umgesetzt wurde.249 Somit geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Verabredung in der Regel der eigentlichen Tatausführung vorgelagert sein wird. Der gemeinsame Tatplan kann daher nicht mit dem Tatvorsatz der Mittäter im Ausführungsstadium gleichgesetzt werden. Folglich bestimmt der gemeinsame Tatplan bereits vor Leistung des jeweiligen Beitrags, ob dieser Teil einer Gesamt- oder einer Individualtat ist.250 Möglicherweise kann jedoch an einen schon im Vorbereitungsstadium bestehenden Tatentschluss der Mittäter angeknüpft werden.251 Zu diesem Zeitpunkt, den auch § 30 II StGB in den Blick nimmt, fasst jeder Mittäter – zumindest im Regelfall – bereits den Entschluss, eine Straftat arbeitsteilig zu begehen. Auch wenn dieser Vorsatz zur Begründung der Strafbarkeit aus dem jeweiligen Delikt nicht herangezogen werden kann, weil es sich insofern um einen für die Strafbarkeit irrelevanten dolus antecedens handelt, könnte er Bestandteil des gemeinsamen Tatplans sein. Der gemeinsame Tatplan könnte daher als übereinstimmender Vorsatz der Mittäter im Planungsstadium verstanden werden. Bei einer solchen Deutung des gemeinsamen Tatplans verlöre dieser allerdings seine Abgrenzungsfunktion zur Nebentäterschaft.252 Denn auch der Vorsatz von Nebentätern kann auf dieselbe Deliktsverwirklichung gerichtet sein, dennoch handeln sie unverbunden und unabhängig voneinander und können aus diesem Grund nicht für das Verhalten des jeweils anderen zur 249 Schönke/Schröder-Heine/Weißer,
StGB, § 30 Rn. 1 m. w. N. ist dies allein im Falle der sukzessiven Mittäterschaft. Hier dient ein erst nachträglich gefasster Tatplan als Zurechnungsgrundlage für bereits zuvor vorgenommene Beiträge. Vgl. zu diesem umstrittenen Institut Kühl, AT, § 20 Rn. 126 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 219 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 96 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 123 ff. jew. m. w. N. Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 150 f. geht davon aus, auch im Falle der sukzessiven Mittäterschaft werde der die Mittäterschaft begründende Tatentschluss vor der Tat gefasst, weil die Gesamttat erst beginne, nachdem diese Willensübereinkunft hergestellt wurde. Zuvor handele es sich um eine Individualtat. 251 In dieser Form differenziert Buser, S. 102 ff. 252 So auch Fad, S. 120; Marlie, JA 2006, S. 613, 616; Roxin, AT II, § 25 Rn. 192. 250 Zweifelhaft
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Verantwortung gezogen werden.253 Daher muss sich die Mittäterschaft durch ein erhöhtes Maß an Verbundenheit auszeichnen. Zudem kann der übereinstimmende Vorsatz allein keine Tatherrschaft vermitteln und damit die Mittäterschaft nicht begründen. Die Frustrationsherrschaft ergibt sich aus der Übernahme einer zentralen Funktion im Gesamtgeschehen. Eine Rollenzuweisung erfordert aber zwangsläufig eine zumindest konkludente Kommunikation zwischen den Beteiligten. Erst nach einer Verständigung über den geplanten Ablauf der gemeinsamen Tat kann jedem Mittäter eine Aufgabe bei der Tatausführung zugeteilt werden. Auch die positive psychische Tatherrschaft erlangt der Mittäter erst mit Mitteilung seines Tatentschlusses, denn erst ab diesem Zeitpunkt wissen die anderen Beteiligten, dass sie mit ihrem Vorhaben nicht alleine sind und werden dadurch in ihrem eigenen Entschluss bestärkt. Der bloß übereinstimmende Vorsatz eines anderen kann dagegen eine solche Wirkung nicht entfalten. Gegen ein rein subjektives Verständnis des gemeinsamen Tatplans spricht auch § 30 II Var. 3 StGB, der nach dem Willen des Gesetzgebers als Vorstufe der Mittäterschaft das besondere Gefährdungspotential der Verbrechensverabredung erfassen soll.254 Wenn die Verbrechensverabredung aber eine Vorstufe der Mittäterschaft ist, liegt dem die Annahme zugrunde, die Abstimmung der Mittäter erfolge – zumindest im Regelfall – in Form einer Verabredung. Bereits der Begriff Verabredung suggeriert jedoch, dass es sich um eine Einigung handelt, die damit nicht allein innerpsychisch erfolgen kann, sondern einer Willensentäußerung bedarf. Verabreden meint, etwas mündlich zu vereinbaren255 oder sich abzusprechen und erfordert daher irgendeine Form der Kommunikation zwischen den Beteiligten. Daher kann der gemeinsame Tatplan nicht mit dem übereinstimmenden Vorsatz der Mittäter gleichgesetzt werden. Des Weiteren könnte der Vorsatz der einzelnen Mittäter auch völlig bedeutungslos für den gemeinsamen Tatplan sein und dieser vielmehr als objektive Verabredung verstanden werden. Dann wäre der Vorsatzentfall eines Mittäters ohne Relevanz für den Fortbestand des gemeinsamen Tatplans. Der gemeinsame Tatplan könnte nur durch eine zumindest konkludente Einigung 253 Vgl. dazu MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 300 ff.; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 147 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 21 Rn. 54; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 1. 254 BT-Drucks. IV/650, S. 154. Der jetzt geltende Gesetzeswortlaut entspricht – abgesehen davon, dass in Abs. 1 S. 3 noch § 23 III StGB für entsprechend anwendbar erklärt wurde – dem aus dem Entwurf von 1962. Siehe auch BGHSt 6, 308, 311; OLG Hamm NJW 1959, 1237; Fieber, S. 60; Jescheck/Weigend, AT, S. 704; MüKoStGB-Joecks, § 30 Rn. 53. 255 Vgl. Duden, Das Synonymwörterbuch, S. 980; Stichwort verabreden.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge79
aufgehoben werden. Der Vorsatz wäre nur als individuelle, für jeden Mittäter gesondert zu prüfende Strafbarkeitsvoraussetzung bedeutsam. Dem Wortlaut des § 25 II StGB lässt sich hierzu nichts entnehmen. Eine Auslegung des § 25 II StGB dahingehend, dass von gemeinsamem Handeln nur gesprochen werden kann, wenn auch eine subjektive Übereinstimmung besteht, erscheint nicht zwingend.256 Ebenso könnte Mittäterschaft auch als die von einer objektiven Vereinbarung getragene arbeitsteilige Tatbegehung verstanden werden, auf die sich dann gem. §§ 15, 16 I 1 StGB der Vorsatz jedes Einzelnen beziehen müsste. Auch § 30 II Var. 3 StGB lässt beide Deutungen zu, denn eine Verabredung kann eine rein objektive Einigung, aber auch eine vom übereinstimmenden Vorsatz getragene Willensübereinkunft sein. Der gemeinsame Tatplan erlangt vor allem bei der Vermittlung der Tatherrschaft Bedeutung. Aus diesem Grund ist maßgebend, ob von einer Steuerung der nicht eigenhändig verwirklichten Geschehensteile auch dann gesprochen werden kann, wenn nicht alle Mitwirkenden zur Tat entschlossen sind. Für die Frustrationsherrschaft ist entscheidend, ob dem Mittäter eine zentrale Rolle im Gesamtgeschehen zugedacht wurde und er deshalb in der Lage ist, durch Nichtleistung seines Beitrags die Gesamttat wesentlich zu erschweren.257 Somit gründet sich diese allein auf die objektive Verabredung; die subjektive Einstellung des Mittäters ist hierfür ohne Belang. Bereits die Tatsache, dass ihm im Deliktsplan eine bestimmte Rolle zugewiesen wurde und sich die anderen Mitwirkenden daher darauf verlassen, dass er die ihm zugedachten Handlungen auch erbringt, versetzt den Mittäter in die Lage, durch bloße Untätigkeit die Gesamttat erheblich zu erschweren. Gerade wenn es dem Täter an dem Willen fehlt, den Gesamtplan umzusetzen, zeigt sich diese Macht in besonderer Weise. Denn in diesem Fall wird er seinen Beitrag gerade nicht erbringen wollen und erschwert – oder verhindert – dadurch die gemeinsame Tat. Dies zeigen auch die Fallkonstellationen der scheinbaren Mittäterschaft, in denen der scheinbare Mittäter unvorsätzlich agiert und die dadurch stets im Versuchs- oder gar Vorbereitungsstadium stecken bleiben. Somit kommt es für die negative funktionelle Tatherrschaft nicht darauf an, ob alle Mittäter auch vorsätzlich handeln. Die funktionelle Tatherrschaft fußt jedoch noch auf einem weiteren Element, der psychischen Bestärkung der übrigen Mittäter. Auch diese Säule der funktionellen Tatherrschaft müsste unabhängig von der subjektiven Einstellung der Mittäter bestehen, will man den Tatplan als Zurechnungsgrundlage 256 So auch Schlehofer, in: FS Herzberg (2008), S. 355, 368 f. Anders wohl Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 241 f. 257 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4).
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rein objektiv bestimmen. Insoweit müssen zwei Fälle unterschieden werden: Derjenige Mittäter, der seinen Vorsatz aufgibt, behält – sofern er ihnen seine Abstandnahme nicht mitteilt – den bestärkenden Einfluss auf die übrigen Mitwirkenden. Dieser Einfluss wird ihm schon aufgrund der Annahme der übrigen Genossen, alle Mittäter verwirklichten das Vorhaben gemeinschaftlich, zuteil.258 Denn dadurch fühlen sie sich auch in ihrem eigenen Entschluss bestärkt und die Hemmschwelle, sich von der gemeinsamen Tat zu distanzieren, steigt. Ob der andere tatsächlich mitwirken will, ist hierfür irrelevant.259 Andererseits haben jedoch die übrigen Mittäter auf den vorsatzlosen Mittäter keinerlei bestärkenden psychischen Einfluss, weil dieser nicht (mehr) mit dem Willen handelt, die Tat zu verwirklichen.260 Bei dem nur scheinbaren Mittäter hat sich die Tatbereitschaft der übrigen somit gerade nicht verstärkend auf den eigenen Tatentschluss ausgewirkt. Die übrigen Mittäter besitzen also keine positive, psychisch vermittelte Tatherrschaft über die vom vorsatzlos handelnden Mittäter verwirklichten Tatteile. Weil diese psychische Tat herrschaft notwendiger Bestandteil der funktionellen Tatherrschaft ist261 und nur sie die Zurechnung der fremdhändig vollzogenen Geschehensteile legitimieren kann,262 ist die Berücksichtigung des Vorsatzes bei der Bestimmung des gemeinsamen Tatplans unverzichtbar. Gegen eine Berücksichtigung des Vorsatzes bei der Bestimmung der Zurechnungsgrundlage könnte man einwenden, dass grundsätzlich nur objektive Beiträge der Zurechnung unterlägen, subjektiv jedoch jeder Beteiligte selbst hinter der Tat stehen müsse.263 Diese Aussage – so plausibel sie zunächst auch erscheint – bedarf einer Präzisierung. Die Frage, ob auch der Vorsatz eines anderen Beteiligten für die Strafbarkeit des Mittäters Bedeutung erlangt oder ob es auf die individuelle Einstellung jedes Einzelnen ankommt, kann auf drei Ebenen relevant werden. Erstens könnte der Zurechnungsgegenstand fehlen, wenn der Beitrag des Mittäters nicht mehr von einem entsprechenden Tatentschluss getragen ist.264 Zweitens stellt sich die Frage nach den Auswirkungen eines Vorsatzentfalles bei der Zurechnungsgrundlage, der Rechtfertigung für die Zurechnung des fremden Tatbeitrags. Drittens wird der Vorsatz bei der Begründung der Strafbarkeit jedes Einzelnen relevant, denn mit der ZurechFad, S. 129. die bestärkende Wirkung der Abrede in diesen Fällen trotz der stillen Lossagung fortbesteht, betonen auch BGHSt 37, 289, 293; Buser, S. 106 ff.; Fad, S. 128 f.; Rengier, JuS 2010, S. 281, 287. Ebenso Eisele, ZStW 112 (2000), S. 745, 762 f., der diese Bestärkung aber allein als psychische Beihilfe erfassen will. 260 Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 714. 261 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 262 Siehe dazu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1). 263 So Hauf, NStZ 1994, S. 263, 266. 264 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (1). 258 Ebenso 259 Dass
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nung des fremden Tatbeitrags wird nur ein unmittelbares Ansetzen begründet, dieses muss jedoch auch von einem entsprechenden Tatentschluss des jeweiligen Mittäters getragen sein. Für die erste Ebene wurde bereits gezeigt, dass es auf den Vorsatz des Handelnden nicht ankommen kann265 und auf der dritten Ebene, zur Begründung der Strafbarkeit des Einzelnen, kann es bereits denknotwendig nur auf den individuellen Vorsatz ankommen. Für den hier zu untersuchenden gemeinsamen Tatplan als Zurechnungsgrundlage kann das dagegen nicht uneingeschränkt gelten.266 Die Zurechnungsgrundlage ist die Rechtfertigung dafür, das Zurechnungssubjekt für den fremden Beitrag verantwortlich zu machen. Wird überlegt, auch subjektive Voraussetzungen an den gemeinsamen Tatplans zu stellen, geht es dabei nicht darum, dem Einzelnen den Vorsatz seines Mittäters und damit ein subjektives Element zuzurechnen. Vielmehr wird der Vorsatz der übrigen Beteiligten nur berücksichtigt, weil es sonst an einer ausreichenden Tatherrschaft und damit an einer hinreichenden Rechtfertigung für die Ingangsetzung des Zurechnungsmechanismus fehlt. Zugerechnet werden weiterhin nur objektive Beiträge und zur Begründung der Strafbarkeit kommt es stets auf den Vorsatz des jeweiligen Beteiligten an, es wird lediglich bei der Zurechnungsgrundlage auch berücksichtigt, ob das Zurechnungssubjekt einen hinreichenden Einfluss auf das bereits verwirklichte Geschehen hatte, sodass es gerechtfertigt ist, ihm dieses wie eigenes Handeln zuzurechnen. Somit kann der Vorsatz bei der Bestimmung der Zurechnungsgrundlage nicht außer Acht gelassen werden.267 Folglich muss der gemeinsame Tatplan als zumindest konkludente objektive, allerdings von einem übereinstimmenden im Planungsstadium bestehenden Tat entschluss getragene Verabredung verstanden werden. Der übereinstimmende Vorsatz aller Mittäter ist notwendiges, nicht aber auch hinreichendes Element des gemeinsamen Tatplans. Darüber hinaus ist eine nach außen gerichtete Entäußerung des Vorsatzes in Form einer Verabredung notwendig.268 (dd) Subjektives oder objektives Merkmal Bereits die vielfach verwendete Bezeichnung „gemeinsamer Tatent schluss“269 suggeriert, dass es sich beim gemeinsamen Tatplan um ein rein subjektives Merkmal handelt. Und so wird auch überwiegend vom gemeinsa265 Siehe
dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (1) (c) und (2). hierzu auch Buser, S. 97 f. 267 Vgl. hierzu auch Seher, JuS 2009, S. 1 ff. 268 Puppe, GA 1984, S. 101, 112 geht sogar noch weiter und fordert eine Unrechtsvereinbarung im Sinne einer gegenseitigen Anstiftung. 269 Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 707; Kindhäuser, AT, § 40 Rn. 6; Krey/Esser, AT, Rn. 942; Kühl, AT, § 20 Rn. 104; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23. 266 Kritisch
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men Tatplan als subjektiver Voraussetzung der Mittäterschaft gesprochen.270 Nur vereinzelt wird der gemeinsame Tatplan dagegen als objektives Erfordernis angesehen.271 Die Bezeichnung als subjektives Merkmal ist jedoch aus zwei Gründen irreführend: Zum einen wurde gezeigt, dass sich der gemeinsame Tatplan gerade nicht im übereinstimmenden Vorsatz der Beteiligten erschöpft, sondern dass vielmehr zusätzlich eine objektive Willensübereinkunft in Form einer zumindest konkludenten Einigung erforderlich ist.272 Somit enthält der gemeinsame Tatplan neben subjektiven stets auch objektive Elemente und kann allein aus diesem Grund nicht als rein subjektives Merkmal verstanden werden.273 Zum anderen fasst man unter den Begriff des subjektiven Tatbestandes „die inneren, die subjektsinternen Sachverhalte“.274 Der übereinstimmende Vorsatz und damit auch der Entschluss der übrigen Beteiligten kann für den Einzelnen aber nicht rein intern sein, sondern ist für ihn auch immer etwas externes, weil es gerade nicht nur auf seine eigene Vorstellung ankommt.275 Somit handelt es sich bei dem Erfordernis des gemeinsamen Tatplans um ein gemischt objektiv-subjektives Merkmal.276 (b) Mittäterschaftlicher Tatbeitrag Es besteht weitgehend Einigkeit, dass eine Zurechnung fremder Beiträge beim vollendeten Delikt neben einem verbindenden gemeinsamen Tatplan voraussetzt, dass das Zurechnungssubjekt einen eigenen mittäterschaftlichen Beitrag zur Verwirklichung der Gesamttat geleistet hat.277 Es stellt sich je270 So bspw. Heinrich, AT, Rn. 1222; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 707; Joerden, JZ 1995, S. 735; Kindhäuser, AT, § 40 Rn. 3; Knauer, S. 147; Krey/Esser, AT, Rn. 942; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 173; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23. 271 Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 149 f.; Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 218; Marlie, JA 2006, S. 613, 616; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 130. 272 Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 273 Ebenso Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 149; Marlie, JA 2006, S. 613, 616. 274 Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 149. 275 Buser, S. 132. 276 Ebenso Rotsch, S. 362. Ähnlich auch Buser, S. 132, der annimmt, der im Planungsstadium vorhandene Tatplan sei ein objektives Merkmal, der sich auf den Tatplan beziehende Tatentschluss sei dagegen ein subjektives Merkmal. Auch Weißer, S. 330 geht davon aus, dass der gemeinsame Tatplan zumindest auch eine objektive Außenweltkomponente aufweise. 277 Zu diesem Erfordernis der Mittäterschaft Ebert, AT, S. 202; Gropp, AT, § 10 Rn. 180; Heinrich, AT, Rn. 1225; Kamm, S. 42 ff.; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 25 Rn. 11; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 180 ff.; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 76 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 198 ff.; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 42 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 62 ff; Seher, JuS 2009, S. 304,
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doch die Frage, ob der eigene Tatbeitrag auch im Falle des Versuchs zwingender Bestandteil der Zurechnungsgrundlage ist.278 Dass Voraussetzung der Zurechnung kein mittäterschaftlicher, d. h. wesentlicher eigener Tatbeitrag sein kann, ergibt sich zwangsläufig aus der Entscheidung für eine Gesamtlösung. Forderte man für die Zurechnungsgrundlage beim Versuch einen eigenen Beitrag des Zurechnungssubjekts, würde dieses Merkmal ad absurdum geführt, denn sobald eine eigene Handlung des Zurechnungssubjekts vorliegt, bedarf es keiner Zurechnung fremder Handlungen zur Begründung des unmittelbaren Ansetzens mehr, weil das Zurechnungssubjekt mit der Leistung seines Beitrags bereits selbst zur Gesamttat angesetzt hat. Die Zurechnung fremder Ansatzhandlungen scheitert vor Leistung des eigenen Beitrags am Fehlen einer hinreichenden Zurechnungsgrundlage, danach wäre sie nicht mehr vonnöten. Somit ist mit der Entscheidung für das Erfordernis eines objektiven Tatbeitrags als Bestandteil der Zurechnungsgrundlage zwingend auch die Entscheidung für eine Einzellösung verbunden, nach der jeder Beteiligte selbst die Versuchsschwelle überschreitet. Zudem wurde gezeigt, dass die Tatherrschaft beim Versuch unabhängig von der Erbringung des eigenen Tatbeitrags ist.279 Den Versuch zeichnet aus, dass das objektiv Geschehene hinter der Vorstellung des Täters zurückbleibt. Es kann somit nicht darauf ankommen, ob der einzelne Mittäter bereits selbst einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Gesamttat geleistet hat, sondern nur darauf, ob der gemeinsame Tatplan einen solchen Beitrag des Zurechnungssubjekts vorsah.280 Allein die gemeinschaftliche Vorstellung der Mittäter kann beim Versuch – bei dem der objektive Tatbestand notwendigerweise unvollständig verwirklicht ist – dafür ausschlaggebend sein, ob sich das Zurechnungssubjekt mittäterschaftlich an der Tatausführung beteiligt.281 Möglicherweise ist beim Versuch zwar kein mittäterschaftlicher, d. h. wesentlicher Tatbeitrag des Zurechnungssubjekts, wohl aber zumindest irgendeine kausale Handlung im Hinblick auf die Verwirklichung der Gesamttat zu 307 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 760. Kritisch Becker, Additive Mittäterschaft, S. 117 ff. 278 Hierfür sprechen sich Bloy, Beteiligungsform, S. 266; Mitsch, ZIS 2013, S. 369, 376 f. und Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 494 aus. Auch Frister, AT, § 29 Rn. 9 f. fordert einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag zum Versuch, wobei dieser in der Mitwirkung an der Ausführung des Versuchs oder darin liegen könne, dass er intern die Entscheidung über dessen Begehung treffe. Dagegen Stoffers, MDR 1989, S. 208, 209. 279 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 280 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 281 Im Ergebnis ebenso Buser, S. 62 ff.; Erb, NStZ 1995, S. 424, 426; Fad, S. 84 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 454; Weißer, S. 528 f. Kritisch hierzu Gorka, S. 88 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
fordern. So soll es nach Dencker zwar nicht darauf ankommen, ob bereits der im Ausführungsstadium geplante mittäterschaftliche Tatbeitrag erbracht wurde, gleichwohl müsse jeder Mittäter zumindest eine projektgemäße ursächliche Handlung im Vorbereitungsstadium vornehmen, welche die individuelle Zurechnung rechtfertige.282 Dass eine solche Handlung nur im gemeinsamen Handlungsprojekt vorgesehen sei, könne dagegen in einem Tatstrafrecht keine Haftung für das Versuchsunrecht begründen.283 Dabei solle es genügen, dass die im Vorbereitungsstadium vorgenommene Teiltat conditio sine qua non für die Gesamttat sei. Die Wesentlichkeit der Beteiligung könne sich dagegen auch aus nicht verwirklichten Teilakten ergeben, die der Tatplan dem im Vorbereitungsstadium tätig gewordenen Mittäter zuweise.284 Auch ein solches Erfordernis würde den Anwendungsbereich der Gesamtlösung jedoch erheblich einschränken. Charakteristisch für den Großteil der mittäterschaftlich verwirklichten Delikte ist nämlich, dass über die Planung der Gesamttat hinaus im Vorbereitungsstadium noch keine Beiträge erbracht werden und die Umsetzung des Tatplans erst mit der Ansatzhandlung, die als Zurechnungsgegenstand dienen soll, beginnt. In diesen Konstellationen könnte dann entweder eine Zurechnung nach der Gesamtlösung und damit der Versuchsbeginn für die bislang Untätigen verneint werden. Hierdurch würde die Gesamtlösung dann jedoch eines Großteils ihrer Bedeutung beraubt und letztlich die Gesamt- durch eine Einzellösung ergänzt. Oder auch die Planung der Gesamttat würde als ausreichender kausaler Beitrag erachtet. Dann hinge jedoch die Versuchsstrafbarkeit davon ab, ob allein ein Mittäter den gemeinsamen Tatplan ausgearbeitet und die übrigen sich mit diesem nur einverstanden erklärt haben – dann wären die Zustimmenden nicht wegen Versuchs strafbar – oder ob der Tatplan gemeinschaftlich ausgearbeitet wurde. Zudem könnte eine zurechnungsbegründende Handlung wohl nur bei einer ausdrücklich gefassten Abrede, nicht aber bei einer konkludenten Willensübereinkunft angenommen werden, weil hier schwerlich von einem Beitrag der Planenden gesprochen werden kann. Diese Zufälligkeiten, die auch beim vollendeten Delikt keinerlei Auswirkungen auf die Strafbarkeit haben, als entscheidend dafür zu erachten, ob eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt oder nicht, kann nicht überzeugen. Zudem würde die Grenze zwischen beiden Mittäterschaftserfordernissen, dem gemeinsamen Tatplan und der gemeinsamen Tatbegehung, sinnwidrig verwischt, weil zur Bestimmung der gemeinschaftlichen Tatbegehung auf die Fassung des gemeinsamen Tatplans abgestellt würde. Damit würde die Voraussetzung des mittäterschaftlichen Tatbeitrags letztlich neben dem gemeinsamen Tatplan kaum eigenstän282 Dencker,
Kausalität und Gesamttat, S. 208. Kausalität und Gesamttat, S. 208. 284 Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 213. 283 Dencker,
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dige Bedeutung erlangen. Außerdem bietet der Gesetzeswortlaut für das Erfordernis eines kausalen Beitrags keinerlei Anhaltspunkte. Auf § 25 II StGB kann dieses Erfordernis nicht gestützt werden, denn mit Straftat ist hier nur das tatbestandsmäßige Geschehen gemeint und gemeinschaftlich begeht man die Straftat auch nicht bereits dann, wenn man irgendeinen kausalen Beitrag leistet, sondern nur, wenn man einen gewichtigen Tatbeitrag erbringt. Ein zusätzliches, geringeren Anforderungen unterliegendes Erfordernis der Mitwirkung an der Tat beim Versuch enthält das Gesetz nicht. Die Forderung nach einem eigenen Tatbeitrag auch zum Versuchsgeschehen fußt auf der die besondere Struktur des Versuchstatbestandes außer Acht lassenden Annahme, die Tatherrschaft sei eine zwingend objektiv zu beurteilende Voraussetzung. Es wurde gezeigt, dass die Tatherrschaft beim versuchten nicht in derselben Weise wie beim vollendeten Delikt bestimmt werden kann, sondern Tatherrschaft beim Versuch auch bereits bestehen kann, wenn noch kein eigener Beitrag zur Deliktsverwirklichung geleistet wurde.285 Dann ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, beim mittäterschaftlichen Versuch die Leistung eines eigenen Tatbeitrags zur Voraussetzung für die Zurechnung zu erheben. (c) Zwischenergebnis Die Zurechnung des Außenweltgeschehens bei einer gesamttatbezogenen Bestimmung des Versuchsbeginns lässt sich grundsätzlich damit rechtfertigen, dass das Zurechnungssubjekt mit dem Ausführenden durch einen gemeinsamen Tatplan verbunden ist und dieser auch die Leistung eines eigenen wesentlichen Tatbeitrags des Zurechnungssubjekts vorsieht. Dass bereits ein objektiver Beitrag zum Versuchsgeschehen geleistet wurde, ist dagegen nicht erforderlich. Der gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage besteht dabei aus zwei Elementen und ist daher ein subjektiv-objektives Merkmal: Zum einen muss es zu einer ausdrücklichen oder konkludenten objektiven Übereinkunft zwischen den Mittätern gekommen sein und zum anderen muss diese auch von einem übereinstimmenden Tatentschluss aller Mittäter getragen sein. (2) Anwendung auf die vermeintliche Mittäterschaft Fraglich ist nun, ob auch im Falle der nur vermeintlichen Mittäterschaft eine ausreichende Zurechnungsgrundlage vorliegt. Dies hängt nach dem soeben Gesagten davon ab, ob zwischen den Beteiligten trotz des fehlenden 285 Siehe
dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Tatentschlusses eines Mittäters ein gemeinsamer Tatplan fortbesteht (a)). Dies kann nicht für alle Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft einheitlich untersucht werden, zeigen doch bereits die geschilderten Sachverhalte, dass sich der scheinbare Mittäter zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten von der gemeinsamen Tat distanziert haben kann. Der vermeintliche Mittäter kann tatsächlich zunächst mit den anderen Beteiligten verabredet haben, gemeinschaftlich einen Deliktstatbestand zu verwirklichen und in dieser Planungsphase auch subjektiv noch zur Tat entschlossen gewesen sein. So könnte es sich bspw. im sog. Klingel-Fall286 zugetragen haben. Möglicherweise hatte A zunächst tatsächlich vor, gemeinsam mit B und C die Eheleute zu berauben und hat seinen Vorsatz erst später – zu dem Zeitpunkt der Offenbarung gegenüber der Polizei – aufgegeben.287 In dieser Fallvariante, in der der vermeintliche Mittäter seinen Tatentschluss erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgibt, könnte trotz des Vorsatzwegfalls der zwischen allen Mittätern geschlossene gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage fortbestehen (aa). In den meisten Fällen wird sich in einem späteren Prozess allerdings nicht mehr feststellen lassen, ob der Vorsatz erst später entfallen ist oder ob der Beteiligte bereits von Beginn an gar nicht den Willen hatte, die Tat auszuführen. Dann muss wegen des in dubio pro reo-Grundsatzes davon ausgegangen werden, dass der scheinbare Mittäter die Verabredung bereits unter dem inneren Vorbehalt eingegangen ist, die Tat tatsächlich niemals vollenden zu wollen. Auch im Klingel-288 und Brandstifter-Fall289 hat der BGH keine eindeutigen Feststellungen zum Zeitpunkt des Vorsatzentfalls treffen können, sodass in beiden Fällen ein fehlender Vorsatz bereits zum Zeitpunkt der Verabredung unterstellt werden musste. Auch für diese Konstellation muss ermittelt werden, ob trotz des niemals bestehenden übereinstimmenden Tatentschlusses ein gemeinsamer Tatplan als Zurechnungsgrundlage angenommen werden kann (bb)). Zuletzt wird der Blick auf diejenigen Konstellationen gerichtet, in denen es bereits an einer objektiven Willensübereinkunft fehlt (cc)). So stellt sich die Situation beispielsweise im sog. Münzhändler-Fall dar: Eine Verabredung zwischen B und C auf der einen und dem Münzhändler auf der anderen Seite fand nie statt. Allein B machte C glauben, ein gemeinsamer Tatplan bestünde. 286 BGHSt 39, 236. Siehe bereits Kap. 1 A. I. 1. Gleiches gilt für den sog. Brandstifter-Fall, vgl. BGH MDR 1986, 974. 287 Allerdings ist zu beachten, dass immer dann, wenn sich im Nachhinein nicht mehr aufklären lässt, ob bereits von Beginn an kein Vorsatz bestand oder dieser erst später aufgegeben wurde wegen des in dubio pro reo-Grundsatzes angenommen werden muss, dass bereits bei der Verabredung ein entsprechender Vorsatz fehlte. Daher ist eine solche Konstellation nur denkbar, wenn bewiesen werden kann, dass zunächst ein entsprechender Vorsatz bestand. 288 BGHSt 39, 236. 289 BGH MDR 1986, 974.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge
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Zudem müssen die Fallvarianten der vermeintlichen Mittäterschaft danach unterschieden werden, wie viele Mittäter an der Ausführung beteiligt sind. Es können sich wie im Münzhändler-Fall290 lediglich zwei Beteiligte zur Tatausführung zusammengeschlossen haben, von denen einem die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Tatbegehung fehlt. Daneben sind aber, wie Klingel-291 und Viehhändler-Fall292 zeigen, auch Fallgestaltungen denkbar, in denen neben dem scheinbaren Mittäter noch mindestens zwei weitere Mittäter an der Tatplanung beteiligt sind. In diesen Fällen stellt sich außerdem die Frage, ob zumindest zwischen ihnen trotz des Vorsatzentfalls des dritten Beteiligten weiterhin ein gemeinsamer Tatplan besteht und ob dieser als Zurechnungsgrundlage für die Zurechnung der Ansatzhandlung des vermeintlichen Mittäters fungieren kann (b)). Für die Varianten, in denen objektiv kein gemeinsamer Tatplan (mehr) besteht, muss dann weiter untersucht werden, ob an die Vorstellung der übrigen Mittäter vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage angeknüpft werden kann (c)). (a) (Fort-)Bestand eines zwischen allen Beteiligten gefassten gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage (aa) Fortbestand bei späterer Lossagung Fraglich ist zunächst, ob weiterhin eine Zurechnungsgrundlage besteht, wenn ursprünglich ein gemeinsamer Tatplan gefasst wurde, sich der scheinbare Mittäter jedoch noch vor dem Eintritt in das Versuchsstadium wieder von diesem losgesagt hat. Es wurde bereits gezeigt, dass der gemeinsame Tatplan aus zwei Elementen besteht: Zum einen bedarf es einer objektiven Willensübereinkunft, zum anderen ist ein übereinstimmender auf die gemeinsame Tat bezogener Tatentschluss jedes Mittäters erforderlich.293 Daher könnte der gemeinsame Tatplan bei einer Abstandnahme im Vorbereitungsstadium entweder durch die Beseitigung der Willensübereinkunft oder des übereinstimmenden Tatentschlusses entfallen. Die objektive Verabredung der Mittäter kann als vertragsähnliche Übereinkunft nur von diesen gemeinschaftlich wieder aufgehoben werden. Eine solche einverständliche Aufhebung der Einigung ist jedoch in den Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft undenkbar, da die übrigen Mittäter von der Aufkündigung überhaupt keine Kenntnis haben. Grund für den Entfall des gemeinsamen Tatplans könnte somit allein der Umstand sein, dass es an ei290 BGHSt
40, 299. Vgl. Kap. 1 A. I. 1. 39, 236. Vgl. Kap. 1 A. I. 1. 292 BGH NJW 1952, 430. Siehe bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). 293 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 291 BGHSt
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nem übereinstimmenden Tatentschluss der scheinbaren Mittäter fehlt. Entscheidend ist daher, zu welchem Zeitpunkt dieser übereinstimmende Tatentschluss vorliegen muss. Wäre eine ausreichende Zurechnungsgrundlage bereits dann gegeben, wenn bei der Fassung des gemeinsamen Tatplans im Vorbereitungsstadium ein übereinstimmender Vorsatz vorlag, wäre der spätere Vorsatzwegfall für den Fortbestand der Zurechnungsgrundlage ohne Belang. Dann ließe sich in Fällen wie dem Klingel-Fall294, in denen zunächst ein vom übereinstimmenden Vorsatz getragener gemeinsamer Tatplan bestand, für die übrigen Mittäter eine Strafbarkeit wegen mittäterschaftlichen Versuchs begründen. Wäre dagegen erforderlich, dass auch im Ausführungsstadium ein solcher Tatentschluss fortbesteht, entfiele mit dem Vorsatz des Mittäters gleichsam automatisch auch der gemeinsame Tatplan und damit die Zurechnungsgrundlage. Aus § 16 I 1 i. V. m. § 8 StGB ergibt sich, dass entscheidender Zeitpunkt für das Vorliegen des Vorsatzes grundsätzlich der Zeitpunkt der Tat und damit die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung ist. Beim Versuch ist dies der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens i. S. d. § 22 StGB. Dies könnte dafür sprechen, dass auch der Tatentschluss als Bestandteil des gemeinsamen Tatplans noch zum Zeitpunkt der Ansatzhandlung vorliegen muss.295 Zwar wurde gezeigt, dass der Tatentschluss als Bestandteil des gemeinsamen Tatplans nicht mit dem Tatbestandsvorsatz identisch ist. Während letzterer allein im Ausführungsstadium bestehen muss, ist der übereinstimmende Tatentschluss auch bereits im Vorbereitungsstadium zu fordern, weil bereits zu diesem Zeitpunkt eine Koordination der Einzelbeiträge stattfindet.296 Dies schließt jedoch nicht aus, dessen Fortbestand im Ausführungsstadium für notwendig zu erachten. Weil die §§ 8, 16 StGB allerdings zunächst nur für den Vorsatz des Alleintäters gelten, kommt allenfalls eine Heranziehung des Rechtsgedankens dieser Vorschriften in Betracht. Auch dagegen sprechen jedoch zwei gewichtige Gründe: Zum einen sind die §§ 8, 16 StGB auf den Alleintäter zugeschnitten, sodass bereits zweifelhaft ist, ob sie sich ohne weiteres auf die Mittäterschaft übertragen lassen. Zum anderen – und dies ist der gewichtigere Einwand – betreffen die §§ 8, 16 StGB in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich den Vorsatz als individuelle subjektive Strafbarkeitsvoraussetzung. Diese Vorschriften könnten also allenfalls Auskunft darüber geben, wann der individuelle Vorsatz jedes Mittäters vorliegen muss. Hier geht es aber nicht um den relevanten Zeitpunkt für diese indivi294 BGHSt
39, 236. Ausführlich zu diesem Fall in Kap. 1 A. I. 1. diese Richtung argumentiert Seher, JuS 2009, S. 304, 306: „Für die Feststellung mittäterschaftlicher Tatbegehung ist allein der Inhalt der Willensübereinstimmung zwischen Versuchsbeginn und Tatvollendung relevant.“ Eine Begründung dieser These unterbleibt jedoch. 296 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 295 In
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duelle Strafbarkeitsvoraussetzung, sondern für den gemeinsamen Tatentschluss als Bestandteil des gemeinsamen Tatplans. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Voraussetzung für die Zurechnung fremden Handelns und damit um eine überindividuelle Voraussetzung. In Frage steht gerade nicht allein, ob derjenige, dessen Strafbarkeit untersucht wird, über einen entsprechenden Tatentschluss verfügt, sondern, ob auch alle übrigen Mitwirkenden zur Tat entschlossen sind und es daher gerechtfertigt erscheint, deren Handlungen zuzurechnen. §§ 8, 16 StGB, die den individuellen strafbarkeitsbegründenden Vorsatz in den Blick nehmen, können daher nicht zur Bestimmung des für den gemeinsamen Tatentschluss relevanten Zeitpunktes herangezogen werden. Möglicherweise lässt sich jedoch § 24 II StGB entnehmen, ob der Tatentschluss auch noch im Ausführungsstadium fortbestehen muss. Er normiert für den Fall einer späteren Willensumkehr besondere Voraussetzungen für die Straflosigkeit, sodass aus dieser Vorschrift folgen könnte, dass ein bloßer Vorsatzentfall die Zurechnungsgrundlage nicht beseitigen kann. Weil dies jedoch zwingende Konsequenz wäre, forderte man den Fortbestand des übereinstimmenden Tatentschlusses im Ausführungsstadium, könnte sich aus dieser Norm mittelbar ergeben, dass es allein auf den Bestand des übereinstimmenden Tatentschlusses im Vorbereitungsstadium ankommen kann.297 § 24 II StGB regelt jedoch unmittelbar nur, unter welchen Voraussetzungen sich der Täter nach Eintritt in das Versuchsstadium strafbefreiend von der Tat lossagen kann. Auf die Lossagung im Vorbereitungsstadium findet er demnach keine unmittelbare Anwendung. Möglicherweise kann er jedoch auf diesen Fall zumindest entsprechend angewendet werden.298 Dagegen spricht, dass § 24 StGB dem Täter einen Weg zurück in die Legalität ermöglichen soll, wenn er bereits strafrechtliches Unrecht verwirklicht hat.299 Im Falle der Lossagung im Vorbereitungsstadium stellt sich dagegen gerade die Frage, ob überhaupt strafbares Unrecht gegeben ist. Zudem handelt es sich bei den Rücktrittsvorschriften um persönliche Strafausschließungsgründe. Im Falle der vermeintlichen Mittäterschaft geht es jedoch darum, zu ermitteln, inwieweit der Vorsatzentfall des Handelnden auch die Strafbarkeit Dritter ausschließt. Aus einer Vorschrift, die allein den Zurücktretenden in den Blick nimmt, Schlussfolgerungen für die Zurechnungsgrundlage als überindividuelle Zurechnungsvoraussetzung ziehen zu wollen, erscheint jedoch bedenkdie Argumentation von Buser, S. 109 ff., insb. 111. Buser, S. 109 ff., insb. 111. Er geht sogar noch weiter und nimmt an, bei einer Nichtanwendung auf die Abstandnahme im Vorbereitungsstadium würde die Rücktrittsvorschrift des § 24 II StGB umgangen. 299 Statt vieler Frister, AT, § 24 Rn. 1 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 538 ff.; MüKoStGB-Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 20 ff.; NK-StGB-Zaczyk, § 24 Rn. 2 ff.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 24 Rn. 2 ff. jew. m. w. N. 297 So 298 So
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
lich. Auch unter diesem Aspekt ist daher die § 24 II StGB zugrundeliegende Fragestellung mit der hier untersuchten nicht vergleichbar. Damit fehlt es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Hinzu kommt, dass durch die entsprechende Anwendung des § 24 II StGB auf das Vorbereitungsstadium die Möglichkeit einer strafbefreienden Abstandnahme eingeschränkt würde, weil keine bloß innere Distanzierung, sondern nur die vollständige Neutralisation des eigenen Tatbeitrags die Strafbarkeit ausschließen könnte. Eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Rücktrittsvorschriften verstieße jedoch gegen das Analogieverbot aus Art. 103 II GG, läge hierin doch eine unzulässige Analogie zulasten des Täters.300 Daher lässt sich aus § 24 II StGB nicht schlussfolgern, zu welchem Zeitpunkt der Tatentschluss vorliegen muss. Entscheidend muss vielmehr sein, ob wegen der Funktionen des gemeinsamen Tatplans der Fortbestand des Tatentschlusses im Ausführungsstadium unerlässlich ist. Der gemeinsame Tatplan erfüllt eine entscheidende Aufgabe bei der Vermittlung der Tatherrschaft. So geht von dem gemeinsamen Tatplan insbesondere eine bestärkende Wirkung aus, die den übrigen Mittätern eine positive psychische Herrschaft über die Beiträge der anderen Beteiligten und damit auch über die Gesamttat verleiht.301 Fraglich ist, ob die Mittäter über diese Herrschaft auch dann verfügen, wenn der Tatentschluss des Handelnden zum Zeitpunkt der Ansatzhandlung gar nicht mehr besteht.302 Dagegen spricht, dass seine Ansatzhandlung in diesem Fall gerade nicht von der Vorstellung getragen ist, auch die übrigen Beteiligten wirkten an der gemeinsamen Tat mit. Der Tatplan hat bei ihm keine bestärkende Wirkung entfaltet, schließlich ist seine Handlung nicht mehr von dem Willen geleitet, die gemeinsame Tat zu vollenden.303 Man könnte allenfalls argumentieren, für die Zurechnung sei allein entscheidend, dass ein Mittäter den anderen zu einer Tat motiviert hat, nicht jedoch, dass dieser sich auch noch in der Ausführungsphase von jenem motiviert fühlt.304 Zutreffend ist, dass die motivierende und damit herrschaftsbegründende Wirkung bereits von der Verabredung als solcher ausgeht und damit schon im Planungsstadium besteht. Allerdings kann die Tatherrschaft über die Gesamttat nicht allein auf diesen Einfluss im Vorbereitungsstadium gestützt werden, vielmehr muss sie gerade auch während der Ausführungs300 Dies gibt auch Fad, S. 43 bzgl. der analogen Anwendung des § 24 I StGB auf die Abstandnahme eines Alleintäters im Vorbereitungsstadium zu bedenken. 301 Vgl. dazu bereits ausführlich Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 302 Bejahend Angerer, S. 144; Buser, S. 121; Fad, S. 128. Dagegen Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 714. 303 Ebenso Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 714. 304 So Buser, S. 121.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge91
phase fortbestehen. Tatherrschaft ist stets tatbestandsbezogen zu verstehen und meint daher die Herrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen.305 Weil der Mittäter eine positive Handlungs- und Gestaltungsherrschaft nur über den eigenhändig verwirklichten Teil des Geschehens besitzt, kommt ihm eine Herrschaft über die übrigen Teile des Geschehens nur dadurch zu, dass er wegen seiner Frustrations- und psychischen Herrschaft auch diese Teile mitsteuert.306 Von einer Steuerung dieser Tatteile kann aber nur gesprochen werden, wenn der Einfluss der anderen Mittäter auch noch in der Ausführungsphase fortwirkt. Ansonsten würde die Tatherrschaft von dem Straftatbestand gelöst und damit sinnentleert. Dies erscheint deshalb problematisch, weil das Gefährdungspotential, das von der bloßen Verabredung ausgeht, bereits über § 30 II Var. 3 StGB erfasst wird. Allerdings ist diese Verabredung nur bei Verbrechen und nicht bei Vergehen strafbewehrt. Zudem sieht § 30 I 2 StGB gegenüber der Versuchsstrafbarkeit eine obligatorische Strafmilderung vor. Soll die Tatherrschaft des Mittäters hinsichtlich des Versuches allein auf die im Vorbereitungsstadium getroffene Verabredung gestützt werden, ließe sich die mit einer Versuchsstrafbarkeit verbundene Strafschärfung nur schwer rechtfertigen. Vielmehr liegt der erhöhte Unrechtsgehalt des mittäterschaftlichen Versuchs gegenüber der Verbrechensverabredung darin, dass der gemeinsame Tatplan bereits teilweise umgesetzt wurde und jeder Mittäter diesen Geschehensablauf nun in den Händen hält. Dafür ist aber erforderlich, dass auch bezüglich des Versuchsgeschehens Tat herrschaft besteht. Hierfür allein auf die Verabredung abzustellen, würde bedeuten, das weitere tatsächliche Geschehen außer Acht zu lassen. Deshalb muss die Herrschaft des Mittäters gerade in der Versuchsphase bestehen, weil er nur so Tatherrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen besitzt. Dem könnte entgegengehalten werden, beim Versuch sei allein der gemeinsame Tatplan Beurteilungsgrundlage der Tatherrschaft, nicht aber das tatsächliche Geschehen. Dies trifft jedoch nur zum Teil zu. Auch beim Versuch bedarf es einer objektiven Herrschaft über den bereits umgesetzten Teil des Tatplans, in dem Umfang, in dem bezüglich dieses Teils auch bei der Vollendung des Delikts Tatherrschaft erforderlich wäre.307 Weil zumindest eine mittelbare Herrschaft in Form der psychischen Bestärkung und der negativen Hemmungsmacht über die nicht selbst verwirklichten Tatteile zu fordern ist, müssen diese Elemente der funktionellen Tatherrschaft auch beim Versuch objektiv vorliegen. Somit spricht die Bedeutung des gemeinsamen Tatplans bei der Vermittlung der Tatherrschaft dafür, den Fortbestand des Tatentschlusses des Ansetzenden auch während der Ausführungsphase zu fordern. 305 Siehe
dazu bereits Fn. 114. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 307 Ausführlich hierzu in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 306 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Allerdings ist zu bedenken, dass es im umgekehrten Fall, in welchem dem Zurechnungssubjekt der Tatentschluss fehlt, der überwiegenden Ansicht entspricht, dass ein bloß innerer Wegfall des Vorsatzes nicht zum Entfall des gemeinsamen Tatplans führt.308 Es könnte daher widersprüchlich sein, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln.309 Zur Veranschaulichung dieser zum Vergleich herangezogenen Konstellation kann man den Klingel-Fall310 dahingehend abwandeln, dass wiederum A, B und C verabredet haben, die Eheleute auszurauben. Allerdings hat sich nicht der klingelnde A, sondern C der Polizei offenbart. A klingelt wie geplant an der Tür, während C noch im Auto wartet. Es stellt sich nun die Frage, ob dem C das Klingeln das A zugerechnet und so auch sein Eintritt in das Versuchsstadium begründet werden kann.311 Allerdings ist auch die Behandlung dieser umgekehrten Konstellation äußerst umstritten,312 sodass unklar bleibt, warum daraus, dass hier die herrschende Meinung die Zurechnungsgrundlage trotz des Vorsatzentfalls für gegeben hält, zwingend folgen soll, dass auch der Vorsatzentfall des Handelnden unbeachtlich sein muss. Wird eine einheitliche Lösung beider Varianten angestrebt, könnte man ebenso argumentieren, dass beim Vorsatzentfall des Handelnden stets auch der gemeinsame Tatplan entfallen muss, sodass für den umgekehrten Fall nichts anderes gelten könne. Somit ist dieser Vergleich zirkulär, kann er doch die Begründung, warum der Vorsatzentfall in der jeweiligen Konstellation beachtlich oder unbeachtlich sein muss, nicht ersetzen. Zudem bestünde ein Widerspruch nur dann, wenn zwischen den Fallvarianten keine Unterschiede existieren, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Konstellationen divergieren jedoch insoweit, als im einen Fall dem Zurechnungssubjekt und im anderen Fall dem Ansetzenden der Vorsatz fehlt. Für die Zurechenbarkeit der ausgeführten Handlungen ist entscheidend, ob 308 Vgl. zu dieser Konstellation BGHSt 28, 346; BGHSt 37, 289; BGH NStZ 1999, 449; Angerer, S. 125 ff.; Eisele, ZStW 112 (2000), S. 745 ff.; Fad, S. 107 ff.; Graul, in: GedS Meurer (2002), S. 89 ff.; Küper, JZ 1979, S. 775, 781; Rengier, JuS 2010, S. 281, 286 f. 309 So Buser, S. 103 ff. Wohl auch Angerer, S. 127 ff., die den Türklingel-Fall ohne Begründung den Fällen gleichstellt, die den Vorsatzwegfall des Zurechnungssubjekts betreffen. Auch Fad, S. 112 f. geht davon aus, beide Fälle seien parallel zu lösen. 310 BGHSt 39, 236. Siehe bereits Kap. 1 A. I. 1. 311 Eine ganz andere Frage ist, ob die Strafbarkeit des C nicht schon deshalb ausscheidet, weil er den subjektiven Versuchstatbestand nicht verwirklicht, weil ihm der Tatentschluss fehlt. Hierzu Fad, S. 121 ff. 312 So lautet auch die treffende Schlussfolgerung von Roxin, in: FS Frisch (2013), S. 613, 622: „Wir haben also […] für die Behandlung des im Vorbereitungsstadium ausscheidenden Mittäters acht oder neun verschiedene Vorschläge, zwischen denen man sich nur schwer zurechtfinden kann. […] Durchgesetzt hat sich keine dieser Auffassungen.“
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge93
das Zurechnungssubjekt in der konkreten Situation eine hinreichende Herrschaft über das Geschehen besitzt, die es rechtfertigt, es hierfür wie für eigenes Handeln zur Verantwortung zu ziehen. Ist die Ausführungshandlung jedoch – wie in den Fällen, die zur Begründung der Widersprüchlichkeit herangezogen werden – weiter von dem Willen getragen, die gemeinsame Tat zu vollenden, besitzt das Zurechnungssubjekt eine entsprechende mittelbare Herrschaft, denn der Handelnde ist weiter durch den gemeinsamen Tatentschluss motiviert, weil er nicht weiß, dass das Zurechnungssubjekt tatsächlich gar nicht mehr mitwirken will. Für die psychische Herrschaft kommt es nur darauf an, ob der Handelnde glaubt, er könne auf die Unterstützung der anderen zählen und ob sein Handeln von diesem Bewusstsein getragen ist.313 Das Klingeln des A in dem Beispielsfall ist, sofern C ihm nicht mitgeteilt hat, dass er an der gemeinsamen Tat nicht mehr mitwirken möchte, weiterhin von der Vorstellung getragen, auch C werde seinen Tatbeitrag erbringen und ihm zur Hilfe eilen, falls das Vorhaben nicht nach Plan verläuft. Aus diesem Grund ändert der Vorsatzentfall des Zurechnungssubjekts nichts daran, dass ihm weiterhin ein wesentlicher psychischer Einfluss auf das Geschehen zukommt, der es rechtfertigt, ihn für die Versuchstat zur Verantwortung zu ziehen. Die Bereitschaft des A an der Haustür zu klingeln, wird weiterhin dadurch erhöht, dass er sich auch in Gemeinschaft mit C wähnt. Bei einem Vorsatzentfall des Handelnden selbst stellt sich die Situation dagegen völlig anders dar.314 Hier führt die Lossagung nämlich dazu, dass sich in der Ausführungshandlung der psychische Einfluss der übrigen Mitwirkenden nicht verwirklicht, sodass sie keinerlei positiven Einfluss auf diese Handlung haben und es daher unangemessen erscheint, sie für diese zur Verantwortung zu ziehen. Somit sind die beiden Varianten nicht miteinander vergleichbar, sodass es nicht widersprüchlich, sondern vielmehr zwingend ist, sie unterschiedlich zu behandeln.315 Ein Widerspruch könnte jedoch in anderer Hinsicht bestehen: Auch der Rücktritt eines Mittäters hat wegen § 28 II StGB für die Strafbarkeit der übrigen Mittäter keine Bedeutung.316 Ebenso wirkt sich auch der error in persona vel obiecto eines Mittäters auf die Strafbarkeit der übrigen Beteiligten nicht aus.317 Daher kann möglicherweise für den Vorsatzentfall nichts anderes gelten.318 Allerdings sind diese Fälle nicht ohne weiteres mit dem 313 Siehe
bereits Fn. 258 und 259. dazu auch bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa). 315 Ebenso Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 714. 316 LK-StGB-Schünemann, § 28 Rn. 78; MüKo-StGB-Joecks, § 28 Rn. 50; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 28 Rn. 14. 317 Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 101 m. w. N. 318 So Angerer, S. 147, 160; Buser, S. 113 f. 314 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
hier zu untersuchenden Entfall des Tatentschlusses vergleichbar. Bei der Frage, ob sich der Entfall einer Strafbarkeitsvoraussetzung auch auf die übrigen Mittäter auswirkt, ist strikt zwischen individuellen subjektiven und objektiven gesamttatbezogenen Strafbarkeitsvoraussetzungen zu trennen. Individuelle Strafbarkeitsvoraussetzungen muss jeder Mittäter in eigener Person erfüllen: So muss er einen entsprechenden Vorsatz, spezielle Absichten sowie besondere Tätermerkmale selbst aufweisen.319 Ihr Vorliegen kann für jeden Mittäter separat untersucht werden. Hierzu gehören auch der Tatbestandsvorsatz sowie der Rücktritt als persönlicher Strafaufhebungsgrund. Daher ist es zutreffend, dass sich sowohl der Rücktritt als auch ein error in persona vel obiecto grundsätzlich nicht auf die Strafbarkeit der übrigen Beteiligten auswirken. Für den Tatentschluss als Bestandteil des gemeinsamen Tatplans und damit die Zurechnungsgrundlage gilt dies dagegen nicht in gleicher Weise. Der Tatplan schafft die Grundlage dafür, fremde Handlungen zuzurechnen und legitimiert damit, warum jeder Einzelne den objektiven Tatbestand verwirklicht, obwohl er selbst nicht alle tatbestandsmäßigen Handlungen vorgenommen hat. Er verbindet die Handlungen zur Gesamttat und erlangt aus diesem Grund begriffsnotwendig auch Bedeutung für die anderen Mittäter. Der Entfall des Tatentschlusses beim Handelnden soll nicht deshalb für die übrigen Mittäter von Bedeutung sein, weil dadurch die Strafbarkeit des Handelnden entfällt, sondern weil sie dadurch den Einfluss auf die Beiträge des Handelnden verlieren, sodass es nicht länger gerechtfertigt erscheint, ihnen diese zuzurechnen. Rücktritt oder error in persona vel obiecto ändern dagegen nichts an der Herrschaft der anderen Mittäter über den Tatteil des Zurücktretenden bzw. Irrenden. Somit ist es kein Widerspruch, dass der Wegfall des Tatentschlusses anders als der Rücktritt Auswirkungen auf die Strafbarkeit der übrigen Mittäter hat. Sofern die Mittäter ihren Tatplan nachträglich modifizieren wollen, können sie dies allein durch eine ausdrückliche oder konkludente Absprache tun. Daraus könnte folgen, dass auch eine Abstandnahme den Tatplan nur beseitigen kann, wenn sie den übrigen Mittätern mitgeteilt wird.320 Auch diese Fälle können jedoch nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Modifizierungen betreffen den Inhalt des gemeinsamen Tatplans. Sie müssen von allen Mittätern getragen werden und bedürfen daher zwingend einer Absprache. Sie sind deshalb bei der objektiven Willensübereinkunft anzusiedeln, die ebenfalls zwingender Bestandteil des gemeinsamen Tatplans ist.321 Wird das Merkmal des gemeinsamen Tatplans jedoch nicht allein objektiv im Sinne dieser Willensübereinkunft verstanden, sondern fordert man zusätzlich einen dazu Seher, JuS 2009, S. 304, 305. Angerer, S. 155. Ähnlich auch Fricke, S. 108 f. 321 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 319 Vgl. 320 So
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge95
übereinstimmenden Willen der Mittäter, den sog. Tatentschluss, stellt dieser ein zweites Element des gemeinsamen Tatplans dar. Die Frage, ob der gemeinsame Tatplan trotz des Vorsatzwegfalls fortbesteht, bezieht sich nun nicht wie die Modifizierung des Tatplans auf das objektive Element, die Verabredung zwischen den Mittätern, sondern auf das subjektive Element des gemeinsamen Tatplans, den Tatentschluss. Daher spielt an dieser Stelle die Mitteilung des Willens keine Rolle. Erfordert der gemeinsame Tatplan nicht nur einen gemeinsamen Tatentschluss der Mittäter im Planungsstadium, sondern auch dessen Fortbestand im Ausführungsstadium, könnten dadurch unbillige Strafbarkeitslücken entstehen. Buser bildet hierzu folgenden Beispielsfall:322 A vereinbart mit seiner Frau B die gemeinsame Durchführung eines Raubes. Um sich bei einer Entdeckung der Bestrafung wegen Raubes entziehen zu können, wird die Tat so geplant, dass A den D um 17.50 Uhr durch einen Faustschlag niederstrecken und gefesselt und geknebelt hinter einem Busch liegenlassen und B um 18.00 Uhr an den Tatort kommen und D die Geldbörse entwenden soll. Als A von einem Seitensprung der B erfährt, überlegt er es sich anders und möchte statt B seinen Freund C an der Tat beteiligen. Er vereinbart mit C, dass dieser um 17.55 Uhr an den Tatort kommen soll, um seinerseits das Geld an sich zu nehmen. A erbringt seinen Tatbeitrag. Aufgrund eines Verkehrsstaus kommt C zu spät, sodass B die Geldbörse an sich nehmen kann.
Es stellt sich nun die Frage, ob sich B die Gewaltanwendung des A zurechnen lassen muss, obwohl A bei seinem Handeln nicht mehr durch den mit B geschmiedeten Tatplan, sondern durch die mit C getroffene Vereinbarung motiviert war. Dass hier eine solche Zurechnung ausscheiden soll, weil es an einem Fortbestand des Tatentschlusses im Ausführungsstadium fehlt, hält Buser für ein seltsames Ergebnis und führt dies als Beleg dafür an, dass es allein auf die in der Planungsphase erfolgte Motivierung ankommen könne.323 Zutreffend ist, dass ein gemeinsamer Tatplan nach der hier vertretenen Auffassung in dem gebildeten Beispielsfall nicht mehr besteht, weil es an einem Tatentschluss des A zum Zeitpunkt der Gewalthandlung fehlt, denn dieses Handeln ist nicht länger von dem Willen getragen, gemeinsam mit B einen Raub zu begehen, sondern soll vielmehr der Verwirklichung eines Raubes mit C dienen. Die Folge ist, dass die Zurechnungsvoraussetzungen hier objektiv nicht vorliegen, sodass aus diesem Grunde eine Zurechnung ausscheiden könnte. Damit ist jedoch noch nicht entschieden, ob nicht möglicherweise in bestimmten Fällen auch die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage genügen kann.324 Nichtsdes322 Buser, S. 124. Den Fall führt auch Angerer, S. 195, als Beleg für die Unzulänglichkeit der hier vertretenen Auffassung an. 323 Buser, S. 125 f. 324 Dazu sogleich in Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (c).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
totrotz kann man auch in diesem Beispielsfall nicht leugnen, dass objektiv eine Herrschaft der B nicht gegeben ist, denn die psychische Bestärkung durch die Zusage der B hat sich gerade nicht auf das Handeln des A ausgewirkt, sodass sie objektiv keinerlei Einfluss auf die Gewaltanwendung hatte. Warum gerade in diesem Beispielsfall das Ergebnis unbillig sein soll, leuchtet nicht ein. Von den klassischen Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft unterscheidet sich dieser Fall allein dadurch, dass sich A nicht vollständig von der Tat lossagt, sondern nur die Tat mit B aufgibt, um dann die gleiche Tat mit C zu begehen. Für die Strafbarkeit der B kann dies jedoch keinen Unterschied machen, denn A hat sich jedenfalls von der Tat mit B distanziert und handelte nicht mehr mit dem Willen, die gemeinsame Tat zu vollenden. Die Motivation, aus der heraus A sich von der Tat losgesagt hat, kann für die Zurechnung keine Rolle spielen, sondern sich nur auf dessen Strafbarkeit auswirken. Daher vermag auch dieser Beispielsfall eine Unzulänglichkeit der hier vertretenen Ansicht nicht aufzuzeigen. Somit lässt sich festhalten, dass der Tatentschluss des Ansetzenden auch im Ausführungsstadium während der Leistung des eigenen Tatbeitrags fortbestehen muss, weil es sonst an einer Herrschaft des Zurechnungssubjekts über diesen Tatteil und damit an einer Rechtfertigung für die Zurechnung fehlt. Daher entfällt der gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage, wenn der handelnde Mittäter seinen Tatentschluss im Vorbereitungsstadium aufgibt. Dies gilt auch dann, wenn er dies den übrigen Mittätern nicht mitteilt.325 (bb) Fortbestand trotz inneren Vorbehalts In der Regel wird es jedoch schwierig zu ermitteln sein, wann genau der Mittäter von der gemeinsamen Tat Abstand genommen hat. Lässt sich nicht nachweisen, zu welchem Zeitpunkt der Vorsatz entfallen ist, ist aufgrund des in dubio pro reo-Grundsatzes davon auszugehen, dass der Tatentschluss des Mittäters bereits zum Zeitpunkt der Verabredung fehlte.326 Wenn bereits ein lediglich im Vorbereitungsstadium bestehender Tatentschluss für die Zurechnung nicht genügt, sondern dieser sogar bis ins Ausführungsstadium fortbestehen muss, kommt eine Zurechnung erst recht nicht in Betracht, wenn ein entsprechender Tatentschluss bereits im Planungsstadium fehlte. Der Tatentschluss ist notwendiger Bestandteil des gemeinsamen Tatplans.327 Somit fehlt auch in diesen Fällen der gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage. 325 Ebenso Eisele, ZStW 112 (2000), S. 745, 760 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 105; Küper, JZ 1979, S. 775 ff., 781 f.; ders., Versuchsbeginn, S. 31 f.; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 25 Rn. 10; Puppe, NStZ 1991, S. 571, 572. 326 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). 327 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc).
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge97
(cc) Bestand des gemeinsamen Tatplans in den übrigen Fällen In den Fällen, in denen auch objektiv nie eine Verabredung erfolgt ist, sondern die übrigen Mittäter eine solche nur irrig annahmen,328 fehlt die Zurechnungsgrundlage bereits aus zwei Gründen. Zum einen mangelt es wie in den übrigen Fällen am gemeinsamen Tatentschluss als subjektivem Element des gemeinsamen Tatplans, denn bereits im Planungsstadium fehlte dem Mittäter hier der Wille, eine gemeinschaftliche Tat zu verwirklichen. Darüber hinaus existiert auch bereits keine objektive Verabredung, denn eine Kommunikation zwischen den Beteiligten hat nicht stattgefunden. Somit ist in diesen Fällen auch das objektive Element des gemeinsamen Tatplans nicht verwirklicht. (dd) Z wischenergebnis zum Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage bei der vermeintlichen Mittäterschaft Somit besteht in keiner der Fallvarianten der scheinbaren Mittäterschaft objektiv zwischen allen Mitwirkenden ein gemeinsamer Tatplan als Zurechnungsgrundlage. Der Vorsatzentfall des vermeintlichen Mittäters beseitigt vielmehr zwingend auch den mit ihm bestehenden gemeinsamen Tatplan. (b) B estand einer Zurechnungsgrundlage in Form eines zwischen den übrigen Beteiligten geschlossenen Tatplans Daher stellt sich in den Fällen, in denen neben dem scheinbaren Mittäter noch zumindest zwei weitere Mittäter in die Planung involviert sind,329 die Frage, ob zumindest zwischen diesen anderen Beteiligten trotz des Vorsatzentfalls des scheinbaren Mittäters ein gemeinsamer Tatplan fortbesteht. Wäre dem so, ließe sich die Zurechnung der fremden Ansatzhandlung möglicherweise auf diesen Tatplan stützen. Dabei gilt es wieder zwei unterschiedliche Konstellationen auseinanderzuhalten: Zum einen ist eine scheinbare Mittäterschaft in der Weise denkbar, dass es allein der vermeintliche Mittäter ist, der das Versuchsgeschehen vollzieht, die übrigen, weiterhin zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossenen Mittäter dagegen bislang noch keine Ausführungshandlungen vorgenommen haben. Für diese in ihrer dogmatischen Würdigung anspruchsvollste und daher den Hauptgegenstand der Untersuchung bildende Variante müsste dann begründet werden, dass auch eine Tatverabredung, an welcher der Ausführende tatsächlich gar nicht (mehr) beteiligt ist, Grundlage der Zurechnung einer von ihm vollzogenen Handlung 328 Vgl.
zu dieser Fallgruppe Kap. 1 A. I. 1. sowie Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). zu dieser Fallgruppe Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2).
329 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sein kann. Zum anderen ist aber auch denkbar, dass neben dem vermeintlichen Beteiligten noch andere – ebenfalls weiter am gemeinsamen Tatplan festhaltende – Mittäter mit der Ausführung begonnen haben. Für diese Fälle stellt sich dann zusätzlich die Frage, ob zumindest die von diesen ausgeführten Handlungen dem Zurechnungssubjekt auf der Basis des zwischen den übrigen Mittätern fortbestehenden Tatplans zugerechnet werden können. Voraussetzung dafür, auf diesen die Zurechnung der Ansatzhandlung zu stützen, ist zunächst einmal, dass zwischen den übrigen Mitwirkenden trotz der Lossagung des vermeintlichen Mittäters überhaupt ein gemeinsamer Tatplan fortbesteht. Bislang wurden allein die Auswirkungen des Vorsatzentfalls auf den mit dem vermeintlichen Mittäter bestehenden Tatplan untersucht. Sagt sich der vermeintliche Mittäter später von der gemeinsamen Tat los oder hegt er von Beginn an einen inneren Vorbehalt, entfällt wegen seines nicht mehr bestehenden Tatentschlusses auch der ihn mit den übrigen Beteiligten verbindende gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage für die von ihm vollzogenen Außenweltvorgänge.330 Fraglich ist jedoch, ob dies nur zum Ausschluss des abstandnehmenden Täters führt, der gemeinsame Tatplan aber zwischen den weiterhin zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossenen Mittätern fortbesteht oder ob der Vorsatzentfall eines Mittäters insgesamt zum Entfall der Willensübereinkunft zwischen allen Beteiligten führt. Weil es den Mittätern jederzeit frei steht, den gemeinsamen Tatplan (auch konkludent) zu modifizieren,331 können die übrigen Mittäter jedenfalls bei Kenntnis von der Abstandnahme ihres Komplizen beschließen, das Vorhaben ohne ihn durchzuführen. Mit dieser Entscheidung besteht dann der abge änderte Tatplan zwischen den übrigen Mittätern fort. Die Abänderung des gemeinsamen Tatentschlusses kann dabei auch konkludent erfolgen, bspw. indem die Mittäter trotz der Kenntnisnahme von der Lossagung weiter Handlungen in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans vornehmen. Für die vermeintliche Mittäterschaft ist aber gerade der Irrtum über die tatherrschaftsbe gründenden Umstände kennzeichnend, sodass es an einer Kenntnisnahme der Lossagung des scheinbaren Mittäters fehlt. Eine bewusste Modifikation der Verabredung und damit auch eine Entscheidung für die Fortgeltung des gemeinsamen Plans erfolgt hier somit gerade nicht. Daher ist entscheidend, ob der Tatplan zwischen den weiterhin zur Tat entschlossenen Mittätern auch dann fortgilt, wenn es zu keiner erneuten Einigung gekommen ist. Dafür spricht zunächst einmal die kriminalpolitische Plausibilität dieses Ergebnisses. Andernfalls würde der Vorsatzentfall eines 330 Vgl.
Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a). 49, 239, 241; RGSt 54, 271, 272; BGHSt 37, 289, 292; Bloy, GA 1996, S. 424, 431; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 173. 331 RGSt
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge99
Einzelnen den gemeinsamen Tatplan insgesamt beseitigen, mit der Folge, dass den übrigen Mitwirkenden auch solche Handlungen nicht zugerechnet werden könnten, die von anderen, ebenfalls weiterhin zur Tat entschlossenen Beteiligten ausgeführt werden. Im Ergebnis könnte dann jeder nur noch für die eigenhändig vollzogenen Geschehensteile verantwortlich gemacht werden. Dadurch käme es zu unbilligen Ergebnissen, denn die Strafbarkeit aller für die gemeinschaftlich verwirklichte Tat hinge von dem Vorsatz eines Einzelnen ab und zwar selbst dann, wenn sich die Tatbestandsverwirklichung unabhängig von dessen Beiträgen begründen ließe. Zudem ist wesentlicher Grund für den Entfall des mit dem vermeintlichen Mittäter bestehenden gemeinsamen Tatplans, dass der psychische Einfluss auf die von diesem ausgeführten Handlungen entfällt, sobald er die Bereitschaft aufgibt, die gemeinsame Tat zu verwirklichen. Für die Ausführungshandlungen der anderen Mittäter gilt dies jedoch gerade nicht. Sie sind weiter von dem Willen getragen, den gemeinsamen Tatplan umzusetzen, werden also weiter von der Bindungs- und Motivationswirkung dieser Willensübereinkunft erfasst. Auf die Steuerungsmacht eines tatbereiten Mittäters über die von einem ebenfalls weiterhin zur gemeinsamen Tat entschlossenen Mittäter vollzogenen Geschehensteile wirkt sich der Vorsatzentfall eines dritten Mittäters überhaupt nicht aus. Deswegen ist auch nicht ersichtlich, warum er den Tatplan in diesem Verhältnis beseitigen sollte. Somit muss der gemeinsame Tatplan zwischen den weiterhin zur Tat entschlossenen Mittätern auch ohne eine diesbezügliche Einigung fortgelten. Zwischen ihnen existiert nicht nur eine objektive Verabredung, sondern auch ein gleichgerichteter Vorsatz. Fraglich ist jedoch, ob dieser zwischen den übrigen Mittätern fortbestehende gemeinsame Tatplan auch die Zurechnung der Ansatzhandlung des vermeintlichen Mittäters tragen kann. Dagegen spricht, dass der gemeinsame Tatplan nur deshalb als Zurechnungsgrundlage fungiert, weil er dem Einzelnen die Steuerungsmacht über die fremdhändig vollzogenen Tatbeiträge verleiht. Weil auch der untätige Mittäter die Tatbeiträge der Handelnden in den Händen hält, ist es gerechtfertigt, ihn für diese strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Dann kann aber nur ein gemeinsamer Tatplan als Zurechnungsgrundlage dienen, der mit dem Ausführenden geschlossen wurde und seinen Beitrag umfasst. Durch eine mit anderen Beteiligten getroffene Verabredung wird der Handelnde nicht gebunden oder motiviert, sodass ein solcher Tatplan dem Zurechnungssubjekt auch nicht die Tatherrschaft über das Ausführungsgeschehen verleihen kann. Er ist für die Zurechnung ohne Belang. Somit kann die Zurechnung der Ausführungshandlung des vermeintlichen Mittäters nicht auf einen zwischen den übrigen Beteiligten fortbestehenden gemeinsamen Tatplan gestützt werden. Dies schließt aber nicht aus, mit diesem fortbestehenden Tatplan die Zurechnung etwaiger von anderen zur gemeinsamen Begehung entschlossenen
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Mittätern vorgenommener Ausführungshandlungen zu legitimieren. In diesem Verhältnis entfaltet der Tatplan nämlich gerade seine tatherrschaftsbegründende Funktion. Weil der Ausführende weiter den Willen hat, gemeinschaftlich mit den anderen den Tatbestand zu verwirklichen und annimmt, seine Komplizen werden ihn bei der Tatbegehung unterstützen, entfaltet der gemeinsame Tatplan in diesem Verhältnis seine bindende und motivierende Wirkung. Der Vorsatzentfall beim vermeintlichen Mittäter beseitigt zwar den steuernden Einfluss auf die von ihm ausgeführten Handlungen, nicht aber auf die übrigen Geschehensteile, die von den ebenfalls am gemeinsamen Tatplan festhaltenden Mittätern verwirklicht werden.332 Wegen dieser fortbestehenden Steuerungsmacht ist es gerechtfertigt, auch die übrigen tatbereiten Mittäter für dieses Geschehen täterschaftlich zur Verantwortung zu ziehen. Hat also neben dem vermeintlichen Mittäter auch schon ein anderer Mittäter mit der Tatausführung begonnen, lässt sich über eine Zurechnung dieses vom gemeinsamen Tatplan getragenen Geschehens die Versuchsstrafbarkeit für die untätigen Mittäter begründen. (c) V orstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass es immer dann, wenn es allein der vermeintliche Mittäter ist, der Versuchshandlungen vornimmt, an einem verbindenden gemeinsamen Tatplan fehlt, mit dem die Zurechnung seiner Ansatzhandlung gerechtfertigt werden könnte. Daher stellt sich die Frage, ob die Vorstellung der übrigen Mittäter vom Bestand eines solchen gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage fungieren kann. Nur dann ließe sich auch für die untätigen Mitwirkenden eine Versuchsstrafbarkeit begründen. (aa) Rechtsprechung In der Rechtsprechung wird es zum Teil für möglich erachtet, die Zurechnung des Versuchsgeschehens mit der Vorstellung vom gemeinschaftlichen Handeln zu legitimieren. So rechnet der BGH im sog. Münzhändler-Fall333 dem B die Schadensmeldung des vorsatzlos handelnden Münzhändlers zu und begründet so dessen Eintritt in das Versuchsstadium. Er erklärt dies damit, dass die Schadensmeldung des Münzhändlers tatplangemäß erfolgt sei und sich B diese daher als nach seiner Vorstellung mittäterschaftlich Han332 Siehe
dazu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b). 40, 299. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1 A. I. 1.
333 BGHSt
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge101
delnder zurechnen lassen müsse.334 Grundlage der Zurechnung soll also die Vorstellung des B vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 II StGB sein. Dies wird mit den Eigenarten des untauglichen Versuchs begründet, bei dem es allein auf die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung ankommen soll.335 Allerdings ist die Rechtsprechung insoweit uneinheitlich. Im Klingel-Fall336 lehnt es der BGH nämlich ab, den übrigen Mittätern das Klingeln des scheinbaren Mittäters zuzurechnen. Diese der Gesamtlösung zugrunde liegende Zurechnung des Ausführungsbeginns komme nur in Betracht, sofern sich der Beitrag „für den Handelnden als mittäterschaftlicher Tatbeitrag darstellt, also von dem Willen getragen ist, gemeinschaftlich mit den anderen Beteiligten zum Zwecke der Tatausführung zusammenzuwirken“337. Im gegebenen Fall sei A aber zur Mitwirkung nicht mehr bereit gewesen: Mit dem Klingeln wollte er die Tat nicht fördern, sondern verhindern.338 Anders als in der Entscheidung zum Münzhändler-Fall erachtete der BGH in diesem nur ein Jahr zuvor entschiedenen Fall den objektiven Bestand eines gemeinsamen Tatplans also noch für zwingend. Auch die Entscheidung im Drogenpaket-Fall339 vermochte an dieser Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung nichts zu ändern. Statt auf die Widersprüchlichkeit der Entscheidungen hinzuweisen und sich zu positionieren, stellte der 4. Strafsenat hier parallel auf beide Begründungsmodelle ab und subsumierte den zu entscheidenden Fall unter alle entwickelten Kriterien.340 So wird zum einen ausgeführt, die Zurechnung einer Tathandlung komme nur dann in Betracht, wenn sie sich für den Handelnden selbst als mittäterschaftlicher Tatbeitrag darstelle, also von dem Willen getragen sei, gemeinschaftlich mit den anderen Beteiligten zum Zwecke der Tatausführung zusammenzuwirken. In dubio pro reo sei jedoch im konkreten Fall davon auszugehen, dass A spätestens bei der Aufgabe des Paketes bei der Post nicht mehr bereit war, den gemeinsamen Tatplan zu verwirklichen, sodass eine Zurechnung ausscheide.341 Des Weiteren werden aber auch die Erwägungen des 4. Strafsenates342 zur Lösung des Falles herangezogen: Hiernach sei eine Ausführungshandlung auch dann zurechenbar, wenn sie nach der Vorstellung des Täters zur Tatbestandserfüllung führen soll und nach natürlicher Auffassung auch zur Tatbestandserfüllung führen könne. Auch daran fehle es, weil Vor334 BGHSt
40, 299, 302. 40, 299, 302. 336 BGHSt 39, 236. Ausführlich zu diesem Fall auch bereits in Kap. 1 A. I. 1. 337 BGHSt 39, 236, 238. 338 BGHSt 39, 236, 238. 339 BGH NStZ 2004, 110. Vgl. dazu auch bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). 340 BGH NStZ 2004, 110, 111. 341 BGH NStZ 2004, 110, 111. 342 BGHSt 40, 299. 335 BGHSt
102
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
aussetzung sei, dass der vermeintliche Mittäter jedenfalls die ihm nach dem Tatplan zugedachte Handlung tatsächlich ausführt; A habe aber die geplante Ausführungshandlung, die Aufgabe eines mit Betäubungsmitteln präparierten Paketes bei der Post, gerade nicht erbracht.343 Daher erscheint die Rechtsprechung widersprüchlich, denn allen Entscheidungen liegt dieselbe Ausgangsfrage zugrunde, nämlich ob auch die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans die Zurechnung rechtfertigen kann. Sie wird aber jeweils unterschiedlich beantwortet. Der BGH versucht, die Divergenz der Entscheidungen damit zu rechtfertigen, dass nur im Münzhändler-Fall ein untauglicher Versuch vorliege.344 Ein untauglicher Versuch ist dadurch gekennzeichnet, dass er unter den gegebenen Umständen entgegen der Vorstellung des Täters nie zur Verwirklichung des Deliktstatbestandes führen konnte, sodass nie eine konkrete Gefahr für das geschützte Rechtsgut bestand.345 Nach diesen Kriterien ist der Versuch jedoch in allen Fallgestaltungen der vermeintlichen Mittäterschaft untauglich. Weil das Klingeln bereits beim Eintreffen am Tatort als Zeichen für die Polizei zum Eingreifen verabredet worden war, konnte es nie zu einer Überwältigung der Eheleute und einem Diebstahl der Wertgegenstände kommen, sodass der Raub von vornherein nicht vollendet werden konnte. Auch im Brandstifter-Fall ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass A nie vorhatte, das Benzin zu entzünden und damit nie die Gefahr bestand, dass das Vermögen der Versicherung geschädigt wird. Ebenso verhält es sich im Münzhändler-Fall, in dem die Schadensmeldung nie eine Täuschung darstellen konnte, weil der Münzhändler tatsächlich Opfer eines Raubes geworden war. Somit liegt in allen Fällen ein untauglicher Versuch vor,346 sodass hiermit die divergierende Rechtsprechung nicht erklärt werden kann. Möglicherweise rechtfertigt jedoch der vom 4. Strafsenat angesprochene tatsächliche Unterschied die Gegensätzlichkeit der Entscheidungen: Er stellt heraus, dass im Klingel-Fall aus objektiver Sicht zunächst eine Verabredung getroffen wurde, im Münzhändler-Fall dagegen nie eine Absprache vorlag.347 343 BGH
NStZ 2004, 110, 111. 40, 299, 304; zustimmend auch Jung, JuS 1995, S. 360, 361. 345 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 37; Heinrich, AT, Rn. 668; Jescheck/Weigend, AT, S. 529; Rengier, AT, § 35 Rn. 1; Valerius, JA 2010, S. 113; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 859. 346 So auch (z. T. jedoch nur für den Klingel- und Münzhändler-Fall) Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 240; Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 215; Graul, JR 1995, S. 427, 428; Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 559; Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 989 f.; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 22. 347 BGHSt 40, 299, 304. Hierin sieht auch Sonnen, JA 1995, S. 361, 363 den entscheidenden Unterschied. 344 BGHSt
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge103
In gleicher Weise hätte der BGH auch eine Abweichung von der Entscheidung des 3. Strafsenates im Brandstifter-Fall rechtfertigen können, denn auch hier kam es aus objektiver Sicht zunächst zu einer Verabredung. Auch wenn in dubio pro reo in beiden Konstellationen davon auszugehen ist, dass die Verabredung seitens des vermeintlichen Mittäters von Anfang an nur zum Schein eingegangen wurde, konnten die übrigen Beteiligten hier berechtigterweise zunächst auf eine gemeinschaftliche Tatbegehung vertrauen. Damit bleibt insoweit der Münzhändler- hinter dem Klingel- und Brandstifter-Fall zurück. Wieso hieraus jedoch folgen soll, dass im Münzhändler-Fall eine hinreichende Basis für die Zurechnung besteht, in den übrigen Fällen dagegen nicht, leuchtet nicht ein. Im Gegenteil hätte die Rechtsprechung wegen dieses Stufenverhältnisses348 im Münzhändler-Fall tendenziell eher zu einer Verneinung der Zurechnung kommen müssen.349 Kann bereits eine objektive Verabredung die Zurechnung nicht legitimieren, wenn diese nur zum Schein eingegangen wurde, muss es doch erst recht an einer ausreichenden Zurechnungsgrundlage fehlen, wenn es nicht einmal zu einer solchen Verabredung gekommen ist. Überdies wurde gezeigt, dass der gemeinsame Tatplan als Zurechnungsgrundlage in allen Fallkonstellationen der vermeintlichen Mittäterschaft gleichermaßen entfällt.350 Somit ist kein Grund dafür erkennbar, die Sachverhalte in dieser Weise unterschiedlich zu behandeln.351 Fraglich bleibt jedoch, ob dann zumindest eine der Lösungen überzeugen kann. Im Klingel-Fall stützt der BGH seine Argumentation darauf, dass wegen der fehlenden tatsächlichen Willensübereinstimmung der Beitrag nicht mehr mittäterschaftlicher Natur und daher für eine Zurechnung kein Raum sei.352 Damit nimmt der 2. Strafsenat an, bei den Zurechnungsvoraussetzungen des § 25 II StGB handele es sich um konstitutive Voraussetzungen, deren irrige Annahme einen untauglichen Versuch nicht begründen könne. Eine Begründung, warum das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 II StGB für zwingend erachtet wird, findet sich nicht. Der BGH hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nicht auch die Vorstellung des Tä348 Buser, S. 92 geht noch weiter und nimmt auch zwischen dem Klingel- und dem Brandstifter-Fall ein Stufenverhältnis an. Dabei übersieht er jedoch, dass auch im Klingel-Fall wegen des in dubio pro reo-Grundsatzes davon ausgegangen werden muss, dass die Verabredung von Beginn an nur zum Schein eingegangen wurde. 349 Buser, S. 127; Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488, 492; Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435 f. 350 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a). 351 Eger, Jura 1996, S. 653, 659; Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Geppert, JK 1995, StGB § 25 II/9b; Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 216; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704; Joecks, wistra 1995, S. 58, 59; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 22. A. A. Sonnen, JA 1995, S. 361, 363. 352 BGHSt 39, 236, 238.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
ters vom Vorliegen dieser Voraussetzungen als Zurechnungsgrundlage ausreicht. Um klären zu können, welche Folgen das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des gemeinsamen Tatplans für die Zurechnung hat, hätte untersucht werden müssen, welchen Charakter diese Zurechnungsvoraussetzung hat und ob sie den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleichgestellt werden kann. In gleicher Weise beschränkt sich auch die Entscheidung im Münzhändler-Fall darauf, Thesen aufzustellen, ohne eine Begründung zu liefern: Hier wird auf die Vorstellung des Täters von der mittäterschaftlichen Natur des Beitrags abgestellt und so eine Zurechnung des fremden Handelns begründet.353 Damit liegt der Argumentation des 4. Strafsenates die Annahme zugrunde, auch bezüglich der Voraussetzungen des § 25 II StGB sei ein Irrtum möglich, sodass auch bereits die Vorstellung von einer mittäterschaftlichen Tatbegehung die Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs begründen kann. Diese Grundannahme ist konträr zu derjenigen des 2. und 3. Strafsenates. Die entscheidenden Fragen, nämlich die nach dem Charakter des § 25 II StGB, seinem Verhältnis zu den übrigen Tatbestandsmerkmalen und der Anwendbarkeit des § 22 StGB werden jedoch in keiner der Entscheidungen gestellt. Nur eine solche Untersuchung hätte aber eine überzeugende Begründung dafür liefern können, ob auch mit der Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans die Zurechnung legitimiert werden kann. Somit beruhen die Entscheidungen auf verschiedenen Grundannahmen, bei deren Zugrundelegung sie für sich betrachtet schlüssig erscheinen.354 Gerade die Klärung dieser Grundfragen ist aber für eine überzeugende Lösung der Frage von entscheidender Bedeutung und hätte daher erfolgen müssen. So aber ist die Rechtsprechung wenig substantiiert und uneinheitlich. (bb) Literatur Auch innerhalb der Literatur ist die Frage, ob die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans als Zurechnungsgrundlage fungieren kann, umstritten. Zum Teil wird angenommen, eine Zurechnung des fremden Tatbeitrags komme nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 25 II StGB tatsächlich vorlägen.355 Da es in den Fällen der vermeintlichen Mittä353 BGHSt
40, 299, 302. in: FS Kühl (2014), S. 213, 216. 355 So Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 29; Graul, JR 1995, S. 425, 429 f.; Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 282; Hillenkamp, in: FS Roxin (2001), S. 689, 709 f.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Joecks, wistra 1995, S. 57 ff.; Krell, Jura 2012, S. 150, 152; Kudlich, JA 2008, S. 703, 707; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 103; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 486 f. (allerdings verwendet er eine andere Terminologie); Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55a; SK-StGBHoyer, § 25 Rn. 148; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 328; Weißer/Kreß, JA 354 Globke/Hettinger,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge105
terschaft an einem verbindenden gemeinsamen Tatplan fehle, mangele es an einer Zurechnungsgrundlage.356 Diese objektive Zurechnungsgrundlage könne nicht durch die Vorstellung der übrigen Mittäter, ein solcher verbindender Tatplan läge vor, ersetzt werden.357 Dieser Ansicht liegt somit die Prämisse zugrunde, die Voraussetzungen des § 25 II StGB müssten als Zurechnungsregeln zwingend vorliegen. So überzeugend diese Annahme auch zunächst erscheint, so mangelt es ihr doch an einer dogmatischen Begründung. Es ließe sich nämlich ebenso vertreten, dass die Voraussetzungen der Mittäterschaft den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleichstehen und daher die Versuchsregel auch die Auslegung der Tätervoraussetzungen beeinflusst. So könnte die Tatsache, dass die Tat nach § 22 StGB vollständig allein in der Vorstellung des Täters existiert, in objektiver Hinsicht aber nicht mehr als eine taugliche Ansatzhandlung die Strafbarkeit des Versuchstäters trägt, dazu führen, dass auch die Tatherrschaft anhand der Vorstellung des Täters zu beurteilen ist. Dann läge eine versuchte Mittäterschaft vor, die möglicherweise ebenso eine Zurechnung bewirken kann. Um diesen Einwand zu entkräften, müssten die Vertreter dieser Ansicht begründen, warum eine Modifikation der Tätervoraussetzungen durch die Versuchsgrundsätze ausgeschlossen ist und damit deren objektives Vorliegen zwingend sein soll. Eine solche Begründung unterbleibt jedoch zumeist. So wird lediglich angeführt, ein Abstellen auf die subjektive Sicht des Täters liefe auf eine an Gesinnungsstrafrecht erinnernde Sanktionierung des deliktischen Willens hinaus, die dem Grundgedanken der §§ 22 ff. StGB widerspräche.358 Dies lässt jedoch außer Acht, dass der deliktische Wille der übrigen Mittäter in Form des objektiven Tatbeitrags des vermeintlichen Mittäters sehr wohl äußerlich in Erscheinung getreten ist. Zwar konnte der Tatplan mit diesem Beitrag nicht mehr vollendet werden, da der vermeintliche Mittäter bereits nicht mehr mit dem Willen handelte, den Plan zu verwirklichen. Allerdings schließt dies die Versuchsstrafbarkeit nicht aus, denn damit läge ein untauglicher Versuch vor, der dem tauglichen Versuch nach § 23 III StGB 2003, S. 857, 861. In diese Richtung argumentieren auch Beulke, Klausurenkurs II, Rn. 240; Bosch, Jura 2011, S. 909, 915 f.; Frister, AT, § 29 Rn. 14; Jung, JuS 1994, S. 355; Kindhäuser, LPK-StGB, § 22 Rn. 41; ders., AT, § 40 Rn. 18; Kühl, AT, § 20 Rn. 123a; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 9; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 175 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 52; MüKo-StGB- Hoffmann/ Holland, § 22 Rn. 142; Mylonopoulos, GA 2011, S. 463, 471; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 68; Prüßner, S. 186; Rath, JuS 1999, S. 140, 144; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 53 f.; Zieschang, AT, Rn. 520 und Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23 f., die allerdings in ihrer Argumentation nicht klar zwischen Zurechnungsgegenstand und -grundlage trennen. Zustimmend wohl auch Fricke, S. 100 ff. 356 Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713 f.; Joecks, wistra 1995, S. 57, 60. 357 Graul, JR 1995, S. 425, 429 f. 358 Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 282.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
gleichsteht. Einen überzeugenderen Versuch zur Begründung der Unabdingbarkeit des tatsächlichen Vorliegens der Mittäterschaftsvoraussetzungen unternehmen Ingelfinger359 und Graul:360 Nur wenn tatsächlich ein gemeinsamer Tatplan bestehe, habe der eine Mittäter auf die nicht selbst vorgenommenen Tatbeiträge des anderen aufgrund der beiden bewussten gegenseitigen Abhängigkeit jenen positiven psychischen Einfluss, der es zusammen mit der negativen Tatherrschaft über das Gesamtgeschehen rechtfertige, jeden einzelnen Tätigkeitsakt des einen dem jeweils anderen so zuzurechnen, als habe er ihn selbst vollzogen. Auch dieser Begründung liegt aber die Annahme zugrunde, eine tatsächliche, durch den Tatplan vermittelte Tatherrschaft sei zwingende Zurechnungsvoraussetzung. Ebenso könnte es beim Versuch jedoch auch bezüglich der Tätervoraussetzungen allein auf die subjektive Sicht des Täters ankommen, wenn § 22 StGB auch diese Merkmale modifiziert. Eine Auseinandersetzung mit dieser Grundfrage unterbleibt jedoch. Somit mangelt es dieser Ansicht ebenfalls an einer dogmatischen Begründung. Sie stützt sich letztlich nur auf eine Behauptung. Des Weiteren wird vertreten,361 eine Strafbarkeit der übrigen Mittäter wegen der versuchten Deliktsbegehung komme auch in den Fällen nur vermeintlicher Mittäterschaft in Betracht, weil bereits die irrige Annahme der Gemeinschaftlichkeit die Zurechnung der Handlung des scheinbaren Mittäters legitimiere. Die dafür angeführten Begründungen sind sehr heterogen. Hauf geht davon aus, der Sinneswandel des vermeintlichen Mittäters habe auf die Strafbarkeit der übrigen Mittäter keine Auswirkungen, da die fehlende subjektive Komponente bei dem ansetzenden Beteiligten nichts an der Bereitschaft der anderen zum Einstieg in die Tatausführung ändere.362 Der Zurechnung unterlägen im Rahmen der Mittäterschaft nur objektive Tatbeiträge, subjektiv müsse jeder Beteiligte selbst hinter der Tat stehen.363 Daraus folge, dass nur die objektiv verwirklichte Komponente, d. h. diejenige Handlung, die das Rechtsgut in die konkrete Gefahr bringt, zurechenbar sei. Diese nehme der vermeintliche Mittäter aber planmäßig vor.364 Die Argumentation Haufs vermag jedoch nur zu begründen, warum der Tatbeitrag trotz des fehlenden Voll359 Ingelfinger,
JZ 1995, S. 704, 708 ff. Ähnlich auch Prüßner, S. 186. JR 1995, S. 427, 430. 361 Buser, S. 129 ff.; Fischer, StGB, § 22 Rn. 23a; Gropp, AT, § 10 Rn. 191 ff.; Hauf, NStZ 1994, S. 263, 265; ders., JA 1995, S. 776, 778 f.; Heckler, GA 1997, S. 72, 77 ff.; Putzke, JuS 2009, S. 1083 f.; Roßmüller/Rohrer, MDR 1990, S. 986 ff.; Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435, 443 ff. Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 496 hält diese Ansicht vom Standpunkt der Gesamtlösung aus für konsequent, wenngleich auch rechtsstaatlich problematisch. 362 Hauf, NStZ 1994, S. 263, 265; ders., JA 1995, S. 776, 779. 363 Hauf, NStZ 1994, S. 263, 266; ders., JA 1995, S. 776, 779. 364 Hauf, NStZ 1994, S. 263, 266; ders., JA 1995, S. 776, 779. 360 Graul,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge107
endungsvorsatzes des vermeintlichen Mittäters ein tauglicher Zurechnungsgegenstand ist. Damit ist allerdings nicht erklärt, warum die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans auch eine mögliche Zurechnungsgrundlage darstellt.365 Gerade dies wird jedoch von vielen bestritten,366 sodass Haufs Begründung allein die Versuchsstrafbarkeit der übrigen Mittäter nicht trägt.367 Zudem wurde bereits gezeigt, dass der Tatentschluss des Handelnden für die übrigen Beteiligten gerade nicht ohne Belang ist.368 Des Weiteren wird angeführt, auch das subjektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 II StGB genüge als Zurechnungsgrundlage, weil § 22 StGB für die Frage des Versuchsbeginns auf die Vorstellung des Täters von der Tat abstelle.369 Daher erreiche der irrig von einem gemeinsamen Tatplan Ausgehende das Versuchsstadium, wenn aufgrund des von ihm vorgestellten Tatbildes nach objektiven Kriterien ein Versuch anzunehmen sei.370 Diese Voraussetzung sei erfüllt, sobald der scheinbare Mittäter einen Tatbeitrag leiste, der nach dem vorgestellten Tatplan den Beginn der Tatausführung markiere. Zum Teil wird sogar noch weitergehend auf einen objektiven Beitrag vollständig verzichtet: Demnach soll es nur darauf ankommen, dass der Mittäter nach seiner Vorstellung zu der gemeinschaftlichen Tat unmittelbar angesetzt habe, das tatsächliche Geschehen sei hierfür ohne Bedeutung.371 Diese Argumentation beruht auf der These, dass § 22 StGB auf die Voraussetzungen des § 25 II StGB ebenso wie auf alle übrigen Tatumstände anzuwenden ist.372 Dies bedarf jedoch einer näheren Untersuchung, die von ihren Vertretern nicht vorgenommen wird. Buser nimmt an, Zurechnungsgrundlage für die Zurechnung des fremden Beitrags bei der Mittäterschaft sei nicht der von einem gemeinsamen Tatentschluss getragene gemeinsame Tatplan, sondern der sich im Planungsstadium auf einen gemeinsamen Tatplan beziehende Tatentschluss des jeweiligen Beteiligten, dessen Strafbarkeit in Rede steht.373 Die Zurechnungsgrundlage Buser, S. 97 f. die Nachweise in Fn. 355. 367 So auch die überzeugende Kritik von Buser, S. 97 f. und Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 707. 368 Siehe bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 369 Heckler, GA 1997, S. 72, 78 f.; Putzke, JuS 2009, S. 1083, 1084; Roßmüller/ Roherer, MDR 1996, S. 986, 988 f., für die damit zugleich auch eine Aufgabe der Gesamtlösung verbunden ist. 370 Heckler, GA 1997, S. 72, 79. 371 Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. 372 So ausdrücklich, jedoch ohne Begründung Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. 373 Buser, S. 134. Ebenso argumentiert auch Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435, 452. 365 Ebenso 366 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
soll also für jeden Beteiligten gesondert festgestellt werden. Er begründet dies damit, dass Grundlage der Zurechnung der einzelnen Tatteile nicht der rein tatsächliche Einfluss sei, den ein Mittäter auf das Handeln des anderen gehabt habe oder hätte haben können, sondern die Tatsache, dass das Verhalten des einen Beteiligten dem Willen des andern Beteiligten entspreche.374 Zwar müsse dieser Wille nach außen getreten sein, jedoch könne in der Planung der Tat eine solche ausreichende Manifestation gesehen werden.375 Damit wäre auch im Falle der nur vermeintlichen Mittäterschaft eine ausreichende Zurechnungsgrundlage vorhanden, denn der sich irrende Mittäter verfügt über einen entsprechenden Tatentschluss.376 Allerdings würde auf das Erfordernis eines gemeinsamen Tatplans dann vollständig verzichtet. Dies kann allenfalls vor dem Hintergrund einer subjektiven Beteiligungs lehre,377 nicht aber der hier vertretenen Tatherrschaftslehre überzeugen, denn die objektive Willensübereinkunft ist von entscheidender Bedeutung für die Vermittlung der Tatherrschaft. Nur durch die hierin vorgenommene Zuweisung der Rolle im Tatgeschehen erlangt der Mittäter die negative funktionelle Tatherrschaft und nur durch die Mitteilung der eigenen Tatbereitschaft erlangt der Mittäter einen psychischen Einfluss auf die Gesamttat.378 Allein der individuelle Tatentschluss kann diese Funktionen nicht erfüllen. Daher müsste – will man an der Tatherrschaftslehre festhalten – zumindest begründet werden, warum in der konkreten Konstellation eine solche Tatherrschaft ausnahmsweise nicht erforderlich ist. Diese Begründung fehlt jedoch. Hinzu kommt, dass Buser auch beim Vollendungsdelikt zur Rechtfertigung allein auf den Tatentschluss im Planungsstadium abstellen will.379 Jedenfalls hier ist jedoch nicht ersichtlich, warum auf das tatsächliche Vorliegen der Tat herrschaft verzichtet werden soll. Diese kann sich aber allein aus dem Tatentschluss des Einzelnen nicht ergeben.380 Auch ist problematisch, dass mit einem alleinigen Abstellen auf den Tatentschluss im Planungsstadium beim vollendeten mittäterschaftlichen Delikt keine weitergehende Herrschaft des Einzelnen als bei der Verbrechensverabredung nach § 30 II Var. 3 StGB gefordert würde. Bereits hierdurch wird der im Vorbereitungsstadium beste374 Buser,
S. 134 f. S. 135. 376 Buser, S. 135. 377 So stellt auch Buser, S. 148 heraus, dass die von ihm vertretene Auffassung mit der subjektiven Teilnahmetheorie zu vereinbaren ist. 378 Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (4). 379 Buser, S. 144 f. Weil der Tatentschluss des Zurechnungssubjekts im Planungsstadium eine vollwertige Zurechnungsgrundlage darstelle, geht Buser, insoweit konsequent, davon aus, dass bei eingetretener Rechtsgutsverletzung auch in den Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft eine Vollendungsstrafbarkeit denkbar sei. 380 Vgl. dazu bereits oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 375 Buser,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge109
hende Tatentschluss bezüglich der gemeinsamen Tat sanktioniert. Fordert man nun selbst beim vollendeten Delikt keine darüber hinausgehende Steuerungsmacht auch über das tatsächlich verwirklichte Tatgeschehen, ließe sich der damit einhergehende Strafrahmensprung kaum rechtfertigen. Damit ist ein alleiniges Abstellen auf den individuellen Tatentschluss mit der Tat herrschaftslehre nicht zu vereinbaren.381 Zudem stützt Buser sich auf einen Vergleich mit der versuchten Beteiligung gem. § 30 StGB sowie der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und dem Versuch des untauglichen Subjekts: In diesen Fällen sei die fehlende Ernstlichkeit ebenfalls ohne Belang für die Strafbarkeit der anderen Beteiligten, sodass für den Fall der vermeintlichen Mittäterschaft nichts anderes gelten könne.382 Allerdings ist in allen ins Feld geführten Konstellationen die Behandlung eines Vorsatzwegfalls ebenfalls umstritten, sodass hierin schwer ein Beleg für die Richtigkeit seiner Annahme gesehen werden kann. Vielmehr müsste zunächst geklärt werden, ob alle Konstellationen tatsächlich miteinander vergleichbar sind. Sofern dies der Fall sein sollte, müsste dann einheitlich für alle Fälle untersucht werden, ob auf die täterschaftsbegründenden Merkmale ihrer Struktur nach ebenfalls die Versuchsregeln angewendet werden können.383 Eine solche Untersuchung kann nicht durch den Hinweis ersetzt werden, einige Autoren verführen in ähnlichen Konstellationen ebenso. Daher kann auch ein Vergleich mit den übrigen Fällen vermeintlicher Täterschaft die Argumentation Busers nicht tragen. d) Zwischenergebnis und offene Fragestellungen Bei der vermeintlichen Mittäterschaft stellt sich – sofern man die von der Gesamtlösung postulierte Grundannahme teilt, dass die Versuchsschwelle durch alle Mittäter einheitlich überschritten wird, sobald ein Mittäter unmittelbar zur Gesamttat ansetzt – die Frage, ob eine Zurechnung der fremden Ansatzhandlung auch dann in Betracht kommt, wenn nur scheinbar ein verbindender gemeinsamer Tatplan besteht. Diese Frage stellt sich für alle Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft gleichermaßen, weil der Tatplan nicht nur fehlt, wenn es tatsächlich nie zu einer Verabredung gekommen ist, sondern auch dann entfällt, wenn zwar zunächst eine objektive Willensübereinkunft bestand, der Mittäter sich jedoch später von dieser distanziert hat.384 Dies gilt selbst dann, wenn der Mittäter diese Lossagung still vollzieht, also 381 Anders Buser, S. 148 f., der allerdings eine gegenseitige Motivationslage zur Vermittlung der Tatherrschaft für nicht erforderlich hält. 382 Buser, S. 136 ff. Ebenso Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435, 450 f. 383 Ausführlich zu dieser Frage sogleich in Kap.1. B. III.–VIII. 384 Siehe Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
die anderen Beteiligten nicht in Kenntnis setzt, weil ein gemeinsamer Tatplan zwingend auch einen bei allen Beteiligten bestehenden Tatentschluss voraussetzt. Und selbst dann, wenn neben dem vermeintlichen Mittäter noch mindestens zwei andere, weiterhin zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossene Mittäter mitwirken, lässt sich die Zurechnung der Gesamttat nur dann mit einem tatsächlich fortbestehenden Tatplan begründen, wenn es nicht ausschließlich der scheinbare Mittäter ist, der Versuchshandlungen vollzieht.385 Bei der Frage, ob eine Zurechnung auch auf die Vorstellung der übrigen Beteiligten gestützt werden kann, handelt es sich nicht um eine Frage des Zurechnungsgegenstandes, denn für die Tauglichkeit als Zurechnungsgegenstand kann es nur darauf ankommen, ob der Beitrag nach dem gemeinsamen Tatplan unmittelbar in die Deliktsverwirklichung münden sollte. Dies folgt daraus, dass die Bestimmung der Ansatzhandlung zu einer Gesamttat nicht an die individuelle Vorstellung eines Einzelnen, sondern nur an den Tatplan als übereinstimmenden Willen aller geknüpft werden kann.386 Vielmehr betrifft die Frage die Zurechnungsgrundlage: Fraglich ist, ob auch die Vorstellung vom Bestand eines gemeinsamen Tatplans eine hinreichende Rechtfertigung für die Ingangsetzung des Zurechnungsmechanismus bilden kann. Den Stellungnahmen in der Literatur mangelt es ebenso wie der Rechtsprechung an einer dogmatischen Begründung der vorausgesetzten Annahmen. Die Grundfrage, die hinter dieser Streitfrage steht, ist die nach dem Charakter der Zurechnungsvoraussetzungen.387 Es muss untersucht werden, ob diese ebenso Merkmale des Tatbestandes sind wie die in den jeweiligen Tatbeständen enthaltenen Voraussetzungen. Nur wenn eine Gleichstellung geboten wäre, könnten auch auf die Zurechnungsvoraussetzungen die allgemeinen Versuchsgrundsätze angewendet werden. Gerade an dieser Untersuchung mangelt es bislang. Diese Frage bildet jedoch den Schlüssel zur Lösung der vermeintlichen Mittäterschaft, denn sofern dies der Fall sein sollte, müsste daraus auch zwingend der Schluss gezogen werden, dass der Mangel im objektiven Tatbestand, der den Versuch kennzeichnet, auch darin bestehen kann, dass die Täterschaftsvoraussetzungen nicht vorliegen.388 Nimmt man dagegen an, die Voraussetzungen der Mittäterschaft nähmen eine Sonderstellung innerhalb des Tatbestandes ein, die ihren zwingenden Charakter begrün385 Vgl.
Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b). A. I. 3. c) bb). 387 Dies arbeiten auch Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213 ff. überzeugend heraus. Sie unternehmen erstmals auch den Versuch, zu untersuchen, warum es sich hierbei um zwingende Zurechnungsregeln handeln könnte. Vgl. dazu ausführlich Kap. 1 B. 388 Dieser Schluss wird auch von denjenigen, die annehmen, die Voraussetzungen des § 25 II StGB seien gewöhnliche Tatbestandsmerkmale, zumeist nicht gezogen. Vgl. dazu ausführlich Kap. 1 B. 386 Vgl. Kap. 1
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge111
det, ergibt sich daraus auch unmittelbar, dass die Vorstellung vom Bestand dieser Voraussetzungen als Zurechnungsgrundlage nicht genügt. Um eine Lösung zur vermeintlichen Mittäterschaft zu finden, muss also die Frage nach dem Charakter der Mittäterschaftsvoraussetzungen beantwortet und ihre Zugänglichkeit für die Anwendung der allgemeinen Irrtumsregeln ermittelt werden. Dies soll Ziel der weiteren Untersuchung sein.
II. Vermeintliche mittelbare Täterschaft Die Analyse der vermeintlichen Mittäterschaft hat gezeigt, dass sich hinter dieser Irrtumskonstellation die viel grundsätzlichere Frage nach dem Charakter der Zurechnungsvoraussetzungen und dem Verhältnis von Versuchs- und Beteiligungsdogmatik verbirgt. Dies lässt vermuten, dass ihre Beantwortung nicht nur für den Irrtum des Mittäters über die Gemeinschaftlichkeit des Handelns, sondern für alle Irrtümer über die Beteiligungsform von Relevanz ist. Deshalb bedarf es zunächst einer Analyse der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft, um festzustellen, ob die Grundfragen, die hinter dieser Irrtumskonstellation stehen, mit denen der vermeintlichen Mittäterschaft übereinstimmen und eine einheitliche Lösung zur vermeintlichen Täterschaft gefunden werden kann. 1. Charakterisierung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und wesentliche Fragestellungen Bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft unterliegt der mittelbare Täter einem Irrtum über seinen Einfluss auf den von ihm zur Deliktsverwirklichung eingesetzten Tatmittler. Während er annimmt, er sei dem unmittelbar Ausführenden in Wissen oder Wollen überlegen, durchschaut dieser tatsächlich das deliktische Geschehen in vollem Umfang und führt den deliktischen Erfolg als unmittelbarer Täter volldeliktisch herbei.389 Ebenso wie bei der vermeintlichen Mittäterschaft stellt sich der Hintermann demnach tatsächliche Umstände vor, die seine Tatherrschaft begründen würden, obgleich objektiv von einer Steuerung des Geschehens nicht gesprochen werden kann. Diese Konstellation lässt sich anhand des sog. Injektionsspritzen-Falles390 illustrieren: 389 Zur Strafbarkeit des Vordermannes als unmittelbarer Täter Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 116. 390 Zuerst wohl bei Welzel, Strafrecht, S. 102. Statt vieler Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 896 jew. m. w. N.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Stationsarzt Dr. A übergibt der vermeintlich arglosen Krankenschwester K eine Spritze, die angeblich ein Beruhigungsmittel, tatsächlich aber ein tödlich wirkendes Gift enthält, und weist sie an, dieses seiner im Krankenhaus liegenden, verhassten Schwiegermutter zu injizieren. K durchschaut das Ansinnen, lässt sich aber nichts anmerken und verabreicht die letale Injektion.
A stellt sich hier vor, bei K einen Tatbestandsirrtum hervorzurufen, indem er sie über den tatsächlichen Inhalt der Spritze täuscht. Wäre K der tödliche Inhalt tatsächlich verborgen geblieben, hätte sie nach § 16 I 1 StGB ohne Vorsatz gehandelt, es läge mithin ein Defizit auf Tatbestandsebene vor. Wäre die Vorstellung des A zutreffend, käme ihm eine sog. Irrtumsherrschaft kraft überlegenen Wissens391 zu, die eine Zurechnung der Injektion durch K gem. § 25 I Var. 2 StGB rechtfertigen und somit die Bestrafung des Dr. A wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 25 I Var. 2 StGB392 begründen würde. Das Vorhaben des A geht jedoch fehl, denn tatsächlich weiß auch K um die tödliche Wirkung des Giftes, sodass A ihr weder im Wissen noch im Willen überlegen ist. Er stellt sich nur subjektiv Umstände vor, die eine solche Überlegenheitsposition begründen würden.393 Fraglich ist, ob A dennoch gemäß seiner Vorstellung wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 25 I Var. 2 StGB strafbar ist. Entscheidend dafür ist, ob die Zurechnung der durch K ausgeführten tatbestandsmäßigen Handlung nur bei einer objektiven tatherrschaftlichen Steuerung des Geschehens zu rechtfertigen ist. Weil der mittelbare Täter seinen Tatbeitrag typischerweise vor dem Tatmittler erbringt, scheint eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters sogar dann dogmatisch begründbar, wenn es zu einer Umsetzung des deliktischen Geschehens seitens des Tatmittlers nicht mehr gekommen ist. Veranschaulichen lässt sich diese Konstellation anhand des sog. Salzsäure-Falles394: A will J aus Eifersucht töten. Da J ihn kennt und A bei einem Fehlschlag mit einer Entdeckung rechnen muss, entschließt er sich, die Tat durch Dritte ausführen zu lassen. Deshalb überredet er B, J in dessen Haus zu überfallen und auszurauben. Um B den Raub zu erleichtern, übergibt A dem B eine Plastikflasche, die angeblich ein Schlafmittel, in Wirklichkeit aber hochprozentige Salzsäure enthält, die bereits 391 Siehe zu dieser Form der mittelbaren Täterschaft LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 78 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 170 ff.; Weißer, S. 215 ff. 392 Je nach Sachverhalt kommt eine Strafbarkeit wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211 II 1. Gruppe Var. 1, 2. Gruppe Var. 1, 25 I Var. 2 StGB in Betracht. 393 Ernst, ZJS 2011, S. 382, 385 spricht plastisch von „eingebildeter Tatherrschaft“. 394 Vereinfacht nach BGHSt 30, 363. Vgl. zu dem Original-Fall auch die Besprechungen von Hassemer, JuS 1982, S. 703 f.; Kühl, JuS 1983, S. 180 ff.; Seier, JA 1982, S. 369 ff.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge113 bei Aufnahme geringer Mengen mit Sicherheit tödlich wirkt. B sollte über die Tötungsabsicht des A im Unklaren bleiben und sich bei der Tatausführung unwissentlich eines tödlichen Mittels bedienen. Unterwegs zu J öffnet B aus Neugierde den Schraubverschluss der Flasche. Der ätzende Geruch macht ihm klar, dass es sich nicht um ein Schlafmittel, sondern um eine gefährliche Säure handelt. B nimmt daraufhin von der Tat Abstand.
In dieser Konstellation fehlt es an einer Ansatzhandlung des Tatmittlers, die den Beginn des Tötungsversuchs gem. §§ 212, 22, 25 I Var. 2 StGB395 markieren könnte. Anders als in den Fällen vermeintlicher Mittäterschaft, in denen bei Untätigkeit des Ausführenden eine Versuchsstrafbarkeit zwingend ausscheiden muss, weil es an einer Ansatzhandlung fehlt, erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass A des in mittelbarer Täterschaft begangenen Tötungsversuchs schuldig ist. Während nämlich bei der vermeintlichen Mittäterschaft der Irrende in den problematischen Konstellationen396 stets untätig bleibt, weil sein Tatbeitrag erst in einem späteren Stadium erbracht werden soll, wird der mittelbare Täter typsicherweise bereits vor der eigentlichen Tatausführung aktiv, indem er auf den Tatmittler einwirkt. So ist A an B herangetreten und hat ihn für den Raub gewonnen und ihm hierzu die Plastikflasche mit der tödlichen Salzsäure überreicht. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Einwirkungshandlungen den Eintritt in das Versuchsstadium begründen können. Die Frage nach der Behandlung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ist somit eng mit dem Problemkomplex des unmittelbaren Ansetzens bei der mittelbaren Täterschaft verzahnt.397 Die in Rechtsprechung und Literatur weitgehend als selbstverständlich angenommene Versuchsstrafbarkeit398 des vermeintlichen mittelbaren Täters 395 Je nach genauer Vorstellung des A kommt auch eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211 II 1. Gruppe Var. 4, 2. Gruppe Var. 1 StGB in Betracht. 396 Auch die vermeintliche Mittäterschaft ist selbstverständlich in der Form denkbar, dass neben dem vermeintlichen Mittäter auch bereits der seine eigene Position überschätzende Mittäter Ausführungshandlungen vorgenommen hat. Für diese Fälle lässt sich eine Versuchsstrafbarkeit dann auch dogmatisch begründen, vgl. Kap. 1 B. XI. 1. b) aa). Allerdings stellt diese Konstellation bei der vermeintlichen Mittäterschaft nur eine mögliche Tatvariante dar, während eine vermeintliche mittelbare Täterschaft ohne den vorherigen Versuch einer Instrumentalisierung gar nicht denkbar ist, sodass hier in allen Konstellationen ein Handeln des mittelbaren Täters existiert, an das zur Begründung der Versuchsstrafbarkeit angeknüpft werden könnte. 397 So auch Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 128; Kadel, GA 1983, S. 299, 302; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 900. 398 Meist konzentriert sich die Diskussion auf eine mögliche Teilnahmestrafbarkeit, während auf die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters oftmals kurz ohne Begründung verwiesen wird. So bei AnwK-StGB-Waßmer, § 25 Rn. 42 f.; Bock, JA 2007, S. 599, 600; Ernst, ZJS 2011, S. 382, 386 f.; Fischer, StGB, § 25 Rn. 18; Frister, AT, § 29 Rn. 4; Gallas, Verbrechenslehre, S. 107; Herzberg, JuS
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
soll den Ausgangspunkt der Überlegung bilden. Entscheidende Fragestellung ist dabei, nach welchen Grundsätzen sich der Versuchsbeginn beim in mittelbarer Täterschaft begangenen Versuch richtet und ob die Heranziehung dieser Kriterien auch dann sachgerecht ist, wenn die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft nur scheinbar, nämlich in der Vorstellung des Hintermannes, vorliegen. Entscheidend ist, ob die versuchte mittelbare Täterschaft dem Versuch in mittelbarer Täterschaft gleichgestellt werden kann.399 Gerade bei dieser Frage zeigen sich die dogmatischen Schwierigkeiten, die diese Konstellation aufwirft, in besonderer Weise. Erst wenn die Auswirkungen des Irrtums über die Beteiligtenrolle auf die Versuchsstrafbarkeit geklärt sind, kann untersucht werden, ob das verwirklichte Unrecht (ergänzend) über eine Unterlassungs-400, Fahrlässigkeits-401 oder Teilnahmestrafbarkeit402 sachgerecht erfasst werden kann. Außerdem wird es anders als bei der vermeintlichen Mittäterschaft bei der scheinbaren mittelbaren Täterschaft durchaus häufig zur Vollendung des ins Auge gefassten Deliktes kommen,403 sodass auch zu untersuchen sein wird, ob 1974, S. 574, 575; HK-GS-Ingelfinger, § 25 Rn. 34; Jäger, AT, Rn. 251b; Krell, ZJS 2010, S. 640, 642; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 537; Letzgus, S. 30 m. Fn. 48; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 160; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Norouzi, JuS 2007, S. 146, 152; Rengier, AT, § 43 Rn. 81; Schapiro, JA 2005, S. 615, 620; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 37 ff. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 270 ff. hält die Versuchsstrafbarkeit scheinbar für so selbstverständlich, dass er auf sie gar nicht eingeht. Ausführlich und vor allem kritisch zu dieser Versuchsstrafbarkeit allein Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 125 ff.; Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 24 ff.; Kadel, GA 1983, S. 299 ff.; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467 ff.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 899 ff. 399 Zu dieser ganz uneinheitlich verwendeten Terminologie Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 125 f.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 897 f. m. Fn. 10. 400 Vgl. Kap. 1 C. 401 Umfassend dazu Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 133; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 914 f. Siehe dazu Kap. 1 E. 402 Darstellung des Streitstandes bei Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 118–125; Ernst, ZJS 2011, S. 382, 387 f.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 907–912; Schapiro, JA 2005, S. 615, 620 f. Siehe dazu ausführlich in Kap. 1 D. 403 Erklären lässt sich dies mit der unterschiedlichen Struktur der Irrtümer. Bei der vermeintlichen Mittäterschaft überschätzt der Irrende den Ausführenden, weil er annimmt, der Handelnde wolle an der gemeinschaftlichen Deliktsverwirklichung mitwirken, während dieser sich längst von der gemeinsamen Tat losgesagt hat. Die vermeintliche mittelbare Täterschaft ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass der Hintermann den Vordermann unterschätzt, weil er fälschlicherweise davon ausgeht, ihm sei der Unrechtsgehalt der Tat überhaupt nicht bewusst oder er könne hierfür jedenfalls nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Da der Vordermann das Geschehen durchschaut, ist es an ihm, freiverantwortlich über die Ausführung der Tat zu entscheiden. Immer dann, wenn er ein eigenes Interesse an der Tatverwirklichung hat, wird er tatplangemäß vorgehen und somit den deliktischen Erfolg herbeiführen.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge115
trotz der allein subjektiv, nicht jedoch objektiv bestehenden Tatherrschaft eine Bestrafung aus dem vollendeten Delikt in mittelbarer Täterschaft dogmatisch konstruierbar ist oder ob wegen der mangelnden Steuerung des Geschehens allein eine Strafbarkeit aus dem Versuchsdelikt in Betracht kommt.404 2. Strafbarkeit wegen Versuchs in mittelbarer Täterschaft Allen Fallkonstellationen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ist gemein, dass sie die Frage aufwerfen, ob derjenige, der sich nur vorstellt, einen anderen tatherrschaftlich zu steuern und durch diesen die Tat zu begehen, wegen täterschaftlichen Versuchs strafbar ist. a) Verortung im Deliktsaufbau Ebenso wie bei der vermeintlichen Mittäterschaft fällt es schwer, den richtigen dogmatischen Anknüpfungspunkt für die Untersuchung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft zu finden. Überwiegend wird die Frage nach der Begründbarkeit eines mittelbar-täterschaftlichen Versuchs bei nur scheinbarer Tatherrschaft mit der Frage nach dem Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zum Versuch bei der mittelbaren Täterschaft gleichgesetzt.405 Weil der mittelbare Täter in den Fällen der vermeintlichen Täterschaft bereits auf den Tatmittler eingewirkt hat, dieser die Tat aber entweder noch gar nicht begonnen oder zumindest nicht den verbrecherischen Täterwillen des Hintermannes manifestiert habe,406 könne eine Versuchsstrafbarkeit des Hintermannes nur begründet werden, sofern der Versuch bereits mit der Einwirkung auf den Tatmittler beginne. Zutreffend ist, dass zu ermitteln sein wird, inwieweit Prämissen bei der Bestimmung des Versuchsbeginns die Möglichkeit eines Versuchs bei vermeintlicher mittelbarer Täterschaft bereits per se ausschließen. Die Fragestellung hierauf zu reduzieren, wird der Fallkonstellation aber nicht gerecht. Selbst wenn der Versuchsbeginn nach einer Zeitregel zu bestimmen ist, nach der schon mit der Einwirkung auf den Tatmittler die Versuchsschwelle überschritten wird, müsste hinterfragt werden, ob die für den Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft entwickelten Kriterien auch angewendet werden können, wenn die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft objektiv nicht erfüllt sind. Die dogmatische Begründbarkeit einer Versuchsstrafbarkeit hängt demnach maßgeblich davon ab, ob der täterschaft404 Dazu
in Kap. 1 B. XII. 2. JuS 1982, S. 703, 704; Kadel, GA 1983, S. 299, 302; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467 ff.; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 537; Kühl, AT, § 20 Rn. 84, 86; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Seier, JA 1982, S. 369, 370. 406 So Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467, 472 f. 405 Hassemer,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
liche Versuch i. S. d. § 22 StGB zwingend eine objektiv bestehende Tatherrschaft erfordert. Entscheidend ist daher, wo diese – bedeutsamere – Fragestellung dogmatisch zu verorten ist. Bloy nimmt an, dass „alle Lösungsvorschläge, die den scheinbaren Tatmittler erst als Problem des Versuchsbeginns bei der mittelbaren Täterschaft behandeln, an zu später Stelle an[setzen]“.407 Ebenso wie bereits zur vermeintlichen Mittäterschaft408 führt er aus, dass es im Kern um die Frage gehe, ob sich die Kategorien des Versuchs und der Vollendung auch auf die Formen beziehen können, in denen sich jemand an einer Tat beteiligt.409 Somit identifiziert er die scheinbare mittelbare Täterschaft als ein der eigentlichen Versuchsprüfung vorgelagertes Problem der Anwendbarkeit der allgemeinen Versuchsregeln auf die Fälle nur eingebildeter Tatherrschaft. Schon für die vermeintliche Mittäterschaft wurde gezeigt, dass sich die Abgrenzung zwischen dem Versuch der Beteiligung nach § 30 StGB und dem täterschaftlichen Versuch gem. § 22 StGB allein danach richtet, in welcher Verwirklichungsstufe sich das geplante Delikt befindet. Die berechtigte Frage, ob die nur vorgestellte einer erfolgreichen Täterschaft gleichgestellt wird, spielt hierfür keine Rolle, weil sie sich bezüglich beider Strafbarkeiten gleichermaßen stellt.410 Daraus folgt, dass der Anwendungsbereich der Versuchsregeln immer dann eröffnet ist, wenn eine Handlung vorgenommen wurde, die den Beginn der Ausführung markieren könnte. Davon zu trennen ist die nachgelagerte Frage, ob die einzelne Person auch für diese Handlung täterschaftlich zur Verantwortung gezogen werden kann. In den Konstellationen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft existiert anders als in den Fällen völliger Untätigkeit sehr wohl bereits eine mögliche Versuchshandlung, die die Anwendung der §§ 22 ff. StGB rechtfertigt: Der Hintermann hat schließlich bereits auf den Vordermann eingewirkt und dieser unter Umständen sogar mit der Umsetzung begonnen. Daher ist es ebenso wie bei der vermeintlichen Mittäterschaft nicht der Versuch der Instrumentalisierung, sondern die grundsätzlich taugliche objektive Versuchshandlung, welche die Anwendung der Versuchsregeln legitimiert. Inwieweit der mittelbare Täter für diesen objektiven Außenweltvorgang verantwortlich ist, kann deshalb keine Frage des Anwendungsbereichs der Versuchsregeln, sondern allein der Zurechnung dieses objektiven Geschehens sein. Auch ein Tatentschluss des Hintermannes kann nicht bestritten werden, sein Wille ist auf die Verwirklichung des Deliktes in mittelbarer Täterschaft 407 Bloy,
ZStW 117 (2005), S. 3, 26. dazu oben Kap. 1 A. I. 3. a). 409 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 25. Ebenso auch Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 49. 410 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. a). 408 Siehe
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge117
gerichtet, weil er sich vorstellt, bei dem anderen einen Defekt hervorgerufen bzw. ausgenutzt zu haben und diesen daher täterschaftlich zu steuern.411 Es stellt sich allein die Frage, welche Anforderungen an die Versuchshandlung bei der mittelbaren Täterschaft zu stellen sind und ob eine gegebenenfalls erforderlich werdende Zurechnung fremder Ansatzhandlungen auf die nur vorgestellte Tatherrschaft gestützt werden kann. Beide Fragen sind dem objektiven Versuchstatbestand zuzurechnen,412 allerdings mit der rein zeitlichen Frage nach dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft nicht identisch.413 b) Unmittelbares Ansetzen bei der mittelbaren Täterschaft und Bedeutung für die Untersuchung Zunächst ist nichtsdestotrotz zu untersuchen, wann der mittelbare Täter in das Versuchsstadium eintritt.414 Denn nur wenn feststeht, nach welchem Modell der Versuchsbeginn zu bestimmmen ist, lässt sich die Problemstellung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft abschließend verorten und die genaue Fragestellung hinter diesem Irrtum ermitteln. aa) Einzellösung Die Vertreter der sog. Einzellösung gehen davon aus, der Versuch beginne für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf den Tatmittler beziehungsweise dem Ansetzen hierzu. Sie stellen somit zur Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens allein auf den mittelbaren Täter ab und lassen das nachfolgende Verhalten des Tatmittlers außer Acht.415 Dies entspreche den Grundsätzen des § 25 I Var. 2 StGB, weil die tatbestandsmäßige Handlung 411 Kühl, JuS 1983, S. 180 will dagegen die Frage, ob eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Täterschaft auch in Betracht kommt, wenn die vermeintlichen „Tatmittler“ Täter wären, wenn sie die ihnen angesonnenen Taten ausgeführt hätten, im subjektiven Tatbestand des Versuchs verorten. 412 So auch Roxin, AT II, § 25 Rn. 164. 413 Ebenso Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 901, der drauf hinweist, dass der Zusammenhang zwischen Versuchslösung und dem Streit um den Versuchsbeginn allein negativer Natur sei. 414 Nicht Gegenstand der Untersuchung soll dabei die inzwischen kaum mehr vertretene Theorie sein, die danach differenzieren will, ob der Tatmittler gut- oder bösgläubig ist, vgl. bspw. Blei, AT, S. 261 f.; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 335. Ähnlich auch Jakobs, AT, § 21 Rn. 105. Ablehnend Fad, S. 150; Heinrich, AT, Rn. 750; Krüger, Versuchsbeginn, S. 80; Meyer, ZStW 87 (1975), S. 598, 608; Rengier, AT, § 36 Rn. 9; Roxin, JuS 1979, S. 1, 11; ders., AT II, § 29 Rn. 258. 415 Baumann, JuS 1963, S. 85, 92 f.; Bockelmann, JZ 1954, S. 468, 473; Frister, in: FS Wolter (2013), S. 375, 382, 388; Herzberg, MDR 1973, S. 89, 94 f.; Puppe, in: FS
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
bei der Deliktsbegehung in mittelbarer Täterschaft allein das Ingangsetzen des die Tat ausführenden Werkzeugs sei, weshalb der Hintermann mit der Verwirklichung des Tatbestandes schon dann beginne, wenn er auf den Vordermann einwirke.416 Diese Instrumentalisierung, die nach der Einzellösung den Versuchsbeginn markieren würde, ist in allen Fallvarianten der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft bereits erfolgt. Fraglich ist daher, ob es nach dieser Ansicht auf die Auswirkungen der Divergenz zwischen Vorstellung und objektivem Geschehen hinsichtlich der Tatherrschaft des Hintermannes gar nicht ankommt, sodass die scheinbare mittelbare Täterschaft allein ein Problem der zurechnungsbasierten Theorien zur Bestimmung des Versuchsbeginns wäre.417 Dafür könnte sprechen, dass die Einzellösung nur die eigene Tathandlung des mittelbaren Täters zur Grundlage der Beurteilung macht, das Verhalten des Tatmittlers dagegen für irrelevant erachtet. Deshalb kommt es nach dieser Ansicht möglicherweise gar nicht darauf an, inwieweit der Hintermann den Vordermann tatherrschaftlich gesteuert hat.418 Dagegen spricht, dass die Einzellösung für den mittelbaren Täter eine sehr weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit zur Folge hat. Ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB wird von der Rechtsprechung beim Alleintäter immer dann angenommen, wenn der Täter in Umsetzung seines Willens, nun mit der Tatbestandsverwirklichung zu beginnen, Handlungen vornimmt, die ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen.419 Indizien dafür, ob sich der Taterfolg unmittelbar anschließen soll, können eine konkrete Rechtsgutsgefährdung, das Eindringen in die Opfersphäre sowie ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang Dahs (2005), S. 173, 174, 186 ff.; dies., AT, § 20 Rn. 28 ff.; dies., GA 2013, S. 514, 530 ff.; Schilling, S. 104 ff., 112 f. In diese Richtung wohl auch RGSt 53, 11, 12 f. 416 Baumann, JuS 1963, S. 85, 93; Frister, in: FS Wolter (2013), S. 375, 382; Jakobs, AT, § 21 Rn. 105; Puppe, in: FS Dahs (2005), S. 173, 174, 186, die deshalb auch von der „Lehre von der persönlichen Versuchshandlung“ spricht; dies., GA 2013, S. 514, 530 ff.; Schilling, S. 53, 104, 112; SK-StGB-Jäger, § 22 Rn. 39. Auch Heinrich, AT, Rn. 749 betrachtet die Einwirkung auf den Tatmittler als tatbestandsmäßige Handlung, will daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass bereits mit dem Beginn der Einwirkung der Versuch beginne. 417 So wohl Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 128 ff. 418 So versteht Beulke, FS Kühl (2014), S. 115, 130 die Einzellösung: „Die Tatsache, dass eine derartige Zurechnung mangels (objektiver) Tatherrschaft nicht möglich ist, vermag eine Strafbarkeit wegen Versuchs nicht zu verhindern, da der Hintermann das Handlungsunrecht des Versuchs in eigener Person verwirklicht, sodass es keiner Zurechnung bedarf“. 419 BGHSt 26, 201, 203; BGHSt 28, 162, 163; BGHSt 37, 294, 297 f.; BGHSt 40, 257, 268; BGHSt 48, 34, 36; vgl. auch Borchert, JA 1980, S. 254, 255; Krey/Esser, AT, Rn. 1219; Kühl, JuS 1980, S. 811 ff.; Puppe, AT, § 20 Rn. 27, 40; Safferling, JuS 2005, S. 135, 138; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 850.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge119
zwischen der Handlung und dem erwarteten Erfolgseintritt sein.420 Diese Voraussetzungen erfüllt die Instrumentalisierungshandlung des mittelbaren Täters typischerweise nicht. Im Injektionsspritzen-Fall421 übergibt A der K zunächst allein die Spritze mit dem tödlichen Gift. Sie muss diese jedoch noch injizieren und wird dies womöglich erst bei der nächsten turnusmäßigen Kontrolle tun, die unter Umständen erst in mehreren Stunden bevorsteht. Ebenso steht zwischen der Übergabe der Plastikflasche mit Salzsäure und der eigentlichen Tötungshandlung durch G noch der Gang zu dessen Haus, der möglicherweise erst Tage später erfolgt und auch mit einer räumlichen Zäsur verbunden ist. Bereits diese Beispiele zeigen, dass in vielen Fällen der mittelbaren Täterschaft die Handlung des mittelbaren Täters, wäre sie von einem Alleintäter vorgenommen worden, noch keine taugliche Versuchshandlung darstellen würde, weil noch wesentliche Zwischenakte bis zur Tatbestandsverwirklichung vakant sind. Von einer unmittelbaren Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes durch die Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters kann gerade noch keine Rede sein.422 Wenn nach der Einzellösung der Hintermann dennoch bereits zu diesem Zeitpunkt in das Versuchsstadium eintreten soll, muss sie sich die Frage stellen, wie diese Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit bei der Einschaltung eines menschlichen Werkzeugs begründet werden kann. Von ihren Vertretern wird die Anknüpfung an die vorgelagerte Handlung des Hintermannes damit gerechtfertigt, dass das Handeln des Vordermannes wegen dessen Steuerung durch den mittelbaren Täter als bloße Fortsetzung des vom Hintermann in Gang gesetzten Kausalverlaufs erscheint.423 Die Vorverlagerung der Versuchsphase kann daher nur dann ohne weiteres legitimiert werden, wenn der Tatmittler tatsächlich bloßes Werkzeug des mittelbaren Täters ist. Fehlt es dagegen – wie in den Fällen nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft – objektiv an einer tatherrschaftlichen Steuerung, müsste begründet werden, warum eine nur vermeintliche Tatherrschaft die Vorverlagerung des Versuchseintritts tragen kann. Mit der Entscheidung für eine Einzellösung wird somit allein die Möglichkeit der Begründung einer Versuchsstrafbarkeit eröffnet, diese jedoch nicht bereits legitimiert. Die Frage, ob allein der Versuch, die eigene Tatherr420 Heinrich, AT, Rn. 728; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 22 Rn. 4; MüKo-StGBHoffmann-Holland, § 22 Rn. 118 ff.; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 23 f.; Rengier, AT, § 34 Rn. 24; Roxin, AT II, § 29 Rn. 139 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 41. 421 Kap. 1 A. II. 1. 422 Das erkennt auch Puppe, in: FS Dahs (2005), S. 173, 174; dies., JuS 1989, S. 361, 363 und stellt fest, dass die allgemeinen, für den Alleintäter entwickelten Versuchskriterien für die Festsetzung des Anfangs der Ausführung durch den mittelbaren Täter ungeeignet seien. 423 Puppe, JuS 1989, S. 361, 363; dies., in: FS Dahs (2005), S. 173, 181 m. w. N.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
schaft zu begründen, die Versuchsstrafbarkeit nach § 22 i. V. m. § 25 I Var. 2 StGB tragen kann, müssen sich auch die Vertreter der Einzellösung stellen.424 bb) Gesamtlösung Nach der Gesamtlösung wird die Ausführungshandlung des Tatmittlers dagegen nicht als Kausalfaktor, sondern als Teil einer einheitlichen Gesamttat begriffen. Dieses einheitliche Gesamtgeschehen, bestehend aus den Beiträgen von Hinter- und Vordermann, bildet den Bezugspunkt für die Bestimmung des Versuchsbeginns.425 Dies hat in der Regel, aber keinesfalls zwangsläufig zur Konsequenz, dass es für die Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters darauf ankommt, ob der Tatmittler eine Handlung vorgenommen hat, die sich als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung qualifizieren und dem Hintermann zurechnen lässt.426 Schließlich soll für die Gesamttat nach den allgemeinen für den Alleintäter entwickelten Kriterien ermittelt werden, wann das Geschehen in das Versuchsstadium tritt. Diese Anforderungen wird in der Regel erst die Ausführungshandlung des Tatmittlers erfüllen, die dann dem mittelbaren Täter zugerechnet werden muss. Im Einzelfall kann aber auch bereits die Instrumentalisierungshandlung des Hintermannes den Versuchsbeginn markieren, nämlich dann, wenn sein Beitrag der Tatausführung unmittelbar vorgelagert ist.427 überzeugend auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 901. ZStW 110 (1998), S. 611, 625; ders./Schwarzer, JuS 2008, S. 140, 141; Krüger, Versuchsbeginn, S. 103; Kühl, in: FS Küper (2007), S. 289, 304; ders., AT, § 20 Rn. 91; Küper, JZ 1983, S. 361, 369. LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 101 spricht von einer „Gesamthandlung“; ebenso auch Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 105. 426 RG HRR 1930, Nr. 1671; RG HRR 1942, Nr. 229 im Anschluss an RGSt 44, 69, 71; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 78; Bung, JA 2007, S. 868, 871; Eschenbach, Jura 1992, S. 637, 645; Fricke, S. 63 ff.; Gössel, JR 1976, S. 249, 250; ders., JR 1998, S. 293 ff.; v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, S. 475 f.; HK-GS-Ingelfinger, § 25 Rn. 35; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 625; Kühl, in: FS Küper (2007), S. 289, 304; Küper, JZ 1983, S. 361, 368 ff.; Küpper, GA 1986, S. 437, 447; ders., GA 1998, S. 519, 521; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 101; Mañalich, in: FS Puppe (2011), S. 709, 713 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 30; Rackow, JA 2003, S. 218, 224; Rath, JuS 1999, S. 140, 143; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 12 Rn. 105; Weddig, S. 129. 427 HK-GS-Ingelfinger, § 25 Rn. 35; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 634; Krüger, Versuchsbeginn, S. 88 ff.; Küper, JZ 1983, S. 361, 369 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 53 f.; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 30; Rath, JuS 1999, S. 140, 143. Diese Konsequenz der Gesamtlösung wird teilweise verkannt, wenn allein auf das Handeln des Tatmittlers abgestellt wird, vgl. bspw. LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 154. Z. T. wird diese im Einzelfall auch die Handlung des mittelbaren Täters berücksichtigende Ansicht als „modifizierte Gesamtlösung“ tituliert, vgl. HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 33; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54. 424 So
425 Krack,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge121
Fraglich ist, welche Auswirkungen diese Methode zur Bestimmung des Versuchsbeginns auf die Strafbarkeit der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft hätte. Zum Teil wird postuliert, ein mittelbar-täterschaftlicher Versuch ließe sich auf der Basis der Gesamtlösung für die scheinbare mittelbare Täterschaft „schlechthin nicht begründen“.428 Diese Aussage vermag jedoch mit Blick auf die vorangegangene Untersuchung zur vermeintlichen Mittäterschaft, für die eine Gesamtlösung favorisiert wurde, nicht überzeugen. Zwar hat sich gezeigt, dass eine gesamttatbezogene Versuchsbestimmung wegen der unmittelbaren Übertragung der zur Alleintäterschaft entwickelten Kriterien als Gegenstand der Zurechnung zwingend eine Einwirkungshandlung voraussetzt, die eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist. Damit tritt der mittelbare Täter deutlich später in das Versuchsstadium ein als nach der Einzellösung, mit der Folge, dass die Gesamtlösung dann, wenn es – wie im Salzsäure-Fall429 – zu einer Handlung des Tatmittlers nicht mehr gekommen ist und die Instrumentalisierungshandlung noch keine ausreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist, tatsächlich einen zwingenden Ausschluss der Strafbarkeit wegen mittelbar-täterschaftlichen Versuchs bedingt.430 Wenn aber eine Ausführungshandlung vorliegt, die diese Kriterien erfüllt, ist die dogmatische Konstruktion einer Versuchsstrafbarkeit für den vermeintlichen mittelbaren Täter auch bei Zugrundelegung der Gesamtlösung nicht ausgeschlossen. Hält man auch für diese Fallvarianten eine Versuchsstrafbarkeit auf Basis der Gesamtlösung für nicht begründbar, beruht dies auf der Annahme, sie setze als Zurechnungsgrundlage zwingend eine Willens- oder Wissensherrschaft des mittelbaren Täters voraus. Die These, nur die tatsächliche, nicht aber die scheinbare Tatherrschaft könne eine Zurechnung legitimieren, muss kritisch hinterfragt werden.431 Sie erscheint, wie bereits die Untersuchung zur vermeintlichen Mittäterschaft gezeigt hat,432 auch bei Zugrundelegung einer Gesamtlösung keinesfalls zwingend. In den übrigen Fallvarianten müsste man sich bei Zugrundelegung der Gesamtlösung somit die Frage stellen, ob die nur scheinbare Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage fungieren und damit unter Anwendung der Versuchsregeln der tatsächlichen Tatherrschaft gleichgestellt werden kann.
428 Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 900. Ebenso Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 128 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 146 f. 429 Siehe oben Kap. 1 A. II. 1. 430 Dazu ausführlich in Kap. 1 A. II. 1. 431 Siehe dazu sogleich in Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (3) (c). 432 Vgl. zur Mittäterschaft auch bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (c).
122
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
cc) Rechtsgutsgefährdungstheorie Auch die Rechtsgutsgefährdungstheorie stellt wie die Einzellösung für die Bestimmung des Versuchsbeginns im Ausgangspunkt allein auf das Verhalten des mittelbaren Täters ab. Allerdings soll seine Einwirkungshandlung einschränkend nur dann den Versuchsbeginn markieren, wenn sie bereits eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsgutes begründet.433 Zum Teil wird auch kumulativ oder alternativ darauf abgestellt, ob der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat mit der Einwirkung auf den Tatmittler das tatbestandsmäßige Geschehen bereits so weit in Gang gesetzt hat, dass keine wesentlichen Zwischenakte mehr erforderlich sind.434 Die bereits zum Versuchsbeginn bei der unmittelbaren Täterschaft entwickelten Kriterien der Zwischenakts- und Gefährdungstheorie werden also auf den mittelbartäterschaftlichen Versuch übertragen, um so einer weiten Vorverlagerung des Versuchsbeginns entgegenzuwirken. Die Wahl des Verhaltens des Hintermannes als Ausgangspunkt für die Argumentation verschleiert jedoch, dass die Gefährdungstheorie ebenso wie die Gesamtlösung in der Mehrheit der Fälle auf die Handlung des Tatmittlers abstellen muss, will sie ihr Kriterium der unmittelbaren Gefährdung nicht aufweichen.435 Die Einwirkung seitens des mittelbaren Täters geht typsicherweise nicht mit der eigentlichen Ausführungshandlung einher, sondern kann mit erheblichem zeitlichem und räumlichem Abstand vollzogen werden. So wird die Krankenschwester das vermeintliche Beruhigungsmittel vermutlich erst nach einiger Zeit injizieren und 433 BGHSt 4, 270, 273 f.; BGHSt 43, 177, 180; BGH StraFo 2000, 348, 349; OLG München wistra 2006, 436, 437; Haft, AT, S. 236 f.; Hauf, AT, S. 136 f.; Heinrich, AT, Rn. 751; v. Heintschel-Heinegg-Beckemper, StGB, § 22 Rn. 59; HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 33; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 644; Krahl, JuS 2003, S. 1187, 1191; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 21 Rn. 127; ders., JA 1980, S. 641, 646; ders., NStZ 1998, S. 243; Putzke, JuS 2009, S. 985, 990; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 54a. In diese Richtung auch BGHSt 3, 110, 129; Gerhardt, S. 71, 73. 434 BGHSt 30, 363, 365; BGHSt 40, 257, 268; BGH StraFo 2000, 348, 349; Baier, JA 1999, S. 771, 774; Frister, AT, § 29 Rn. 5; Gropp, AT, § 10 Rn. 136; Haft, AT, S. 236 f.; Hauf, AT, S. 136 f.; v. Heintschel-Heinegg-Beckemper, StGB, § 22 Rn. 59; HK-GS-Ambos, § 22 Rn. 33; Jescheck/Weigend, AT, S. 673; Kudlich, JuS 1998, S. 596, 600 f.; Linke, S. 60; Saliger, JuS 1995, S. 1004, 1009; Schönke/Schröder-Eser/ Bosch, StGB, § 22 Rn. 54a; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 335 (allerdings nur für den Fall, dass der Vordermann aufgrund eigener Situationseinschätzung tätig wird, d. h. insb. für die Fälle des Täters hinter dem Täter); ders., ZStW 109 (1997), S. 862, 887; Trüg, JA 2002, S. 102, 105. Ähnlich auch Gerhardt, S. 73 ff., insb. S. 78; Prüßner, S. 121 f. 435 Gerade innerhalb der Rspr. ist jedoch die Tendenz zu beobachten, dass genau dies passiert. So werden typische Vorbereitungshandlungen wie die Übergabe des Tatmittels im Vorfeld der Tat als Ansatzhandlung deklariert und damit eine unmittelbare Gefährdung bejaht, obwohl beim Einzeltäter dieses Verhalten wohl noch nicht als versuchsbegründend erachtet würde, vgl. bspw. BGHSt 30, 363.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge123
auch der Raub, bei dem das vermeintliche Schlafmittel verabreicht werden soll, wird erst zu einem späteren Zeitpunkt planmäßig ausgeführt. Sofern man also eine im selben Maße wie beim Alleintäter verdichtete unmittelbare Gefährdung fordert, muss man sie in der Regel zum Zeitpunkt des Einwirkens verneinen. Will man nicht in all diesen Fällen eine Versuchsstrafbarkeit verneinen, steht auch nach der Gefährdungstheorie die Frage im Fokus, ob sich die Anknüpfung an die fremde Ausführungshandlung des Tatmittlers zur Begründung der Versuchsstrafbarkeit auch dann legitimieren lässt, wenn es an einer objektiven Steuerung dieser Handlung fehlt. dd) Freisetzungstheorie Auch die sog. Freisetzungstheorie436 beansprucht für sich, den Versuchsbeginn des mittelbaren Täters mithilfe der zur Alleintäterschaft entwickelten Kriterien zu bestimmen und somit beide Beteiligungsformen zu harmonisieren. Anders als die Rechtsgutsgefährdungstheorie, die stets mit dem Kriterium der unmittelbaren Gefahr und des räumlich-zeitlichen Zusammenhangs operiert, stellt dieses Kriterium für die Freisetzungstheorie nur eine Möglichkeit dar, den Eintritt in das Versuchsstadium zu begründen. Daneben soll der mittelbare Täter die Versuchsschwelle auch dann überschreiten, wenn er das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entlässt, indem er die Tat zugunsten des Tatmittlers aus der Hand gibt.437 Somit führt sie gegenüber der 436 Der Begriff stammt von LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 151. Roxin, AT II, § 29 Rn. 230 und Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 54a sprechen von der modifizierten Einzellösung. 437 Engländer, JuS 2003, S. 330, 335 (jedenfalls für den Fall eines gutgläubigen Werkzeugs); Frister, AT, § 29 Rn. 5 f.; Herzberg, JuS 1985, S. 1, 6 ff.; ders., JuS 1986, S. 931 f.; Hünerfeld, ZStW 99 (1987), S. 228, 246; Jäger, AT, Rn. 304; Jescheck/Weigend, AT, S. 673; Jescheck, ZStW 99 (1987), S. 111, 131; Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 56; Kistner, JuS 1983, S. 975 f.; Lackner, StGB22, § 22 Rn. 9; LK-StGB11-Roxin, § 25 Rn. 152; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 154; Murmann, Grundkurs, § 28 Rn. 90; Preisendanz, StGB, § 22 5.c); Rengier, AT, § 36 Rn. 14; Roxin, AT II, § 29 Rn. 244; ders., JuS 1979, S. 1, 11; ders., in: FS Maurach (1972), S. 213, 227; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 112; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 59. Ähnlich auch MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 137, allerdings mit der Einschränkung, dass dies nicht gelten könne, wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem drohenden Erfolgseintritt ein erheblicher Zeitraum verstreicht, wodurch er sich der Gefährdungstheorie weitgehend annähert. Das Kriterium der Entlassung aus dem Herrschaftsbereich wird z. T. auch von der Rechtsprechung bemüht, allerdings mit einer der Rechtsgutsgefährdungstheorie nahestehenden Einschränkung, dass der mittelbare Täter bei der Entlassung die Vorstellung haben muss, die Tatausführung durch den Tatmittler werde sich unmittelbar anschließen, vgl. BGHSt 30, 363, 365 f.; BGH NStZ 1986, 574; BGHSt 40, 257, 269; BGHSt 43, 177, 180; OLG München wistra 2006, 436, 437. So auch Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 857 f.
124
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Rechtsgutsgefährdungstheorie zu einer Vorverlagerung des Versuchsbeginns, weil es im Falle der Entlassung des Tatmittlers aus dem eigenen Herrschaftsbereich nicht darauf ankommt, ob das Rechtsgut bereits gefährdet ist oder in welchem Abstand die eigentliche Tatbestandshandlung vorgenommen werden soll.438 Nach der Freisetzungstheorie hätte der mittelbare Täter somit unmittelbar zum Versuch angesetzt, sobald er die Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen und ihn aus seinem Herrschaftsbereich entlassen hat. Dieser Punkt ist in allen hier gebildeten Fallvarianten der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft überschritten, sodass der Untersuchungsgegenstand bei Zugrundelegung dieser Ansicht nicht begrenzt würde. Allerdings folgt daraus nicht, dass nach der Freisetzungstheorie auch bei nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft stets eine Versuchsstrafbarkeit begründbar ist. Auch sie muss sich fragen, ob ihr das objektive Fehlen der Täterschaftsvoraussetzungen entgegensteht, insbesondere ob das Kriterium der Entlassung aus dem Herrschaftsbereich auch zur Bestimmung des Versuchsbeginns herangezogen werden kann, wenn die Instrumentalisierung des Tatmittlers nur scheinbar erfolgreich war. ee) Divergenzen zwischen den verschiedenen Abgrenzungsmethoden und Auswirkungen auf die vermeintliche mittelbare Täterschaft Es ergibt sich somit für die Frage des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft ein diffuses Meinungsbild439, das sich kaum überblicken lässt. Auch innerhalb der einzelnen Meinungsgruppen ist das Spektrum der herangezogenen Kriterien breit. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansichten nicht so groß sind, wie die Diskussion vermuten lässt. Am frühesten würde die strenge Einzellösung den Versuchsbeginn ansetzen, weil bereits die Einwirkung des mittelbaren Täters auf den Tatmittler als Ansatzhandlung erachtet wird. Sie würde daher für keine der untersuchten Fallkonstellationen die Möglichkeit der dogmatischen Begründung einer Versuchsstrafbarkeit verschließen. Nichtsdestotrotz wäre auch mit ihr die Entscheidung für eine solche Versuchsstrafbarkeit nicht bereits gefallen. Auch auf der Basis einer strengen Einzellösung müsste man sich die Frage stellen, ob die Vorverlagerung des Versuchsbeginns gegenüber dem des Alleintäters auch im Falle nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft begründbar ist.440 Ebenfalls zu einer Vorverlagerung des 438 Ebenso LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 151; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 53. 439 Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 625; Küper, JZ 1983, S. 361, 366; Prüßner, S. 102; Weddig, S. 65. 440 So auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 901. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1 A. II. 2. b) aa).
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge125
Versuchsbeginns – wenn auch nicht im selben Maße wie nach der strengen Einzellösung – käme man bei Zugrundelegung der Freisetzungstheorie. Hiernach käme es in aller Regel darauf an, ob der mittelbare Täter das Geschehen bereits aus der Hand gegeben hat. Dieser Zeitpunkt wird der Einwirkungshandlung stets nachgelagert sein, er muss jedoch noch nicht in unmittelbar räumlich-zeitlichem Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung durch den Tatmittler stehen. Somit dehnt auch die Freisetzungstheorie das Versuchsstadium aus. Auch sie müsste sich dann nachgelagert die Frage nach der Legitimierbarkeit der Ausdehnung der Versuchsphase für den Fall nur eingebildeter Tatherrschaft stellen. Es wäre zu untersuchen, ob die Anwendung der zum mittelbar-täterschaftlichen Versuch entwickelten Kriterien auch dann sachgerecht ist, wenn die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft allein in der Vorstellung des Hintermannes vorliegen. Gefährdungstheorie und Gesamtlösung fassen das Versuchsstadium demgegenüber deutlich enger. Obwohl sie von unterschiedlichen Blickwinkeln argumentieren, gleichen sich die von ihnen erzielten Ergebnisse. So will die Gesamtlösung die Handlungen von mittelbarem Täter und Tatmittler als Einheit verstehen und deshalb zumeist erst in dem Verhalten des Tatmittlers eine taugliche Ausführungshandlung sehen. Etwas anderes soll dann gelten, wenn sich die Handlung des Vordermannes unmittelbar an die Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters anschließt und damit das Rechtsgut bereits zum Zeitpunkt des Einwirkens unmittelbar gefährdet ist. In diesem Fall soll ausnahmsweise bereits die Handlung des mittelbaren Täters den Eintritt in das Versuchsstadium begründen.441 Genau umgekehrt ist die Herangehensweise der Gefährdungstheorie. Sie will im Grundsatz an die Handlung des mittelbaren Täters anknüpfen, fordert aber einschränkend, dass bereits mit dieser das tatbestandlich geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährdet sein müsse. Im Übrigen beginne der Versuch erst mit der Ansatzhandlung des Tatmittlers.442 Wegen der jeweils vorgeschlagenen Ausnahmen sind die Kriterien der Gesamt- und Gefährdungslösung letztlich ähnlich. Sie beanspruchen jeweils für sich, ein mit den allgemeinen Versuchsgrundsätzen vereinbares Ergebnis zu liefern und bestimmen den Versuchsbeginn beim mittelbaren Täter damit weitgehend anhand derselben Kriterien wie beim Alleintäter. Dies hat zur Folge, dass der Zeitpunkt des Versuchseintritts deutlich später angesetzt wird als nach der Einzellösung oder Freisetzungstheorie. Auswirkungen hat dies für die Fälle, in denen es an einer Handlung des Tatmittlers bislang vollständig fehlt und die Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters dieser angedachten Ausführungshandlung so weit vorgelagert ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsgutes an441 Vgl.
dazu m. w. N. Kap. 1 A. II. 2. b) bb). Kap. 1 A. II. 2. b) cc).
442 Siehe
126
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
genommen werden kann. In einem solchen Fall lässt sich der Versuchsbeginn mit der Gefährdungstheorie und der Gesamtlösung nicht begründen, sodass es in diesen Fällen auf die nachgelagerte Frage der dogmatischen Begründbarkeit der Versuchsstrafbarkeit bei nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft gar nicht mehr ankäme. Mit der Einzellösung und der Freisetzungstheorie ließe sich dagegen auch in diesen Fällen der Versuchsbeginn begründen. Für diese Konstellationen entscheidet demnach die Methode zur Bestimmung des Versuchsbeginns zwingend auch bereits über die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters. In den übrigen Fallvarianten stellt sich die Frage nach der dogmatischen Begründbarkeit dagegen gleichermaßen, egal wie man den Zeitpunkt des Versuchsbeginns bestimmt. Die Einzellösung und die Freisetzungstheorie müssten hinterfragen, ob die ihnen innewohnende Vorverlagerung des Versuchsbeginns auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Hintermann den Vordermann allein in seiner Vorstellung, nicht jedoch objektiv steuert. Diejenigen Ansätze, die dagegen mit der Handlung des Tatmittlers den Versuchsbeginn markieren wollen, müssen ebenso wie bei der vermeintlichen Mittäterschaft begründen, warum auch die Vorstellung vom Bestand der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage fungieren kann. Damit ist in der Mehrzahl der Fälle die Frage nach der dogmatischen Begründbarkeit der Versuchsstrafbarkeit bei nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft anders als bei der vermeintlichen Mittäterschaft eine übergreifende, allgemeine Fragestellung, mit der sich alle Theorien gleichermaßen – wenn auch an unterschiedlicher Stelle – auseinandersetzen müssen. ff) Stellungnahme Obwohl demnach die Divergenzen zwischen den einzelnen Ansichten geringfügiger sind, als bei anfänglicher Betrachtung zu vermuten wäre, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den einzelnen Theorien zur Bestimmung des Versuchsbeginns bei der mittelbaren Täterschaft. Zum einen um den Untersuchungsgegenstand zu bestimmen, d. h. zu klären, bei welchen Fallgruppen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft sich dogmatische Schwierigkeiten in der Begründung der Versuchsstrafbarkeit ergeben und in welchen Fällen bereits wegen einer fehlenden Ansatzhandlung die Strafbarkeit per se ausscheidet. Zum anderen kann nur so der Rahmen und somit auch der dogmatische Anknüpfungspunkt für die Frage nach den Auswirkungen des Irrtums über die tatbeherrschende Stellung bei der mittelbaren Täterschaft ermittelt werden.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge127
(1) Wortlaut des § 22 StGB Fraglich ist, ob bereits der Wortlaut des § 22 StGB zwingend festlegt, auf wessen Verhalten für die Bestimmung des Versuchsbeginns abzustellen ist. Hiernach versucht eine Straftat, „wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt“. Dies könnte dafür sprechen, dass Versuchstäter und Ansetzender stets identisch sein müssen, sodass allein die Handlung des mittelbaren Täters Grundlage der Bestimmung des Versuchsbeginns sein kann.443 Dem § 22 StGB eine solche Wertung entnehmen zu wollen, hieße jedoch, außer Acht zu lassen, dass dieser zunächst allein den Versuch eines Einzeltäters betrifft. Ebenso wie auch die jeweiligen Deliktsbeschreibungen ihrem Wortlaut nach nur denjenigen als Täter der Straftat begreifen, der selbst alle Tatbestandshandlungen vornimmt, verlangt auch § 22 StGB seinem Wortlaut nach ein unmittelbares Ansetzen des Versuchstäters. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 25 StGB modifizierende Regelungen für die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft geschaffen. § 25 I Var. 2 StGB muss nun ebenso wie in die jeweiligen Deliktstatbestände auch in § 22 StGB hineingelesen werden.444 Diese durch § 25 I Var. 2 StGB modifizierte Versuchsregel des § 22 StGB könnte als „wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes durch einen anderen unmittelbar ansetzt“ gelesen werden. Dann aber stünde der Wortlaut dieses modifizierten „Versuchstatbestandes“ einer gemeinschaftlichen Betrachtung von Hinter- und Vordermann nicht zwingend im Wege. Zwar könnte sich auch nach dieser modifizierten Versuchsregel die Begehung durch einen anderen allein auf die geplante Tatbestandsverwirklichung, nicht aber auf das unmittelbare Ansetzen beziehen, sodass dieses stets vom Täter selbst vollzogen werden müsste. Bei einer solchen Lesart stünde die Gesamtlösung in der Tat im Widerspruch zum Wortlaut. Ebenso könnte sich die Modifikation jedoch auch auf das unmittelbare Ansetzen selbst beziehen und somit der Versuch in mittelbarer Täterschaft beginnen, wenn der Täter „durch einen anderen unmittelbar ansetzt“. Ob die modifizierte Versuchsregel der mittelbaren Täterschaft in der einen oder anderen Weise verstanden werden muss, bedarf insbesondere vor dem Hintergrund der Struktur der mittelbaren Täterschaft einer genaueren Betrachtung. Der Wortlaut des § 22 StGB gibt jedoch nicht bereits eine bestimmte Deutung vor.445
443 So Marxen, AT, S. 185; Saliger, JuS 1995, S. 1004, 1009. Ähnlich auch Prüßner, S. 113 f. 444 Ebenso Fricke, S. 57; Prüßner, S. 101. Insoweit muss dasselbe gelten wie bei der Mittäterschaft, vgl. dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (1). 445 Ähnlich auch Engländer, JuS 2003, S. 330, 334 f.; Fricke, S. 64, die ebenfalls verschiedene Lesarten des durch § 25 I Var. 2 StGB modifizierten § 22 StGB vor-
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Aus dem Wortlaut des § 22 StGB könnte sich vielmehr sogar umgekehrt ein Argument gegen die weite Vorverlagerung des Versuchsbeginns als Konsequenz der Einzellösung ergeben: Mit dem Erfordernis des unmittelbaren Ansetzens wollte der Gesetzgeber die Versuchsstrafbarkeit auf Fälle beschränken, in denen der Täter unmittelbar dazu ansetzt, mit der Verwirklichung des Tatbestandes zu beginnen, um so einer bedenklichen Überspannung des Versuchs vorzubeugen.446 Erforderlich sei eine Handlung des Täters, die nach dessen Plan derjenigen Handlung unmittelbar vorgelagert ist, die ein Tatbestandsmerkmal erfüllt.447 Es erscheint zweifelhaft, ob man diesem Kriterium gerecht wird, wenn man den Versuchsbeginn für die mittelbare Täterschaft derart weit nach vorne verlagert.448 Auch insoweit können jedoch die speziellen Strukturen der mittelbaren Täterschaft bei der Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden. Dieser Einwand gegen die Einzellösung resultiert daraus, dass die Tatbestandsverwirklichung mit der Vornahme der Tatbestandshandlung durch den Tatmittler gleichgesetzt wird. Möglicherweise ist jedoch der Tatbestand bei der mittelbaren Täterschaft insgesamt durch § 25 I Var. 2 StGB zu modifizieren. Als Tatbestandshandlung könnte nicht nur die unmittelbar eigenhändige Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale, sondern auch schon die Einwirkung selbst begriffen werden.449 Bei Zugrundelegung eines solchen Verständnisses stünde dann aber die Einzellösung im Einklang mit dem Wortlaut des § 22 StGB, weil mit Beginn der Einwirkung zur Verwirklichung des Gesamttatbestandes, zu dem auch bereits die Einflussnahme auf den Tatmittler gehört, angesetzt würde. Daher muss Gegenstand der weiteren Untersuchung sein, ob die Annahme eines solchen weiten Gesamttatbestandes mit der Struktur der mittelbaren Täterschaft, der Versuchslehre und dem Willen des Gesetzgebers in Einklang steht. Dem Wortlaut lässt sich aber nicht bereits entnehmen, wessen Handlungen zur Bestimmung des Versuchsbeginns relevant sind. (2) Struktur der mittelbaren Täterschaft und Tathandlung Die Vereinbarkeit einer Einzellösung mit dem in § 22 StGB normierten Unmittelbarkeitskriterium hängt demnach maßgeblich davon ab, welche die tatschlagen. Anders Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 132, der sogar annimmt, der Wortlaut des § 25 I Var. 2 StGB streite für die Gesamtlösung. 446 BT-Drucks. IV/650, S. 144. 447 BT-Drucks. IV/650, S. 144. 448 So Fad, S. 152; Gössel, JR 1998, S. 293, 295; Heinrich, AT, Rn. 749; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 642; Kühl, AT, § 20 Rn. 92; Linke, S. 59; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 99; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 135; Putzke, JuS 2009, S. 985, 989; Rath, JuS 1999, S. 140, 143; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 857c. 449 Siehe dazu sogleich in Kap 1. A. II. 2. b) ff) (2).
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge129
bestandsmäßige Handlung beim in mittelbarer Täterschaft verwirklichten Delikt ist. Stellte bereits die Einwirkung auf das Werkzeug die tatbestandsmäßige Handlung dar,450 wäre es einsichtig, dass auch bereits das Ansetzen hierzu den Eintritt in das Versuchsstadium begründen kann. Wäre Ausführungshandlung dagegen erst die Tatbestandserfüllung durch das Werkzeug, wäre es mit dem Unmittelbarkeitskriterium kaum zu vereinbaren, stets bereits die Instrumentalisierung des Vordermannes als Versuchshandlung zu begreifen.451 Eng verknüpft mit der Frage nach der tatbestandsmäßigen Handlung ist die Frage nach der Struktur der mittelbaren Täterschaft. Weil der mittelbare Täter die letztlich zum tatbestandsmäßigen Erfolg führende Handlung nicht selbst vornimmt, sondern eine weitere Person, der Tatmittler, zwischengeschaltet ist, ist zweifelhaft, wie sich dogmatisch begründen lässt, dass der mittelbare Täter dennoch für diesen Erfolg strafrechtlich einzustehen hat. Sähe man allein das Verhalten des Tatmittlers als tatbestandsrelevant an, ließe sich eine solche Haftung nur damit begründen, dass § 25 I Var. 2 StGB als konstitutive Zurechnungsnorm fungiert, die anordnet, dass dem mittelbaren Täter die Tatbeiträge des Werkzeugs wie eigene zuzurechnen seien.452 Dieses Zurechnungsprinzip könnte dann dafür streiten, auch bei der Bestimmung des Versuchsbeginns in erster Linie auf das Handeln des Vordermannes abzustellen.453 Wenn dagegen bereits die Einwirkung auf den Tatmittler Ausführungshandlung wäre, ließe sich die strafrechtliche Verantwortung des Hinterman450 Baumann, JuS 1963, S. 85, 93; Frister, in: FS Wolter (2013), S. 375, 382; Jakobs, AT, § 21 Rn. 105; Puppe, in: FS Dahs (2005), S. 173, 174, 186 (die deshalb auch von der „Lehre von der persönlichen Versuchshandlung“ spricht); dies., GA 2013, S. 514, 530 f.; Schilling, S. 53, 104, 112; SK-StGB-Jäger, § 22 Rn. 39. Auch Heinrich, AT, Rn. 749 betrachtet die Einwirkung auf den Tatmittler als tatbestandsmäßige Handlung, will daraus jedoch nicht den Schluss ziehen, dass bereits mit dem Beginn der Einwirkung der Versuch beginne. 451 Dies stellt auch Puppe, JuS 1989, S. 361, 362 heraus. 452 So Beulke/Witzigmann, AL 2012, S. 251, 253; dies., AL 2013, S. 59; Eschenbach, Jura 1992, S. 637, 645; Haas, ZStW 119 (2007), S. 519, 542; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628; ders./Schwarzer, JuS 2008, S. 140, 141; Krüger, Versuchsbeginn, S. 45, 84; Kühl, in: FS Küper (2007), S. 289, 304; ders., AT, § 20 Rn. 42; Küper, JZ 1983, S. 361, 369; Küpper, GA 1986, S. 437, 447; Mañalich, in: FS Puppe (2011), S. 709, 712 ff.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 2; MüKo-StGBJoecks, § 25 Rn. 54; Murmann, JA 2008, S. 321; Rackow, JA 2003, S. 218, 224; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 75; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 40; Wohlers, ZStW 108 (1996), S. 61, 81. 453 Auf die Lehre von der Tätigkeitsanrechnung stützen bspw. Eschenbach, Jura 1992, S. 637, 645; Fricke, S. 64; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628; ders./Schwarzer, JuS 2008, S. 140, 141; Krüger, Versuchsbeginn, S. 84, 89; Kühl, in: FS Küper (2007), S. 289, 304; Küper, JZ 1983, S. 361, 369; Küpper, GA 1986, S. 437, 447; Mañalich, in: FS Puppe (2011), S. 709, 714; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 137 die Gesamtlösung.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nes möglicherweise bereits mithilfe der allgemeinen Zurechnungskriterien begründen, sodass die mittelbare Täterschaft nur eine Sonderform der unmittelbaren Alleintäterschaft bildete. Charakteristisch für die mittelbare Täterschaft wäre dann keine Handlungs-, sondern eine Erfolgszurechnung, die darauf gestützt werden könnte, dass die fremde Handlung das Ergebnis der früheren eigenen Betätigung ist.454 Nach diesem Verständnis würde das Verhalten des Tatmittlers nicht etwa als Zurechnungsgegenstand, sondern vielmehr als Kausalfaktor innerhalb eines gewöhnlichen Kausalverlaufs fungieren.455 Daraus wird zum Teil geschlossen, § 25 I Var. 2 StGB hätte allein klarstellende Funktion.456 Somit ist entscheidend, ob die Instrumentalisierung des Tatmittlers bereits den gesetzlichen Deliktstatbestand verwirklicht. Wäre dies der Fall, so würde dies die Vorverlagerung des Versuchsbeginns nach der Einzellösung rechtfertigen. Dazu bedarf es einer Auslegung der einzelnen Deliktsbeschreibungen. Grenze jeder Auslegung bilden die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Art. 103 II GG verbietet eine die Wortbedeutung eines Tatbestandsmerkmals erweiternde Auslegung von Strafnormen zulasten des Täters (sog. Analogie verbot).457 Eine unzulässige Analogie liegt immer dann vor, wenn sich die vom Rechtsanwender vorgenommene Auslegung nicht mehr mit der tatsächlichen Wortbedeutung, dem „mögliche[n] Wortsinn“ in Einklang bringen lässt.458 Die verfassungsrechtliche Grenze jeder Auslegung bildet somit der noch mögliche Wortsinn des Gesetzestextes.459 Daher kann die Einwirkung 454 Frister, AT, § 25 Rn. 8; Hardtung, NZV 1997, S. 97, 103; Herzberg, ZStW 99 (1987), S. 49, 50, 74; ders., JuS 1985, S. 1, 3 f.; Joerden, Strukturen, S. 62 ff., insb. S. 67; von der Meden, JuS 2015, S. 22, 25; Roxin, AT II, § 29 Rn. 247; Schilling, S. 37. 455 Schilling, S. 53 ff., 104 f. So auch Engländer, JuS 2003, S. 330, 335; Frister, AT, § 25 Rn. 8; Heinrich, AT, Rn. 748; Joerden, Strukturen, S. 66 f.; von der Meden, JuS 2015, S. 22, 25; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 81; Prüßner, S. 120; Puppe, in: FS Dahs (2005), S. 173, 184. Ähnlich Marxen, AT, S. 185. 456 So auch ausdrücklich Hardtung, NZV 1997, S. 97, 103; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 81. 457 BVerfGE 71, 108, 115; BVerfGE 73, 206, 235; BVerfGE 92, 1, 12; NK-StGBHassemer/Kargl, § 1 Rn. 70 ff.; Jarass/Pieroth-Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 70; Leupold, S. 66; Perron, in: Gesetzlichkeitsprinzip (2013), S. 211, 217 f.; Roxin, in: Gesetzlichkeitsprinzip (2013), S. 113, 119; ders., AT I, § 5 Rn. 26 ff. 458 BVerfGE 71, 108, 115 f.; BVerfGE 73, 206, 236; BVerfGE 82, 236, 269; BVerfGE 87, 209, 224; BVerfG NJW 1995, 3050, 3051; BVerfGE 126, 170, 197; Krey, ZStW 101 (1989), S. 838, 843; Leupold, S. 67; Perron, in: Gesetzlichkeitsprinzip (2013), S. 211, 217; Roxin, in: Gesetzlichkeitsprinzip (2013), S. 113, 120; ders., AT I, § 5 Rn. 28 ff. Kritisch Silva Sánchez, in: Gesetzlichkeit (2012), S. 55, 68 m. w. N. 459 v. Mangoldt/Klein/Stark-Nolte, GG, Art. 103 II Rn. 58; Roxin, AT I, § 5 Rn. 28; Sachs-Degenhardt, GG, Art. 103 Rn. 69.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge131
auf den Tatmittler nur Ausführungshandlung sein, wenn sie sich unter den Wortsinn der jeweiligen Deliktsbeschreibungen subsumieren ließe. Den Maßstab können dabei allein die Erfolgsdelikte bilden, da bei verhaltensgebundenen Delikten die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft ohnehin überwiegend verneint wird460. Die Einwirkung auf den Tatmittler müsste demnach als „töten“ i. S. d. § 212 StGB, „Wegnahme“ i. S. d. § 242 StGB oder „Erregung eines Irrtums“ i. S. d. § 263 StGB verstanden werden können. Dies wäre nur der Fall, wenn sich der Gesetzeswortlaut als bloße Beschreibung eines Erfolges verstehen ließe, den der Täter durch jede Handlung verwirklichen kann, die in einem hinreichenden Zurechnungszusammenhang stünde.461 Könnte dagegen „töten“ allein als konkrete Handlungsbeschreibung begriffen werden, in dem Sinne, dass der Täter jemanden gewaltsam des Lebens beraubt462, wäre hiervon der semantischen Bedeutung nach gerade nicht jedes Verhalten, das eine Bedingung für den Todeserfolg darstellt, erfasst.463 Vielmehr würde dann nur „töten“, wer die unmittelbar zum Tod führende Handlung ausführt. Müssten die Deliktsbeschreibungen ihrem Wortsinn nach in dieser Weise interpretiert werden, ließe sich die Einwirkung nicht als Tatbestandshandlung verstehen.464 Ein allein erfolgsbezogenes Verständnis der deliktischen Handlungsbeschreibung ließe sich möglicherweise zumindest bei reinen Erfolgsdelikten mit dem umgangssprachlichen Wortsinn vereinbaren. Reine Erfolgsdelikte zeichnet aus, dass der Gesetzgeber nur einen bestimmten Erfolg vorgegeben hat, daneben aber Vorgaben zur Art der Tätigkeit fehlen.465 Hier ist beispielsweise das Töten im Sinne des § 212 StGB zu verorten.466 Vergleicht man die Formulierung der tatbestandsmäßigen Handlung in diesen reinen Erfolgsdelikten mit verhaltensgebundenen Delikten, zeigt sich, dass zwar der Erfolg als Ereignis relativ konkret bezeichnet wird, über die Handlung aber gerade sehr wenig
460 Frister, AT, § 25 Rn. 12; Kühl, AT, § 20 Rn. 16; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 45; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 15; Roxin, AT II, § 25 Rn. 288 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 85. 461 So bspw. NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 10 f. m. w. N. Ähnlich auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 11. 462 Brockhaus Wahrig, Stichwort töten. 463 So Leupold, S. 68 f.; Ling, S. 235; Otto, in: FS Wolff (1998), S. 395, 397. 464 So auch Leupold, S. 116. 465 Ähnlich auch Fuhrmann, S. 16, der bei diesen Delikten von einem „isolierten“ oder „absoluten“ Erfolg spricht, der sich ohne Rückgriff und isoliert vom jeweiligen Handlungsmerkmal naturwissenschaftlich absolut feststellen lasse. LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 104 spricht von nicht handlungstypisierten Tatbeständen. 466 So versteht auch Duden, Universal-Wörterbuch, Stichwort töten, töten als die Verursachung des Todes. So auch schon Lange, S. 15.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Informationen gegeben werden.467 So lässt sich dem Führen eines Kraftfahrzeugs i. S. d. § 316 StGB eine ganz konkrete Handlung, nämlich das Gasgeben, Lenken, Schalten usw. zuordnen. Der Begriff „töten“ lässt dagegen schon nach dem umgangssprachlichen Wortsinn keinen Schluss auf eine konkrete Handlungsweise zu, sondern fungiert als Oberbegriff für das Erstechen, Erschießen, Vergiften usw. Dieser Regelungssystematik würde es zuwiderlaufen, wenn man versuchte, aus dem Tatbestand der Erfolgsdelikte konkrete Handlungsbeschreibungen zu gewinnen, nach denen dann ohne Rücksicht auf den Zurechnungszusammenhang zum Erfolg bestimmte Handlungen per se tatbestandslos wären. Würde nur derjenigen „töten“ i. S. d. § 212 StGB, der die unmittelbar zum Tode führende Handlung ausführt, so wäre auch das Hetzen eines Tieres auf das Opfer keine taugliche Ausführungshandlung, weil dem Opfer das Leben erst durch den Biss des Tieres genommen wird. Bei einem so engen Verständnis der Tathandlung ließen sich demnach auch einige anerkannte Fälle der unmittelbaren Täterschaft nur schwer unter den Deliktstatbestand fassen. Die Erfolgsdelikte in diesem Sinne zu verhaltensgebundenen Delikten zu machen, widerspräche darüber hinaus deren Charakter: Der von ihnen vorausgesetzte Erfolg kann gerade auch in einer von der Täterhandlung räumlich und zeitlich getrennten Verletzungs- oder Gefährdungswirkung bestehen.468 Die Verbindung zwischen Körperbewegung und Erfolg schaffen dabei die Kausalität und die objektive Zurechnung, deren Aufgabe es ist, Tathandlungen aus dem Tatbestand auszuschließen, deren Gefahr sich nicht im Erfolg realisiert hat.469 Nur diese Einheit aus der vom Täter vorgenommenen Tätigkeit und dem mit ihr zurechenbar verbundenen Erfolg stellt bei den Erfolgsdelikten die Tatbestandshandlung dar.470 Somit lässt sich festhalten, dass bei den reinen Erfolgsdelikten die aus Art. 103 II GG folgende Wortlautgrenze einer weiten Auslegung der tatbestandsmäßigen Handlung nicht entgegensteht. Aber bereits für die hier sog. tätigkeitsbezogenen Erfolgsdelikte kann dies nicht in gleicher Weise gelten. Hierunter sollen all diejenigen Erfolgsdelikte verstanden werden, die neben der bloßen Beschreibung des Erfolges die Strafbarkeit auch an eine spezifizierte Tätigkeit knüpfen.471 So beschreibt der 467 So auch Schmidhäuser, Actio libera in causa, S. 34; Schmoller, in: FS Frisch (2013), S. 237, 243. Anders Kühl, AT, § 11 Rn. 16, der annimmt, auch die Verhaltens umschreibungen bei reinen Erfolgsdelikten seien so bildhaft geprägt, dass die bloß kausale Ingangsetzung eines Tötungsgeschehens nicht erfasst werde. 468 Roxin, AT I, § 10 Rn. 102. 469 NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 10. 470 Ebenso NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 11. 471 Zu dieser Unterscheidung auch bereits Gallas, Verbrechenslehre, S. 84; Küper, JZ 1983, S. 361, 369. In diese Richtung auch Fuhrmann, S. 17: Beim Diebstahl könne der Erfolg nicht isoliert betrachtet und mit naturwissenschaftlicher Absolutheit festgestellt werden. Vielmehr sei er mit dem Handlungsmerkmal insoweit identisch,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge133
Begriff „wegnehmen“ in § 242 StGB nicht nur einen bestimmten Erfolg, nämlich den Bruch des Gewahrsams, sondern nach dem umgangssprachlichen Sprachgebrauch auch bereits eine spezifizierte Modalität der Tatbegehung, nämlich das Fortschaffen einer Sache.472 Noch augenfälliger wird der Unterscheid zu den reinen Erfolgsdelikten im Falle des § 263 StGB: Täter des Betruges ist eben nicht jeder, der einen Irrtum erregt oder unterhält, gleich in welcher Weise, sondern nur derjenige, der diesen „durch Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen“ – synonymisch gesprochen durch Täuschung – bewirkt. Anders als die reinen Erfolgsdelikte, bei denen sich anhand des verwendeten Oberbegriffs keine konkrete Assoziation im Hinblick auf bestimmte Verhaltensweisen ergibt, sondern die Deliktsbeschreibung eine Vielzahl möglicher Ausführungshandlungen zulässt, sind die tätigkeitsbezogenen Erfolgsdelikte nicht gleichermaßen offen formuliert. Eine Wegnahme lässt sich zwar auch in das Einstecken der Ware, das Verbringen aus dem Machtbereich, das Verstecken usw. auffächern, aber diese Handlungsweisen sind sich ihrer Struktur nach deutlich ähnlicher. Die Sache wird stets durch eine konkrete Handlung der Verfügungsgewalt des vorherigen Inhabers entzogen. Hierdurch ist die Grenze möglicher Auslegung abgesteckt. Eine Erfassung auch der Einwirkung auf den Tatmittler wäre nur unter Inkaufnahme einer verfassungsrechtlich bedenklichen Aufweichung der gesetzlichen Tatbestände möglich,473 für die angesichts der Regelung des § 25 I Var. 2 StGB kein Bedürfnis besteht, ordnet dieser doch rechtsstaatlich einwandfrei eine Ausdehnung des Tatbestandes auch auf die Tatbegehung durch einen anderen an. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in anderen Tatbeständen, insbesondere im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte, explizit den Ausdruck „verursachen“ gebraucht,474 sodass hieraus im Umkehrschluss folgt, dass bei Delikten, bei denen er diesen Terminus nicht verwendet, die Tathandlung enger gefasst werden sollte.475 Auch dies spricht dafür, dem Wortlaut der Deliktsbeschreibungen der tätigkeitsbezogenen Erfolgsdelikte konkrete Handlungs- und nicht bloße Erfolgsbeals er einen bestimmten Wegnahmeprozess, den Zustand des „Geschehen-Seins“, nicht aber einen Zustand der Sache selbst beschreibt. 472 Duden, Universal-Wörterbuch, Stichwort wegnehmen. 473 Dies deutet auch Bloy, GA 1996, S. 424, 438 m. Fn. 59 an, indem er darauf hinweist, dass die Anwendung der Erfolgszurechnungsregeln keine Zurechnung von spezifischen im gesetzlichen Tatbestand vorausgesetzten Handlungsmodalitäten erlauben würde. Ebenso auch Küper, Versuchsbeginn, S. 57 ff. für die Mittäterschaft und ders., JZ 1983, S. 361, 369. 474 Bspw. ist Täter des § 222 StGB, wer den Tod eines Menschen verursacht, des § 229 StGB, wer die Körperverletzung einer anderen Person verursacht. 475 So auch Boldt, ZStW 68 (1956), S. 335, 337; Gallas, ZStW 67 (1955), S. 1, 33 ff.; Hettinger, S. 423; Mayer, Strafrecht, S. 217 ff.; Welzel, ZStW 58 (1939), S. 491, 499 f., 553 ff.; Zimmerl, Aufbau, S. 141 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
schreibungen zu entnehmen. Somit lässt es sich mit Art. 103 II GG nicht vereinbaren, auch bei den tätigkeitsbezogenen Delikten die Tathandlung als bloße Verursachung des Erfolges zu begreifen. Wenn aber die tätigkeitsbezogenen Erfolgsdelikte konkrete Handlungsbeschreibungen enthalten, kann die Instrumentalisierungshandlung nicht die tatbestandsmäßige Handlung darstellen. Fordert der mittelbare Täter seinen Tatmittler dazu auf, sich eine Sache anzueignen, ist es mit dem Wortsinn des Begriffes „wegnehmen“ nicht vereinbar, davon zu sprechen, der mittelbare Täter habe mit dieser Handlung die Sache weggenommen, d. h. fortgeschafft. Obwohl sich also das Verhalten des mittelbaren Täters nicht unmittelbar unter die Deliktstatbestände des Besonderen Teils subsumieren lässt, schließt das die Charakterisierung dieser Handlung als Ausführungshandlung nicht per se aus. § 25 I Var. 2 StGB könnte die gesetzlichen Tatbestände für die mittelbare Täterschaft konstitutiv erweitern.476 Dann wäre beispielsweise § 212 StGB in Verbindung mit § 25 I Var. 2 StGB zu lesen als „wer einen Menschen durch einen anderen tötet“. Nach diesem Verständnis hätte § 25 I Var. 2 StGB somit ebenfalls konstitutive Bedeutung, jedoch nicht als Zurechnungsregel, sondern dadurch, dass er den formellen Tatbestand für die Fälle der mittelbaren Täterschaft erweitert. Diese Modifikation eröffnete dann die Möglichkeit, die Einwirkung in mit Art. 103 II GG vereinbarer Weise als Tatbestandshandlung zu begreifen. Durch § 25 I Var. 2 StGB würde der Deliktsbeschreibung ein neues Merkmal, nämlich die Begehung „durch einen anderen“, hinzugefügt. Unter dieses Merkmal ließe sich seinem Wortsinn nach auch die Einwirkung auf den eigentlichen Ausführungstäter subsumieren, denn bereits nach dem umgangssprachlichen Wortsinn kann eine Tat nur dann durch eine andere Person begangen werden, wenn sie zuvor als Werkzeug instrumentalisiert wurde. Die Deliktsverwirklichung in mittelbarer Täterschaft wäre dann mit einem zweiaktigen Delikt vergleichbar.477 Allerdings bliebe auch dann, wenn man zugrunde legt, dass die Tatbestände des Besonderen Teils für die mittelbare Täterschaft tatsächlich durch § 25 I Var. 2 StGB in dieser Form erweitert würden, unklar, warum daraus zwingend folgen sollte, dass mit dem Ansetzen zur Einwirkung stets auch der Versuch beginnt. Nach dem Wortlaut des § 22 StGB muss nicht zur Tathandlung, sondern zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt werden. Tathandlung und Tatbestandsverwirklichung können, müssen aber keinesfalls zusammenfallen.478 Gerade für die Erfolgsdelikte ist vielmehr chaKrack, ZStW 110 (1998), S. 611, 635 f. Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 635. 478 Anders Frister, in: FS Wolter (2013), S. 375, 378 ff., der annimmt, mit der „Verwirklichung des Tatbestandes“ in § 22 StGB sei allein das tatbestandliche Verhalten bezeichnet. 476 Dazu 477 So
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge135
rakteristisch, dass die Vornahme der Handlung und der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges räumlich und zeitlich auseinanderfallen. Dann ist aber nicht ersichtlich, warum aus der Tatsache, dass die Einwirkung Tathandlung sein kann, gefolgert werden soll, dass mit dem Ansetzen hierzu bereits der Versuch beginnt.479 Vielmehr bedarf es einer Präzisierung dieses Verwirklichungsmerkmals.480 Zwar kann es nicht so verstanden werden, dass zu allen die Vollendung bewirkenden Tatbestandsmerkmalen unmittelbar angesetzt werden muss, weil sonst der Versuchsbereich zu sehr verkleinert würde. Nichtsdestotrotz muss sich mit dem Beginn der Tathandlung bereits die Gefahr der weiteren Verwirklichung des Tatbestandes bis zur Vollendung verbinden.481 Es genügt demnach nicht allein das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandshandlung, sondern zugleich muss dadurch eine Verwirklichungsgefahr in dem Sinne geschaffen werden, dass der vom Gesetz missbilligte Erfolg naherückt.482 Dann aber vermag allein die Klassifizierung der Einwirkung als Tathandlung nicht zu begründen, warum mit ihr auch stets die Versuchsschwelle überschritten wird, weil zunächst nachgewiesen werden müsste, dass der Einwirkung auch bereits eine konkrete Verwirklichungsgefahr innewohnt. Dafür spricht auch, dass es im Regelfall Aufgabe der spezifischen Tatbestandsbeschreibung ist, den Unrechtsgehalt des Deliktes zu charakterisieren. Bei der mittelbaren Täterschaft ergibt sich das Unrecht der Tat aber allein aus dem vom Tatmittler vorgenommenen Verhalten.483 Die Einwirkung dagegen prägt das Unrecht der Tat nicht. Dies resultiert auch daraus, dass der Strafrahmen identisch ist, gleich ob das jeweilige Delikt in mittelbarer oder unmittelbarer Täterschaft begangen wird. Der Strafrahmen bestimmt sich allein danach, welches Delikt der Tatmittler als Werkzeug verwirklicht. Dann aber ist es, selbst wenn der Tatbestand bei der mittelbaren Täterschaft um das Handeln durch einen anderen zu erweitern ist, nicht überzeugend, daraus den Schluss zu ziehen, mit dem Ansetzen zu dieser Handlung überschreite der Täter auch stets die Versuchsschwelle. Diese Schlussfolgerung von der Vornahme der Tathandlung auf die von § 22 StGB vorausgesetzte Verwirklichungsgefahr kann allenfalls gezogen werden, wenn die Tathandlung das dem Tatbestand innewohnende Unrecht verkörpert. Somit 479 Auch Roxin, AT II, § 29 Rn. 110 ff. merkt an, dass man aus der Teilverwirklichung des Tatbestandes keinesfalls sicher schließen kann, dass in jedem Fall bereits ein Versuch vorliegt. 480 Dazu auch ausführlich LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 96. 481 LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 96. 482 LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 97 m. w. N. 483 Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 636. Ihm zustimmend auch Fricke, S. 65. Beide schließen daraus, dass für die mittelbare Täterschaft von dem Grundsatz abzuweichen ist, dass der Beginn der im Gesetz formal erfassten Ausführungshandlungen zugleich den Beginn der Versuchsphase ausmacht.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
scheidet sie jedenfalls bezüglich der Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters aus. Dagegen, bereits die die Beteiligung begründende Handlung als Tatbestandshandlung und das unmittelbare Ansetzen dazu als Versuchshandlung zu begreifen, spricht auch die Regelung des § 30 StGB. Wenn die Einwirkung bei der mittelbaren Täterschaft tatsächlich bereits Ausführungshandlung wäre, müsste § 25 II StGB bezüglich der Mittäterschaft ebenso gelesen werden und auch die Verabredung zur Tat als Ausführungshandlung verstanden werden. Daraus müsste dann wiederum folgen, dass bereits mit dem Ansetzen zur Verabredung oder spätestens mit der Verabredung selbst der Versuch beginnt. Diese Konsequenz zieht bei der Mittäterschaft niemand. Sie ließe sich auch nicht mit § 30 StGB vereinbaren, der die Verabredung zur Tat als Vorbereitungshandlung unter Strafe stellt.484 Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn das Ansetzen zur Verabredung ohnehin Versuchshandlung wäre. Wenn aber bei der Mittäterschaft anerkannt ist, dass das die Gemeinschaftlichkeit des Handelns begründende Verhalten im Hinblick auf die Deliktsverwirklichung allein Vorbereitungshandlung ist, bleibt unklar, warum für die mittelbare Täterschaft etwas anderes gelten soll. Auch hier muss die Frage nach der Verwirklichungsstufe des Delikts von derjenigen nach der Erfüllung der Täterschaftsvoraussetzungen getrennt werden. Für eine Trennung beider Ebenen spricht überdies auch der Wortlaut des § 25 I und II StGB. Er fordert für alle Täterformen gleichermaßen die Begehung der Straftat, lediglich die Art und Weise der Begehung variiert je nach Beteiligungsform: Der unmittelbare Täter begeht die Straftat selbst, der mittelbare Täter durch einen anderen und der Mittäter gemeinschaftlich mit anderen. Die Wahl dieser Formulierungen spricht dafür, dass mit der Straftat stets dasselbe Ausführungsgeschehen gemeint ist. Denn wenn der mittelbare Täter die Straftat bereits begehen würde, indem er auf den Tatmittler einwirkt, würde er sie eben nicht durch einen anderen, sondern selbst begehen. Der Wortlaut spricht also ebenfalls dafür, dass der mittelbare Täter den Tatbestand zwar im normativen Sinne verwirklicht, der Tatmittler aber die eigentliche Ausführungshandlung vornimmt, sodass es einer Zurechnung dieses Geschehens bedarf. Stellt ergo die Instrumentalisierung des Tatmittlers auch bei der mittelbaren Täterschaft nicht die eigentliche Tatbestandshandlung dar, sondern wird diese allein durch den Tatmittler ausgeführt, bleibt die Frage, wie sich die strafrechtliche Verantwortung des mittelbaren Täters für dieses Verhalten begründen lässt. Die vorangegangenen Überlegung haben gezeigt, dass man den gesetzlichen Bestimmungen und der Struktur der mittelbaren Täterschaft 484 Fricke,
S. 66.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge137
nur gerecht wird, wenn man zwei Ebenen trennt: Zum einen die Frage nach dem relevanten tatbestandsmäßigen Geschehen und zum anderen die Frage nach der täterschaftlichen Verantwortung für dieses Geschehen.485 Bereits für die Mittäterschaft wurde gezeigt, dass die Beteiligten eine Gesamttat im Sinne eines einheitlichen Außenweltvorgangs begehen und dass es diese Gesamttat ist, die dann in einem zweiten Schritt den Mittätern zuzurechnen ist.486 Für die mittelbare Täterschaft kann grundsätzlich nichts anderes gelten.487 Die Bestimmung, welches das tatbestandsmäßige Geschehen ist und ob es den jeweiligen Deliktstatbestand verwirklicht, muss unabhängig davon erfolgen, welche Person gehandelt hat. Dies spiegelt sich auch im Wortlaut des § 25 StGB wider, der stets davon spricht, dass die Beteiligten die Tat begehen und zwar auch dann, wenn an der Tatbestandsverwirklichung mehrere Personen täterschaftlich beteiligt sind. Somit muss die Tat als objektives Geschehen verstanden werden, das den objektiven Tatbestand eines Delikts verwirklicht.488 Dass die Handlungen mehrerer Personen zu einem solchen einheitlichen Geschehen verbunden sein können, wird dabei durch § 25 I Var. 2 StGB für die mittelbare Täterschaft und § 25 II StGB für die Mittäterschaft statuiert. In einem zweiten Schritt muss dann für jeden Beteiligten separat ermittelt werden, ob er für dieses Geschehen täterschaftlich verantwortlich ist und ihm als Konsequenz die Gesamttat zugerechnet werden kann. Für diese Frage ist dann relevant, welche Tathandlungen der Beteiligte selbst vorgenommen hat489 und ob sie ihm eine tatbeherrschende Stellung im Ausführungsgeschehen verleihen, die die Zurechnung legitimiert. Dieses Zurechnungsprinzip ist strenggenommen keine Handlungszurechnung, da es nicht die Tätigkeit einer anderen Person, sondern das Gesamtgeschehen ist, das dem mittelbaren Täter zugerechnet werden soll. Demnach ist die Zurechnung ihrer Struktur nach einer Erfolgszurechnung vergleichbar, jedoch mit 485 Für die Mittäterschaft ausführlich Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 142 ff., 217 ff. Umfassend zum Konzept einer zweistufigen Zurechnung – allerdings für die europäische Ebene – Weißer, S. 490 ff. In diese Richtung auch SSW-StGB-Kudlich/ Schuhr § 22 Rn. 57, die anmerken, dass mit der Einwirkung auf den Tatmittler zwar zur Verwirklichung des Zurechnungstatbestandes, nicht aber zur Verwirklichung des Deliktstatbestandes unmittelbar angesetzt werde und beide Fälle strikt zu trennen seien. 486 Siehe dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). und Kap. 1 A. I. 3. c) bb). 487 Für eine Vereinheitlichung der Bestimmung des Versuchsbeginns bei der mittelbaren und der Mittäterschaft sprechen sich auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628 und Küpper, GA 1986, S. 437, 447 aus. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung sieht auch Weißer, S. 490 ff. Auch nach Küper, JZ 1983, S. 361, 369 fußt die mittelbare Täterschaft auf dem Gesamttatprinzip. 488 Weißer, S. 491 spricht von einem strafrechtlich relevanten Außenweltgeschehen, welches sich aus den Einzelbeiträgen zusammensetzt, die durch einen objektiv definierten Beteiligungszusammenhang verbunden sind. 489 Ähnlich auch Weißer, S. 505.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
dem Unterschied, dass nicht unmittelbar ein Erfolg, sondern erst die aus den Beiträgen aller Beteiligten gebildete Gesamttat zugerechnet wird. Diese Gesamttat besteht anders als bei der Mittäterschaft bei der mittelbaren Täterschaft nicht aus den Beiträgen aller Beteiligten gleichermaßen, sondern in den meisten Fällen überwiegend aus den vom Tatmittler vollzogenen Handlungen, denn diese sind es, die das Unrecht der Tat prägen.490 § 25 I Var. 2 StGB ordnet dabei konstitutiv an, dass dieses Gesamtgeschehen, die „Tat“ im Sinne des § 25 StGB, dem mittelbaren Täter zugerechnet werden kann, sofern der handelnde Tatmittler von ihm als Werkzeug eingesetzt wurde und er deshalb auch die von ihm verwirklichten Geschehensteile tatherrschaftlich steuert. Dieses Gesamttatprinzip streitet dann aber dafür, weder stets auf das Handeln des Tatmittlers, noch auf das Handeln des Hintermannes abzustellen, sondern bezüglich der Gesamttat den Zeitpunkt zu ermitteln, zu dem die Tat die Versuchsschwelle überschreitet.491 Immerhin geht es bei der Frage nach dem Versuchsbeginn um die Verwirklichungsstufe des Delikts und nicht um die täterschaftliche Verantwortung. Daher muss die Bestimmung des Zeitpunkts des unmittelbaren Ansetzens auch auf der ersten, gesamttatbezogenen Ebene angesiedelt werden. Erst wenn das tatbestandsmäßige Geschehen sich soweit verdichtet hat, dass die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar bevorsteht, tritt die Gesamttat in das Versuchsstadium ein. Dies wird in den meisten Fällen erst dann der Fall sein, wenn der Tatmittler zu seiner Ausführungshandlung unmittelbar ansetzt. Im Einzelfall, nämlich dann, wenn sich an die Einwirkung des Tatmittlers unmittelbar die erfolgsherbeiführende Handlung anschließen soll, kann bereits zu diesem Zeitpunkt ein unmittelbares Ansetzen gegeben sein. Damit stimmt die hier vertretene Auffassung im Ergebnis mit der modifizierten Gesamtlösung beziehungsweise der Gefährdungstheorie überein, die ebenfalls annehmen, der Versuch beginne erst mit einer Handlung, die ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung münden soll.492 Es ist festzuhalten, dass sich die These, der Tatbestand umfasse im Falle der mittelbaren Täterschaft bereits die Einwirkung auf den Tatmittler, weshalb bereits das Ansetzen zu dieser Einwirkung Versuchshandlung sei, nicht halten lässt. Vielmehr lässt sich das Unrecht auch der mittelbar-täterschaftlichen Tat nur mithilfe einer Zurechnung der Gesamttat als faktischem Außenweltgeschehen begründen. § 25 StGB verbindet die Einzelbeiträge zu einer 490 Vgl.
dazu bereits Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). Jakobs, AT, § 21 Rn. 61; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628; Kühl, AT, § 20 Rn. 124; Küper, JZ 1983, S. 361, 369; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 30 ff.; Weißer, S. 527 ff. 492 Vgl. Kap. 1 A. II. 2. b) bb) und cc). 491 Ebenso
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge139
Gesamttat, die insgesamt den Deliktstatbestand verwirklicht. Erst in einem zweiten Schritt kann dann die täterschaftliche Verantwortung für dieses Geschehen bestimmt werden. Dieses Gesamttatprinzip streitet dann auch dafür, den Versuchsbeginn anhand des Gesamtgeschehens nach den allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen und dieses Geschehen in einem zweiten Schritt dem mittelbaren Täter zuzurechnen. Im Ergebnis entspricht dies einer modifizierten Gesamtlösung beziehungsweise der Gefährdungstheorie. Ob diese Methode der Versuchsbestimmung den Einwänden der Vertreter einer (modifizierten) Einzellösung standhalten kann, wird nun untersucht. Anschließend wird anhand der hier relevanten Konstellationen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft der genaue Zeitpunkt des Versuchsbeginns präzisiert. (3) Beurteilungsgrundlage für die Verwirklichungsstufe der Gesamttat Gegen eine gesamttatbezogene Versuchsbestimmung könnte sprechen, dass beim Versuch ein äußerer Außenweltvorgang, hinsichtlich dessen sich der Versuchsbeginn bestimmen lässt, fehlt. Die Gesamttat ist in diesem Deliktstadium noch unvollständig verwirklicht, sodass sich die Frage, ob die bisher ausgeführten Handlungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung stehen, nur anhand der Vorstellung von der Gesamttat beantworten lässt.493 Wenn aber auf der ersten Stufe gerade nicht auf den einzelnen Beteiligten, sondern auf die Gesamtheit der Beiträge abgestellt werden soll, ist fraglich, auf wessen Vorstellung es bei der Beurteilung ankommen soll. Nur wenn auch diese Frage schlüssig beantwortet werden kann, lässt sich eine gesamttatbezogene Versuchsbestimmung vornehmen. Anders als bei der Mittäterschaft existiert bei der mittelbaren Täterschaft kein gemeinsamer Tatentschluss von mittelbarem Täter und Tatmittler, welcher der Beurteilung zugrunde gelegt werden könnte. Daraus könnte folgen, dass sich eine gesamttatbezogene Versuchsbestimmung bei der mittelbaren Täterschaft nicht durchführen lässt.494 Dieser Einwand gegen die gesamttatbezogene Versuchsbestimmung wäre tatsächlich gewichtig. Er überzeugt jedoch nur, wenn es mit der besonderen Struktur der Gesamttat bei der mittel493 So auch Weißer, S. 527: Gerade deshalb weise die Beurteilung einer täterschaftlichen Versuchsstrafbarkeit unter dem Modell der Gesamttatzurechnung besondere Schwierigkeiten auf. 494 So Roxin, AT II, § 29 Rn. 248 ff. Ähnlich kritisch Frister, AT, § 29 Rn. 3; Kistner, JuS 1983, S. 975; Prüßner, S. 114; Saliger, JuS 1995, S. 1004, 1009, die keinen Grund sehen, das Verhalten von mittelbarem Täter und Tatmittler zu einer Gesamthandlung zusammenzuziehen, weil es gerade an einem bewussten und gewollten Zusammenwirken fehle und damit der psychologische Aspekt der Geschehenssteuerung mit jenem bei der Mittäterschaft unvergleichbar sei.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
baren Täterschaft ebenfalls nicht vereinbar wäre, entweder die Vorstellung des Tatmittlers oder die des mittelbaren Täters zur Beurteilungsgrundlage zu machen. Küper will grundsätzlich auf die Vorstellung des Tatmittlers abstellen, diese aber gegebenenfalls, insbesondere bei Gutgläubigkeit des Werkzeugs, um das „überlegene Wissen“ des Tatmittlers erweitern.495 Dafür könnte sprechen, dass es auch der Tatmittler ist, welcher der Gesamttat durch sein Ausführungshandeln ihr Gepräge verleiht. Problematisch erscheint die Fokussierung auf den Vordermann wegen des Wortlauts des § 22 StGB, der allein die Vorstellung des Täters in den Blick nimmt.496 Der Tatmittler ist in der Mehrzahl der Konstellationen selbst nicht Täter, sondern strafrechtlich nicht verantwortliches Werkzeug. Hinzu kommt, dass dann, wenn die Gesamttat bereits mit der Einwirkung auf den Tatmittler in das Versuchsstadium eintritt, d. h. bevor er überhaupt tätig geworden ist, seine Vorstellung kaum relevant sein kann.497 Im Falle eines gutgläubigen Tatmittlers fehlt es gänzlich an einer Vorstellung des Vordermannes von der Tat, auf die zur Beurteilung abgestellt werden könnte.498 Deshalb die Vorstellung des Tatmittlers um das überlegene Wissen des Hintermannes zu erweitern, wäre letztlich reine Fiktion, für die sich keine entsprechenden Anhaltspunkte im Gesetz finden. Wenn demnach die Vorstellung des Tatmittlers keine taugliche Beurteilungsbasis darstellt, kann sich der Eintritt der Gesamttat in das Versuchsstadium bei der mittelbaren Täterschaft allein nach der Vorstellung des Hintermannes von der Tat richten.499 Auch dem Wortlaut des § 22 StGB würde diese Lösung am ehesten gerecht.500 In vielen Konstellationen der mittelbaren Täterschaft liegt zwischen dem Handeln des mittelbaren Täters und dem des Tatmittlers allerdings ein erheblicher Zeitraum. Oftmals macht sich der mittelbare Täter zum Zeitpunkt der Ansatzhandlung keine Gedanken über den Tatablauf, weil er mit der Tat abgeschlossen hat und auf einen reibungslosen 495 Küper, JZ 1983, S. 361, 370. Ihm zustimmend auch Kühl, AT, § 20 Rn. 91 m. Fn. 140c; Rath, JuS 1999, S. 140, 143 m. Fn. 36. 496 Hillenkamp, in: FS Roxin (2001), S. 689, 708; Roxin, AT II, Rn. 249; Weddig, S. 89 f. 497 Ebenso Krüger, Versuchsbeginn, S. 96. 498 Hillenkamp, in: FS Roxin (2001), S. 689, 708; Weddig, S. 89 f. 499 Fad, S. 157; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 636 f.; Krüger, Versuchsbeginn, S. 96 f.; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 159; Maurach/Gössel/Zipf, AT II7, § 48 Rn. 118 ff.; Papageorgiou-Gontas, Strafgrund des Versuchs, S. 310; Weddig, S. 89. Ebenso Gössel, JR 1976, S. 249, 250 f.; Haft, AT, S. 236 f.; Otto, JA 1980, S. 641, 646, alle allerdings ohne Begründung. 500 Fad, S. 157; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 159; Papageorgiou-Gontas, Strafgrund des Versuchs, S. 310; Roxin, AT II, § 29 Rn. 248; Weddig, S. 89.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge141
Ablauf vertraut. Eine „Vorstellung“ des Hintermannes zu diesem Zeitpunkt als Grundlage für die Bestimmung des Versuchsbeginns wäre ebenfalls reine Fiktion.501 Demnach kann allenfalls auf die Vorstellung zum Zeitpunkt der eigenen Tätigkeit des mittelbaren Täters abgestellt werden.502 Zwischen Tätervorstellung und tatsächlichem Ausführungshandeln bestünde dann eine zeitliche Zäsur. Sie steht dieser Lösung jedoch nicht entgegen, denn § 22 StGB fordert seinem Wortlaut nach nicht zwingend, auf die Vorstellung zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens abzustellen. Anders als § 16 I 1 StGB, der als relevanten Zeitpunkt für den Vorsatz die Begehung der Tat ausdrücklich vorschreibt, legt § 22 StGB nicht fest, zu welchem Zeitpunkt die Vorstellung bestanden haben muss, die nun die Beurteilungsgrundlage für den objektiven Versuchstatbestand bildet. Dass bei der unmittelbaren Täterschaft auf die während des unmittelbaren Ansetzens aktualisierte Vorstellung abgestellt werden kann, resultiert daraus, dass hier nur ein Beteiligter das Geschehen steuert. Sind mehrere an der Tatbestandsverwirklichung beteiligt, können Vorstellung und Tatbestandsverwirklichung denknotwendig nicht immer zeitlich zusammenfallen, will man das tatbestandliche Geschehen nicht in die jeweiligen Einzelbeiträge aufspalten. Dies zeigt bereits die Mittäterschaft. Auch hier ist die Fassung des gemeinsamen Tatplans der eigentlichen Tatausführung in der Regel vorgelagert, weil sich eine Funktionsteilung nur so koordinieren lässt.503 Dass selbst der Gesetzgeber von einer solchen Chronologie ausging, zeigt § 30 StGB, der die Verabredung als Vorbereitungshandlung pönalisiert, wenn zur eigentlichen Tatausführung bislang noch nicht unmittelbar angesetzt wurde.504 Demnach ist bei der Mittäterschaft die Vorstellung, welche die Grundlage der Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens bildet, diesem ebenfalls zeitlich vorgelagert, ohne dass deshalb die Gesamtlösung in Zweifel gezogen wird. So wie bei der Mittäterschaft die Verabredung dient bei der mittelbaren Täterschaft die Instruktion des Tatmittlers der Koordination der Tatbegehung, sodass auch sie der Tatausführung zwingend vorausgehen muss. Auf ein der Ausführungsphase vorgelagertes Vorstellungsbild abzustellen, ist demnach nicht widersprüchlich, sondern trägt der besonderen Struktur der Tatbegehung durch einen anderen Rechnung. Auch die Tatsache, dass damit keine gemeinsame Vorstellung, sondern allein die Vorstellung des Hintermannes die Grundlage der Beurteilung bildet, steht der gesamttatbezogene Versuchsbestimmung nicht entgegen. Obgleich sowohl bei der Mittäterschaft als auch bei der mittelbaren Täterschaft eine 501 Küper,
JZ 1983, S. 361, 370; Roxin, AT II, § 29 Rn. 248. in: FS Roxin (2001), S. 689, 708; LK-StGB-Hillenkamp, § 22
502 Hillenkamp,
Rn. 159. 503 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 504 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Gesamttat aus den jeweiligen Einzelbeiträgen Gegenstand der Bestimmung des Versuchsbeginns ist, dürfen die Unterschiede zwischen beiden Beteiligungsformen nicht außer Acht gelassen werden. Im Falle der mittelbaren Täterschaft existiert zwar ein einheitliches Tatgeschehen, das sich aus den Beiträgen von Hinter- und Vordermann zusammensetzt, für dieses tragen jedoch nicht beide gemeinschaftlich strafrechtliche Verantwortung, sondern in der Regel allein der mittelbare Täter. Weil er also anders als der Mittäter das Geschehen allein steuert, obwohl faktisch noch ein anderer an der Tatbegehung beteiligt ist, entspricht es auch der Struktur der mittelbaren Täterschaft anders als bei der Mittäterschaft allein auf seine Vorstellung abzustellen. Möglicherweise kann die Vorstellung des Hintermannes zum Zeitpunkt der Instrumentalisierung jedoch deshalb nicht Grundlage der Beurteilung sein, weil sie nicht hinreichend konkret ist: Unter Umständen macht sich der Hintermann keine genauen Gedanken darüber, wann der Vordermann tätig wird, weshalb seine Vorstellung keine hinreichende Beurteilungsbasis bilden könnte.505 Auch dieser Einwand lässt jedoch die Besonderheiten einer nicht-eigenhändigen Tatbegehung außer Acht.506 Sind mehrere Personen an der Tat beteiligt, lässt sich das Handeln der anderen nie genau determinieren. Eine detaillierte Vorstellung von der Tat kann der Täter denknotwendig nur bezüglich der eigenhändig ausgeführten Geschehensteile haben. Aus diesem Grund kann bei mehreren Beteiligten eine konkretisierte Vorstellung bezüglich des genauen Ansatzzeitpunkts ohnehin nie gefordert werden. Sie ist aber auch für die Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens nicht erforderlich, denn der Vorstellung als Basis der Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens bedarf es nur, um beurteilen zu können, ob das bislang verwirklichte Geschehen bereits eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist. Eine subjektive Beurteilung ist nur deshalb erforderlich, weil die Gesamttat bislang unvollständig verwirklicht ist und sich daher anhand des objektiven Geschehens nicht ermitteln lässt, ob die bisher vorgenommenen Handlungen der geplanten Gesamttat unmittelbar vorgelagert sind. Deshalb ist auch nicht entscheidend, ob der Täter eine detaillierte Vorstellung von der Ansatzhandlung hat, sondern nur, dass der Täterplan die Gesamttat als tatbestandsmäßiges Geschehen umreißt. Einen solchen Tatplan hat aber auch der Hintermann, denn die Tatbegehung durch einen anderen im Sinne des § 25 I Var. 2 StGB ist nur denkbar, wenn sich der mittelbare Täter bereits vor der Ausführung konkrete Gedanken über den Ablauf der Tat gemacht hat und dann den Tatmittler so instrumentalisiert, dass dieser seinen Plan umsetzt. Somit ist die der Einwand von Roxin, AT II, § 29 Rn. 199 und 248. diese Richtung auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 637: Ebenso wie beim Mittäter sei auch beim mittelbaren Täter die „Feuerprobe“ des „jetzt geht’s los“ nicht so stark ausgeprägt, weil diese die Feuerprobe bereits zuvor im Zeitpunkt der Tatverabredung bzw. der Einwirkung bestanden haben. Ähnlich auch Weddig, S. 90. 505 So 506 In
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge143
Vorstellung auch konkret genug, um sie als Beurteilungsbasis der Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens zugrunde zu legen. Des Weiteren wird die Vorstellung des Hintermannes als Beurteilungsgrundlage deshalb für untauglich gehalten, weil so bei einem Irrtum des Hintermannes über den Zeitpunkt des Ansetzens der Versuchsbeginn auf einen beliebigen Zeitpunkt fallen müsse und insbesondere von der Handlung des Tatmittlers völlig gelöst würde.507 Auch dieser Einwand löst sich jedoch auf, wenn man bedenkt, dass die Vorstellung nur die Beurteilungsbasis für eine objektive Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens bildet.508 Entscheidend ist eben nicht, wann nach der Vorstellung des Hintermannes unmittelbar angesetzt wird, mit der Folge, dass es dieser fiktive Zeitpunkt ist, zu dem die Gesamttat in die Versuchsphase eintritt. Vielmehr wird die Vorstellung vom Ablauf der Gesamttat nur zugrunde gelegt, um die objektiv vollzogene Ansatzhandlung auf ihre Nähe zur Tatbestandsverwirklichung hin zu untersuchen. Dass der Hintermann sich womöglich einen anderen Zeitpunkt für das Ansetzen ausmalt, wirkt sich also auf die Bestimmung des Versuchsbeginns nicht aus. Entscheidend ist allein, wie sich die tatsächlich bereits vorgenommenen Handlungen in seine Vorstellung vom tatbestandsmäßigen Geschehen einfügen, ob sie diesem bereits unmittelbar vorgelagert sind oder ob noch erhebliche Zwischenakte ausstehen. Somit kann die gesamttatbezogene Bestimmung des Versuchsbeginns auf eine tatsächlich erbrachte Ausführungshandlung als objektives Versuchselement nicht verzichten.509 Nur diese, nicht aber eine bloß vorgestellte Ansatzhandlung kann Gegenstand der Beurteilung sein. Somit trifft es nicht zu, dass die Gesamtlösung bei Zugrundelegung der Vorstellung des Hintermannes den Versuchsbeginn von der Handlung des Tatmittlers löst. Festzuhalten ist, dass die Gesamtlösung auch nicht deshalb abzulehnen ist, weil sie sich unlösbaren Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilungsbasis ausgesetzt sieht.510 Es ist sowohl mit der Idee einer einheitlichen Gesamttat als auch mit der Struktur der mittelbaren Täterschaft vereinbar, die Vorstellung des Hintermannes von der Gesamttat zugrunde zu legen. Damit wird nicht auf eine objektive Ansatzhandlung verzichtet, da die subjektive Vorstellung des Hintermannes nur die Basis für eine objektive Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens bildet, wobei Gegenstand dieser Beurteilung nur eine tatsächlich vorgenommene Ausführungshandlung und nicht eine rein in der Vorstellung des mittelbaren Täters existierende Ansatzhandlung sein kann.511 der Einwand von Roxin, AT II, § 29 Rn. 248. in: FS Roxin (2011), S. 689, 702; LK-StGB-ders., § 22 Rn. 160. 509 Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 638; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 160. 510 So aber Roxin, AT II, § 29 Rn. 248. 511 Dazu sogleich auch in Kap. 1 A. II. 2. c) bb). 507 So
508 Hillenkamp,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
(4) Vergleich mit den übrigen Beteiligungsformen Entscheidend muss auch sein, ob der für den mittelbaren Täter ermittelte Zeitpunkt des Versuchsbeginns mit den für die übrigen Beteiligungsformen geltenden Regelungen harmoniert. Die Gesamtlösung könnte eine Diskrepanz zur Anstiftung schaffen, bei der bereits die Einwirkung auf den Täter eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung auslöst. Weil der Unrechtsgehalt der mittelbaren Täterschaft angesichts der fehlenden Eigenverantwortlichkeit des Tatmittlers sogar höher sei als der Unrechtsgehalt der Anstiftung, sei es inkonsequent, bei der mittelbaren Täterschaft die Einwirkung als bloße Vorbereitungshandlung zu deklarieren.512 Dieser Widerspruch ergibt sich aber nicht daraus, dass der Anstifter bereits mit der Einwirkung auf den Haupttäter wegen Anstiftung zum Versuch strafbar ist, sondern aus der Pönalisierung der versuchten Anstiftung in § 30 StGB. Damit besteht die eigentliche Strafbarkeitslücke, die zu einer Schieflage führt, in § 30 StGB.513 Diese Lücke kann jedoch allein vom Gesetzgeber geschlossen werden.514 Die Ausklammerung der mittelbaren Täterschaft in dieser verfassungsrechtlich ohnehin bedenklichen, weil weit in der Vorbereitung der Tat liegende Verhaltensweisen kriminalisierenden Vorschrift jedoch zum Anlass zu nehmen, die Versuchsstrafbarkeit nach § 22 StGB auf derartige Verhaltensweisen zu erstrecken, ist der falsche Weg.515 Schon die unterschiedlichen Strafrahmen machen deutlich, dass beide Vorschriften unterschiedliche Ziele verfolgen. § 30 StGB trägt dem Umstand Rechnung, dass es bei einer Beteiligung mehrerer an der Planung schwerer Straftaten nicht mehr in der Hand eines Einzelnen liegt, ob es zur Ausführung kommt und dadurch bereits zum Zeitpunkt der Planung das bedrohte Rechtsgut erhöht gefährdet ist.516 § 30 StGB kriminalisiert also die der Vorbereitung der Täterschaft innewohnende abstrakte Gefährdung des Rechtsguts. Die Versuchsstrafbarkeit fußt dagegen darauf, dass die Betätigung des verbrecherischen Willens in Form der Ansatzhandlung bei der Allgemeinheit einen rechtserschütternden Eindruck hinterlassen hat, der es erforderlich macht, das 512 Herzberg, MDR 1973, S. 89, 95; Kistner, JuS 1983, S. 975; Rengier, AT, § 36 Rn. 6; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 112; Roxin, AT II, § 29 Rn. 255. 513 Herzberg, in: FS Roxin (2001), S. 749, 757; Krüger, Versuchsbeginn, S. 95; Küper, JZ 1983, S. 361, 372; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 138. In diese Richtung auch Baier, JA 1999, S. 771, 773. Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54 nimmt an, die versuchte mittelbare Täterschaft könne bereits de lege lata über § 30 I StGB erfasst werden. 514 So auch Krüger, Versuchsbeginn, S. 95; Küper, JZ 1983, S. 361, 372. 515 Ähnlich auch Herzberg, in: FS Roxin (2001), S. 757; MüKo-StGB-HoffmannHolland, § 22 Rn. 135. 516 BT-Drucks. IV/650, S. 153.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge145
Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung durch die Bestrafung des Täter wiederherzustellen.517 Wenn nun geltend gemacht wird, die Einwirkung auf den Tatmittler seitens des mittelbaren Täters sei in gleicher Weise strafwürdig wie der Bestimmungsversuch des Anstifters, spricht dies zunächst allein dafür, auch diesen Fall über § 30 StGB zu erfassen. Soll so jedoch sogar die Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters legitimiert werden, wäre zu begründen, warum hier die Einwirkung anders als bei der Anstiftung einen rechtserschütternden Eindruck hinterlässt, der sogar eine Strafbarkeit aus dem versuchten Delikt rechtfertigt. Ein Grund dafür, warum die Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung bei der mittelbaren Täterschaft größer sein soll als bei der Anstiftung ist aber nicht ersichtlich. In beiden Fällen erfolgt der eigentliche Rechtsgutsangriff, der den rechtserschütternden Eindruck hervorruft, erst durch den Vordermann. Unterschiedlich ausgestaltet ist allein der Einfluss, den der Hintermann auf dieses Geschehen hat. Dieser Umstand erklärt jedoch nicht, warum die Instrumentalisierung im Vorfeld der Ausführung im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Allgemeinheit anders zu bewerten sein sollte. Ohne eine solche Begründung vermag jedoch der Vergleich mit der Anstiftung eine Vorverlagerung des Versuchsbeginns nicht zu tragen. Schon aufgrund der gemeinsamen gesetzlichen Normierung in § 25 I StGB bietet sich zudem der Vergleich mit der unmittelbaren Täterschaft an. Es könnte widersprüchlich sein, ein Verhalten, das bei einem unmittelbaren Täter noch keinen Versuchsbeginn darstellt, beim mittelbaren Täter für hinreichend zu erachten, den Eintritt in die Versuchsphase zu markieren.518 Andererseits könnte es ebenso wenig konsistent sein, den Versuchsbeginn beim mittelbaren Täter zu verneinen, wenn ein Alleintäter in derselben Situation mit diesem Verhalten bereits in das Versuchsstadium eingetreten wäre.519 Beide Widersprüche bestehen jedoch nur, wenn mittelbare und unmittelbare Täterschaft ihrer Struktur nach tatsächlich zwingend gleichzustellen sind. Für eine Gleichbehandlung der beiden Beteiligungsformen könnte sprechen, dass die Grenze zwischen unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft in vielen Bereichen fließend ist.520 So erscheint bei der Zwischenschaltung ei517 So die h. L., vgl. (auch zur Kritik an dieser sog. Eindruckstheorie) Herzberg, GA 2001, S. 257, 266 f.; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 714 ff.; Jakobs, AT, § 25 Rn. 20; Krüger, Versuchsbeginn, S. 120 ff.; Kühl, JuS 1980, S. 506, 507; ders., AT, § 15 Rn. 40 ff.; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 77 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 22; Weigend, in: Strafrecht und Kriminalpolitik (1989), S. 113, 121 ff. jew. m. w. N. 518 So Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 629; Krüger, Versuchsbeginn, S. 49 ff.; Rackow, JA 2003, S. 218, 224. 519 Herzberg, in: FS Roxin (2001), S. 749, 751 f. 520 So auch Frister, AT, § 25 Rn. 9, § 29 Rn. 3.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nes Dritten dessen Werkzeugqualität oftmals so offensichtlich, dass diese Fälle bereits gar nicht der mittelbaren, sondern der unmittelbaren Täterschaft zugeordnet werden: Wenn beispielsweise A dem B mit der Post eine Bombe nach Hause schickt, um diesen zu töten, wird der Postbote nicht als Werkzeug des A klassifiziert, sondern A als unmittelbarer Täter bestraft.521 Setzt A nun aber nicht den Postboten, sondern den C zur Übermittlung ein und bittet diesen, dem B das vermeintlich mit Pralinen gefüllte Paket zu übergeben, wären wohl die meisten geneigt, diese Konstellation als Fall der mittelbaren Täterschaft zu erachten, obwohl der Unterschied zum ersten Fall allein darin liegt, dass A direkt auf C eingewirkt hat, während ein unmittelbarer Kontakt zwischen A und dem Postboten nie stattfand. Eine deutliche Parallele zur mittelbaren Täterschaft weisen auch die Fälle auf, in denen das Opfer als Werkzeug gegen sich selbst eingesetzt wird, weil nach dem Tatplan noch eine selbstschädigende Handlung erforderlich ist, die den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt. Exemplarisch lässt sich der Fall anführen, dass der Täter den vom Opfer regelmäßig zu bestimmten Anlässen konsumierten Whiskey vergiftet.522 Zum Todeseintritt kommt es in diesem Fall erst nachdem das Opfer selbst den Whiskey in dem Glauben trinkt, dieser sei unversehrt. Weil sich das Opfer in diesen Fällen somit gutgläubig selbst schädigt, könnte es als Werkzeug des Täters und damit als Tatmittler fungieren.523 Wenn gleichwohl diese Fälle von der Rechtsprechung524 und einem Teil der Literatur525 der unmittelbaren Täterschaft zugeordnet werden, kann dies allein darauf gestützt werden, dass im Unterschied zum Regelfall der mittelbaren Täterschaft nur ein Zweipersonenverhältnis besteht und es an einer kommunikativen Einwirkung auf das „Werkzeug“ fehlt.526 Unabhängig von der Frage, ob es sich nicht tatsächlich sogar um Fälle mittelbarer Täterschaft handelt, lässt sich jedenfalls eine Strukturverwandtschaft nicht leugnen. Allen gebildeten Beispielsfällen ist gemein, dass nach der Vollendung der Täterhandlung noch ein erheblicher Zeitraum bis zur Deliktsvollendung vergeht und in diesem 521 Frister,
AT, § 25 Rn. 9. der Beispielsfall bei Roxin, AT II, § 29 Rn. 192. Ähnlich auch die sog. Giftfallen-Entscheidung BGHSt 43, 177. 523 So Baier, JA 1999, S. 771, 772 f.; Engländer, JuS 2003, S. 330, 331; Gössel, JR 1998, S. 293, 295; Kudlich, JuS 1998, S. 596, 597; Martin, JuS 1998, S. 273, 274; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 96 ff.; Weddig, S. 35 ff., 58 f. mit weiteren umfassenden Nachw. zu den unterschiedlichen Ansichten bzgl. der Täterschaftsform; Wessels/ Beulke/Satzger, AT, Rn. 780. 524 Der BGH hat der Konstellation der Giftfalle bspw. nur eine „der mittelbaren Täterschaft verwandte Struktur“ attestiert, BGHSt 43, 177, 180. 525 Herzberg, Mittelbare Täterschaft, S. 51; Johannes, S. 16 ff.; Otto, Grundkurs, § 21 Rn. 101 ff.; Spendel, JuS 1974, S. 749, 752 m. Fn. 34; ders., JR 1997, S. 133, 134 m. Fn. 9. 526 Rengier, AT, § 34 Rn. 54; Roxin, AT II, § 29 Rn. 192. 522 So
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge147
Zeitraum noch andere Kräfte, insbesondere Personen, in den Kausalverlauf einwirken.527 Dies spricht dafür, der Versuchsbestimmung bei der mittelbaren Täterschaft dieselben Kriterien wie bei der unmittelbaren Täterschaft zugrunde zu legen. Eine solche Harmonisierung der Versuchsregeln beanspruchen jedoch wiederum fast alle zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen Ansichten für sich.528 Somit gilt es zu klären, welcher Ansatz tatsächlich einen Gleichlauf der Beurteilungskriterien des Versuchsbeginns von unmittelbarem und mittelbarem Täter bewirkt. Die Bewertung wird nur dann einheitlich getroffen, wenn das Geschehen nach denselben Kriterien beurteilt wird, unabhängig von wem die entsprechende Ausführungshandlung vorgenommen wurde. Dies verkennt die Einzellösung, wenn sie für sich beansprucht, einen Gleichlauf mit der Versuchsbestimmung bei der unmittelbaren Täterschaft zu bewirken.529 Wären die Handlungen von mittelbarem Täter und Tatmittler von einem unmittelbaren Täter ausgeführt worden, würde nach den allgemeinen Kriterien unzweifelhaft erst das spätere Ansetzen zur Ausführung den Eintritt in die Versuchsphase begründen, weil dieses einen wesentlichen Zwischenakt im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung darstellt. Wandelt man den oben geschilderten Salzsäure-Fall530 beispielsweise so ab, dass A nicht B mit der mit Salzsäure gefüllten Flasche auf den Weg schickt, sondern selbst losgeht, würde er sich auf dem Weg zum Opfer ohne Zweifel noch im Vorbereitungsstadium befinden, weil er bislang noch nicht einmal in die Opfersphäre eingedrungen ist und damit die Verabreichung der Säure noch nicht unmittelbar bevorsteht.531 Wenn gleichwohl eine Übertragung der allgemeinen Kriterien behauptet wird, dann nur, weil bereits die Prämisse zugrunde gelegt wird, das Handeln des Tatmittlers sei mit dem Einsatz eines mechanischen Werkzeugs und gerade 527 So auch die zutreffende Analyse von MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 126 f. 528 Für die Gesamtlösung Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 629; Krüger, Versuchsbeginn, S. 88 ff.; Küper, JZ 1983, S. 361, 369 f.; Otto, JA 1980, S. 641, 645 f. Für die Einzellösung RGSt 66, 141, 142; Herzberg, JuS 1985, S. 1, 3 f., die darauf abstellen, dass auch beim Alleintäter Versuchsbeginn vorläge, wenn der Erfolgseintritt nur noch von zufälligen Naturkräften abhinge, denen die Tätigkeit eines menschlichen Werkzeugs gleichgestellt werden müsse. Für die Rechtsgutsgefährdungstheorie Fad, S. 153 ff.; v. Heintschel-Heinegg-Beckemper, StGB, § 22 Rn. 59; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 159. Für die Freisetzungstheorie Frister, AT, § 29 Rn. 5; Murmann, Grundkurs, § 28 Rn. 90; Roxin, AT II, § 29 Rn. 244 ff.; ders., in: FS Maurach (1972), S. 213, 227 ff. 529 Kritisch dazu auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 632 f. 530 Siehe dazu bereits oben Kap. 1 A. II. 1. 531 So auch Roxin, AT II, § 29 Rn. 260 für den Gift-Fall. Vgl. auch bereits Kap. 1 A. II. 2. b) aa).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nicht mit dem Handeln eines unmittelbaren Täters vergleichbar. Damit führt die Einzellösung gerade nicht dazu, die mittelbare der unmittelbaren Täterschaft gleichzustellen. Sie beruht vielmehr auf der Annahme, die mittelbare Täterschaft weise eine der unmittelbaren Täterschaft verschiedene Struktur auf, wegen der das menschliche Handeln des Tatmittlers ausnahmsweise Naturkräften entspräche. Fraglich ist, ob dann die hier vorgeschlagene gesamttatbezogene Versuchsbestimmung mit den bei der unmittelbaren Täterschaft angewandten Regeln harmoniert. Dafür spricht, dass es Ziel dieses Ansatzes ist, zunächst unabhängig von der täterschaftlichen Verantwortung zu ermitteln, ob der äußere Sachverhalt der Verwirklichung der Gesamttat unmittelbar vorgelagert ist. Ob mit den realisierten Beiträgen die Schwelle von der bloßen Deliktsvorbereitung zum strafbaren Versuch überschritten wurde, soll demnach für alle Beteiligungsformen im Grundsatz einheitlich nach denselben Maßstäben ermittelt werden. Nur bei den Fragen, ob es sich tatsächlich um eine Gesamttat handelt und wessen Vorstellung zugrunde zu legen ist, werden die Besonderheiten der jeweiligen Beteiligungsform bereits bei der Bestimmung des Zurechnungsgegenstandes berücksichtigt. Erst in einem zweiten Schritt wird dann die individuelle strafrechtliche Verantwortung für dieses Geschehen ermittelt. Aus diesem Grund kann allein eine solche Gesamtlösung für sich beanspruchen, die für den Einzeltäter geltenden Regeln auf die mittelbare Täterschaft zu übertragen.532 Zweifelhaft ist, ob diese Parallelität auch für die sog. Distanzfälle, also diejenige Schnittstelle, in der mittelbare und unmittelbare Täterschaft wohl am dichtesten beieinander liegen, mit der Gesamtlösung zu erreichen ist. Die Vertreter der Freisetzungstheorie machen geltend, dass sowohl bei der mittelbaren Täterschaft als auch in den sog. Distanzfällen ein beendeter Versuch vorliege, weil der Täter mit Abschluss seiner Handlung glaubt, bereits alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan zu haben und sich der Erfolg nun ohne sein weiteres aktives Tun einstellen werde.533 In diesen Fällen läge ein Versuch jedoch nicht erst vor, wenn das Opfer in der Weise unmittelbar gefährdet wird, dass in engem zeitlich-räumlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung auf seine Sphäre eingewirkt wird, sondern auch bereits dann, wenn der Täter den Geschehensverlauf aus seinem eigenen Herrschaftsbereich entlassen hat.534 Zutreffend ist zunächst, 532 So auch Roxin, AT II, § 29 Rn. 261. Ähnlich auch Kindhäuser, LPK-StGB, § 22 Rn. 35; Rengier, AT, § 36 Rn. 14. 533 Grundlegend Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213 ff.; ders., AT II, § 29 Rn. 192. Ebenso auch Murmann, Grundkurs, § 28 Rn. 90. 534 Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213, 223 ff.; ders., AT II, § 29 Rn. 195. Ihm zustimmend auch Engländer, JuS 2003, S. 330, 335 (jedenfalls für den Fall eines
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge149
dass gerade die Distanzfälle eine besondere Strukturverwandtschaft zur mittelbaren Täterschaft aufweisen, weil in beiden Fällen der Erfolg typischerweise erst in erheblichem zeitlichem Abstand zur letzten Täterhandlung eintritt. Daher besteht bezüglich dieser Fälle ein besonderes Bedürfnis, die Bestimmung des Versuchsbeginns an die Fälle der mittelbaren Täterschaft anzugleichen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das Aus-der-Hand-Geben des Geschehensablaufs in beiden Fällen das entscheidende Kriterium sein muss, ringen doch hier wie dort verschiedene Ansichten um den richtigen Zeitpunkt für den Eintritt in das Versuchsstadium. Unklar bleibt vor allem, warum allein aus der Tatsache, dass ein beendeter Versuch vorliegt, folgen soll, dass andere Kriterien zur Bestimmung des Versuchsbeginns heranzuziehen sind als beim unbeendeten Versuch. Die Kategorien des beendeten und unbeendeten Versuchs sind zunächst allein deshalb erforderlich, um das erforderliche Rücktrittsverhalten zu bestimmen.535 Im Übrigen kann die Tatsache, dass der Täter in dem einen Fall glaubt, seine Tathandlung bereits vollständig vorgenommen zu haben, während er in dem anderen Fall noch weitere eigene Handlungen einplant, zu keiner anderen Bewertung führen, denn nach § 22 StGB ist nicht entscheidend, ob der Täter zu seiner Tathandlung, sondern ob er zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Diese muss aber mit der Tathandlung gerade nicht identisch sein, sodass allein daraus, dass die Tathandlung abgeschlossen ist, keine unmittelbaren Schlussfolgerungen für das unmittelbare Ansetzen gezogen werden können.536 Die Notwendigkeit, für den beendeten Versuch ein vom unbeendeten Versuch abweichendes Kriterium zur Bestimmung des Versuchsbeginns zu entwickeln, kann somit allein daraus resultieren, dass in den Fällen des beendeten Versuchs, will man das unmittelbare Ansetzen nicht mit dem Abschluss der Täterhandlung gleichsetzen, der Eintritt in die Versuchsphase allein an ein Unterlassen des Täters geknüpft werden kann. Dies könnte desgutgläubigen Werkzeugs); Frister, AT, § 29 Rn. 5 f.; Herzberg, JuS 1985, S. 1, 6 ff.; Hünerfeld, ZStW 99 (1987), S. 228, 246; Jakobs, AT, § 21 Rn. 105; Jescheck, ZStW 99 (1987), S. 111, 131; Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 56; Kistner, JuS 1983, S. 975 f.; Murmann, Grundkurs, § 28 Rn. 90; Preisendanz, StGB, § 22 5.c); Rengier, AT, § 36 Rn. 14; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 112; SK-StGB-Jäger, § 22 Rn. 39; SSW-StGBKudlich/Schuhr, § 22 Rn. 59. 535 So auch Gerhardt, S. 41 f., die daraus folgert, die Vertreter der Freisetzungs theorie kehrten das Verhältnis von Prämisse und Folge um, wenn sie die erst noch zu ermittelnde Vorraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Ansatzhandlung, aus der ohne sie tatsächlich gar nicht existenten und rechtlich daher auch nicht eher zu bestimmenden Folge (beendeter Versuch) entwickeln. Ähnlich auch Böse, JA 1999, S. 342, 344; Kadel, GA 1983, S. 299, 306; Krüger, Versuchsbeginn, S. 47 f.; Prüßner, S. 102; Streng, ZStW 109 (1997), S. 862, 865 f. 536 Dies stellt auch Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213, 218 heraus. Anders Böse, JA 1999, S. 342, 344 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
halb problematisch sein, weil unter dem Ansetzen üblicherweise ein in der Außenwelt sichtbares Tätigwerden des Täters, das Ansetzen also als „Aktivitätskriterium“ verstanden wird.537 In den Distanzfällen fällt die Bestimmung des Eintritts in die Versuchsphase deshalb so schwer, weil das Ansetzen zum Begehungsversuch ein Täterverhalten erfordert, das unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Fallen Ausführungshandlung des Täters und Tatbestandsverwirklichung räumlich und zeitlich auseinander, lassen sich beide Kriterien, die Forderung nach einem aktiven Ansetzen durch ein Täterverhalten und das Erfordernis eines engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs zwischen Ansetzen und Tatbestandsverwirklichung, nicht in Einklang bringen. Der Blick auf diese Eigenheit der Distanzdelikte offenbart jedoch den wesentlichen Unterschied zu den Fällen der mittelbaren Täterschaft: Bei der mittelbaren Täterschaft existiert in der Regel sehr wohl eine sichtbare Handlung, die der Tatbestandsverwirklichung unmittelbar vorgelagert ist und die damit nach den gängigen Kriterien als Ansatzhandlung klassifiziert werden kann. Es handelt sich nur nicht um eine Handlung des mittelbaren Täters, sondern des Tatmittlers. Dass dies jedoch keinen relevanten Unterschied macht, weil der Hintermann auch die von ihm nicht eigenhändig verwirklichten Geschehensteile steuert und sich diese daher zurechnen lassen muss, wurde bereits gezeigt.538 Dann besteht in den Fällen der mittelbaren Täterschaft jedoch kein Bedürfnis, die zur unmittelbaren Täterschaft entwickelten Abgrenzungskriterien aufzugeben. Die Argumentation der Vertreter der Freisetzungstheorie fußt auf der Annahme, Tatbestandshandlung sei auch bei der mittelbaren Täterschaft allein die Instrumentalisierung des Tatmittlers, sodass auch hier diese die letzte aktive Tathandlung sei, an die angeknüpft werden könne. Diese These ist jedoch im Hinblick auf Art. 103 II GG nicht haltbar.539 Gibt man jedoch diese strikte Trennung zwischen dem Verhalten von mittelbarem Täter und Tatmittler auf und erkennt an, dass beide ein einheitliches Gesamtgeschehen verwirklichen,540 über das der mittelbare Täter insgesamt die Tatherrschaft besitzt, weshalb auch die vom Vordermann verwirklichten Handlungen wie eigene Handlungen des Hintermannes erscheinen, besteht kein Bedürfnis mehr, das Erfordernis einer zeitlichen Unmittelbarkeit neben der Handlungsunmittelbarkeit541 aufzugeben. 537 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 584; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 135; Weddig, S. 72. 538 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). 539 Siehe dazu oben Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). 540 Siehe dazu bereits Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). 541 Dass das Unmittelbarkeitskriterium sich aus mehreren Teilkomponenten, nämlich einer Handlungs-Unmittelbarkeit und einer zeitlichen Unmittelbarkeit zusam-
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge151
Hinzu kommt, dass das Kriterium der Entlassung aus dem eigenen Herrschaftsbereich undurchsichtig und unbestimmt ist,542 sodass durch dieses Kriterium Rechtsunsicherheit geschaffen und nicht beseitigt wird. Es bleibt völlig offen, wie dieser Herrschaftsbereich verstanden werden soll: Ist das „Aus-der-Hand-Geben“ räumlich zu verstehen oder kommt es darauf an, ob noch eine tatsächliche Einflussmöglichkeit besteht? Wie ist in Fällen zu verfahren, in denen der Täter sich zwar zunächst entfernt, sich aber bewusst ist, dass er jederzeit noch rettend eingreifen kann?543 Wenn der Täter eine Bombe am Auto des Opfers anbringt und sich danach in dem Bewusstsein entfernt, das Fahrzeug werde erst in zwei Tagen wieder genutzt, hat er dann mit der räumlichen Entfernung das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entlassen, obwohl er denkt, er könne innerhalb dieser Zeit noch eine Gefährdung verhindern, indem er die Bombe selbst entfernt oder entfernen lässt? Bereits dieses Beispiel zeigt, dass die Entlassung aus dem Herrschaftsbereich ein sehr vager Begriff ist, der jedenfalls in den Fällen der mittelbaren Täterschaft, die sich bereits mit den allgemeinen Kriterien des unmittelbaren räumlich-zeitlichen Zusammenhangs und der Zwischenaktstheorie angemessen erfassen lassen, für die Bestimmung des Versuchsbeginns überflüssig ist. Auch findet sich weder für das Kriterium des „Aus-der-Hand-Gebens des Geschehensablaufs“ noch überhaupt für die Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch bei der Bestimmung des Versuchsbeginns eine Stütze im Gesetz.544 Damit harmoniert die gesamttatbezogene Versuchsbestimmung auch mit den zu den übrigen Beteiligungsformen vertretenen Ansichten. Insbesondere kann sie für sich beanspruchen, die für den Einzeltäter geltenden Kriterien auf die mittelbare Täterschaft zu übertragen und damit dem Bedürfnis nach einer Angleichung beider Beteiligungsformen hinsichtlich der Versuchsstrafbarkeit Rechnung zu tragen. Ein Widerspruch zum Anstifter ergibt sich allein im Hinblick auf die Regelung des § 30 StGB, sodass kein Grund besteht, den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens nach vorne zu verlagern, sondern allenfalls, die versuchte mittelbare Täterschaft in § 30 StGB zu regeln.
mensetzt, arbeitet Kühl, AT, § 15 Rn. 55 ff. heraus. Ihm zustimmend auch Fad, S. 154 ff. 542 Herzberg, MDR 1973, S. 89, 92; Kadel, GA 1983, S. 299, 307; Otto, JA 1980, S. 641, 645. 543 Diese Frage wirft auch Otto, JA 1980, S. 641, 645 auf. 544 Kadel, GA 1983, S. 299, 307; Krüger, Versuchsbeginn, S. 66 f.
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(5) Kriminalpolitische Erwägungen Daneben muss sich die gesamttatbezogene Versuchsbestimmung auch daran messen lassen, ob die mit ihr erzielten Ergebnisse kriminalpolitisch sinnvoll erscheinen. Dafür spricht zunächst, dass sie anders als die strenge Einzellösung verhindert, dass die Versuchsstrafbarkeit weit in das Vorfeld der Tat verlagert wird. Für eine solche Vorverlagerung ist kein besonderer kriminalpolitischer Grund ersichtlich.545 Das Geschehen ist typischerweise noch so weit von der Tatbestandsverwirklichung entfernt, dass der nötige Tatbestandsbezug nicht gewahrt ist.546 Insbesondere fehlt es zum Zeitpunkt der Einwirkung oftmals noch völlig an einer Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes, die die Versuchsstrafbarkeit rechtfertigen könnte.547 Andererseits könnten bei der Versuchsbestimmung nach der Gesamtlösung unbillige Strafbarkeitslücken entstehen.548 Insbesondere sei es problematisch, den Versuchsbeginn auf den weitestgehend zufälligen Zeitpunkt, in dem das Werkzeug mit der Ausführung beginnt, zu verschieben.549 In Fällen, in denen der Hintermann aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hat, sei es unbillig, einen Versuchseintritt zu verneinen, weil das Werkzeug seinerseits überhaupt noch nicht gehandelt hat.550 Bereits mit der Entlassung aus dem Herrschaftsbereich habe sich der deliktische Wille des mittelbaren Täters manifestiert, sodass jene Friedensstörung vorliege, die general- und spezialpräventive Reaktionen herausfordere.551 Diesen Einwänden lässt sich entgegenhalten, dass auch in anderen Fällen trotz Abschlusses der eigenen Handlung keine Versuchsstrafbarkeit angenommen wird, ohne dass dies vergleichbare kriminalpolitische Bedenken hervorruft. So ist auch der Anstifter erst dann aus dem Versuchsdelikt strafbar, wenn der Haupttäter in das Versuchsstadium eintritt, obwohl er seine 545 Bung, JA 2007, S. 868, 870 f.; Herzberg, in: FS Roxin (2001), S. 749, 756 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 53 f. Ähnlich auch Baier, JA 1999, S. 771, 773; Küper, JZ 1983, S. 361, 368. 546 Heinrich, AT, Rn. 749; Herzberg, JuS 1985, S. 1, 6; ders., in: FS Roxin (2001), S. 749, 757; Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 57; Murmann, Grundkurs, § 28 Rn. 88; Rönnau, JuS 2014, S. 109, 111 f.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 257. 547 Hauf, AT, S. 136; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 642; Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 57; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 630; Küper, JZ 1983, S. 361, 367; Linke, S. 59; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54; Rackow, JA 2003, S. 218, 224; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 57. 548 Fad, S. 153; Heinrich, AT, Rn. 748; Herzberg, in: FS Roxin (2001), S. 749, 753 f.; Rengier, AT, § 36 Rn. 6; Roxin, AT II, § 29 Rn. 201 f., 255. 549 Fad, S. 153; Küper, JZ 1983, S. 361, 371 f.; Prüßner, S. 104; Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213, 224 f. 550 Linke, S. 60; Prüßner, S. 104. 551 Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213, 225.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge153
Handlung typischerweise bereits deutlich früher abgeschlossen hat. Dass dies Ausfluss der Akzessorietät der Anstiftung ist, ändert an der kriminalpolitischen Vergleichbarkeit beider Fälle nichts. Zudem erscheinen die Konsequenzen von Gesamtlösung und Gefährdungstheorie nur deshalb unbillig, weil der mittelbare Täter straflos ist, sofern es zur weiteren Ausführung der Tat nicht mehr kommt. Diesen Bedenken könnte jedoch ebenso dadurch begegnet werden, dass die versuchte mittelbare Täterschaft in § 30 StGB mit Strafe bedroht würde.552 Dies entspräche auch eher dem verwirklichten Unrecht als die Versuchsstrafbarkeit, denn Kennzeichen des Versuchs ist nach § 22 StGB gerade die Tatbestandsnähe, der Bezug zum angegriffenen Rechtsgut.553 An einer solchen Nähe zur Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes fehlt es jedoch zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem eigenen Herrschaftsbereich ebenso wie zum Zeitpunkt der Einwirkung in der Regel noch. Vielmehr wird durch sie nur die Gefahr geschaffen, dass es nun zur Deliktsverwirklichung durch einen anderen kommt. Somit hat der mittelbare Täter zwar mit der Einwirkung seinen deliktischen Willen manifestiert und es nun nicht mehr allein in der Hand, ob die Tat ausgeführt wird oder nicht. Dadurch tritt auch eine erhöhte Gefährdung ein, die es kriminalpolitisch erforderlich macht, ihr mit strafrechtlichen Sanktionen zu begegnen. Genau diese Gefahr war es jedoch, die der Gesetzgeber in den Blick nahm, als er den Versuch der Beteiligung mit Strafe bedroht hat.554 Somit wäre es systemwidrig, genau an dieses Unrecht anzuknüpfen, um eine weitergehende Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters zu legitimieren. Auch Roxin fordert für den unbeendeten Versuch eine Ansatzhandlung, mit der der Täter in eine Beziehung zur Sphäre des Opfers tritt und somit einen rechtserschütternden Eindruck hervorruft.555 Zwar kann auch das Entlassen aus dem Herrschaftsbereich oder sogar die Einwirkung auf den Tatmittler einen rechtserschütternden Eindruck hervorrufen, ebenso wie dies auch auf viele andere Vorbereitungshandlungen zutrifft.556 Allein ein rechtserschütternder Eindruck kann jedoch die Versuchsstrafbarkeit wegen der § 22 StGB immanenten Begrenzung der Versuchsstrafbarkeit auf tatbestandsnahe Handlungen gerade nicht legitimieren.557 Deshalb bedarf es einer Verdichtung des Geschehens hin zur 552 Ebenso
Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54. GA 1971, S. 225, 226; Krüger, Versuchsbeginn, S. 168 f.; Kühl, JuS 1980, S. 811, 814 f.; Roxin, JuS 1979, S. 1, 4.; ders., AT II, § 29 Rn. 102 f. 554 BT-Drucks. IV/650, S. 153. 555 Roxin, JuS 1979, S. 1, 4; ders., AT II, § 29 Rn. 139 ff. 556 Die Schwierigkeiten mithilfe des rechtserschütternden Eindrucks Vorbereitungsmaßnahmen von Versuchshandlungen abzugrenzen betont auch Roxin, AT II, § 29 Rn. 49. 557 Auch Weddig, S. 81 führt an, dass der Strafgrund des Versuchs allein zur Bestimmung des Versuchsbeginns nicht tauge, sondern vielmehr zusätzlich die Be553 Gössel,
154
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Tatbestandsverwirklichung, dadurch dass bereits in die Sphäre des Opfers eingedrungen wird558, bereits eine räumlich-zeitliche Nähe zur eigentlichen Tatbestandshandlung besteht559 oder es nach der Vorstellung des Täters bereits zu einer Gefährdung des Rechtsgutes gekommen ist560. All diese Voraussetzungen erfüllt die Entlassung aus dem Herrschaftsbereich oftmals nicht.561 Daher würde das Erfordernis einer hinreichenden Tatbestandsnähe bei der mittelbaren Täterschaft vollständig aufgegeben, ohne dass die Struktur der mittelbaren Täterschaft dies erfordert. Dies kann nicht allein mit einem kriminalpolitischen Strafbedürfnis gerechtfertigt werden. Es ist allein Aufgabe des Gesetzgebers, etwaige unbillige Strafbarkeitslücken zu schließen.562 Zudem kann das bereits mit der Einwirkungshandlung verwirklichte Unrecht auch durch eine Vorfeldstrafbarkeit nach § 30 StGB sachgerecht erfasst werden, ohne dass es dazu einer Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit bedarf. Deshalb stehen auch kriminalpolitische Erwägungen einer gesamttatbezogenen Bestimmung des Versuchsbeginns nicht entgegen. (6) Z wischenergebnis und Bedeutung für die vermeintliche mittelbare Täterschaft Dem Willen des Gesetzgebers sowie der Struktur der mittelbaren Täterschaft wird man nur gerecht, wenn man die Handlungen des mittelbaren Täters und des Tatmittlers zu einer Gesamttat im Sinne eines einheitlichen schränkungen der §§ 22, 25 I Var. 2 StGB berücksichtigt werden müssen. Umfassend zur Eindruckstheorie und der Kritik an ihr auch Herzberg, GA 2001, S. 257, 266 f.; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 714 ff.; Jakobs, AT, § 25 Rn. 20; Krüger, Versuchsbeginn, S. 120 ff.; Kühl, JuS 1980, S. 506, 507; ders., AT, § 15 Rn. 40 ff.; Weigend, in: Strafrecht und Kriminalpolitik (1989), S. 113, 121 ff. jew. m. w. N. 558 Darauf, ob der Täter bereits auf die Opfer- bzw. Tatbestandssphäre eingewirkt hat, stellt insb. Roxin, AT II, § 29 Rn. 139 ff.; ders., in: FS Herzberg (2008), S. 341, 347 ff. ab. Zur Kritik an diesem Kriterium Berz, Jura 1984, S. 511, 516 f.; Kratzsch, Jura 1983, S. 420, 423 f.; Vehling, S. 56 ff. 559 Dieses Kriterium verwenden bspw. auch BGH NStZ 1989, 473; BGH NStZ 1993, 133; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 68. 560 Auf den Gesichtspunkt der unmittelbaren Gefährdung zur Bestimmung des Versuchsbeginns greifen auch RGSt 54, 254 f.; BGHSt 2, 380 f.; BGHSt 3, 297, 299; BGHSt 4, 333, 334; BGHSt 6, 98, 99; BGHSt 9, 62, 64; BGHSt 20, 150, 152; BGHSt 22, 80, 82; BGHSt 30, 363, 365; BGH StV 1994, 240; Blei, JA 1976, S. 101, 102 f.; Meyer, ZStW 87 (1975), S. 598, 605; Otto, Grundkurs, § 18 Rn. 28 f.; Sonnen, JA 1979, S. 334 zurück. 561 Ebenso Küper, JZ 1983, S. 361, 372. Ihm zustimmend auch Krüger, Versuchsbeginn, S. 179. 562 So auch Küper, JZ 1983, S. 361, 371.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge155
Außenweltvorgangs zusammenfasst und dann im Hinblick auf dieses Gesamtgeschehen den Eintritt in das Versuchsstadium nach den allgemeinen, für den Einzeltäter entwickelten Kriterien bestimmt. Häufig wird diese Methode zur Konsequenz haben, dass die Gesamttat erst mit dem Ansetzen des Tatmittlers in das Versuchsstadium eintritt, in Einzelfällen, nämlich dann, wenn im unmittelbaren Anschluss mit der Ausführung begonnen werden soll, kann aber auch bereits mit der Instrumentalisierung des Werkzeugs die Versuchsschwelle überschritten werden.563 Beurteilungsgrundlage dafür, ob die ausgeführte Handlung bereits eine hinreichende Nähe zur geplanten Verwirklichung der Gesamttat aufweist, ist dabei die Vorstellung des mittelbaren Täters von der Tat. Sie bildet die subjektive Basis für eine objektive Bestimmung des Versuchsbeginns.564 Exemplifizieren lässt sich diese Methode der Versuchsbestimmung an den zur vermeintlichen mittelbaren Täterschaft gebildeten Fallbeispielen. Im Spritzen565- ebenso wie im Salzsäure-Fall566 ist die Einwirkung auf den Tatmittler der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung noch so weit vorgelagert, dass es zu diesem Zeitpunkt nach der Vorstellung des A an einem Eintritt in die Sphäre des Opfers und einer unmittelbaren Gefährdung des bedrohten Rechtsgutes fehlt. Die Ausführungshandlung des Tatmittlers stellt noch einen wesentlichen Zwischenakt dar. Deshalb beginnt der Versuch in diesen Fällen erst, wenn die Krankenschwester das Zimmer betritt, um das Gift zu injizieren bzw. B in das Haus des J eindringt und dazu ansetzt, J das angebliche Schlafmittel zu verabreichen. Somit ist A in dem Spritzen-Fall in das Versuchsstadium gelangt, während sich die Tat im Salzsäure-Fall noch im Vorbereitungsstadium befindet. Dass es aber auch denkbar erscheint, dass bereits die Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters diese Anforderungen erfüllt,567 zeigt der sog. Jagd-Fall568: 563 Siehe
dazu Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (3). 565 Siehe dazu bereits Kap. 1 A.II.1.: Stationsarzt Dr. A übergibt der vermeintlich arglosen Krankenschwester K eine Spritze, die angeblich ein Beruhigungsmittel, tatsächlich aber ein tödlich wirkendes Gift enthält, und weist sie an, diese seiner im Krankenhaus liegenden, verhassten Schwiegermutter zu injizieren. K durchschaut das Ansinnen, lässt sich aber nichts anmerken und verabreicht die letale Injektion. 566 Vereinfacht nach BGHSt 30, 363. Siehe Kap. 1 A. II. 1.: A hatte den B mit einem angeblichen Schlafmittel auf den Weg zu seinem Nebenbuhler J geschickt, der diesen überfallen und ihm dazu das Schlafmittel verabreichen sollte. Tatsächlich wollte A den J töten, weshalb er B kein Schlafmittel, sondern tödliche Salzsäure mit auf den Weg gab. Auf dem Weg zu J erkannte B an dem Geruch die Täuschung und nahm von dem Vorhaben Abstand. 567 Ebenso Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 634 f. 568 Leicht abgewandelt nach Ernst, ZJS 2011, S. 382. 564 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
F beschließt G zu töten. Allerdings will sie die Tötung nicht selbst, sondern mithilfe des B herbeiführen: Wie F weiß, sammelt G immer bei Vollmond auf einer abgeschiedenen Lichtung in der Nähe eines Hochsitzes Fliegenpilze, die sie als Rauschmittel nutzt. F bietet B, der ein großer Jagdfreund ist, daher an, ihn zum Jagen zu begleiten. Beim nächsten Vollmond begeben sich F und B auf den Hochsitz, ein Gewehr im Anschlag und warten auf Wild. F erkennt durch ihren Feldstecher G, die am Waldrand nach Fliegenpilzen sucht. In der Annahme, B würde ohne Fernglas aufgrund des aufkommenden Nebels und der gebückten Haltung der G diese als Wildschwein identifizieren und schießen, sagt sie: „Schau dort. Ein Wildschwein! Schieß. Schnell!“. B schießt, trifft die G jedoch nicht, die daraufhin vom Schuss aufgeschreckt die Lichtung verlässt. Dabei hatte B die wahre Sachlage sehr wohl erkannt, wollte die G jedoch dennoch F zuliebe, auf die er schon lange ein Auge geworfen hat, erschießen.
Hier steht die Instrumentalisierung des B in so engem räumlich-zeitlichem Zusammenhang mit dem tödlichen Schuss, dass nach der Vorstellung der F bereits zu diesem Zeitpunkt eine unmittelbare Gefährdung der G besteht. Die gesamttatbezogene Versuchsbestimmung verkleinert also den Anwendungsbereich der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft, weil nach ihr in bestimmten Fällen trotz Abschlusses der eigenen Tathandlung eine Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters bereits an einer tauglichen Ansatzhandlung scheitert. c) Zurechnung fremden Handelns im Wege der Gesamtlösung bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft Für die übrigen Fälle ist zu untersuchen, ob die nach dieser Konzeption notwendig werdende Zurechnung der Gesamttat auch auf eine nur eingebildete Tatherrschaft gestützt werden kann. aa) Struktur der Zurechnung Weil die Methode zur Bestimmung des Versuchsbeginns bei der mittelbaren Täterschaft die gleiche ist, lassen sich die zur Mittäterschaft gewonnen Erkenntnisse zur Struktur der Zurechnung übertragen.569 Für die vermeintliche mittelbare Täterschaft gilt es somit zu untersuchen, ob zum einen überhaupt ein tauglicher Zurechnungsgegenstand gegeben ist, also eine Veränderung der Außenwelt, die die Gesamttat insgesamt in die Versuchsphase eintreten lässt. Zum anderen müsste im Falle nur eingebildeter Tatherrschaft aber auch die Zurechnungsgrundlage, also eine hinreichende Legitimationsbasis für die Zurechnung dieses Außenweltvorgangs, vorliegen. 569 Siehe
zur Mittäterschaft bereits Kap. 1 A. I. 3. c) aa).
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge157
bb) Vorliegen eines Zurechnungsgegenstandes Als Zurechnungsgegenstand kann nach den Untersuchungen zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft nur ein objektives Geschehen fungieren, das in unmittelbar räumlich-zeitlichem Zusammenhang mit der geplanten Gesamttat steht und nach der Vorstellung des Täters das tatbestandlich geschützte Rechtsgut bereits konkret gefährdet. Dies wird in der Regel eine Ansatzhandlung des Vordermanns und ausnahmsweise bereits die Einwirkung auf den Tatmittler seitens des mittelbaren Täters sein.570 Somit stellt jedenfalls dann, wenn der Tatmittler mit der Ausführung begonnen hat, sein Verhalten einen hinreichenden Zurechnungsgegenstand dar. Damit liegt im Injektionsspritzen-571 und im Jagd-Fall572 jeweils ein tauglicher Zurechnungsgegenstand vor, weil die Gesamttat jeweils so weit vorangeschritten ist, dass keine wesentlichen Zwischenakte mehr zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich sind. Zweifelhaft ist jedoch, ob auch in Fällen wie dem Salzsäure-Fall573, in denen es zu einer Ansatzhandlung des Tatmittlers gar nicht mehr gekommen ist, ein tauglicher Zurechnungsgegenstand existiert. Ein objektives Geschehen, das eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist, fehlt. Daher könnte nur an eine etwaige Vorstellung des Hintermannes vom Tatablauf angeknüpft und so die Beurteilungsbasis subjektiviert werden.574 Möglicherweise hat der Tatmittler nämlich in der Vorstellung des mittelbaren Täters zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Ausführung begonnen, sodass diese fiktive Ausführungshandlung Zurechnungsgegenstand sein könnte. Ein so verstandenes Zurechnungskonzept ließe sich – ebenso wie bei der Mittäterschaft575 – nur schwer mit dem Charakter des § 22 StGB vereinbaren.576 Grundlage der Versuchsstrafbarkeit kann in einem Strafrecht, das nicht Gesinnungsstrafrecht sein will, nicht allein die rechtsgutsfeindliche Vorstellung des Täters, sondern nur dessen Manifestation nach außen sein. Dies muss beim mittelbaren Täter ebenso wie beim Alleintäter gelten. Die Betätigung des deliktischen Entschlusses kann nicht durch die bloße Vorstellung des mittelbaren Täters, eine solche Ausführungshandlung läge vor, ersetzt werden. Andernfalls würde auf einen objektiven Versuchstatbestand 570 Dazu
bereits Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). Kap. 1 A. II. 1. 572 Vgl. Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). 573 Siehe dazu bereits oben Kap. 1 A. II. 1. 574 So wohl BGHSt 40, 257, 269 und Otto, JA 1980, S. 641, 646. 575 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). 576 Kadel, GA 1983, S. 299, 308; Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 638; LK-StGBHillenkamp, § 22 Rn. 160; Streng, ZStW 109 (1997), S. 862, 888 m. Fn. 90. 571 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
vollständig verzichtet, was sich mit dem Wortlaut des Gesetzes577 und dem Strafgrund des Versuches kaum in Einklang bringen ließe.578 Das Gesetz verlangt gerade kein Ansetzen zur Tatausführung „in der Vorstellung, sondern nach der Vorstellung des Täters“.579 Anhand des vorgestellten Ablaufs von der Gesamttat soll nur ermittelt werden, ob die objektiv vorgenommenen Handlungen bereits eine hinreichende Nähe zur geplanten Tatbestandsverwirklichung aufweisen. Die Vorstellung des Täters kann jedoch eine tatsächlich vorgenommene Ausführungshandlung, die Gegenstand dieser Beurteilung ist, nicht ersetzen. Andernfalls würde der Versuchsbeginn auf einen fiktiven Zeitpunkt verschoben und von der Handlung des Tatmittlers vollständig gelöst.580 Somit ist festzuhalten, dass die Gesamtlösung eine Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters in Fällen wie dem Salzsäure-Fall581, in denen es an einer Ausführungshandlung des Tatmittlers, die als Zurechnungsgegenstand fungieren könnte, gänzlich fehlt, zwingend ablehnen muss, ohne dass es auf die Frage nach einer dogmatischen Begründbarkeit der „versuchten“ mittelbaren Täterschaft ankäme. cc) Vorliegen einer Zurechnungsgrundlage Schwieriger als die Frage nach dem Zurechnungsgegenstand ist die Frage zu beantworten, ob es gerechtfertigt ist, dem Hintermann dieses Gesamtgeschehen zuzurechnen, wenn er es nur scheinbar in den Händen hält. Dafür ist zu klären, welche allgemeine Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage bei der mittelbaren Täterschaft zu stellen sind (1)) und (2)), um so ermitteln zu können, ob sie auch bei nur eingebildeter Tatherrschaft erfüllt sind (3)). (1) Allgemeine Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage Nach der Tatherrschaftslehre ist die beherrschende Stellung des mittelbaren Täters das maßgebliche Zurechnungskriterium.582 Die Tatherrschaft des 577 Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 638; ders., in: GedS Eckert (2008), S. 467, 471; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 160. 578 So auch Kadel, GA 1983, S. 299, 308. Siehe dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). zur Mittäterschaft. Umfassend zum aus der Eindruckstheorie folgenden Erfordernis einer Manifestation des deliktischen Willens auch Streng, ZStW 109 (1997), S. 862, 864 ff. 579 Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 638; ders., in: GedS Eckert (2008), S. 467, 472. Ihm zustimmend auch LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 160. 580 Zu diesem Einwand ausführlich bereits in Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (3). 581 Siehe Kap. 1 A. II. 1. 582 Statt vieler Beulke/Witzigmann, AL 2012, S. 251, 253; Krey/Esser, AT, Rn. 874; Mitsch, in: FS Küper (2007), S. 347, 353; Roxin, AT II, § 25 Rn. 45 f.; Weißer, S. 151.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge159
Hintermannes gründet sich darauf, dass er eine überlegene Position im Geschehen einnimmt, die es ihm ermöglicht, den Tatmittler als Werkzeug zum Zwecke der Tatausführung zu instrumentalisieren. Gerade in den Fällen der mittelbaren Täterschaft, in denen allein dem Vordermann die Handlungsund Gestaltungsherrschaft zukommt, sind an die Tatherrschaft des Hintermannes hohe Anforderungen zu stellen: Bei ihm muss die maßgebende und letzte Entscheidung über die Tatausführung liegen.583 Woraus sich genau diese überlegene Stellung ableiten kann, ist umstritten. Zum Teil wird dem Verantwortungsprinzip eine begrenzende Funktion zugeschrieben: Die Rechtsordnung würde mit sich selbst in Widerspruch geraten, wenn sie „einerseits den unmittelbar Handelnden zur vollen Verantwortung ziehen und damit die Freiheit seines Tatentschlusses voraussetzen, andererseits sein Verhalten aber als vom Hintermann beherrscht und damit unfrei ansehen [würde]“584. Daraus folge, dass eine Tatherrschaft des mittelbaren Täters verneint werden müsse, wenn der unmittelbar Handelnde vollverantwortlicher Täter sei.585 Diese zugegebenermaßen äußerst praktikable Lösung ist zu schematisch und wird damit der Struktur der Tatherrschaft nicht gerecht.586 Ausgangspunkt der Betrachtung kann nach der Tatherrschaftslehre nicht der Vorder-, sondern allein der Hintermann sein. Seine Stellung im Geschehen und damit seine Verantwortung für den deliktischen Erfolg gilt es zu untersuchen. Dann kann es aber auch nur darauf ankommen, inwieweit er das Geschehen gesteuert hat, sodass die fehlende Verantwortung weder bereits automatisch die Tatherrschaft begründet, noch die strafrechtliche Verantwortung des Vordermannes die Tatherrschaft des mittelbaren Täters zwingend ausschließt.587 In Fällen, in denen der Vordermann selbst die strafrechtliche Verantwortung für 583 Roxin,
Täterschaft und Tatherrschaft, S. 144. Verbrechenslehre, S. 141. 585 So Bloy, Beteiligungsform, S. 345 ff.; Gallas, Verbrechenslehre, S. 99; Jakobs, AT, § 21 Rn. 94; Jescheck/Weigend, AT, S. 664, 669 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 880; Kühl, AT, § 20 Rn. 64, 70, 72 (der allerdings in eng umgrenzten Fällen Ausnahmen anerkennen will); Maiwald, ZStW 93 (1981), S. 890, 891 ff. Ebenso Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 146–148; ders., AT II, § 25 Rn. 48, der das Verantwortungsprinzip allerdings nur auf die Nötigungs- und nicht auf die Irrtumsherrschaft anwenden will, vgl. ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 728 ff. Kritisch dazu Küper, JZ 1989, S. 935, 946 f. Vgl. zum Verantwortungsprinzip auch Beulke/Witzigmann, AL 2012, S. 251, 254; Küper, JZ 1989, S. 935, 941 ff.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 62 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 22; Weißer, S. 151 ff. jew. m. w. N. Kritisch Frister, AT, § 27 Rn. 3 f. 586 Kritisch zum Verantwortungsprinzip und seinem Aussagegehalt für die Tatherrschaft des mittelbaren Täters auch Marlie, Unrecht, S. 101 ff. 587 Frister, AT, § 27 Rn. 4; Gropp, AT, § 10 Rn. 150; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 65; Weißer, S. 152 f. 584 Gallas,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sein Handeln trägt, kann nichtsdestotrotz ein gewichtiger steuernder Einfluss des Hintermannes bestehen, bspw. wenn der Tatmittler unter Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse zur Tat bestimmt wird. In diesen Fällen der Organisationsherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate kann der Einfluss des mittelbaren Täters unter Umständen sogar größer sein als bei Einsatz eines gutgläubigen und damit strafrechtlich nicht verantwortlichen Vordermannes.588 Zu Recht wird daher überwiegend unabhängig von der strafrechtlichen Verantwortung des Hintermannes darauf abgestellt, ob der Hintermann die Unterlegenheit des Tatmittlers zum Zwecke der Tatausführung ausnutzt, wobei ein Strafbarkeitsdefizit beim Vordermann nur ein Indiz für die Tatherrschaft ist.589 Weist der Tatmittler einen strafbarkeitsausschließenden Defekt auf, verringert dies zumindest den Begründungsaufwand für die Überlegenheit des Hintermannes und somit seine Steuerungsmacht.590 Die spezifische Überlegenheitsposition des mittelbaren Täters ergibt sich dabei entweder aus einer Überlegenheit im Wissen oder im Willen.591 Im Willen überlegen ist der Hintermann insbesondere dann, wenn er den Vordermann in eine Zwangslage bringt, die dessen Verantwortung für das Geschehen nach § 34 StGB, § 35 StGB oder den Grundsätzen des übergesetzlichen entschuldigenden Notstandes ausschließt. Eine Irrtumsherrschaft kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Vordermann einem Tatbestandsirrtum, Erlaubnistatbestandsirrtum oder Verbotsirrtum unterliegt oder durch Täuschung zu einer Selbstschädigung bewegt wird.592 Auch die Benutzung Schuldunfähiger zur Deliktsverwirklichung steht den Nötigungs- und Irrtumsfällen nahe, denn auch hier nutzt der Hintermann die fehlende Widerstandskraft oder Einsicht des Vordermannes für seine Zwecke aus.593 Nicht in diese Kategorien einordnen lässt sich die Eingliederung des Tatmittlers in einen hierarchisch strukturierten Machtapparat, kraft dessen der Hintermann ihn auch ohne Nötigung oder Täuschung dirigieren kann. Die mittelbare Tä588 Fad,
S. 150.
589 Beulke/Witzigmann,
AL 2012, S. 251, 253; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 65 ff. 590 Weißer, S. 153. Urban, S. 95 spricht von einer Indizwirkung des Verantwortungsprinzips. Ähnlich auch Kutzner, S. 142 f. 591 MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 55; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 7; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 41. Verbreitet wird auch von einer „Nötigungs“- und „Irrtumsherrschaft“ gesprochen, vgl. Hoffmann-Holland, AT, Rn. 484; Koch, JuS 2008, S. 399; Roxin, AT II, § 25 Rn. 46. 592 Ausführlich zu den anerkannten Fallgruppen mittelbarer Täterschaft Beulke/ Witzigmann, AL 2013, S. 59 ff.; Koch, JuS 2008, S. 399 ff., 496 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 46 ff.; Kutzner, S. 45 ff.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 69 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 142 ff.; Weißer, S. 190 ff., 215 ff., 253 ff., 278 ff. 593 LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 67.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge161
terschaft kraft organisatorischer Machtapparate stellt somit strukturell eine selbstständige Erscheinungsform der mittelbaren Täterschaft dar.594 Die Herrschaftsposition kann sich der Hintermann jedenfalls dadurch verschaffen, dass er selbst das Wissens- oder Willensdefizit beim Vordermann hervorruft, indem er ihn selbst täuscht beziehungsweise nötigt.595 Im Falle der Irrtumsherrschaft wird eine Tatherrschaft von vielen Autoren aber auch dann bejaht, wenn der mittelbare Täter lediglich einen bereits zuvor bestehenden Irrtum zur Tatbegehung ausnutzt, weil es nur darauf ankomme, dass der Tatmittler als blinder Kausalfaktor eingesetzt werde und es somit allein der Hintermann sei, der das Geschehen final steuere.596 Bei der Nötigungsherrschaft müsse dagegen grundsätzlich eine selbst geschaffene Zwangslage zur Instrumentalisierung genutzt werden.597 Zum Teil wird eine mittelbare Täterschaft aber auch generell für möglich gehalten, wenn der Hintermann einen beim Vordermann bestehenden Irrtum beziehungsweise einen bereits auf diesen wirkenden Nötigungsdruck für seine Zwecke ausnutzt.598 Somit zeigt sich, dass die Bestimmung der Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft noch mehr als bei der Mittäterschaft auf einer normativen Wertung basiert. Die mittelbare Täterschaft demonstriert besonders deutlich, warum es sich bei der Tatherrschaft um einen offenen Begriff handelt:599 Die Tatherrschaft des mittelbaren Täters lässt sich nicht anhand einer generalisierenden Definition beschreiben, aus der sich die Lösung aller Fälle der mittelbaren Täterschaft „logisch-deduktiv ableiten“ lässt. Vielmehr lassen sich die Charakteristika der Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft nur anhand einer „unmittelbaren Anschauung […] und […] Analyse“ der Erscheinungsformen beschreibend ermitteln.600 Die mittelbare Täterschaft lässt sich nicht 594 Roxin,
Täterschaft und Tatherrschaft, S. 142; ders., AT II, § 25 Rn. 46. Tatherrschaft, S. 84 f.; Kindhäuser, in: FS Bemmann (1997), S. 339, 348; Mitsch, in: FS Küper (2007), S. 347, 355 f.; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 58, 61, 87; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 96, 98 f., 101–106. 596 So Frister, AT, § 27 Rn. 17 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 48; Roxin, AT II, § 25 Rn. 64. 597 So Frister, AT, § 27 Rn. 30 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 669; Maurach/Gössel/ Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 52 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 101. Nach Roxin, AT II, § 25 Rn. 52 kann die Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage nur dann Tat herrschaft begründen, wenn die Rettung an die Bedingung einer Straftat geknüpft oder wenn dem in Notstand geratenen überhaupt erst die Möglichkeit verschafft wird, sich auf Kosten Unschuldiger zu retten. 598 Beulke/Witzigmann, AL 2012, S. 251, 256 f. (die jedoch einschränkend fordern, dass die Instrumentalisierung beim Vordermann den Handlungsentschluss hervorrufen muss); Hoffmann-Holland, AT, Rn. 484; Krey/Esser, AT, Rn. 874, 890; LK-StGBSchünemann, § 25 Rn. 71. 599 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 122 ff., 251. 600 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 251. Vgl. auch Weißer, S. 37 f. 595 Haas,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
auf gemeinsame, für alle Fallgruppen gleichermaßen geltende Voraussetzungen stützen, sondern es muss für jeden Einzelfall geprüft werden, ob der Hintermann eine überlegene Position innehat, die ihn als eigentliche Zentralgestalt des Geschehens ausweist. Dafür muss der Tatmittler dem Hintermann aus irgendeinem Grund unterlegen sein und der mittelbare Täter muss diesen Umstand dann zur Tatausführung ausnutzen, sodass der Vordermann als bloßes Werkzeug des Hintermannes erscheint. (2) Z urechnungsgrundlage bei eigener Ausführungshandlung des mittelbaren Täters Bei einer gesamttatbezogenen Versuchsbestimmung tritt die Gesamttat zwar in der Regel, nicht aber zwingend erst dann in das Versuchsstadium ein, wenn der Tatmittler mit der Ausführung beginnt. In Ausnahmefällen wie beispielsweise dem Jagd-Fall601, in dem sich die Tatausführung unmittelbar an die Instrumentalisierung anschließen soll, beginnt der Versuch bereits mit der Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters.602 Fraglich ist daher, ob es auch in dieser Variante der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft der Willensherrschaft des Hintermannes bedarf, um seine Versuchsstrafbarkeit zu begründen. Weil er es ist, der die Ausführungshandlung vornimmt, ist möglicherweise eine Zurechnung gar nicht erforderlich, sodass es auch auf die Frage der tatherrschaftlichen Steuerung des Vordermannes nicht ankommt, weil diese nur erforderlich ist, um die Zurechnung zu legitimieren.603 Die Tatherrschaft erfüllt die Funktion, die Verantwortung für ein Außenweltgeschehen zu begründen, das die Subsumtionsgrundlage für die Tatbestandsverwirklichung bildet. Hat der Täter aber in eigener Person Handlungen vollzogen, die sämtliche Merkmale des Versuchstatbestandes verwirklichen, bedarf es gar keiner Erweiterung dieses Geschehens um die Handlungen anderer Personen, um seine Strafbarkeit begründen zu können. Der Willensherrschaft ebenso wie der funktionellen Tatherrschaft bedarf es jedoch nur, um die Verantwortung für ein solches erweitertes Gesamtgeschehen, das sich aus einer Vielzahl von Handlungen unterschiedlicher Personen zusammensetzt, zu begründen. Dass er für die von ihm selbst vollzogene Versuchshandlung einzustehen hat und damit den objektiven Versuchstatbestand verwirklicht, ergibt sich in diesem Fall bereits aus der Eigenhändigkeit des Vollzuges, mithin seiner Handlungs- und Gestaltungsherrschaft. Daraus 601 Vgl.
Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). dazu ausführlich in Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). und Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). 603 So Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 130; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467, 468 m. Fn. 5. 602 Siehe
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge163
folgt, dass es einer Willensherrschaft nur bedarf, wenn das objektive Geschehen, das den Versuchstatbestand verwirklicht und für das es die täterschaftliche Verantwortung zu begründen gilt, auch aus Handlungen des Tatmittlers besteht. Dennoch kann die Tatsache, dass die Tat eigentlich durch einen anderen begangen werden sollte, die Instrumentalisierung des Tatmittlers aber fehlgeschlagen ist, für die Strafbarkeit wegen mittelbar-täterschaftlichen Versuchs auch bei eigenhändiger Vornahme der Ansatzhandlung nicht völlig bedeutungslos sein. Zum einen macht sie aus dem Versuchsgeschehen einen untauglichen Versuch, denn die Tatbestandsverwirklichung durch einen anderen ist dem mittelbaren Täter wegen der missglückten Instrumentalisierung objektiv von Anfang an unmöglich. Zum anderen dient die Vorstellung von der geplanten fremdhändigen Ausführung als Grundlage für die Beurteilung, ob die vom mittelbaren Täter vollzogene Handlung bereits eine hinreichende Nähe zur geplanten Gesamttat aufweist. Für diese Beurteilung ist jedoch von vornherein allein die subjektive Vorstellung des Hintermannes vom weiteren Geschehen604 und nicht die Frage relevant, ob es tatsächlich zu einer Ausführung durch einen gesteuerten Tatmittler gekommen ist. Zur Begründung seiner Versuchsstrafbarkeit kommt es in den Fällen, in denen es der Hintermann selbst ist, der die Ansatzhandlung vornimmt, also jedenfalls nicht darauf an, inwieweit er objektiv bereits über eine Willensherrschaft verfügt. Allein für die Strafzumessung erlangt diese Frage Relevanz. Jedenfalls für diese Variante der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft lässt sich somit eine Versuchsstrafbarkeit dogmatisch konstruieren.605
604 Vgl.
Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (3). auch Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 130; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467, 468 m. Fn. 5. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der oben zur Einzellösung getroffenen Feststellung, dass auch nach ihr eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Irrtums des vermeintlichen mittelbaren Täters unausweichlich ist. Entscheidender Unterschied ist nämlich, dass die Einzellösung mit der Instrumentalisierungshandlung des Hintermannes auch dann den Versuchsbeginn begründen will, wenn diese nach den zur Alleintäterschaft entwickelten Kriterien keine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist. Daher ist die Einzellösung genötigt, diese Vorverlagerung für diejenigen Fallgestaltungen zu rechtfertigen, in denen die Eigenheiten der mittelbaren Täterschaft objektiv fehlen. Nach dem hier vorgeschlagenen Modell soll die Einwirkungshandlung dagegen nur dann den Eintritt in das Versuchsstadium begründen, wenn auch ein Alleintäter mit dieser Handlung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzen würde, sodass mit ihm keine Vorverlagerung des Versuchsbeginns gegenüber der Alleintäterschaft stattfindet. 605 So
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
(3) Z urechnungsgrundlage in den übrigen Fällen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft Schwierigkeiten bereitet somit nur die Beurteilung derjenigen Fälle, in denen die Handlung des Tatmittlers den Versuchsbeginn markiert. Ob eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters dogmatisch begründbar ist, hängt in dieser Konstellation davon ab, ob trotz der missglückten Instrumentalisierung eine hinreichende Legitimation für die Zurechnung der Gesamttat als tatsächlichem Außenweltgeschehen existiert. Entscheidend ist, ob auch der vermeintliche mittelbare Täter über eine Steuerungsmacht verfügt ((a) und (b)) beziehungsweise ob bereits die Vorstellung vom Bestand einer solchen Steuerungsmacht die Zurechnung legitimieren kann (c)). (a) Willensherrschaft des vermeintlichen mittelbaren Täters Für die vermeintliche mittelbare Täterschaft ist kennzeichnend, dass der Hintermann meint, sich eines ihm unterlegenen Tatmittlers zur Tatausführung zu bedienen, dieser jedoch das Geschehen tatsächlich vollständig überblickt.606 So geht im Injektionsspritzen-607, Salzsäure-608 und Jagd-Fall609 der Hintermann davon aus, beim Vordermann einen strafbarkeitsausschließenden Tatbestandsirrtum hervorgerufen zu haben, während der Tatmittler tatsächlich die Täuschung durchschaut und aus einem eigenverantwortlich und frei gefassten Entschluss heraus entweder wie im Salzsäurefall entscheidet, von der Tatausführung Abstand zu nehmen oder die Tat wie im Injektionsspritzenoder Jagd-Fall dennoch aus eigenen Motiven heraus durchzuführen. Somit fehlt es in der Konstellation der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft an einer Unterlegenheit des Tatmittlers, die den Hintermann als eigentlichen Herrn der Tat ausweist und damit an einer Tatherrschaft des Hintermannes.610 (b) W illensherrschaft bei zunächst erfolgreicher Instrumentalisierung des Tatmittlers Fraglich ist, ob dies tatsächlich für alle Fallgestaltungen gleichermaßen gilt. Eine vermeintliche mittelbare Täterschaft liegt auch dann vor, wenn der Hin606 Vgl.
dazu auch bereits Kap. 1 A. II. 1. A. II. 1. 608 Kap. 1 A. II. 1. 609 Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). 610 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 117; Ernst, ZJS 2011, S. 382, 385; Kadel, GA 1983, S. 299, 308 f.; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467, 472 f.; Kudlich, JuS 2003, S. 755, 757; Kühl, AT, § 20 Rn. 83; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 897. 607 Kap. 1
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge165
termann den Tatmittler tatsächlich zunächst erfolgreich täuschen und damit für seine Zwecke instrumentalisieren konnte und es dem Vordermann erst später gelingt, die Täuschung zu durchschauen. Ein Beispiel für diese Konstellation bildet der sog. Salzsäure-Fall:611 A hatte vor, J durch B zu töten, indem er diesem vorspiegelte, in der überreichten Plastikflasche befinde sich ein Schlafmittel, das B die Ausführung des Raubes erleichtere. Dass die Plastikflasche tatsächlich hochprozentige Salzsäure enthält, bleibt B zunächst verborgen. Erst unterwegs zu J öffnet er die Flasche und durchschaut aufgrund des ätzenden Geruchs die Täuschung. Hätte B dennoch die Tatausführung fortgesetzt und damit begonnen, J die Salzsäure zu verabreichen, sodass ein tauglicher Zurechnungsgegenstand vorläge, müsste man sich fragen, ob auch in dieser Konstellation eine Grundlage für die Zurechnung fehlt. Möglicherweise kann die Zurechnung hier auf die zunächst erfolgreiche Instrumentalisierung des Tatmittlers gestützt werden. Dazu gilt es zu klären, zu welchem Zeitpunkt die Steuerungsmacht des mittelbaren Täters bestehen muss. Die Tatherrschaft lässt sich nicht losgelöst, sondern nur in Bezug auf das tatbestandsmäßige Geschehen ermitteln.612 Sie dient dazu, die Verantwortung des Täters für die Gesamttat zu begründen. Dadurch, dass der Hintermann den Tatmittler steuert, erlangt er mittelbar auch die Herrschaft über die von diesem verwirklichten Tatteile.613 Wenn es aber dieser steuernde Einfluss des Hintermannes ist, der seine Verantwortung für das Gesamtgeschehen begründet, kann es auch nur darauf ankommen, ob sich der Einfluss des mittelbaren Täters auf sein Werkzeug tatsächlich auf dessen Tatausführung ausgewirkt hat. Auf eine im Vorfeld der Tatausführung bestehende Steuerungsmacht kann die Tatherrschaft über die nicht eigenhändig verwirklichten Handlungen des Tatmittler also nur dann gestützt werden, wenn diese Steuerungsmacht bis in die Tatausführung fortwirkt. Sobald aber das Defizit des Tatmittlers entfällt, bspw. weil er die Täuschung durschaut, verliert der Hintermann seinen Einfluss auf ihn und damit die Tatherrschaft über die von ihm vollzogenen Handlungen.614 Die Willensherrschaft gründet sich gerade auf eine spezifische Unterlegenheit des Tatmittlers, wegen der seine Entscheidung über die Tatausführung nicht freiverantwortlich erscheint. Wenn allerdings die Unterlegenheit vor der Tatausführung beseitigt wird, erfolgt die Vornahme der Ausführungshandlung aus einer eigenen und freien Entscheidung heraus, weshalb der Hintermann auf diese Handlung keinen steuernden Einfluss mehr besitzt. Bestehen bleibt allein die bestimmende Wirkung, die seine In611 Siehe
bereits oben Kap. 1 A. II. 1. zur Mittäterschaft auch bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 613 Statt vieler MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 54 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 45; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 75. 614 Kadel, GA 1983, S. 299, 308 f. 612 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
strumentalisierungshandlung möglicherweise auf den Tatmittler hat. Denn auch wenn der Vordermann letztendlich frei über die Ausführung der Tat entscheidet, weil er das Geschehen in vollem Umfang überblickt, war es möglicherweise erst die Einwirkung seitens des mittelbaren Täters, die ihn auf die Idee gebracht hat, die Tat zu begehen. So hat B im Jagd-Fall615 zwar freiverantwortlich entschieden, auf G zu schießen, weil ihm bewusst war, dass das anvisierte Objekt kein Wildschwein, sondern G ist, nichtsdestotrotz hätte er wohl nicht auf sie geschossen, wenn F ihn nicht dazu aufgefordert hätte. Auf diesen möglicherweise fortbestehenden bestimmenden Einfluss kann jedoch die Willensherrschaft und damit die Verantwortlichkeit als mittelbarer Täter nicht gestützt werden, denn er ist gerade charakteristisch für den Anstifter und kann daher nicht zugleich die Täterschaft begründen. Somit kommt es nicht darauf an, ob es dem mittelbaren Täter irgendwann einmal gelungen ist, den Tatmittler für die Tatausführung zu instrumentalisieren, sondern diese Steuerungsmacht muss auch gerade zum Zeitpunkt der Tatausführung fortbestehen. Wird jedoch die Unterlegenheit des Vordermannes beseitigt, entfällt auch der steuernde Einfluss des Hintermannes und damit seine Tatherrschaft. Damit fehlt es auch in den Konstellationen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft, in denen die Instrumentalisierung zumindest zunächst erfolgreich war, an einer Willensherrschaft des scheinbaren mittelbaren Täters. (c) V orstellung vom Bestand einer Willensherrschaft als Zurechnungsgrundlage Fehlt es demnach in allen Varianten der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft objektiv an einer Willensherrschaft des mittelbaren Täters, welche die Zurechnung der Gesamttat legitimieren könnte, stellt sich die Frage, ob die Vorstellung des Hintermannes vom Bestand einer solchen Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage fungieren kann. Anders als bei der vermeintlichen Mittäterschaft, bei der über die Frage, ob auch eine nur eingebildete Tatherrschaft die Zurechnung rechtfertigen kann, lebhaft diskutiert wird,616 wird eine Zurechnung im Falle nur eingebildeter Tatherrschaft zumeist ohne Begründung pauschal verneint617 bzw. bejaht618. 615 Vgl.
Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (c). 617 Baumann, JZ 1958, S. 230, 233; Kadel, GA 1983, S. 299, 309; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467, 468, 473; Kühl, AT, § 20 Rn. 86 m. Fn. 131c (Eine Versuchsstrafbarkeit lasse sich nur auf dem Boden der (modifizierten) Einzellösung begründen); Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 900 (Nach der Gesamtlösung könne ein mittelbartäterschaftlicher Versuch nicht begründet werden, weil ein vom Hintermann beherrschter vorsatzloser Tatmittler hier völlig fehle); v. Uthmann, NJW 1961, S. 1908, 1909. 616 Vgl.
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge167
Die Rechtsprechung hatte sich mit dieser Frage bislang nur vereinzelt auseinanderzusetzen: Sie will die Fälle vermeintlicher mittelbarer Täterschaft über eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs in mittelbarer Täterschaft erfassen. Die Tatsache, dass der Hintermann nur irrig an die Handlungsbereitschaft des Tatmittlers geglaubt habe, dieser jedoch in Wirklichkeit zur Tatausführung nie bereit war, stehe dem nicht entgegen, da es nur auf die Vorstellung des mittelbaren Täters von der Tauglichkeit seiner Handlung ankomme.619 Allerdings konnte in allen von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen mit der eigenen Handlung des Hintermannes – wenn auch nicht immer überzeugend620 – dessen unmittelbares Ansetzen begründet werden, sodass es einer Zurechnung fremden Handelns gar nicht bedurfte.621 In dieser Konstellation lässt sich aber auch nach der hier vertretenen Auffassung bereits eine Versuchsstrafbarkeit begründen, ohne dass es auf die Grundfrage nach den Auswirkungen des Irrtums über die tatherrschaftsbegründenden Umstände ankommt. Somit hatte sich die Rechtsprechung mit der hier untersuchten Frage nach den Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage bislang noch gar nicht auseinanderzusetzen. Beulke will die bloße Vorstellung des Tatveranlassers, er steuere den Vordermann, deswegen nicht ausreichen lassen, weil andernfalls eine Versuchsstrafbarkeit auch dann bejaht werden müsse, wenn sich der Hintermann die Ausführungshandlung des Tatmittlers nur vorgestellt habe, dieser aber tatsächlich untätig geblieben ist.622 Dies sei jedoch mit dem Charakter des unmittelbaren Ansetzens, das sich aus objektiven und subjektiven Komponenten zu618 Bock, JA 2007, S. 599, 600; Ernst, ZJS 2011, S. 382, 387; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 628; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 38; Herzberg, JuS 1974, S. 574, 575; Jakobs, AT, § 24 Rn. 5; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 537; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 146; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 160; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Norouzi, JuS 2007, S. 146, 152; Schapiro, JA 2005, S. 615, 620; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 144. 619 RGSt 53, 45, 46; RGSt 57, 274 f. (Das RG will so sogar eine Strafbarkeit aus vollendetem mittelbar-täterschaftlichem Delikt begründen); RGSt 60, 365, 370; BGHSt 30, 363, 366; BGH NStZ 1986, 547. 620 So nimmt auch der BGH grds. an, die Einwirkung auf den Tatmittler könne nur dann ein unmittelbares Ansetzen begründen, wenn der Tatmittler nach dem Tatplan in unmittelbarem Anschluss die Tat ausführen soll und damit das geschützte Rechtsgut bereits gefährdet ist, BGHSt 30, 363, 365. Diese Anforderungen sollen im SalzsäureFall erfüllt sein, BGHSt 30, 363, 366, obgleich der Tatmittler sich erst noch zum Opfer begeben und diesem das angebliche Schlafmittel verabreichen soll, sodass wegen der räumlich-zeitlichen Zäsur beim Einzeltäter wohl kein unmittelbares Ansetzen vorläge, vgl. Kap. 1 A. II. 2. b) aa) und Kap. 2 A. II. 2. b) ff) (6). 621 Vgl. RGSt 53, 45, 46; BGHSt 30, 363, 365 f.; BGH NStZ 1986, 547. 622 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 129. Auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 900 geht davon aus, die Situation entspräche der Konstellation, in der ein vom mittelbaren Täter instrumentalisierter Tatmittler untätig geblieben ist.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sammensetze, nicht vereinbar.623 Zurechnung setze zwingend die tatsächliche Möglichkeit des Zurechnungssubjekts voraus, auf das Geschehen Einfluss zu nehmen.624 Diese Argumentation vermischt jedoch zwei voneinander zu trennende Ebenen – nämlich den Zurechnungsgegenstand und die Zurechnungsgrundlage.625 Nach der hier vertretenen gesamttatbezogenen Methode zur Bestimmung des Versuchsbeginns ist zunächst das objektiv verwirklichte Geschehen auf seine Nähe zur Verwirklichung der geplanten Gesamttat zu untersuchen. Dabei spielt es keine Rolle, wer im Einzelnen welche Handlung vorgenommen hat, sondern das objektive Geschehen wird einheitlich als Gesamttat untersucht. Liegt ein solches objektives Geschehen vor, das nach den allgemeinen Kriterien in einem hinreichenden Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung steht, so fungiert dieses als Zurechnungsgegenstand, für den dann in einem zweiten davon zu trennenden Schritt die täterschaftliche Verantwortung ermittelt wird.626 Wenn Beulke nun argumentiert, bei einer Subjektivierung der Zurechnungsgrundlage müsse die Gesamtlösung einen Versuchsbeginn auch dann annehmen, wenn der Tatmittler völlig untätig ist und der Hintermann sich seine Tathandlung nur vorstellt, vernachlässigt er die Struktur der Zurechnung. Die Frage, ob tatsächlich objektiv ein Beitrag vorliegt, der die Gesamttat in das Versuchsstadium bringt, ist auf der Ebene des Zurechnungsgegenstandes anzusiedeln. Dass dieser jedoch rein objektiv zu bestimmen ist und nicht durch die Vorstellung des Hintermannes vom Vorliegen einer Ansatzhandlung ersetzt werden kann, wurde bereits gezeigt.627 Daher kann die Konstellation der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft der völligen Untätigkeit des Tatmittlers nicht gleichgestellt werden, denn bei der scheinbaren mittelbaren Täterschaft existiert anders als bei völliger Untätigkeit ein objektives Geschehen, das nach den allgemeinen Kriterien eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist und damit als Zurechnungsgegenstand fungiert. Damit wird auf ein objektives Versuchselement auch bei einer Subjektivierung der Zurechnungsgrundlage nicht verzichtet. Weil allein überlegt wird, an die Vorstellung des mittelbaren Täters als Zurechnungsgrundlage anzuknüpfen, greift die Kritik Beulkes, die sich gegen eine Subjektivierung des Zurechnungsgegenstandes richtet, nicht durch. Kadel will nicht auf die Vorstellung vom Bestand der Tatherrschaft abstellen, weil sich sonst die Lehre von der Tatherrschaft nicht von der subjektiven Theorie unterschiede.628 Richtig ist, dass bei einer Subjektivierung der Zu623 Beulke,
in: FS Kühl (2014), S. 115, 129. in: FS Kühl (2014), S. 115, 130. 625 Zur Terminologie siehe Kap. 1 A. II. 2. c) aa). 626 Vgl. dazu ausführlich Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). und Kap. 1 A. II. 2. c) bb). 627 Siehe Kap. 1 A. II. 2. c) bb). 628 Kadel, GA 1983, S. 299, 309. 624 Beulke,
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge169
rechnungsgrundlage die täterschaftliche Verantwortung für das Versuchsdelikt allein auf die Vorstellung vom Bestand der Tatherrschaft gestützt würde. Fraglich ist jedoch, ob damit wirklich die Tatherrschaftslehre aufgegeben oder diese nur konsequent auf das Versuchsdelikt angewendet würde. Der Beurteilungsgrundlage beim Versuch ist eine gewisse Subjektivierung immanent, weil das objektive Geschehen bislang nur unvollständig verwirklicht ist. Auch bezüglich der übrigen Tatbestandsmerkmale erfolgt die Subsumtion allein anhand des Tatentschlusses, sodass sich die Frage stellt, ob dies für die Tätermerkmale ebenso möglich ist. Nur eine solche Untersuchung kann zeigen, ob eine Subjektivierung der Zurechnungsgrundlage mit der Tatherrschaftslehre vereinbar ist oder ob durch sie zu einer subjektiven Theorie zurückgekehrt würde. Damit setzt der Einwand Kadels bereits die erst noch zu untersuchende Prämisse, allein auf die Vorstellung vom Bestand der Tatherrschaft könne auch beim Versuch nach der Tatherrschaftslehre nicht abgestellt werden, voraus. An dieser Frage setzt auch die Argumentation Roxins an. Er begründet die Versuchsstrafbarkeit bei der irrtümlichen Annahme tatherrschaftsbegründender Umstände damit, dass Täterschaft materiell Tatbestandsverwirklichung sei, sodass sich versuchte Täterschaft als versuchte Tatbestandsverwirklichung darstelle.629 Es handele sich um einen Versuch mit untauglichen Mitteln.630 Damit setzt aber auch er die erst noch zu untersuchende Frage nach dem Charakter der tatherrschaftsbegründenden Umstände und ihrer Zugänglichkeit für die Anwendung allgemeiner Regeln bereits als gegeben voraus.631 Somit zeigt sich, dass die Frage, ob auch die Vorstellung vom Bestand einer Willensherrschaft als Zurechnungsgrundlage fungieren und damit eine Versuchsstrafbarkeit im Falle vermeintlicher mittelbarer Täterschaft dogmatisch begründbar ist, bislang nicht schlüssig beantwortet wurde. Noch mehr als bei der Mittäterschaft mangelt es der Diskussion an einer Untersuchung der Struktur der mittelbaren Täterschaft und insbesondere des Verhältnisses subjektiver und objektiver Täterschaftsvoraussetzungen.632 Nur mithilfe dieser lässt sich jedoch der Charakter der täterschaftsbegründenden Voraussetzungen und damit ihre Zugänglichkeit für die Anwendung allgemeiner Regeln ermitteln. Essentiell für die Begründbarkeit der Versuchsstrafbarkeit ist demnach, in welchem Verhältnis die tatherrschaftsbegründenden Merkmale zu den übrigen Tatbestandsmerkmalen stehen.633 Erst wenn dies geklärt ist, 629 Roxin,
AT II, § 25 Rn. 165. Ebenso LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 146. AT II, § 25 Rn. 165. 631 Ebenso auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 903. 632 Allein Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff. und Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 904 ff. setzen sich mit dieser Frage und ihrer Bedeutung für den Irrtum über die Täterrolle auseinander. 633 So auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 24 f.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 903. 630 Roxin,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
lässt sich schlüssig begründen, ob die Vorstellung vom Bestand der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage fungieren kann.634 d) Zwischenergebnis und offene Fragestellungen Die dogmatische Konstruktion einer Versuchsstrafbarkeit im Falle nur vermeintlicher mittelbarer Täterschaft ist nicht bereits ausgeschlossen, weil die Versuchsregeln auf diese Fälle keine Anwendung finden, sondern hängt davon ab, ob der Hintermann auch bei nur scheinbar erfolgreicher Instrumentalisierung des Tatmittlers zur Verwirklichung der Gesamttat unmittelbar angesetzt hat.635 Ebenso wie bei der Mittäterschaft636 ist der Versuchsbeginn dabei gesamttatbezogen nach den allgemeinen Kriterien für das insgesamt verwirklichte Geschehen zu bestimmen.637 Beurteilungsgrundlage bildet die Vorstellung des Hintermannes von der Gesamttat.638 Liegt ein objektiver Außenweltvorgang vor, der nach diesen Regeln eine hinreichende Nähe zur Tatbestandsverwirklichung aufweist, stellt dieser einen hinreichenden Zurechnungsgegenstand dar, gleich von welchem Beteiligten er vorgenommen wurde.639 Daraus ergibt sich, dass Zurechnungsgegenstand in der Regel das Ausführungshandeln des Vordermannes ist, ausnahmsweise – nämlich dann, wenn sich hieran nach der Vorstellung des Hintermannes unmittelbar die Ausführung durch das Werkzeug anschließen soll – kann aber auch bereits die Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters als Zurechnungsgegenstand fungieren. Dagegen scheidet die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters zwingend aus, wenn es an einem objektiven Geschehen, das den Versuchsbeginn markieren könnte, vollständig fehlt und sich der Hintermann allein vorstellt, der Tatmittler habe mit der Ausführung begonnen. Die Vorstellung des Hintermannes ist Beurteilungsgrundlage, kann jedoch den Beurteilungsgegenstand nicht ersetzen.640 Für die übrigen Fälle der scheinbaren mittelbaren Täterschaft kommt es darauf an, ob auch bei nur eingebildeter Tatherrschaft des Hintermannes eine ausreichende Zurechnungsgrundlage existiert. An dieser Stelle muss danach 634 A. A. Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 907, der zwar diese Frage ebenfalls für essentiell hält, allerdings meint, sie stelle sich nur auf der Basis einer (modifizierten) Einzellösung, wohingegen die „Zurechnungslösung“ einen solchen Versuch per se nicht zulasse. 635 Siehe Kap. 1 A. II. 2. a). 636 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b). 637 Kap. 1 A. II. 2. b) ff). 638 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (3). 639 Vgl. Kap. 1 A. II. 2. c) bb). 640 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. II. 2. c) bb).
A. Analyse der Irrtümer und Lösungsvorschläge171
differenziert werden, wessen Handlung den Beginn der Ausführung markiert:641 Nimmt der mittelbare Täter selbst die Versuchshandlung vor, folgt die täterschaftliche Verantwortung für dieses Geschehen aus seiner Handlungs- und Gestaltungsherrschaft über diesen Tatteil, sodass es auf die Frage, ob er tatsächlich eine Willensherrschaft besaß, gar nicht ankommt. Für diese Konstellationen lässt sich demnach eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters dogmatisch begründen, ohne dass die Auswirkungen seines Irrtums einer näheren Betrachtung bedürfen. Für die Mehrzahl der Fälle, in denen es der Tatmittler ist, der mit seiner Handlung die Gesamttat in die Versuchsphase bringt, stellt sich dagegen die Frage, wie die Zurechnungsgrundlage bei der mittelbaren Täterschaft beschaffen sein muss. Weil es objektiv an einer Überlegenheit des Hintermannes und damit auch an einer Willensherrschaft fehlt, könnte bei der scheinbaren mittelbaren Täterschaft allein die Vorstellung vom Bestand einer solchen Steuerungsmacht als Zurechnungsgrundlage fungieren. Dies gilt selbst dann, wenn es dem mittelbaren Täter zunächst gelungen war, den Tatmittler als sein Werkzeug zu instrumentalisieren, er seinen Einfluss aber vor Beginn der Ausführung verloren hat, weil allein die Steuerungsmacht zum Zeitpunkt der Ausführung eine Verantwortung für das verwirklichte Geschehen begründen kann.642 Inwieweit auch die nur eingebildete Tatherrschaft die Zurechnung legitimieren kann, hängt vom Charakter der Zurechnungsvoraussetzungen ab. Nur wenn diese den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleichgestellt werden können, sind auf sie die allgemeinen Irrtumsregeln anwendbar. Daraus könnte dann folgen, dass der Mangel im objektiven Tatbestand, der den Versuch kennzeichnet, auch darin bestehen kann, dass die Täterschaftsvoraussetzungen nicht vorliegen. Nimmt man dagegen an, die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft nähmen eine Sonderstellung innerhalb des Tatbestandes ein, die ihren zwingenden Charakter begründet, ergibt sich daraus auch unmittelbar, dass die Vorstellung vom Bestand dieser Voraussetzungen als Zurechnungsgrundlage nicht genügt. Diese Grundfragen bilden somit den Schlüssel zur Auflösung der Streitfrage um die Versuchsstrafbarkeit bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft.643 Sie waren bislang jedoch kaum Gegenstand der Auseinandersetzung644 und bedürfen daher im Folgenden einer genaueren Untersuchung.
641 Vgl.
zu dieser Unterscheidung Kap. 1 A. II. 2. c) cc). Kap. 1 A. II. 2. c) cc). 643 Vgl. zu den parallelen Fragestellungen i. R.d. Mittäterschaft auch bereits Kap. 1 A. I. 3. d). 644 Bislang haben sich nur Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff., 24 ff. und Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 901 ff. mit diesen Fragen auseinandergesetzt. 642 Siehe
172
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände auf die Versuchsstrafbarkeit Es hat sich gezeigt, dass bei der Diskussion um die Begründbarkeit einer Versuchsstrafbarkeit bei der vermeintlichen Mittäterschaft bzw. mittelbaren Täterschaft bislang grundlegende Fragen vernachlässigt wurden, deren Beantwortung allein den Schlüssel zu einer überzeugenden dogmatischen Lösung der Fragestellung bilden kann. Namentlich gilt es zu klären, ob und ggf. inwieweit die Versuchsregel des § 22 StGB auch die Tätervoraussetzungen des § 25 StGB modifiziert. Dazu ist es unerlässlich, Struktur, Charakter und Funktion der Tätervoraussetzungen näher zu beleuchten.645 Bevor jedoch diesen Fragen nachgegangen werden kann (II.–IX.), muss zunächst mit Blick auf die bislang gewonnenen Erkenntnisse ermittelt werden, ob beiden Irrtümern überhaupt dieselben Grundfragen zugrunde liegen, sodass sie einer gemeinsamen Lösung zugänglich sind (I.).
I. Notwendigkeit und Möglichkeit einer einheitlichen Lösung Die bisherige Untersuchung der vermeintlichen Mittäterschaft auf der einen und der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft auf der anderen Seite hat ergeben, dass beide Irrtümer gleich strukturiert sind. Es stellt sich jeweils die Frage, ob derjenige, der seinen Tatentschluss selbst nicht betätigt hat und sich seine Herrschaft über die Ausführungshandlung nur einbildet, unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat und daher wegen Versuchs in Mittäterschaft bzw. mittelbarer Täterschaft strafbar ist. Dass für beide Fälle trotz der eigenen Untätigkeit im Ausführungsstadium überhaupt eine Versuchsstrafbarkeit erwogen werden kann, resultiert daraus, dass der Versuchsbeginn bei der gemeinschaftlichen ebenso wie bei der mittelbaren Tatbegehung gesamttatbezogen zu bestimmen ist.646 Entscheidend ist allein, wann die Gesamttat aus den Beiträgen der Mittäter bzw. des mittelbaren Täters und des Tatmittlers nach den allgemeinen, zum Versuch des Alleintä645 Dies arbeiten auch Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213 ff. überzeugend heraus. Sie unternehmen erstmals auch den Versuch zu untersuchen, warum es sich hierbei um zwingende Zurechnungsregeln handeln könnte. 646 Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) und Kap. 1 A. II. 2. b) ff). Für eine Vereinheitlichung der Bestimmung des Versuchsbeginns bei der mittelbaren und der Mittäterschaft sprechen sich auch Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628 und Küpper, GA 1986, S. 437, 447 aus. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung sieht auch Weißer, S. 490 ff.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 173
ters entwickelten Kriterien in das Versuchsstadium eintritt. Die Handlung, die diesen Übergang markiert, bildet bei beiden Beteiligungsformen den Zurechnungsgegenstand.647 Um dem Zurechnungssubjekt, d. h. dem passiven Beteiligten, die Verantwortung für dieses Geschehen zuschreiben und somit seine Versuchsstrafbarkeit begründen zu können, bedarf es einer Zurechnungsgrundlage, einer Legitimation für die Ingangsetzung des Zurechnungsmechanismus. Grundsätzlich rechtfertigt die Tatherrschaft die Zurechnung des Außenweltgeschehens. Sie ergibt sich bei der Mittäterschaft aus dem gemeinsamen Tatplan und einem eigenen wesentlichen Tatbeitrag648 und bei der mittelbaren Täterschaft aus der Instrumentalisierung und Steuerung des Tatmittlers649. Beide Irrtumskonstellationen zeichnet nun aus, dass diese herrschaftsbegründenden Umstände allein in der Vorstellung der vermeintlichen Täter vorliegen. Deshalb ist entscheidend, ob auch diese Vorstellung die Zurechnung der Ansatzhandlung tragen kann.650 Dass diese Grundfrage beiden Irrtumskonstellationen gleichermaßen zugrunde liegt und sie zudem auf demselben Zurechnungsmodell beruhen, spricht dafür, eine einheitliche Lösung für beide Irrtümer zu suchen.651 Einziger Grund für eine abweichende Behandlung beider Irrtümer könnte die unterschiedliche Ausgestaltung des Zurechnungsgegenstandes sein. So zeichnet die vermeintliche mittelbare Täterschaft aus, dass der Tatmittler mehr tut oder weiß als erwartet, also entgegen der Vorstellung des Hintermannes volldeliktisch handelt. Er verwirklicht demnach selbst Unrecht, das dann dem Hintermann über § 25 I Var. 2 StGB zugerechnet werden könnte. Im Falle der Mittäterschaft wirkt der vermeintliche Mittäter dagegen nur zum Schein mit, bleibt also hinter der Erwartung seines Komplizen zurück, weil er unvorsätzlich handelt und in eigener Person gerade nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Das tatsächliche Außenweltgeschehen, das den übrigen Mittätern zugerechnet werden könnte, ist also kein deliktisches Geschehen. Fraglich ist jedoch, ob sich dieser Unterschied auch auf die rechtliche Würdigung der Konstellation auswirkt und eine divergierende Beurteilung der Irrtümer gebietet. Dagegen spricht, dass die Mittäterschaft ebenso wie 647 Als Zurechnungsgegenstand wird das Verhalten bezeichnet, die Veränderung der Außenwelt, für die der Täter zur Verantwortung gezogen werden soll, vgl. bereits Kap. 1 A. I. 3. c) aa). 648 Siehe Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1). 649 Siehe dazu Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (1). 650 Vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (c) und Kap. 1 A. I. 3. d) für die Mittäterschaft sowie Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (3) (c) und Kap. 1 A. II. 2. d) für die mittelbare Täterschaft. 651 Eine einheitliche Untersuchung des Irrtums über die Beteiligungsrolle findet sich bislang aber allein bei Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
die mittelbare Täterschaft – im Gegensatz zur Teilnahme – keine akzessorische Beteiligungsform ist.652 Vielmehr verwirklicht der Täter im Wege seiner tatherrschaftlichen Steuerung des Geschehens selbst das Unrecht der Tat, sodass es auf die Strafbarkeit des Ausführenden gerade nicht ankommt.653 Bereits die Analyse der vermeintlichen Mittäterschaft hat gezeigt, dass allein das tatsächliche Außenweltgeschehen als Gesamttat zugerechnet wird, unabhängig davon, von wem es vollzogen wurde.654 Eine andere Deutung des Zurechnungsmechanismus wäre auch nicht mit dem Grundsatz zu vereinbaren, dass allein objektive Merkmale zugerechnet werden, nicht aber die subjektive Einstellung der übrigen Mitwirkenden.655 Zudem zeigt die mittelbare Täterschaft, bei der der Tatmittler selbst häufig gerade nicht tatbestandsmäßig handelt, dass es für die Begründung der Täterschaft allein darauf ankommen kann, ob das Geschehen von dem Täter trotz der Fremdhändigkeit so gesteuert wurde, dass es als sein Werk erscheint. Somit spielt die strafrechtliche Bewertung des Außenweltgeschehens in der Person des Ausführenden für dessen Zurechenbarkeit keine Rolle, sodass hierin auch kein relevanter Unterschied zwischen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und der scheinbaren Mittäterschaft liegt, der eine abweichende Würdigung rechtfertigt. Im Übrigen unterscheidet sich die vermeintliche Mittäterschaft von der mittelbaren Täterschaft allein durch die Form der Tatherrschaft, nicht aber hinsichtlich ihrer Struktur und der Maßstäbe, die an das hier in Frage stehende unmittelbare Ansetzen zur Tat zu stellen sind. Hinter beiden Irrtümern steht vielmehr dieselbe grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit einer Subjektivierung der Tatherrschaft beim Versuch. Angesichts dieser Parallelität wäre es widersprüchlich, die hinter den Irrtümern stehende grundsätzliche Frage unterschiedlich zu beantworten. Schließlich geht es ganz generell darum, zu klären, in welchem Verhältnis Tatherrschaftslehre und Versuchs652 Zum Teil wird die Mittäterschaft dagegen als akzessorische Beteiligungsform im normativen Sinne verstanden: Birkmeyer, S. 148; Gallas, Verbrechenslehre, S. 105 f.; Jakobs, GA 1996, S. 253, 260, 264 f.; ders., in: FS Lampe (2003), S. 561, 570 ff.; ders., in: FS Puppe (2011), S. 547, 558; Küper, Versuchsbeginn, S. 60 f. So wie hier Frister, AT, § 25 Rn. 23; Jescheck/Weigend, AT, S. 675 f.; Kraatz, S. 222 f.; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 61; Rengier, in: FS Puppe (2011), S. 849, 853, 858; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 92 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 107. Wohl auch Renzikowski, in: FS Otto (2007), S. 423, 435. 653 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 287, 290. Auch Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 89 betonen, dass der Mittäter anders als der Teilnehmer nicht für die Veranlassung einer fremden Tat, sondern für „eigenes täterschaftliches Unrecht“ hafte. 654 Ausführlich dazu bereits oben Kap. 1 A. I. 3. c) bb). 655 In diese Richtung argumentiert auch Hauf, NStZ 1994, S. 263, 266; ders., JA 1995, S. 776, 779.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 175
grundsätze stehen.656 Dies kann aber nur einheitlich für alle Formen der Tat herrschaft untersucht werden, versteht sich die Tatherrschaft doch als einheitliches Begründungskonzept für alle Formen der Täterschaft. Dass beide Irrtümer bislang vornehmlich getrennt voneinander untersucht657 und zum Teil sogar divergierend gelöst werden,658 vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Daher ist Ziel der folgenden weiteren Untersuchung, eine übergreifende Lösung für die vermeintliche Täterschaft zu finden.
II. Präzisierung der Ausgangsfrage Ausgangspunkt dieser Untersuchung muss dabei nach den bisherigen Erkenntnissen das Verhältnis der §§ 22 und 25 StGB bilden. Da die Tatbestände des Besonderen Teils ihrem Wortlaut nach auf das vollendete Delikt des unmittelbaren Alleintäters zugeschnitten sind, müssen sie zur Erfassung des Versuchs der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung in zweifacher Hinsicht durch die im Allgemeinen Teil geregelten Vorschriften modifiziert werden. Zum einen stellt § 22 StGB klar, dass nicht nur das vollendete, sondern auch das versuchte Delikt strafbar ist. Und zum anderen sind nach § 25 StGB neben der eigenhändigen auch die mittelbare und gemeinschaftliche Tatbegehung strafbewehrt. Ob bei der versuchten mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Tat die Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage anders zu bestimmen ist als bei der vollendeten Tat, hängt entscheidend davon ab, ob sich diese beiden Modifikationen gegenseitig beeinflussen. So könnte die Tatsache, dass die Tat nach § 22 StGB vollständig allein in der Vorstellung des Täters existiert, in objektiver Hinsicht aber nicht mehr als eine taugliche Ansatzhandlung die Strafbarkeit des Versuchstäters trägt, dazu führen, dass auch die Tatherrschaft anhand der Vorstellung des Täters zu beurteilen ist. Käme es allein auf die subjektive Sicht des 656 Vgl.
dazu Kap. 1 A. I. 3. d) und Kap. 1 A. II. 2. d). die vermeintliche Mittäterschaft betrachten bspw. Buser, Zurechnungsfragen; Erb, NStZ 1995, S. 424 ff.; Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213 ff.; Graul, JR 1995, S. 425 ff.; Heckler, GA 1997, S. 72 ff.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704 ff.; Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488 ff.; Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986 ff. Ausschließlich zur vermeintlichen mittelbaren Täterschaft Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115 ff.; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467 ff.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895 ff. Eine Ausnahme bildet insoweit vor allem Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3 ff. 658 Überwiegend wird die Versuchsstrafbarkeit bei der vermeintlichen Mittäterschaft in Zweifel gezogen, bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft aber ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Irrtum über herrschaftsbegründende Umstände bejaht, vgl. dazu bereits die Nachweise in Fn. 398 zur vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und Fn. 172 und 355 zur Mittäterschaft. 657 Allein
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Täters an, eröffnete dies die Möglichkeit, auch denjenigen, der sich den herrschaftsbegründenden Sachverhalt nur vorstellt, wegen versuchten Delikts zu bestrafen.659 § 22 StGB als Versuchsregel würde dann nicht nur auf den vollendeten Tatbestand, sondern auch auf die Voraussetzungen des § 25 StGB angewendet und würde sie ebenso wie die übrigen Tatbestandsmerkmale für den Versuch modifizieren. Andererseits könnte man die Tatherrschaft beim Versuch unter Berufung auf den zwingenden Charakter des § 25 StGB in derselben Weise wie bei der Vollendung – und damit rein objektiv – bestimmen. Unterschiedlich wäre dann allein der Beurteilungsgegenstand. Wegen seiner objektiv fehlenden Steuerungsmacht bestünde bei einem solchen Verständnis der Tätervoraussetzung keine Möglichkeit, den vermeintlichen Täter wegen Versuchs zu bestrafen.660 Im Folgenden wird durch Auslegung bestimmt, ob die Versuchsregel auch die Tätervoraussetzungen beeinflusst oder ob sie unabhängig vom Verwirklichungsstadium des Delikts zu bestimmen sind. Maßgebend ist zunächst, ob die Tätervoraussetzungen strukturell überhaupt einer Anwendung des § 22 StGB zugänglich sind (III.). Sollten sie sich bereits strukturell von den übrigen Tatbestandsmerkmalen unterscheiden, insbesondere objektive und subjektive Täterelemente eine untrennbare Einheit bilden, wäre bereits deshalb eine Modifikation durch die Versuchsgrundsätze ausgeschlossen. Ergäbe sich dagegen, dass die Tätervoraussetzungen grundsätzlich den anderen Tatbestandsmerkmalen gleichgestellt und daher auf sie die allgemeinen Irrtumsregeln angewendet werden können, muss in einem zweiten Schritt untersucht werden, inwieweit eine Subjektivierung dieser Merkmale mit dem Wortlaut (IV.), dem 659 So für die vermeintliche Mittäterschaft Heckler, GA 1997, S. 72, 78 f.; Putzke, JuS 2009, S. 1083, 1084; Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988 f., für die damit zugleich auch eine Aufgabe der Gesamtlösung verbunden ist. 660 So für die vermeintliche Mittäterschaft Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 29; Graul, JR 1995, S. 425, 429 f.; Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 282; Hillenkamp, in: FS Roxin (2001), S. 689, 709 f.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Joecks, wistra 1995, S. 57 ff.; Krell, Jura 2012, S. 150, 152; Kudlich, JA 2008, S. 703, 707; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 103; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 486 f. (allerdings verwendet er eine andere Terminologie); Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55a; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 148; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 328; Weißer/Kreß, JA 2003, S. 857, 861. In diese Richtung argumentieren auch Beulke, Klausurenkurs II, Rn. 240; Bosch, Jura 2011, S. 909, 915 f.; Frister, AT, § 29 Rn. 14; Jung, JuS 1994, S. 355; Kindhäuser, LPK-StGB, § 22 Rn. 41; ders., AT, § 40 Rn. 18; Kühl, AT, § 20 Rn. 123 f.; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 9; LKStGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 175 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 52; MüKo-StGB-Hoffmann/Holland, § 22 Rn. 142; Mylonopoulos, GA 2011, S. 463, 471; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 68; Prüßner, S. 186; Rath, JuS 1999, S. 140, 144; SSWStGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 53 f.; Zieschang, AT, Rn. 520 und Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23 f., die allerdings in ihrer Argumentation nicht klar zwischen Zurechnungsgegenstand und -grundlage trennen. Zustimmend wohl auch Fricke, S. 100 ff.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 177
Willen des Gesetzgebers (V.), der Gesetzessystematik (VI.), dem Strafgrund des Versuchs (VII.) und insbesondere der Funktion, die die Täterlehre beim Versuch erfüllt (VIII.), in Einklang stünde.
III. Strukturelle Vergleichbarkeit der Tätervoraussetzungen mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen Durch die Anwendung der Versuchsregel des § 22 StGB auch auf die Tätervoraussetzungen würden sie im Rahmen des Versuchs den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleichgestellt.661 Die Versuchsregeln wären nicht nur anwendbar, wenn es an der Verwirklichung eines Merkmals des jeweiligen Tatbestandes des Besonderen Teils fehlt, sondern gleichermaßen, wenn die Tätermerkmale nicht erfüllt sind. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Tätervoraussetzungen in ihrer Zusammensetzung und Struktur den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen entsprechen.662 Daher ist zunächst für die allgemeinen Tatbestandsmerkmale zu untersuchen, in welchem Verhältnis objektive und subjektive Voraussetzungen stehen und inwieweit es gerade dieses Verhältnis ist, das die Möglichkeit des Versuchs eröffnet (1.). Ist dieser Vergleichsmaßstab ermittelt, kann analysiert werden, welche Bedeutung objektive und subjektive Merkmale für die Täterstellung haben und ob ihr Zusammenspiel dem bei den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleicht (2.). 1. Zusammenspiel objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale Tatbestandsmerkmale sind nach der allgemeinen Verbrechenslehre diejenigen Merkmale, die ein bestimmtes strafrechtliches Ge- oder Verbot begründen, ohne Rücksicht auf Rechtfertigungsgründe.663 Gliedern lassen sich die Tatbestandsmerkmale in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand.664 Der objektive Tatbestand umfasst dabei die Gesamtheit derjenigen Merkmale, deren Subsumtionsstoff außerhalb der Täterpsyche zu finden ist, d. h. äußere Tatsachen sowie innere Tatsachen anderer Personen.665 Dem 661 So
217 ff.
überzeugend auch bereits Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213,
662 Diese Frage ist auch für Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff. essentiell für die strafrechtliche Bewertung des Irrtums über die Beteiligungsrolle. 663 Vgl. nur LK-StGB-Walter, Vor § 13 Rn. 40. 664 Eine historische Skizze der Unterscheidung liefert Stübinger, in: FS Puppe (2011), S. 263, 264 ff. Kritisch zur Trennung Lesch, Verbrechensbegriff, S. 274 f.; MüKo-StGB-Freund, Vor § 13 Rn. 25; Schmidhäuser, in: FG Schultz (1977), S. 61 ff. 665 Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 8 Rn. 19; Frister, AT, § 8 Rn. 11 f.; Jescheck/ Weigend, AT, S. 273; LK-StGB-Walter, Vor § 13 Rn. 40; Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor § 13 Rn. 62; SK-StGB-Jäger, Vor § 1 Rn. 57.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
subjektiven Tatbestand sind dagegen die Merkmale zuzuordnen, deren Subsumtionsstoff in der Täterpsyche zu finden ist, also besondere Absichten und Einstellungen ebenso wie der Tatbestandsvorsatz.666 Objektiver und subjektiver Tatbestand stehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern sind durch die Regelung des § 16 I 1 StGB miteinander verbunden: Gegenstand des Vorsatzes sind diejenigen Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Mit diesen Umständen im Sinne des § 16 I 1 StGB sind die objektiven Tatbestandsmerkmale gemeint.667 Der Tatbestandsvorsatz bezieht sich somit spiegelbildlich auf den objektiven Tatbestand, der nach dem Idealbild frei von innerpsychischen Elementen zu bestimmen ist. Diese Trennung der Tatbestandsmerkmale lässt sich nicht immer streng durchführen, zeigen doch objektiv-subjektive Tatbestandsmerkmale wie die Zueignung im Rahmen des § 246 StGB, dass sich objektive Tatbestandsmerkmale zum Teil nicht ohne die Berücksichtigung spezifischer Absichten bestimmen lassen.668 Auch die speziellen subjektiven Tatbestandsmerkmale wie die Zueignungsabsicht im Rahmen des § 242 StGB fügen sich nicht nahtlos in dieses Bild ein.669 Sie weisen kein Pendant im objektiven Tatbestand auf, sondern stehen isoliert als spezielle Anforderungen im Subjektiven neben dem Tatbestandsvorsatz. Dies zeigt, dass auch bei den Tatbestandsmerkmalen die Trennung in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand nicht streng formal durchführbar ist.670 Einzelne Verschränkungen der objektiven und subjektiven Merkmale vermögen aber an ihrer grundsätzlichen Unterscheid- und Trennbarkeit nichts zu ändern. Charakteristisch für die Tatbestandsmerkmale sind also die grundsätzliche Trennbarkeit der objektiven und subjektiven Voraussetzungen und der Umstand, dass sich der Vorsatz auf die objektiven Tatbestandsmerkmale bezieht. Nur durch diese Eigenheiten eröffnet sich auch die Möglichkeit des Versuchs, denn nach § 22 StGB ist Voraussetzung für die Versuchsstrafe die vollständige Vorstellung von der Tat, also dem objektiv tatbestandsmäßigem Geschehen, das selbst noch nicht vollzogen zu sein braucht. Beim Versuch ist die Tat also zwar subjektiv vollständig gewollt, aber objektiv unvollständig geAT11, § 8 Rn. 19; Frister, AT, § 8 Rn. 11; LK-StGBWalter, Vor § 13 Rn. 40; Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor § 13 Rn. 63; SK-StGBJäger, Vor § 1 Rn. 58. 667 Frister, AT, § 8 Rn. 24; Jescheck/Weigend, AT, S. 273, 295; Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 119; SK-StGB-Stein, § 16 Rn. 8. 668 Ausführlich dazu m. w. N. Stübinger, in: FS Puppe (2011), S. 263, 270 ff. 669 So auch Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 167 ff. 670 Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 8 Rn. 22; Jescheck/Weigend, AT, S. 273; Roxin, AT I, § 10 Rn. 53; Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor § 13 Rn. 62; Stübinger, in: FS Puppe (2011), S. 263 ff. 666 Baumann/Weber/Mitsch,
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 179
blieben.671 Ein solcher Tatentschluss ist aber nur denkbar, wenn sich der Tatbestandsvorsatz isoliert vom objektiven Geschehen ermitteln lässt und gleichzeitig dieses den Gegenstand der Vorstellung des Täters bildet. Auch die Irrtumsvorschrift des § 16 I 1 StGB setzt eine solche Unterscheid- und Trennbarkeit objektiver und subjektiver Elemente implizit voraus: Nach ihr muss die objektive Erfüllung des jeweiligen Deliktstatbestandes von einem entsprechenden Willen des Täters getragen sein. Ein strafbarkeitsausschließender Irrtum liegt immer dann vor, wenn die Vorstellung des Täters hinter dem objektiven Geschehen zurückbleibt und es deshalb an der Spiegelbildlichkeit von objektivem Tatbestand und Tatbestandsvorsatz fehlt. Demnach setzt die Vorschrift voraus, dass sich der objektive gesetzliche Tatbestand unabhängig vom Tatbestandsvorsatz ermitteln lässt, zugleich ist ihr aber die Aussage zu entnehmen, dass das Unrecht der vorsätzlichen Tat nur verwirklicht ist, wenn das objektive Geschehen auch von einer entsprechenden Einstellung des Täters getragen ist. 2. Struktur der Tätervoraussetzungen Weil sich somit die Möglichkeit des Irrtums nach § 16 I 1 StGB beziehungsweise des Versuchs gem. § 22 StGB allein aus der Trennbarkeit sowie dem Zusammenspiel objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale ergibt, können sie auf die Tätermerkmale nur angewendet werden, wenn diese eine vergleichbare Struktur aufweisen.672 Insbesondere ist entscheidend, ob auch die Täterschaft an objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft ist und ob sich etwaige subjektive Voraussetzungen unabhängig von ihrem objektiven Pendant bestimmen lassen. Eine Vergleichbarkeit mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen wäre nur gegeben, wenn auch zwischen den objektiven und subjektiven Tatherrschaftsvoraussetzungen ein spiegelbildliches Verhältnis bestünde. a) Bedeutung subjektiver Elemente nach der Tatherrschaftslehre Zunächst ist zu untersuchen, inwieweit subjektive Elemente bei der Vermittlung der Tatherrschaft überhaupt eine Rolle spielen. Anerkannt ist, dass sich Tatherrschaft nicht nur auf objektive Faktoren gründen kann, sondern dass auch die Vorstellung der eigenen beherrschenden Stellung entscheiden-
671 Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 22 Rn. 1; NK-StGB-Zaczyk, § 22 Rn. 1; Schönke/ Schröder-Eser/Bosch, StGB, Vor § 22 Rn. 12. 672 So auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff.; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 906.
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der Bestandteil der Tatherrschaft selbst ist.673 Derjenige, der von seiner dominierenden Rolle nichts weiß, kann auch keine Herrschaft über das Geschehen ausüben und kommt als Täter nicht in Betracht.674 Dass die Tat herrschaft sich nur aus einer Einheit objektiver und subjektiver Elemente ergeben kann, lässt sich bereits mit ihrer Verankerung in der finalen Handlungslehre erklären.675 Jede Art von Tatherrschaft setzt ein finales Handeln voraus.676 Erst durch das finale Element wird bei den Vorsatzdelikten aus der bloßen Erfolgsverursachung eine individuelle Leistung des Täters, ein Werk, dem als Verkörperung des Täterwillens ein bestimmter Sinn innewohnt.677 Entscheidend ist nun, in welchem Bezug dieses subjektive Tatherrschaftselement zum objektiv herrschaftsbegründenden Sachverhalt steht. Nach Roxin muss der Täter „die Tatumstände kennen, und er muß darüber hinaus sich auch der Tatsachen bewusst sein, die seine Herrschaft über das Geschehen begründen“.678 Das erste Element dieses Tatherrschaftswillens, die Kenntnis der Tatumstände, beschreibt nichts anderes als das auf den jeweiligen Deliktstatbestand bezogene allgemeine Vorsatzerfordernis. Das zweite Element, das Bewusstsein bezüglich der die Tatherrschaft begründenden Umstände, betrifft dagegen spezifisch die Täterstellung des Beteiligten und geht über den herkömmlichen auf den Deliktstatbestand bezogenen Tatbestandsvorsatz hinaus.679 Nach der Formulierung Roxins weist dieses „herrschaftsbegründende[…] Wissen“680 dabei dieselbe Struktur auf wie der allge673 Grundlegend Gallas, Verbrechenslehre, S. 89 f., 169; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316, 329 f., 331. Siehe hierzu auch Bloy, Beteiligungsform, S. 203; ders., ZStW 117 (2005), S. 3, 6; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 260, 269 f.; Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399; Haas, Tatherrschaft, S. 17 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 651 f.; Küpper, GA 1986, S. 437, 442; Marlie, Unrecht, S. 53 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 87 ff.; Sax, JZ 1963, S. 329, 338; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 57; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 10; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 751. Kritisch dazu Peña/Conlledo, in: FS Roxin (2001), S. 575, 586 ff.; v. Uthmann, NJW 1961, S. 1908, 1909. 674 Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 92; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316, 331; ders., AT II, § 25 Rn. 158. 675 Küpper, GA 1986, S. 437, 442. Ausführlich zu den Wurzeln der Tatherrschaftslehre in der finalen Handlungslehre Haas, Tatherrschaft, S. 15 ff. Maurach/Gössel/ Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 93 ziehen daraus sogar den Schluss, bei der Tat herrschaftslehre handele es sich bei genauerer Betrachtung gar nicht um eine materiell-objektive, sondern eine final-objektive Theorie. So auch noch die Bezeichnung bei Gallas, Verbrechenslehre, S. 139. 676 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 319. 677 Gallas, Verbrechenslehre, S. 89. 678 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316. 679 So auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316. 680 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 181
meine Tatbestandsvorsatz des § 16 I 1 StGB681, mit dem Unterschied, dass Bezugspunkt nicht die Umstände sind, die den objektiven Tatbestand verwirklichen, sondern die objektiv die Tatherrschaft begründenden Umstände.682 Der Täter steuert das Geschehen nur final, wenn gerade die Umstände, die ihm seine dominierende Rolle im Geschehen verschaffen, von seiner Vorstellung umfasst sind. Ein isoliert neben den objektiven Tatherrschaftsvoraussetzungen stehendes subjektives Tatherrschaftselement könnte aus dem objektiv in den Händen gehaltenen Geschehen dagegen kein Werk des Täters machen. Jedenfalls in struktureller Hinsicht ist daher das Verhältnis der objektiven und subjektiven Tatherrschaftsmerkmale mit dem der objektiven Tatbestandsmerkmale und des Tatbestandsvorsatzes vergleichbar. Als Weiterentwicklung der materiell-objektiven Theorien versteht sich die Tatherrschaftslehre also nicht deshalb, weil sie auf subjektive Kriterien vollständig verzichten kann, sondern weil die Vorstellung von der eigenen Stellung im Geschehen nach ihr nur insoweit Bedeutung erlangt, als sie sich auf die objektiven Merkmale des Tatbestandes bezieht und in der objektiven Herrschaft über die Tat realisiert.683 Zentral ist nun, welche Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht im Einzelnen erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob sie auch inhaltlich mit dem Tatbestandsvorsatz vergleichbar sind und wie genau ihr Verhältnis zum objektiv herrschaftsbegründenden Sachverhalt ausgestaltet ist. Wie der vielfach zur Charakterisierung der subjektiven Seite der Tatherrschaft verwendete Begriff des Tatherrschaftswillens suggeriert, könnte über die bloße Kenntnis der herrschaftsbegründenden Umstände hinaus ein zielgerichteter Täterwille, die Absicht, die Tat als eigene zu begehen, zu fordern sein. Küpper hält es für erforderlich, dass der Täter sich seiner Mitbeherrschung des Geschehens bewusst ist und er seinem Tatbeitrag nicht nur untergeordnete Bedeutung beimisst. Man könne insoweit vom animus domini sprechen.684 Noch weitergehend wird zum Teil darauf abgestellt, ob der Täter seine Tat herrschaft auch bewusst einsetze, um so seine eigene Tat zu vollziehen.685 Ein solches, subjektiven Abgrenzungstheorien nahestehendes Erfordernis würde die Tatherrschaft in subjektiver Hinsicht von mehr als dem bloßen Vorsatz im Hinblick auf die tatherrschaftsbegründenden Umstände abhängig 681 So ausdrücklich auch Jäger, AT, Rn. 251a; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Marlie, Unrecht, S. 53 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 87, 92, die Tatherrschaft plastisch als das „vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs“ beschreiben; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 10. 682 Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 92. 683 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 319, 323. 684 Küpper, GA 1986, S. 437, 442. 685 So Sax, JZ 1963, S. 329, 338.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
machen. Als besonderes subjektives Element wäre eine spezifische Täterabsicht, der Wille, die Tat als eigene zu begehen und sich deshalb die eigene Tatherrschaft zunutze zu machen, erforderlich. Gegen das Erfordernis eines persönlichen Täterinteresses an der Tat als überschießender Innentendenz spricht, dass es sich vom Ausgangspunkt und Spezifikum der Tatherrschaftslehre als materiell-objektiver Theorie entfernt. Die objektiv tatbeherrschende Stellung des Täters wäre dann wiederum nur Indiz, weil die Tatherrschaft und damit die Täterschaft verneint werden müsste, wenn der Handelnde nur als Teilnehmer agieren will, gleich ob er objektiv betrachtet derjenige ist, der das Geschehen in der Hand hält. So würde zu einer subjektiven Theorie zurückgekehrt, die sich den bereits umfassend diskutierten Einwänden ausgesetzt sähe.686 Daher kann in subjektiver Hinsicht jedenfalls nicht mehr als der Vorsatz bezüglich der die Tatherrschaft begründenden Umstände erforderlich sein.687 Damit sind die Maximalanforderungen an das subjektive Tatherrschaftskriterium abgesteckt, fraglich ist jedoch, welche Mindestanforderungen die subjektive Seite der Tatherrschaft erfüllen muss. Überwiegend wird schlicht von einem Vorsatz bezüglich der herrschaftsbegründenden Umstände gesprochen.688 Roxin allerdings fordert allein ein herrschaftsbegründendes Wissen689 und damit nach heute gängigem Verständnis nicht einmal dolus eventualis.690 Ein herrschaftsbegründendes Wissen kann auch derjenige haben, der bewusst fahrlässig handelt. Dass an das subjektive Tatherrschaftskriterium derartige, gegenüber dem Tatbestandsvorsatz herabgesetzte Anforderungen gestellt werden, lässt sich allerdings nur schwer mit dem von ihm postulierten Verständnis, die Tatherrschaft sei ein Teil der Tatbestandsverwirklichung, vereinbaren. Er geht davon aus, der Täter sei bereits „ein Bestandteil der Tatbeschreibung und nicht etwas nachträglich erst Hinzutretendes“.691 Tatbestandsmäßig soll nur derjenige handeln, der Tatherr der Deliktsverwirklichung 686 Gallas, Verbrechenslehre, S. 82 ff., 93 ff.; Haas, Tatherrschaft, S. 9 ff.; LKStGB-Schünemann, § 25 Rn. 32 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 52 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 8 f. jew. m. w. N. 687 So auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 317. 688 Jäger, AT, Rn. 251a; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Marlie, Unrecht, S. 53 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 87, 92, die Tatherrschaft plastisch als das „vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs“ beschreiben; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 10, 138. 689 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316. 690 So auch Peña/Conlledo, in: FS Roxin (2001), S. 575, 586. Konsequent und überzeugend wäre die Argumentation Roxins dagegen, wenn man ein voluntatives Element beim Eventualvorsatz generell für obsolet hielte; vgl. zu dieser Streitfrage Frister, AT, § 11 Rn. 21 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 302 ff.; Kühl, AT, § 5 Rn. 43 ff.; Roxin, AT I, § 12 Rn. 21 ff. jew. m. w. N. 691 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 328.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 183
ist.692 Somit beschreiben nach seinem Konzept die deliktischen Tatbestände nicht nur die tatbestandsmäßige Handlung, sondern zugleich auch den Tat herrn.693 Nach diesem Verständnis erschiene es aber naheliegend, das subjektive Tatherrschaftskriterium dem Tatbestandsvorsatz anzupassen, gehörte doch die Tatherrschaft ebenso zum gesetzlichen Tatbestand wie die Beschreibung der Tathandlung. Sie wäre damit auch von §§ 15, 16 I 1 StGB erfasst. Nach dem hier vertretenen Konzept lässt sich diese Schlussfolgerung dagegen nicht ohne weiteres ziehen. Die täterschaftliche Verantwortung bei der Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft beruht – wie die vorangegangene Analyse gezeigt hat – auf der Zurechnung der Gesamttat als faktischem Außenweltgeschehen.694 Dass eine solche Zurechnung auch dann möglich ist, wenn dieses Geschehen vom Täter nicht eigenhändig verwirklicht, sondern nur in anderer Weise gesteuert wurde, wird dabei durch § 25 StGB konstitutiv angeordnet.695 Demnach beschreiben nach diesem Konzept die Tatbestände nur die tatbestandsmäßige Handlung, die bei allen Täterformen identisch ist. Die Frage, wer die Verantwortung für diese Handlung trägt und daher Zurechnungssubjekt ist, wird dagegen allein durch § 25 StGB geregelt.696 Sind aber die Tätervoraussetzungen den jeweiligen Deliktstatbeständen nicht bereits immanent, sondern kommen sie zu den dort geregelten Voraussetzungen hinzu, ergibt sich die Notwendigkeit, in subjektiver Hinsicht Vorsatz bezüglich der herrschaftsbegründenden Umstände zu fordern, jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Entscheidend muss daher sein, welche subjektiven Voraussetzungen zum objektiv herrschaftsbegründenden Sachverhalt hinzutreten müssen, damit sich die Verantwortung für den Außenweltvorgang Gesamttat begründen und so dessen Zurechnung legitimieren lässt. Diese Frage lässt sich, wenn es um das grundsätzliche Verhältnis objektiver und subjektiver Tätermerkmale geht, am besten mit Blick auf den Regelfall der vollendeten gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung beantworten. Welche Anforderungen in subjektiver Hinsicht an die Täterschaft zu stellen sind, hängt maßgeblich davon ab, woraus sich die Verantwortung für das abgeschlossene tatbestandsmäßige Geschehen ableitet und in welchem Maße hierfür die Einstellung des Täters von Relevanz ist. 692 Roxin,
Täterschaft und Tatherrschaft, S. 328. AT II, § 25 Rn. 5. Vgl. auch bereits die treffende Formulierung bei Haas, Tatherrschaft, S. 14; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 10 ff.; Otto, in: FS Spendel (1992), S. 271 f.; SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 10, 12 f. 694 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). und Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). 695 So für die Mittäterschaft bereits Birkmeyer, S. 105; Herzberg, ZStW 99 (1987), S. 49, 55. Zustimmend auch Fad, S. 86 f. 696 Vgl. dazu ausführlich Kap. 1 A. I. 3. c) cc) und Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (3). 693 Roxin,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Vergleichsweise leicht fällt diese Beurteilung für den unmittelbaren Alleintäter. Eine objektive Herrschaftsposition hat er inne, weil er die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung eigenhändig vornimmt und so das tatbestandliche Geschehen steuert.697 Der unmittelbare Täter verwirklicht demnach selbst den gesetzlichen Tatbestand, ohne dass es weiterer Erfordernisse bedarf, um seine Handlungs- und Gestaltungsherrschaft zu begründen. Dass und unter welchen Voraussetzungen er Täter ist, ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung.698 Sind aber die herrschaftsbegründenden Umstände bei der Alleintäterschaft zugleich die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, ergibt sich das Erfordernis eines diesbezüglichen Vorsatzes bereits aus §§ 15, 16 I 1 StGB. Jedenfalls der unmittelbare Täter muss somit den Willen haben, den Tatbestand durch eine eigene Handlung zu verwirklichen. Das bloße Bewusstsein der herrschaftsbegründenden Umstände reicht zur Begründung der Handlungsherrschaft nach der allgemeinen Vorsatzlehre nicht aus. Fraglich bleibt jedoch, ob gleiches auch für die funktionelle Tatherrschaft und die Willensherrschaft gilt. Ausgangspunkt muss die Erkenntnis bilden, dass dem Mittäter bzw. mittelbaren Täter zur Rechtfertigung seiner Verantwortung für das äußere Geschehen sowie des einheitlichen Strafrahmens für alle Täterformen eine vergleichbare Steuerungsmacht wie dem Alleintäter zukommen muss.699 Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich durch Art. 3 GG und das Schuldprinzip vorgeschrieben, sondern entspricht auch der Grundannahme der Tatherrschaftslehre, unmittelbarer, mittelbarer und Mittäter seien gleichermaßen Zentralgestalt des Geschehens und übten ihre Tatherrschaft nur in anderer Form, aber im selben Umfang aus.700 In objektiver Hinsicht erlangt der mittelbare Täter seine Herrschaft über das deliktische Geschehen dadurch, dass er einen Vordermann als Tatmittler instrumentalisiert und steuert und so mittelbar auch die von ihm ausgeführten Handlungen in den Händen hält.701 Entscheidend ist somit, ob bereits die Einflussnahme auf den 697 Gropp, AT, § 10 Rn. 91; Jescheck/Weigend, AT, S. 652; Kühl, AT, § 20 Rn. 36; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 35 ff.; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 47; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 127 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 38; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 2 f. 698 Frister, AT, § 25 Rn. 1; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 16, 18; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 74; SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 15. 699 So auch LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 39 und für die Mittäterschaft auch Steckermeier, S. 58 ff. Ausführlich dazu noch in Kap. 1 B. VIII. 1. 700 Statt vieler Gallas, Verbrechenslehre, S. 97; Kühl, AT, § 20 Rn. 27 f.; LKStGB-Schünemann, § 25 Rn. 36 ff.; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 13; NK-StGBSchild, § 25 Rn. 23; Roxin, AT II, § 25 Rn. 10 ff. Anders SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 12 ff. Kritisch für die Mittäterschaft auch Steckermeier, S. 156 f. 701 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (3) (a).
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Tatmittler zusammen mit dem Bewusstsein um diese herrschaftsbegründenden Umstände dem mittelbaren Täter eine der Handlungsherrschaft vergleichbare Steuerungsmacht verschafft. Dagegen spricht, dass der spezifische Unwert der mittelbaren Täterschaft darin besteht, die eigene Überlegenheitsposition willentlich zur Tatbestandsverwirklichung eingesetzt zu haben. Der bloße Bestand eines Zurechnungsdefizits verschafft dem mittelbaren Täter auch bei Kenntnis um die das Zurechnungsdefizit begründenden Umstände noch keine Herrschaftsposition. Ansonsten wäre mittelbare Täterschaft das bloße „die Tat durch einen anderen begehen lassen“.702 Erforderlich ist vielmehr, dass der Hintermann seine überlegene Stellung ausnutzt, um die Tat durch Instrumentalisierung des nicht voll Verantwortlichen zu verwirklichen.703 Eine Steuerung des Geschehens und damit die Begehung durch eine andere Person als Tatmittel setzt begriffslogisch voraus, dass der Einzelne die Folgen seines Verhaltens voraussieht und damit bewusst beeinflusst. Insbesondere die Instrumentalisierung einer anderen Person als Werkzeug durch Nötigung ist wegen dessen Finalstruktur nicht denkbar ohne den Willen des Täters, die Drohung oder den Gewalteinsatz dazu einzusetzen, die intendierte Tat zu begehen. Aber auch in den anderen Fällen mittelbarer Täterschaft kann die Steuerungsmacht des Hintermannes derjenigen eines eigenhändig und vorsätzlich die tatbestandliche Handlung vollziehenden Täters nur gleichgestellt werden, wenn auch ersterer das Geschehen nicht nur wissentlich, sondern auch willentlich steuert. Ist bereits bei der unmittelbaren und damit stärksten Form der Herrschaft704 zusätzlich Vorsatz erforderlich, muss das für eine mittelbare Herrschaft, bei der umso wichtiger ist, dass der Täter seine fehlende körperliche Steuerungsmöglichkeit durch eine im Vorfeld der Tat wirkende Planlenkung kompensiert, erst recht gelten. Der mittelbare Täter muss somit in subjektiver Hinsicht nicht nur wissentlich, sondern auch willentlich bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände handeln.705 Gleiches gilt für den Mittäter. Seine Steuerungsmacht ergibt sich in objektiver Hinsicht daraus, dass er mit mindestens einem anderen einen gemeinsamen Tatplan fasst und in Ausführung dieses Planes einen gewichtigen Tatbeitrag erbringt.706 Es wurde bereits gezeigt, dass der gemeinsame Tatplan in 702 Vgl.
Schönke/Schröder-Heine/Weißer, Vor § 25 Rn. 75. Rechtsgutszugriff, S. 354; Jescheck/Weigend, AT, S. 664; Kühl, AT, § 20 Rn. 40; Kutzner, S. 137, 143, 263; Noltenius, S. 253 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 87; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, Vor § 25 Rn. 75. 704 Vgl. SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 12 ff. m. w. N. 705 Ähnlich auch Gallas, Verbrechenslehre, S. 97, der anmerkt, zum Werkzeug werde der Tatmittler nur dadurch, dass sein Handeln nicht nur als kausale Wirkung des Verhaltens des Hintermanns, sondern als dessen durch Plan und Wille bestimmtes Werk erscheine. 706 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 703 Heinrich,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
subjektiver Hinsicht von dem Vorsatz getragen sein muss, die Tat arbeitsteilig und gemeinsam mit einem anderen zu begehen.707 Und dass auch die Ausführung des eigenen Tatbeitrags vom Vorsatz umfasst sein muss, ergibt sich wie beim Alleintäter bereits aus dem allgemeinen Vorsatzerfordernis. Somit lässt sich auch die funktionelle Tatherrschaft ohne einen entsprechenden Vorsatz bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände nicht begründen. Damit ist festzuhalten, dass die Tatherrschaft beim vollendeten Delikt nicht unter Außerachtlassung subjektiver Elemente bestimmt werden kann. Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass zusätzlich zur objektiven Tatherrschaft ein spezifischer Täterwille, ein Eigeninteresse an der Tat zu fordern ist. Vielmehr erlangen subjektive Elemente nur insofern Bedeutung, wie sie sich auf die objektiv herrschaftsbegründenden Faktoren beziehen. Eine vergleichbare Herrschaft wie dem unmittelbaren Alleintäter kommt dem mittelbaren Täter sowie dem Mittäter dabei nur zu, wenn dieser vorsätzlich im Hinblick auf die tatherrschaftsbegründenden Umstände handelt. Sowohl in seiner Struktur als auch in seinen inhaltlichen Anforderungen entspricht dieser Tätervorsatz dem allgemeinen Tatbestandsvorsatz. Ebenso wie sich der Tatbestandsvorsatz auf die zum Tatbestand gehörenden Umstände beziehen muss, ist Gegenstand des Tätervorsatzes der objektiv herrschaftsbegründende Sachverhalt. Dabei reicht – wie nach der allgemeinen Vorsatzlehre auch – nicht allein das Bewusstsein dieser herrschaftsbegründenden Umstände, sondern der Täter muss darüber hinaus zumindest billigend in Kauf nehmen, dass ihm eine beherrschende Stellung im Geschehen zukommt. Der Tätervorsatz ist somit nichts anderes als der Vorsatz bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände.708 b) Trennbarkeit objektiver und subjektiver Tatherrschaftsmerkmale Daher stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die objektiven und subjektiven Tatherrschaftsvoraussetzungen stehen. Besteht hinsichtlich der Tatsache, dass sich Tatherrschaft ohne die Berücksichtigung subjektiver Elemente nicht erklären lässt, noch weitgehend Einigkeit, sind die Vorstellungen der Vertreter der Tatherrschaftslehre vom Zusammenspiel beider Elemente sehr unterschiedlich.709 707 Siehe
Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). solches Verständnis des Tätervorsatzes setzen auch Blei, AT, S. 260 f.; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Letzgus, S. 30; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 89; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158 voraus, ohne dies jedoch näher zu begründen. Ähnlich auch Buser, S. 139 f. 709 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 203; ders., ZStW 117 (2005), S. 3, 6. 708 Ein
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 187
aa) Tatherrschaft als objektiv-subjektive Sinneinheit Roxin nimmt an, die äußeren herrschaftsbegründenden Voraussetzungen und die hierauf bezogene subjektive Kenntnis des Täters bildeten nur eine „auseinandergelegte dialektische Einheit“.710 Dahinter steht die Vorstellung Roxins, die Tatherrschaft lasse sich nicht in eine objektive und eine subjektive Komponente aufspalten, sondern die objektive Tatherrschaft setze bereits ihre subjektive Kenntnis voraus, sodass man von einer objektiven Tatherrschaft nicht mehr sprechen könne, wenn dem Täter die Kenntnis der herrschaftsbegründenden Umstände fehle.711 Der Gedanke einer objektiven Tatherrschaft als äußerer Sinneinheit, die von ihren innerpsychischen Voraussetzungen gelöst werden könne, wäre eine „contradictio in adiecto“.712 Umgekehrt sei es ebenso wenig möglich, eine von der objektiven Herrschafts bezie hung gelöste subjektive Tatherrschaft zu ermitteln, weil alle inneren Vorstellungen und Willensregungen für die Tatherrschaft nur insoweit Bedeutung hätten, wie sie sich in der Steuerung des äußeren Geschehens auswirken.713 Anders als im Verhältnis objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale sei es bei der Tatherrschaft unmöglich, ihre objektiven und subjektiven Bestandteile einer getrennten systematischen Würdigung zu unterziehen.714 Auch Bloy hält die objektive Tatherrschaft und den hierauf bezogenen Tatherrschaftswillen für untrennbar: Tatherrschaft in Unkenntnis der sie begründenden Umstände sei nicht vorstellbar.715 Dies stützt er darauf, dass Tatherrschaft die „Chiffre für die Prägung der Tat durch die Person des Täters“ sei, sodass sich „objektive Tatherrschaft und Tatherrschaftswille genauso wenig voneinander trennen ließen wie die äußere und innere Seite der Person“.716 Dass objektive und subjektive Elemente im Tatherrschaftsbegriff eine dialektische Einheit bilden, ergebe sich aus dem gleichstrukturierten Personenbegriff, denn die Tatherrschaft sei das personale Zurechnungskriterium für tatbestandliches Unrecht.717 In der Person „verschmilzt Objektives und Subjektives zu einer unteilbaren lebendigen Einheit“.718 Der Handelnde 710 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 330. Vgl. dazu auch Jescheck/Weigend, AT, S. 652; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 905 f. 711 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 330. 712 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 331. Ähnlich Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 269 f. 713 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 331. So auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 8. 714 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 331. 715 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 7 f. 716 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 7. 717 Bloy, Beteiligungsform, S. 204 f. 718 Bloy, Beteiligungsform, S. 204.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
fülle bereits nicht die Rolle des Täters aus, wenn er die tatherrschaftsbegründenden Umstände verkennt.719 Eine solche Untrennbarkeit der Täterschaftskriterien hätte dann aber zur Folge, dass eine Versuchsstrafbarkeit bei nur versuchter Täterschaft per se ausgeschlossen wäre, weil diese die Trennbarkeit und relative Unabhängigkeit objektiver und subjektiver Elemente erfordert.720 bb) Tätervorsatz als separater Bestandteil der Tatherrschaft Eine beträchtliche Anzahl von Autoren will dagegen die objektive Herrschaft über den Geschehensablauf als objektives Täterschaftsmerkmal strukturell vom Willen zur Tatherrschaft als subjektivem Täterschaftsmerkmal trennen.721 Diese Aufspaltung der Tatherrschaft macht es ihnen möglich, das objektive Täterschaftsmerkmal als objektives Tatbestandsmerkmal zu begreifen und den Willen zur Tatherrschaft im subjektiven Tatbestand zu verorten.722 Eine Auseinandersetzung mit dem abweichenden Verständnis von der Tatherrschaft als einer objektiv-subjektiven Sinneinheit unterbleibt jedoch zumeist. Vielmehr wird die Vorstellung einer Trennbarkeit beider Elemente meist nur implizit bei der Auseinandersetzung mit dem Irrtum über täterschaftsbegründende Umstände vorausgesetzt. So wird davon gesprochen, dass derjenige, der die Tatherrschaft begründenden Umstände verkenne, den Ausführenden zwar objektiv beherrsche, darum aber nicht wisse.723 Seien nur objektiv die Voraussetzungen der Täterschaft erfüllt, sei diese gleichwohl zu verneinen, weil dem Täter „im Sinne von § 16 I 1 der Vorsatz über tat herrschaftsbegründende Umstände fehlt“.724 Dieses Verständnis würde strukturell auch die Möglichkeit einer versuchten Täterschaft eröffnen.725
719 Bloy,
ZStW 117 (2005), S. 3, 8. in: FS Roxin (2011), S. 895, 906. Fraglich erscheint daher das Tatherrschaftsverständnis von Herzberg, Täterschaft, S. 44: Er meint, die Tatherrschaft des Täters bleibe potentiell, wenn er die tatherrschaftsbegründenden Umstände nicht kennt, sodass er schon objektiv den Tatbestand nicht verwirklicht. Zugleich will er für diese Fälle aber einen täterschaftlich begangenen Versuch annehmen. 721 Blei, AT, S. 260 f.; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Letzgus, S. 30; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 89; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158. Ähnlich auch Buser, S. 139 f. 722 So Blei, AT, S. 261; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Letzgus, S. 30; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 89. 723 Köhler, AT, S. 513; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158. 724 Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67. 725 So auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 906. 720 Küper,
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 189
cc) Stellungnahme Somit stehen sich hinsichtlich des Verhältnisses objektiver und subjektiver Tatherrschaftselemente zwei Auffassungen diametral gegenüber, ohne dass die Frage bislang Gegenstand einer offenen Auseinandersetzung innerhalb der Strafrechtswissenschaft ist. Dies verwundert umso mehr, als sie nicht nur von gewichtiger Bedeutung für das Verständnis der Tatherrschaftslehre, sondern auch für die Lösung praktischer Fragen ist. Dies zeigt sich bereits eindrucksvoll am hier untersuchten Irrtum über tatherrschaftsbegründende Umstände. Auch dessen rechtliche Würdigung bereitet Rechtsprechung und Lehre bislang vor allem deshalb so viele Schwierigkeiten, weil diese Grundfrage innerhalb der Tatherrschaftslehre weitgehend ungeklärt ist. Deshalb wird nun auf der Basis des hiesigen Verständnisses der Tatherrschaft der Versuch unternommen, die Frage nach dem Verhältnis objektiver und subjektiver Tatherrschaftselemente aufzulösen. Entscheidend ist insoweit, ob dogmatische oder funktionale Gesichtspunkte gegen die Unterscheidbarkeit objektiver und subjektiver Elemente sprechen. Erscheint eine Trennbarkeit dieser Komponenten prinzipiell möglich, gilt es, sie anhand ihres normativen Gehalts in den Wertungszusammenhang des Systems einzuordnen.726 Somit kann es in einem ersten Schritt allein darum gehen, zu ermitteln, ob eine Trennbarkeit beider Elemente überhaupt möglich ist. Diese Frage stellt dabei die Weichen für eine nähere Auseinandersetzung mit der Funktion der Tätervoraussetzungen, dem Wesen der Versuchsstrafbarkeit sowie Stellung und Entstehungsgeschichte des § 25 StGB, anhand der geklärt werden kann, ob eine Isolierung der subjektiven Tatherrschaft auch sinnvoll und damit eine Anwendung der allgemeinen Irrtumsregeln möglich ist. Beide Fragen sind voneinander zu trennen, wobei die Frage nach der generellen Unterscheidbarkeit der inhaltlichen Auseinandersetzung logisch vorgelagert ist. (1) Bedeutung der personalen Handlungslehre Bloy stützt sein Verständnis der Tatherrschaft als einer untrennbaren Einheit objektiver und subjektiver Elemente auf sein personales Beteiligungsverständnis.727 Weil das besondere täterschaftliche Handlungsunrecht originär in der Person des Täters entstehe, sei Tatherrschaft als Chiffre für die Prägung der Tat durch die Person des Täters zu verstehen.728 Daraus wiederum ergebe die treffende Analyse bei Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 65. Beteiligungsform, S. 204 f.: „Tatherrschaft ist das personale Zurechnungskriterium für tatbestandliches Unrecht“. 728 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 7, 17; ders., Beteiligungsform, S. 204. 726 So
727 Bloy,
190
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sich, dass sich objektive Tatherrschaft und Tatherrschaftswille nicht trennen ließen, sondern der Handelnde schlicht nicht die Rolle eines Täters ausfüllte, wenn Täterwille oder objektive Tatherrschaft fehlten.729 Weil in der Person Objektives und Subjektives zu einer unteilbaren Einheit verschmelze, könne für die Herrschaft, die immer personengebunden sei, nichts anderes gelten.730 Dieser Zusammenhang zwischen einem personalen Unrechtsverständnis und der Untrennbarkeit objektiver und subjektiver Tatherrschaftsvoraussetzungen ist jedoch keinesfalls für alle Vertreter der Tatherrschaftslehre zwingend. So ist beispielsweise auch für Gallas der Täter Subjekt der Tatbestandsverwirklichung731 und der Begriff der Tatherrschaft ein personaler Begriff, der nicht nur auf die zweckrationale, sondern auf die sozialethische Seite rechtlicher Wertung bezogen sei.732 Gleichwohl zieht er daraus nicht den Schluss, objektive Herrschaftsvoraussetzungen und der Tätervorsatz seien zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen. Vielmehr hält er im Falle nur vorgestellter, aber objektiv fehlender Herrschaft eine versuchte Täterschaft für dogmatisch begründbar und im umgekehrten Falle einer objektiv bestehenden Herrschaftsposition, von der der Täter nichts weiß, die Täterschaft allein wegen des fehlenden Tätervorsatzes für ausgeschlossen.733 Beides setzt eine Trennbarkeit objektiver und subjektiver Elemente voraus, die folglich von Gallas trotz seines personalen Verständnisses der Tatherrschaft nicht in Zweifel gezogen wird. Dass trotz weitgehend übereinstimmender Anerkennung der personalen Unrechtslehre als Wurzel der Tatherrschaftslehre bezüglich des Verhältnisses objektiver und subjektiver Tätermerkmale Uneinigkeit herrscht, legt bereits nahe, dass sich die Schlussfolgerung einer Untrennbarkeit beider Elemente aus der personalen Unrechtslehre keineswegs so eindeutig entnehmen lässt, wie Bloy postuliert. Strafbares Unrecht ist tatbestandsmäßiges und nicht gerechtfertigtes Verhalten.734 Nach der personalen Unrechtslehre ergibt sich das Unrecht nicht allein aus einem vom Täter losgelösten Taterfolg und einer bestimmten objektiven Handlungsmodalität, sondern Unrecht kann immer nur täterbezogen unter Berücksichtigung der besonderen Pflichtenstellung und seiner Einstellung ermittelt werden.735 Tatbestandsmäßiges Unrecht be729 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 7 f. Ähnlich auch Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 222. 730 Bloy, Beteiligungsform, S. 204. 731 Gallas, Verbrechenslehre, S. 96. 732 Gallas, Verbrechenslehre, S. 99. 733 Gallas, Verbrechenslehre, S. 107 f. 734 Ebert/Kühl, Jura 1981, S. 225. 735 Welzel, Strafrecht, S. 62. Vgl. auch Ebert/Kühl, Jura 1981, S. 225, 232 f.; Krauß, ZStW 76 (1964), S. 20, 39 f.; Otto, ZStW 87 (1975), S. 539, 542; Roxin, AT I, § 10 Rn. 89.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 191
steht danach nicht nur aus dem Erfolgsunwert, der sich aus der Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges ergibt, sondern hinzukommen muss der Handlungsunwert, der sich aus der Modalität der Erfolgsherbeiführung ebenso wie dem Willen und spezifischen Absichten, die die Handlung tragen, ergibt.736 Die den Tatbeständen zu entnehmenden Verhaltensnormen werden als Bestimmungsnormen, als Imperative verstanden, die die Funktion haben, in Gestalt von Ge- oder Verboten auf den Täter einzuwirken, sodass sie notwendig seine Fähigkeit zu beeinflussbarem zielgerichteten Handeln voraussetzen.737 Unrecht ist demnach stets die Missbilligung einer auf einen bestimmten Täter bezogenen Tat und damit personales Unrecht.738 Bei der personalen Unrechtslehre handelt es sich somit um eine subjektiv-objektive Unrechtslehre.739 Ihre Errungenschaft ist vor allem die Erkenntnis, dass sich das Unrecht weder allein aus objektiven, noch aus subjektiven Elementen ergeben kann, sondern die dem Unrechtstatbestand immanente Verhaltensnorm nur verletzt wird, wenn der Täter den Kausalverlauf zielgerichtet lenkt und so den tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht. Dann aber kann mithilfe der personalen Unrechtslehre nur begründet werden, warum sowohl objektive als auch subjektive Täterelemente Teil des Unrechtstatbestandes sein müssen, über die Anordnung dieser Elemente innerhalb des Unrechtstatbestandes trifft sie dagegen keine Aussage. So bilden nach der personalen Unrechtslehre auch die Verursachung des Erfolges und der darauf gerichtete Vorsatz eine Einheit, allerdings nur insofern, als weder das eine noch das andere allein in der Lage ist, das Unrecht zu begründen. Nichtsdestotrotz halten auch ihre Vertreter es größtenteils740 für möglich und sinnvoll, beide Elemente systematisch in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand zu gliedern. Jedenfalls eine Trennbarkeit beider Merkmale 736 Ebert/Kühl, Jura 1981, S. 225, 231 ff.; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, Vor § 13 Rn. 20; Otto, ZStW 87 (1975), S. 539, 543 f.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88; Schönke/ Schröder-Eser, StGB, Vor § 13 Rn. 52 f.; Schumann/Schumann, in: FS Küper (2007), S. 543, 545 f. Zum Teil wird jedoch auch abweichend ein monistisch-subjektiver Unrechtsbegriff favorisiert, nach dem sich das Unrecht in dem Intentionsunwert der Handlung erschöpft. Vgl. zu den verschiedenen Spielarten der personalen Unrechtslehre Gallas, in: FS Bockelmann (1979), S. 155 ff.; Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 ff. 737 Gallas, in: FS Bockelmann (1979), S. 155, 156; Kaufmann, in: FS Welzel (1974), S. 393, 395 f.; Krauß, ZStW 76 (1964), S. 20, 38 f.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 93; Schönke/Schröder-Eser, StGB, Vor § 13 Rn. 54. 738 Welzel, Strafrecht, S. 62. 739 Otto, ZStW 87 (1975), S. 539, 559. Ähnlich auch Krauß, ZStW 76 (1964), S. 20, 41. 740 Anders bspw. MüKo-StGB-Freund, Vor § 13 Rn. 25, der die Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand insgesamt aufgeben will, weil nach der personalen Unrechtslehre auch der objektive Tatbestand mit subjektiven Elementen durchsetzt sei.
192
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
wird man nicht in Zweifel ziehen können, wird sie doch von §§ 16 I 1, 22 StGB bereits gesetzlich vorausgesetzt. Dann aber kann der personalen Unrechtslehre auch für die Tätervoraussetzungen nicht entnommen werden, dass deren Aufspaltung in objektive und subjektive Elemente undurchführbar ist. Richtig ist, dass nicht nur die objektiv herrschaftsbegründenden Umstände unrechtsbegründend wirken können, sondern der Vorsatz bezüglich dieser Umstände hinzukommen muss.741 Erst beide Elemente zusammen bilden das Unrecht der täterschaftlichen Tat. Damit ist jedoch nicht bereits bewiesen, dass beide Voraussetzungen eine untrennbare Einheit bilden und nicht wie Tatbestandsvorsatz und objektive Tatbestandsmerkmale auch getrennt voneinander betrachtet werden können. Somit ist die personale Unrechtslehre als solche nicht geeignet, die These der Täterschaftsvoraussetzungen als untrennbarer Einheit objektiver und subjektiver Elemente zu begründen. (2) Tatherrschaft als Charakterisierung der Täterperson Demnach ist entscheidend, ob die zweite von Bloy zur Begründung seines Verständnisses einer Untrennbarkeit objektiver und subjektiver Tatherrschaftsvoraussetzungen angeführte Besonderheit der Tatherrschaft, nämlich ihre Zuordnung zur Person des Täters, seine These tragen kann. Unabhängig von der noch näher zu untersuchenden Frage, ob § 25 StGB tatsächlich besondere Tätermerkmale und nicht nur eine bestimmte Tatmodalität beschreibt,742 müsste der Umstand, dass ein bestimmtes Merkmal die Person des Täters charakterisiert, überhaupt Auswirkungen auf seine Struktur und die Zugänglichkeit für die Anwendung allgemeiner Vorschriften haben. Dies wäre zum einen dann der Fall, wenn Eigenart aller Tätermerkmale gerade die strukturelle Untrennbarkeit innerer und äußerer Elemente wäre (dazu (a)). Ließe sich die Täterstellung bei besonderen gesetzlichen Anforderungen an den Täter ohne die Berücksichtigung subjektiver Elemente generell nicht begründen, weil der Beteiligte die Position des „Wer“ im Tatbestand nur ausfüllen kann, wenn er auch einen diesbezüglichen Vorsatz hat,743 erklärte dies die Untrennbarkeit beider Elemente bei diesen Merkmalen. Zum anderen wäre denkbar, dass objektive und subjektive Tätermerkmale zwar grundsätzlich unterscheidbar sind, aber aus anderen Spezifika dieser Voraussetzungen ihre Unzulänglichkeit gerade für die Anwendung der allgemeinen Versuchs- und Irrtumsregeln resultiert und sich damit jedenfalls für diesen Bereich ihre faktische Untrennbarkeit ergibt (b)).
741 Vgl.
dazu bereits Kap. 1 B. III. 2. a). sogleich in Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb). 743 In diese Richtung wohl Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 222. 742 Dazu
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 193
(a) Prinzipielle Untrennbarkeit innerer und äußerer Tätermerkmale Ob die Tätermerkmale gerade ihre nicht aufzulösende Vereinigung innerer und äußerer Anforderungen an den Adressaten der Norm ausmacht, kann nur im Wege einer Analyse der Sonderdelikte ermittelt werden, die jedenfalls unstreitig spezielle Voraussetzungen an die Täterperson normieren. Ein Beispiel für ein solches besonderes Tätermerkmal ist die Amtsträgereigenschaft i. S. d. § 11 I Nr. 2 StGB. Amtsträger ist danach derjenige, der in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Es handelt sich also nicht um eine Eigenschaft, die der Person als solcher innewohnt, sondern um einen besonderen Status, den der Täter aufgrund eines vor der Tat bestehenden Dienst- oder Auftragsverhältnisses innehat744 und aus dem sich eine besondere Pflichtenposition ergibt. Insoweit ist die Stellung als Amtsträger mit derjenigen des mittelbaren Täters und des Mittäters vergleichbar, denn auch diese erlangen mit der die Tatherrschaft begründenden Handlung, d. h. der Verabredung bei der Mittäterschaft und der Instrumentalisierung bei der mittelbaren Täterschaft, eine besondere Stellung im Geschehen, die ihnen eine gesteigerte Einflussmöglichkeit auf die Tat einräumt und zugleich die Verantwortung für das deliktische Geschehen begründet. Entscheidend ist nun, ob sich die besonderen Tätermerkmale in eine objektive Pflichtenposition und einen hierauf gerichteten Vorsatz gliedern lassen oder ob ein von der objektiven Sonderstellung gelöster Vorsatz gar nicht feststellbar ist. Gerade die Amtsdelikte zeigen, dass sich die Struktur der besonderen Tätermerkmale jedenfalls äußerlich nicht von derjenigen der übrigen Tatbestandsmerkmale unterscheidet. So setzt die Vorteilsannahme gem. § 331 StGB in objektiver Hinsicht allein den Bestand der Amtsträgereigenschaft im Zeitpunkt der Tatbegehung voraus.745 Im objektiven Tatbestand geht es somit nur darum, festzustellen, ob ein staatliches Dienst- oder Auftragsverhältnis existiert. Dies lässt sich aber ohne weiteres unter Außerachtlassung der subjektiven Einstellung des Täters ermitteln. Der Vorsatz bezüglich der Umstände, die den Täter zum Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten machen, lässt sich hiervon separieren und in den subjektiven Tatbestand verlagern.746 Bestehen aber hinsichtlich der generellen Unterscheidbarkeit innerer und äußerer Merkmale bereits bei den besonderen Tätermerkmalen der Sonderdelikte keinerlei Bedenken, lässt sich aus der Zuordnung der Tatherr744 HK-GS-Hölscher, § 11 Rn. 3; LK-StGB-Hilgendorf, § 11 Rn. 21; MüKo-StGBRadtke, § 11 Rn. 17; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, StGB, § 11 Rn. 14. 745 Matt/Renzikowski-Sinner, StGB, § 331 Rn. 11. 746 v. Heintschel-Heinegg-Trüg, StGB, § 331 Rn. 37; Lackner/Kühl-Heger, StGB, § 331 Rn. 13; Matt/Renzikowski-Sinner, StGB, § 331 Rn. 45; MüKo-StGB-Korte, § 331 Rn. 152; Schönke/Schröder-Heine/Eisele, StGB, § 331 Rn. 54.
194
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
schaft zur Täterperson jedenfalls in formaler Hinsicht kein Beleg für die These einer objektiv-subjektiven Sinneinheit ableiten. Für die grundsätzliche Trennbarkeit beider Merkmale auch bei der Tatherrschaft spricht zudem die soeben747 gewonnene Erkenntnis, dass die subjektiven Tatherrschaftselemente sowohl ihrer Struktur als auch ihrem Inhalt nach dem Vorsatz entsprechen. Der einzige Unterschied ist der Bezugspunkt: Der Tätervorsatz bezieht sich nicht auf die Umstände, die zum im Besonderen Teil geregelten gesetzlichen Tatbestand gehören, sondern auf die objektiv herrschaftsbegründenden Umstände. (b) Z ugänglichkeit der Tatherrschaft als Tätermerkmal für die Anwendung allgemeiner Irrtums- und Versuchsregeln Ist die formale Unterscheidbarkeit objektiver und subjektiver Merkmale auch bei den speziellen Tätermerkmalen durchführbar, könnte die Anwendbarkeit der Versuchsgrundsätze nur an anderen Eigenheiten dieser Merkmale scheitern. So ist zu untersuchen, ob sich die Tätervoraussetzungen wenn nicht in formaler, so doch in materieller Hinsicht von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen in einer Weise unterscheiden, die eine Trennbarkeit objektiver und subjekter Elemente in der praktischen Anwendung unmöglich macht und damit insbesondere die Möglichkeit verschließt, auf sie die allgemeinen Irrtums- und Versuchsregeln zu übertragen. Dafür ist nicht nur entscheidend, ob die besonderen Tätermerkmale eine solche Sonderstellung überhaupt einnehmen (aa)), sondern insbesondere auch, inwieweit die Tat herrschaftsvoraussetzungen etwaige Eigenheiten dieser Merkmale überhaupt teilen (bb)). Sollte dem nicht so sein, wäre zuletzt zu überlegen, ob gerade die Tatherrschaftsvoraussetzungen Spezifika aufweisen, die einer Trennbarkeit entgegenstehen (cc)). (aa) Sonderstellung der besonderen Tätermerkmale Ob die täterbezogenen Tatbestandselemente eine derartige Sonderstellung einnehmen, wird bislang vor allem im Zusammenhang mit dem Versuch des untauglichen Subjekts bei den Sonderdelikten diskutiert. Dieser ist anders als die anderen beiden Varianten des untauglichen Versuchs748 nicht ausdrücklich gesetzlich normiert, weshalb noch immer ungeklärt ist, ob eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs auch dann in Betracht kommt, wenn sich 747 Kap. 1
B. III. 2. a). § 23 III StGB zum Versuch mit untauglichen Mitteln oder am untauglichen Tatobjekt. 748 Vgl.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 195
der Täter nur fälschlicherweise vorstellt, die besonderen Täteranforderungen zu erfüllen, weil er bspw. von seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis noch keine Kenntnis hat.749 Nach einem Teil der Lehre750 und der früheren Rechtsprechung751 liegt bei irrtümlicher Annahme einer Subjektstellung nur ein strafloses Wahndelikt vor. Begründet wird dies damit, dass die Sonderdelikte an einen bestimmten Personenkreis gerichtet seien und nur diesen verpflichteten, sodass ein Extraneus allein aufgrund eines Irrtums nicht Adressat der Norm werden könne.752 Wer schon nicht Normadressat sei, könne die Norm nicht in ihrer Geltung erschüttern und verwirkliche somit kein Handlungsunrecht.753 In den anderen Fällen des untauglichen Versuchs beruhe die Untauglichkeit stets auf äußeren, zufälligen Umständen und sei daher keinesfalls zwingend.754 Deshalb sei es denkbar, dass dem Täter bei einer Wiederholung sein Vorhaben gelinge und es zu einer Gefährdung oder gar Verletzung des Rechtsgutes komme. Diese Wiederholungsgefahr mache es aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, auch den untauglichen Versuch mit Strafe zu bedrohen. Besitze der Täter dagegen bereits die vom Tatbestand geforderte Subjektqualität nicht, sei der Versuch aus konstitutionellen Grün749 Beispiel nach Roxin, AT II, § 29 Rn. 354. Umstritten ist allein der Fall, dass sich der Täter über tatsächliche Umstände irrt, die ihm die Sonderstellung verleihen würden. Wird dagegen lediglich der Täterbegriff eines bestimmten Tatbestandes durch falsche Auslegung überdehnt und kommt der Handelnde so zu der irrigen Annahme, er sei ein geeigneter Täter, liegt unstreitig nur ein strafloses Wahndelikt vor, vgl. Fischer, StGB, § 22 Rn. 54 f.; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 90; Roxin, AT II, § 29 Rn. 351. 750 Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 727 f.; Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 18 Rn. 74 ff.; Stöger, S. 68 ff. (allerdings nur für die echten Sonderdelikte); Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59 ff.; ders./Kuhlen, AT, § 11 Rn. 65 f.; Timpe, ZStW 125 (2014), S. 755, 784 ff.; Valerius, JA 2010, S. 113, 115; Zaczyk, S. 270 f., 285, 298. 751 RGSt 8, 198, 200. Dagegen aber RGSt 72, 109, 112; BGH (Dallinger) MDR 1957, 266; BayObLGSt 1952, 31 f. 752 So RGSt 8, 198, 200; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 727 f.; Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 18 Rn. 74 ff.; Stöger, S. 68 ff. (allerdings nur für die echten Sonderdelikte); Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59 ff.; ders./ Kuhlen, AT, § 11 Rn. 65 f.; Timpe, ZStW 125 (2014), S. 755, 784 ff.; Valerius, JA 2010, S. 113, 115; Zaczyk, S. 270 f., 285, 298. Dagegen RGSt 72, 109, 112; BGH (Dallinger) MDR 1957, 266; BayObLGSt 1952, 31 f.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 40; Bruns, Untauglicher Täter; ders., GA 1979, S. 161, 165 ff.; Endrulat, S. 205; Herzberg, GA 2001, S. 257, 270 ff.; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 22 Rn. 13; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 232 ff.; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 65 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 76; SK-StGB-Rudolphi, § 22 Rn. 47 ff. 753 Vgl. Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 1250. 754 Schünemann, GA 1986, S. 293, 318; Stöger, S. 53 ff., 68 ff., 78; Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59, 60.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
den untauglich und könne deshalb auch bei beliebiger Wiederholung nicht gelingen.755 Während bei Untauglichkeit des Objekts oder Mittels also tatsächlich eine Pflicht bestehe, die der Ausführende verletzen könnte, verstoße der untaugliche Täter nur gegen eine vermeintliche Pflicht. Tatsächlich treffe die Pflicht, die er zu verletzen sucht, ihn nicht. Weil aber auch ein untauglicher Versuch stets zumindest eine tatsächlich bestehende und nicht nur vermeintliche Pflicht voraussetze,756 die hätte verletzt werden können, sei das Vorliegen der besonderen Tätervoraussetzungen notwendige Voraussetzung auch einer Versuchsstrafbarkeit. Wäre dem so, hätten bei den besonderen Tätermerkmalen aus normtheoretischen und kriminalpolitischen Gründen sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen zwingenden Charakter. Sie wären dadurch faktisch untrennbar und der Anwendung der allgemeinen Versuchs- und Irrtumsregeln unzugänglich. (bb) V ergleichbarkeit der Tatherrschaftsvoraussetzungen mit den besonderen Tätermerkmalen der Sonderdelikte Diese Erwägungen könnten dafür streiten, auch den Tatherrschaftsvoraussetzungen einen zwingenden Charakter beizumessen. Schlussfolgerungen für die Tätervoraussetzungen lassen sich aus der zum Versuch des untauglichen Subjekts geführten Diskussion jedoch nur ziehen, wenn die Tatherrschaftsvoraussetzungen mit den besonderen Tätermerkmalen der Sonderdelikte vergleichbar sind. Insbesondere müssten die Argumente, die für den zwingenden Charakter dieser Merkmale sprechen, überhaupt auf die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft übertragbar sein. Wäre eine solche Vergleichbarkeit gegeben, bedürfte zuletzt noch die Prämisse, der tatsächliche Bestand der Subjektqualität sei unabdingbar für die Verwirklichung des (Versuchs-)Unrechts, einer kritischen Würdigung. Zweifelhaft erscheint bereits, ob die Tatherrschaft tatsächlich ein besonderes Tätermerkmal darstellt. Entscheidend ist dafür zunächst einmal, was die Tätermerkmale auszeichnet und wie sie sich von den sonstigen Tatbestandsmerkmalen unterscheiden. Zum Teil wird statt von besonderen Tätermerkmalen auch von Tätereigenschaften gesprochen.757 Nach dem Alltagsverständnis ist eine Eigenschaft ein zum Wesen einer Person oder Sache gehörendes Merkmal, eine persönliche oder charakterliche Eigentümlichkeit.758 Legte 755 So Schünemann, GA 1986, S. 293, 318; Stöger, S. 53 ff., 68 ff., 78; Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59, 60. Dagegen Bruns, GA 1979, S. 161, 166. 756 Vgl. Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59, 60 f., 68 f. 757 Vgl. bspw. MüKo-StGB-Joecks, § 16 Rn. 77; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 75. 758 Vgl. Duden, Stichwort „Eigenschaft“.
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man dieses Verständnis der Abgrenzung zugrunde, ließe sich die Tatherrschaft nicht als Tätermerkmal begreifen, denn die Tatherrschaft ist nichts, das einer Person als solcher anhaftet, was ihr Wesen oder ihren Charakter auszeichnet. Vielmehr ergibt sie sich allein aus der Stellung im deliktischen Geschehen, aus ihrem Handeln und ihrer Interaktion mit anderen Personen. Allerdings ließen sich bei einem so engen Verständnis kaum noch gesetzliche Tätermerkmale ausmachen. Denn auch die Amtsträgereigenschaft, die unbestritten ein besonderes Tätermerkmal darstellt, kennzeichnet nicht den Charakter einer Person, sondern ergibt sich aus einem besonderen Ernennungsakt oder dem sonstigen Eintritt in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis, § 11 I Nr. 2 StGB. Daher muss der Begriff des Tätermerkmals weiter gefasst werden und kann insbesondere nicht mit dem umgangssprachlichen Verständnis einer Tätereigenschaft identisch sein. Er kann nur als formaler Ordnungsbegriff verstanden werden, der zunächst alle Tatbestandsmerkmale umfasst, welche die Person im weitesten Sinne kennzeichnen, sei es durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Institution, eine Eigenschaft oder die dauerhafte oder einmalige Beziehung zu einer anderen Person oder zu einem Geschehen.759 Nur so lassen sich sowohl die Amtsträgereigenschaft in §§ 331 ff. StGB als auch die Angehörigeneigenschaft, die Stellung als Unfallbeteiligter in § 142 StGB, Zeuge (§ 153 StGB) oder Mann (§ 183 StGB) als Tätermerkmale begreifen. Nach dieser Definition ließen sich auch die speziellen Anforderungen an den Mittäter und mittelbaren Täter als Tätermerkmale begreifen, denn für beide ist ebenfalls die – häufig durch einen der eigentlichen Tatbegehung vorgelagerten Akt begründete – Beziehung zu einer anderen Person kennzeichnend. Beim Mittäter die durch den gemeinsamen Tatplan geschaffene Beziehung zu mindestens einem anderen Mittäter, die sich dann in der gemeinschaftlichen, tatplangemäßen Tatbegehung fortsetzt und beim mittelbaren Täter das Verhältnis zum Tatmittler, den er für seine Zwecke instrumentalisiert. Die Tätermerkmale des § 25 StGB unterscheiden sich jedoch auch in einem wesentlichen Punkt von den übrigen besonderen Tätermerkmalen. Während letztere stets an eine von der Deliktsbegehung unabhängige, also quasi eine vortatbestandliche Stellung oder Eigenschaft anknüpfen, ergibt sich die Tatherrschaft gerade aus der Position im deliktischen Geschehen und lässt sich somit nicht von der Tatbegehung trennen. Auch Tätermerkmale wie die Zeugeneigenschaft oder die Stellung als Unfallbeteiligter, bei denen sich die besondere Pflichtenposition ebenfalls aus einer besonderen Beziehung zu einem tatsächlichen Geschehen ergibt, zeichnen sich dadurch aus, dass die Tätereigenschaft unabhängig von dem eigentlichen deliktischen Geschehen 759 Ähnlich zum Vorbegriff der Sonderdelikte auch Langer, Die Sonderstraftat, S. 210.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
besteht und diesem zeitlich vorgelagert ist. Sie ergeben sich anders als die Tatherrschaft nicht aus der Position in dem deliktischen Geschehen, welches das jeweilige Sonderdelikt mit Strafe bedroht, sondern einem vortatbestandlichen Geschehen. Tatbestandsmäßiges Geschehen ist bei der Falschaussage i. S. d. § 153 StGB allein die Aussage vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle. Die Zeugeneigenschaft ergibt sich aber aus dem besonderen Bezug zu demjenigen Geschehen, das Gegenstand der Verhandlung ist. Die Mittäterstellung ergibt sich jedoch gerade daraus, dass auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans eine Straftat arbeitsteilig begangen wird. Sie lässt sich demnach nicht von der Deliktsbegehung trennen und besteht auch nicht notwendigerweise bereits vor dieser.760 Zwar ist es möglich, dass die Mittäter den gemeinsamen Tatplan bereits vor der Tatausführung fassen, allerdings verschafft dieser dem Mittäter nur dann die notwendige Herrschaft über das deliktische Geschehen, wenn er auch während der Ausführungsphase fortbesteht.761 Auch ist eine solche Chronologie nicht zwingend; der gemeinsame Tatplan kann ebenso auch während der Tatbegehung762 oder sogar nach Vollendung gefasst werden.763 Zudem setzt die Mittäterschaft neben dem gemeinsamen Tatplan auch einen eigenen gewichtigen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung voraus,764 der zumindest im Regelfall765 erst im eigentlichen Ausführungsstadium erbracht wird. EtBuser, S. 102 f. aus diesem Grund fehlt es bei der vermeintlichen Mittäterschaft auch dann an einem gemeinsamen Tatplan als Zurechnungsgrundlage, wenn die Mittäter sich zwar zunächst zur gemeinschaftlichen Tatausführung verabredet haben, sich der Handelnde dann aber später vom gemeinsamen Tatplan lossagt, vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa). 762 RGSt 8, 42, 43; BGHSt 37, 106, 130; BGH GA 1969, 214; BGH (Dallinger) MDR 1971, 545; Gössel, in: FS Jescheck (1985), S. 537; Jescheck/Weigend, AT, S. 678; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 25 Rn. 10; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 236; Roxin, AT II, § 25 Rn. 192. 763 Vgl. hierzu die zusammenfassenden Darstellungen bei Geppert, Jura 2011, S. 30, 34 ff.; Grabow/Pohl, Jura 2009, S. 656 ff.; Seher, JuS 2009, S. 304, 306 f. Kritisch insb. Gössel, in: FS Jescheck (1985), S. 537 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1198; Kühl, JuS 2002, S. 729, 733; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 204 ff.; Murmann, ZJS 2008, S. 456, 459; Otto, Jura 1987, S. 246, 253; Roxin, JA 1979, S. 519, 525; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 377 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 96; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 125. 764 Vgl. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (b). 765 Für die prinzipielle Möglichkeit, den mittäterschaftl. Tatbeitrag unter bestimmten Voraussetzungen auch bereits im Vorbereitungsstadium erbringen zu können RGSt 71, 23, 24; BGHSt 14, 123, 128 f.; BGHSt 16, 12, 14; BGHSt 37, 289, 292; BGHSt 46, 138, 140; BGHSt 48, 52, 56; BGH NStZ 1993, 180; BGH NStZ 1995, 122; BGH StV 1997, 411; BGH NStZ 2002, 200; BGH NStZ 2003, 253, 254; BGH NStZ 2009, 25; BGH NStZ-RR 2009, 199; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 25 Rn. 81; Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 206 f.; Frister, AT, § 26 Rn. 27; Jakobs, AT, § 21 760 A. A.
761 Gerade
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 199
was anderes ergibt sich auch nicht aus § 30 II StGB.766 Dieser regelt zwar eine mögliche Vorstufe der mittäterschaftlichen Tat,767 in der es bereits zu einer Verabredung, aber noch nicht zur Tatausführung gekommen ist. Daraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass sich die Stellung des Mittäters stets aus einem vortatbestandlichen Zusammenschluss ergeben muss. Außerdem ergibt sich die Vorfeldstrafbarkeit des § 30 II StGB allein aus der Verbrechensverabredung, während § 25 II StGB gerade auf die gemeinschaftliche Begehung und damit die Ausführung des gemeinsamen Tatplans abstellt. Auch die Stellung des mittelbaren Täters ergibt sich nicht aus einer von der Deliktsbegehung zu separierenden Einwirkung auf den Tatmittler, sondern allein daraus, dass es ihm wegen seiner Überlegenheitsposition möglich ist, das deliktische Geschehen mittelbar zu steuern. Die Tatherrschaft zeichnet sich gerade durch diese Tatbestandsbezogenheit aus.768 Damit ist bereits ein wesentlicher Unterschied zwischen den Tatherrschaftsvoraussetzungen und den sonstigen besonderen Tätermerkmalen ausgemacht. Noch wichtiger als dieser formale Unterschied ist jedoch, ob die Tatherrschaftsvoraussetzungen die dogmatischen Besonderheiten aufweisen, aufgrund derer für die besonderen Tätermerkmale die Anwendbarkeit der allgemeinen Irrtumsregeln in Zweifel gezogen wird. Die Sonderstellung der Tätermerkmale wird vor allem daraus abgeleitet, dass die Verhaltensnorm der Sonderdelikte an eine Pflicht anknüpfe, die sich nur für den Sonderpflichtigen ergebe.769 Komme ihm dieser Status gar nicht zu, bestehe für ihn auch keine Pflicht, die er verletzen könne, sodass seine Ausführungshandlung kein Handlungsunrecht darstelle.770 Die Entstehung der Pflichten, die dem SonRn. 47; ders., in: FS Puppe (2011), S. 547, 556, 558; Jescheck/Weigend, AT, S. 680; Kindhäuser, in: FS Hollerbach (2001), S. 627, 649; Kühl, AT, § 20 Rn. 110 ff.; MüKoStGB-Joecks, § 25 Rn. 195 ff.; Rengier, JuS 2010, S. 281, 282; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 67; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 119; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 93 f. Dagegen Becker, Additive Mittäterschaft, S. 54; Bloy, Beteiligungsform, S. 196 ff.; ders., GA 1996, S. 424, 436; Gropp, AT, § 10 Rn. 180 f.; Herzberg, ZStW 99 (1987), S. 49, 58 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 978; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 182 f.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 103 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 275 ff., 294 f.; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369, 374; Zieschang, ZStW 107 (1995), S. 361, 378 f. 766 So aber Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 223. 767 BT-Drucks. IV/650, S. 154. Siehe auch BGHSt 6, 308, 311; OLG Hamm NJW 1959, 1237; Fieber, S. 60; Jescheck/Weigend, AT, S. 704; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 54. 768 Vgl. dazu Kühl, AT, § 20 Rn. 5; Krey/Esser, AT, Rn. 791; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 441 ff.; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369 ff. 769 Vgl. bereits die Nachweise in Fn. 752. 770 Vgl. Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (aa).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
derdelikt zugrunde liegen, hinge von der zusätzlichen Voraussetzung ab, dass jemand rechtlich geschützte Interessen eher als andere wahren oder verletzten könne.771 Diese Erwägung trifft jedoch auf die Merkmale des § 25 StGB nicht zu, denn die Pflicht, die der Mittäter verletzt, wenn er gemeinschaftlich mit anderen einen Diebstahl gem. § 242 StGB begeht, ist die gleiche, gegen die auch der unmittelbare Alleintäter des § 242 StGB verstößt. Dies wird besonders augenfällig bei einem Vergleich mit der Vorteilsannahme gem. § 331 StGB. Diese sanktioniert die Verletzung der allein dem Amtsträger obliegenden Pflicht, keinen Vorteil zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Geschützt werden soll dadurch gerade das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachgerechtigkeit und „Nicht-Käuflichkeit“ dienstlichen Handelns772 sowie in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes773. Damit nimmt der Tatbestand gerade Bezug auf eine Pflicht, die sich speziell aus der Sonderstellung der Täterperson ergibt. Fehlt dem Täter die Subjektqualität, ist daher zweifelhaft, ob sein Fehlverhalten das Schutzgut des § 331 StGB beeinträchtigen kann, weil von einem Nicht-Amtsträger zumindest keine objektive Gefahr für die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes ausgehen kann. Die Mittäter, die gemeinschaftlich eine andere Person gem. § 212 StGB töten oder gem. § 242 StGB bestehlen, verletzen dagegen die jedermann obliegende Pflicht, anderen Personen nicht das Leben zu nehmen bzw. ihnen nicht ihren Gewahrsam zu entziehen. Der Mittäter beziehungsweise der mittelbare Täter bleibt Adressat dieser allgemeinen Verhaltensnorm, auch wenn die speziellen Tätervoraussetzungen fehlen. Selbst wenn er seine Mitstreiter nur vermeintlich von dem gemeinsamen Tatplan überzeugen bzw. den Tatmittler nur scheinbar für seine Zwecke gewinnen konnte, ist ihm dadurch die Verletzung des Tötungsverbots nicht per se unmöglich. Er kann das geschützte Rechtsgut nur nicht auf dem von ihm geplanten Wege, nämlich gemeinschaftlich mit anderen oder durch einen anderen beeinträchtigen. Damit unterscheidet sich die Situation des vermeintlichen Täters aber nicht von derjenigen eines Alleintäters, der ein untaugliches Tatmittel verwendet. Ist der vermeintliche Täter aber tatsächlich und nicht nur vermeintlich Adressat des Gebotes, anderen Personen nicht nach dem Leben zu trachten, ist ihm dessen Verletzung im Wiederholungsfalle auch durchaus möglich. Er muss sich nur für die erneute Tatbegehung andere, vertrauenswürdigere Komplizen suchen oder sich nun zur eigenhändigen Verwirklichung der Tat entschließen. Bei der vermeintlichen Täterschaft beruht die Untauglichkeit des Versuchs wie 771 Stratenwerth,
in: FS Bruns (1978), S. 59, 67. 47, 22, 25; BGHSt 47, 295, 303; BGH NJW 2001, 2558, 2559. Vgl. auch MüKo-StGB-Korte, § 331 Rn. 5. 773 BGH StV 1997, 129; BGH NStZ 2000, 589, 590; BGH wistra 2001, 295, 297; BGH NStZ-RR 2005, 266, 267. Vgl. Fischer, StGB, § 331 Rn. 2; MüKo-StGB-Korte, § 331 Rn. 5. 772 BGHSt
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 201
bei anderweitiger Untauglichkeit des Tatmittels auf äußeren, zufälligen Umständen und nicht auf konstitutionellen Gründen. Somit greift für den vermeintlichen Täter die Erwägung, eine Bestrafung seines Versuchs sei aus spezialpräventiven Gründen nicht vonnöten, da auch im Wiederholungsfalle per se ausgeschlossen sei, dass er die Rechtspflicht verletze, nicht. Damit ähnelt der durch § 25 StGB modifizierte Tatbestand nicht den echten, sondern allenfalls den unechten Sonderdelikten, den subjektiv beschränkten Gemeindelikten. Deren Verhaltensnormen richten sich an jedermann, sodass die ihnen immanenten Tätermerkmale keine Sonderpflichten begründen, sondern nur eine für das Unrecht wesentliche interpersonale Beziehung umschreiben.774 Bei diesen subjektiv beschränkten Gemeindelikten bedürfen die allgemeinen Rechtspflichten keines besonderen Entstehungsgrundes, sondern nur einer für die Umschreibung des Unrechts wesentlichen situativen Konkretisierung.775 Auf dieselbe Weise könnte man auch die speziellen Anforderungen, die an den mittelbaren Täter und den Mittäter zu stellen sind, umschreiben. Auch der Hintermann erlangt die Stellung eines mittelbaren Täters nicht durch einen besonderen Entstehungsgrund, sondern wegen des durch die Instrumentalisierung begründeten Verhältnisses zum Tatmittler. Durch dieses Verhältnis entstehen für ihn zwar keine besonderen Rechtspflichten, es verschafft ihm aber den nötigen Einfluss auf das tatbestandsmäßige Geschehen. Gleiches gilt für den Mittäter. Die gemeinschaftliche Begehungsweise gem. § 25 II StGB beschreibt die zwischen verschiedenen Tatbeteiligten bestehende Beziehung, die zwar das Unrecht der mittäterschaftlichen Tat prägt, aber keine Sonderpflichten auslöst. Für die subjektiv beschränkten Gemeindelikte ist jedoch die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs bei irrtümlicher Annahme der eigenen Täterqualität allgemein anerkannt,776 sodass sich aus dem Vergleich mit dieser Deliktsgruppe kein Beleg für den zwingenden Charakter der Tatherrschaftsvoraussetzungen ableiten lässt. Ganz im Gegenteil spricht er dafür, dass sich mit den gegen den Versuch des untauglichen Subjekts vorgebrachten Argumenten der zwingende Charakter der Tätervoraussetzungen des § 25 II StGB nicht begründen lässt. Sind die Voraussetzungen des § 25 StGB bereits nicht mit den besonderen Tätermerkmalen der Sonderdelikte vergleichbar und lassen sich insbesondere die zum Versuch des untauglichen Subjekts vorgebrachten Argumente auf den Versuch des vermeint774 Bruns,
GA 1979, S. 161, 180. So auch Jescheck/Weigend, AT, S. 536. GA 1979, S. 161, 180; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 159; Roxin, AT II, § 29 Rn. 356. Ebenso AK-StGB-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 35; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 67. 776 Vgl. AK-StGB-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 35; Bruns, GA 1979, S. 161, 180 f.; Jakobs, AT, § 25 Rn. 44 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 536; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 159; Roxin, AT II, § 29 Rn. 356 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 76; Schünemann, GA 1986, S. 293, 317 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 67. 775 Bruns,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
lichen mittelbaren Täters oder Mittäters nicht übertragen, kommt es auf die Stichhaltigkeit dieser Argumentation gar nicht an. Bereits wegen der gravierenden Unterschiede beider Konstellationen scheidet eine Übertragung der Erwägung von vornherein aus, sodass auch sie einer Übertragung der allgemeinen Irrtumsregeln auf die Tätervoraussetzungen nicht entgegenstehen. (cc) Tatherrschaft als sonstiges besonderes Tätermerkmal Daher kann sich eine Sonderstellung der Tatherrschaftsvoraussetzungen nur aus subjektspezifischen Eigenarten gerade dieser Tätermerkmale ergeben. Globke und Hettinger versuchen eine solche an die Eigenschaft der Tat herrschaftsvoraussetzungen als besondere Tätermerkmale anknüpfende Begründung zu geben.777 Man müsse das „Wer“ im jeweiligen Tatbestand bei der gemeinschaftlichen Tatbegehung als „eine Einheit der Mittäter“ verstehen.778 Die Voraussetzungen des § 25 II StGB kennzeichneten diese Einheit und stellten somit spezielle Anforderungen an das Tatsubjekt. Die Tatbegehung könne dann ausgehend von dieser Einheit verstanden werden. Die Kollektivperson wäre zunächst wie eine Einzelperson für den tatbestandlichen Erfolg verantwortlich.779 Von ihr würde sich dann wiederum die Verantwortung des Einzelnen ableiten, der allein aufgrund der Beteiligung an diesem Kollektiv für alles hafte, was auch dem Kollektiv als Ganzem anzulasten sei.780 Im Ergebnis wäre daher die mittäterschaftliche Verbrechensbegehung die Alleintäterschaft eines Gesamtsubjekts,781 das sich durch bestimmte Kriterien auszeichnete und für dessen Handeln die einzelnen Mitglieder qua Mitgliedschaft einzustehen hätten. Weil es der Tatplan sei, der die Beteiligten zu dieser Einheit verbinde, sei ein Handeln für das Ziel der Gemeinschaft nur aufgrund dieses Tatplans möglich, sodass er eine Bedingung der Tatbegehung sei. Deshalb sei der Tatplan „konstitutiv für die Täterschaftsform „Mittäter“, weil nur auf seiner Grundlage Handlungen überhaupt als „gemeinschaftliches Begehen einer Straftat“ eingeordnet werden können“.782 Demnach wären die Voraussetzungen der Mittäterschaft deshalb besondere Tätermerkmale, weil sie die Täterperson gegenüber dem Regelfall der Allein777 Globke/Hettinger,
in: FS Kühl (2014), S. 213, 222 f. in: FS Kühl (2014), S. 213, 222. Auch Jakobs, in: FS Miyazawa (1995), S. 419, 421 und Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 485 f. sprechen von der Tat eines Kollektivs. 779 So Joerden, Strukturen, S. 79; Lesch, Sukzessive Beihilfe, S. 186, 189 f., 194; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 464 f. 780 Joerden, Strukturen, S. 79 f.; Lesch, Sukzessive Beihilfe, S. 190, 194. 781 So zutreffend Schilling, S. 64. 782 Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 222. 778 Globke/Hettinger,
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 203
täterschaft modifizierten und als Einheit kennzeichneten. Nicht ein Einzelner, sondern die Einheit der Mittäter wäre Täterperson der mittäterschaftlichen Tat. Weil die Tatherrschaftsvoraussetzungen diese Einheit erst begründen, sollen sie unverzichtbar für die Strafbarkeit und damit unzugänglich für die Anwendung der Versuchsgrundsätze sein. Fraglich ist, ob diese Deutung der Mittäterschaft überzeugt. Der Wortlaut schließt ein solches Verständnis nicht aus, denn begehen nach § 25 II StGB „mehrere die Straftat gemeinschaftlich“, ließe sich hieraus auch der Schluss ziehen, nur die Gemeinschaft der Beteiligten als Einheit begehe die Straftat.783 Ein Argument für eine solche Deutung lässt sich hieraus aber auch schwer ableiten, denn ausdrücklich ordnet der Gesetzgeber die Begehung der Tat nicht einer Gemeinschaft zu. Vielmehr bezieht sich das „begehen“ seiner Stellung nach auf „mehrere“, d. h. auf die unterschiedlichen Einzelpersonen, die sich zur gemeinschaftlichen Tatbegehung zusammenschließen. Dann aber ließe sich § 25 II StGB auch so lesen, dass Tätersubjekt stets der Einzelne als Teilmenge dieser „mehreren“ ist, der sich von dem unmittelbaren Täter des § 25 I Var. 1 StGB nur hinsichtlich der Begehungsweise unterscheidet, weil er die Tat nicht allein, sondern gemeinschaftlich begeht. Dagegen, die gemeinschaftliche Tat als Tat einer Kollektivperson anzusehen, spricht, dass es sich bei ihr um eine bloße Fiktion handelt.784 Im deutschen Strafrecht ist – wie bspw. § 29 StGB zeigt – nur die Strafbarkeit von Einzelpersonen vorgesehen, eine Verbandshaftung existiert derzeit nicht.785 Weil dem geltenden deutschen Recht somit das Prinzip der strafrechtlichen Einzelverantwortlichkeit zugrunde liegt,786 kann ein Gesamtsubjekt stets nur ein Zwischenkonstrukt sein, um davon die individuelle Haftung der einzelnen Beteiligten abzuleiten. Mit einem solchen Zwischenkonstrukt wäre aber eine überflüssige Verkomplizierung verbunden: Es würde geschaffen, um dogmatisch zu begründen, warum der Einzelne für einen Erfolg einzustehen hat, den er jedenfalls nicht vollständig selbst verursacht hat. Diese BegrünGlobke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 223. S. 64. Ähnlich auch schon Binding, in: Abhandlungen I (1915), S. 251, 301. Kritisch zu diesem Einwand Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 123. 785 Vgl. LK-StGB-Schünemann, Vor § 25 Rn. 20 ff.; MüKo-StGB-Joecks, Vor § 25 Rn. 16 ff.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 121 ff., jew. mit umfangreichen weit. Nachw. zur Diskussion um die Einführung einer solchen Verbandsstrafbarkeit. 786 Daraus wird zum Teil noch weitergehend der Einwand abgeleitet, die Konstruktion eines Gesamtsubjekts widerspreche dem Prinzip der strafrechtlichen Einzelverantwortlichkeit, weil sie mit der Anknüpfung der Strafe an das schuldhafte Verhalten des Einzelnen nicht in Einklang zu bringen sei, vgl. Schilling, S. 64. Zustimmend – allerdings mehr auf die Zweckmäßigkeit abstellend – Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 123 f. 783 So
784 Schilling,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
dung wird jedoch durch die Fiktion eines Gesamtsubjekts nicht erleichtert, sondern erschwert, denn sie sähe sich einem doppelten Legitimationsaufwand ausgesetzt. In einem ersten Schritt müsste begründet werden, warum die Beteiligten nicht als Einzelpersonen, sondern als Gesamtsubjekt agieren, um dann in einem zweiten Schritt untersuchen zu können, ob der Einzelne für das Handeln dieses Gesamtsubjekts einzustehen hat. Diese Schwierigkeit lässt sich vermeiden, wenn als Zurechnungsgegenstand die einheitliche Außenweltveränderung der Gesamttat fungiert. Zwar wäre auch dann zunächst der Außenweltvorgang zu ermitteln, um im Anschluss die Verantwortung des Einzelnen für dieses Gesamtgeschehen begründen zu können. Legitimationsschwierigkeiten ergäben sich jedoch für dieses Modell allein auf der zweiten Ebene der individuellen Verantwortung, da die Gesamttat nichts anderes als ein tatsächlicher Außenweltvorgang ist, der nach den allgemeinen Kriterien unter den Tatbestand zu subsumieren wäre, während das Gesamtsubjekt ein rechtliches Konstrukt darstellt, dessen Existenz zunächst normativ zu begründen wäre. Aus diesem Grund spricht gegen die Idee eines solchen Gesamtsubjekts zunächst die fehlende Zweckmäßigkeit.787 Zudem verschleiert die Lehre vom Gesamtsubjekt, dass auch bei der Tatbegehung mehrerer die Differenzierung der verschiedenen subjektiven Verantwortlichkeiten unverzichtbar ist.788 Die Voraussetzungen der Mittäterschaft dienen dazu, die Stellung des einzelnen, nicht aber die des Gesamtsubjekts zur Tatbestandsverwirklichung zu klären. So geht es bei der Frage nach dem gemeinsamen Tatplan nicht allein darum, festzustellen, ob ein Zusammenschluss erfolgt ist, sondern das Merkmal dient ebenso dazu, für den Einzelnen die Grenzen der Zurechnung abzustecken.789 Diese können aber für jeden Beteiligten – gerade beim Zusammenwirken einer Vielzahl an Personen – unterschiedlich ausfallen. Entschließen sich A, B, C und D, den O auszurauben, wobei A und B die Gewaltanwendung übernehmen, während sich C und D um die Entwendung der Beute kümmern, scheint es denkbar, dass A und B in der konkreten Tatsituation einvernehmlich über das abgesprochene Maß der Gewaltanwendung hinausgehen, weil sie merken, dass O mehr Widerstand leistet als gedacht. Ebenso können C und D den Tatplan – auch unabhängig voneinander – in ihrem eigenverantwortlichen Aufgabenbereich erweitern. Obwohl demnach alle Beteiligten einen gemeinsamen Tatplan gefasst haben, fällt deren konkreter Inhalt und damit die Grenze der Zurechnung für jeden Einzelnen, insbesondere wegen der Möglichkeit, den auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 123 f. Kausalität und Gesamttat, S. 123. 789 Fad, S. 126; Häring, S. 131; Kühl, AT, § 20 Rn. 117; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295, 302; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 21 und 58 ff.; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 242 ff.; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 486; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 286; Weißer, S. 368 f. 787 So
788 Dencker,
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 205
Tatplan jederzeit konkludent abzuändern, zu beschränken oder zu erweitern,790 unterschiedlich aus. Bestehen nun für jede Tatmodalität unterschiedliche Gesamtsubjekte, je nachdem, ob ein bestimmter Teil der Tatausführung von allen oder nur von einigen vom gemeinsamen Tatplan umfasst ist? Bereits dieses Beispiel zeigt, dass der Tatplan seine Funktion nicht erfüllen kann, verstünde man ihn allein als Entstehungsakt eines Gesamtsubjekts. Man müsste diese Voraussetzung notwendig in verschiedene Teilfragen aufspalten, will man an der Konstruktion eines Gesamtsubjekts und daraus abgeleiteter Einzelverantwortung festhalten. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass dieses Modell unnötig kompliziert und impraktikabel ist. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich die Frage nach dem Charakter der Tätervoraussetzungen nicht nur bei der Mittäterschaft, sondern auch bei der mittelbaren Täterschaft stellt und sie für beide Täterformen nur einheitlich beantwortet werden kann.791 Soll daher die Begründung von Globke und Hettinger den zwingenden Charakter dieser Merkmale und ihre Unzugänglichkeit für die Anwendung allgemeiner Irrtumsregeln tragen, müsste sie sich auch auf die mittelbare Täterschaft übertragen lassen. Bei der mittelbaren Täterschaft fällt es aber noch schwerer, das Verhältnis zum Tatmittler, die spezifische Überlegenheitsposition, die es dem mittelbaren Täter ermöglicht, das Geschehen planvoll lenkend zu steuern, als Entstehungsvoraussetzung für eine überindividuelle Täterperson zu begreifen. Denn mittelbarer Täter und Tatmittler bilden gerade keine Einheit, die sich durch ein gemeinschaftliches Ziel auszeichnet, sondern der Vordermann braucht von seiner Einbindung in das Deliktsvorhaben des Hintermannes gar keine Kenntnis zu haben. Insbesondere wenn sich die Überlegenheit des mittelbaren Täters aus der Gutgläubigkeit des Vordermannes ergibt, fehlt dem Tatmittler gerade das Wissen um den deliktischen Charakter seiner Handlung. Deshalb wird mit der Einwirkung auf ihn keine neue, fiktive, überindividuelle Einheit geschaffen, die als solche die Verantwortung für das deliktische Geschehen trägt. Wollte man die Voraussetzungen des § 25 I Var. 2 StGB einer Person zuschreiben, ließe sich allenfalls annehmen, sie charakterisierten den Tatmittler. Er ist es, der sich von der Person des unmittelbaren Täters unterscheidet, weil er trotz der eigenhändigen Begehungsweise in der Regel über ein Verantwortungsdefizit verfügt, das strukturell die Möglichkeit eröffnet, dem Hintermann die Verantwortung für die von ihm vollzogenen Handlungen zuzuschreiben.792 790 Statt vieler BGH NStZ 2013, 400; BGH, Beschl. v. 06.02.2016 – 1 StR 424/15; Heinrich, AT, Rn. 1224; Kamm, S. 34; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 25 Rn. 10. 791 Kap. 1 B.I. 792 Bloy, GA 1996, S. 424, 437; Krey/Nuys, in: FS Amelung (2009), S. 203 ff.; Kutzner, S. 143; Murmann, GA 1998, S. 78, 85 f.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 87; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 75; Weißer, S. 151 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Auch diese Zuschreibung wäre aber in zweifacher Hinsicht ungenau. Zum einen begründet das Verantwortungsdefizit des Vordermannes nicht automatisch die Verantwortung des Hintermannes, sondern hinzukommen muss die Ausnutzung dieses Defizits für die eigene Tatbegehung.793 Diese Eingliederung und Steuerung lässt sich aber nur schwer als Voraussetzung für die Entstehung einer Täterperson „Tatmittler“ begreifen. Zum anderen findet sich für eine solche Deutung der mittelbaren Täterschaft auch keinerlei Anhalt im Gesetz, stellt § 25 I Var. 2 StGB doch nicht auf eine besondere Stellung oder die Person des Tatmittlers, sondern allein auf den mittelbaren Täter und die Eigenheiten seiner Begehungsweise ab. Weiter spricht gegen eine Übertragbarkeit auch der fehlende Nutzen, den die Konstruktion eines solchen speziellen Tatsubjekts bei der mittelbaren Täterschaft hätte. Bei der Mittäterschaft soll ihr die Tatverwirklichung zugeschrieben werden, um so Kausalitätsprobleme zu überwinden. Die Verantwortung des Einzelnen soll sich dann aus seiner Beteiligung an dem Kollektiv ergeben.794 Der Tatmittler trägt aber in den meisten Fällen gar keine Verantwortung für das tatbestandsmäßige Geschehen und falls doch, leitet sie sich aus der eigenhändigen Vornahme sämtlicher tatbestandsmäßiger Handlungen ab. Demnach gilt es, mithilfe der speziellen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft allein die Verantwortung des Hintermannes für das von ihm nicht selbst ausgeführte Außenweltgeschehen zu begründen. Geht es aber um die Begründung seiner Verantwortung, kann sich diese nicht aus seiner Mitgliedschaft an einem normativ geschaffenen Tatsubjekt ergeben. Denn ist dieses ein überindividuelles, müsste auch der Tatmittler an diesem teilhaben, weil gerade er es ist, der die tatbestandsmäßigen Handlungen vollzieht. Er soll für das deliktische Geschehen jedoch gerade nicht qua Mitgliedschaft am Tatsubjekt haften, denn § 25 I Var. 2 StGB will allein die Täterschaft des mittelbaren Täters begründen. Ist das Tatsubjekt dagegen mit dem Tatmittler identisch, hat der Hintermann an dieser Täterperson keinen Anteil und kann daher auch nicht kraft Beteiligung an dieser haften. Damit ist das von Globke und Hettinger vorgeschlagene Täterschaftskonzept jedenfalls für die mittelbare Täterschaft nicht fruchtbar zu machen. Dann aber kann dieses Erklärungsmodell insgesamt nicht überzeugen, denn es widerspräche der Tatherrschaftslehre als einheitlichem Erklärungskonzept für die Täterschaft, nur bezüglich einzelner Täterformen die Anwendung allgemeiner Regeln zu verneinen. Zudem bleibt unklar, weshalb aus der Zuordnung der Tatherrschaft zum Tatsubjekt automatisch folgen soll, dass es sich um eine zwingende Vorausset793 Frister, AT, § 27 Rn. 4; Gropp, AT, § 10 Rn. 150; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 65; Weißer, S. 152 f. 794 Vgl. bereits oben Fn. 778 und 780.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 207
zung handelt. Gerade die subjektiv beschränkten Gemeindelikte zeigen, dass allein deshalb, weil ein Merkmal die Täterperson näher kennzeichnet, dieses nicht notwendigerweise unverzichtbar sein muss.795 Vielmehr stützt sich die Lehre vom Wahndelikt ausschließlich auf die strukturellen Besonderheiten der echten Sonderdelikte und ihrer speziellen Tätermerkmale, nicht aber auf die Zuordnung der Merkmale zum Tätersubjekt als solche. Dass sich diese Erwägungen auf die Tatherrschaftsmerkmale nicht übertragen lassen, wurde bereits gezeigt.796 Dann aber wäre selbst wenn man annähme, der mittelbare Täter und der Mittäter seien besondere Täterpersonen, weshalb die Tatherrschaft ein besonderes Tätermerkmal darstellte, damit noch nicht bewiesen, dass sie zwingend und einer Anwendung allgemeiner Versuchsgrundsätze unzugänglich ist. Vielmehr müsste ein besonderer, gerade den Tätermerkmalen des § 25 StGB eigener Grund dafür bestehen, warum diese eine Sonderstellung einnehmen. Allein die Zuordnung zur Täterperson vermag dies nicht zu begründen. Ob die Tätermerkmale eine besondere Struktur aufweisen, die eine Anwendung allgemeiner Irrtumsregeln ausschließt, ist unabhängig von der Zuordnung der Tat herrschaft zum Tatsubjekt oder -mittel nur mithilfe etwaiger struktureller oder funktioneller Besonderheiten dieses Merkmals zu beantworten. (dd) Zwischenergebnis Auch die Zuordnung der Voraussetzungen des § 25 StGB zum Tatsubjekt kann den zwingenden Charakter dieser Merkmale nicht begründen. Zum einen scheint es bereits zweifelhaft, ob die Tatherrschaftsvoraussetzungen tatsächlich die Täterperson charakterisieren, denn anders als bei anderen Tätermerkmalen lässt sich die besondere Stellung des Täters zu anderen Personen nicht vom eigentlichen deliktischen Geschehen trennen. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass allein aus der Charakterisierung einer Voraussetzung als besonderes Tätermerkmal nicht automatisch folgt, dass es unverzichtbar für die Versuchsstrafbarkeit ist. Vielmehr kann sich dies nur aus dem besonderen Charakter der jeweiligen Tätervoraussetzung ergeben. Insbesondere aus der Tatsache, dass beim Entfall der Subjektqualität die Rechtspflicht vom Täter per se nicht verletzt werden kann, weil sie ihn schon nicht trifft und damit die Vollendung auch im Wiederholungsfalle ausgeschlossen ist, könnte eine derartige Sonderstellung der Subjektmerkmale folgen. Diese Erwägung trifft jedoch auf die mittäterschaftliche und mittelbar-täterschaftliche Tat nicht zu. Auch speziell diese Subjektmerkmale auszeichnende Eigenheiten, die die Möglichkeit einer Anwendung allgemeiner Irrtums- und Versuchsregeln per se verschlössen, bestehen nicht. 795 Vgl.
dazu bereits Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb). B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb).
796 Kap. 1
208
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
(3) Ergebnis zum Verhältnis der Tatherrschaftselemente Somit konnte gezeigt werden, dass die Tatherrschaft eine den übrigen Tatbestandsmerkmalen vergleichbare Struktur aufweist: Auch sie setzt sich aus einem objektiven herrschaftsbegründenden Sachverhalt und einem darauf gerichteten Vorsatz zusammen. Daher spricht die Struktur der Tätervoraussetzungen nicht bereits gegen eine Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln. Auch in materieller Hinsicht weisen die Tatherrschaftsmerkmale keine Eigenheiten auf, die einer Trennbarkeit der einzelnen Herrschaftselemente oder der Zugänglichkeit für die allgemeinen Versuchsgrundsätze entgegenstehen. 3. Ergebnis und Aussagekraft Damit ist jedoch nur nachgewiesen, dass prinzipiell die Möglichkeit bestünde, sie ebenfalls in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand zu gliedern und auf sie dieselben allgemeinen Regeln anzuwenden. Ob eine solche Handhabung auch sinnvoll ist, insbesondere zu sachgerechten Ergebnissen führt, mit dem Willen und der Konzeption des Gesetzgebers vereinbar ist und der Funktion dieser Merkmale gerecht wird, kann nur die weitergehende Analyse der Tatherrschaftsvoraussetzungen zeigen.
IV. „Vorstellung von der Tat“ im Sinne des § 22 StGB Den Ausgangspunkt dieser Analyse soll der Wortlaut der allgemeinen Versuchsregel bilden. Nach § 22 StGB beurteilt sich die Frage, ob zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt wurde, nach der Vorstellung des Täters von der Tat. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers ist also das Urteil, ob ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung vorliegt, nicht rein objektiv zu fällen. Daraus wiederum könnte zu schlussfolgern sein, dass es für die Bestrafung wegen untauglichen Versuchs eines mittäterschaftlichen Delikts genügt, wenn der fremde Tatbeitrag dem Täter nach seiner Vorstellung zuzurechnen ist, wenn also nach seiner Vorstellung die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllt sind.797 Bedenken gegen diesen Argumentationsgang ergeben sich zunächst einmal daraus, dass § 22 StGB seinem Wortlaut nach auf den unmittelbaren Alleintäter zugeschnitten ist. Da der Versuchstatbestand gegebenenfalls durch § 25 I Var. 2 StGB für den mittelbaren Täter und § 25 II StGB für den Mittäter 797 So
Heckler, GA 1997, S. 72, 77 f.; Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 989.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 209
modifiziert werden muss798 und der Gesetzgeber es unterlassen hat, besondere Versuchsregeln für diese Täterformen zu normieren, erscheint es bedenklich, aus dem Wortlaut einer auf den Alleintäter zugeschnittenen Vorschrift unmittelbare Schlussfolgerungen für die mittelbare bzw. gemeinschaftliche Tatbegehung zu ziehen. Dies gilt umso mehr, als es hier gerade um das Zusammenspiel der speziellen, in § 25 StGB normierten Voraussetzungen der Täterschaft und der Versuchsgrundsätze geht, welches erkennbar nicht Gegenstand der auf den Alleintäter zugeschnittenen Regelung des § 22 StGB ist. Der Wortlaut dieser Norm kann daher nur bedingt zur Auslegung der speziellen Zurechnungsvoraussetzungen bei der Beteiligung mehrerer am Versuch herangezogen werden. Zudem gibt der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig vor, wieviel objektiven Gehalt der objektive Versuchstatbestand trotz der Orientierung an der Vorstellung des Täters aufweisen muss.799 Entscheidend ist, ob es für die Zurechenbarkeit der Ansatzhandlung allein auf die Vorstellung des Täters ankommt oder die Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage stets objektiv bestehen muss. Beide Deutungen ließen sich mit dem Wortlaut des § 22 StGB vereinbaren: So könnte man argumentieren, bei der Zuordnung des objektiven Geschehens zum eigenen deliktischen Entschluss des Zurechnungssubjekts gehe es ebenso wie in anderen Fällen des untauglichen Versuchs allein darum, zu ermitteln, ob die objektive Handlung tatsächlich eine Versuchshandlung darstellt. Die Ausführungshandlung des vermeintlichen Mittäters bzw. Tatmittlers könnte ebenso wie der Schuss mit einem Luftgewehr auf ein Flugzeug bloß ungeeignet sein, den deliktischen Plan des Täters umzusetzen. Weil sich diese Eignung der Handlung zur Tatbestandsverwirklichung anerkanntermaßen nach der Vorstellung des Täters richtet, ließe sich bei einer solchen Verortung des Problems die Versuchsstrafbarkeit in den Fällen vermeintlicher Täterschaft auf den Wortlaut des § 22 StGB stützen. Ebenso könnte man aber die Zurechenbarkeit auch als Voraussetzung dafür erachten, dem Zurechnungssubjekt überhaupt einen Manifestationsakt zuzuordnen. Weil ein solcher zwingend ist und nicht durch die Vorstellung des Täters hiervon ersetzbar ist, würde in diesem Fall der Wortlaut der Versuchsstrafbarkeit entgegenstehen.
798 Siehe Kap. 1 A. I. 3. b) cc) und Kap. 1 A. II. 2. b) ff). Der Gedanke, dass es bei der Mittäterschaft einer Modifikation der jeweiligen Deliktstatbestände bedarf findet sich auch bereits bei Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 144 f. und Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 313. 799 Zaczyk, S. 81.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
V. Genetische Auslegung800 Unter Umständen können jedoch die Gesetzesmaterialien darüber Aufschluss geben, ob der Gesetzgeber die vermeintliche Täterschaft über die Versuchsgrundsätze erfassen wollte. Unmittelbar lässt sich ihnen nicht entnehmen, ob der Gesetzgeber den Tätervoraussetzungen eine Sonderstellung beimessen oder sie den übrigen Tatbestandsmerkmalen gleichstellen wollte. Allerdings war im Entwurf zum Strafgesetzbuch von 1962 erwogen worden, die Konstellation der vermeintlichen Beteiligung durch Schaffung einer speziellen Irrtumsvorschrift, § 32 E-StGB, gesetzlich zu regeln.801 Sie sollte Fälle erfassen, in denen der Teilnehmer irrig annimmt, der Täter werde vorsätzlich handeln, es tatsächlich aber an einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat fehlt.802 Ziel war es, Strafbarkeitslücken bei nur vermeintlicher Teilnahme zu schließen, die dadurch entstehen, dass eine taugliche Haupttat nur in der Vorstellung des Teilnehmers besteht.803 Möglicherweise lässt sich hieraus der Schluss ziehen, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, die allgemeinen Irrtumsvorschriften seien insgesamt auf die Beteiligungsvorschriften unanwendbar, weshalb es einer speziellen Regelung in § 32 E-StGB bedurfte. Der Umstand, dass diese Vorschrift letztlich nicht übernommen wurde, steht einer solchen Schlussfolgerung nicht entgegegen,804 ist doch § 32 EStGB nur deshalb nicht Gesetz geworden, weil er nach Ansicht des Justizministeriums Fälle von nur untergeordneter praktischer Bedeutung regele und daher zu sehr ins Detail ginge.805 Dagegen, aus § 32 E-StGB Rückschlüsse für die Anwendbarkeit der Irrtumsvorschriften auf die Tätervoraussetzungen zu ziehen, spricht aber, dass diese Vorschrift die vermeintliche Teilnahme, nicht aber die vermeintliche Täterschaft regeln sollte.806 Selbst 800 Zu dem Begriff und insbesondere der Abgrenzung zur historischen Auslegung vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 360 f. 801 BT-Drucks. IV/650, S. 151. 802 Zu dieser Norm auch Frister, AT, § 27 Rn. 46 m. Fn. 78; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKo-StGBJoecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; ders., Kriminalpolitik, S. 20 f. m. Fn. 46. 803 BT-Drucks. IV/650, S. 151. 804 Frister, AT, § 27 Rn. 46 m. Fn. 78; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; ders., Kriminalpolitik, S. 20 f. m. Fn. 46. Nach Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 263 f. lässt sich diese Schlussfolgerung aus der Nichtübernahme des § 32 E-StGB dagegen nicht ohne weiteres ziehen. 805 BT-Drucks. V/4095, S. 13; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160. 806 Deshalb ist vor allem zu überlegen, ob sich aus der Nichteinführung des § 32 E-StGB Rückschlüsse für die Frage ziehen lassen, ob sich in den Fällen des Irrtums
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 211
dann, wenn sich aus § 32 E-StGB der Schluss ziehen ließe, dass der Gesetzgeber diesen Irrtum nicht von den allgemeinen Irrtumsregeln erfasst sah, können daraus also keine Erkenntnisse für die Täterschaft abgeleitet werden. Dafür spricht auch die unterschiedliche Struktur von § 25 StGB auf der einen und §§ 26, 27 StGB auf der anderen Seite. Weil der Teilnehmer nur an der vorsätzlichen rechtswidrigen Tat eines anderen mitwirkt, unterscheidet sich der Teilnahmetatbestand grundlegend von dem gesetzlichen Tatbestand, den § 16 I 1 StGB in den Blick nimmt. Das Teilnahmeunrecht setzt sich sowohl aus selbstständigen als auch aus der Haupttat abgeleiteten Elementen zusammen. Neben dem eigenständigen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers807 ist sein Unrecht auch abhängig vom Unrecht der Haupttat, das dem mitwirkenden Teilnehmer zugerechnet wird.808 Nur beide Komponenten zusammen ergeben das spezifische Teilnahmeunrecht. Damit wird augenfällig, warum der Irrtum des Teilnehmers, den § 32 E-StGB in den Blick nimmt, so problematisch ist. Fehlt es an einer vorsätzlichen Haupttat und somit am Täter unrecht, kann dieses dem Teilnehmer auch nicht zugerechnet und so das Teilnahmeunrecht nicht begründet werden. Bereits deshalb lassen sich die Versuchsregeln nicht ohne weiteres auf die Teilnehmertat anwenden. Obwohl auch bei der mittelbaren und der Mittäterschaft noch weitere Personen an der Tatbegehung beteiligt sind, weisen diese eine deutlich größere Nähe zum gesetzlichen Regelfall der unmittelbaren Alleintäterschaft auf. Nach der Tatherrschaftslehre, die auf dem restriktiven Täterbegriff fußt, verwirklichen sie selbst den Tatbestand des Besonderen Teils, indem sie tatherrschaftlich an der Erfolgsherbeiführung mitwirken.809 Zwar erfüllen sie nicht notwendig alle Tatbestandsmerkmale selbst, weshalb es unter Umständen einer Zurechüber die Beteiligungsrolle eine Teilnahmestrafbarkeit begründen lässt, vgl. dazu Frister, AT, § 27 Rn. 46 m. Fn. 78; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Maurach/Gössel/ Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; ders., Kriminalpolitik, S. 20 f. m. Fn. 46. Nach Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 263 f. lässt sich diese Schlussfolgerung aus der Nichtübernahme des § 32 E-StGB dagegen nicht ohne weiteres ziehen. Ausführlich zu dieser Frage in Kap. 2 D.I. 807 Diesen fordert die mittlerweile h. M., vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; Frister, AT, § 25 Rn. 28; Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Jakobs, AT, § 22 Rn. 9; Krey/Esser, AT, Rn. 988; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; MüKo-StGB-Joecks, Vor § 26 Rn. 16 f.; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 207 ff.; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 16; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 117 f. 808 Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 208; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21. 809 Statt vieler Haas, Tatherrschaft, S. 13 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 2 ff.; LK-StGBSchünemann, § 25 Rn. 36; Marlie, Unrecht, S. 35 f.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 5, 10 ff.;
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nung der Gesamttat und somit mittelbar einer Zurechnung fremden Ausführungshandelns bedarf, jedoch werden mittelbarer Täter und Mittäter durch diese Zurechnung so gestellt, als hätten sie die zugerechnete Handlung eigenhändig vorgenommen.810 Das Unrecht der täterschaftlichen Tat ergibt sich also stets aus seinem eigenen Rechtsgutsangriff. Unterscheidet sich demnach der Teilnahmetatbestand grundlegend von dem der Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft, weisen diese aber deutliche Strukturparallelen zum gesetzlichen Regelfall der unmittelbaren Täterschaft auf, lässt sich aus dem Entwurf zur vermeintlichen Teilnahme keine Schlussfolgerung für die vermeintliche Täterschaft ziehen. Im Gegenteil spricht die Tatsache, dass eine solche Irrtumsvorschrift nur bezüglich der Teilnahme, nicht aber bezüglich der Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft erwogen wurde, dafür, dass der Gesetzgeber dieses Problem bereits durch die bestehenden Regelungen erfasst sah.
VI. Systematische Auslegung 1. Widerspruch zu § 30 StGB? Wären die Versuchsgrundsätze auch auf die Tätervoraussetzungen anwendbar, ließe sich eine Versuchsstrafbarkeit auch bei versuchter Täterschaft begründen. Allerdings stellt auch § 30 II Var. 3 StGB die gescheiterte Verabredung zu einem Verbrechen unter Strafe, sodass dieser seines Anwendungsbereichs beraubt werden könnte, ließe sich die versuchte Täterschaft bereits über die allgemeinen Versuchsgrundsätze erfassen. Weil man dem Gesetzgeber nicht unterstellen kann, dass er vorhatte, eine überflüssige Norm zu schaffen, könnte dies dafür sprechen, dass er davon ausging, de lege lata sei eine versuchte Mittäterschaft nicht strafbar und damit das objektive Vorliegen der Tätervoraussetzungen zwingende Voraussetzung einer Versuchsstrafbarkeit.811 Allerdings bedurfte es der Regelung des § 30 II Var. 3 StGB nicht, um die gescheiterte Verabredung der Mittäter bestrafen zu können, sondern weil der Gesetzgeber im Falle des Zusammenwirkens Mehrerer das Bedürfnis sah, auch bereits im Vorfeld der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung liegende Handlungen zu pönalisieren.812 Eine Strafbarkeit wegen VerbrechensverabreSchönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 57 f.; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 11. 810 Bloy, GA 1996, S. 424 f.; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 3. 811 So Globke/Hettinger, in: FS Kühl (2014), S. 213, 223. 812 Vgl. zum Strafgrund der Verbrechensverabredung BT-Drucks. IV/650, S. 153; BGHSt 44, 91, 95; Becker, Strafgrund, S. 182; Bock/Harrendorf, ZStW 126 (2014),
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 213
dung kommt immer dann in Betracht, wenn es für die Versuchsstrafbarkeit an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat fehlt, der gemeinsame Tatplan also noch gar nicht umgesetzt wurde und sich die Tat damit noch im Vorbereitungsstadium befindet.813 Eine erfolgreiche Verabredung und damit einen gemeinsamen Tatplan dagegen setzt § 30 II Var. 3 StGB seinem Wortlaut nach ebenso wie das versuchte mittäterschaftliche Delikt voraus.814 Somit sollte die Konstellation der vermeintlichen Mittäterschaft, in der es zwar zu einer Versuchshandlung gekommen ist, aber ihre Zurechenbarkeit zum Zurechnungssubjekt wegen der objektiv fehlenden Verabredung zweifelhaft ist, von § 30 II Var. 3 StGB jedenfalls nicht unmittelbar erfasst werden.815 Dann kann die Existenz der Regelung aber auch kein Beleg für einen der Anwendbarkeit des § 22 auf § 25 II StGB entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers sein. Eine Modifikation der Tätervoraussetzungen durch die Versuchsgrundsätze stünde auch deshalb nicht im Widerspruch zu § 30 StGB, weil der dogmatische Ausgangspunkt für die Frage, ob ein gemeinsamer Tatplan objektiv vorliegen muss, in beiden Fällen völlig unterschiedlich ist. So hängt die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung bei objektiv gescheiterter Verabredung der Mittäter allein davon ab, inwieweit sich eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorbereitungsstadium – auch unter Berücksichtigung des Strafgrundes des § 30 II Var. 3 StGB – rechtfertigen lässt, wenn es nicht nur an einer Ansatzhandlung, sondern auch an einem tatsächlichen Zusammenschluss der Mittäter fehlt.816 Bei der Versuchsstrafbarkeit existiert dagegen ein Außenweltgeschehen, das vermeintlich den gemeinsamen Tatplan umsetzt und es stellt sich die Frage, ob auch die Vorstellung eines herrschaftsbegründenden Sachverhalts die Verantwortung für dieses Geschehen begründen kann. Im Falle des § 30 StGB geht es demnach um die Legitimation einer Vorfeldstrafbarkeit, bei § 22 StGB dagegen um die Rechtfertigung der Zurechnung eines nicht eigenhändig verwirklichten Außenweltgeschehens. Weil sich beide Fragestellungen grundlegend unterscheiden, lässt sich aus § 30 S. 337, 360 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 701; Kühl, AT, § 20 Rn. 245; Letzgus, S. 123 ff.; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 870; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Schröder, JuS 1967, S. 289. 813 Ist die Tat dagegen in das Versuchsstadium gelangt, tritt § 30 StGB hinter dem Versuch konkurrenzrechtlich zurück, BGHSt 6, 308, 311; BGHSt 14, 378; BGH NStZ 1983, 364; BGH NStZ 1986, 565, 566; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 10; Maurach, JZ 1961, S. 137, 143; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 73; Roxin, AT II, § 28 Rn. 69; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 38; Schröder, JuS 1967, S. 289, 294; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 59. 814 Ausführlich dazu in Kap. 1 F. I. 2. a). 815 Dazu, ob der vermeintliche Täter sich nach § 30 StGB strafbar gemacht hat, siehe Kap. 1 F. 816 Zu dieser Frage in Kap. 1 F. I. 2. a).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
StGB für die Frage, ob die Versuchsregeln die Tätervoraussetzungen modifizieren, nichts ableiten. Aus demselben Grund kann auch die entgegengesetzte Argumentation, der Mangel an Ernstlichkeit schließe auch bei § 30 StGB die Strafbarkeit nicht aus, weshalb er auch für die Versuchsstrafbarkeit ohne Belang sein müsse,817 die Strafbarkeit des vermeintlichen Täters nicht tragen. Weil es bei § 30 StGB keiner Zurechnung fremder Handlungen bedarf, sondern es allein die Vorverlagerung der Strafbarkeit zu legitimieren gilt, erscheint es keinesfalls notwendig, für beide Konstellationen zu einer übereinstimmenden Lösung zu kommen. 2. Rückschlüsse aus der Bestimmung anderer Zurechnungskriterien beim Versuch Die Frage, inwieweit Zurechnungsvoraussetzungen auch beim Versuch objektiv vorliegen müssen, stellt sich nicht nur im Zusammenhang mit dem Versuch des Mittäters oder mittelbaren Täters. Denn Zurechnung spielt im Strafrecht nicht nur im Rahmen der Beteiligungslehre als Zurechnung fremden Ausführungsverhaltens eine Rolle, sondern vor allem bei der Zurechenbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolges. Daher lassen sich möglicherweise aus der Bedeutung dieser objektiven Zurechnungslehre bei der Begründung der Versuchsstrafbarkeit Rückschlüsse für die Auslegung der Zurechnungskriterien beim Versuch der gemeinschaftlichen oder mittelbaren Tatbegehung ziehen. Buser hält den Verzicht auf das objektive Vorliegen der Tätervoraussetzungen beim untauglichen Versuch deshalb für unbedenklich, weil die alleinige Berücksichtigung der Zurechnungsvoraussetzungen innerhalb der Vorstellungswelt des Betroffenen gerade der klassischen Versuchskonstellation geschuldet sei. Dies untermauert er mit einem Vergleich zum Versuch des Alleintäters, bei dem die Möglichkeit, dass ein tatsächlich nicht eingetretener Erfolg dem Handeln des Einzelnen hätte objektiv zugerechnet werden können, ebenfalls nur in der Vorstellungwelt des Versuchstäters Berücksichtigung finde.818 Dieser Vergleich kann jedoch die Bedenken gegen eine Subjektivierung des objektiven Versuchstatbestandes nicht ausräumen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Konstellationen besteht darin, dass die objektive Zurechnung den tatbestandlichen Erfolg betrifft, wohingegen sich die Merkmale des § 25 II StGB als Zurechnungsvoraussetzungen auf das unmittelbare Ansetzen – d. h. den „Versuchserfolg“ – beziehen, der in objektiver 817 So
Buser, S. 136 f.; Weber, in: FS Lenckner (1998), S. 435, 450. S. 135.
818 Buser,
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Hinsicht das Unrecht des Versuchs konstituiert819 und damit unverzichtbar für die Versuchsstrafbarkeit ist. Die Versuchsstrafbarkeit hat nur dann Bedeutung, wenn es entweder gar nicht zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges gekommen ist oder dieser dem Täter jedenfalls nicht zurechenbar ist, denn andernfalls könnte er bereits aus dem vollendeten Delikt bestraft werden. Deshalb ergibt sich die Notwendigkeit, die potentielle Zurechenbarkeit des geplanten Erfolges anhand des Tatentschlusses zu ermitteln, zwangsläufig aus der Struktur des Versuches. Es existiert bereits kein objektives Geschehen, das Grundlage einer objektiven Beurteilung der Zurechenbarkeit des Erfolges beim Versuch sein könnte. Die Tatherrschaftsmerkmale sollen dagegen die Verbindung zwischen dem Tatsubjekt und der Ansatzhandlung herstellen, also einem auch beim Versuch tatsächlich zu fordernden Außenweltvorgang. Sie können daher anders als die Voraussetzungen der objektiven Zurechnung sehr wohl objektiv in Bezug auf ein äußeres Geschehen bestimmt werden. Aus der Tatsache, dass die Zurechenbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolges beim Versuch nicht objektiv, sondern nur anhand des Tat entschlusses ermittelt werden kann, lassen sich somit wegen der fehlenden Vergleichbarkeit beider Fälle keine Rückschlüsse für die Zurechnungsvoraussetzungen des § 25 II StGB ziehen. 3. Der Irrtum über die Täterrolle i. R.d. §§ 160, 271 StGB Im Zusammenhang mit der Strafbarkeit wegen Verleitung zur Falschaussage gem. § 160 StGB sowie mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 StGB ist ebenfalls umstritten, wie sich Irrtümer hinsichtlich der eigenen Stellung im Geschehen auf die Strafbarkeit auswirken.820 Deshalb ist auch 819 RGSt 1, 439, 441 f.; RGSt 7, 118, 122; RGSt 8, 198, 203; RGSt 15, 315, 317; RGSt 34, 217, 219; RGSt 39, 316; RGSt 47, 65, 66; RGSt 56, 316, 317; RGSt 68, 45, 53; BGHSt 4, 254; BGHSt 11, 268, 271; BGHSt 11, 324, 327 f.; BGHSt 30, 363, 366; BGHSt 40, 299, 302; BGHSt 41, 94, 96; BGHSt 43, 177, 182; BGHSt 43, 265, 269. Vgl. auch Gössel, in: FS Wolter (2013), S. 403, 408; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 48 f.; Hirsch, in: Versuchslehre, S. 61, 64; Malitz, S. 148; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 42, 53, 56 f.; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 523, 529; Wachter, S. 10. Zur Bedeutung der Ansatzhandlung als objektivem Element für den Strafgrund des Versuchs ausführlich sogleich in Kap. 1 B.VII. 820 Vgl. Eschenbach, Jura 1993, S. 407 ff.; Gallas, in: FS Engisch (1969), S. 600, 619 f.; Geppert, Jura 2002, S. 173, 180; Heinrich, JuS 1995, S. 1115, 1118; Hruschka, JZ 1967, S. 210 ff.; Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, S. 659, 673; Kühne, Verleitung, S. 112 ff.; Küper, JZ 2012, S. 992, 1001 f.; Lackner/Kühl-Heger, StGB, § 160 Rn. 4; MüKo-StGB-Müller, § 160 Rn. 16 ff.; NK-StGB-Vormbaum, § 160 Rn. 16 ff.; Rengier, BT II, § 49 Rn. 57; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, StGB, § 160 Rn. 9; Vormbaum, in: FS Maiwald (2010), S. 817, 824 ff.; Wessels/Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 862.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
die hier geführte Diskussion darauf zu untersuchen, ob sich die zu den §§ 160, 271 StGB angestellten Erwägungen auf die vermeintliche Täterschaft übertragen lassen. Auch im Rahmen von § 160 StGB kann der Verleitende auf einen tatsächlich vorsätzlich Handelnden in der Annahme eingewirkt haben, dieser werde gutgläubig falsch aussagen. Fraglich ist dann gleichermaßen, wie sich diese Fehleinschätzung auf die (Versuchs-)Strafbarkeit des Irrenden auswirkt. Anders als bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft wird die Strafbarkeit des vermeintlich Verleitenden wegen versuchter Verleitung zur Falschaussage gem. §§ 160, 22 StGB von niemandem in Zweifel gezogen. Die Diskussion rankt sich hier vielmehr allein um die Frage, ob der Verleitende bei irrtümlicher Annahme der Gutgläubigkeit des Verleiteten wegen vollendeten821 oder nur wegen versuchten Delikts822 strafbar ist. Dass der Verleitende trotz seines Irrtums strafbar sein muss, wird vor allem darauf gestützt, dass der äußere Erfolg der Tat auch bei Bösgläubigkeit des Aussagenden eingetreten sei.823 Die Tathandlung des Verleitens sei nicht weniger strafwürdig, wenn es entgegen der Vorstellung des Täters nicht zu einer gutgläubigen Aussage, sondern zu einem Meineid gekommen sei.824 Das Schutzgut der §§ 153 ff. StGB, die Rechtspflege, werde durch die vorsätzliche Falschaussage ebenso tangiert wie durch eine gutgläubige.825 Da die Vorsatztat des Aussagenden gegenüber dem vorgestellten Geschehen ein maius sei, schließe sie die vom Täter gewollte unvorsätzliche Tat ein; dass der Täter letztlich also sogar ein „Mehr“ bewirkt habe, könne ihn nicht entlasten.826 Diejenigen, die sich nur für eine Versuchsstrafbarkeit aussprechen, sehen in der objektiv fehlenden Tatherrschaft über das Gesamtgeschehen zwar einen Hinderungsgrund für die Voll821 BGHSt 21, 116 ff.; Buser, S. 147; Heinrich, JuS 1995, S. 1115, 1118; Hruschka, JZ 1967, S. 210 ff., der § 160 StGB aber allgemein als Grundtatbestand für alle Fälle der Veranlassung eines Falscheides durch einen Hintermann begreift; Katzenberger/ Pitz, ZJS 2009, S. 659, 673; Lackner/Kühl-Heger, StGB, § 160 Rn. 4; Rengier, BT II, § 49 Rn. 57; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, StGB, § 160 Rn. 9. 822 RGSt 11, 418 ff.; Eschenbach, Jura 1993, S. 407 ff.; Gallas, in: FS Engisch (1969), S. 600, 619 f.; Geppert, Jura 2002, S. 173, 180; Kühne, Verleitung, S. 112 ff.; Küper, JZ 2012, S. 992, 1001 f.; MüKo-StGB-Müller, § 160 Rn. 16 ff.; NK-StGBVormbaum, § 160 Rn. 16 ff.; ders., in: FS Maiwald (2010), S. 817, 824 ff.; Wessels/ Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 862. 823 Hruschka, JZ 1967, S. 210, 212. Vgl. Kühne, Verleitung, S. 111; MüKo-StGBMüller, § 160 Rn. 16. Kritisch Gallas, in: FS Engisch (1969), S. 600, 618; Küper, JZ 2012, S. 992, 999. 824 BGHSt 21, 116, 118. 825 BGHSt 21, 116, 117; Hruschka, JZ 1967, S. 210, 212. Vgl. auch Eschenbach, Jura 1993, S. 407. 826 Vgl. Eschenbach, Jura 1993, S. 407, 408; Kühne, Verleitung, S. 111; Vormbaum, in: FS Maiwald (2010), S. 817, 823.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 217
endungs-, nicht aber die Versuchsstrafbarkeit.827 Der Verleitende verwirkliche auch in diesem Fall Unrecht, wenngleich geringeres als bei einer Vollendung, weil die letzte Entscheidungsfreiheit bei der bösgläubigen Aussageperson verbleibe und der Hintermann nicht selbst die Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung treffe.828 Fraglich ist, ob sich aus diesen zu § 160 StGB angestellten Erwägungen Schlussfolgerungen für die Behandlung zumindest der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ziehen lassen. Dafür spricht, dass auch bei dieser Irrtumskonstellation der vom mittelbaren Täter intendierte Erfolg eintritt, weil der Täter mehr tut als der Hintermann glaubt und sogar vorsätzlich die Rechtsgutsverletzung herbeiführt oder zu dieser unmittelbar ansetzt. Auch beim Irrtum über die Werkzeugqualität ist das Handeln des Hintermannes nicht weniger strafwürdig, wenn der Tatmittler entgegen seiner Vorstellung den Tatbestand sogar volldeliktisch verwirklicht. Einer Übertragbarkeit steht jedoch die grundlegend verschiedene Struktur der Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB und des Versuchs der mittelbaren Tatbestandsverwirklichung entgegen. Das Unrecht ergibt sich bei der mittelbaren ebenso wie bei der unmittelbaren Täterschaft aus der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung. Deshalb ist entscheidend, ob der Hintermann diese Handlung mittelbar beherrscht und sie ihm deshalb gem. § 25 I Var. 2 StGB zurechenbar ist, denn nur über diese Zurechnung lässt sich das Unrecht der mittelbartäterschaftlichen Tat begründen. Bei § 160 StGB dagegen gründet sich die Strafbarkeit nur auf die Verleitungshandlung, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verleitete die §§ 153 ff. StGB dann auch tatsächlich verwirklicht. Einer Zurechnung fremden Handelns bedarf es demnach hier gerade nicht.829 Gerade die spezielle Funktion der Tätervoraussetzungen als Zurechnungsgrundlage könnte bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft jedoch einer Anwendung der allgemeinen Irrtumsregeln entgegenstehen. Des Weiteren folgt daraus, dass Tatbestandshandlung bei § 160 StGB allein das Verleiten ist, auch notwendigerweise, dass es für das unmittelbare Ansetzen allein auf das Handeln des Verleitenden ankommen kann.830 Nimmt jedoch der mittelbare Täter selbst – wie der Verleitende im Rahmen des § 160 StGB – die Ansatzhandlung vor, bereitet die dogmatische Begründung seiner Versuchsstrafbarkeit trotz der nur eingebildeten Tatherrschaft ebenfalls keine Probleme.831 Es zeigt sich also, dass sich die Schwierigkeiten bei der Erfassung der 827 Siehe bspw. Eschenbach, Jura 1993, S. 407 ff.; Kühne, Verleitung, S. 112 ff. Dies stellt auch Küper, JZ 2012, S. 992, 1001 heraus. 828 Eschenbach, Jura 1993, S. 411; Kühne, Verleitung, S. 119. 829 Ebenso Küper, JZ 2012, S. 992, 997. 830 So auch Küper, JZ 2012, S. 992, 1001. 831 Vgl. Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (2).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
vermeintlichen Täterschaft über die Versuchsregeln gerade aus der Notwendigkeit einer Zurechnung fremden Ausführungshandelns ergeben, die bei § 160 StGB von vornherein nicht besteht. Demnach lässt sich die Auslegung dieser Norm für die vorliegende Untersuchung des Irrtums über täterschaftsbegründende Umstände nicht fruchtbar machen. 4. Systematische Stellung des § 25 StGB im Allgemeinen Teil Gegen eine Anwendbarkeit des § 22 StGB auf die Tätervoraussetzungen könnte des Weiteren die systematische Stellung des § 25 StGB im Allgemeinen Teil sprechen. Die Regelungen des Allgemeinen Teils des StGB sind quasi vor die Klammer gezogen und enthalten allgemeine Anwendungsregeln, die sich auf die im Besonderen Teil geregelten Verhaltensnormen beziehen.832 Demnach könnte man annehmen, die Vorschriften des Allgemeinen Teils seien stets allein auf die speziellen Deliktstatbestände des Besonderen Teils, nicht jedoch auf eine dem Allgemeinen Teil zugehörige Vorschrift anwendbar. Dies impliziert jedoch ein Verständnis zweier strikt voneinander zu trennender Teile des StGB, die sich gegenseitig nicht beeinflussen.833 § 25 StGB steht jedoch nicht unabhängig neben dem jeweiligen Deliktstatbestand, sondern modifiziert834 diesen für die mittelbare bzw. gemeinschaftliche Tatbegehung. § 25 II StGB erfüllt daher ebenso wie § 25 I Var. 2 StGB die Funktion, die Verhaltensnormen für die gemeinschaftliche Begehung zu modifizieren und so einen speziellen Mittäterschaftstatbestand835 zu schaffen, der unter bestimmten Voraussetzungen die Zurechnung fremden Ausführungshandelns zulässt. Dass auch auf einen solchen, durch eine dem Allge832 Tiedemann, in: FS Baumann (1992), S. 7, 17. Ähnlich auch Naucke, in: FS Welzel (1974), S. 761 ff., insb. S. 772, 774. 833 Grundlegend zum Verhältnis zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil Fincke, S. 30 ff., insb. S. 31, der davon ausgeht, es handele sich um ein „notwendiges Ergänzungsverhältnis“. 834 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 327 f. geht sogar noch weiter und nimmt an, der Täter sei bereits Bestandteil der Tatbeschreibung und nicht etwas nachträglich erst Hinzutretendes. Dieses Verständnis lässt sich jedoch wie gezeigt mit dem Wortlaut der BT-Tatbestände und den Gesetzesmaterialien nicht in Einklang bringen. Der Gedanke einer Modifikation der Tatbestände durch die Tatherrschaft findet sich auch bereits bei Gallas, Verbrechenslehre, S. 140, der davon ausgeht, mit der Tatherrschaft sei „der Maßstab für eine ‚auflockernde‘ Interpretation des tatbestandsmäßigen Verhaltens gewonnen“. So ausdrücklich auch NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 11. 835 Der Gedanke eines solchen auf die Mittäterschaft zugeschnitten Tatbestandes liegt auch bereits dem Konzept von Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 313 zugrunde. Auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 144 f. nimmt an, § 25 II StGB erfülle die Funktion, die „Wer“-Tatbestände des BT auf die von diesen nicht erfassten Fälle des gemeinschaftlichen Begehens zu erstrecken und schreibe daher die Bildung von dem Individualdelikt entsprechenden analogen „Gesamttatbeständen“ vor.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 219
meinen Teil zugeordnete Norm modifizierten Deliktstatbestand die allgemeinen Regeln und damit insbesondere auch die Versuchsregel des § 22 StGB angewendet werden können, ist auch in anderen Fällen anerkannt. Auch § 13 StGB modifiziert die Tatbestände des Besonderen Teils mit der Folge, dass diese nicht allein ein Verbot aktiver Begehung, sondern unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 13 StGB auch ein Gebot aktiver Abwendung des tatbestandlichen Erfolges enthalten. Auch diese Unterlassungstatbestände können versucht werden.836 Somit steht die Tatsache, dass sich die Tatbestandsanforderungen nicht allein aus dem Besonderen Teil, sondern zusätzlich auch aus dem Allgemeinen Teil ergeben, der Anwendung der Versuchsregel nicht per se entgegen. 5. Ergebnis der systematischen Analyse Die Anwendung der Versuchsregeln auf den Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung bereitet vor allem deshalb so große Schwierigkeiten, weil bei diesem die Tatherrschaftsvoraussetzungen die Zurechnung eines fremdhändig verwirklichten Außenweltgeschehens tragen. Deshalb lassen sich aus der Auslegung der §§ 30, 160, 271 StGB, denen kein solches Zurechnungsprinzip zugrunde liegt, keine Erkenntnisse für die hier untersuchte Frage gewinnen. Auch die Regeln der objektiven Zurechnung lassen wegen ihres unterschiedlichen Bezugspunktes keine Rückschlüsse zu. Als Ergebnis kann daher allein festgehalten werden, dass auch systematische Gründe einer Anwendung der Versuchsgrundsätze auf die Tätervoraussetzungen nicht entgegenstehen, allerdings können sie diese andererseits auch nicht tragen.
VII. Strafgrund des Versuchs Könnte die Versuchsstrafe für den mittelbaren Täter und den Mittäter auch auf die Vorstellung vom Bestand eines herrschaftsbegründenden Sachverhalts gestützt werden, würden dadurch zwangsläufig die Anforderungen an die Versuchsstrafbarkeit gesenkt. Es wäre nicht länger eine objektive, sondern nur eine subjektive Verbindung zum tatbestandsmäßigen Geschehen erforderlich. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich diese Absenkung der Anforderungen überhaupt mit dem Strafgrund des Versuchs vereinbaren ließe. Ziel dieser Arbeit kann es nicht sein, die langjährige Diskussion um den Strafgrund des 836 BGHSt 7, 287, 288 f.; BGHSt 14, 282, 284; BGHSt 38, 356; Baumann/Weber/ Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 72; Jescheck/Weigend, AT, S. 637; Kudlich, JA 2008, S. 601; Kühl, AT, § 18 Rn. 142; LK-StGB-Weigend, § 13 Rn. 78; Rengier, AT, § 49 Rn. 54 f.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 266; SSW-StGB-Kudlich, § 13 Rn. 45.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Versuchs nachzuzeichnen und diesen einer erneuten Untersuchung zu unterziehen.837 Vielmehr soll es allein darum gehen, die weitgehend als gesichert geltenden Erkenntnisse, insbesondere zum Strafgrund des untauglichen Versuchs, der allein hier in Rede steht, auf ihre Ergiebigkeit für die hier untersuchte Frage zu überprüfen. 1. Diskussion um den Strafgrund des Versuchs beim Alleintäter Die heutige Diskussion um den Strafgrund des Versuchs bewegt sich zwischen rein subjektiven Ansätzen auf der einen und neueren objektivistischen Versuchstheorien auf der anderen Seite.838 Einigkeit herrscht insoweit, als der betätigte rechtsfeindliche Wille des Täters nach allen Ansichten wesentlicher Grund für die Strafbarkeit des Versuchs ist. Selbst subjektive Ansätze wollen – allein schon wegen der Normierung eines Ansatzerfordernisses in § 22 StGB – auf eine Kundgabe, eine Objektivierung des verbrecherischen Willens für die Strafbegründung nicht verzichten.839 Unterschiedlich fällt dagegen die Beurteilung der verschiedenen Theorien dazu aus, welche Mindestanforderungen zur Legitimation der Versuchsstrafe an diese Betätigung zu stellen sind. Den subjektiven Theorien genügt jede Art der Willensbetätigung, d. h. an den Manifestationsakt selbst werden keine weiteren Voraussetzungen geknüpft.840 Nach der Eindruckstheorie muss der rechtsfeindliche Wille dagegen in einer Form betätigt worden sein, die geeignet ist, in der Allgemeinheit 837 Vgl. hierzu die Darstellungen bei Gössel, in: FS Wolter (2013), S. 403, 408 ff.; Grupp, S. 91 ff.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 39 ff.; Malitz, S. 148 ff.; Papageorgiou-Gonatas, S. 40 ff., 191 ff.; Wachter, S. 7 ff. 838 Zu den inzwischen – zumindest in ihrer Reinheit – kaum mehr vertretenen, weil mit der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs nicht in Einklang zu bringenden Gefährlichkeitstheorien vgl. Grupp, S. 92 ff.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 40 ff.; Malitz, S. 154 f.; Rey-Sanfiz, S. 47 ff.; Wachter, S. 37 ff. 839 RGSt 1, 439, 441 f.; RGSt 7, 118, 122; RGSt 8, 198, 203; RGSt 15, 315, 317; RGSt 34, 217, 219; RGSt 39, 316; RGSt 47, 65, 66; RGSt 56, 316, 317; RGSt 68, 45, 53; BGHSt 4, 254; BGHSt 11, 268, 271; BGHSt 11, 324, 327 f.; BGHSt 30, 363, 366; BGHSt 40, 299, 302; BGHSt 41, 94, 96; BGHSt 43, 177, 182; BGHSt 43, 265, 269. Vgl. auch Gössel, in: FS Wolter (2013), S. 403, 408; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 48 f.; Hirsch, in: Versuchslehre (2008), S. 61, 64; Malitz, S. 148; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 42, 53, 56 f.; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 523, 529; Wachter, S. 10. 840 Germann, S. 54; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 49; Kratzsch, JA 1983, S. 420, 424; Weigend, in: Strafrecht und Kriminalpolitik (1989), S. 125 m. Fn. 65, 133. Nach Gössel, in: FS Wolter (2013), S. 403, 408 habe insb. die Rspr. an dieses Element derart geringe Anforderungen gestellt, dass dies auf eine Preisgabe objektiver Elemente hinausliefe.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 221
einen rechtserschütternden Eindruck hervorzurufen.841 Dabei kommt es allein auf die ex ante zu ermittelnde Eignung des Verhaltens zur Herbeiführung dieser Wirkung, nicht dagegen auf eine empirisch zu bestimmende faktische Betroffenheit der Rechtsgemeinschaft an.842 Mithilfe dieses Kriteriums soll die Abnahme des Unrechts von der vollendeten zur versuchen Tat, vom tauglichen zum untauglichen und abergläubischen Versuch erklärt werden, denn beim vollendeten Delikt ist wegen der Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts der rechtserschütternde Eindruck besonders groß, beim tauglichen Versuch kann er sich immer noch auf eine objektive Gefährdung des geschützten Rechtsgutes, beim untauglichen Versuch dagegen nur noch auf die betätigte rechtsfeindliche Willenstendenz des Täters stützen.843 Aus diesem Grund wird zum Teil auch versucht, den Strafgrund des tauglichen und des untauglichen Versuchs unabhängig voneinander zu begründen. Beim tauglichen Versuch ergebe sich das general- oder spezialpräventive Strafbedürfnis aus der vorsätzlichen tatbestandsnahen Gefährdung. Den untauglichen Versuch kennzeichne dagegen allein der tatbestandsnahe, rechtserschütternde Normbruch.844 Neuere objektive Ansätze gehen noch weiter und halten die Versuchsstrafbarkeit nur bei einer der Ausführungshandlung innewohnenden ex ante zu beurteilendenden Gefährlichkeit845 oder einer abstrakten Gefährlichkeit des Versuchs für begründbar. Letztere soll sich daraus ergeben, dass das Täterverhalten zwar nicht in der konkreten Situation, aber bei anderen Sachverhaltskonstellationen hätte zum Erfolg führen können.846 So soll 841 v. Bar, S. 490 f., 533 ff.; Frister, AT, § 23 Rn. 4; v. Gemmingen, ZStW 52 (1932), S. 153, 163 ff.; Gores, S. 155; Gropp, AT, § 9 Rn. 61; Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701, 711 f.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 52; Jescheck/Weigend, AT, S. 515; Kühl, in: FS Küper (2007), S. 289, 296 f.; Lampe, S. 54 f., 211, 218; Maurach/ Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 20; Meyer, ZStW 87 (1975), S. 598, 618; Mylonopoulos, Verhältnis, S. 66, 85 ff.; Papageorgiou-Gonatas, S. 202 ff., 209 ff.; Roxin, JuS 1979, S. 1; Schünemann, GA 1986, S. 293, 311, 323 f.; SK-StGB-Jäger, Vor § 22 Rn. 15. 842 Malitz, S. 149; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 88 ff.; Rey-Sanfiz, S. 94; Roxin, in: FS Nishihara (1998), S. 157, 170; Zaczyk, S. 22. 843 Roxin, JuS 1979, S. 1; ders., in: FS Nishihara (1998), S. 157, 170. Vgl. auch Jescheck/Weigend, AT, S. 530. 844 Roxin, in: FS Nishihara (1998), S. 157, 158. Zustimmend auch Heckler, Rücktrittsleistung, S. 65 ff. 845 Ha, S. 177 ff.; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 716 ff.; ders., in: Versuchslehre (2008), S. 61, 82 ff.; Malitz, S. 179 ff. Einen Überblick über neuere objektive Ansätze geben auch Grupp, S. 92 ff.; Rey-Sanfiz, S. 50 ff. und Wachter, S. 35 ff. Ähnlich auch Weigend, in: Strafrecht und Kriminalpolitik (1989), S. 113, 126 ff. 846 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 438. Ebenso Dicke, JuS 1968, S. 157, 161; Graul, Gefährdungsdelikte, S. 135 f. Kritisch zu diesem Ansatz Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 81 f.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 248 ff.; Krüger, Versuchsbeginn, S. 112 f.; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 118; Volz, S. 60 ff.; Zaczyk, S. 39.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nach Malitz bspw. Versuchsunrecht nur dann vorliegen, wenn „für einen verständigen Dritten in der Handlungssituation des Täters der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges naheliegend erscheint“.847 Dem Versuch wohnt daher jedenfalls unstreitig ein Verhaltensunwert inne, der sich daraus ergibt, dass der Täter seinen Tatentschluss durch eine Ansatzhandlung nach außen getragen hat. Hat der Täter seinen Vorsatz bereits ins Werk gesetzt, beweist er, dass er die „inneren Hemmschwellen seines Handelns überwunden und die zur Zielsetzung notwendigen Handlungsenergien mobilisiert hat“.848 Dadurch dass er seinen deliktischen Plan in Gang gesetzt hat, zeigt er, dass er zur Deliktsverwirklichung endgültig entschlossen und psychologisch in der Lage ist. Er hat bereits äußere und innere Störfaktoren abgebaut, sodass von ihm auch zu erwarten ist, dass er die weitere Tatbestandsverwirklichung vorantreiben wird.849 Der Täter hat durch seine Handlung eine offene Feindschaft gegen das Gesetz bewiesen.850 Ergänzend wird zum Teil aus diesem bewiesenen deliktischen Willen abgeleitet, dass der böse Wille auch in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach fortbestehen und somit weitere Angriffe auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut nach sich ziehen werde, sodass auch aus präventiven Gesichtspunkten eine strafrechtliche Reaktion geboten sei.851 Selbst in dem untauglichen Versuch tritt nach der Begründung des Entwurfs von 1962 „ein erheblicher verbrecherischer Wille zutage […], der befürchten läßt, daß er sich nach dem Fehlschlag auf andere, taugliche Weise durchzusetzen sucht“.852 Für beide Säulen ist die Versuchshandlung unerlässlich, kann doch nur mit ihr die endgültige Entscheidung gegen das Rechtsgut offenbart und zugleich die eigene Gefährlichkeit demonstriert werden, die den Schluss auf künftiges rechtsgutschädigendes Verhalten zulässt.853 Dieser sub847 Malitz,
S. 198 f. JA 1983, S. 578, 581. Zum Teil wird angenommen, beim unbeendeten Versuch habe der Tatentschluss diese volle Bemächtigung seiner Tatmächtigkeit noch nicht erfahren, weshalb hier kein voller Handlungsunwert gegeben sei, vgl. Kaufmann, ZStW 80 (1968), S. 34, 51 f.; ders., in: FS Welzel (1974), S. 393, 404; Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), S. 233, 248 f.; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 525, 527 ff. 849 Ähnlich Kratzsch, JA 1983, S. 578, 581. 850 v. Buri, GS 32 (1880), S. 321, 322. 851 v. Liszt, ZStW 25 (1905), S. 24, 36. Vgl. auch LK-StGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 64; Weigend, in: Strafrecht und Kriminalpolitik (1989), S. 113, 118; Zaczyk, S. 82. Kritisch zur Ableitung des Strafgrunds des Versuchs aus der Tätergefährlichkeit Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 97; Gössel, in: FS Wolter (2013), S. 403, 409; Haas, ZStW 123 (2011), S. 226, 229; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 64 ff. 852 BT-Drucks. IV/650, S. 145. Ähnlich auch BT-Drucks. V/4095, S. 11. 853 Nur eine an die Ausführungshandlung anknüpfende subjektive Theorie entspricht dem geltenden Tatstrafrecht, vgl. dazu auch LK-StGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 67 ff. 848 Kratzsch,
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jektive Handlungsunwert trägt die Sanktionierung auch des untauglichen Versuchs. Festzuhalten bleibt demnach, dass sich der Handlungsunwert des Versuchs, der dessen Strafbarkeit trägt, aus zwei Komponenten zusammensetzt:854 Zum einen aus dem subjektiven Intentionsunwert, der sich daraus ergibt, dass der Täter den auf eine konkrete Rechtsgutsverletzung gerichteten deliktischen Willen gefasst hat. Hinzukommen muss aber auch ein objektiver Handlungsunwert, der zumindest voraussetzt, dass der deliktische Entschluss in einen Außenweltvorgang umgesetzt wurde. Uneinheitlich beurteilt wird dagegen, ob sich der Handlungsunwert zusätzlich auch aus einer bestimmten Qualität der Ansatzhandlung ergibt – sei es dem hierdurch hervorgerufen rechtserschütternden Eindruck855 oder einer konkreten oder abstrakten Gefährlichkeit der Handlung856 – oder ob noch weitergehend auch der Versuch einen Erfolgsunwert besitzt,857 der zum Handlungsunwert hinzukommen muss. Diese Problematik ist jedoch für die vorliegende Untersuchung von nachrangiger Bedeutung, denn entscheidende Frage bei der vermeintlichen Täterschaft ist, ob der Täter seinen deliktischen Entschluss trotz seiner eigenen Untätigkeit und der fehlenden objektiven Steuerung des Geschehens überhaupt betätigt hat. Hinter der klassischen Versuchskonstellation bleibt die vermeintliche Beteiligung zurück, weil die Verbindung zum Manifestationsakt in Frage steht. Damit stellt sich hier vor allem die Frage, ob der seine eigene Stellung im Geschehen überschätzende Täter den unstreitig erforderlichen Handlungsunwert des Versuchs verwirklicht. Die nachgelagerte Frage, ob an die Manifestationshandlung zusätzliche Anforderungen zu stellen sind und ob diese in der konkreten Versuchskonstellation erfüllt sind, ist dann bei der vermeintlichen Täterschaft nicht problematischer als in anderen Fällen des (untauglichen) Versuchs und daher genereller Art. Zweifelhaft ist bei der vermeintlichen Täterschaft in erster Linie nicht die Qualität der Versuchshandlung, denn diese ist nach der vorzugswürdigen Gesamtlösung in gleicher Weise wie beim Alleintäter zu bestimmen, sondern ob sich die verbre854 Zur Struktur des Handlungsunwerts vgl. Grupp, S. 154 ff.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 80 ff.; Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239, 240 ff.; Malitz, S. 169 ff.; Paeffgen, S. 111 ff.; Rehr-Zimmermann, S. 20 ff.; Rudolphi, in: FS Maurach (1972), S. 51 ff.; Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 52 ff.; Steckermeier, S. 52 f.; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 523, 534 ff. Im Einzelnen ist umstritten, welche Komponenten neben Vorsatz und Fahrlässigkeit Teil des Handlungsunrechts sind. 855 Siehe bereits Fn. 841. 856 Siehe bereits Fn. 845 u. 846. 857 So bspw. Berz, Tatbestandsverwirklichung, S. 37 ff., insb. S. 42 ff., 111 f.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 90 ff.; Mylonopoulos, Verhältnis, S. 83 ff.; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 123 ff.; Roxin, in: FS Nishihara (1998), S. 157, 162. Zumindest für den tauglichen Versuch auch Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 83 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
cherische Intention des Zurechnungssubjekts überhaupt in einer Versuchshandlung nach außen manifestiert. 2. Besonderheiten der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung Die Diskussion um den Strafgrund des Versuchs betrifft zunächst allein den Regelfall des Versuchs eines Alleintäters. Fraglich ist nun, welche Schlussfolgerungen sich aus ihr für den Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung ziehen lassen. Entscheidend ist zunächst, ob sich der Verhaltensunwert bei diesen Beteiligungsformen ebenso bestimmen lässt wie beim Alleintäter, insbesondere wie sich hier der deliktische Entschluss des Täters nach außen manifestiert. In einem zweiten Schritt kann dann überprüft werden, welche Erkenntnisse sich hieraus für die Frage der Subjektivierbarkeit der Tatherrschaftsvoraussetzungen beim Versuch gewinnen lassen. Würde sich der spezifische Handlungsunwert auch des mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichen Versuchs aus der eigenen Betätigung des deliktischen Entschlusses in einer den Anforderungen des § 22 StGB genügenden Ansatzhandlung ergeben, ließe sich eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters mit dem Strafgrund des Versuchs nicht vereinbaren,858 weil es hier an einem eigenen strafwürdigen Aufbegehren gegen die Rechtsordnung fehlt. Bei einer solchen schlichten Übertragung der Anforderungen an den Alleintäter auf die übrigen Täterformen würden jedoch die Besonderheiten der gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung außer Acht gelassen. Denn diese Beteiligungsformen kennzeichnet gerade die fehlende vollständige Eigenhändigkeit des Vollzugs. Auch beim vollendeten Delikt folgt aus dem Prinzip der Arbeitsteilung bei der Mittäterschaft bzw. -delegation bei der mittelbaren Täterschaft, dass der Täter seinen deliktischen Entschluss nicht (vollständig) selbst umsetzt, sondern sich dazu auch anderer Personen bedient. Dass der verbrecherische Wille vom Zurechnungssubjekt nicht eigenhändig in Form einer Versuchshandlung betätigt wurde, ist somit gerade charakteristisch für diese Beteiligungsformen, bei denen deshalb auch der Versuchsbeginn gesamttatbezogen zu bestimmen ist. Nur diese Methode zur Ermittlung des unmittelbaren Ansetzens trägt den Besonderheiten der mittelbaren Täterschaft bzw. Mittäterschaft angemessen Rechnung und fügt sich in die Konzeption des Gesetzes ein.859 Dann aber kann aus der fehlenden eigenen Manifestation des deliktischen Entschlusses kein Argument gegen die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters ab858 So
473.
wohl Ahrens, JA 1996, S. 664, 669; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467,
859 Vgl.
dazu ausführlich Kap. 1 A. I. 3. b) cc) sowie Kap. 1 A. II. 2. b) ff).
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 225
geleitet werden, ist sie doch jedem mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Versuch eigen. Der Handlungsunwert kann sich bei der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung jedenfalls nicht daraus ergeben, dass der Täter seinen Tatentschluss selbst durch ein eigenes unmittelbares Ansetzen objektiviert. Damit ist allerdings nicht bereits ausgeschlossen, an dem Erfordernis einer eigenen Manifestation des deliktischen Entschlusses auch für die versuchte mittelbare bzw. gemeinschaftliche Tatbegehung festzuhalten. Möglicherweise gründet sich auch hier das Unrecht auf eine eigene Objektivationshandlung, die jedoch wegen der Besonderheiten dieser Täterformen unterhalb der Schwelle des § 22 StGB liegen kann.860 So wird zum Teil ein Aktivitätserfordernis für unabdingbar erachtet und damit für alle Täterformen an dem Erfordernis eines eigenen Manifestationsaktes festgehalten, allerdings mit der Einschränkung, dass bei der Mittäterschaft jedes Verhalten genüge, mit dem der betreffende Mittäter zugleich zu der Gesamttat ansetze.861 Weil sich die Handlungen bei der Mittäterschaft wechselseitig verstärkten und ergänzten, könne auch die bloße Anwesenheit am Tatort genügen, weil die verstärkende Tendenz dieses planmäßigen Handelns es rechtfertige, ihm das Handeln des aktiven Mittäters zuzurechnen. In dieser Verbindung stelle sich dann das Verhalten des passiven Mittäters als eine Handlung dar, mit der dieser unmittelbar zur Verwirklichung des gesamten Tatbestandes angesetzt habe.862 Nach diesem Begründungsansatz fußt das Unrecht des gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Versuchs auf zwei Komponenten: einer zwingend selbst zu vollziehenden Manifestationshandlung und der diesem Verhalten hinzuzurechnenden Ausführungshandlung des Ansetzenden. Wegen dieser Zweistufigkeit soll es möglich sein, die Anforderungen an die eigene Handlung des Täters zu senken: Sie soll weder an den Voraussetzungen des § 22 StGB noch am Kriterium der Wesentlichkeit zu messen sein, sondern muss allein in irgendeiner Form der Umsetzung der Gesamttat dienen. Letztlich gründete sich damit der spezifische Unwert der mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichen Versuchstat auf die während der Tatvorbereitung erfolgende eigene Betätigung des deliktischen Entschlusses, die durch das nachfolgende deliktische Versuchsgeschehen verstärkt werde. Unklar bleibt, woraus dieses Erfordernis eines unterhalb der Schwelle des § 22 StGB liegenden eigenen Betätigungsaktes abgeleitet werden soll. Es 860 So Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 208; Köhler, AT, S. 541; Kratzsch, JA 1983, S. 578, 587. 861 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 587. Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 208 fordert eine im Vorbereitungsstadium vorgenommene Teiltat, die zwar conditio sine qua non, nicht aber wesentlich für die Gesamttat sein müsse. 862 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 587. Ähnlich auch Köhler, AT, S. 541.
226
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
ergibt sich weder aus § 22 StGB, der nur ein unmittelbares Ansetzen erfordert, das diese Handlung gerade noch nicht zu sein braucht, noch unmittelbar aus § 25 II StGB, der eine Gemeinschaftlichkeit der Begehung und damit gerade eine wesentliche eigene Beteiligung an der Tat erfordert. Wegen des fehlenden Anhaltspunktes im Gesetz setzt sich dieses Merkmal auch in besonderer Weise dem Vorwurf der Konturenlosigkeit aus. Denn gibt man sowohl das Element der Wesentlichkeit als auch der hinreichenden Nähe zur Tatbestandsverwirklichung auf, bleibt fraglich, welche Voraussetzungen überhaupt noch an diese Betätigung gestellt werden sollen. Stellt man sich wie Kratzsch auf den Standpunkt, es müsse sich um ein plangemäßes Verhalten handeln, das die spätere Ansatzhandlung des anderen Mittäters verstärkt,863 müsste konsequenterweise bereits die Verabredung im Vorfeld der Tat einen hinreichenden Manifestationsakt darstellen. Denn dieser Zusammenschluss ist es gerade, der die Mittäter an das Gesamtvorhaben bindet und so ihren Deliktsentschluss bestärkt. Wenn sich A, B und C verabredet haben, die Eheleute O zu überfallen und B den A zur Tür begleitet, während C im Wagen wartet, weil er erst nach dem Öffnen der Tür hinzustoßen soll, beherrscht nicht nur B das tatplangemäße Klingeln des A, sondern auch C, obwohl er den A nicht zur Tür begleitet hat. Denn die psychische Herrschaft ergibt sich daraus, dass A weiß, auch die anderen werden ihren Teil zur gemeinsamen Tat beitragen, ihm notfalls zur Seite stehen und er wird sich ihnen gegenüber rechtfertigen müssen, sollte er von dem Vorhaben Abstand nehmen.864 Diesen Einfluss auf den Handelnden erlangen die übrigen Mittäter aber bereits mit der Rollenzuteilung im gemeinsamen Tatplan. Zutreffend ist, dass diese verstärkende Wirkung nur dann eintreten kann, wenn der Einfluss auch bis in das Ausführungsstadium fortwirkt. Nicht ersichtlich ist dagegen, warum der Fortbestand der Bindung nur durch ein irgendwie geartetes objektives Verhalten und nicht auch eine plangemäße Untätigkeit demonstriert werden kann. Sieht der mittäterschaftliche Tatentschluss für einen Beteiligten erst ein späteres Tätigwerden vor, wird seine fehlende Anwesenheit bei Beginn der Tatausführung die anderen Mittäter nicht an seiner Tatbereitschaft zweifeln lassen, sondern sie werden sich umgekehrt auch ihm gegenüber verpflichtet fühlen, ihren Teil der Tat plangemäß durchzuführen. Gerade deshalb ist auch derjenige Mittäter wegen des fortbestehenden gemeinsamen Tatplans strafbar, der sich still von der gemeinsamen Tat losgesagt hat.865 Wenn es aber für die psychische Bestärkungswirkung keinen Unterschied macht, ob der andere 863 Kratzsch,
JA 1983, S. 578, 587. dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 865 Vgl. zu dieser Konstellation BGHSt 28, 346; BGHSt 37, 289; BGH NStZ 1999, 449; Angerer, S. 125 ff.; Eisele, ZStW 112 (2000), S. 745 ff.; Fad, S. 107 ff.; Graul, in: GedS Meurer (2002), S. 89 ff.; Küper, JZ 1979, S. 775, 781; Rengier, JuS 2010, S. 281, 286 f. 864 Vgl.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 227
Mittäter bereits tätig geworden ist oder nicht, solange er sich nur tatplangemäß verhält und nicht ausdrücklich von der gemeinsamen Tat lossagt, ist es nicht überzeugend, das Unrecht der gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tat von einem eigenen Verhalten des Zurechnungssubjekts abhängig zu machen. Hinzu kommt, dass so auch die Errungenschaft der Gesamtlösung, die Eigenheiten der gemeinschaftlichen Begehung und insbesondere der Arbeitsteilung sachgerecht erfassen zu können, preisgegeben würde, weil die Versuchsstrafe letztlich doch wieder von dem zufälligen Umstand abhinge, ob für den selbst nicht ansetzenden Mittäter zumindest irgendein Handeln im Vorbereitungsstadium vorgesehen ist.866 Außerdem kann die im Vorfeld der Tat bleibende Objektivierung des Tat entschlusses allein ohnehin das Unrecht nicht begründen. Es wurde nachgewiesen, dass sich der dem Manifestationsakt innewohnende Handlungsunwert daraus ergibt, dass der Täter zeigt, dass er „innere Hemmschwellen überwunden“ und die „notwendigen Handlungsenergien mobilisiert hat“.867 Dies gilt jedoch nur für eine Handlung, die auch unmittelbar den Beginn der Tat markiert. Durch ein im Vorfeld der Tat liegendes Verhalten wie die bloße Anwesenheit am Tatort zeigt der Täter dagegen nicht bereits, dass er innere und äußere Störfaktoren abgebaut hat, denn er ist sich zu diesem Zeitpunkt darüber im Klaren, noch nicht die endgültige Entscheidung über die Umsetzung des Tatplans gefällt zu haben. Somit kann das spezifische Unrecht der Versuchstat nur durch diejenige Handlung begründet werden, die nach § 22 StGB den Beginn des Versuchs markiert, sodass auch allein die Herrschaft über dieses Versuchsgeschehen das Unrecht konstituieren kann. Hierfür ist jedoch nicht zwingend ein eigener Betätigungsakt im Vorbereitungsstadium erforderlich. Deshalb können die eigentlich im Vorfeld der Tatbegehung liegenden Betätigungshandlungen der Beteiligten das Unrecht des Versuchs der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung nicht begründen. Kann der Verhaltensunwert beim Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Begehung somit nicht in gleicher Weise wie bei der Alleintäterschaft bestimmt, insbesondere keine eigenhändige Betätigung des Tatentschlusses gefordert werden, muss sich das Unrecht für den mittelbaren Täter und den Mittäter in objektiver Hinsicht aus der Herrschaft über die fremde Ausführungshandlung ergeben. Dies ließe sich auf zwei verschiedenen Wegen dogmatisch begründen. Die geringfügigsten Modifikationen gegenüber 866 Berücksichtigt man, dass die Mittäter eine gemeinsame Tat begehen, allen eine gleichermaßen wesentliche Funktion für die Tatbestandsverwirklichung zukommt, widerspräche es diesem Charakter der gemeinsamen Tat, die Strafbarkeit von dem zufälligen Zeitpunkt der Erbringung des eigenen Tatbeitrags abhängig zu machen; so gegen die Einzellösung auch Küpper/Mosbacher, JuS 1995, S. 488, 491. 867 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 581. Siehe Kap. 1 B. VII. 1.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
der Versuchstat des Alleintäters wären vonnöten, ließe sich das vom unmittelbar Ausführenden verwirklichte Handlungsunrecht den untätigen Tätern zurechnen und so der Unwert ihrer Versuchstat begründen.868 Dies würde jedoch der Stellung des Täters nicht gerecht. Auch wenn an der Tat noch andere beteiligt sind, kann der Täter nicht für das Unrecht eines anderen zur Verantwortung gezogen werden, denn anders als die Teilnahme ist die Täterschaft nicht akzessorisch ausgestaltet.869 Der entscheidende Unterschied zwischen den Beteiligungsformen besteht darin, dass der Täter das tatbestandliche Unrecht in eigener Person verwirklicht, während das die Strafbarkeit als Teilnehmer begründende Handlungsunrecht vom Täterverhalten mitbestimmt wird.870 Der Zurechnung bei der Mittäterschaft unterliegt stets nur die fremde Betätigung als solche, d. h. bei der Begehung die Körperbewe gung,871 nicht jedoch ihr spezifischer Unwert. Dieser generiert sich nämlich gerade nicht allein aus einer äußeren möglicherweise rechtsgutsgefährdenden Handlung, sondern nur daraus, dass sich in dieser Handlung ein deliktischer Wille des Täters manifestiert. Weil subjektive Elemente jedoch von vornherein nicht der Zurechnung unterliegen, kann auch der Handlungsunwert nur für jeden Täter separat beurteilt werden. Der Verhaltensunwert lässt sich demnach auch bei der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft nicht vollständig zurechnen. Wenn auf der einen Seite der gemeinschaftlich bzw. mittelbar Handelnde seinen deliktischen Entschluss nicht selbst betätigt, auf der anderen Seite aber auch eine Zurechnung des vom Ausführenden verwirklichten Handlungsunwerts ausgeschlossen ist, muss sich das Unrecht für sie daraus ergeben, dass sie das Versuchsgeschehen derart steuern, dass es wie eigenes Handeln erscheint und sich damit in diesem Außenweltgeschehen auch ihr Tatentschluss manifestiert.872 Die Steuerung des fremdhändigen Geschehens rechtfertigt zwar keine Zurechnung des diesem innewohnenden Verhaltens unwertes, wohl aber des äußeren Vorgangs, mit der Folge, dass er dem Zurechnungssubjekt wie eigenes Handeln zugeschrieben werden kann. Dieser diese Richtung Krüger, Versuchsbeginn, S. 163. Teil wird die Mittäterschaft dagegen als akzessorische Beteiligungsform im normativen Sinne verstanden: Birkmeyer, S. 148; Gallas, Verbrechenslehre, S. 105 f.; Jakobs, GA 1996, S. 253, 260, 264 f.; ders., in: FS Lampe (2003), S. 561, 570 ff.; ders., in: FS Puppe (2011), S. 547, 558; Küper, Versuchsbeginn, S. 60 f. So wie hier auch Frister, AT, § 25 Rn. 23; Jescheck/Weigend, AT, S. 675 f.; Kraatz, S. 222 f.; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 61; Rengier, in: FS Puppe (2011), S. 849, 853, 858; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 92 ff.; SK-StGBHoyer, § 25 Rn. 107. Wohl auch Renzikowski, in: FS Otto (2007), S. 423, 435. 870 Bloy, Beteiligungsform, S. 206. 871 NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 14; Puppe, GA 2013, S. 514, 521 f.; Steckermeier, S. 54. 872 In diese Richtung auch Steckermeier, S. 55 f. 868 In
869 Zum
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 229
zugerechnete Außenweltvorgang objektiviert somit den deliktischen Willen aller Täter wie eine eigenhändige Betätigung. Dies kann jedoch nur gelten, wenn der Nachweis gelingt, dass der Täter zu der fremden Handlung in einer vergleichbaren Beziehung steht wie zu einer eigenen Ausführungshandlung. Nur dann kann sich in dieser sein rechtsfeindlicher Entschluss objektivieren und so auch in seiner Person der spezifische Handlungsunwert des Versuchs begründet werden.873 Der untätige Beteiligte muss durch die Steuerung der fremden Handlungen demonstrieren, dass er auch tatsächlich bereit ist, seinen Entschluss umzusetzen und deshalb eine besondere Gefahr für die Rechtsordnung und den Rechtsfrieden darstellt. Diese Verbindung kann allein die Tatherrschaft begründen. Steuert der Täter das Versuchsgeschehen tat herrschaftlich – gleich ob durch die Eigenhändigkeit der Ausführung oder in anderer Weise –, lehnt er sich gegen die Rechtsordnung auf und verwirklicht den Handlungsunwert des Versuchs. Entscheidend ist, welche Erkenntnisse sich hieraus für die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters gewinnen lassen. Daraus, dass es die Manifestation des eigenen deliktischen Entschlusses in der zwar nicht eigenhändig vollzogenen, aber doch beherrschten Versuchshandlung ist, die das Versuchsunrecht des mittelbaren Täters bzw. des Mittäters begründet, folgt zunächst einmal, dass ihm jedenfalls auch beim Versuch eine irgendwie geartete Steuerungsmacht zukommen muss. Nur wenn tatsächlich eine Verbindung zwischen dem Zurechnungssubjekt und dem Außenweltgeschehen besteht, lässt sich das spezifische Versuchsunrecht auch für den untätigen Täter begründen. Wie genau diese Steuerungsmacht beschaffen sein muss, lässt sich aus dem Strafgrund des Versuchs dagegen nicht unmittelbar ableiten. So schließt er eine Herabsenkung der Anforderungen an die Herrschaft gegenüber dem vollendeten Delikt und insbesondere eine stärkere Berücksichtigung der Vorstellung des Täters nicht aus, sofern im Einklang mit der Tat herrschaftslehre begründet werden könnte, dass diese Steuerungsmacht beim Versuch stets eine subjektive ist. Der Strafgrund des Versuchs steht also einer Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters nicht per se entgegen. Allerdings gibt er die Grenzen einer solchen Lockerung der Herrschaftsanforderungen vor: In dem Außenweltgeschehen muss sich jedenfalls noch der deliktische Entschluss des Täters manifestieren. Auch der mittelbare Täter bzw. der Mittäter muss das Versuchsgeschehen zumindest dergestalt steuern, dass ein objektivierter Betrachter das objektive Geschehen mit seinem deliktischen Entschluss in Zusammenhang bringt und deshalb in diesem gerade 873 Nur so ließe sich auch eine gesamttatbezogene Versuchsbestimmung halten. Wäre dagegen ein spezifisches Handlungsunrecht für die untätigen Mittäter bzw. mittelbaren Täter nicht zu begründen, wäre nur eine separate Versuchsbestimmung mit dem Wesen der Versuchsstrafbarkeit vereinbar. So für die Mittäterschaft Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 869.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
eine Auflehnung des Zurechnungssubjekts gegen die Rechtsordnung und einen Beleg für dessen Gefährlichkeit sieht. Diesen aus den Versuchsgrundsätzen abgeleiteten Mindestanforderungen muss die Tatherrschaft auch beim Versuch genügen.
VIII. Die Tatherrschaftslehre und ihre Funktion als Zurechnungsgrundlage Mithilfe der Versuchslehre ist es gelungen, erste Kriterien für die Bestimmung der Tatherrschaft beim Versuch zu gewinnen. Diese müssen nun unter Berücksichtigung der Täterlehre weiter präzisiert werden. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass einer Modifikation der Tatherrschaftsvoraussetzungen durch die Versuchsgrundsätze weder strukturelle, noch genetische oder systematische Gründe entgegenstehen. Damit hängt die Möglichkeit, die Täterstellung beim Versuch unter Berücksichtigung der Vorstellung des Beteiligten zu ermitteln, maßgeblich davon ab, inwieweit Maß und Umfang der Tat herrschaft vom Verwirklichungsstadium der Tat abhängen. Dies lässt sich vor allem mit Blick auf die Steuerungsmacht des Alleintäters ermitteln (1.). Denn auf diesen sind die jeweiligen Tatbestände des Besonderen Teils ebenso wie die Versuchsregeln zugeschnitten, sodass sich für ihn leichter ergründen lässt, ob die Tatherrschaft beim Versuch anderen Anforderungen unterliegen muss als bei der Vollendung. Diese Untersuchung kann dann möglicherweise Aufschluss auch über die Bestimmung der funktionellen Tatherrschaft bzw. der Willensherrschaft beim Versuch geben. Daneben ist maßgeblich, inwieweit die Eigenheiten der versuchten Tat Auswirkungen auf die Funktion der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage haben, denn bei dieser konnte die Frage nach dem Charakter der Zurechnungsvoraussetzungen verortet werden (2.). Zuletzt ist entscheidend, ob sich die zur Tatherrschaft beim vollendeten Delikt entwickelten Kriterien überhaupt auf die unvollständige Versuchstat übertragen lassen (3.). Sollten sie für das versuchte Delikt von vornherein untauglich sein, wäre die Suche nach neuen, speziell auf diese Verwirklichungsstufe zugeschnittenen Voraussetzungen der Tatherrschaft ohnehin unabdingbar. 1. Tatherrschaft des unmittelbaren Versuchstäters Bereits die gemeinsame und abschließende Normierung aller drei Täterformen in § 25 StGB und die Verwendung desselben Terminus des Begehens zeigt, dass der Gesetzgeber Allein-, mittelbare und Mittäterschaft unter ein gemeinsames Leitprinzip stellen wollte.874 Den Inbegriff der Täterschaft bil874 Steckermeier,
S. 58.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 231
det dabei die Alleintäterschaft875 als gesetzlicher Regelfall und Grundlage der Deliktstatbestände im Besonderen Teil. Aus diesem Grund kommt eine Untersuchung der speziellen Tätervoraussetzungen bei der mittelbaren und der Mittäterschaft nicht umhin, sich mit den gesicherten und auf einer breiteren gesetzlichen Grundlage stehenden Erkenntnissen zur Tatbegehung durch den Alleintäter zu befassen.876 Entscheidend ist, inwieweit die gesetzlichen Regelungen zur unmittelbaren Täterschaft eine unterschiedliche Bestimmung der Tatherrschaft bei Versuch und Vollendung zulassen oder sogar voraussetzen und ob damit für den Alleintäter eine Versuchsstrafbarkeit bei nur eingebildeter Tatherrschaft dogmatisch konstruierbar wäre. Unerlässlich ist es, vorab zu klären, welche Aussagekraft diese Untersuchung für die Auslegung der Zurechnungskriterien bei der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Begehung hat. Ausgangspunkt muss dabei die grundsätzliche Erkenntnis bilden, dass die Dogmatik des Strafrechts an den Maßstäben des Verfassungsrechts auszurichten ist.877 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG. Er verbietet es, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.878 Weil alle Täterformen sowohl beim vollendeten, als auch beim versuchten Delikt derselben Strafandrohung unterliegen, muss auch die Beschaffenheit der Tat herrschaft des mittelbaren Täters respektive des Mittäters beim versuchten Delikt stets parallel zur Steuerungsmacht des Alleintäters bestimmt werden. Denn die Feststellung der Täterschaft ist eine Frage des tatbestandlichen Unrechts.879 Wären der mittelbare Täter bzw. Mittäter nicht in zumindest vergleichbarer Weise für das tatbestandsmäßige Geschehen verantwortlich wie der unmittelbare Täter, ließe sich ihnen folglich auch kein vergleichbarer Unrechtsvorwurf machen, der die ebenfalls volle Strafdrohung bei diesen Beteiligungsformen legitimieren könnte. Würden der Einfluss auf das verwirklichte Geschehen und damit das verwirklichte Unrecht wesentlich divergieren, wäre dies im Hinblick auf die Gleichstellung im Strafmaß verfassungsrechtlich problematisch, da auch der einfache Gesetzgeber trotz seines Gestaltungsspielraums ebenso wie der Rechtsanwender an die verfassungs-
875 Steckermeier,
S. 58. die Mittäterschaft auch Steckermeier, S. 58. 877 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 65. 878 BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 103, 310, 318; BVerfGE 112, 268, 279; BVerfGE 116, 164, 180; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24 Rn. 1; HGR V-Pietzcker, § 125 Rn. 16; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 3 Rn. 8; Maunz/Dürig-Kirchhof, GG, Art. 3 I (75. EL, 2015) Rn. 73; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Krieger, GG, Art. 3 Rn. 26. 879 LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 39 mit Verweis auf LK-StGB11-Roxin, § 25 Rn. 34. 876 Für
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
rechtlichen Vorgaben gebunden ist.880 Zwar obliegt dem Gesetzgeber dabei gerade im Strafrecht nach der Rechtsprechung des BVerfG normalerweise ein vergleichsweise weiter Gestaltungsspielraum,881 nichtsdestotrotz ließe sich eine wesentliche Divergenz von Umfang und Intensität der Herrschaft und damit des Unrechts verfassungsrechtlich zumindest ohne hinreichend gewichtigen Grund882 schwer rechtfertigen. Die Beziehung der anderen Tätertypen zum tatbestandsmäßigen Geschehen muss mit derjenigen des Alleintäters vergleichbar sein.883 Die prinzipielle Gleichstellung der Tatherrschaftsformen ist somit bereits verfassungsrechtlich durch Art. 3 GG festgeschrieben.884 Zudem ist sie auch der Tatherrschaftslehre immanent. Diese fußt auf der Annahme, unmittelbarer, mittelbarer und Mittäter seien gleichermaßen Zentralgestalt des deliktischen Geschehens und übten ihre Tatherrschaft nur in anderer Form, aber im selben Umfang aus.885 Auch das Zurechnungsprinzip, das sowohl der mittelbaren als auch der Mittäterschaft zugrunde liegt, verfolgt den Zweck, die Verbindung zu dem Außenweltgeschehen herzustellen, die sich bei der Alleintäterschaft bereits aus der eigenhändigen Vornahme ergibt. Es dient demnach dazu, die fremden Ausführungshandlungen den eigenen gleichzustellen und damit zu rechtfertigen, warum derjenige, der das Geschehen anders als durch eigenkörperliche Aktivität steuert, für dieses in gleicher Weise Verantwortung trägt.886 Soll also beim Versuch bereits die Vorstellung vom Bestand eines herrschaftsbegründenden Sachverhalts die Strafbarkeit tragen, müsste – will man die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Tatherrschaft bei allen Täterformen nicht aufgeben – nicht nur die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters und die Willensherrschaft des mittelbaren Täters, sondern auch die Handlungs880 Bleckmann, Staatsrecht II, § 24 Rn. 11 ff.; Dreier-Heun, GG, Art. 3 Rn. 51 ff.; HGR V-Pietzcker, § 125 Rn. 67 ff.; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 3 Rn. 1b; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke-Krieger, GG, Art. 3 Rn. 18. 881 Vgl. dazu m. w. N. Steckermeier, S. 60 f. sowie BVerfGE 1, 418, 426; BVerfGE 11, 234, 239; BVerfGE 25, 269, 292 ff.; BVerfGE 29, 148, 153; BVerfGE 41, 121, 124 f. 882 Dazu sogleich in Fn. 887. 883 LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 39. Ähnlich für die Mittäterschaft Steckermeier, S. 59. 884 Ebenso LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 39. Für die Mittäterschaft auch Steckermeier, S. 58 ff. 885 Statt vieler Kühl, AT, § 20 Rn. 27 f.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 36 ff.; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 13; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 23; Roxin, AT II, § 25 Rn. 10 ff. Anders SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 12 ff. Kritisch für die Mittäterschaft auch Steckermeier, S. 156 f. 886 Ausführlich dazu m. w. N. in Kap. 1 A. I. 3. c) cc) sowie Kap. 1 A. II. 2. c) cc).
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herrschaft des unmittelbaren Täters beim Versuch durch die bloße Vorstellung hiervon ersetzbar sein. Sollte dagegen nachgewiesen werden, dass eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen unmittelbaren Täters mit den gesetzlichen Vorgaben unvereinbar ist, müsste ein hinreichend wichtiger Grund887 dafür bestehen, warum die verschiedenen Täterformen trotz des unterschiedlichen Umfangs der Tatherrschaft beim Versuch demselben Strafmaß unterstehen. Wäre ein solcher nicht auszumachen, stünden bereits die verfassungsrechtlichen Vorgaben einer Subjektivierung der Tatherrschaftsvoraussetzungen beim Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung entgegen. Die Steuerungsmacht des unmittelbaren Täters ergibt sich beim vollendeten Begehungsdelikt daraus, dass er selbst es ist, der durch eigenkörperliche Aktivität das tatbestandsmäßige Geschehen vollzieht.888 Das versuchte Delikt bleibt dahinter jedenfalls insoweit zurück, als entweder noch nicht alle tatbestandsmäßigen Handlungen vollzogen oder durch diese jedenfalls der tatbestandsmäßige Erfolg nicht zurechenbar verwirklicht wurde. Fraglich ist, ob auch der Einfluss des Täters auf das schon umgesetzte Geschehen in den Verwirklichungsstufen divergiert. Nach der Versuchsregel des § 22 StGB muss der unmittelbare Versuchstäter „nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetz[en]“. Der Wortlaut („ansetzt“) lässt vermuten, dass es auch beim Versuch einer eigenen Kraftentfaltung des Täters bedarf, mithin seine Steuerungsmacht sich auch hier aus dem eigenhändigen Vollzug des Versuchsgeschehens ergibt.889 Relevant ist, ob sich nur diese Deutung mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbaren lässt oder ob es ebenso möglich wäre, die Täterstellung für den Alleintäter beim Versuch auf die Vorstellung vom Bestand eines herrschaftsbegründenden Sachverhalts zu stützen. Eine der vermeintlichen mittelbaren bzw. Mittäterschaft vergleichbare irrtümliche Annahme der Tatherrschaft ist beim Alleintäter nur in der Form denkbar, dass der Täter meint, er habe ein 887 Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem rechtfertigen, vgl. BVerfGE 96, 315, 325; BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 100, 138, 174; BVerfGE 108, 52, 67 f.; BVerfGE 109, 96, 123; BVerfGE 110, 141, 167; BVerfGE 115, 381, 389; BVerfGE 118, 1, 28; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24 Rn. 13 ff.; Dreier-Heun, GG, Art. 3 Rn. 26; HGR V-Pietzcker, § 125 Rn. 40 ff.; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 3 Rn. 14 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/HennekeKrieger, GG, Art. 3 Rn. 26. 888 Gropp, AT, § 10 Rn. 91; Jescheck/Weigend, AT, S. 652; Kühl, AT, § 20 Rn. 36; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 35 ff.; NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 47; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 127 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 38; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 2 f. 889 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 584. Ähnlich auch Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 40.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Geschehen, das objektiv eine mögliche Ansatzhandlung darstellt, eigenkörperlich hervorgerufen, während dies tatsächlich nicht der Fall ist. Hat A beispielsweise den Entschluss gefasst, O auszurauben, indem er ihm auf einem belebten Platz von hinten mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf schlägt, um sodann seine Wertsachen zu entwenden, wäre ein unmittelbares Ansetzen zum Raub i. S. d. §§ 249, 22 StGB nach dem Tatplan des A jedenfalls mit dem Ausholen zum Schlag gegeben, weil sich daran die Gewaltanwendung und die Wegnahme unmittelbar anschließen sollen. Um einen Anwendungsfall der vermeintlichen unmittelbaren Täterschaft handelt es sich dann, wenn man den Fall so abwandelt, dass A unerkannt an einer speziellen Nervenkrankheit leidet, die dazu führt, dass er Berührungen nicht wahrnimmt, weil er an einer allgemeinen Empfindungslosigkeit leidet. Dies nutzt B – der bereits die Polizei verständigt hat und A „eins auswischen“ möchte – dazu, den Arm des A so auf den Kopf des O zu schlagen, dass es aussieht, als sei A selbst es gewesen, der den Schlag vollzogen hat. A, der von dem Ganzen nichts mitbekommt, nimmt tatsächlich an, er habe den Schlag ausgeführt, um mit der Tatausführung zu beginnen. Wird das weitere Vorhaben durch die Polizei unterbunden, stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall nur eingebildeter Handlungsherrschaft für den A als Alleintäter eine Strafbarkeit wegen versuchten Raubes begründbar wäre. Ebenso wie in den anderen Fällen eingebildeter Steuerungsmacht existiert also auch bei der vermeintlichen unmittelbaren Täterschaft ein objektives Geschehen, das die Anforderungen an eine Versuchshandlung erfüllt, der Täter hat dieses Geschehen aber nur in seiner Vorstellung in der Hand. Bei der eingebildeten Handlungsherrschaft kann dies nur darauf beruhen, dass das Versuchsgeschehen von einem mit diesem nicht zusammenwirkenden anderen Beteiligten oder durch Naturkräfte hervorgerufen wurde. Der Alleintäter muss sich dagegen einbilden, er habe die Ansatzhandlung selbst vorgenommen. Maßgeblich ist, ob sich dieser Fall unter die Versuchsregel des § 22 StGB subsumieren lässt. Dagegen spricht, dass diese ein unmittelbares Ansetzen erfordert. Damit beinhaltet § 22 StGB nicht nur die Beschreibung eines bestimmten Erfolges, sondern einer Tätigkeit: Es muss damit begonnen werden, die Vorstellung von der Tat in Handlungen umzusetzen.890 Eine solche menschliche Tätigkeit liegt bei einem allein durch Naturkräfte gesteuerten Versuchsgeschehen aber gerade nicht vor. Wurde die Versuchshandlung wie im Beispielsfall durch eine andere Person hervorgerufen, läge zwar eine Handlung vor, dennoch ließe sich auch dieser Fall nicht unter den Wortlaut des § 22 StGB subsumieren. Denn zum einen wohnt der Formulierung „unmittelbar ansetzt“ ein finales Element inne: Es ist nicht irgendeine das tatbe890 Becher, S. 14; Kratzsch, JA 1983, S. 578, 584; Roxin, JuS 1979, S. 1, 3 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 29.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 235
standliche Rechtsgut potentiell gefährdende Handlung, sondern eine final dem deliktischen Plan des Täters dienende Vollzugshandlung Voraussetzung der Versuchsstrafe. Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen stehen gem. § 22 StGB nicht isoliert nebeneinander, sondern die objektive Ausführungshandlung muss den konkretisierten Vorsatz des Täters manifestieren. Zum anderen bezieht sich das Erfordernis des unmittelbaren Ansetzens auf das „Wer“ und damit denjenigen, der wegen Versuchs bestraft werden soll. Es genügt nicht, dass irgendjemand unmittelbar ansetzt, sondern gerade der Versuchstäter muss mit seinem Vorhaben begonnen haben. Noch augenfälliger wird dieses Verständnis des Gesetzgebers in § 26 E-StGB, der nur aus stilistischen Gründen nicht übernommen wurde.891 Hiernach versucht die Tat, „wer den Vorsatz, die Tat zu vollenden, durch eine Handlung betätigt, die den Anfang der Ausführung bildet“.892 Diese Formulierung lässt keinen Zweifel daran, dass in objektiver Hinsicht nur eine menschliche Handlung und nicht etwa ein Naturgeschehen den Beginn des Versuchs markieren kann und dass sie vom Täter selbst vorgenommen werden muss. Dann aber liegt keine Ansatzhandlung vor, die die Anforderungen des § 22 StGB erfüllt, wenn sich der Alleintäter seine Handlungsherrschaft nur einbildet. Es ließe sich mit dem Wortlaut des § 22 StGB nicht vereinbaren, davon zu sprechen, A habe in dem Beispielsfall unmittelbar zum Raub angesetzt. Denn er selbst hat gerade nicht willensgesteuert gehandelt und so seinen deliktischen Entschluss betätigt. Dies deckt sich mit den gewonnenen Erkenntnissen zum Strafgrund des Versuchs.893 Das Unrecht des Versuchs ergibt sich daraus, dass der Täter seinen Vorsatz bereits ins Werk gesetzt, er bewiesen hat, dass er die „inneren Hemmschwellen überwunden und die zur Zielsetzung notwendigen Handlungsenergien mobilisiert hat“.894 Weil er seinen Entschluss nach außen getragen und gezeigt hat, dass er zur Deliktsverwirklichung endgültig entschlossen und psychologisch in der Lage ist, hat er eine offene Feindschaft gegen das Gesetz bewiesen.895 Derjenige, der selbst nicht tätig geworden ist, sondern sich dies nur vorstellt, hat seinen Entschluss hingegen noch nicht nach außen getragen und musste keine Hemmschwellen überwinden. Ein rechtserschütternder Eindruck entsteht durch das Verhalten des vermeintlichen Täters ebenfalls nicht. 891 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 11. Ebenso Schlehofer, S. 33 und Streng, GedS Zipf (1999), S. 325, 329 f. 892 BT-Drucks. IV/650, S. 15. 893 Kap. 1 B. VII. 1. 894 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 581. 895 Siehe oben Fn. 848, 850.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Anders als bei der vermeintlichen mittelbaren und Mittäterschaft besteht für die Alleintäterschaft auch nicht die Möglichkeit, zu einer Versuchsstrafbarkeit über die Modifikation der Versuchsregeln zu gelangen. Der Gesetzgeber hat den Versuch des unmittelbaren Täters in § 22 StGB ausdrücklich geregelt, sodass allein die dort normierten Voraussetzungen die Grenze der Versuchsstrafe abstecken, ohne dass es einer Abwandlung der Versuchsregel durch § 25 StGB bedarf. Eine Herabsenkung der Anforderungen gegenüber dem in § 22 StGB normierten Regelfall ließe sich allein mit dem Eingreifen der Grundsätze des untauglichen Versuchs rechtfertigen. Aber auch die Regelung des § 23 III StGB zum untauglichen Versuch nimmt die Begriffsbestimmung des § 22 StGB in Bezug und stellt allein für die Eignung der Versuchshandlung, die Vollendung herbeizuführen, klar, dass es insoweit nur auf die Vorstellung des Täters ankommt, selbst wenn sie auf grobem Unverstand beruht. Das Erfordernis der Ansatzhandlung selbst, an dem es bei bloß eingebildeter Handlungsherrschaft fehlt, wird durch § 23 III StGB dagegen nicht abbedungen.896 Dies stimmt mit der Erkenntnis überein, dass sich auch der Unwert des untauglichen Versuchs aus der Manifestation des deliktischen Entschlusses ergibt.897 Daher besteht zumindest für die vermeintliche unmittelbare Täterschaft kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für eine Subjektivierung der Tat herrschaftsvoraussetzungen. Eine Versuchsstrafbarkeit lässt sich deshalb bei nur eingebildeter Handlungsherrschaft de lege lata nicht begründen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist auch für die Versuchsstrafbarkeit der objektive Bestand einer Handlungsherrschaft unabdingbare Voraussetzung. Lässt sich die Versuchsstrafbarkeit aber auf die irrtümliche Annahme der Gestaltungsherrschaft nicht stützen, begegnet es durchgreifenden Bedenken, den mittelbaren Täter oder Mittäter wegen Versuchs zu bestrafen, obgleich er nur in seiner Vorstellung eine Steuerungsmacht über das Geschehen besitzt. Ansonsten würde nämlich ein deutliches Gefälle zwischen dem Maß an faktischer Tatherrschaft bestehen, das zur Begründung einer Versuchsstrafbarkeit vonnöten wäre, ohne dass sich diese unterschiedlichen Anforderungen in einem unterschiedlichen Strafmaß widerspiegelten. Während der Alleintäter objektiv Handlungsherrschaft über das Versuchsgeschehen besitzen müsste, könnten sich der mittelbare Täter und Mittäter bereits dadurch wegen Versuchs strafbar machen, dass sie irrig glauben, sie beherrschten die Versuchstat. Diese Gleichstellung im Strafmaß trotz des wesentlich ungleichen Maßes 896 Anders aber Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. So wie hier Ahrens, JA 1996, S. 664, 669; Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 129; Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 91; Buser, S. 129; Erb, NStZ 1995, S. 424, 428; Graul, JR 1995, S. 425, 430; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 706; Kühl, AT, § 15 Rn. 90; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 187; Roxin, AT II, § 29 Rn. 18; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 329; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23. Ausführlich dazu sogleich in Kap. 1 B. IX. 897 Vgl. dazu bereits Kap. 1 B.VII.1.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 237
an Herrschaft über das tatbestandliche Geschehen ließe sich mit Art. 3 GG nur vereinbaren, wenn ein hinreichend gewichtiger Grund für diese Gleichbehandlung bestünde.898 Weil das Maß der Sozialschädlichkeit und die Beeinträchtigung der Rechte anderer die Strafhöhe entscheidend beeinflussen,899 könnte die Gleichbehandlung dann gerechtfertigt werden, wenn mittelbarer Täter bzw. Mittäter trotz ihres objektiv fehlenden Einflusses auf die Gesamttat aus anderen Gründen eine besondere Gefahr für die Rechtsordnung darstellten. Das Unrecht der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Versuchstat ergibt sich ebenfalls aus der Betätigung des deliktischen Willens.900 Die Tatherrschaft stellt dabei in allen Fällen die Verbindung zwischen dem deliktischen Entschluss und dem objektiven Außenweltgeschehen her: Da der Täter das objektive Geschehen steuert und es nach seinem Willen hemmen und ablaufen lassen kann, manifestiert sich in diesem sein Tatentschluss. Soll diese Verbindung für die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft gelockert werden und schon die Vorstellung einer Steuerungsmacht genügen, wird dadurch zwangsläufig die objektive Komponente des Handlungsunwerts geschwächt.901 Fehlt es an einer aktiven Beherrschung des Außenweltgeschehens, kann dieses nicht in gleicher Weise als Demonstration seines unbedingten Tatentschlusses angesehen werden. Ein vergleichbarer Handlungsunwert bestünde trotz dieses Mangels, wenn der den Handlungsunwert mitbestimmende subjektive Intentionsunwert902 höher wäre als bei der Alleintäterschaft. Darunter soll der Unwert verstanden werden, der sich aus dem Erstreben des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges ergibt.903 Der Unwertgehalt dieses Intentionsunwerts ergibt sich vor allem aus dem er898 Siehe
Fn. 887. 34, 261, 266 f.; BVerfGE 45, 187, 267 f.; BVerfGE 50, 5, 14 f.; v. Mangoldt/Starck/Klein-Starck, GG, Art. 3 Rn. 63. Vgl. dazu auch Steckermeier, S. 63, 158. 900 Vgl. dazu Kap. 1 B. VII. 2. 901 Siehe zu dieser objektiven Komponente des Handlungsunwerts Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239, 243 f., 250 f.; Paeffgen, S. 111 ff.; Steckermeier, S. 52 f. 902 Zur Struktur des Handlungsunwerts vgl. Grupp, S. 154 ff.; Heckler, Rücktrittsleistung, S. 80 ff.; Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239, 240 ff.; Malitz, S. 169 ff.; Paeffgen, S. 111 ff.; Rehr-Zimmermann, S. 20 ff.; Rudolphi, in: FS Maurach (1972), S. 51 ff.; Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor § 13 Rn. 52 ff.; Steckermeier, S. 52 f.; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 523, 534 ff. Im Einzelnen ist umstritten, welche Komponenten neben Vorsatz und Fahrlässigkeit Teil des Handlungsunrechts sind. Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch insoweit, als jedenfalls der objektiv ins Werk gesetzte Intentionsunwert Teil des vorsätzlichen Handlungsunrechts ist. Somit ergibt sich dieses mindestens aus zwei Komponenten: Dem subjektiven Intentionsunwert und dem objektiven Geschehen, das diesen ins Werk setzt. 903 Rudolphi, in: FS Maurach (1972), S. 51, 64. Ähnlich auch Schönke/SchröderEisele, StGB, Vor § 13 Rn. 60. 899 BVerfGE
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
strebten Sachverhalt, also daraus, welche Art von Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung intendiert wird und der Intensität, mit der der Täter den tat bestandsmäßigen Unrechtserfolg erstrebt.904 Der mittelbare Täter und der Mittäter streben aber grundsätzlich dieselbe Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung an wie der Alleintäter, unterschiedlich ist allein die ins Auge gefasste Art der Deliktsbegehung. Und auch die Intensität des Entschlusses ist dieselbe, unterliegt doch auch die mittelbare bzw. gemeinschaftliche Begehungsweise dem allgemeinen Vorsatzerfordernis. Somit hängt der Intentionsunwert wegen des identischen Bezugspunktes auf die deliktische Tat nicht von der Täterform ab. Auch hiermit lässt sich die wegen des geringeren Maßes an Tatherrschaft problematische Gleichstellung nicht rechtfertigen. Ein sachlicher Grund für die Gleichstellung muss daher in den spezifischen Eigenheiten der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Begehung gesucht werden. Für die Mittäterschaft könnte darauf abgestellt werden, dass der Zusammenschluss mit anderen und die damit einhergehende Arbeitsteilung eine Professionalisierung im Vorgehen bewirkt und damit möglicherweise auch zu einer intensiveren Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes führt.905 Dafür könnte sprechen, dass auch der Gesetzgeber der gemeinschaftlichen Begehungsweise beispielsweise in §§ 224 I Nr. 4, 244 I Nr. 2, 250 I Nr. 2 StGB strafschärfenden Charakter beimisst. Allerdings zeigt die Beschränkung dieses Strafschärfungsgrundes auf bestimmte Delikte auch, dass der Gesetzgeber keinesfalls für jedes Rechtsgut in dem Zusammenschluss mit weiteren Personen ein erhöhtes Gefährdungspotential erblickt. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen allein die bandenmäßige Begehung zur Strafschärfung führt, weil in diesen Fällen eine gesteigerte Organisationsund Ausführungsgefahr bestehen soll.906 Die Bande setzt aber einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss mehrerer Personen voraus907 und ist schon deshalb nicht mit der Mittäterschaft vergleichbar, weil der sie konstituierende gemeinsame Tatplan auch spontan während der Tatbegehung gefasst werden kann.908 Aus diesem Grund muss mit der Mittäterschaft keinesauch Rudolphi, in: FS Maurach (1972), S. 51, 65. zur Rechtfertigung der prinzipiellen Gleichstellung der Tatherrschaft des Mittäters mit der Handlungsherrschaft des Alleintäters Steckermeier, S. 158. 906 Zum Grund der Strafschärfung bei den Bandendelikten vgl. Kosmalla, Bandenmäßigkeit; MüKo-StGB-Schmitz, § 244 Rn. 38; Schröder, ZIS 2014, S. 389, 390 f. Allgemein zur Gruppe auch Walther, ZIS 2014, S. 393 ff. 907 BGHSt 23, 239; BGHSt 38, 26, 31; BGHSt 46, 321, 329; AnwK-StGBKretschmer, § 244 Rn. 28; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 244 Rn. 6; Matt/Renzikowski-Schmidt, StGB, § 244 Rn. 12; MüKo-StGB-Schmitz, § 244 Rn. 39; Schönke/ Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 244 Rn. 25. 908 RGSt 8, 42, 43; BGHSt 37, 106, 130; BGH GA 1969, 214; BGH (Dallinger) MDR 1971, 545; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 25 Rn. 10; MüKo-StGB-Joecks, § 25 904 So
905 Ähnlich
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 239
falls eine Professionalisierung einhergehen, weil eine vorherige Planung und Organisation durch die Mittäter keine Voraussetzung der gemeinschaftlichen Begehung ist. Auch gründet sich die gesteigerte Ausführungsgefahr dieser qualifizierten Begehungsweisen auf die Anwesenheit mehrerer Personen am Tatort, durch die sich das Opfer einer Übermacht gegenübersieht und die daher seine Verteidigungsmöglichkeiten einschränkt.909 Weil der mittelbare Täter und der Mittäter nicht zwangsläufig am Tatort anwesend zu sein brauchen, wohnt diesen Beteiligungsformen kein mit den genannten Qualifikationsgründen vergleichbares erhöhtes Gefährdungspotential inne. Allenfalls die innere Bindung der anderen Beteiligten an das Gesamtvorhaben und die Bestärkung ihres Tatentschlusses, die der gemeinsame Tatplan bewirkt, könnten gegenüber der Alleintäterschaft eine Unrechtssteigerung bewirken.910 Allerdings lässt sich nur mithilfe dieser Phänomene überhaupt begründen, dass der Mittäter das deliktische Geschehen ebenso wie der Alleintäter beherrscht. Nur wegen dieses Einflusses auf die anderen Tatbeteiligten kann der Mittäter demjenigen, der die Tathandlung selbst vollzieht, gleichgestellt werden. Stärker als durch eigenhändige Ausführung kann man ein Geschehen schließlich nicht beherrschen.911 Somit muss auch dann, wenn der Mittäter tatsächlich eine beherrschende Stellung im deliktischen Geschehen innehat, zunächst einmal begründet werden, warum es legitim erscheint, ihn für das Gesamtgeschehen verantwortlich zu machen, obwohl er anders als der Alleintäter nur einen Teil dieses Geschehens selbst vollzogen hat. Legitimationsgrund ist neben der negativen Hemmungsmacht, die der einzelne Mittäter in der Regel besitzt, gerade die psychische Bindung und Bestärkung der anderen Beteiligten.912 Kann aber nur wegen ihr die Mittäterschaft überhaupt der unmittelbaren Täterschaft gleichgestellt werden, leuchtet nicht ein, warum sie darüber hinaus sogar rechtfertigen soll, auf den objektiven Bestand einer Herrschaftsposition beim Versuch anders als bei der Alleintäterschaft zu verzichten. Denn so würde die erzielte Vergleichbarkeit der Herrschaftsformen schließlich im Gegenteil wieder aufgehoben. Hinzu Rn. 236; Roxin, AT II, § 25 Rn. 192; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 25 Rn. 72. 909 Vgl. allein für § 224 StGB BGH StV 1994, 542, 543; BGHSt 47, 383, 387; v. Heintschel-Heinegg-Eschelbach, StGB, § 224 Rn. 37 f.; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 224 Rn. 7; Matt/Renzikowski-Engländer, StGB, § 224 Rn. 12; Schönke/SchröderStree/Sternberg-Lieben, StGB, § 224 Rn. 11 f. Weiter aber MüKo-StGB-Hardtung, § 224 Rn. 37, der annimmt, es komme nur darauf an, dass es zu einer Gefahrerhöhung gekommen ist, diese könne sich aber auch aus einer Mitwirkung aus der Ferne ergeben. 910 Ausführlich zu diesem Phänomen in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 911 So auch bereits Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 127. 912 Kritisch zur Vergleichbarkeit beider Herrschaftsformen SK-StGB-Hoyer, Vor § 25 Rn. 12 ff.; Steckermeier, S. 146 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
kommt, dass in der durch den Tatplan vermittelten Herrschaft der gerade für die Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft erforderliche hinreichende Grund, der die Gleichbehandlung mit der Alleintäterschaft rechtfertigen soll, schon deshalb nicht liegen kann, weil diese Herrschaft bei der scheinbaren Täterschaft objektiv fehlt. Gilt es aber das Fehlen dieses Elementes zu kompensieren, um damit die Gleichstellung im Strafmaß zu legitimieren, wäre es zirkelschlüssig, zur Begründung gerade auf diese objektiv gar nicht vorliegende Eigenart der Mittäterschaft zurückzugreifen. Die mittelbare Täterschaft unterscheidet sich von der Alleintäterschaft dadurch, dass ein in der Regel strafrechtlich nicht voll verantwortlicher Tatmittler zur Tatbegehung eingesetzt wird. Eine Herabsetzung der objektiven Anforderungen an den Handlungsunwert könnte somit mit der aus dem Einsatz eines gesteuerten Werkzeugs resultierenden besonderen Unberechenbarkeit und damit erhöhten Gefährlichkeit dieser Begehungsweise begründet werden. Aber auch hier ist es bereits dieser Umstand, der generell die fehlende Eigenhändigkeit kompensiert. Hinzu kommt, dass bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft eine solche Steuerungsmacht gerade nicht besteht, sich der Tatmittler also nicht von einem eigenverantwortlich handelnden Alleintäter unterscheidet. Deshalb kann die für die Fälle der scheinbaren mittelbaren Täterschaft erforderliche Rechtfertigung nicht in der sich aus der Werkzeugqualität ergebenden besonderen Gefährlichkeit der mittelbaren Tatbegehung gesucht werden. Somit fehlt es an einem hinreichend gewichtigen Grund, der die Gleichstellung im Strafmaß trotz des unterschiedlichen Maßes an Tatherrschaft rechtfertigen könnte. Die Eigenheiten, welche die mittelbare Täterschaft respektive Mittäterschaft grundsätzlich von der Alleintäterschaft unterscheiden und damit eine solche Rechtfertigung liefern könnten, fehlen in den Fällen der eingebildeten Täterschaft gerade objektiv. Damit spricht der Vergleich mit dem Alleintäter gegen eine Modifikation der Tatherrschaftsvoraussetzungen durch die Versuchsgrundsätze bei der mittäterschaftlichen bzw. mittelbartäterschaftlichen Tat. Sie wäre nur um den Preis einer Aufgabe der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Täterformen möglich, weil sich eine Versuchsstrafbarkeit des Alleintäters bei nur eingebildeter eigenhändiger Begehungsweise de lege lata nicht begründen lässt. Der Gedanke einer solchen Gleichwertigkeit ist aber nicht nur der Tatherrschaftslehre immanent, sondern auch verfassungsrechtlich durch Art. 3 GG abgesichert. Ohne eine Herabsetzung des Strafmaßes für den Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Begehung im Falle bloß eingebildeter Tatherrschaft ließe sich daher eine Subjektivierung der Tatherrschaft beim Versuch nicht konstruieren.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 241
2. Funktion der Tätervoraussetzungen beim Versuch im Vergleich zum vollendeten Delikt Ob eine solche Anpassung der gesetzlichen Regelungen sinnvoll ist, hängt insbesondere davon ab, ob die Widersprüchlichkeit im Vergleich zur Versuchsstrafbarkeit des Alleintäters der einzige Grund ist, der einer Modifikation der Tätervoraussetzungen beim Versuch entgegensteht. Sollten dieser noch weitere – möglicherweise auch durch eine einfachgesetzliche Gesetzesänderung gar nicht überwindbare – dogmatische Gründe entgegenstehen, wäre eine Herabsetzung des Strafmaßes für die Versuchsstrafbarkeit des mittelbaren Täters bzw. Mittäters gar nicht erstrebenswert. Die Analyse der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und Mittäterschaft hat gezeigt, dass es vor allem die Funktion der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage ist, von der es abhängt, ob sich eine Versuchsstrafbarkeit für die eingebildete Tatherrschaft konstruieren lässt. Eine Subjektivierung der Tatherrschaftsvoraussetzungen wäre zwangsläufig mit einer Herabsetzung des Legitimationsniveaus verbunden, denn die eingebildete Steuerungsmacht verschafft dem Täter eben nur in seiner Vorstellung, nicht jedoch objektiv die Herrschaftsposition über das tatbestandsmäßige Geschehen, die beim vollendeten Delikt Zurechnungsvoraussetzung ist. Entscheidend muss daher sein, ob die Eigenheiten des versuchten Delikts diese Herabsetzung der Legitimationsanforderungen tragen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die unterschiedliche Realisierung des geplanten deliktischen Geschehens beim Versuch im Vergleich zur Vollendung auch auf die Zurechnungsgrundlage auswirkt. Wäre dagegen die Funktion, die die Zurechnungsgrundlage erfüllt, beim Versuch und bei der Vollendung identisch und hätte das Verwirklichungsstadium des Delikts auch darüber hinaus keinen Einfluss auf den Zurechnungsmechanismus, ließe sich kaum begründen, warum beim Versuch geringere Maßstäbe zugrunde zu legen sein sollen als beim vollendeten Delikt. Die Struktur der Zurechnung ist in beiden Fällen identisch. Sowohl für die vollendete, als auch für die versuchte gemeinschaftliche bzw. mittelbare Tatbegehung ist charakteristisch, dass der Täter das tatbestandsmäßige Geschehen nicht vollständig selbst vollzieht und es somit einer Zurechnung des fremdhändig vollzogenen Außenweltgeschehens bedarf, um seine Strafbarkeit zu begründen.913 Schließlich ist auch beim Versuch in Form des unmittelbaren Ansetzens zur Begründung des Versuchsunrechts eine objektive Handlung erforderlich, die bei fehlender Eigenhändigkeit zuzurechnen ist.
913 Vgl.
dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) und Kap. 1 A. II. 2. c).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Gerade auf diese parallele Zurechnungsstruktur von Versuch und Vollendung stützt sich auch die hier favorisierte Gesamtlösung.914 Es könnte jedoch der Umfang der Zurechnung und damit der Zurechnungsgegenstand differieren. Bei der versuchten Tat ist der Tatplan häufig erst unvollständig umgesetzt worden.915 Unter Umständen wurde bislang nur eine Ansatzhandlung vollzogen, die der Zurechnung bedarf, während beim vollendeten Delikt neben den eigenen Beiträgen typischerweise noch viele weitere Handlungen ausgeführt wurden, die nun dem Zurechnungssubjekt zugeschrieben werden müssen. Auch dieser Unterschied zwischen versuchter und vollendeter Tat ist jedoch kein zwingender, hat der Täter beim beendeten Versuch doch ebenso wie bei der Vollendung bereits alle seiner Meinung nach erforderlichen tatbestandsmäßigen Handlungen vollzogen, sodass der Abschluss der geplanten Ausführungshandlungen nicht die Grenze zwischen Versuch und Vollendung, sondern zwischen unbeendetem und beendetem Versuch markiert.916 Damit ist es allein die fehlende zurechenbare Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges, die alle Formen des Versuchs von der Vollendung unterscheidet. Demnach kommt es darauf an, ob der Eintritt des Erfolges und die damit einhergehende unterschiedliche Beschaffenheit des Zurechnungsgegenstandes Auswirkungen auf das Legitimationsniveau für die Zurechnung – die Zurechnungsgrundlage – hat. Der Eintritt des Erfolges hätte Bedeutung für den Zurechnungsmechanismus, wenn es bei der Begründung der täterschaftlichen Verantwortung um die Zurechnung des tatbestandlichen Erfolges zur individuellen Ausführungshandlung des Täters ginge. Dann wären die anderen Mitwirkenden für den mittelbaren Täter bzw. Mittäter bloße Kausalfaktoren.917 Nach einem solchen 914 Ausführlich dazu bereits oben in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). zur Mittäterschaft und Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). zur mittelbaren Täterschaft. 915 Dies gilt jedenfalls für den unbeendeten Versuch, vgl. BGHSt 4, 180, 181; BGHSt 14, 75, 79; BGHSt 22, 330, 331; BGHSt 31, 170, 171 ff.; BGHSt 33, 295; BGHSt 39, 221, 227; Jescheck/Weigend, AT, S. 540; Krey/Esser, AT, Rn. 1282; Kühl, AT, § 16 Rn. 24; LK-StGB-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 140; MüKo-StGB-HoffmannHolland, § 24 Rn. 72; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 24 Rn. 14. 916 Jescheck/Weigend, AT, S. 540; LK-StGB-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 140; MüKoStGB-Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 72 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 24 Rn. 14. Zum Teil wird daraus geschlossen, dass der Handlungsunwert beim beendeten Versuch dem des vollendeten Delikts entspricht, vgl. Kaufmann, in: FS Welzel (1974), S. 393, 403; Stratenwerth, SchwZStR 79 (1963), S. 233, 249; Struensee, in: GedS Kaufmann (1989), S. 523, 534; Zielinski, S. 144, 216 f. Kritisch dazu Grupp, S. 154 ff. 917 So Schilling, S. 95. Für die mittelbare Täterschaft Frister, AT, § 25 Rn. 8 f.; Hardtung, NZV 1997, S. 97, 103; Herzberg, ZStW 99 (1987), S. 49, 50, 74; ders., JuS 1985, S. 1, 3 f.; Joerden, Strukturen, S. 62 ff., insb. 67; von der Meden, JuS 2015, S. 22, 25; Roxin, AT II, § 29 Rn. 247.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 243
Modell wäre einsichtig, warum die Zurechnung beim Versuch, bei dem es am Eintritt oder zumindest an der Zurechenbarkeit des tatbestandlichen Erfolges fehlt, anders ausgestaltet sein und anderen Kriterien unterliegen muss als bei der vollendeten Tat. Dass ein solches Verständnis der Struktur der gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Begehungsweise jedoch nicht gerecht würde, ist bereits gezeigt worden.918 Nach dem hier zugrunde gelegten Zurechnungsmodell ist der Erfolg aber gar nicht Gegenstand der Zurechnung, sondern zugerechnet wird allein die Gesamttat als Summe der Einzelverhaltensweisen der unterschiedlichen Beteiligten.919 Dies bedeutet nicht, dass es bei der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tat überhaupt keiner Erfolgszurechnung bedarf. Der tatbestandsmäßige Erfolg muss der Gesamttat als Summe aller Körperbewegungen zugeschrieben werden. Sie, aber eben nicht das individuelle Verhalten des Täters, bildet den Subsumtionsstoff für die Erfolgszurechnung.920 Diese Erfolgszurechnung und die wegen der Eigenarten der gemeinschaftlichen oder mittelbaren Begehungsweise notwendig werdende Gesamttatzurechnung sind strikt voneinander zu trennen. Bei der Zurechnung als Spezifikum der mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Tat geht es darum, die Verantwortung für das Gesamtgeschehen zu begründen, also für den Sachverhalt, der die Subsumtionsgrundlage für die Tatbestandsverwirklichung bildet.921 Der äußere Vorgang muss einer bestimmten Person, dem Zurechnungssubjekt, zugeschrieben werden können. Dieses ist für die Gesamttat immer dann täterschaftlich verantwortlich, wenn es das faktische Geschehen tatherrschaftlich steuert. Es bedarf demnach bei der mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichen Tat einer Zurechnung in zwei Richtungen: Zum einen muss der Erfolg diesem Außenweltgeschehen als Summe unterschiedlicher Körperbewegungen zugerechnet werden und zum anderen bedarf es einer Zuschreibung des äußeren Vorgangs zu einer bestimmten Person. Die Besonderheiten der Beteiligung mehrerer an der Tat wirken sich dabei allein bei der Zuschreibung des Verhaltens zum jeweiligen Tatbeteiligten, nicht dagegen bei der Erfolgszurechnung aus. Denn Sinn dieser Gesamtbetrachtung ist es ja gerade, das Verhalten mehrerer Personen zu einer Einheit zusammenzufassen und dadurch denselben Regeln unterwerfen zu können wie das Verhalten einer einzelnen Person. Sind aber die Zurechnung des Erfolges zur Gesamttat und die Zurechnung der Gesamt918 Kap. 1
A. I. 3. b) cc) (7). und Kap. 1 A. II. 2. b. ff) (2). auch Weißer, S. 491 ff. Auch NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 14 spricht von der Zurechnung einer fremden äußeren Tätigkeit, einer Körperbewegung. Ebenso suggeriert auch der überwiegend verwendete Begriff der Tätigkeitsanrechnung, dass es allein um die Zurechnung der fremden Tätigkeiten i. S. v. Körperbewegungen, nicht aber um Erfolgszurechnung geht, vgl. dazu bspw. Küper, Versuchsbeginn, S. 60 f. 920 So auch NK-StGB-Schild, § 25 Rn. 14; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 40. 921 Ebenso für die Mittäterschaft auch Frister, AT, § 25 Rn. 17 f. 919 So
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
tat zum Zurechnungssubjekt voneinander unabhängig, leuchtet nicht ein, warum der Eintritt des Erfolges Einfluss auf die Ausgestaltung des subjektbezogenen Zurechnungsmechanismus haben soll. Geht es demnach bei der Zurechnung der Gesamttat allein um die Verantwortungszuschreibung für einen tatsächlichen Außenweltvorgang, spielt die rechtliche Bewertung dieses Geschehens für den Zurechnungsmechanismus keine Rolle. Zugerechnet werden soll schließlich nicht bereits der strafrechtliche Vorwurf an sich; dieser wird für jedes Zurechnungssubjekt individuell im Hinblick auf seinen Vorsatz, seine Absichten etc. gefällt. Die Zurechnung dient vielmehr dazu, die Verbindung zwischen der Täterperson und dem tatsächlichen Geschehen herzustellen, sei es – wie im Falle der Alleintäterschaft – schlicht dadurch, dass er dieses Geschehen eigenhändig vollzogen hat, sei es – wie im Falle der mittelbaren Täterschaft oder Mittäterschaft – dadurch, dass er es auf andere Weise gesteuert hat. Die Verantwortungszuschreibung für ein nicht eigenhändig vollzogenes Außenweltgeschehen ist aber stets in gleicher Weise legitimationsbedürftig, gleich wie dieses Geschehen strafrechtlich zu würdigen ist. Besonders augenfällig wird dies, wenn die Vollendungsstrafbarkeit am fehlenden Erfolgseintritt scheitert, aber bereits tatbestandsmäßige Handlungen vollzogen wurden. Haben beispielsweise A und B beschlossen, den O gemeinschaftlich zu töten, indem sie abwechselnd auf diesen einschlagen und eintreten und ist es bereits zu Tritten und Schlägen, nicht aber zum Todeseintritt gekommen, als die Polizei eingreift, ist nicht einsichtig, warum die Zurechnungsvoraussetzungen für dieses tatbestandsmäßige Geschehen davon abhängen sollen, ob die Polizei fünf Minuten früher oder später eingetroffen ist und O daher schon verstorben ist. Das Außenweltgeschehen, das zugerechnet werden soll, besteht in beiden Fällen aus den Schlägen und Tritten. Warum also sollte der Täter dann, wenn sich dieses Geschehen rechtlich nur als Versuch einer Tötung würdigen lässt, weil es zum Erfolgseintritt nicht gekommen ist, leichter hierfür zur Verantwortung zu ziehen sein als wenn auch eine Zurechnung des Erfolges zu diesem Geschehen konstruierbar ist? Die Hürde, die es mithilfe des Zurechnungsmechanismus zu überwinden gilt, ist schließlich in beiden Fällen dieselbe: Es bedarf einer Rechtfertigung dafür, dem Einzelnen die Verantwortung für ein nicht selbst vollzogenes Verhalten aufzuerlegen. Die Tatherrschaftsvoraussetzungen als Zurechnungsgrundlage dienen dazu, genau diese Verbindung des Einzelnen zu dem Außenweltvorgang herzustellen und zu begründen, warum das tatsächliche Geschehen auch bei fremdhändigem Vollzug ein Werk des Täters ist. Sie modifizieren dagegen nicht die Kriterien der Erfolgszurechnung, denn diese erfolgt auch bei der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung nach den allgemeinen Regeln, mit dem einzigen Unterschied, dass Subsumtionsstoff eben kein individuelles Verhalten, sondern die Gesamttat ist.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 245
Demnach steht nicht nur der Vergleich mit dem Versuch des Alleintäters, sondern auch mit dem vollendeten Delikt einer Modifikation der Tätervoraussetzungen durch die Versuchsregel entgegen. Der Mangel des Versuchs gegenüber dem vollendeten Delikt besteht darin, dass es hier an einem Erfolgsunwert fehlt. Weil aber die Zurechnung der Gesamttat von der Erfolgszurechnung zu trennen ist und sich beide nicht gegenseitig beeinflussen, hat diese Eigenheit des Versuchs keinen Einfluss auf den Zurechnungsmechanismus. Deshalb ist die Funktion, welche die Zurechnungsgrundlage erfüllt, beim versuchten und beim vollendeten Delikt die gleiche und unabhängig von der rechtlichen Bewertung des Außenweltgeschehens. Weil allein der äußere Vorgang, nicht aber das Unrecht der Zurechnung unterliegt, können für ein und dasselbe Geschehen die Anforderungen an die Zurechnung nicht unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob es Teil eines Versuchs- oder eines Vollendungsgeschehens ist. 3. Übertragbarkeit der Tatherrschaftsvoraussetzungen auf den Versuch Der Vergleich mit der Handlungsherrschaft des Alleintäters sowie ihre identische Funktion beim versuchten und vollendeten Delikt sprechen dafür, die Zurechnungsgrundlage auch bei der versuchten Tat objektiv und identisch wie bei der Vollendung zu bestimmen. Dennoch wäre eine Modifikation der Zurechnungsvoraussetzungen zwingend, ließe sich die Tatherrschaft beim unvollständigen Versuchsgeschehen nicht in derselben Weise bestimmen wie beim vollendeten Delikt.922 Grundsätzlich ist die Tatherrschaft tatbestandsbezogen zu ermitteln, d. h. Herrschaft muss hinsichtlich des gesamten tatbestandsmäßigen Geschehens bestehen.923 Während dieses bei der vollendeten Tat objektiv verwirklicht ist und somit als Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der Tatherrschaft fungieren kann, zeichnet sich der Versuch gerade dadurch aus, dass es an einer vollständigen objektiven Realisierung fehlt.924 Der Tatentschluss ist hier nur in Teilen umgesetzt worden. Existiert aber das tatbestandsmäßige Geschehen beim Versuch größtenteils in der Vorstellung des Täters, stellt sich die Frage, ob sich die verschiedenen Komponenten der Tatherrschaft überhaupt in Bezug auf das Versuchsgeschehen ermitteln lassen oder ob daraus folgt, dass sich die Tatherrschaft beim Versuch allein anhand der Tätervorstellung und damit subjektiv beurteilen lässt.925 922 Vgl.
zu dieser Frage für die Mittäterschaft auch bereits Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). dazu Krey/Esser, AT, Rn. 791; Kühl, AT, § 20 Rn. 5; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 441 ff.; Rudolphi, in: FS Bockelmann (1979), S. 369 ff. 924 Statt vieler Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 40 Rn. 34 ff. 925 So für die Mittäterschaft noch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 452 ff. 923 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Die Tatherrschaft des mittelbaren Täters ergibt sich aus der Instrumentalisierung des Tatmittlers und der hieraus resultierenden Steuerung der Gesamttat.926 Die Willensherrschaft besteht somit nur aus einer Herrschaftskomponente, die sich auf einen einmaligen Begründungsakt stützt: der Instrumentalisierung des Vordermannes. Das der mittelbaren Täterschaft immanente Prinzip der Delegation – nach § 25 I Var. 2 StGB wird immerhin die gesamte Tat fremdhändig, nämlich durch einen anderen, begangen – erfordert dabei, dass dieser Begründungsakt zeitlich vor der tatbestandlichen Ausführung liegt. Denn soll die Tat durch ein menschliches Werkzeug begangen werden, muss dieses zunächst einmal im Sinne des Täterplanes instruiert werden, damit die eigentliche Tatbegehung fremdgesteuert erscheint. Nur diejenigen Handlungen, die unter dem Einfluss der Nötigung, des Irrtums oder der Eingliederung in den rechtsgelösten Machtapparat begangen werden, steuert der Hintermann. Der Herrschaftsgrund ist für alle Geschehensteile der gleiche: die Steuerungsmacht folgt stets daraus, dass diese Handlung Folge der im Vorfeld erfolgten Instrumentalisierung des Ausführenden ist. Bei Voranschreiten des tatbestandsmäßigen Geschehens ändern sich also Form oder Umfang der Willensherrschaft nicht, sondern allein die Dauer, für die diese Herrschaft fortbesteht und damit die Anzahl der Handlungen, die vom Tatmittler unter dem Eindruck des Begründungsaktes begangen werden. Wegen dieser Struktur lässt sich die Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft grundsätzlich unabhängig vom Verwirklichungsstadium der Tat stets in derselben Weise ermitteln. Weil die Instrumentalisierung der Tatausführung ohnehin vorgelagert ist, lässt sich auch bei der versuchten Tat fordern, dass es dem Hintermann gelungen ist, den Vordermann zu seinem Werkzeug zu machen. Die vom Tatmittler vollzogene Ansatzhandlung muss Ausfluss genau dieser Stellung sein. Würde aber allein darauf abgestellt, ob die bislang ausgeführten Handlungen vom Hintermann beherrscht wurden, würde der Tatbestandsbezug der Tatherrschaft für den Versuch aufgegeben. Deshalb muss neben der Frage, ob die bereits umgesetzten Geschehensteile vom mittelbaren Täter tatherrschaftlich gesteuert wurden, auch entscheidend sein, ob er unter Zugrundelegung seiner Vorstellung vom weiteren Verlauf der Gesamttat eine Steuerungsmacht bezüglich des gesamten tatbestandsmäßigen Geschehens besäße. Dieses Erfordernis ergibt sich jedoch bereits aus den allgemeinen Anforderungen an den Tatentschluss, der sich stets darauf beziehen muss, den Tatbestand täterschaftlich zu verwirklichen und bedeutet keine Subjektivierung der Tatherrschaftsvoraussetzungen. Auch wenn Beurteilungsgrundlage beim Versuch nicht allein das objektive Geschehen sein kann, sondern auch die Vorstellung des Täters vom weiteren Verlauf der Tat Bezugspunkt 926 Zur Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft ausführlich in Kap. 1 A. II. 2. c) cc) (3) (a).
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 247
sein muss, bleiben die Kriterien, nach denen die Willensherrschaft zu beurteilen ist, objektive. Ergo ist eine objektive Bestimmung der Tatherrschaft für das Versuchsgeschehen in gleicher Weise möglich wie bei der vollendeten Tat, sodass sich aus der Tatherrschaftslehre jedenfalls für die mittelbare Täterschaft nicht die Notwendigkeit einer Modifizierung der Zurechnungsgrundlage beim Versuch ergibt. Gleiches müsste auch für die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters gelten. Während die unmittelbare Täterschaft vollständig auf eigenhändiger und die mittelbare Täterschaft ausnahmslos auf fremdhändiger Tatbestandsverwirklichung fußt, ist für die Mittäterschaft gerade die Kombination aus eigenhändiger und fremdhändiger Tatausführung kennzeichnend. Aus dieser Struktur ergibt sich dann zwangsläufig, dass auch der Herrschaftsgrund hier kein einheitlicher sein kann. Weil die Gesamttat, auf die sich die Tatherrschaft bei der gemeinschaftlichen Tatbegehung bezieht, aus verschiedenen Einzelhandlungen besteht, die teilweise vom Mittäter selbst, teilweise aber auch von seinen Komplizen vollzogen wurden, muss sich auch die Steuerungsmacht aus unterschiedlichen Herrschaftskomponenten ergeben. Einen hinreichenden Einfluss auf das tatbestandsmäßige Geschehen im Ganzen kann der Mittäter nur haben, wenn er sowohl den Ablauf der Gesamttat insgesamt als auch jeden Teilakt zumindest mitsteuert. Daher kann die funktionelle Tatherrschaft nicht nur auf die Handlungs- und Gestaltungsherrschaft über den selbst vollzogenen Teilakt gestützt werden, sondern der Mittäter muss durch die im Tatplan erfolgende Zuweisung einer tatprägenden Rolle auch die Möglichkeit besitzen, die Tat durch die Nichtleistung seines Beitrags zu gefährden und seine Mittäter durch die eigene Zusage psychisch an das Gesamtvorhaben binden.927 Diese Mehrstufigkeit der Tatherrschaft sowie das Prinzip der Arbeitsteilung stehen einer allein auf das Versuchsgeschehen gerichteten Bestimmung der Steuerungsmacht des Mittäters entgegen.928 Müsste nämlich der Mittäter das Versuchsgeschehen im selben Umfang beherrschen wie das vollendete Ausführungsgeschehen, würden die Tatbestandsbezogenheit der Tatherrschaft preisgegeben und die Eigenheiten der gemeinschaftlichen Begehung vernachlässigt. Weil beim Versuch die Gesamttat typischerweise noch nicht vollständig umgesetzt wurde, müsste der Bezugspunkt der Gesamttat aufgegeben werden, wollte man die funktionelle Tatherrschaft beim Versuch allein bezüglich des objektiven Außenweltgeschehens bestimmen. Dadurch würden nicht nur für das versuchte Delikt andere, strengere Anforderungen an die Tatherrschaft gestellt als beim vollendeten Delikt und dadurch widersprüch927 Ausführlich
(4).
928 Vgl.
zur Tatherrschaft bei der Mittäterschaft oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc)
bereits oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
liche Ergebnisse erzielt,929 sondern es würde auch außer Acht gelassen, dass für die Mittäterschaft oftmals gerade die zeitlich gestreckte Beteiligung der Mittäter am Geschehen charakteristisch ist. Nicht der Zeitpunkt, zu welchem der eigene Tatbeitrag erbracht wird, sondern nur die Frage, ob dieser wesentlich für die Gesamttat ist, entscheidet darüber, ob der Täter für das Gesamtgeschehen täterschaftliche Verantwortung trägt. Müssten aber alle Herrschaftskomponenten bereits bezüglich des Versuchsgeschehens, also eines begrenzten Ausschnitts der Gesamttat, vorliegen, wäre es genau dieser Zeitpunkt, der darüber entschiede, ob das Zurechnungssubjekt auch Mittäter der versuchten Tat ist. Dadurch würde derjenige Mittäter unberechtigterweise begünstigt, dessen Tatbeitrag nach dem gemeinsamen Tatplan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen ist.930 Will man also den Vorzug der Gesamtlösung, dem Prinzip der Arbeitsteilung gerecht werden zu können und zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen,931 nicht wieder preisgeben, lässt sich die funktionelle Tatherrschaft des Mittäters für den Versuch in der Tat ohne Berücksichtigung auch der Vorstellung der Beteiligten vom weiteren Verlauf der Tat nicht ermitteln.932 Allein aus der Notwendigkeit, bei der Bestimmung der funktionellen Tat herrschaft des Versuchstäters dessen Vorstellung zumindest mit zu berücksichtigen, folgt jedoch nicht, dass die Tatherrschaft beim Versuch insgesamt ausschließlich subjektiv ermittelt werden muss. Ebenso wie für die übrigen Tatbestandsmerkmale gilt auch für die Tatherrschaft, dass sie sich stets nur für das tatbestandsmäßige Geschehen im Ganzen ermitteln lässt. Daher kommt es – wie bereits gezeigt933 – darauf an, ob dieses Geschehen bereits abgeschlossen ist und nur noch der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges fehlt oder ob auch noch Ausführungshandlungen ausstehen. Im ersten Fall, beim sog. beendeten Versuch, lässt sich die Tatherrschaft ebenso wie beim auch Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 203 ff. S. 92; Gorka, S. 42; Küper, Versuchsbeginn, S. 68; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 173; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 51; Roxin, JuS 1979, S. 1, 13; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 453; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 52; Steinke, KR 1979, S. 125, 126; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 108. Kritisch Bauer, S. 193 f.; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 99; Roxin, in: FS Odersky (1996), S. 489, 494 f., der anmerkt, dass bei der Berücksichtigung fiktiver anderer Rollenverteilungen hypothetische Kausalverläufe zur Grundlage der Zurechnung gemacht würden; SKStGB-Jäger, § 22 Rn. 35 und Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839, 866. 931 Ausführlich dazu m. w. N. in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (6). 932 Ausführlich zur Notwendigkeit, bei der Bestimmung der Tatherrschaft die Vorstellung des Täters zu berücksichtigen, in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). So wie hier auch Buser, S. 62 ff.; Erb, NStZ 1995, S. 424, 426; Fad, S. 84 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 454; Weißer, S. 528 f. Kritisch hierzu Gorka, S. 88 ff. 933 Vgl. oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 929 Dazu 930 Fad,
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vollendeten Delikt mit Blick auf das tatsächliche Geschehen bestimmen. Sind nach der Vorstellung der Mittäter bereits alle tatbestandsmäßigen Handlungen vollzogen, ist die Gesamttat also schon vollständig umgesetzt, muss auch der Mittäter bereits seinen Tatbeitrag erbracht haben und es bedarf keines Rückgriffs mehr auf den gemeinsamen Tatplan, um ermitteln zu können, ob der Einzelne die Tat steuernd in der Hand hielt, denn diese ist schließlich bereits als Außenweltgeschehen realisiert worden. Stehen dagegen noch Ausführungshandlungen aus, handelt es sich also um einen unbeendeten Versuch, muss man sich zu dem bisher verwirklichten Versuchsgeschehen das noch im Tatplan vorgesehene Geschehen hinzudenken, weil nur beides zusammen die Gesamttat als Bezugspunkt der Tatherrschaft ergibt.934 Auch in diesem Fall wird die Tatherrschaft also nicht subjektiv bestimmt, denn es kommt schließlich nicht darauf an, ob der Täter sich vorgestellt hat, die Tatherrschaft auszuüben, sondern die Vorstellung der Beteiligten wird nur insoweit berücksichtigt, wie sie erforderlich ist, um das Gesamtgeschehen zu ermitteln. Für dieses fiktive, weil aus dem tatsächlichen Versuchsgeschehen und der darüber hinausgehenden im Tatplan festgehaltenen Vorstellung der Mittäter zusammengesetzten Geschehen wird dann nach den gleichen Maßstäben wie bei der Vollendung geprüft, ob dem Einzelnen eine tatbeherrschende Stellung zukommt.935 Hinzu kommt, dass nach dieser Methode nicht die Vorstellung des Einzelnen, sondern der gemeinsame Tatplan als übereinstimmende Vorstellung aller Beteiligten berücksichtigt werden soll, der ebenfalls nicht rein innerpsychisch ist.936 Demnach lässt sich auch aus den Eigenheiten der mittäterschaftlichen Tat nicht schlussfolgern, dass es für den Versuch einer gemeinschaftlichen Begehung einer Modifikation der Zurechnungsgrundlage bedarf. Zwar lässt sich die Tatherrschaftslehre nur dann sachgerecht auf den Versuch anwenden, wenn als Subsumtionsgrundlage bei Unvollständigkeit des tatbestandlichen Geschehens neben dem bereits realisierten Außenweltvorgang auch das im Tatplan vorgesehene weitere Geschehen berücksichtigt wird. Eine Notwendigkeit, die funktionelle Tatherrschaft beim Versuch vollständig subjektiv, anhand der Vorstellung des Einzelnen zu bestimmen, besteht jedoch nicht. Eine solche vollständige Subjektivierung wäre für den Versuch auch mit der Rückkehr zu einer subjektiven Abgrenzungstheorie verbunden. Denn Grundlage für die Feststellung der Täterstellung wäre allein der Täterwille, ohne dass dieser mit einer objektiven, in der Außenwelt vorfindbaren Steuerungsmacht einherginge. Eine solche, allein nach innerpsychischen Kriterien 934 Im Ergebnis ebenso Buser, S. 62 ff.; Erb, NStZ 1995, S. 424, 426; Fad, S. 84 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 454; Weißer, S. 528 f. 935 So auch Weißer, S. 529. 936 Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (dd).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
erfolgende Ermittlung der Täterschaft ist aber gerade den subjektiven Theorien eigen.937 Wenn jedoch eine Übertragung der materiell-objektiven Kriterien auch auf die Bestimmung der Täterschaft beim Versuch denkbar ist, ist nicht ersichtlich, warum diese Kriterien hier preisgegeben werden sollten. Nur wenn aus der Tatherrschaftslehre die Unumgänglichkeit einer rein subjektiven Bestimmung der Tatherrschaft beim Versuch abzuleiten gewesen wäre, hätte diese die Modifikation der Zurechnungsgrundlage tragen können. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage beim Versuch nicht angepasst werden müssen, dass sich vielmehr die Tatherrschaft hier prinzipiell nach denselben Kriterien bestimmen lässt wie beim vollendeten Delikt, es allenfalls einer Ergänzung des bereits realisierten Versuchsgeschehens um die im Tatplan noch vorgesehenen Handlungen und damit einer Modifikation des Subsumtionsstoffes bedarf. Im Gegenteil wäre es mit der Tatherrschaftslehre nicht zu vereinbaren, beim Versuch allein darauf abzustellen, ob sich der Täter Umstände vorstellt, die seine Tatherrschaft begründen. Eine solche Modifikation für den Versuch wäre jedoch vonnöten, soll auch derjenige, der sich seine Steuerungsmacht nur einbildet, als Versuchstäter bestraft werden. 4. Zwischenergebnis Mit der Tatherrschaftslehre wäre es nicht zu vereinbaren, die Zurechnung der Ansatzhandlung allein mit der Vorstellung des Täters, er habe eine tatbeherrschende Stellung inne, zu legitimieren. Für den Alleintäter, den der Gesetzgeber mit der Regelung des § 22 StGB im Blick hatte, ließe sich eine derartige Bestimmung der Tatherrschaft wegen der eindeutigen gesetzlichen Regelungen von vornherein nicht begründen.938 Eine Modifikation der Tat herrschaftsvoraussetzungen durch die Versuchsgrundsätze bei der mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Tat wäre deshalb nur um den Preis einer Aufgabe der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Täterformen möglich. Der Gedanke einer solchen Gleichwertigkeit ist aber nicht nur der Tat herrschaftslehre immanent, sondern auch verfassungsrechtlich durch Art. 3 GG abgesichert.939 Auch rechtfertigende Gründe, die die Gleichbehandlung der wesentlich geringeren eingebildeten Steuerungsmacht des mittelbaren Täters bzw. Mittäters mit der in jedem Fall objektiv zu fordernden Handlungsherrschaft des unmittelbaren Täters rechtfertigen könnten, existieren nicht. Ohne eine Gesetzesänderung – entweder einer Modifikation der für den Alleintäter geltenden Regeln oder einer Herabsetzung des Strafmaßes für 937 Roxin,
Täterschaft und Tatherrschaft, S. 51. Kap. 1 B. VIII. 1. 939 Vgl. Kap. 1 B. VIII. 1. 938 Siehe
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den Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Begehung im Falle bloß eingebildeter Tatherrschaft – ließe sich daher eine Subjektivierung der Tatherrschaft beim Versuch nicht konstruieren. Auch diese Option ist jedoch nicht erstrebenswert, weil die Funktion, die die Zurechnungsgrundlage erfüllt, beim versuchten und beim vollendeten Delikt die gleiche und unabhängig von der rechtlichen Bewertung des Außenweltgeschehens ist.940 Weil allein der äußere Vorgang, nicht aber das Unrecht der Zurechnung unterliegt, können für ein und dasselbe Geschehen die Anforderungen an die Zurechnung nicht unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob es Teil eines Versuchsoder eines Vollendungsgeschehens ist. Zudem lässt sich die Tatherrschaft auch beim Versuch grundsätzlich nach denselben Kriterien bestimmen wie beim vollendeten Delikt, sodass auch keine Notwendigkeit besteht, die Bestimmung der Tatherrschaft von dem Verwirklichungsstadium abhängig zu machen.941
IX. Berücksichtigung der Eigenheiten des untauglichen Versuchs Es bleibt allein die Frage, ob die bisherige Untersuchung die Eigenheiten des untauglichen Versuchs zu sehr vernachlässigt hat. So wird teilweise vertreten, es ergebe sich bereits aus den Grundsätzen des untauglichen Versuchs, dass es gleichgültig sei, ob dem nicht selbst handelnden Täter objektiv eine Ansatzhandlung zugerechnet werden könne.942 Dahinter steht die Vorstellung, einen objektiven Versuchstatbestand im Sinne eines wirklichen Ansetzens zur Tat gebe es nur beim tauglichen Versuch, beim untauglichen Versuch sei dagegen stets nur ein vorgestelltes Ansetzen erforderlich.943 Beim untauglichen Versuch sei bereits die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit Grund der Strafbarkeit.944 Die Analyse hat gezeigt, dass es bei der vermeintlichen Täterschaft an der Verbindung zwischen objektivem Versuchsgeschehen und Täterperson fehlt, mit der Folge, dass ihr dieses nicht zugerechnet werden kann. Deshalb scheitert die Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters in der Regel945 an der fehlenden Verwirklichung des objektiven Versuchstatbestandes, denn er hat weder eigenhändig die Versuchshandlungen vollzogen, noch kann ihm dieses 940 Ausführlich
zu dieser Frage in Kap. 1 B. VIII. 2. dazu Kap. 1 B.VIII.3. 942 Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. 943 Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 988. 944 Roßmüller/Rohrer, MDR 1996, S. 986, 990. 945 Ausführlich zu den praktischen Auswirkungen der gewonnenen Erkenntnisse sogleich in Kap. 1 B. XI. und Kap. 1 B. XII. 941 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Außenweltgeschehen aus einem anderen Grund zugeschrieben werden. Soll dieser Mangel mithilfe der Grundsätze des untauglichen Versuchs überwunden werden, müsste es bei diesem für die Unrechtsbegründung auf ein objektives unmittelbares Ansetzen gar nicht ankommen. Diese Grundannahme lässt sich jedoch mit der gesetzlichen Systematik nicht vereinbaren: Auch der untaugliche Versuch wird durch § 22 StGB geregelt, der bereits Gegenstand der Untersuchung war946 und für alle Fälle des Versuchs eine Handlung fordert, mit der zur Verwirklichung des deliktischen Tatbestandes unmittelbar angesetzt wird und in der sich der Tatentschluss manifestiert. Dass der Gesetzgeber für den untauglichen Versuch eine abweichende Regelung treffen wollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat er nur für den qualifiziert untauglichen Versuch, nämlich den grob unverständigen Versuch, eine besondere Vorschrift zur Strafzumessung erlassen. Dies impliziert das Prinzip, dass taugliche und untaugliche Versuche grundsätzlich gleichgestellt sind.947 Auch in der Begründung zum Entwurf von 1962, der nur sprachlich von der geltenden Gesetzesfassung abweicht, wird hervorgehoben, dass man den untauglichen Versuch bereits durch die allgemeine Versuchsregel erfasst sah.948 Dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift lässt sich jedoch gerade entnehmen, dass ein vollständiger Verzicht auf einen objektiven Versuchstatbestand vom Gesetzgeber – somit auch für den untauglichen Versuch – nicht intendiert war.949 Mit den zum Strafgrund des Versuchs gewonnenen Erkenntnissen ließe sich ein solches Verständnis des untauglichen Versuchs ebenfalls nicht vereinbaren.950 Auch die subjektive Versuchstheorie leitet die Strafbarkeit des Versuchs nicht allein aus dem verbrecherischen Willen als solchem, sondern der Betätigung dieser Intention in einer Ansatzhandlung her. Die Eindruckstheorie und die neueren objektiven Theorie wollen an diese Betätigung sogar noch weitergehende Voraussetzungen knüpfen. Gemein ist aber allen Lehren, dass sie auf eine äußere Manifestation des Tatentschlusses nicht verzichten wollen.951 Nur dadurch, dass er seinen Entschluss umsetzt, zeigt der Täter auch, dass er innere und äußere Hemmschwellen überwunden und nun zur Tatbestandsverwirklichung bereit und imstande ist,952 sodass eine Bestrafung aus präventiven Gründen notwendig wird. Ein Verzicht auf jegliches Ansatzerfordernis ließe sich also nur begründen, wenn sich das Unrecht beim 946 Vgl.
Kap. 1 B. IV. ZStW 113 (2001), S. 76, 78. 948 BT-Drucks. IV/650, S. 143. 949 Vgl. dazu bereits Kap. 1 B. IV. 950 Ausführlich dazu bereits in Kap. 1 B. VII. 951 Vgl. dazu mit umfangreichen Nachweisen Kap. 1 B. VII. 1. 952 Kratzsch, JA 1983, S. 578, 581. 947 Bloy,
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 253
untauglichen Versuch nicht wie in den anderen Fällen des Versuchs aus dem der Betätigung innewohnenden Handlungsunwert, sondern ausschließlich aus einem Intentionsunwert, dem Entschluss, eine der eigenen Vorstellung nach rechtsgutsgefährdende Handlung vorzunehmen, ergäbe. Damit würden aber die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Tatstrafrechts aufgegeben und stattdessen ein Gesinnungsstrafrecht eingeführt.953 Deshalb kann auch beim untauglichen Versuch auf eine Objektivierung des Tatentschlusses in Form des unmittelbaren Ansetzens nicht verzichtet werden.954 Gerade hinsichtlich dieses Erfordernisses unterscheidet sich die vermeintliche Täterschaft von den übrigen, gesetzlich geregelten Fällen des untauglichen Versuchs. Letztere zeichnet aus, dass das Verhalten des Täters unter den gegebenen Umständen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Vollendung führen kann, der Täter sich das aber vorstellt.955 Charakteristisch ist demnach die objektiv von vornherein fehlende Möglichkeit, mit der vorgenommenen Ansatzhandlung den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen, nicht aber der Mangel jeglichen Außenweltvorgangs. Auch wenn der Täter ein untaugliches Tatmittel, also beispielsweise ein Luftgewehr zum Abschuss eines Flugzeugs, verwendet, nimmt er eine Ansatzhandlung vor, die jedenfalls nach seiner Vorstellung unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden soll. Ebenso, wenn sich die Tat gegen ein untaugliches Tatobjekt richtet, weil der Täter mit Tötungsvorsatz auf einen bereits Verstorbenen zielt. Bei der vermeintlichen Mittäterschaft fehlt es dagegen bereits an einer solchen Betätigungshandlung. Hierüber kann jedoch anders als über die Frage, ob die Handlung geeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, die Vorstellung des Täters nicht hinweghelfen.956 Aus diesem Grund können die Grundsätze des untauglichen Versuchs die Strafbarkeit der vermeintlichen Täterschaft allein nicht begründen957 und damit das gefundene Ergebnis nicht in Zweifel ziehen.
auch Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 91. Ahrens, JA 1996, S. 664, 669; Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 129; Bloy, ZStW 113 (2001), S. 76, 91; Buser, S. 129; Erb, NStZ 1995, S. 424, 428; Graul, JR 1995, S. 425, 430; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 706; Kühl, AT, § 15 Rn. 90; LKStGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 187; Roxin, AT II, § 29 Rn. 18; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 329; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23. 955 LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 179. 956 Vgl. dazu auch bereits Kap. 1 B. IV. sowie Kap. 1 B. VI. 1. 957 Ebenso auch Ahrens, JA 1996, S. 664, 669; Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 129; Buser, S. 129; Erb, NStZ 1995, S. 424, 428; Graul, JR 1995, S. 425, 430; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 706; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 329; Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23. 953 Dazu
954 Ebenso
254
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
X. Ergebnis der dogmatischen Herleitung Die Analyse der Tätervoraussetzungen des § 25 StGB hat gezeigt, dass diese in ihrer Struktur den übrigen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gleichen: Auch die Tatherrschaft erfordert in objektiver Hinsicht den Bestand einer Steuerungsmacht über das tatbestandsmäßige Geschehen und in subjektiver Hinsicht einen hierauf gerichteten Vorsatz.958 Die These, die Tatherrschaftsvoraussetzungen seien zu einer untrennbaren objektiv-subjektiven Sinneinheit verbunden, konnte jedenfalls in struktureller Hinsicht widerlegt werden.959 Damit besteht zumindest die prinzipielle Möglichkeit, die Versuchsregeln auf die Tatherrschaftsmerkmale anzuwenden. Als entscheidend für die Auslegung der Tätervoraussetzungen des § 25 II StGB bei der versuchten Tat konnten der Strafgrund des Versuchs und die Tatherrschaftslehre, im Besonderen ihre Funktion als Zurechnungsgrundlage ausgemacht werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich auch das Unrecht der gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung aus der Manifestation des deliktischen Entschlusses in einer Ausführungshandlung ergibt, mit welcher der Täter zeigt, dass er innere und äußere Hemmnisse überwunden, nun zur Tatbegehung bereit und imstande ist und somit seine Feindschaft gegen das Gesetz demonstriert.960 Wegen der Prinzipien der Arbeitsteilung bzw. -delegation kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob sich der Tatentschluss in einer eigenen Handlung objektiviert hat, sondern dies kann ebenso in einem fremdhändig vollzogenen Geschehen erfolgen, solange dies vom Täter in gleicher Weise beherrscht wird. Ein objektiver Betrachter muss das objektive Geschehen gerade auch mit dem deliktischen Entschluss des mittelbaren Täters bzw. Mittäters in Zusammenhang bringen und deshalb in diesem gerade eine Auflehnung des Zurechnungssubjekts gegen die Rechtsordnung und einen Beleg für dessen Gefährlichkeit sehen. Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, muss dabei grundsätzlich parallel zu den Anforderungen an die Steuerungsmacht des Alleintäters beim Versuch beurteilt werden. Dies folgt bereits aus der Tatherrschaftslehre selbst und ist verfassungsrechtlich durch Art. 3 GG abgesichert.961 Dass sich für den Alleintäter eine Versuchsstrafbarkeit im Falle nur eingebildeter Handlungsherrschaft mit den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbaren lässt, steht daher auch einer Subjektivierung der Tatherrschaftsvoraussetzungen beim Versuch der mittelbaren bzw. gemeinschaftlichen Tatbegehung entgegen. Insbesondere zeichnet sich die Konstellation der vermeintlichen Täterschaft gerade dadurch aus, 958 Vgl.
Kap. 1 B. III. 2. a). Kap. 1 B. III. 2. b). 960 Dazu in Kap. 1 B. VII. 2. 961 Ausführlich dazu m. w. N. Kap. 1 B. VIII. 1. 959 Siehe
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 255
dass es objektiv an einer gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung fehlt, sodass die dieser Begehungsweise möglicherweise innewohnenden unrechtssteigernden Besonderheiten nicht zur Rechtfertigung der Gleichbehandlung der wesentlich ungleichen Steuerungsmacht herangezogen werden können. Dieses Ergebnis konnte auch durch den Vergleich der Funktion der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage beim versuchten und beim vollendeten Delikt untermauert werden. Auf den Zurechnungsmechanismus und somit auch die Anforderungen an die Zurechnungsgrundlage haben weder die rechtliche Bewertung des Zurechnungsgegenstandes noch der Erfolgseintritt Auswirkungen. Die Zurechnungsgrundlage muss daher beim versuchten Delikt grundsätzlich in derselben Weise bestimmt werden wie bei der vollendeten Tat. Es kommt in beiden Fällen darauf an, ob der Täter die Gesamttat als Außenweltgeschehen tatsächlich beherrscht hat. Auf diejenigen Umstände, die diese Steuerungsmacht in objektiver Hinsicht begründen, muss sich dann spiegelbildlich auch der Vorsatz des Täters beziehen. Die Verwirklichungsstufe hat somit keinen Einfluss auf die Zurechnungsgrundlage, berücksichtigt werden muss sie allerdings bei der Bestimmung des Subsumtionsstoffes. Ist im Falle des unbeendeten Versuchs das tatbestandsmäßige Geschehen noch nicht vollständig umgesetzt worden, sondern zum Teil allein in der Vorstellung der Beteiligten vorhanden, kann die Beurteilung der tatbeherrschenden Stellung des Täters nicht allein in Bezug auf den bereits umgesetzten Teil des Geschehens erfolgen. Stattdessen muss man sich zu dem bisher verwirklichten Versuchsgeschehen das noch im Tatplan vorgesehene Geschehen hinzudenken, weil nur beides zusammen die Gesamttat als Bezugspunkt der Tatherrschaft ergibt. Bezüglich dieser so fingierten Gesamttat kann dann die Tatherrschaft nach denselben Maßstäben wie bei der Vollendung beurteilt werden. Zurechnungsgrundlage ist also auch beim Versuch nicht die Vorstellung vom Bestand der herrschaftsbegründenden Umstände, sondern allein die tatsächliche Steuerungsmacht über die Gesamttat.
XI. Konsequenzen für die Täterstrafbarkeit bei vermeintlicher Mittäterschaft Mithilfe dieser Erkenntnisse lässt sich nun beantworten, ob auch derjenige, der sich seine mittäterschaftliche Stellung nur einbildet, des versuchten oder sogar vollendeten Delikts in Mittäterschaft schuldig ist. Dabei ist zwischen den unterschiedlichen Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft zu differenzieren.
256
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
1. Strafbarkeit bei ausbleibender Rechtsgutsverletzung a) Gesamttat befindet sich noch im Vorbereitungsstadium Vermeintliche Mittäterschaft ist zunächst in der Form denkbar, dass sich mindestens zwei Beteiligte vermeintlich zur gemeinschaftlichen Tatbegehung zusammenschließen, sie bislang aber allein Vorbereitungshandlungen vorgenommen haben.962 In diesem Fall fehlt es objektiv nicht nur an den Voraussetzungen der Mittäterschaft, sondern auch an einem Außenweltgeschehen, das die Voraussetzungen des § 22 StGB erfüllt und den Beginn der Ausführung markiert. Somit mangelt es bereits an einem Zurechnungsgegenstand. Bereits das Fehlen einer Versuchshandlung schließt in diesem Fall eine Versuchsstrafbarkeit des vermeintlichen Mittäters aus, denn auch bei der mittäterschaftlichen Tat kann nicht die Vorstellung einer Ansatzhandlung, sondern nur ihr objektiver Bestand die Versuchsstrafbarkeit tragen.963 b) Gesamttat befindet sich im Versuchsstadium Die jedenfalls in der Rechtsprechungspraxis am häufigsten anzutreffende Variante der vermeintlichen Mittäterschaft ist diejenige, dass die vermeintlichen Mittäter bereits Versuchshandlungen vorgenommen haben, es aber noch nicht zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolges gekommen ist.964 Ob der sich seine Tatherrschaft einbildende Mittäter für dieses Geschehen täterschaftlich zur Verantwortung gezogen werden kann, hängt vor allem davon ab, von wem die Versuchshandlung ausgeführt wurde. aa) Irrender Mittäter setzt eigenhändig zur Tatbestandsverwirklichung an Hat der sich tatherrschaftsbegründende Umstände vorstellende Täter selbst die Ausführungshandlungen vollzogen und damit alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Versuchs bereits in eigener Person verwirklicht, bedarf es der Voraussetzungen der Mittäterschaft gar nicht, um seine Verantwortung für das objektive Geschehen zu begründen.965 Die Tatsache, dass die übrigen Mitwirkenden nur in seiner Vorstellung bereit waren, an der gemeinschaftlichen Tat mitzuwirken, bedingt allein die Untauglichkeit seines Versuchs. Damit wirkt sich in diesem Fall das Fehlen des gemeinsamen Tatplans nicht 962 Zu
dieser Konstellation mit Bsp. aus der Rspr. bereits Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). dazu Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (2). 964 Vgl. zu dieser Konstellation Kap. 1 A. I. 1. 965 Vgl. dazu bereits oben Kap. 1 A. I. 1. 963 Ausführlich
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 257
auf die Strafbarkeit,966 sondern allenfalls auf die Strafzumessung aus; eine Versuchsstrafbarkeit ist somit trotz der nur eingebildeten Willensübereinkunft begründbar. bb) Ein anderer ebenfalls zur gemeinsamen Tat entschlossener Mittäter setzt zur Tatbestandsverwirklichung an Für die Fälle, in denen mehr als zwei Mittäter zusammenwirken, sich aber nur einer von der gemeinsamen Tat losgesagt hat,967 bleibt die Frage, ob sich eine Versuchsstrafbarkeit begründen lässt, wenn zwar nicht das Zurechnungssubjekt selbst, aber ein anderer, ebenfalls weiter zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossener Mittäter zur Tat ansetzt. In diesem Fall wurde das Außenweltgeschehen, das den Gegenstand der Zurechnung bilden soll, von einer Person vollzogen, die tatsächlich noch mit dem Willen handelt, den gemeinsamen Tatplan zu verwirklichen. Weil trotz des Vorsatzentfalls beim vermeintlichen Mittäter zwischen den übrigen, weiterhin zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossenen Mittätern ein gemeinsamer Tatplan fortbesteht,968 existiert in diesem Verhältnis somit auch weiterhin eine Zurechnungsgrundlage. Die Lossagung eines dritten Mittäters beseitigt die motivierende und bindende Wirkung der Tatverabredung im Verhältnis der übrigen tatbereiten Mittäter nicht. Dann aber beherrschen sie das von ihrem Komplizen vollzogene Geschehen in ausreichendem Maße, um hierauf die Zurechnung der Außenweltvorgänge zu stützen.969 Eine Versuchsstrafbarkeit lässt sich also bei der vermeintlichen Mittäterschaft auch dann begründen, wenn neben dem Zurechnungssubjekt noch mindestens ein weiterer Mittäter ebenfalls zur gemeinsamen Tat entschlossen ist und dieser Mittäter Ausführungshandlungen vorgenommen hat, die den Gegenstand der Zurechnung bilden können. cc) Allein vermeintlicher Mittäter setzt zur Tatbestandsverwirklichung an Besondere Schwierigkeiten bereitet die rechtliche Würdigung derjenigen Fallgestaltungen, in denen allein der vermeintliche Mittäter die Ausführungshandlungen vornimmt, der sich irrtümlich herrschaftsbegründende Umstände 966 Im Ergebnis ebenso Erb, NStZ 1995, S. 424, 425; Graul, JR 1995, S. 427, 428; Joerden, JZ 1995, S. 735, 736; Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 471; Schönke/ Schröder-Bosch/Eser, StGB, § 22 Rn. 55a. 967 Siehe zu dieser Variante der vermeintlichen Mittäterschaft Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b). 968 Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b) (aa). 969 Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b) (cc).
258
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
vorstellende Mittäter dagegen selbst nicht tätig geworden ist. Dann besteht zwar in Form des vom vermeintlichen Mittäter vollzogenen Außenweltgeschehens ein tauglicher Zurechnungsgegenstand.970 Allerdings fehlt es an einem gemeinsamen Tatplan der „Mittäter“, denn der Ausführende hat nur in der Vorstellung des oder der anderen Beteiligten den Willen, gemeinschaftlich mit ihm oder ihnen den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Es konnte gezeigt werden, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob von vornherein keine Willensübereinkunft bestand oder ob zunächst eine Verabredung zwischen den Mittätern erfolgt ist und der vermeintliche Mittäter nur von Beginn an einen inneren Vorbehalt hatte oder sich später von dem gemeinsamen Tatplan losgesagt hat.971 Bereits die Tatsache, dass der vermeintliche Mittäter jedenfalls bei Vollzug des Außenweltgeschehens, das als Zurechnungsgegenstand fungiert, nicht mehr mit dem Willen handelte, die gemeinsame Tat zu vollenden, beseitigt den gemeinsamen Tatplan und damit auch die Zurechnungsgrundlage. Dadurch verlieren die Mitwirkenden ihren Einfluss auf diesen Tatbeitrag, eine innere Bindung und Bestärkung des Ausführenden erfolgt gerade nicht mehr.972 Daher hängt für diese Konstellation die Möglichkeit, den seine eigene Position im Geschehen überschätzenden Beteiligten wegen mittäterschaftlichen Versuchs zu bestrafen, davon ab, ob die Zurechnung auch allein mit der Vorstellung vom Vorliegen der herrschaftsbegründenden Umstände legitimiert werden kann. Einer solchen Subjektivierung steht jedoch nicht nur der Strafgrund des Versuchs, sondern vor allem auch die Tatherrschaftslehre und ihre Funktion als Zurechnungsgrundlage entgegen.973 Es konnte gezeigt werden, dass sich eine Herabsetzung der Anforderungen an die Tatherrschaft beim Versuch auch mithilfe der Versuchsgrundsätze dogmatisch nicht begründen lässt. Deshalb kann die bloß eingebildete Tatherrschaft die Zurechnung des Außenweltgeschehens nicht tragen, sodass sich die täterschaftliche Verantwortung für dieses Geschehen nicht konstruieren lässt.974 Markieren also allein die Handlungen des vermeintlichen Mittä970 Ausführlich
dazu oben Kap. 1 A. I. 3. c) bb) (1) (c). Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a). 972 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa). 973 Vgl. Kap. 1 B. X. 974 Im Ergebnis ebenso Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 29; Graul, JR 1995, S. 425, 429 f.; Gropengießer/Kohler, Jura 2003, S. 277, 282; Hillenkamp, in: FS Roxin (2001), S. 689, 709 f.; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704, 713; Joecks, wistra 1995, S. 57 ff.; Krell, Jura 2012, S. 150, 152; Kudlich, JA 2008, S. 703, 707; Maurach/Gössel/Zipf/ Renzikowski, AT II, § 49 Rn. 103; Renzikowski, JuS 2013, S. 481, 486 f. (allerdings verwendet er eine andere Terminologie); Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 55a; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 148; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 328; Weißer/Kreß, JA 2003, S. 857, 861. In diese Richtung argumentieren auch Beulke, Klausurenkurs II, Rn. 240; Bosch, Jura 2011, S. 909, 915 f.; Frister, AT, § 29 Rn. 14; Jung, JuS 1994, S. 355; Kindhäuser, LPK-StGB, § 22 Rn. 41; ders., AT, § 40 Rn. 18; 971 Vgl.
B. Auswirkungen des Irrtums über tatherrschaftsbegründende Umstände 259
ters den Beginn der Ausführung der Gesamttat, lässt sich eine Strafbarkeit wegen mittäterschaftlichen Versuchs für den die Tat nur in seiner Vorstellung steuernden Mittäter nicht begründen. 2. Strafbarkeit bei eingetretener Rechtsgutsverletzung Ist der tatbestandliche Erfolg eingetreten, erscheint sogar eine Strafbarkeit aus dem vollendeten mittäterschaftlichen Delikt möglich. Auch insoweit kommt es wieder darauf an, ob der seine eigene Position überschätzende Mittäter das tatbestandsmäßige Geschehen vollständig selbst vollzogen hat. Wenn dem so ist, bedarf es der Voraussetzungen des § 25 II StGB gar nicht, um seine Strafbarkeit zu begründen, denn der Täter verwirklicht hier den Tatbestand des jeweiligen Deliktes vollständig selbst. Sind dagegen Teile des deliktischen Geschehens vom vermeintlichen Mittäter ausgeführt worden, hängt die Strafbarkeit der übrigen Mittäter wiederum davon ab, ob diese Teile der Gesamttat zugerechnet werden können. Konnte aber gezeigt werden, dass es selbst für den Versuch mit der Tatherrschaftslehre nicht zu vereinbaren wäre, auf die Vorstellung vom Bestand herrschaftsbegründender Umstände als Zurechnungsgrundlage abzustellen, kann diese Vorstellung die Zurechnung der vollendeten Gesamttat erst recht nicht legitimieren. Beim Versuch besteht in Form des § 22 StGB, der für den Versuch eine Modifikation des Deliktstatbestandes bedingt, jedenfalls ein dogmatischer Anknüpfungspunkt für die Überlegung, auch die Vorstellung des Täters bei der Bestimmung der Zurechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Auf das vollendete Delikt ist dagegen nicht nur die gesetzliche Regelung des § 25 II StGB, sondern auch die Tatherrschaftslehre zugeschnitten, sodass schon keine Veranlassung besteht, das Legitimationsniveau hier herabzusetzen. Zudem stehen die der Versuchsstrafbarkeit entgegengehaltenen Erwägungen einer Strafbarkeit aus dem vollendeten Delikt in gleicher Weise im Weg. Dass der unmittelbare Täter tatsächlich und nicht nur in seiner Vorstellung töten, wegnehmen oder täuschen muss, ergibt sich bereits aus den jeweiligen Deliktstatbeständen. Dann muss Gleiches aber auch für die Mittäter gelten: Auch sie müssen objektiv und nicht nur in ihrer Vorstellung einen steuernden Einfluss auf das tatbestandsmäßige Geschehen besitzen. Ansonsten würde der materiell-objektive Ansatz der Tatherrschaftslehre aufgegeben und zu einer subjekKühl, AT, § 20 Rn. 123 f.; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, § 22 Rn. 9; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 175 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 52; MüKo-StGBHoffmann/Holland, § 22 Rn. 142; Mylonopoulos, GA 2011, S. 463, 471; NK-StGBZaczyk, § 22 Rn. 68; Prüßner, S. 186; Rath, JuS 1999, S. 140, 144; SSW-StGB-Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 53 f.; Zieschang, AT, Rn. 520 und Zopfs, Jura 1996, S. 19, 23 f., die allerdings in ihrer Argumentation nicht klar zwischen Zurechnungsgegenstand und -grundlage trennen. Zustimmend wohl auch Fricke, S. 100 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
tiven Theorie zurückgekehrt. Somit macht sich derjenige, der sich seine tatbeherrschende Stellung nur einbildet und nicht alle tatbestandsmäßigen Handlungen eigenhändig vollzieht, nicht wegen vollendeten mittäterschaftlichen Delikts strafbar. Ob sich zumindest eine Strafbarkeit aus dem versuchten Delikt begründen lässt, hängt wiederum davon ab, ob der seine eigene Position überschätzende Beteiligte selbst oder zumindest einer derjenigen Mittäter, die ebenfalls weiter zur gemeinsamen Tat entschlossen sind, Handlungen vorgenommen haben, die den Beginn der Tatausführung markieren.975 Nur dann steht die Lossagung des vermeintlichen Mittäters einer Versuchsstrafbarkeit nicht entgegen.
XII. Konsequenzen für die Täterstrafbarkeit bei vermeintlicher mittelbarer Täterschaft Nach der hier vorgeschlagenen Lösung ergeben sich für die Strafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren und des vermeintlichen Mittäters im Wesentlichen identische Ergebnisse. Eine solche einheitliche Bewertung beider Irrtümer ist vor allem deshalb wünschenswert, weil hinter der Frage nach den Auswirkungen der Überschätzung der eigenen Position im Geschehen nicht in erster Linie spezifisch mittäterschaftliche oder mittelbar-täterschaftliche Fragestellungen, sondern allgemeine, alle Täterformen betreffende beteiligungsdogmatische Fragen stehen.976 Für die Strafbarkeit des sich seine tatbeherrschende Stellung nur einbildenden mittelbaren Täters gilt daher weitestgehend das gleiche wie für den seine eigene Position überschätzenden Mittäter. 1. Strafbarkeit bei ausbleibender Rechtsgutsverletzung Ist es bislang noch nicht zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges gekommen, ist zunächst wiederum danach zu differenzieren, ob sich die Gesamttat bereits im Versuchsstadium befindet oder ob bislang allein Vorbereitungshandlungen vorgenommen wurden. Ist letzteres der Fall, scheitert auch für den vermeintlichen mittelbaren Täter die Versuchsstrafbarkeit bereits am fehlenden Zurechnungsgegenstand.977 Unabhängig von den Voraussetzungen des § 25 I Var. 2 StGB lässt sich auch für den vermeintlichen mittelbaren Täter die Versuchsstrafbarkeit begründen, wenn er eigenhändig mit der Ausführung der Gesamttat beginnt. In diesem Fall erfüllt er bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen selbst, die Tatsache, dass er sich irrtümlich vorstellt, 975 Vgl.
zur Notwendigkeit dieser Differenzierung Kap. 1 B. XI. 1. dazu oben Kap. 1 B. I. und II. 977 Vgl. Kap. 1 A. II. 2. c) bb). 976 Ausführlich
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt261
die Tat durch einen anderen zu begehen, bedingt allein die Untauglichkeit seines Versuchs und hat daher auch für ihn allenfalls Auswirkungen auf die Strafzumessung. Schwerer fällt die Beurteilung, wenn der Versuch der Gesamttat erst mit dem Tätigwerden des Tatmittlers beginnt. Denn dann ist entscheidend, ob die Gesamttat als Außenweltvorgang dem vermeintlichen mittelbaren Täter zugerechnet werden kann. Insoweit konnte gezeigt werden, dass nur die objektiv bestehende Willensherrschaft, nicht aber die Vorstellung der herrschaftsbegründenden Umstände die Zurechnung tragen kann.978 Aus den gleichen Gründen wie bei der Mittäterschaft scheidet auch für die mittelbare Täterschaft eine Modifikation der Tatherrschaftsgrundsätze durch die Versuchsregeln aus. Im Ergebnis lässt sich somit eine Versuchsstrafbarkeit für den vermeintlichen mittelbaren Täter nur dann begründen, wenn der Hintermann selbst eine Ansatzhandlung vorgenommen hat. 2. Strafbarkeit bei eingetretener Rechtsgutsverletzung Ist es schon zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen und steht somit eine Strafbarkeit aus dem vollendeten Delikt in Frage, scheidet eine Zurechnung des vollendeten Gesamtgeschehens bei bloß irrtümlicher Annahme einer beherrschenden Stellung im Geschehen ebenfalls aus. Anders als beim versuchten Delikt fehlt in diesem Fall bereits ein dogmatischer Anknüpfungspunkt für die Herabsenkung der Zurechnungsvoraussetzungen. Ob zumindest aus dem versuchten Delikt bestraft werden kann, ist wiederum davon abhängig, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen vom vermeintlichen mittelbaren Täter in eigener Person erfüllt werden oder ob es auch insoweit einer Zurechnung über § 25 I Var. 2 StGB bedarf.979
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt Kann der seine eigene Position im Geschehen überschätzende Täter also nur in wenigen Fällen aus dem Versuchsdelikt bestraft werden, stellt sich die Frage, ob sich das von ihm verwirklichte Unrecht auf andere Weise angemessen erfassen lässt. Insbesondere von Krack und Streng wird auf die Möglichkeit verwiesen, denjenigen, der sich die tatherrschaftsbegründenden Umstände nur vorstellt, wegen untauglichen Unterlassungsversuchs zu bestrafen.980 Für 978 Ausführlich
oben Kap. 1 B. X. dazu Kap. 1 B. XII. 1. 980 Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 565 ff. und Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 338 f. Daneben setzt sich auch Gorka, S. 170 ff. mit dieser Möglichkeit aus einander. Alle befassen sich jedoch allein mit der vermeintlichen Mittäterschaft, nicht aber mit der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft. 979 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
die untätigen, weiter an eine gemeinschaftliche bzw. mittelbare Tatbegehung glaubenden Täter lässt sich die Strafbarkeit möglicherweise gerade darauf stützen, dass sie jegliche Bemühungen unterlassen haben, den von ihnen irrig vorhergesehenen tatbestandlichen Erfolg zu verhindern.981 Im Klingel-Fall982 wären B und C also deshalb strafbar, weil sie A nicht daran gehindert haben, bei den Eheleuten zu klingeln und dadurch mit der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans zu beginnen. Eine solche Pflicht zur aktiven Verhinderung soll den übrigen Mitwirkenden aufgrund ihrer Verabredung zukommen, die eine Garantenstellung aus Ingerenz begründe.983 Dieser Unterlassungsansatz ließe sich auch auf die vermeintliche mittelbare Täterschaft übertragen: So könnte dem Arzt im Injektionsspritzen-Fall984 der Vorwurf gemacht werden, die Krankenschwester nicht von der Verabreichung der Spritze mit der tödlichen Injektion abgehalten zu haben. Die Garantenstellung aus Ingerenz könnte sich bei der mittelbaren Täterschaft aus der Instrumentalisierung des Tatmittlers ergeben. Der Vorteil dieser Unterlassungskonstruktion wäre, dass sie ohne eine Zurechnung objektiver Geschehnisse auskommt, die Strafbarkeit sich vielmehr allein auf das eigene Verhalten des Täters stützt. Denn die Untersuchung zum Versuch des Begehungsdelikts hat gezeigt, dass es für eine solche Zurechnung bei nur scheinbarer Täterschaft an einer Zurechnungsgrundlage mangelt.
I. Verhältnis der Unterlassungs- zu den Begehungsdelikten Einer Unterlassungsstrafbarkeit könnte allerdings die auch aktive Stellung des vermeintlichen Täters entgegenstehen. Nämlich dann, wenn sich hinsichtlich desselben tatbestandsmäßigen Geschehens Tun und Unterlassen gegenseitig ausschlössen, mithin vorab anhand normativer Kriterien zu entscheiden wäre, welche der beiden Verhaltensformen für die Prüfung der Strafbarkeit heranzuziehen ist, mit der Konsequenz, dass die jeweils andere aus rechtlichen Überlegungen auszuscheiden hätte. Käme man dann – wie es die bisherige Diskussion vermuten lässt – zu dem Ergebnis, dass der vermeintliche Täter schwerpunktmäßig aktiv handelt, wäre eine Unterlassungsstrafbarkeit bereits aus diesem Grund zu verneinen. 981 Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 565; Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 338. So generell für die Mittäterschaft auch Mylonopoulos, GA 2011, S. 462, 468 f. 982 BGHSt 39, 236 ff. Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 1. 983 Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 565. Streng, in: GedS Zipf (1999), S. 325, 328 erwägt eine Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt allein für den Münzhändler-Fall, bei dem auf den zuvor verwirklichten Raub als pflichtwidriges, garantenpflichtbegründendes Vorverhalten abgestellt werden kann. 984 Vgl. oben Kap. 1 A. II. 1. Zuerst wohl bei Welzel, Strafrecht, S. 102. Statt vieler Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115; Krack, in: GedS Eckert (2008), S. 467; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 896 jew. m. w. N.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt263
Eine solche die Prüfung der Strafbarkeit lenkende Abgrenzung widerspräche jedoch dem sonst in der Strafrechtsanwendung geltenden Grundsatz, dass jede von mehreren Handlungen auf ihre strafrechtliche Relevanz zu überprüfen ist. Die Frage, wie unterschiedliche strafrechtliche Vorwürfe miteinander konkurrieren, stellt sich grundsätzlich erst, wenn nach Abschluss der Prüfung aller in Betracht kommender Delikte feststeht, dass mehrere Delikte verwirklicht sind.985 Deshalb behandelt eine im Vordringen befindliche Ansicht das Verhältnis von Begehungs- und Unterlassungsdelikt auch nicht als Abgrenzungs-986 sondern allein als Konkurrenzproblem.987 Jedenfalls wenn wie im Falle der vermeintlichen Täterschaft zwei unterschiedliche Verhaltensweisen – nämlich zum einen die Nichtabwendung des Versuchsgeschehens und zum anderen die tatplangemäße Unterstützung des Ausführenden – den Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Prüfung bilden sollen, überzeugt es, zunächst für beide zu ermitteln, ob sie überhaupt eine Strafbarkeit aus dem Begehungs- bzw. Unterlassungsdelikt begründen können und erst nachgelagert das Verhältnis beider Delikte zu beleuchten. Dafür spricht, dass die vertretenen Abgrenzungskriterien ohnehin nur bedingt geeignet sind, zu klären, ob im Falle der vermeintlichen Täterschaft neben dem aktiven Vorwurf auch ein Unterlassen die Strafbarkeit begründen könnte. Naturalistische Kriterien können von vornherein nur bei der Beurteilung, ob überhaupt ein aktives Tun vorliegt, das die Strafbarkeit aus dem Begehungsdelikt tragen kann, herangezogen werden. Für die hier relevante Konstellation ist jedoch allein entscheidend, ob neben der Begehungstat noch ein selbstständiger strafrechtlicher Würdigung zugängliches Unterlassen gegeben ist und in welchem Verhältnis dieses zu der Begehungstat steht. Diese Fragen lassen sich jedoch mit reinen Kausalitäts- oder Energiekriterien nicht beantworten.988 Und auch die sog. Schwerpunktformel989, die eine normative auch Mosenheuer, S. 25 f. den Vertretern, die eine solche Abgrenzung von Tun und Unterlassen befürworten, ist dabei wiederum umstritten, ob diese eher mithilfe naturalistischer oder normativer Kriterien zu erfolgen hat. Ein Überblick über die verschiedenen Ansichten findet sich bei Brammsen, GA 2002, S. 193; Haas, Kausalität, S. 112 ff.; Mosenheuer, S. 29 ff.; Schneider, Tun und Unterlassen, S. 53 ff.; Stoffers, Formel, S. 3 ff., 69 ff.; Ulsenheimer, S. 85 ff. 987 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 21 Rn. 27; Frister, AT, § 22 Rn. 12; Jakobs, AT, § 28 Rn. 4; Kindhäuser, LPK-StGB, § 13 Rn. 73; LK-StGB-Weigend, § 13 Rn. 7; Mosenheuer, S. 51 ff.; Otto, Jura 2000, S. 549, 550; Sieber, JZ 1983, S. 431, 432, 436; SK-StGB-Stein, Vor § 13 Rn. 76 ff.; Stein, JR 1999, S. 265, 267; Welzel, Strafrecht, S. 203. Ähnlich auch Roxin, AT II, § 31 Rn. 84 ff. 988 Ausführlich dazu Mosenheuer, S. 29 ff. Den Unterschied zwischen beiden Fragen stellt auch Roxin, AT II, § 31 Rn. 73 ff., 84 ff. heraus. 989 BGHSt 6, 46, 59; BGH NStZ 1999, 607; BGH NStZ 2003, 657; BGH NJW 2011, 3528, 3529; BGHSt 56, 277, 286; BGH NStZ 2015, 641, 643; Blei, AT, 985 So
986 Unter
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Betrachtung des Verhaltens unter Berücksichtigung seines sozialen Handlungssinns verlangt und darauf abstellt, ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Tun oder Unterlassen liegt, kann strenggenommen gar keine Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen leisten, weil sie eine Charakterisierung der einzelnen Außenweltvorgänge als aktives Tun bzw. Unterlassen bereits voraussetzt. Der Schwerpunkt des Vorwurfs lässt sich erst dann ermitteln, wenn überhaupt feststeht, dass ein bestimmtes Verhalten ein Tun bzw. Unterlassen darstellt.990 Zudem führen normative Abgrenzungstheorien wie die Schwerpunktformel stets zu Rechtsunsicherheit, weil sie auf eindeutige Kriterien für eine klare Zuordnung verzichten.991 Zudem lassen sich viele vermeintlich problematische Zweifelsfälle mithilfe der allgemeinen Zurechnungskriterien sachgerecht erfassen, ohne dass es dazu einer der eigentlichen strafrechtlichen Prüfung vorgelagerten Zuordnung des Verhaltens bedarf.
II. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts Auch bezüglich der Unterlassungsstrafbarkeit stellt sich wiederum das Problem, dass es an denjenigen Umständen, die eine Garantenstellung des mittelbaren Täters bzw. Mittäters begründen könnten, im Falle der vermeintlichen Täterschaft objektiv fehlt. Die Mittäter haben sich schließlich allein in der Vorstellung des Täters zur gemeinsamen Tatbegehung verabredet und der mittelbare Täter glaubt nur irrtümlich, den Vordermann als sein Werkzeug instrumentalisiert zu haben. Der vermeintliche Täter könnte sich nur wegen untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts strafbar gemacht haben, indem er sich irrtümlich Umstände vorgestellt hat, die seine Garantenpflicht begründen würden. Gegen diese Strafbarkeit bestehen jedoch bereits ganz grundsätzliche Bedenken. Es stellt sich bereits die generelle Frage, ob der untaugliche Versuch des unechten Unterlassungsdelikts überhaupt strafbar und ob er strafwürdig ist.992 Während Strafbarkeit und Strafwürdigkeit des untauglichen UnterlassungsS. 310 ff.; Geilen, JZ 1968, S. 145, 151; Hirsch, NJW 1969, S. 853, 854; HK-GS-Tag, § 13 Rn. 6; Odersky, in: FS Tröndle (1989), S. 291, 297 f.; Ranft, JuS 1963, S. 340, 344; Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, Vor § 13 Rn. 158a; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 987. 990 Jakobs, AT, § 28 Rn. 4; Mosenheuer, S. 32; Roxin, AT II, § 31 Rn. 79; Sieber, JZ 1983, S. 431, 433. 991 Otto, Jura 2000, S. 549; Roxin, AT II, § 31 Rn. 79 ff. 992 Ein ausführlicher Überblick zu dieser Fragestellung findet sich bei Malitz, Untauglicher Versuch; Niepoth, Untauglicher Versuch.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt265
versuchs im überwiegenden Teil des Schrifttums993 anerkannt sind, haben insbesondere Herzberg994, Rudolphi995 und Schmidhäuser996 früh diesbezügliche Bedenken geäußert. Maßgeblicher Einwand997 gegen die Strafwürdigkeit ist, dass eine Bestrafung des untauglichen Unterlassungsversuchs auf die Pönalisierung des bloßen Gesinnungsunwertes hinausliefe, da es an einer Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes und somit an einem Erfolgsunwert vollständig fehle und der deliktische Wille auch nicht objektiviert worden sei.998 Der erste Vorwurf, es werde auf eine Gefährdung und damit auf einen Erfolgsunwert vollständig verzichtet, betrifft jedoch nicht nur die Strafbarkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs, sondern jeden untauglichen Versuch.999 Auch beim Begehungsdelikt sind die bereits ex ante fehlende Erfolgstauglichkeit der Versuchshandlung und ihre damit einhergehende Ungefährlichkeit Kennzeichen des untauglichen Versuchs.1000 Der Gesetzgeber hat sich aber nichtsdestotrotz in §§ 22, 23 III StGB für dessen Strafbarkeit und damit für eine subjektiv-objektive Versuchstheorie entschieden. Mag man diese Entscheidung auch kriminalpolitisch für verfehlt halten, so ist sie doch bindend und kann allein durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Daher ließe sich die Straflosigkeit des untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts allenfalls auf den möglicherweise zusätzlich fehlenden Handlungsunwert stützen. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass sich das Unrecht der versuchten Tat nicht allein aus dem Intentionsunwert, sondern gerade aus der Betätigung des Tatentschlusses, seiner Manifestation nach 993 Jescheck/Weigend, AT, S. 637; Kühl, AT, § 18 Rn. 151; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 22 Rn. 17; LK-StGB-Weigend, § 13 Rn. 478; LK-StGB-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 100; Rath, JuS 1999, S. 32, 36; Roxin, AT II, § 29 Rn. 377; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 91. Differenzierend Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 241, 286, 339 f., 360 ff., 388 ff.; ders., JA 1994, S. 337 ff. Die Rechtsprechung hat zu dieser Frage – jedenfalls in jüngerer Zeit – noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen, vgl. BGHSt 38, 356, 359; BGHSt 40, 257; BGHSt 56, 277, 288; Malitz, S. 29 ff.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 376. 994 Herzberg, MDR 1973, S. 89. 995 Rudolphi, MDR 1967, S. 1. 996 Schmidhäuser, AT, § 17 Rn. 26 ff.; ders., StudB AT, § 13 Rn. 27 f.; ders., in: FS Gallas (1973), S. 81, 96 f. 997 Die den Wortlaut und die Systematik betreffenden Einwände haben sich dagegen – wie Herzberg, MDR 1973, S. 89, 90 selbst zutreffend feststellt, mit der Neufassung des § 22 StGB im Zuge des 2. StrRG erledigt. 998 Herzberg, MDR 1973, S. 89 f.; Rudolphi, MDR 1957, S. 1, 3; Schmidhäuser, AT, § 17 Rn. 27 f.; ders., StudB AT, § 13 Rn. 27 f. 999 Bottke, S. 292; Freund, Erfolgsdelikt, S. 100 m. Fn. 163; ders., JuS 1990, S. 213, 217; Kühl, AT, § 18 Rn. 151; Lauhöfer, S. 278; Malitz, S. 62; Vogel, S. 226. 1000 Statt vieler Fischer, StGB, § 22 Rn. 39; Jescheck/Weigend, AT, S. 529; Kühl, AT, § 15 Rn. 88; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 179 jew. m. w. N.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
außen ergibt.1001 An einer solchen Objektivation des Tatentschlusses könnte es im Falle des untauglichen Unterlassungsversuchs fehlen, denn anders als beim untauglichen Begehungsversuch dringt bei diesem der Entschluss nicht durch irgendeine willentliche Körperbewegung nach außen. Deshalb könnte der Unwert gegenüber dem des untauglichen Begehungsversuchs noch einmal herabgesetzt sein.1002 Allerdings beträfe dieser Einwand nicht nur den untauglichen, sondern jeden Unterlassungsversuch.1003 Denn die objektiv bereits ex ante fehlende Notwendigkeit des Einschreitens hat keine Auswirkungen auf die Frage, ob der Unterlassungstäter seinen deliktischen Entschluss in hinreichender Weise objektiviert hat. Beobachtet bspw. der Vater seinen schwimmenden Sohn vom Ufer eines Sees aus und bleibt er untätig, obwohl er zutreffend annimmt, dieser ertrinke, weil ihm der Tod seines Sohnes gelegen kommt,1004 stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Vater seinen Tötungsentschluss betätigt hat. Schließlich käme als Manifestationsakt allein seine Untätigkeit in Betracht. Diese Ausgangsfrage bleibt identisch, wenn man den Fall so abwandelt, dass der Sohn tatsächlich nur seine Tauchkünste vorführen will und die Einschätzung einer Lebensgefahr damit lediglich auf einem Irrtum des Vaters beruht. Auch in dieser Konstellation lässt sich der Handlungsunwert deshalb schwerer als beim Begehungsdelikt begründen, weil es befremdlich ist, davon zu sprechen, der Vater habe seinen Tötungswillen dadurch nach außen manifestiert, dass er untätig am Ufer des Sees sitzen bleibt. Der Unterschied zwischen beiden Fallvarianten besteht allein darin, dass im Falle des untauglichen Versuchs in der Untätigkeit nur dann eine Auflehnung gegen die Rechtsordnung erblickt werden kann, wenn der Beurteilung die Vorstellung des Täters zugrunde gelegt wird. Dies gilt aber auch für den untauglichen Begehungsversuch.1005 Der Vorwurf, es fehle bei bloßer Untätigkeit an einer Manifestation des Tatentschlusses, sodass auch kein Handlungsunwert bestehe, der die Strafbarkeit des Unterlassungsversuchs begründen könne, richtet sich demnach eigentlich gegen alle Unterlassungsversuche und vor allem gegen die unmittelbare Übertragung der zum versuchten Begehungsdelikt entwickelten Kriterien auf den Unterlassungsversuch. Die These einer fehlenden Manifestation des Tatentschlusses im Falle des Unterlassungsversuchs lässt sich deshalb nicht halten, weil sie die Eigenhei1001 Ausführlich
dazu Kap. 1 B. VII. Rudolphi, MDR 1957, S. 1, 3. 1003 Ebenso Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 201 ff.; Stechmann, S. 209. 1004 Beispiel nach Malitz, S. 20. 1005 Auch der Schuss mit dem Luftgewehr auf ein Flugzeug oder das Trinken von Kamillentee manifestieren nur dann einen deliktischen Entschluss und erschüttern daher das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsordnung, wenn man zugrunde legt, dass der Täter dadurch das Flugzeug abschießen bzw. ein Kind töten will. 1002 So
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt267
ten des Unterlassungsdelikts und die auch mit diesem einhergehende Störung der sozialen Ordnung außer Betracht lässt. Auch die Untätigkeit des Unterlassenden verstößt gegen die Reaktionserwartungen der Allgemeinheit und erschüttert damit deren Vertrauen in die Rechtsordnung.1006 In gleicher Weise wie ein Begehungstäter durch den aktiven Eingriff in eine fremde Freiheitssphäre seine Bereitschaft zur Rechtsgutsverletzung demonstriert, bringt der Unterlassungstäter, indem er die von der Gesellschaft und der Rechtsordnung an ihn gerichtete Handlungserwartung final nicht erfüllt, zum Ausdruck, dass er die Rechtsgutsverletzung bewusst geschehen lässt. Im oben gebildeten Beispielsfall des Vaters, der seinen Sohn nicht vor dem Ertrinken bewahrt, würde ein objektiver Betrachter, der den Sohn im Wasser treiben sieht, die Erwartung hegen, der am Ufer sitzende Vater werde einschreiten. Unterlässt er dies, ist das für den Betrachter Ausdruck seines Entschlusses, den Sohn sterben zu lassen.1007 Dass die Untätigkeit zunächst einmal äußerlich neutral und nur unter Berücksichtigung der Vorstellung des Täters als Objektivierung eines deliktischen Entschlusses auszumachen ist, steht dem nicht entgegen, ist eine solche Neutralität des Verhaltens doch ebenso vielfach charakteristisch für den Begehungsversuch.1008 Auch das Klingeln an der Haustür oder das Werfen des eigenen Kindes in einen See erlangt nur dann deliktischen Charakter, wenn man zugrunde legt, dass unmittelbar nach dem Klingeln mit dem Raub begonnen werden soll bzw. das Kind nicht schwimmen kann. Ein Manifestationsakt ist somit auch beim Unterlassen grundsätzlich vorhanden. Dass der ihm innewohnende Unwert möglicherweise geringer ist als der des vergleichbaren Begehungsversuchs, lässt sich auf Strafzumessungsebene hinreichend berücksichtigen, ist jedoch kein Grund, den untauglichen Unterlassungsversuch grundsätzlich straflos zu stellen. Dies entspricht auch dem Regelungskonzept des Gesetzgebers, der das Unterlassungs- dem Begehungsdelikt in § 13 StGB prinzipiell gleichstellt und lediglich in Absatz 2 eine fakultative Strafmilderungsmöglichkeit einräumt. Damit scheitert die Strafbarkeit des vermeintlichen Täters wegen untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts jedenfalls nicht an der generellen Straflosigkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs. Die Untauglichkeit des Versuches resultiert vorliegend aus der irrigen Vorstellung der Garantenposition. Auch deshalb könnten dessen Strafbarkeit und Strafwürdigkeit zweifelhaft sein. Bei dem Unterlassungsversuch des vermeintlichen Garanten könnte es sich um den Versuch eines untauglichen 1006 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 215; Maiwald, ZStW 86 (1974), S. 626, 637 ff.; Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 209 ff. Im Ergebnis auch Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 575. 1007 Ebenso Niepoth, Untauglicher Versuch, S. 211. 1008 Ähnlich Krack, ZStW 117 (2005), S. 555, 575.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Subjekts handeln.1009 Die Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs wird in Fällen, in denen sich der Täter nur fälschlich vorstellt, die besonderen Täteranforderungen zu erfüllen, von einem Teil der Lehre auch wegen der fehlenden eindeutigen gesetzlichen Normierung bestritten.1010 Derjenige, der nicht Normadressat sei, könne dies nicht aufgrund eines Irrtums werden und somit die Norm nicht in ihrer Geltung erschüttern. Deshalb verwirkliche er kein Handlungsunrecht.1011 Innerhalb dieser Meinungsgruppe wird dabei wiederum uneinheitlich beantwortet, ob es sich bei der irrtümliche Annahme einer Garantenpflicht um einen Anwendungsfall des Versuchs des untauglichen Subjekts handelt und somit die hiergegen vorgebrachten Bedenken diesen Irrtum betreffen.1012 Tatsächlich ist ähnlich wie beim Irrtum über tatherrschaftsbegründende Umstände1013 auch bei der irrtümlichen Annahme der Garantenpflicht zuvorderst fraglich, ob es sich überhaupt um einen mit den sonstigen Fällen des Versuchs des untauglichen Subjekts vergleichbaren Fall handelt. Nur wenn die Erwägungen, die den zwingenden Charakter der besonderen Tätermerkmale begründen und demnach eine Versuchsstrafbarkeit ausschließen sollen, den Irrtum über die Garantenpflicht überhaupt betreffen, bedürfen sie einer näheren kritischen Würdigung. Eine Sonderstellung wird den besonderen Tätermerkmalen vor allem im Hinblick auf zwei Gesichtspunkte eingeräumt: Zum einen könne derjenige, der die spezifische Stellung nicht innehabe, die 1009 Einen Überblick über den Meinungsstand zur Strafbarkeit des Versuchs des untauglichen Subjekts gibt Malitz, S. 40 ff. 1010 So RGSt 8, 198, 200; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711, 727 f.; Frister, AT, § 23 Rn. 23; Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 18 Rn. 74 ff.; Stöger, S. 68 ff. (allerdings nur für die echten Sonderdelikte); Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59 ff.; ders./Kuhlen, AT, § 11 Rn. 65 f.; Timpe, ZStW 125 (2014), S. 755, 784 ff.; Valerius, JA 2010, S. 113, 115; Zaczyk, S. 270 f., 285, 298. Dagegen RGSt 72, 109, 112; BGH (Dallinger) MDR 1957, 266; BayObLGSt 1952, 31 f.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 22 Rn. 40; Bruns, Untauglicher Täter; ders., GA 1979, S. 161, 165 ff.; Endrulat, S. 205; Herzberg, GA 2001, S. 257, 270 ff.; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 22 Rn. 13; LK-StGB-Hillenkamp, § 22 Rn. 232 ff.; MüKo-StGB-Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 65 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Bosch, StGB, § 22 Rn. 76; SK-StGB-Jäger, § 22 Rn. 47 ff. Zum Versuch des untauglichen Subjekts auch bereits oben Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (aa). 1011 Vgl. Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 1250. 1012 Dafür Stratenwerth, AT3, Rn. 699, 1003. Differenzierend Jakobs, AT, § 25 Rn. 45. Dagegen AK-StGB-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 35; Frister, AT, § 23 Rn. 23 m. Fn. 39; Langer, Sonderstraftat, S. 460 f.; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 158 f.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 356; Schünemann, GA 1986, S. 293, 317 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 67. 1013 Zu der Frage, ob sich mithilfe der gegen die Strafbarkeit des Versuchs des untauglichen Subjekts vorgetragenen Argumente auch der zwingende Charakter der Tat herrschaftsmerkmale begründen lässt, ausführlich in Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb).
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt269
Norm von vornherein nicht erschüttern, das tatbestandlich geschützte Rechtsgut nicht gefährden und demnach auch kein Handlungsunrecht verwirklichen. Zum anderen bestehe für diese Täter auch aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten kein Strafbedürfnis, denn bei Untauglichkeit des Subjekts ergäbe sich die Untauglichkeit nicht aus äußeren, zufälligen Umständen, sondern aus konstitutionellen Gründen, sodass der Versuch auch bei beliebiger Wiederholung nicht gelingen könne, eine Bedrohung der Rechtsordnung von dem Täter daher auch in Zukunft nicht ausgehe.1014 Beide Begründungen lassen sich jedoch zumindest auf den Fall, dass sich der Täter irrtümlich Umstände vorstellt, die ihn zum Garanten aus Ingerenz machen würden, nicht übertragen. Allein darauf kommt es jedoch für die weitere Untersuchung an, immerhin ließe sich die Handlungspflicht des vermeintlichen Täters allein auf eine solche Garantenpflicht stützen. Während sich beispielsweise § 331 StGB allein an den Amtsträger richtet und mit dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachgerechtigkeit und „Nicht-Käuflichkeit“ dienstlichen Handelns1015 sowie der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes1016 Interessen schützt, die ein Nicht-Amtsträger von vornherein nicht verletzen kann, richtet sich die Norm des § 212 StGB, die auch durch Unterlassen verletzt werden kann, zunächst einmal an jedermann. Allerdings ließe sich argumentieren, dass die spezifische Erfolgsabwendungspflicht, die §§ 212, 13 StGB zugrunde liegt, nur denjenigen trifft, der „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“ und somit nur einen begrenzten Personenkreis. Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass sich die Amtsträgerstellung aus einer bestimmten institutionellen Einbindung, einem vortatbestandlichen Status ergibt, die hier relevante Garantenstellung aus Ingerenz dagegen durch die interpersonale Beziehung in einer bestimmten tatsächlichen Situation begründet wird, in die jeder gelangen kann.1017 Jedermann hat die Pflicht, Gefahren für fremde Rechtsgüter, die aus seinem Verhalten resultieren, abzuwenden. Es handelt sich um eine in der konkreten Handlungssituation bestehende Pflicht, eine generelle Verhaltenserwartung, die von jedem in Form eines strafbaren Versuchs verletzt werden kann.1018 Dass sich diese Pflicht in 1014 Zu beiden Argumenten ausführlich oben Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (aa). Vgl. auch Jakobs, AT, § 25 Rn. 43 f.; Schünemann, GA 1986, S. 293, 318; Stöger, S. 53 ff., 68 ff., 78; Stratenwerth, in: FS Bruns (1978), S. 59, 60. 1015 BGHSt 47, 22, 25; BGHSt 47, 295, 303; BGH NJW 2001, 2558, 2559. Vgl. auch MüKo-StGB-Korte, § 331 Rn. 5. 1016 BGH StV 1997, 129; BGH NStZ 2000, 589, 590; BGH wistra 2001, 295, 297; BGH NStZ-RR 2005, 266, 267. Vgl. Fischer, StGB, § 331 Rn. 2; MüKo-StGB-Korte, § 331 Rn. 5. 1017 Zu dieser Unterscheidung und ihrer Relevanz für die rechtliche Würdigung ausführlich in Kap. 1 B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb). 1018 So auch AK-StGB-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 35; Frister, AT, § 23 Rn. 23 m. Fn. 39; LK-StGB10-Vogler, § 22 Rn. 159; Roxin, AT II, § 29 Rn. 356.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
der konkreten Situation nur für den Täter aktualisiert, macht ihn zum Garanten, begründet aber keinen den übrigen besonderen Tätermerkmalen vergleichbaren Sonderstatus. Denn anders als der Nicht-Amtsträger, der auch bei beliebiger Wiederholung keine Bedrohung für die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes darstellt, kann der vermeintliche Ingerenzgarant bei einer Veränderung der Rahmenbedingungen, wenn es bspw. tatsächlich zu einer Gefahrenlage kommt, durchaus für fremde Rechtsgüter gefährlich werden.1019 Die von ihm durch seine Untätigkeit demonstrierte Bereitschaft, das tatbestandlich geschützte Rechtsgut zu verletzen, kann – wie beim Versuch am untauglichen Objekt – dann, wenn sein Einschreiten auch objektiv erforderlich wird, eine Bedrohung für die Rechtsordnung und das geschützte Handlungsobjekt bedeuten. Demnach besteht für ihn sehr wohl das spezial- und generalpräventive Bedürfnis einer Bestrafung. Die gegen die Strafbarkeit des Versuchs des untauglichen Subjekts vorgebrachten Bedenken betreffen also den Irrtum über garantenplichtbegründende Umstände jedenfalls dann nicht, wenn er sich darauf bezieht, aufgrund eines pflichtwidrigen Vorverhaltens zum Einschreiten verpflichtet zu sein, sodass es auf deren Stichhaltigkeit gar nicht ankommt. Auch aus der Tatsache, dass sich der Irrtum auf die Garantenstellung bezieht, lässt sich die Straflosigkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs bei vermeintlicher Täterschaft demnach nicht ableiten. Dieses Ergebnis steht mit den bisherigen Untersuchungsergebnissen, insbesondere zum Charakter der Tatherrschaftsmerkmale, in Einklang. Denn auch für diese konnte nachgewiesen werden, dass es sich nicht um besondere Tätermerkmale mit den oben genannten spezifischen Eigenheiten, sondern nur um Anforderungen handelt, die sich aus der in einer bestimmten Handlungssituation bestehenden interpersonalen Beziehung ergeben.1020 Wenn aber dieselben Umstände, nämlich die Instrumentalisierung des Tatmittlers bzw. die Tatverabredung bei der Mittäterschaft, auch die Garantenpflicht aus Ingerenz begründen,1021 wäre es widersprüchlich, ihnen in diesem Zusammenhang eine solche Sonderstellung zuzuschreiben.
III. Dogmatische Begründbarkeit einer Garantenstellung Ist also der untaugliche Unterlassungsversuch grundsätzlich und insbesondere auch in Form des Irrtums über garantenstellungsbegründende Umstände strafbar, bedarf es eines genaueren Blickes auf die spezifische Konstellation der vermeintlichen Täterschaft. Es stellt sich die Frage, ob diese Konstellation über die Grundsätze des untauglichen Unterlassungsversuchs sachgeauch LK-StGB-Vogler, § 22 Rn. 159; Schünemann, GA 1986, S. 293, 318 f. B. III. 2. b) cc) (2) (b) (bb). 1021 Siehe oben Kap. 1 C. 1019 So
1020 Kap. 1
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt271
recht erfasst werden kann oder ob durch eine solche Unterlassungskonstruktion grundsätzliche strafrechtliche Wertungen unterlaufen werden. Die dogmatische Begründbarkeit einer Strafbarkeit aus dem versuchten unechten Unterlassungsdelikt hängt zunächst maßgeblich davon ab, ob die Umstände, die sich der vermeintliche Täter vorstellt, tatsächlich eine Garantenpflicht zur Verhinderung der von ihm intendierten gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung begründen. Daher ist entscheidend, ob die in der Regel im Vorfeld der Tat stattfindende Tatverabredung bzw. Einwirkung auf den Tatmittler als pflichtwidriges Vorverhalten eine Garantenstellung aus Ingerenz begründen kann. Diese sowohl grundsätzlich als auch in ihren näheren Voraussetzungen umstrittene Garantenstellung1022 soll immer dann bestehen, wenn ein vorausgegangenes Tun die nahe, adäquate, unmittelbare Gefahr des Erfolgseintritts begründet, sodass die Rechtsgutsbeeinträchtigung in dem Tun bereits objektiv erkennbar angelegt ist.1023 In diesem Fall könne die Rechtsordnung vom Ausführenden verlangen, ihm mögliche Verhinderungsbemühungen zu ergreifen.1024 Den überwiegend anerkannten Fällen der Ingerenz ist gemein, dass es bereits zur schädigenden Einwirkung auf ein fremdes Rechtsgut gekommen, bereits ein Eingriff in die fremde Herrschaftssphäre erfolgt ist und aus diesem abgeschlossenen Eingriff nun weitere Gefahren resultieren, zu deren Abwehr der Handelnde als Garant verpflichtet werden soll.1025 Hat bspw. der Bauarbeiter B bei der Arbeit auf dem Dach keine ausreichende Sorgfalt walten lassen und gleitet ihm deshalb ein Dachziegel aus der Hand, der dem Passanten P auf den Kopf fällt, soll B zur Rettung des P verpflichtet sein. Selbst in den umstrittenen Fällen eines vorsätzlichen Vorverhaltens1026 ist es stets der vollzogene Angriff auf das fremde Rechtsgut, der zur Abwehr der 1022 Vgl. dazu m. w. N. Dencker, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 159 ff.; Hoven, GA 2016, S. 16 ff.; Jakobs, in: BGHFW (2000), S. 29 ff.; Kugler, Ingerenz; Otto, in: FS Gössel (2002), S. 99 ff.; Paradissis, S. 58 ff., 135 ff.; Roxin, in: FS Trechsel (2002), S. 551 ff.; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik; Schünemann, GA 1974, S. 231 ff.; Sowada, Jura 2003, S. 236 ff. 1023 BGH NStZ-RR 1997, 292; BGH NStZ 1998, 83, 84; BGH NStZ 2000, 583; BGH NJW 1999, 69, 71; Jescheck/Weigend, AT, S. 625; NK-StGB-Gaede, § 13 Rn. 43 ff.; Otto, in: FS Gössel (2002), S. 99, 107; ders., in: FS Geppert (2011), S. 441, 442; Paradissis, S. 138; Sowada, Jura 2003, S. 236, 245. Ähnlich auch Frister, AT, § 22 Rn. 31.; Kugler, S. 223 ff. 1024 Siehe bereits die Nachweise in Fn. 1023. 1025 Frister, AT, § 22 Rn. 30. Auch MüKo-StGB-Freund, § 13 Rn. 120 betont, dass für die Garantenstellung aus Ingerenz charakteristisch sei, dass der schadensträchtige Kausalverlauf naturalistisch gesehen die Ingerentensphäre bereits verlassen und die Opfersphäre erreicht hat. 1026 Ausführlich dazu Hardtung, JZ 2008, S. 953, 954; Herzberg, Unterlassung, S. 282 ff.; MüKo-StGB-Freund, § 13 Rn. 130 ff.; Otto, in: FS Geppert (2011),
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aus ihm resultierenden Gefahren verpflichtet: Hat der Täter das Opfer niedergestochen und lässt es dann vorsätzlich verbluten, könnte sich eine Garantenstellung für die Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen aus dem vorsätzlichen Stich ergeben.1027 Soll jedoch für den an der Ausführung der Tat bislang unbeteiligten mittelbaren Täter bzw. Mittäter eine Garantenpflicht begründet werden, könnte dafür nur auf die Vorbereitung eines Eingriffs in eine fremde Herrschaftssphäre abgestellt werden. Sowohl die Tatverabredung als auch die Instrumentalisierung des Tatmittlers sind der schädigenden Einwirkung auf das fremde Rechtsgut vorgelagert. Daraus ergeben sich wichtige Veränderungen gegenüber den sonstigen Ingerenzfällen, deren Auswirkungen auf die Begründbarkeit der Garantenstellung es zu untersuchen gilt: Zum einen ist die Gefahr für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut, die der Täter durch dieses Verhalten begründet hat, nur eine abstrakte. Damit stellt sich die Frage, ob die Schaffung einer abstrakten Gefahr genügt, um hieraus eine besondere Erfolgsabwendungspflicht abzuleiten (1.). Zudem wird die konkrete Gefahr für das Rechtsgut nicht vom Täter selbst geschaffen oder durch Naturkräfte verursacht, sondern besteht gerade darin, dass Dritte, nämlich der Tatmittler oder der andere Mittäter, den tatbestandlichen Angriff auf das Rechtsgut vornehmen. Demnach ist auch maßgeblich, ob die Schaffung der Gefahr von Straftaten Dritter überhaupt eine Garantenpflicht aus Ingerenz auslöst (2.).1028 Überdies zeichnet sich die vorliegende Konstellation dadurch aus, dass das möglicherweise garantenpflichtbegründende Vorverhalten gerade von dem Vorsatz getragen ist, den tatbestandsmäßigen Erfolg mittäterschaftlich bzw. durch einen anderen herbeizuführen. Entscheidend ist daher des Weiteren, ob sich aus einem solchen vorsätzlichen Vorverhalten eine Garantenpflicht zur Verhinderung des intendierten tatbestandsmäßigen Erfolges ergibt (3.). 1. Erfordernis einer nahen, adäquaten Gefahr In den Fällen der Ingerenz entsteht eine Garantenstellung, weil der Unterlassende durch sein vorangegangenes Tun bewusst oder unbewusst eine Störung der sozialen Schutzordnung herbeigeführt hat.1029 Mit der Gefährdung fremder Rechtsgüter ist ein Übergriff in die fremde Rechtssphäre verbunden, S. 441 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 191 ff.; Stein, JR 1999, S. 265 ff.; Welp, S. 193 f., 321 ff. 1027 Umstritten sind dabei vor allem diejenigen Fälle, in denen der Täter den Stich bereits mit Tötungsvorsatz ausgeführt hat, vgl. dazu BGH NStZ-RR 1996, 131; Roxin, AT II, § 32 Rn. 191 ff. 1028 Allgemein zu dieser Frage auch Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 125 ff. 1029 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 111.
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der eine Störung des Gleichgewichts der Kräfte bedeutet und deshalb die Pflicht zur vorbeugenden Wiederherstellung des Gleichgewichts begründet.1030 Die Begrenzung auf nahe, unmittelbare Gefahren erfüllt dabei den Zweck, eine unerträgliche Pflichtenbindung jeden Staatsbürgers zu verhindern.1031 Aufgabe der Garantenstellung aus Ingerenz ist es, die Freiheit der Personen in Einklang zu bringen. Ebenso wenig wie das Opfer einen Eingriff in die eigene Freiheitssphäre zu dulden hat, kann andererseits jede Freiheitsentfaltung, die schädigende Folgen für andere Bürger haben kann, untersagt werden.1032 Dem Unterlassenden kann nicht abverlangt werden, ständig all seine Handlungen in ihrem weiteren Verlauf zu überwachen und dafür zu sorgen, dass der von ihm ausgelöste Kausalprozess nicht durch Handlungen Dritter zu einer Gefahr für fremde Rechtsgüter wird.1033 Deshalb kann nicht jedes abstrakt rechtsgutsgefährdende Verhalten bereits eine Garantenpflicht begründen. Von einer solchen die Freiheit des Unterlassenden über Gebühr belastenden Pflichtenbindung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das vorangegangene Tun in einer für den Unterlassenden vorhersehbaren Weise die nahe Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung schafft.1034 In den Fällen der mittelbaren Täterschaft bzw. Mittäterschaft setzt der Täter mit der Instrumentalisierung bzw. Verabredung einen Kausalverlauf in Gang, den er nicht in vollem Umfang allein beherrscht, weil auch andere Personen in die Tatbegehung involviert sind. Zugleich verschafft ihm dieses Vorverhalten aber die Herrschaft über die geplante Tat insgesamt, sodass ihm auch die durch den Tatmittler bzw. die übrigen Mittäter geschaffenen Gefahren für fremde Rechtsgüter zurechenbar sind. Damit begründet jedoch bereits dieses Vorverhalten für den Unterlassenden vorhersehbar die Gefahr, dass es zur Tatbegehung und somit zur Rechtsgutsbeeinträchtigung kommt. Bereits sein eigenes Verhalten bei der Instrumentalisierung bzw. Verabredung gibt ihm Anlass zur Überprüfung und Überwachung des ausgelösten gefährlichen Kausalverlaufs.1035 Ist es nämlich erst einmal zu einer Umsetzung gekommen, die das Rechtsgut konkret gefährdet, ist diese für den Mitwirkenden – zumindest wenn die Gefahr durch eine fremde Ausführungshandlung geschaffen wird – nicht mehr in gleicher Weise steuerbar. Will man also eine Garantenstellung bei der Beteiligung mehrerer annehmen, muss wegen der eingeschränkten Steuerungsmöglichkeit des Einzelnen die Pflicht, Gegenmaßnahmen zu er1030 Kugler,
S. 138. Ähnlich auch Paradissis, S. 116 ff. Gleichstellungsproblematik, S. 121. 1032 Paradissis, S. 117 f. 1033 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 121. 1034 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 122. 1035 Ebenso Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 123. 1031 Rudolphi,
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greifen, zwingend bereits zu einem Zeitpunkt bestehen, zu dem ihm eine effektive Verhinderung der Rechtsgutsbeeinträchtigung überhaupt noch möglich ist. Nur so kann eine Rechtsgutsverletzung sicher abgewendet werden. Dafür spricht auch der Rechtsgedanke des § 30 StGB. Auch die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung gründet sich auf die besondere Gefährlichkeit konspirativer Bindungen, die durch die Einbeziehung anderer Personen in das deliktische Vorhaben entsteht, sowie den mit der Zustimmung verbundenen Kontrollverlust über das weitere Geschehen.1036 Der Gesetzgeber war daher bei der Schaffung des § 30 StGB von der Vorstellung getragen, bei der Beteiligung Mehrerer begründe bereits der Zusammenschluss eine Gefahr für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut, die ein Einschreiten der Rechtsordnung erfordere. Wenn die Rechtsordnung aber die Verabredung wegen der ihr bereits innewohnenden Gefährdung ausdrücklich missbilligt, könnte aus ihr gleichzeitig auch die Pflicht resultieren, die einmal geschaffene Gefahr abzuwenden, um einen Schadenseintritt zu verhindern. 2. Garantenpflicht zur Verhinderung der Straftat eines anderen Entscheidend ist daher, wie sich der Umstand auswirkt, dass der konkrete Eingriff in die Sphäre des Opfers nicht vom Unterlassenden, sondern von einem Dritten – dem Tatmittler bzw. Mittäter – vorgenommen wird. Die frühere Rechtsprechung hielt es für irrelevant, ob sich die konkrete Gefahr für das Rechtsgut aus der Straftat eines anderen oder dem Wirken von Naturkräften ergibt, mit dem Ergebnis, dass jeder, der die Gefahr der Begehung einer Straftat geschaffen habe, als Garant auch verpflichtet sei, den drohenden tatbestandlichen Erfolg abzuwenden.1037 Ein derart weites Verständnis der Garantenstellung aus Ingerenz erscheint vor allem wegen des Verantwortungsprinzips problematisch. Danach ist der Täter grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich, nicht aber für das anderer, vollverantwortlich handelnder Personen.1038 Erfolge, in denen sich eigenverantwortliche 1036 BGH NJW 1957, 1770; Hinderer, JuS 2011, S. 1072; Jescheck/Weigend, AT, S. 701; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 1; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 3; Matt/Renzikowski-Haas/Heger, StGB, § 30 Rn. 1; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 11, 53; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5, 8, 43; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Schröder, JuS 1967, S. 289; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 11; Thalheimer, S. 8. Kritisch Becker, Strafgrund, S. 182 ff. Ausführlich zum Strafgrund des § 30 StGB sogleich in Kap. 1 F. I. 2. a) cc). 1037 Vgl. dazu auch Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 125. 1038 Vgl. ausführlich dazu Lenckner, in: FS Engisch (1969), S. 490, 506 f.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 68 ff., 74 ff.; Reyes, ZStW 105 (1993), S. 108, 109 f.; Schumann, S. 19 ff.; Walther, Eigenverantwortlichkeit, S. 78 ff.; Welp, S. 274 ff., 314 f.
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Gefährdungen anderer realisieren, sind daher demjenigen, der für diese lediglich mitkausal war, grundsätzlich nicht zuzurechnen.1039 Außerdem würde die Freiheitssphäre des Unterlassenden empfindlich beschränkt, wenn er für jede pflichtwidrige Ausnutzung der von ihm geschaffenen Situation zur Begehung von Straftaten einzustehen hätte. Ziel der Ingerenzgarantenstellung ist es gerade, die Freiheitssphären der unterschiedlichen Personen miteinander in Einklang zu bringen.1040 Von dem Unterlassenden kann deshalb verlangt werden, die unmittelbaren Folgen der eigenen Freiheitsentfaltung zu beseitigen, wenn sie die Freiheitssphäre eines anderen tangieren und dessen Rechtsgüter gefährden. Der Verantwortungsbereich des Handelnden für sein Verhalten muss jedoch ebenso wie beim Begehungsdelikt dort enden, wo ein Dritter eigenverantwortlich und für den Ersthandelnden nicht vorhersehbar dazwischentritt und neue, eigenständige Gefahren für das Rechtsgut begründet. Weil man grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass andere sich rechtstreu verhalten,1041 kann sich die Abwendungspflicht nicht auf jede durch die Straftat Dritter hervorgerufene Gefährdung beziehen, für die das eigene Vorverhalten kausal war. Ebenso wie beim Begehungsdelikt der Zurechnungszusammenhang durch das Dazwischentreten Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen nicht unterbrochen wird, kann sich auch die Garantenpflicht aus Ingerenz nur auf solche Erfolge beziehen, in denen sich gerade das dem Vorverhalten innewohnende Risiko realisiert.1042 Ein derart enger Zusammenhang zwischen dem späteren Ausführungsgeschehen und der Verabredung bzw. Instrumentalisierung könnte deshalb bestehen, weil der Ausführende gerade auch durch die Einflussnahme des Unterlassenden zur Tat motiviert wird. Die Rechtsprechung stützt auch die Garantenpflicht des Mittäters zur Verhinderung von Exzesstaten darauf, dass der Täter durch die Beteiligung an der Vortat den Tatentschluss des Täters bestärkt und Hemmungen beseitigt habe.1043 Eine solche Bestärkungswirkung geht erst recht von der Verabredung einer gemeinsamen Tatbestandsverwirk1039 Otto,
in: FS Gössel (2002), S. 99, 109. bereits oben Fn. 1032. 1041 Zum Vertrauensgrundsatz bei Straftaten Dritter Hannes, Vertrauensgrundsatz; Kudlich, Unterstützung, S. 376 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 49; Roxin, AT I, § 24 Rn. 26 ff.; ders., in: FS Tröndle (1989), S. 177, 186 f.; Schünemann, GA 1999, S. 207, 224; Weißer, S. 522 f. jew. m. w. N. 1042 Eine Beschränkung der Ingerenzgarantenstellung anhand der zum Begehungsdelikt entwickelten Kriterien befürworten auch Dencker, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 159, 171 ff.; Hoven, GA 2016, S. 16, 30 ff.; Otto, in: FS Gössel (2002), S. 99, 115; Paradissis, S. 144 ff.; Roxin, in: FS Trechsel (2002), S. 551, 557 ff.; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 153. 1043 BGH NJW 1992, 1246; BGH NStZ-RR 1997, 292; BGH NStZ 2000, 583; BGH NStZ 2009, 321, 322. Ausführlich zur Garantenstellung desjenigen Mittäters, der sich an vorausgegangenen Misshandlungen oder sonstigen Gewalttätigkeiten, 1040 Vgl.
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lichung aus, sodass mit demselben Argument auch eine Garantenstellung des tatbereiten Mittäters legitimiert werden könnte. Die Verabredung bzw. Instrumentalisierung des Tatmittlers begründet schließlich nur deshalb bereits eine Gefährdung für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut und damit eine Pflicht zum Einschreiten, weil sie die Gefahr schafft, dass der Vordermann als Komplize oder Werkzeug die geplante Tat begeht. Noch mehr als bei einer Exzesshandlung stellt die Straftat des Dritten in diesen Fällen keine Unterbrechung des durch das Vorverhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs, sondern eine vorhersehbare Auswirkung der begründeten Gefahr dar. Es entspricht sogar dem Willen des Mittäters bzw. mittelbaren Täters, den Mitwirkenden zur Umsetzung des Tatplans zu bewegen. Hat der Unterlassende aber die Straftat des Begehungstäters in pflichtwidriger Weise ermöglicht, gefördert oder sonst wie begünstigt, begründet dieses Vorverhalten eine besondere Verantwortung für das Rechtsgut, die ihn verpflichtet, gegen das pflichtwidrige Handeln des Ausführenden einzuschreiten.1044 Mittäter und Tatmittler sind nicht völlig eigenständig und unabhängig vom Ersthandelnden agierende Dritte, sondern Tatkomplizen bzw. Werkzeuge des Täters, für dessen Handeln er die (Mit-)Verantwortung trägt. Kommt es zur gemeinschaftlichen bzw. mittelbaren Tatbegehung, hat er ebenfalls für die Gesamttat und damit auch für die fremdhändig vollzogenen Geschehensteile wie für eigenes Handeln einzustehen. Stellt die Straftat aber kein Dazwischentreten dar, mit dem der Ersthandelnde nicht zu rechnen braucht, sondern ist sie gerade die beabsichtigte Folge seines Handelns, besteht auch keine Veranlassung, die Erfolgsabwendungspflicht hinsichtlich des durch das Vorverhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs zu begrenzen. 3. Ingerenzgarantenstellung bei vorsätzlichem Vorverhalten Der Grund, warum die Unterlassungsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters bislang kaum Gegenstand der insgesamt intensiven Diskussion um die strafrechtliche Würdigung der vermeintlichen Täterschaft ist, dürfte sein, dass es wegen des auf eine aktive Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung gerichteten Vorsatzes befremdlich anmutet, den vermeintlichen Täter wegen desselben Deliktes und des identischen Vorsatzes (auch) aus dem Unterlassungsdelikt zu bestrafen. Hinter dieser Skepsis gegenüber der vorliegenden Unterlassungskonstruktion verbirgt sich die ganz grundsätzliche Frage, ob sich aus einem vorsätzlichen Handeln eine Pflicht zur Verhinderung des vorsätzlich erstrebten tatbestandsmäßigen Erfolges ableiten lässt. Von der Rechtnicht jedoch an der späteren Exzesstat beteiligt hat Otto, in: FS Geppert (2011), S. 441 ff.; Sowada, Jura 2003, S. 236, 245 f. 1044 So auch Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 135 f.
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sprechung wurde eine solche Garantenstellung bislang verneint.1045 Im Schrifttum wird dagegen überwiegend auch aus einem vorsätzlichen gefährdenden Verhalten die Verpflichtung des Handelnden abgeleitet, den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verhindern.1046 Diese Unterlassungsstrafbarkeit soll dann jedoch in der Regel hinter dem vorsätzlichen Begehungsdelikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten.1047 Sofern eine Unterlassungsstrafbarkeit auch bei vorsätzlichem Vorverhalten bejaht wird, wird sie darauf gestützt, dass es sich bei dem nachfolgenden Unterlassen um „ein von der vorangegangen Verletzungshandlung zu unterscheidendes Verhalten“ handele, das „daher als Gegenstand einer gesonderten Handlungspflicht in Betracht“ komme.1048 Dahinter steht der Gedanke, dass prinzipiell jede willensgesteuerte Vornahme bzw. Nichtvornahme einer Körperbewegung Gegenstand einer gesonderten Verhaltenspflicht sein kann.1049 Die Notwendigkeit einer solchen differenzierten Betrachtung der einzelnen Verhaltensnormverstöße ergibt sich bereits daraus, dass sich das vom Täter verwirklichte Unrecht anders gar nicht sachgerecht erfassen lässt. Hat der Täter das Opfer mit einem Stich in den Bauch lebensgefährlich verletzt und ergibt sich nach Abschluss des Stiches für den Täter noch die Möglichkeit, rettend einzugreifen und den Tod des Opfers zu verhindern, hat er, wenn er diese Chance ungenutzt lässt, nicht nur das Handlungsverbot des § 212 StGB, sondern auch das Handlungsgebot, das Opfer aus seiner lebensgefährlichen Situation zu befreien, verletzt. Das von ihm verwirklichte Verhaltens unrecht ist also größer als bei einem Täter, der sein Opfer mit dem Stich sofort tötet,1050 ohne dass sich eine Möglichkeit zur Rettung ergibt, denn dieser hat nur einmal seine Feindschaft gegen das Gesetz demonstriert. Dem Täter auch nach einem vorsätzlichen Handeln die Pflicht aufzuerlegen, eine 1045 BGH NStZ-RR 1996, 131; OLG Frankfurt NJW 1957, 1847, 1848; OLG Celle NJW 1970, 341. Anders noch RGSt 57, 193, 197; BGH JR 1954, 271. Offen gelassen dagegen von BGH NJW 2003, 1060, 1061; BGH NStZ 2004, 89, 91; BGH NJW 2008, 2199, 2200. Ebenfalls ablehnend Geppert, Jura 2004, S. 242, 246; Hillenkamp, in: FS Otto (2007), S. 287 ff.; Kaufmann, Dogmatik, S. 228 f. m. Fn. 301; Otto, in: FS Hirsch (1999), S. 291, 305; Tag, JR 1995, S. 133, 136 (ausdrücklich aber nur für § 323c). 1046 Freund, AT, § 6 Rn. 68a-k; Frister, AT, § 22 Rn. 37; Herzberg, Unterlassung, S. 282 ff.; Kühl, AT, § 18 Rn. 105a; MüKo-StGB-Freund, § 13 Rn. 130 ff.; NK-StGBGaede, § 13 Rn. 44; Roxin, AT II, § 32 Rn. 193; Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92; Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, § 13 Rn. 38; Schröder, in: FS Küper (2007), S. 539, 540; SK-StGB-Stein, § 13 Rn. 58; Sowada, Jura 2003, S. 236, 245 f.; Stein, JR 1999, S. 265, 270 ff.; Walter, NStZ 2005, S. 240, 241 f.; Welp, S. 321 ff. 1047 Zu den Ausnahmefällen Stein, JR 1999, S. 265, 267 f. m. w. N. 1048 Stein, JR 1999, S. 265, 267. Ähnlich auch Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92. 1049 Stein, JR 1999, S. 265, 267. 1050 So auch Stein, JR 1999, S. 265, 268. Ähnlich Welp, S. 327 ff.
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sich aus diesem ergebende Gefahr abzuwenden, wird zudem mit dem Rechtsgüterschutz legitimiert, der es notwendig erscheinen lasse, weiterhin appellierend auf den Täter einzuwirken.1051 Hat das Handlungsverbot seinen Zweck, eine Gefährdung des Rechtsgutes zu verhindern, wegen der mangelnden Befolgungsbereitschaft verfehlt, muss dem Täter zumindest von der Rechtsordnung geboten werden, eine Handlung vorzunehmen, durch welche die geschaffene Gefahr wieder ausgeräumt werden kann.1052 Bereits diese Erwägungen zur Legitimation der Garantenstellung aus Ingerenz bei vorsätzlichem Vorverhalten verdeutlichen, dass die Verfechter einer solchen Garantenpflicht sich auf einen Fall beziehen, in dem es zu einer realen Sukzession der Verhaltensformen Tun und Unterlassen kommt.1053 Wenn der Täter im zuvor gebildeten Beispielsfall zunächst zusticht, verletzt er dadurch bereits das Handlungsverbot des jeweiligen Begehungsdeliktes, hier des § 212 StGB. Schließt sich daran eine Möglichkeit zur Rettung an, die der Täter verstreichen lässt, wird dadurch eine von der Verhaltenspflicht des Begehungsdelikts zu unterscheidende Pflicht, nämlich eine bereits herbeigeführte Gefahr wieder zu beseitigen, verletzt. Die Begründung der Garantenstellung aus Ingerenz bei vorsätzlichem Vorverhalten fällt jedoch ungleich schwerer, wenn dieselbe Verhaltensnorm Gegenstand des Begehungs- und des Unterlassungsvorwurfs ist. Dies ist dann der Fall, wenn nicht die fehlende Beseitigung einer bereits geschaffenen Gefahr Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs ist, sondern dem Unterlassungstäter angelastet wird, bereits die Entstehung der gefährlichen Situation nicht verhindert zu haben. In diesem Fall lässt sich die Notwendigkeit einer Garantenpflicht nicht damit begründen, dass ein von der Handlung unterscheidbares Verhalten existiert, das Gegenstand einer gesonderten Handlungspflicht sein kann. Denn die Verhaltenspflicht, auf die sich die Unterlassungsstrafbarkeit in diesem Fall stützt, wäre identisch mit der Verhaltensnorm des Begehungsdeliktes, sodass es normtheoretisch sinnlos wäre, ein solches zum Handlungsverbot hinzutretendes Handlungsgebot zu formulieren.1054 Wenn der Unterlassungsvorwurf im soeben geschilderten Beispielsfall nicht auf die fehlende Beseitigung der geschaffenen Gefahr, sondern bereits auf die Schaffung der Lebensgefahr durch den Stich gestützt würde, wäre das 1051 Ähnlich auch Stein, JR 1999, S. 265, 270. Ihm zustimmend Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92. 1052 Stein, JR 1999, S. 265, 270. 1053 Vgl. zu diesem Charakteristikum der Ingerenzgarantenstellung bei vorsätzlichem Vorverhalten Bloy, JuS 1987, S. 528, 531; Hillenkamp, in: FS Otto (2007), S. 287, 292 f.; Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92; Stein, JR 1999, S. 265, 270; Welp, S. 322 ff. 1054 Stein, JR 1999, S. 265, 270.
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Handlungsgebot, das der Täter verletzt, gegen eigene lebensgefährdende Handlungen einzuschreiten. Dieses weist aber gegenüber dem Handlungsverbot des § 212 StGB, keine lebensgefährdenden Handlungen vorzunehmen, keinen zusätzlichen Gehalt auf, sondern ist nur eine spiegelbildliche Formulierung desselben Normappells. Anders als in den zuvor geschilderten Fällen der Ingerenz bei vorsätzlichem Vorverhalten beziehen sich hier Unterlassungs- und Begehungsstrafbarkeit auf dieselbe Körperbewegung. Einziger Unterschied ist, dass in dem einen Fall die aktive Vornahme dieser Körperbewegung, im anderen die Nichtunterbindung der Körperbewegung sanktioniert wird. Aus dem Begehen wird durch die Umformulierung der Verhaltenspflicht ein Unterlassen gemacht. Wäre auch in einem solchen Fall die Unterlassungsstrafbarkeit und insbesondere eine Garantenstellung aus Ingerenz dogmatisch begründbar, hätte dies zur Folge, dass mit jedem Begehungsdelikt zugleich ein entsprechendes Unterlassungsdelikt verwirklicht wäre. Anders als in den üblicherweise diskutierten Fällen besteht dadurch in dieser Konstellation nicht nur keine normtheoretische Notwendigkeit einer solchen Garantenstellung, sondern auch die Gefahr, durch die Umdeutung die Wertungen und Zurechnungsgrundsätze des Begehungsdelikts zu unterlaufen. Denn wegen der konkurrenzrechtlichen Subsidiarität der Unterlassungsstrafbarkeit1055 hätte diese ohnehin nur dann eigenständige Bedeutung, wenn sich die Begehungsstrafbarkeit nicht begründen ließe. Gerade in diesen Fällen muss aber verhindert werden, dass durch die Umdeutung eines identischen Verhaltens die Wertung, die dem Strafausschließungsgrund zugrunde liegt, unterlaufen wird. Auch mit dem Rechtsgüterschutz lässt sich in dieser Konstellation die Garantenpflicht nicht begründen, denn anders als in den Fällen, in denen der Täter den schädigenden Kausalverlauf bereits vollständig in Gang gesetzt hat, entfaltet das Handlungsverbot in dieser Konstellation noch Wirkung, denn seine mangelnde Bereitschaft, dieses zu erfüllen, hat der Täter noch nicht zum Ausdruck gebracht. Um die Entstehung der Gefahr zu unterbinden, bedarf es also keines zusätzlichen Handlungsgebotes, weil insoweit bereits die Verbotsnorm wirkt.1056 Genau um eine solche Konstellation könnte es sich jedoch vorliegend handeln. Was dem vermeintlichen mittelbaren Täter bzw. Mittäter in Form der Unterlassungsstrafbarkeit zum Vorwurf gemacht werden soll, ist, dass er es zur Ansatzhandlung hat kommen lassen. Genau dieses Handlungsverbot liegt jedoch auch dem mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichem Begehungstatbestand zugrunde. Veranschaulichen lässt sich das am Klingel1055 Siehe
1056 Stein,
dazu bereits die Nachweise in Fn. 987. JR 1999, S. 265, 270; Tag, JR 1995, S. 133, 136.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Fall:1057 Nach der Vorstellung von B und C, nach der eine Garantenpflicht bestehen müsste, haben sie zusammen mit A den Plan gefasst, die Eheleute D auszurauben. Dazu hat A bislang an der Haustür geklingelt, B und C sollten dann im Anschluss unmittelbar in die Wohnung stürmen und mit der weiteren Ausführung des Tatplans beginnen. Der Verhaltensnormverstoß, der die Strafbarkeit von B und C wegen versuchten Raubes in Mittäterschaft gem. §§ 249, 25 II, 22 StGB tragen könnte, besteht dabei darin, dass sie gegen das Verbot verstoßen haben, gemeinschaftlich mit anderen den Gewahrsam eines Dritten gewaltsam zu brechen. Nach dem Vorschlag von Krack soll sich der Unterlassungsvorwurf nun daraus ergeben, dass B und C jegliche Bemühungen unterlassen haben, den tatbestandlichen Erfolg zu verhindern, sie also nicht eingeschritten sind, um zu verhindern, dass der Gewahrsam eines Dritten gebrochen wird. Bereits dieses Beispiel zeigt, dass die Unterlassungskonstruktion, die für die Fälle der vermeintlichen Täterschaft erwogen wird, auf einer Verhaltensnorm fußt, die mit derjenigen des entsprechenden Begehungsdelikts vollkommen identisch ist. Dass dennoch der Anschein erweckt wird, es handele sich um einen selbstständigen Vorwurf, hängt mit der der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung vorgelagerten Vorbereitungshandlung zusammen, die als Anknüpfungspunkt für die Garantenpflicht gewählt wird. Eine Sukzession der Verhaltensformen mit jeweils unterschiedlichen Verhaltenspflichten, wie sie für die sonstigen Fälle der Ingerenz nach vorsätzlichem Vorverhalten charakteristisch ist, besteht nur mit Blick auf die in § 30 StGB kriminalisierte Tatverabredung bzw. Einwirkung auf den Vordermann. Insofern ließe sich eine vergleichbare Struktur ausmachen, denn mit der Tatverabredung bzw. Instrumentalisierung verstößt der Täter zunächst allein gegen das Handlungsverbot, sich mit anderen zum Zwecke der Tatausführung zusammenzuschließen und somit eine abstrakte Gefahr für das Rechtsgut zu begründen. Das Handlungsgebot, auf das sich die Unterlassungsstrafbarkeit stützen soll, bezieht sich dagegen auf die Verhinderung der weiteren Fortentwicklung der Gefährdung hin zur Schadensrealisierung und erfüllt daher im Vergleich zu der § 30 StGB zugrundeliegenden Verhaltensnorm eine selbstständige Funktion. Mit dieser Überlegung lassen sich jedoch die geschilderten Bedenken nicht ausräumen. Denn wie gezeigt lässt sich eine Garantenpflicht aus Ingerenz bei vorsätzlichem Vorverhalten nur dann legitimieren, wenn sie notwendig ist, um ein selbstständiges, sich aus der fehlenden Unterbrechung des schadenträchtigen Kausalverlaufs ergebendes Unrecht zu erfassen.1058 Für die Legitimierbarkeit und Notwendigkeit, den Täter auch dann, wenn er den Erfolg vorsätzlich anstrebt, zur Erfolgsabwendung zu verpflichten, ist entscheidend, 1057 BGHSt 1058 Stein,
39, 236. Ausführlich zu diesem Fall bereits in Kap. 1 A. I. 1. JR 1999, S. 265, 267. Ähnlich auch Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt
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ob eine Verhaltenssteuerung und der Rechtsgüterschutz insgesamt bereits durch andere Vorschriften hinreichend gesichert sind,1059 sodass Vergleichsmaßstab nicht allein § 30 StGB, sondern nur die Rechtsordnung im Ganzen sein kann. Träfe die Vorstellung von B und C zu, wäre der Vorwurf, der ihnen über die Tatverabredung hinaus zu machen wäre, in erster Linie, dass sie sich aktiv an der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans beteiligt haben, indem sie gemeinsam mit A zum Tatort gefahren und sich dort in der Bereitschaft, sogleich in das Geschehen einzugreifen, aufgehalten haben. Dass B und C zugleich auch das aktive Ansetzen des A nicht verhindert haben, beinhaltet demgegenüber keinen zusätzlichen Unwert, den es mithilfe einer Unterlassungsstrafbarkeit zu erfassen gäbe. Das Unterlassen tritt hier gerade nicht als vom pflichtwidrigen Vorverhalten zu trennendes Verhalten, das Gegenstand einer selbstständigen Handlungspflicht ist, in Erscheinung, sondern mit der von Krack postulierten Unterlassungskonstruktion wird vielmehr das tatbestandsmäßige Verhalten in ein Unterlassen umgedeutet, ohne dass die Verhaltensnorm, welche die Grundlage dieses Unterlassungsvorwurfs bildet, eine andere ist. Auch damit, dass es anders als beim Alleintäter nicht um die Verhinderung einer selbst geschaffenen Gefahr, sondern um die Abwehr der gefahrbegründenden Handlung eines Dritten geht, lässt sich eine eigenständige Funktion des Handlungsgebotes nicht begründen. Denn auch das Handlungsverbot des mittäterschaftlichen Tatbestandes richtet sich gegen die gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung und damit ebenfalls bereits darauf, andere nicht als Komplizen zur Tatbestandsverwirklichung einzusetzen. Durch die Umformulierung dieser Verhaltenspflicht in ein Handlungsgebot würde vielmehr aus jedem mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Handeln ein Unterlassen gemacht. Dadurch droht die Gefahr, mithilfe der Unterlassungsstrafbarkeit die Wertungen des Begehungsdelikts und in diesem speziellen Fall die Beteiligungsdogmatik zu unterlaufen. Liegen nämlich die Tatherrschaftsvoraussetzungen vor, sodass dem Mittäter bzw. mittelbaren Täter die Gesamttat zugerechnet werden kann, spielt die Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt ohnehin keine Rolle, weil sie konkurrenzrechtlich hinter der Strafbarkeit aus dem gemeinschaftlich bzw. mittelbar begangenen Delikt zurücktritt.1060 Eine Handlungspflicht zur Abwendung der mittäterschaftlichen bzw. mittelbar-täterschaftlichen Tat ist also nur dann von Bedeutung, wenn sich eine täterschaftliche Verantwortung für das Begehungsdelikt nicht begründen lässt. Dann ist aber zu befürchten, dass eine Unterlassungsstrafbarkeit die Wertung, das Zurechnungssubjekt sei eben nicht für die begangene Gesamttat verant1059 Ähnlich Stein, JR 1999, S. 265, 270. Ihm zustimmend Schneider, NStZ 2004, S. 91, 92. 1060 Vgl. dazu bereits Fn. 987.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
wortlich, unterliefe. Dies lässt sich an einem einfachen Fall veranschaulichen: A, B und C verabreden, den O gemeinsam auszurauben. Dazu sollen A und B den O gemeinsam festhalten, C soll dem wehrlosen O dann das Portemonnaie aus der Tasche ziehen. Weil A am Tattag krank ist, führen B und C die geplante Tat dann jedoch allein aus. Hier fehlt es an einem mittäterschaftlichen Tatbeitrag des A zu dem Raubgeschehen, sodass ihm dieses nicht gem. § 25 II StGB zugerechnet werden kann. Würde aber bereits die Tatverabredung eine Garantenstellung aus Ingerenz begründen, wäre A allein deshalb, weil er die Tat der anderen nicht aktiv verhindert hat, wegen Raubes durch Unterlassen strafbar. Mit der Verlagerung des strafrechtlichen Vorwurfs von der aktiven Beteiligung an der mittäterschaftlichen Tat auf das Nichtverhindern der durch die übrigen Mitwirkenden begangenen Tat, würde zugleich auch das Vorliegen der tatherrschaftsbegründenden Umstände obsolet. Faktisch würde diese Unterlassungskonstruktion denjenigen, der an der Tatverabredung beteiligt war, unabhängig von seiner Rolle im späteren Tatgeschehen für dieses verantwortlich machen. Über das Unterlassen würde eine Beteiligung auch in Fällen begründet, in denen eine Tatherrschaft eigentlich nicht besteht. Man mag dem entgegenhalten, dass eine unmittelbare Übertragung der Tatherrschaftskriterien auf die Beteiligung durch Unterlassen ohnehin schwer möglich ist und es deshalb der besonderen Struktur des Unterlassens geschuldet sei, dass die Täterschaft durch Unterlassen sich auch für Fälle begründen lässt, in denen der aktive Beitrag keine Tatherrschaft begründet. Dies ist jedoch nur dann zutreffend, wenn sich dieser Unterlassungsvorwurf auf einen selbstständigen Unwert stützt. Vorliegend soll aber die Garantenstellung gerade auf diejenigen Umstände gestützt werden, die auch die Tat herrschaft begründen würden, mit der Einschränkung, dass es anders als für die Strafbarkeit aus dem Begehungsdelikt nicht darauf ankommen soll, ob diese tatbeherrschende Stellung auch tatsächlich im tatbestandsmäßigen Geschehen eingenommen wurde. Damit wird aber die Haftung aus vorangegangenem Tun nicht nur unübersehbar erweitert,1061 sondern zugleich auch durch die bloße Umdeutung des Verhaltens aus jeder fehlgegangenen Beteiligung durch aktives Tun eine Beteiligung durch Unterlassen gemacht, ohne dass dieses Unterlassen einen spezifischen Unwert enthielte, der sich von demjenigen des Begehungsvorwurfs unterschiede. Die Garantenstellung aus Ingerenz erfüllte in dieser Konstellation nur den Zweck, kriminalpolitisch wünschenswerte Ergebnisse für Fälle zu erzielen, in denen die Voraussetzungen der Mittäterschaft bzw. mittelbaren Täterschaft nicht vorliegen. Damit würden zugleich aber auch stets die Tatherrschaftsvoraussetzungen unterlaufen. 1061 Schönke/Schröder-Heine/Weißer,
StGB, Vor § 25 Rn. 101.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt
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Dies erscheint vor allem im Hinblick auf den Grundgedanken der Tatherrschaft und die bisher angestellten Erwägungen zur Ableitung einer Ingerenzgarantenpflicht aus der Verabredung bzw. der Einwirkung auf den Tatmittler problematisch. Denn dass dem mittelbaren Täter bzw. Mittäter trotz der zu diesem Zeitpunkt erst abstrakten Gefährdung des geschützten Rechtsgutes und dem Dazwischentreten der oder des unmittelbar Handelnden eine Erfolgsabwendungspflicht erwächst, stützt sich gerade auf seinen Einfluss auf den Ausführenden. Kommt ein solcher dem Täter aber nicht zu, hat er also keine tatbeherrschende Stellung im Geschehen inne, bedeutet dies umgekehrt auch, dass nicht er, sondern nur der unmittelbar Ausführende die Verantwortung für dieses Geschehen trägt. Würde dagegen auf die Tatverabredung bzw. Instrumentalisierung als garantenstellungsbegründenden Umstand abgestellt und aus diesem dann die Verantwortung für das spätere deliktische Geschehen abgeleitet, würde dadurch der Tatbestandsbezug der Tatherrschaft und damit auch die Tatherrschaftslehre preisgegeben. Sie würde ihre Begrenzungsfunktion vollständig verlieren. Stattdessen würde die Täterstellung allein auf die im Vorbereitungsstadium der Tat liegende Einflussnahme auf einen anderen gestützt. Allein mit der dem eigentlichen Ausführungsstadium so weit vorgelagerten Einwirkung lässt sich aber die Durchbrechung des Verantwortungsprinzips nicht legitimieren. Überdies bestünde auch die Gefahr, die Teilnahmevorschriften zu unterlaufen. Denn der vermeintliche mittelbare Täter unterschätzt den Vordermann insoweit, als dieser nicht als deliktisches Werkzeug, sondern strafrechtlich voll verantwortlicher unmittelbarer Täter agiert. Somit liegt objektiv eine Situation vor, die der Anstiftung bzw. psychischen Beihilfe entspricht.1062 Ein solches Verhalten soll jedoch nach der Wertung des Gesetzgebers ebenfalls nur dann strafbar sein, wenn die Haupttat vorsätzlich und rechtswidrig begangen wurde und sich auch der Vorsatz des Teilnehmers hierauf erstreckt. Würde aber bereits die vermeintliche Instrumentalisierung, bei der es sich objektiv um eine Bestimmungshandlung handelt, eine Handlungspflicht auslösen und somit eine Unterlassungsstrafbarkeit begründen, würde diese Restriktion unterlaufen. Der Gedanke, dass sich die Bestimmung der Garantenverantwortlichkeit bei Ingerenz an den Zurechnungskriterien des Begehungsdelikts zu orientieren hat, ist keinesfalls neu.1063 Auch Rudolphi hält nur ein solches Vorverhalten für ingerenzbegründend, „das es uns erlaubt, dem Unterlassenden die 1062 Ausführlich
dazu sogleich in Kap. 1 D. bereits Dencker, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 159, 171 ff.; Hoven, GA 2016, S. 16, 30 ff.; Otto, in: FS Gössel (2002), S. 99, 115; Paradissis, S. 144 ff.; Roxin, in: FS Trechsel (2002), S. 551, 557 ff.; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 153. 1063 Ähnlich
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
herbeigeführte Gefahrenlage auch objektiv zur Person zuzurechnen“.1064 Und auch Dencker will das ingerenzbegründende Verhalten denselben Anforderungen unterwerfen wie die aktive Handlung beim Begehungsdelikt.1065 Dies kann aber nicht nur für den Charakter der Handlung, ihre Nähe zur Tatbestandsverwirklichung, sondern muss gerade auch für die täterschaftliche Verantwortung gelten. Dafür spricht auch, dass die abstrakte Gefahr, die dadurch geschaffen wird, dass man versucht, einen anderen für seine deliktischen Pläne zu gewinnen, bereits durch § 30 StGB erfasst wird. Daher besteht bereits kein kriminalpolitisches Bedürfnis, alle Fälle der Beteiligung an der Tatvorbereitung unabhängig von der Einflussnahme auf die spätere Tatbestandsverwirklichung über die Unterlassungsstrafbarkeit erfassen zu können. Außerdem würde ansonsten die in § 30 Abs. 1 StGB enthaltene Strafmilderung unterlaufen. 4. Ergebnis Diejenigen Umstände, die sich der vermeintliche Täter irrtümlich vorstellt, begründen somit keine Garantenstellung aus Ingerenz, sodass sich mangels Garantenplicht eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs des unechten Unterlassungsdelikts nicht begründen lässt.
IV. Strafbarkeit gem. § 323c StGB Möglicherweise lässt sich dann jedenfalls eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB begründen. 1. Unglücksfall Dafür müsste das Handeln des vermeintlichen Mittäters bzw. mittelbaren Täters überhaupt einen Unglücksfall darstellen. Ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erheblichen Schaden an Menschen oder Sachen zu verursachen droht.1066 Dabei kann es 1064 Rudolphi,
Gleichstellungsproblematik, S. 153. in: FS Stree/Wessels (1993), S. 171 ff. 1066 BGHSt 3, 65, 66; BGH NJW 2012, 1237, 1239; Kindhäuser, BT I, § 72 Rn. 4; Krey/Heinrich/Hellmann, BT I, Rn. 1157; Küper/Zopfs, BT, Rn. 516; Lackner/KühlKühl, StGB, § 323c Rn. 2; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 42; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 18; Pfannmüller, MDR 1973, S. 725; Rengier, BT II, § 42 Rn. 3; Schönke/ Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 5; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 284; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 7. 1065 Dencker,
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt
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sich auch um eine Straftat Dritter handeln,1067 sodass die Tatsache, dass sich die Gefahr vorliegend aus dem vorsätzlich-rechtswidrigen Handeln des vermeintlichen Mittäters bzw. mittelbaren Täters ergibt, der Annahme eines Unglücksfalles nicht entgegensteht. Auch reicht grundsätzlich ein erst drohender Schaden für die Annahme eines Unglücksfalls aus.1068 Damit ließen sich über § 323c StGB nicht nur diejenigen Fallgestaltungen erfassen, in denen es bereits zu einem Erfolgseintritt gekommen ist, sondern auch die weit praxisrelevanteren Konstellationen, in denen die geplante Tat nur in das Versuchsstadium gelangt. Die Beurteilung, ob ein Schaden droht und somit ein Unglücksfall vorliegt, erfolgt nach h. M. ex post,1069 mit der Folge, dass nur eine tatsächlich bestehende Gefahrensituation eine Hilfeleistungspflicht auslösen kann. Für das Erfordernis einer objektiv vorliegenden Gefährdung spricht neben dem Wortsinn1070 vor allem auch, dass § 323c StGB eine moralische Soldiaritätspflicht im Interesse des Verunglückten zu einer Rechtspflicht verstärkt, sodass es sinnvoll ist, diese Pflicht auf Fälle zu beschränken, in denen es tatsächlich zu einem Unglücksfall gekommen ist und daher auch ein echtes Schutzbedürfnis auf Opferseite besteht.1071 § 323c StGB dient ebenso wie die 1067 BGHSt 3, 65, 66; BGHSt 30, 391; BGH NJW 1982, 1235; BGH NStZ 1997, 127; BGH NJW 2012, 1237, 1239; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 39 Rn. 14; Kindhäuser, BT I, § 72 Rn. 6; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 45; Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT II, § 55 Rn. 14; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 65; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 4; Pfannmüller, MDR 1973, S. 725; Rengier, BT II, § 42 Rn. 5; Schönke/ Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 7; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 16. 1068 BGH NJW 2012, 1237, 1239; Küper/Zopfs, BT, Rn. 516; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 40; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 19; Schönke/Schröder-SternbergLieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 5; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 12; ders., in: FS Küper (2007), S. 607, 610. 1069 Ausführlich dazu Stein, in: FS Küper (2007), S. 607 ff. Vgl. auch Arzt/Weber/ Heinrich, BT, § 39 Rn. 5; Kindhäuser, BT I, § 72 Rn. 9; Küper/Zopfs, BT, Rn. 519; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 2; Rengier, BT II, § 42 Rn. 4; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 284; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 8. Differenzierend Geppert, Jura 2005, S. 39, 42; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 35; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 7; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 2. Die a. A. will dagegen auf die ex ante-Sicht eines verständigen Betrachters abstellen, Fischer, StGB, § 323c Rn. 9. MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 37 ff. will sogar auf die ex ante-Beurteilung des Hilfspflichtigen abstellen und verlangt lediglich als strafbarkeitsbeschränkendes Korrektiv, dass bei verständiger Würdigung der Sachlage, die sich dem Hilfspflichtigen ex ante darbietet, tatsächlich ein Unglücksfall vorliegen müsse. 1070 Küper/Zopfs, BT, Rn. 519; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 284; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 8; ders., in: FS Küper (2007), S. 607, 625 f. Anders MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 43. 1071 Geppert, Jura 2005, S. 39, 42; Kindhäuser, LPK-StGB, § 323c Rn. 9; Küper/ Zopfs, BT, Rn. 519. Kritisch dazu MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 41.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Garantenstellung aus Ingerenz dem Ausgleich von Freiheitssphären. Anders als dort wird aber durch § 323c StGB ein völlig Unbeteiligter zur Hilfeleistung verpflichtet, sodass mit Blick auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip die Hilfeleistungspflicht auf die für das geschützte Rechtsgut, die Individualrechtsgüter des Verunglückten,1072 zwingend notwendigen Hilfeleistungspflichten beschränkt werden sollte. Dass sich auch der Gesetzgeber diesem Grundgedanken verpflichtet fühlte, zeigt sich darin, dass er die Hilfeleistungspflicht auf die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen beschränkt und den Versuch der unterlassenen Hilfeleistung nicht mit Strafe bedroht hat. Aus diesen Gründen ist es nur konsequent, die Hilfeleistungspflicht auf eine tatsächliche Gefährdung des Rechtsgutes zu beschränken. In der überwiegenden Zahl der Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft fehlt es jedoch objektiv an einer Gefährdung des Rechtsgutes. Charakteristisch für diesen Irrtum über tatherrschaftsbegründende Umstände ist gerade, dass der ausführende Mittäter sich von der gemeinsamen Tat losgesagt hat und damit die von ihm vollzogene Handlung nicht (mehr) von dem Willen getragen ist, gemeinschaftlich den Tatbestand des jeweiligen Deliktes zu verwirklichen. Er hat deshalb entweder – wie im Klingelfall1073 – die drohende Gefahr dadurch abgewendet, dass er die Polizei verständigt hat, die ausschließen soll, dass es zu einem Schadenseintritt kommt oder es bestand – wie im Münzhändler-Fall1074 – von vornherein nie eine Gefahr für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut, weil die Handlung des vermeintlichen Mittäters wegen seines fehlenden Vorsatzes nicht geeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Allein in Fällen, in denen es wegen der unzureichenden Sicherungsmaßnahmen des vermeintlichen Mittäters trotz seines fehlenden Vorsatzes zu einer Schadensrealisierung kommt, besteht objektiv eine Notwendigkeit, rettend einzugreifen. Veranschaulichen lässt sich diese Konstellation am Bleiwesten-Fall1075: 1072 Die Individualrechtsgüter des in Not Geratenen erachten auch BGHSt 14, 213, 215 f.; BGH NJW 2002, 1356, 1357; OLG Celle NStZ 1988, 568; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2370, 2371; Arzt/Weber/Heinrich, BT, § 39 Rn. 1; Fischer, StGB, § 323c Rn. 2; Geppert, Jura 2005, S. 39, 40; Kühl, in: FS Frisch (2013), S. 785, 788, 794; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 29; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 2; NK-StGBGaede, § 323c Rn. 2; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 1; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 283 f.; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 2 m. w. N. als das tatbestandlich geschützte Rechtsgut. Zum Teil wird dagegen auch allein der Schutz mitmenschlicher Solidarität, auf die der Einzelne oder die Allgemeinheit in bestimmten Notsituationen vertraut, als das geschützte Rechtsgut angesehen, so z. B. Maurach, JR 1956, S. 348, 349; Neumann, JA 1987, S. 244, 255; Otto, BT, § 67 Rn. 1; Welzel, Strafrecht, S. 470. 1073 BGHSt 39, 236 ff. Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 1. 1074 BGHSt 40, 299. Ausführlich oben Kap. 1 A. I. 1. 1075 Beispiel nach Buser, S. 144.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt
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A plant zum Schein mit dem tatbereiten B, zu einem bestimmten Termin auf C zu schießen, um diesen anschließend gemeinsam berauben zu können. Bereits vor dieser Verabredung vereinbarten A und C unter Einschaltung der Polizei, dass C am besagten Termin mit einer kugelsicheren Bleiweste erscheinen soll, damit der von A auf ihn abgefeuerte Schuss ihm nichts anhaben könne. Nach Abgabe des Schusses und in dem Augenblick, in dem B über den am Boden liegenden C herfallen würde, sollte die Polizei B festnehmen. Aus unerfindlichen Gründen greift C zu einer veralteten und untauglichen Weste, sodass der von A abgefeuerte Schuss sein Ziel findet und C verletzt.
In diesem Fall ist die gefährliche Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 2 Var.1, Nr. 4 und Nr. 5 StGB trotz des fehlenden Vorsatzes des vermeintlichen Mittäters vollendet, sodass von dem Schuss auch objektiv eine Gefahr für das Leben des C ausging.1076 In den übrigen Fallgestaltungen nimmt der seine eigene Position im deliktischen Geschehen überschätzende Mittäter eine solche Gefährdung nur irrtümlich an. Weil der Versuch des § 323c StGB nicht strafbewehrt ist, folgt daraus für einen Großteil der Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft, dass eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung ausscheidet, weil es an einem Unglücksfall fehlt, der eine Hilfeleistungspflicht auslösen könnte. Eine Strafbarkeit gem. § 323c StGB kommt daher allenfalls für diejenigen Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft, in denen die Sicherungsmaßnahmen des (inzwischen) vorsatzlos agierenden vermeintlichen Mittäters unzureichend waren und es daher tatsächlich zu einer Gefahrensituation gekommen ist, und darüber hinaus vor allem für die Fälle der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft in Betracht. Hier ist es nämlich durchaus denkbar, dass der vermeintliche Tatmittler, der entgegen der Vorstellung des Hintermannes das tatbestandliche Geschehen in vollem Umfang überblickt, die vom Hintermann geplante Tat begeht.1077 Ist dem so, droht durch das vorsätzlich-rechtswidrige Handeln des Vordermannes tatsächlich ein Schaden, zu dessen Abwendung der vermeintliche mittelbare Täter verpflichtet sein könnte. 2. Möglichkeit und Erforderlichkeit der Hilfeleistung Eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung lässt sich jedoch nur begründen, wenn der vermeintliche Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten überhaupt in der Lage war, die geforderte Hilfeleistung zu realisieren.1078 1076 Buser,
S. 144 spricht von einer vollendeten schweren Körperverletzung. bspw. den oben in Kap. 1 A. II. 1. gebildeten Injektionsspritzen- und in Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (6). geschilderten Jagd-Fall. 1078 Zu diesem Erfordernis RGSt 75, 68, 73; BGHSt 2, 296, 299; BGHSt 21, 50, 53; BGH NJW 1983, 351; Fischer, StGB, § 323c Rn. 14; Geppert, Jura 2005, S. 39, 44; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 55 Rn. 8; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 3; 1077 Vgl.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Dies ist Einzelfallfrage und kann nicht pauschal für alle Fälle der vermeintlichen Täterschaft beantwortet werden. Da der seine eigene Position im Geschehen überschätzende Beteiligte jedoch typischerweise bereits im Vorbereitungsstadium Kenntnis von der geplanten Tat hat, weil er sich mit dem Ausführenden zur gemeinsamen Tatbegehung verabredet bzw. versucht, den vermeintlichen Tatmittler für die Tatbegehung zu instrumentalisieren, wird es ihm in der Regel zumindest möglich sein, die Rechtsgutsverletzung durch die Verständigung der Polizei zu unterbinden. Zudem muss die Hilfeleistung erforderlich sein, weil ohne sie nicht unerhebliche Schäden drohen und der Betroffene oder Dritte nicht bereits in ausreichender Weise Hilfe leisten.1079 Nach überwiegender Ansicht beurteilt sich dies aus der ex ante-Sicht eines verständigen Beobachters.1080 An diesem Erfordernis scheitert die Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters in den verbleibenden Fällen, in denen ein Unglücksfall deshalb besteht, weil die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen unzureichend sind. Denn dem vermeintlichen Mittäter soll zum Vorwurf gemacht werden, gegen die Herbeiführung des Unglücksfalles, also die Vornahme der Tathandlung durch seinen Komplizen, nicht eingeschritten zu sein. Zeitlich wird also ein Einschreiten vor Tatbeginn gefordert. Wegen der fehlenden Tatbereitschaft des Ausführenden kann aber jedenfalls dieser effektive Verhinderungsmaßnahmen ergreifen und in der Regel sind sogar das vermeintliche Opfer und die Polizei eingeweiht und können demnach ebenfalls in ausreichender Weise Hilfe leisten. Für ein Tätigwerden des weiterhin an die plangemäße Durchführung der Tat glaubenden Mittäters besteht also objektiv kein Bedarf. Der vermeintliche Mittäter hat zudem auch in diesen Fällen sogar selbst oder durch Dritte Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Dass diese sich letztlich als unzureichend erweisen, war selbst für die eingeweihten Beteiligten nicht erkennbar, sodass auch ein verständiger Beobachter es aus der ex ante-Perspektive für nicht erforderlich erachtet hätte, tätig zu werden. Somit scheidet auch für die übriRengier, BT II, § 42 Rn. 12; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 22; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 17. 1079 BGHSt 2, 296, 298; BGH NJW 1952, 394; BGH NStZ 1997, 127; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 531; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 39 Rn. 17; Geppert, Jura 2005, S. 39, 44 f.; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 5; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 81, 88 f.; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 10; Rengier, BT II, § 42 Rn. 10; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 15; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 285; Wessels/Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 1153. 1080 BGHSt 17, 166; Geppert, Jura 2005, S. 39, 44; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 5; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 76; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 10; Rengier, BT II, § 42 Rn. 9; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 14; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 285. Anders SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 25, 31; ders., in: FS Küper (2007), S. 607, 625 ff.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt
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gen Fälle der vermeintlichen Mittäterschaft eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB aus. 3. Hilfeleistungspflicht bei vorsätzlich-rechtswidrigem Vorverhalten Jedenfalls für den vermeintlichen mittelbaren Täter besteht aber in der Regel die Möglichkeit und Notwendigkeit einzuschreiten, sodass sich die Frage stellt, ob zumindest er gegen die Pflicht verstößt, den Unglücksfall zu verhüten. Ähnlich wie bei der Garantenstellung aus Ingerenz hängt der Bestand einer solchen Rettungspflicht davon ab, ob sich die allgemeine Hilfeleistungspflicht trotz des auf die täterschaftliche Verursachung des Unglücksfalls gerichteten Vorsatzes begründen lässt. Auch für die Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung wäre Ansatzpunkt die Nichtabwendung der Ansatzhandlung des vermeintlichen Tatmittlers bzw. Mittäters, sodass sich wiederum die Frage stellt, ob ein solches Verhinderungsgebot aus Rechtsschutzgründen legitimierbar und mit den Wertungen des Begehungsdelikts vereinbar ist.1081 Bereits der jeweilige Deliktstatbestand enthält das Handlungsverbot, das tatbestandlich geschützte Rechtsgut zu verletzen. Daher ist entscheidend, ob eine Verhaltensnorm mit dem Inhalt, es sei geboten, den drohenden Unglücksfall dadurch abzuwenden, dass man die den Unglücksfall herbeiführende Handlung unterlässt, sinnlos wäre, weil sie mit dem Handlungsverbot des jeweiligen Deliktstatbestandes identisch ist.1082 Das OLG Celle und ein Teil des Schrifttums halten eine solche Verpflichtung sogar für widersinnig, weil so von dem Täter verlangt würde, mit der einen Hand ungeschehen zu machen, was er mit der anderen Hand willentlich anrichtet.1083 Zudem werde der Zweck, das Verhalten von Straftätern im Sinne eines optimalen Rechtsgüterschutzes zu lenken, um so einen Unglücksfall zu verhüten, bereits durch das Handlungsverbot des Begehungsdeliktes erreicht, 1081 Diese Fragestellung kann nicht mit der Problematik, inwieweit dem Täter eines vorsätzlichen Begehungsdelikts die Abwendung der aus der abgeschlossenen Tathandlung resultierenden Gefahren zugemutet werden kann, gleichgesetzt werden. Denn nur in dem hier untersuchten Fall ist zweifelhaft, ob das Verhinderungsverbot überhaupt eine selbstständige Funktion erfüllt oder allein die Strafbarkeit aus dem Begehungsdelikt über den Unterlassungsvorwurf aufrollt. Geht es dagegen um die Beseitigung der bereits entstandenen Gefahren, ist das zusätzliche Handlungsgebot in jedem Fall mit Blick auf einen umfassenden Rechtsgüterschutz notwendig. Zur Erforderlichkeit einer solchen differenzierten Betrachtung auch Pfannmüller, MDR 1973, S. 725 f. und Stein, JR 1999, S. 265, 270. 1082 So Stein, JR 1999, S. 265, 270. 1083 OLG Celle, NJW 1970, 341; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 39 Rn. 25; HK-GS-Verrel, § 323c Rn. 10; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 8; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 55 Rn. 12; Oehler, JuS 1961, S. 154, 155; Pfannmüller, MDR 1973, S. 725, 726; Tag, JR 1995, S. 133, 136.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
sodass das Gebot des § 323c StGB keine darüber hinausgehende Funktion erfüllen würde.1084 Eine Hilfeleistungspflicht, die darauf gerichtet ist, die deliktische Handlung, die den Unglücksfall herbeiführt, zu unterlassen, sei dem Täter nicht zumutbar.1085 Die widersinnige Konsequenz, dass der Täter, dem die Vornahme der Tathandlung bereits in Form des vorsätzlichen Begehungsdelikts zur Last gelegt wird, zugleich stets wegen unterlassener Hilfeleistungspflicht strafbar wäre, ließe sich jedoch auch auf Konkurrenzebene ausräumen. So könnte dem Umstand, dass der Täter sich durch seine Handlung bereits aus dem vorsätzlichen Begehungsdelikt strafbar macht, dadurch Rechnung getragen werden, dass die tatbestandlich verwirklichte Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung im Wege der Subsidiarität zurücktritt.1086 Dies hätte den Vorteil, in Fällen, in denen die Strafbarkeit aus dem vorsätzlichen Begehungsdelikt nicht begründet oder nachgewiesen werden kann, dennoch aus § 323c StGB bestrafen zu können.1087 Dass dafür unter Umständen ein Bedürfnis bestehen kann, zeigen gerade die Fälle der vermeintlichen Täterschaft. Eine Versuchsoder Vollendungsstrafbarkeit wegen aktiven Tuns lässt sich in der Regel nicht begründen.1088 Auch ob sich eine Teilnahmestrafbarkeit begründen lässt, erscheint äußerst zweifelhaft.1089 Somit hat der vermeintliche mittelbare Täter die Herbeiführung des Unglücksfalles zwar in seinen Vorsatz aufgenommen, kann für sie jedoch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Wäre wegen der erstrebten Beteiligung an dem tatbestandsmäßigen Geschehen nun jedoch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung tatbestandlich ausgeschlossen, würde der Vorsatz dem mittelbaren Täter letztlich zum Vorteil gereichen. Denn er ist wegen seiner objektiv fehlenden Steuerungsmacht nicht aus dem Begehungsdelikt zu bestrafen und macht sich wegen seines überschießenden Vorsatzes aber auch nicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar, während ein unbeteiligter Dritter, sofern 1084 Tag,
JR 1995, S. 133, 136.
1085 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf,
BT, § 39 Rn. 25; HK-GS-Verrel, § 323c Rn. 10; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 8; Oehler, JuS 1961, S. 154, 155. Tag, JR 1995, S. 133, 136 geht dagegen davon aus, der Täter sei nicht Adressat des § 323c StGB. Vgl. auch Geppert, Jura 2005, S. 39, 47. 1086 So Fischer, StGB, § 323c Rn. 38; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 16; Schönke/ Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 30; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 53; Wessels/Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 1159. 1087 So Fischer, StGB, § 323c Rn. 38; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 16; Wessels/ Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 1159. Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 8 kommt zu demselben Ergebnis über die Annahme eines „normativ-ethischen Stufenverhältnisses“. Ähnlich auch LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 217; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 55 Rn. 12. 1088 Vgl. dazu und zu den Ausnahmen Kap. 1 B. XII. 1089 Dazu ausführlich sogleich in Kap. 2 D.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt291
er die Gefährdungslage und die Notwendigkeit eines Eingreifens erkennt, sehr wohl den Tatbestand des § 323c StGB verwirklichen würde. Jedenfalls wegen der ansonsten unbilligen Strafbarkeitslücken besteht also ein Bedürfnis dafür, ein entsprechendes Verhinderungsgebot zu statuieren. Da sich auch die Strafbarkeit des vermeintlichen Täters wegen unterlassener Hilfeleistung darauf stützen würde, gegen die Handlung des Ausführenden nicht eingeschritten zu sein, besteht jedoch wiederum die Gefahr, die mögliche Beteiligung an der aktiven Begehung in ein Unterlassen umzudeuten und dadurch die Beteiligungsdogmatik ebenso wie sonstige Zurechnungsgrundsätze des Begehungsdelikts zu unterlaufen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 323c StGB im Gegensatz zum unechten Unterlassungsdelikt keine spezifische, sondern nur eine allgemeine, jedermann obliegende Hilfeleistungspflicht voraussetzt. Die Bedenken gegen die Garantenstellung aus Ingerenz resultierten jedoch vor allem daraus, dass mit ihr über die Umdeutung des Verhaltens in ein Unterlassen eine täterschaftliche Verantwortung für ein tatbestandsmäßiges Geschehen begründet würde, das der vermeintliche Täter gerade nicht tatherrschaftlich in den Händen hält. Der Wertungswiderspruch besteht darin, dass über den Umweg des Unterlassens eine Strafbarkeit aus demselben Delikt begründet wird, für das zuvor die Verantwortung des Täters verneint wurde. Diese Gefahr besteht bei einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nicht, würde mit ihr doch nur die Verletzung einer jedem obliegenden Hilfeleistungspflicht und nicht die täterschaftliche Begehung des vom vermeintlichen Tatmittler als unmittelbarem Täter verwirklichten Delikts geahndet. Die Tatherrschaftslehre würde durch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nicht ausgehöhlt, denn ein solcher Schuldausspruch impliziert gerade nicht, der Verurteilte trage die täterschaftliche Verantwortung für das Geschehen, sondern nur, er habe die allgemeine Pflicht verletzt, gegen die täterschaftliche Begehung der Straftat durch einen Dritten nicht eingeschritten zu sein. Gegen eine Gefahr der Aushöhlung der Zurechnungsgrundsätze des Begehungsdelikts spricht auch der deutlich geringere Strafrahmen des § 323c StGB. Über die Zumutbarkeit der Hilfeleistung besteht zudem die Möglichkeit, in Einzelfällen, in denen sich Wertungswidersprüche über die Gesetzeskonkurrenzen nicht in hinreichendem Maße vermeiden lassen, Korrekturen vorzunehmen. Ein allgemeines Bedürfnis, in allen Fällen von einem entsprechenden Verhinderungsgebot abzusehen, besteht dagegen nicht. Somit macht sich derjenige vermeintliche mittelbare Täter, der trotz einer vorhandenen Möglichkeit, die Gefährdung des Rechtsgutes zu unterbinden, untätig bleibt, wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB strafbar.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
V. Ergebnis bezüglich der Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt Weder für den vermeintlichen mittelbaren Täter noch für den vermeintlichen Mittäter lässt sich somit eine Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt begründen. Diejenigen Umstände, die sich der vermeintliche Täter irrtümlich vorstellt, begründen keine Garantenpflicht aus Ingerenz. Aus der Tatverabredung bzw. der Instrumentalisierung eine Garantenstellung abzuleiten, hieße letztlich, eine aktive Beteiligung an einem Begehungsdelikt in ein Unterlassen umzudeuten und so die Tätervoraussetzungen und Zurechnungsgrundsätze zu unterlaufen. Bezüglich der Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung ist zwischen der vermeintlichen mittelbaren und der vermeintlichen Mittäterschaft zu differenzieren. Weil die scheinbare Mittäterschaft dadurch gekennzeichnet ist, dass der Ausführende nicht (mehr) mit dem Willen handelt, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen, fehlt es hier in der Regel bereits an einem Unglücksfall, der ein Einschreiten erforderlich macht oder zumindest an der Erforderlichkeit der Hilfeleistung des Irrenden. Der vermeintliche mittelbare Täter unterschätzt dagegen seinen Vordermann, sodass von diesem tatsächlich eine Gefahr ausgeht, dessen Nichtabwendung dem Hintermann zum Vorwurf gemacht werden kann. Sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise keine Möglichkeit für den scheinbaren mittelbaren Täter besteht, gegen die Tathandlung einzuschreiten oder eine solche Hilfeleistung nicht erforderlich ist, macht er sich also gem. § 323c StGB strafbar. Anders als bei einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt besteht bezüglich der Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung auch nicht die Gefahr, die Beteiligungsdogmatik oder Zurechnungsgrundsätze zu unterlaufen.
D. Strafbarkeit als Teilnehmer Da sich eine täterschaftliche Verantwortung wegen der fehlenden objektiven Steuerungsmacht und der Unmöglichkeit, diese mithilfe der Grundsätze des untauglichen Versuchs zu überwinden, nicht begründen lässt, stellt sich die Frage, ob sich der vermeintliche Täter zumindest als Teilnehmer strafbar macht. Wegen der limitierten Akzessorietät der Teilnahme ist die Teilnahmestrafbarkeit vom Vorliegen einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat abhängig.1090 Deshalb scheidet sie für den vermeintlichen Mittäter in der Regel aus, ist die vermeintliche Mittäterschaft doch durch den fehlenden Vorsatz des Ausführenden gekennzeichnet. Lediglich wenn ein noch zur gemeinsa1090 Vgl. dazu nur Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 22 ff. m. w. N.
D. Strafbarkeit als Teilnehmer293
men Tatbegehung Entschlossener unmittelbar zur Tat ansetzt, läge eine teilnahmefähige Haupttat vor. In diesem Fall besteht aber wegen der in diesem Verhältnis fortbestehenden Einflussmöglichkeit des Zurechnungssubjekts bereits die Möglichkeit einer täterschaftlichen Zurechnung des Außenweltgeschehens.1091 Lässt sich aber eine Strafbarkeit aus dem versuchten mittäterschaftlichen Delikt begründen, tritt eine etwaige Strafbarkeit wegen Teilnahme am Versuch hinter dieser konkurrenzrechtlich zurück,1092 sodass sie auch in dieser Konstellation keine eigenständige Bedeutung hätte. Damit hat sich die Untersuchung einer möglichen Teilnahmestrafbarkeit von vornherein auf die vermeintliche mittelbare Täterschaft zu beschränken: Weil diese dadurch gekennzeichnet ist, dass dem mittelbaren Täter die Instrumentalisierung misslingt, der Tatmittler also entgegen der Vorstellung des Hintermannes die Tat vollverantwortlich begeht, existiert hier eine vorsätzlich-rechtswidrige Haupttat, an der eine Teilnahme in Betracht käme. Auch wenn die Einwirkung auf den Vordermann insoweit fehlgegangen ist, als dass es dem Hintermann nicht gelungen ist, ihn zu seinem Werkzeug zu machen, wird in der Regel erst diese Einflussnahme den vermeintlichen Tatmittler zur Tat bewogen haben. Im Jagd-Fall1093 beispielsweise hätte B ohne die Anweisung der F wohl nie den Entschluss gefasst, G zu töten und auch im Injektionsspritzen-Fall1094 ist der Krankenschwester nur durch die Anweisung des Arztes die Idee gekommen, dessen Schwiegermutter zu vergiften. Objektiv ähnelt die Konstellation also derjenigen der Anstiftung, sodass sich die Frage stellt, ob sich das vom vermeintlichen mittelbaren Täter verwirklichte Unrecht über § 26 StGB erfassen lässt.
I. Bestimmen im Sinne des § 26 StGB Oftmals vernachlässigt wird die Frage, ob es in den Fällen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft bereits an einer Bestimmungshandlung im Sinne 1091 Siehe
dazu oben Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b). NStZ 1991, 29, 30; BGH StV 2000, 136, 138; Fischer, StGB, § 26 Rn. 19; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 47; SK-StGB-Hoyer, § 26 Rn. 33. 1093 Vgl. Kap. 1 A. II. 1. b) ff) (6).: F hat den Entschluss gefasst, ihre Nebenbuhlerin G zu töten, die nachts stets auf einer Lichtung Pilze sammelt. Dazu begibt sie sich mit B auf einen Hochsitz und weist B an, auf die G zu schießen, wobei sie annimmt, der B halte die G für ein Wildschwein. Tatsächlich durchschaut B die Situation, schießt aber trotzdem, um der F einen Gefallen zu tun. 1094 Siehe Kap. 1 A. II. 1.: Dr. A übergibt der vermeintlich arglosen Krankenschwester K eine Spritze, die ein tödlich wirkendes Gift enthält, und weist sie an, diese seiner Schwiegermutter zu injizieren. K durchschaut das Ansinnen, verabreicht aber dennoch die letale Injektion. 1092 BGH
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
des § 26 StGB fehlt.1095 Dies hängt davon ab, ob über das bloß kausale Veranlassen der Haupttat hinaus weitere Anforderungen an die Bestimmungshandlung zu stellen sind. Wird beispielsweise einschränkend ein geistiger Kontakt zwischen Haupttäter und Anstifter für notwendig erachtet, wird nicht jede Form der Instrumentalisierung diesen Anforderungen genügen.1096 Eine Bestimmungshandlung läge dann nur vor, wenn es zu einem (zumindest konkludenten) Kommunikationsakt zwischen den Beteiligten über die zu begehende Tat gekommen ist.1097 Charakteristisch für die Anstiftung wäre also, dass der Anstifter dem Haupttäter einen Rat oder eine Empfehlung erteilt und so auf dessen Entscheidungsprozess Einfluss nimmt.1098 Dies muss bei einer vermeintlichen Instrumentalisierung des Tatmittlers jedoch nicht immer so sein. Denn eine mittelbare Täterschaft ist auch in der Weise denkbar, dass der Hintermann eine bestimmte Situation, beispielsweise eine vermeintliche Rechtfertigungslage, schafft und so den Tatmittler täuscht1099 oder ihn durch Schaffung einer § 35 StGB entsprechenden Situation nötigt1100. Zudem kann auch die Ausnutzung eines bereits bestehenden Irrtums eine Willensherrschaft begründen, beispielsweise wenn man demjenigen, der meint, auf eine Vogelscheuche zu schießen, eine Waffe leiht, obwohl man weiß, dass es sich bei der vermeintlichen Vogelscheuche um einen Menschen handelt.1101 In diesen Fällen steuert der Hintermann zwar den Vordermann, es fehlt aber an einer zumindest konkludenten Kommunikation zwischen beiden. Hielte man 1095 Dazu allein Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 119; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 908 (der die Frage allerdings auch offenlässt); MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158. 1096 So Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 908. Anders Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 119. 1097 Amelung/Boch, JuS 2000, S. 261, 263; Bachmann/Eichinger, JA 2011, S. 509, 510; Ebert, AT, S. 210; Fischer, StGB, § 26 Rn. 3; Frister, AT, § 28 Rn. 22; Geppert, Jura 1997, S. 299, 304; Gerson, ZIS 2016, S. 295, 298; Haft, AT, S. 215; Hinderer, JuS 2009, S. 625, 629; HK-GS-Ingelfinger, § 26 Rn. 8; Jescheck/Weigend, AT, S. 686; Joerden, in: FS Puppe (2011), S. 563, 568 f.; Kretschmer, Jura 2008, S. 265, 266; Krey/Esser, AT, Rn. 1036 ff.; Krüger, JA 2008, S. 492 ff.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 51 Rn. 16 f.; Mosenheuer, S. 145 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Rogall, GA 1979, S. 11, 12; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 3 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 143; Welz, S. 102 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 802. Ähnlich Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 270 f. 1098 Frister, AT, § 28 Rn. 22 f.; Joerden, in: FS Puppe (2011), S. 563, 568 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 51 Rn. 16 f.; Mosenheuer, S. 145 ff.; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 3 f. 1099 Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 25 Rn. 20; Maurach/Gössel/Zipf/Renzi kowski, AT II, § 48 Rn. 31; Roxin, AT II, § 25 Rn. 67. 1100 Statt vieler Roxin, AT II, § 25 Rn. 51 m. w. N. 1101 Roxin, AT II, § 25 Rn. 64. Ebenso Beulke/Witzigmann, AL 2012, S. 251, 255 ff., Freund, AT, § 10 Rn. 58; Jakobs, AT, § 21 Rn. 68 ff.; Köhler, AT, S. 508; Krey/ Esser, AT, Rn. 890; Timpe, StraFo 2013, S. 358, 365 f.
D. Strafbarkeit als Teilnehmer295
einen solchen geistigen Kontakt im Rahmen der Anstiftung für erforderlich, ließen sich demnach die Fälle der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft nur zum Teil überhaupt unter § 26 StGB subsumieren. Nichtsdestotrotz schließt der fehlende geistige Kontakt zwischen vermeintlichem mittelbaren Täter und Tatmittler eine Teilnahmestrafbarkeit nicht gänzlich aus, denn jedenfalls in objektiver Hinsicht ließen sich diese Fälle über die (psychische) Beihilfe im Sinne des § 27 StGB erfassen. Vollständig auf eine etwaige Beihilfestrafbarkeit hätte sich die nachfolgende Untersuchung für die vermeintliche mittelbare Täterschaft zu beschränken, wenn noch weitergehend ein kollusives Zusammenwirken von Anstifter und Haupttäter, ein Unrechtspakt,1102 zu fordern wäre. Denn der Umstand, dass der vermeintliche mittelbare Täter versucht, den Tatmittler zu seinem Werkzeug zu machen, ihn also über die tatsächliche Sachlage zu täuschen bzw. ihm durch Nötigung eine freiverantwortliche Entscheidung über die Tatbegehung unmöglich zu machen, schließt ein kollusives Handeln von vornherein aus. Es kann nicht Anspruch der vorliegenden Untersuchung sein, in dieser Frage die vorzugswürdige Deutungsmöglichkeit zu ermitteln. Hierzu besteht auch gar keine Notwendigkeit, lässt sich doch jedenfalls festhalten, dass sich die Fälle der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ihrer Struktur nach in objektiver Hinsicht auch über die Teilnahme gem. §§ 26, 27 StGB erfassen ließen. Gleich ob im Einzelfall eine Anstiftung oder eine Beihilfe in Betracht kommt, hängt die Begründbarkeit dieser Teilnahmestrafbarkeit von der von den Eigenheiten der Teilnahmeform unabhängigen Frage ab, ob auch in subjektiver Hinsicht die Teilnahmevoraussetzungen erfüllt sind. Klarheit über die Strafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters lässt sich daher auch ohne die Festlegung der Teilnahmeform für alle denkbaren Fallgestaltungen der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft gewinnen.
II. Teilnehmervorsatz Von richtungsweisender Bedeutung für die dogmatische Begründbarkeit einer Teilnahmestrafbarkeit ist, ob der vermeintliche mittelbare Täter trotz seiner Fehleinschätzung der Situation den Vorsatz hatte, einen anderen zu dessen vorsätzlicher rechtswidriger Tat zu bestimmen bzw. zu dieser Hilfe zu leisten. Zweifelhaft erscheint dies insbesondere deshalb, weil sich der vermeintliche mittelbare Täter irrtümlich vorstellt, bei dem Vordermann einen strafbarkeitsausschließenden Defekt hervorgerufen zu haben.
1102 So Puppe, GA 1984, S. 101, 111 ff.; dies., NStZ 2006, S. 424 ff.; dies., GA 2013, S. 514, 517 ff. Zustimmend SK-StGB-Hoyer, § 26 Rn. 14.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
1. Irrtum betrifft die Schuld des Tatmittlers Die dogmatische Begründung der Teilnahmestrafbarkeit fällt leicht, wenn sich der Irrtum des Tatveranlassers nicht auf den Vorsatz des Ausführenden, sondern auf dessen Schuldfähigkeit oder das Eingreifen von Entschuldigungsgründen bezieht.1103 Denn ob die Haupttat schuldhaft begangen wurde, ist nach §§ 26, 27, 29 StGB bereits objektiv ohne Relevanz für die Teilnahme, sodass sich der Teilnehmervorsatz hierauf auch nicht beziehen muss. Damit ist ein Irrtum über die Schuld des Haupttäters nicht beachtlich und schließt den Teilnehmervorsatz nicht aus.1104 Veranschaulichen lässt sich diese Konstellation am Ehrenmord-Fall: A, ein streng gläubiger Moslem, findet heraus, dass seine Tochter T eine Beziehung mit D unterhält, der nicht dem Islam angehört. Weil A meint, T habe hierdurch die Familienehre verletzt, beschließt er, sie zu töten. Allerdings möchte er für die Tat nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Daher überredet er seinen Neffen B, von dem er annimmt, dieser sei 13 Jahre alt und daher strafrechtlich für die Tat nicht zur Verantwortung zu ziehen, zur Tatbegehung. Dieser erschießt, wie von A gewollt, T. Allerdings ist N nicht 13, sondern bereits 18 Jahre alt.
Hier geht A davon aus, er bediene sich eines schuldunfähig Handelnden, tatsächlich ist B jedoch voll schuldfähig, sodass von einer Steuerungsmacht des A objektiv nicht gesprochen werden kann. Gleichwohl ist ihm durchaus bewusst, dass B als sein vermeintliches Werkzeug den Tatbestand des § 212 StGB vorsätzlich und rechtswidrig verwirklicht. Nur letzteres ist jedoch subjektive Voraussetzung der Teilnahmestrafbarkeit. Welche Vorstellungen der Teilnehmer hinsichtlich der Schuld des Haupttäters hatte, ist dagegen belanglos. Meint der vermeintliche mittelbare Täter also fälschlicherweise, sich eines schuldlosen Werkzeugs zu bedienen, ist er entschlossen, einen anderen zu dessen vorsätzlicher rechtswidriger Tat zu bestimmen und macht sich wegen Teilnahme an der Tat des vermeintlichen Werkzeugs strafbar.
1103 So auch Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 122; Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 26; Ebert, AT, S. 199; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 147; Maurach/Gössel/Zipf/ Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 114; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 161; Roxin, AT II, § 25 Rn. 166; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 272; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 29. 1104 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 122. Anders Jakobs, AT, § 24 Rn. 5, der auch in dieser Konstellation den Anstiftervorsatz verneint, sofern der Ausführende gerade wegen des irrig vermuteten Defekts ausgewählt wurde.
D. Strafbarkeit als Teilnehmer297
2. Irrtum betrifft die Tatbestandsmäßigkeit, die Vorsätzlichkeit oder die Rechtswidrigkeit der Tat Schwerer fällt die strafrechtliche Würdigung, wenn sich die Fehlvorstellung des mittelbaren Täters auf die Vorsätzlichkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Tat des Tatmittlers bezieht. Denn anders als die Schuld des Vordermannes sind Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit der Haupttat gem. §§ 26, 27 StGB objektive Voraussetzungen der Teilnahme, sodass sich nach den §§ 15, 16 StGB auch der Teilnehmervorsatz hierauf zu beziehen hätte. In dieser Konstellation der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ließe sich somit eine Teilnahmestrafbarkeit nur begründen, wenn nachgewiesen werden kann, dass sich der Vorsatz des Teilnehmers entgegen der sonst geltenden Grundsätze nicht auf die Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit der Tat beziehen muss.1105 Dies hängt maßgeblich von dem Verhältnis zwischen Tatherrschaftswillem und Teilnehmervorsatz ab. Der Teilnehmervorsatz könnte von dem schwereren Tatherrschaftsvorsatz mitumfasst sein1106 oder zumindest durch diesen kompensiert werden1107. Begründet wird dies zum Teil damit, dass es sich bei der Teilnahme um einen „sekundären Begriff“ handele, weil sie keine positiven Voraussetzungen habe, sondern negativ durch das Fehlen der tat herrschaftsbegründenden Merkmale bestimmt werde.1108 Dann stünde einer Teilnahmestrafbarkeit nicht entgegen, dass sich der Vorsatz des vermeintlichen Täters eben nicht auf die Begehung einer vorsätzlich und rechtswidrig begangenen Haupttat bezieht, sondern es genügte der Nachweis des Tätervorsatzes, um damit zugleich auch das Vorliegen der subjektiven Teilnahmevoraussetzungen zu begründen. Die Versuche, den Teilnehmervorsatz mithilfe des vermeintlich schwerwiegenderen Tätervorsatzes zu begründen, sind von dem kriminalpolitischen Willen getragen, denjenigen, der sogar Täter sein wollte, im Falle einer Versuchs- oder Vollendungstat zumindest als Teilnehmer bestrafen zu können.1109 Immerhin sei er nicht belastet, wenn er als 1105 So ausdrücklich LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 147; Roxin, AT II, § 25 Rn. 167; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 272. 1106 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 124; Hauf, AT, S. 92; Heinrich, AT, Rn. 1265; Jescheck/Weigend, AT, S. 671; Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 70; Kühl, AT, § 20 Rn. 87; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 25 Rn. 5; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 147; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 22 Rn. 54; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 29; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 787. 1107 So Tenckhoff, JuS 1976, S. 526, 528. 1108 LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 147; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 272; Tenckhoff, JuS 1976, S. 526, 528. 1109 Kühl, AT, § 20 Rn. 87; Roxin, AT II, § 25 Rn. 167; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 216.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Anstifter bestraft wird, habe er doch sogar Täter sein wollen.1110 Zudem sei es wertungswidersprüchlich, die Strafbarkeit von dem Bezugspunkt des Irrtums abhängig zu machen. Genau dazu müsste man jedoch andernfalls kommen, denn wie gezeigt schließt der Irrtum über die Schuld des Vordermannes die Anstiftungsstrafbarkeit nicht aus, wohingegen der Irrtum über die Vorsätzlichkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns nicht über §§ 26, 27 StGB zu erfassen sein soll.1111 Ein solcher unmittelbarer Schluss von dem Vorsatz bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände auf den Teilnehmervorsatz setzt jedoch ein maius-minus-Verhältnis zwischen beiden voraus, der Tätervorsatz müsste eine Kombination aus Anstiftervorsatz und weiteren Elementen sein. Dies ist aber gerade nicht der Fall.1112 Ihrer Struktur nach schließen sich der in §§ 26, 27 i. V. m. § 16 StGB normierte Teilnehmervorsatz, den Haupttäter zu einer vorsätzlich-rechtswidrigen Tat zu bestimmen und der auf eine mittelbare Täterschaft gerichtete Vorsatz, den Tatmittler zu einer unvorsätzlichen Tatausführung einzusetzen, vielmehr zwingend aus. Der Teilnehmervorsatz ist also gegenüber dem Tatherrschaftsvorsatz kein minus, sondern ein aliud.1113 Damit verbietet sich jedoch ein Erst-Recht-Schluss vom Täter- auf den Teilnehmervorsatz. Es verbliebe allein die Möglichkeit, wegen des mit diesem einhergehenden höheren Unrechtsgehaltes den fehlenden Teilnahmevorsatz durch den Tatherrschaftswillen zu kompensieren. Es existiert aber keine Regel, die es erlaubt, ein fehlendes strafbarkeitsbegründendes Merkmal durch ein vorhandenes Merkmal mit höherem Unwertgehalt zu substituieren.1114 Eine solche Regel würde auch die Konturen der Tatbestände verwischen und dadurch deren Garantiefunktion beseitigen.1115 Gegen diese Deutung des Verhältnisses von Täter- und Teilnehmervorsatz sprechen auch die gesetzlichen Regelungen der §§ 26, 27 StGB, die eindeutig positive Voraussetzungen der Teilnahme statuieren, nämlich das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat und der Teilnahmehandlung. 1110 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 124; Hauf, AT, S. 92; Roxin, AT II, § 25 Rn. 167; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 216; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 787. 1111 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 124 f. 1112 Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 537; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 145. 1113 Bock, JA 2007, S. 599, 600; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 537; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 911; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 26 Rn. 29 („begriffslogisch unhaltbar“); Norouzi, JuS 2007, S. 146, 152; Schapiro, JA 2005, S. 615, 621. Vgl. auch bereits Gallas, Beiträge, S. 107. Letzgus, S. 30 f. m. Fn. 48 nimmt eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf an. Ähnlich auch NK-StGB-Schild, § 26 Rn. 6. 1114 Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 911. 1115 In diese Richtung auch v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 38.2; ders., JuS 2003, S. 755, 758.
D. Strafbarkeit als Teilnehmer299
Anhaltspunkte dafür, dass dieser Teilnahmetatbestand entgegen der gesetzlichen Systematik und der §§ 15, 16 StGB nur die objektiven Anforderungen an die Teilnahme normiert, nicht aber zugleich auch das Bezugsobjekt des Anstiftervorsatzes festlegt, sind nicht ersichtlich.1116 Vielmehr bestätigen die Gesetzesmaterialien die Annahme, dass der Gesetzgeber die Teilnahme bewusst nicht als Auffangtatbestand ausgestalten, sondern auf Fälle beschränken wollte, in denen der Anstifter auch tatsächlich auf die Haupttat Einfluss nimmt und die Begehung der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat in seinen Vorsatz aufgenommen hat.1117 Auch etwaige Erwägungen zum Strafgrund der Teilnahme1118 und zur Strafgerechtigkeit1119 können an dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung nichts ändern und allenfalls den Gesetzgeber zu einer Korrektur veranlassen.1120 Zudem vermag auch die dieser Annahme zugrunde liegende Grundprämisse, bei der Teilnahme handele es sich um einen sekundären Begriff, nicht zu überzeugen. Funktion der Teilnahme kann es nicht sein, im Sinne eines Auffangtatbestandes jede Mitwirkung, die nicht über die Regeln der Täterschaft zu erfassen ist, zu bestrafen.1121 Vielmehr geht es auch bei ihr darum, zu legitimieren, dass der Teilnehmer unter Durchbrechung des Verantwortungsprinzips für eine Tat bestraft wird, die er selbst nicht unmittelbar begangen hat. Eine rein negative Bestimmung der Teilnahme kann dies nicht leisten. Vielmehr bedarf es des positiven Nachweises, dass der Teilnehmer eine besondere Beziehung zum Täterverhalten aufweist, die es rechtfertigt, ihm das Haupttatunrecht zuzurechnen.1122 1116 Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 122; Ebert, AT, S. 199; Eschenbach, Jura 1993, S. 407, 411; Frister, AT, § 28 Rn. 29; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 38.2; Herzberg, Täterschaft, S. 45; Krey/Esser, AT, Rn. 1093; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 909; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, § 26 Rn. 29; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 113; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 163; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 145. 1117 BT-Drucks. IV/650, S. 150. 1118 So LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 147; Roxin, AT II, § 25 Rn. 167. Vgl. auch Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 70. 1119 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 628 f. 1120 So auch Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 122; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 628 f.; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 38.2; Herzberg, Täterschaft, S. 45; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 909. Ähnlich Kudlich, JuS 2003, S. 755, 758. Zum Teil wird sogar angenommen, dass es sich andernfalls um eine verbotene Analogie zulasten des Täters handelte, vgl. Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 27; Frister, AT, § 28 Rn. 29. In diese Richtung auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 629; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 113. Dagegen Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 124. 1121 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 27. Amelung, in: FS Schroeder (2006), S. 147, 170 will § 26 StGB zumindest in einem Teilbereich der mittelbaren Täterschaft als Auffangnorm für knapp verfehlte Tatherrschaft verstehen. 1122 Ebenso Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 27.
300
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Ebenso wie bei der Tatherrschaft lässt sich aber auch bei der Teilnahme eine solche Mitverantwortung ohne entsprechenden Vorsatz nicht begründen. Für diese Deutung spricht auch der Strafgrund der Teilnahme. Das Teilnahmeunrecht setzt sich sowohl aus selbstständigen als auch aus von der Haupttat abgeleiteten Elementen zusammen. Neben dem eigenständigen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers1123 ist sein Unrecht auch abhängig vom Unrecht der Haupttat, das dem mitwirkenden Teilnehmer zugerechnet wird1124. Nur beide Komponenten zusammen ergeben das spezifische Teilnahmeunrecht. Wenn aber die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat das Teilnahmeunrecht mitbegründet, muss sich auch der Vorsatz des Täters hierauf erstrecken.1125 Dass dadurch eventuell Strafbarkeitslücken entstehen, entspricht der Begrenzungsfunktion des Vorsatzes und kann keine Legitimation dafür sein, gesetzliche Tatbestände aufzuweichen. Zunächst muss die folgende Untersuchung zeigen, ob ein solches kriminalpolitisches Bedürfnis für eine Teilnahmestrafbarkeit überhaupt besteht, möglicherweise lässt sich das vom vermeintlichen mittelbaren Täter begangene Unrecht ja in anderer Weise sachgerecht erfassen. Sollte ein solches kriminalpolitisches Strafbedürfnis dagegen tatsächlich verbleiben, kann es allein Aufgabe des Gesetzgebers sein, dieses durch eine gesetzliche Neuregelung zu befriedigen.
III. Ergebnis zur Teilnahmestrafbarkeit Auch eine Strafbarkeit wegen Teilnahme an der vom Vordermann begangenen Tat kommt nur für einen Teil der Fälle der vermeintlichen Täterschaft in Betracht. Bei der vermeintlichen Mittäterschaft scheitert eine Strafbarkeit gem. §§ 26, 27 StGB bereits an der fehlenden vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat, denn die vermeintliche Mittäterschaft zeichnet gerade das unvorsätzliche Handeln des Ausführenden aus. Für den vermeintlichen mittelbaren Täter kommt eine Teilnahmestrafbarkeit dagegen dann in Betracht, wenn sich sein Irrtum auf die Schuld des Vordermannes bezieht. In den übrigen Fällen, in denen der vermeintliche mittelbare Täter fälschlicherweise an1123 Diesen fordert die mittlerweile h. M., vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; Frister, AT, § 25 Rn. 28; Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Jakobs, AT, § 22 Rn. 9; Krey/Esser, AT, Rn. 988; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; MüKo-StGB-Joecks, Vor § 26 Rn. 16 f.; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 207 ff.; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 16; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 117 f. 1124 Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 208; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21. 1125 So auch SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 42.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit301
nimmt, der Ausführende habe unvorsätzlich oder gerechtfertigt gehandelt, fehlt dem Hintermann dagegen der Teilnehmervorsatz, sodass sich für sie eine Teilnahmestrafbarkeit nicht begründen lässt.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit In der neueren Diskussion zur vermeintlichen mittelbaren Täterschaft wird ebenfalls erwogen, dem Hintermann den vom vermeintlichen Tatmittler vorsätzlich herbeigeführten tatbestandsmäßigen Erfolg als Ergebnis seines fahrlässigen Verhaltens zuzurechnen.1126 Die Einwirkung des vermeintlichen mittelbaren Täters sei sorgfaltswidrig, weil sie das unerlaubte Risiko begründe, dass es zur Verwirklichung des Tatbestandes komme und damit die Integrität des betroffenen Rechtsgutes gefährde.1127 Dieses sorgfaltswidrige Verhalten realisiere sich auch in dem vom Vordermann verursachten Erfolg, denn dieser begehe die Tat so wie vom Hintermann geplant, sodass dessen Handeln den Zurechnungszusammenhang nicht unterbreche.1128 Eine solche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit böte zumindest für diejenigen Fallvarianten, in denen der vermeintliche Tatmittler den tatbestandlichen Erfolg auch tatsächlich herbeigeführt hat, die Möglichkeit, das vom vermeintlichen mittelbaren Täter verwirklichte Unrecht strafrechtlich zu erfassen. Ist das tatbestandsmäßige Geschehen dagegen bislang erst unvollständig umgesetzt worden, befindet sich die Tat also noch im Versuchs- oder gar Vorbereitungsstadium, käme dagegen eine Strafbarkeit wegen fahrlässigen Handelns von vornherein nicht in Betracht, denn einen fahrlässigen Versuch kennt die deutsche Strafrechtsdogmatik nicht. Jedenfalls für die vermeintliche mittelbare Täterschaft verlöre die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit dadurch aber nicht ihre Bedeutung, da der Hintermann den Vordermann hier unterschätzt, dieser also entgegen der Vorstellung des mittelbaren Täters vollverantwortlich handelt und das Geschehen in vollem Umfang überblickt und es daher an ihm ist, freiverantwortlich über die Ausführung der Tat zu entscheiden. Immer dann, wenn er ein eigenes Interesse an der Tatverwirklichung hat, wird er tatplangemäß vorgehen und somit den deliktischen Erfolg herbeiführen. Aus diesem Grund bildet die Vollendung der geplanten Straftat nicht nur eine 1126 Ausführlich dazu bislang allein Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 133 (der eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit allerdings ablehnt) und Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 914 f., der eine solche Fahrlässigkeitslösung befürwortet. Dafür ebenfalls (allerdings ohne Begründung) Frister, AT, § 28 Rn. 29; Jakobs, AT, § 21 Rn. 107. Offen lassend Kühl, AT, § 20 Rn. 87a. 1127 Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 915. Für Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 133 liegt dieser Gedanke zumindest nicht fern. 1128 Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 915. Zustimmend Beulke, in: Kühl (2014), S. 115, 133.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
theoretisch denkbare Fallgestaltung der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft, sondern einen durchaus häufigen und praxisrelevanten Anwendungsfall, sodass für eine solche Fahrlässigkeitslösung ein breiter Anwendungsbereich verbliebe. Zu überlegen wäre zudem, ob sich dieser Lösungsansatz auf die vermeintliche Mittäterschaft übertragen ließe. Prinzipiell könnte auch derjenige, der irrtümlich an den Bestand eines gemeinsamen Tatplans glaubt, mit der Tatverabredung das unerlaubte Risiko begründen, dass der Mitwirkende den Tatbestand des jeweiligen Delikts verwirklicht und sich somit sorgfaltswidrig verhalten. Allerdings wäre der Anwendungsbereich dieser Fahrlässigkeitslösung bei der vermeintlichen Mittäterschaft deutlich begrenzter als bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft. Anders als dort ist die Begehung einer vollendeten Tat in vermeintlicher Mittäterschaft in erster Linie theoretisch möglich, aber kaum praxisrelevant. Grund dafür ist der Umstand, dass der vermeintliche Mittäter einen Vorsatz, die gemeinschaftliche Tat zu begehen, entweder nie hatte oder zumindest aufgegeben hat und daher gerade kein Interesse daran hat, den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verursachen. War es dagegen eine Handlung des seine eigene Position im Geschehen überschätzenden Mittäters oder eines anderen weiterhin zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossenen Komplizen, die den Erfolg herbeigeführt hat, lässt sich wegen der nicht erforderlichen bzw. fortbestehenden Zurechnungsgrundlage bereits eine Strafbarkeit aus dem vorsätzlichen vollendeten Begehungsdelikt begründen,1129 hinter der eine etwaige Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ohnehin zurückträte.1130 Damit wäre der Anwendungsbereich einer solchen Fahrlässigkeitslösung im Bereich der vermeintlichen Mittäterschaft von vornherein auf die – wenig praxisrelevanten – Fallgestaltungen beschränkt, in denen der vermeintliche Mittäter wie in dem oben bereits geschilderten Bleiwestenfall1131 eine Ausführungshandlung vollzieht, die entgegen seiner Vorstellung zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges führt.1132
I. Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit Bevor im Einzelnen untersucht werden kann, ob der vermeintliche mittelbare Täter und der vermeintliche Mittäter die Voraussetzungen des Fahrläs1129 Vgl.
dazu Kap.1. A. I. 3. c) cc) (2) (b) (cc) und Kap. 1 B. XI. 39, 195; BGH NJW 2011, 2057; Frister, AT, § 31 Rn. 8; Jescheck/ Weigend, AT, S. 735; Kühl, AT, § 21 Rn. 55; MüKo-StGB-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 38; NK-StGB-Puppe, Vor § 52 Rn. 10; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/ Bosch, StGB, Vor § 52 Rn. 119. 1131 Beispiel nach Buser, S. 144. Vgl. dazu ausführlich Kap. 1 C. IV. 1. 1132 Zu dieser Fallkonstellation oben Kap. 1 B. XI. 2. 1130 BGHSt
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit303
sigkeitstatbestandes erfüllen, gilt es zunächst, der ganz grundsätzlichen Frage nachzugehen, ob einer solchen Fahrlässigkeitshaftung bereits der Umstand entgegensteht, dass der vermeintliche Täter sogar Vorsatz bezüglich der Tatbestandsverwirklichung hatte. Bestünde ein Exklusivitätsverhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit1133 in dem Sinne, dass fahrlässiges und vorsätzliches Handeln sich begrifflich ausschließen, weil fahrlässig nur derjenige agiert, der den Erfolg unwillentlich herbeiführt, schiede bereits deshalb eine Bestrafung des Hintermannes wegen fahrlässiger Tatbegehung aus.1134 Zunächst ist daher der Blick auf das Verhältnis von vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln zu richten. Ziel ist es dabei nicht, bereits nachzuweisen, dass vorsätzliches und fahrlässiges Handeln in einem Stufenverhältnis stehen und deshalb sogar umgekehrt in jeder vorsätzlichen Straftat zugleich die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt,1135 sondern nur, die grundsätzliche Möglichkeit eines Nebeneinanders von Vorsatz und Fahrlässigkeit zu untersuchen und damit die Weichen für die anschließende, auf die vermeintliche Täterschaft beschränkte positive Begründung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu stellen. Die These der Exklusivität fußt vor allem auf dem sich scheinbar gegenseitig ausschließenden Begriffsverständnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Die Vorsatztat zeichnet die rechtsfeindliche Einstellung des Täters aus, der fahrlässig handelnde Täter vertraut dagegen auf den guten Ausgang.1136 Daraus wird geschlossen, der vorsätzlich handelnde Täter könne nicht zugleich sorgfaltswidrig agieren, denn wer sich mit dem Eintritt des Erfolges abfinde, 1133 BGHSt 4, 340; BGHSt 32, 48, 56 f.; Duttge, GA 2003, S. 451, 466 ff.; Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; Haft, JuS 1980, S. 430, 435; Jähnke, in: GedS Schlüchter (2002), S. 99, 100 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 563; Krey/Esser, AT, Rn. 1338; Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 42 Rn. 45 ff.; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 104; Mylonopoulos, ZStW 99 (1987), S. 685, 695 ff.; Roxin, AT I, § 24 Rn. 79 f.; Safferling, Vorsatz, S. 192 f.; Schaffstein, NJW 1952, S. 725, 729; Schönke/Schröder-SternbergLieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 3; SSW-StGB-Momsen, § 15 Rn. 59; Wolter, JuS 1983, S. 769, 771 (allerdings nur für Absicht und unbewusste Fahrlässigkeit). Für ein Stufenverhältnis dagegen RGSt 41, 389; Freund, AT, § 7 Rn. 39; ders., in: FS Herzberg (2008), S. 225, 228; Hall, in: FS Mezger (1954), S. 229, 241; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 173 ff.; Herzberg, JuS 1996, S. 377, 379 ff.; ders., GA 2001, S. 568, 572 f.; ders., NStZ 2004, S. 593, 595 ff.; ders., GA 2016, S. 737, 738 f.; Jakobs, GA 1971, S. 257, 260; LK-StGB-Dannecker, Anh § 1 Rn. 81; MüKo-StGBFreund, Vor § 13 Rn. 299; MüKo-StGB-Hardtung, § 222 Rn. 1 f.; NK-StGB-Puppe, Vor § 13 Rn. 154; dies., in: FS Otto (2007), S. 389, 398 f.; Schmidhäuser, AT, § 7 Rn. 122 f.; SK-StGB-Hoyer, Anh. § 16 Rn. 2 f.; Voßgätter, S. 186 f.; Walter, Kern des Strafrechts, S. 171 f.; Wehrle, S. 48 f. 1134 So Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 133. 1135 So die These der Gegenansicht, vgl. dazu bereits die Nachweise in Fn. 1133. 1136 Jescheck/Weigend, AT, S. 563; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 102; Schröder, in: FS Sauer (1949), S. 207, 244 f.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
habe nicht gleichzeitig auf sein Ausbleiben vertraut.1137 Bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch setze Fahrlässigkeit gerade das Fehlen des Vorsatzes voraus.1138 Fraglich ist jedoch, ob diese umgangssprachliche Konnotation des Wortes fahrlässig als unwillentlich zwingend ist. Dies wäre nur der Fall, wenn der fehlende Wille, den tatbestandlichen Erfolg zu verwirklichen, nicht nur der Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit diente, sondern positiv eine Funktion bei der Kennzeichnung und Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs erfüllte. Der Fahrlässigkeitstäter wird jedoch nicht deshalb bestraft, weil er die Tat nicht wollte, sondern weil er positiv sorgfaltswidrig gehandelt hat.1139 Wenn aber die Nichtwillentlichkeit positiv zur Kennzeichnung der Fahrlässigkeit nichts zu leisten vermag, ist nicht klar, warum der Wille zur Tat den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließen soll.1140 Vielmehr liegt es nahe, dass der fehlende Vorsatz vergleichbar mit der Uneidlichkeit in § 153 StGB oder der Nichtverwirklichung eines Mordmerkmals bei § 212 StGB1141 deshalb zur Begriffsbildung herangezogen wird, um die Unterschiede der Tatbestände herauszustellen, nicht aber um die Reichweite des Fahrlässigkeitstatbestandes zu begrenzen. Obwohl in § 153 StGB die negative Begriffsbestimmung sogar Teil des gesetzlichen Tatbestandes ist, ist hier anerkannt, dass die Nichtbeeidigung der Aussage keine Voraussetzung des § 153 StGB ist.1142 Dass bei der Fahrlässigkeit die Nichtwillentlichkeit dagegen notwendige Bedingung sein soll, mag dem aufgrund des umgangssprachlichen Verständnisses der Fahrlässigkeit bestehenden Unbehagen geschuldet sein, bei demjenigen, der einen Erfolg absichtlich herbeiführt, davon zu sprechen, er habe fahrlässig gehandelt.1143 Legt man jedoch den von der Rechtsprechung verwendeten juristischen Begriff der Fahrlässigkeit zugrunde, schwindet das Unbehagen. Danach handelt fahrlässig, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsgutes dient, sofern dieser Pflichtverstoß unmittelbar oder mittel1137 Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 42 Rn. 47; Roxin, AT I, § 24 Rn. 79 f.; SSW-StGB-Momsen, § 15 Rn. 59. In diese Richtung auch Schröder, in: FS Sauer (1949), S. 207, 244 f. 1138 Roxin, AT I, § 24 Rn. 80 m. Fn. 114. Kritisch dazu Herzberg, GA 2016, S. 737, 740. 1139 Puppe, in: FS Otto (2007), S. 389, 399. 1140 Puppe, in: FS Otto (2007), S. 389, 399. Ähnlich auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 177 f.; Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 61 f.; LK-StGB-Dannecker, Anh § 1 Rn. 81. 1141 Zur Vergleichbarkeit dieser Merkmale mit dem Fahrlässigkeitsmerkmal auch Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 62; ders., NStZ 2004, S. 593, 598. 1142 Statt vieler BGHSt 8, 301, 315; Matt/Renzikowski-Norouzi, StGB, § 153 Rn. 16; MüKo-StGB-Müller, § 153 Rn. 58; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, StGB, § 153 Rn. 9. 1143 In diese Richtung Roxin, AT I, § 24 Rn. 80 m. Fn. 114.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit305
bar eine Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung zur Folge hat, die der Täter nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vorhersehen und vermeiden konnte.1144 Es wäre vielmehr widersinnig zu behaupten, derjenige, der sich sogar bewusst gegen das Rechtsgut stellt, habe nicht gegen eine Sorgfaltspflicht verstoßen und den Erfolg nicht vorhersehen und vermeiden können. Dass der juristische Begriff von dem der Alltagssprache abweicht, ist nicht ungewöhnlich und begründet keine Notwendigkeit, die fahrlässige Tat vom Nichtvorliegen des Vorsatzes abhängig zu machen. Ansonsten müsste man auch bei allen anderen Abstufungen der Willensrichtung des Täters ebenso verfahren, also im Verhältnis der bewussten zur unbewussten, der leichten zur groben Fahrlässigkeit und so weiter.1145 Eine solche begriffslogische Exklusivität zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit findet auch im Gesetz keinen Anhaltspunkt. Vielmehr legt die Formulierung in § 18 StGB, hinsichtlich der schweren Folge müsse dem Täter „wenigstens Fahrlässigkeit“ zur Last fallen, nahe, dass der Gesetzgeber in dem Vorsatz nicht etwas ganz anderes, sondern ein Mehr gegenüber der Fahrlässigkeit erblickt.1146 Schlössen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit gegenseitig aus, käme es zudem zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten. Es ließe sich beispielsweise nicht zwangslos erklären, weshalb es möglich und sachgerecht ist, im Falle des oftmals scheiternden Vorsatznachweises wegen der Fahrlässigkeitstat zu verurteilen.1147 Bei der Erwägung, trotz des Exklusivitätsverhältnisses bestehe ein „normatives Stufenverhältnis“ in dem Sinne, dass wegen des größeren Maßes an Unrecht und Schuld bei der Vorsatztat dem Urteil im Zweifel die schwächere Zurechnungsform der Fahrlässigkeit zugrunde zu legen sei,1148 handelt es sich um einen Kunstgriff, der weder notwendig, noch mit den gesetzlichen Regeln vereinbar ist.1149 Zum einen kann auf eine vermeint1144 BGHSt 49, 1, 5; BGHSt 49, 166, 174; BGHSt 53, 55, 58; BGH NStZ 2013, 231; Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a. 1145 Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 61. 1146 Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 62; SK-StGB-Hoyer, Anh. § 16 Rn. 3. 1147 Freund, AT, § 7 Rn. 39; ders., in: FS Herzberg (2008), S. 225, 228; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 178 f.; Herzberg, JuS 1996, S. 377, 380; Puppe, in: FS Otto (2007), S. 389, 399. 1148 BGHSt 32, 48, 56 f.; Duttge, GA 2003, S. 451, 467 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 1338; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 104; Roxin, AT I, § 24 Rn. 79 f.; Schönke/ Schröder-Eser/Hecker, StGB, § 1 Rn. 85; SSW-StGB-Momsen, § 15 Rn. 59; Wolter, JuS 1983, S. 769, 771. In diese Richtung auch BGHSt 4, 340; Jähnke, in: GedS Schlüchter (2002), S. 99, 100 f. Diff. Mylonopoloulos, ZStW 99 (1987), S. 685, 700 ff. Dagegen Jescheck/Weigend, AT, S. 563. 1149 Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 62 f.; ders., NStZ 2004, S. 593, 599; Puppe, in: FS Otto (2007), S. 389, 399. Anders BGHSt 4, 340. Maurach/Gössel/Zipf/
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
lich weniger schwere Zurechnungsform nur dann zurückgegriffen werden, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen auch positiv erfüllt werden. Gerade dies wird doch aber von den Vertretern, die ein Exklusivitätsverhältnis befürworten, bestritten. Kann aber ein Merkmal nicht nachgewiesen werden, darf es nicht mithilfe eines normativen Stufenverhältnisses contra legem fingiert werden.1150 Abhilfe könnten allein die Grundsätze der Wahlfeststellung schaffen, die gerade für den Fall entwickelt wurden, dass der Täter einen von mehreren einander ausschließenden Tatbeständen mit Sicherheit verwirklicht hat.1151 Sie setzt jedoch eine rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der Tatvorwürfe voraus,1152 die sich im Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit gerade nicht begründen lässt.1153 Es muss daher zwingend der Grundsatz in dubio pro reo eingreifen, der bei Zugrundelegung eines Exklusivitätsverhältnisses zwingend zur Straflosigkeit1154 und damit zu bedenklichen Strafbarkeitslücken führt. Bereits dieses Beispiel zeigt,1155 dass die Annahme eines Exklusivitätsverhältnisses zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu erheblichen Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung und zu Strafbarkeitslücken führt, die selbst die Vertreter eines solchen aliud-Verhältnisses nicht bereit sind zu tragen. Dagegen, dass sich Vorsatz und Fahrlässigkeit gegenseitig ausschließen, spricht auch, dass sich die Zurechnungserfordernisse bei Vorsatz und Fahrlässigkeit entsprechen, ist doch die Sorgfaltspflichtverletzung nichts anderes als die Schaffung eines unerlaubten Risikos, die auch beim Vorsatzdelikt relevant ist.1156 Gössel, AT II, § 42 Rn. 50 verneint die Voraussetzungen der Wahlfeststellung, will sie aber dennoch zulassen. 1150 So auch Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 62 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 563. 1151 Vgl. dazu RGSt 68, 257; BGHSt 9, 390, 392 ff.; BGHSt 11, 26, 28; LK-StGBDannecker, Anh § 1 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, StGB, § 1 Rn. 64 ff. m. w. N. 1152 BGHSt 1, 127, 128; BGHSt 1, 302, 304; BGHSt 9, 390, 392 ff.; BGHSt 11, 26; BGHSt 11, 100, 101; BGHSt 15, 63, 66; BGHSt 16, 184, 187; BGHSt 21, 152, 153; BGHSt 22, 12, 13 f.; BGHSt 23, 203, 204; BGHSt 25, 182, 183 f.; BGHSt 30, 77, 78; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 28 Rn. 47 ff.; Eschenbach, Jura 1994, S. 302, 306 ff.; LK-StGB-Dannecker, Anh § 1 Rn. 135. 1153 So auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 178 f.; Maurach/Gössel/Zipf/ Gössel, AT II, § 42 Rn. 50; Puppe, in: FS Otto (2007), S. 389, 399. Im Ergebnis auch Jescheck/Weigend, AT, S. 563. 1154 Konsequent daher Jescheck/Weigend, AT, S. 563. 1155 Vgl. zu weiteren Widersprüchen beispielsweise Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 179. 1156 Freund, in: FS Herzberg (2008), S. 225, 228; Frisch, in: FS Roxin (2001), S. 213, 226 f.; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 173 ff.; Herzberg, in: BGHFW (2000), S. 51, 60; ders., JuS 1996, S. 377, 381; ders., GA 2001, S. 568, 572 f.; ders.,
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit307
II. Begründbarkeit der Fahrlässigkeitsvoraussetzungen Ist eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit selbst dann prinzipiell möglich, wenn der Täter vorsätzlich agiert, ist sie auch für den vermeintlichen Täter nicht von vornherein ausgeschlossen. Es ist daher genauer zu untersuchen, ob derjenige, der irrtümlich annimmt, er habe die Tatherrschaft inne, bezüglich des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges fahrlässig handelt. 1. Objektiv sorgfaltswidriges Handeln des vermeintlichen Täters1157 Fahrlässiges Handeln liegt immer dann vor, wenn der Erfolg auf einer Verletzung derjenigen Sorgfaltsanforderungen beruht, die die Rechtsordnung an den gewissenhaften und einsichtigen Angehörigen des Verkehrskreises des Täters in der Tatsituation stellt.1158 Sorgfaltswidrig hat der vermeintliche mittelbare Täter deshalb gehandelt, weil er auf den Vordermann eingewirkt und diesen so zur Tatbestandsverwirklichung bewogen hat. Zwar ist es ihm nicht gelungen, den scheinbaren Tatmittler zu seinem Werkzeug zu machen und bei diesem einen strafbarkeitsausschließenden Defekt hervorzurufen, gleichwohl wohnt seiner Einwirkungshandlung jedenfalls die Gefahr inne, den Vordermann zur Tatbestandsverwirklichung zu bewegen – sei es als strafrechtlich nicht verantwortliches NStZ 2004, S. 593, 596 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 563; Kahlo, in: FS Küper (2007), S. 249, 267 ff.; Mitsch, JuS 2001, S. 105, 108; MüKo-StGB-Hardtung, § 222 Rn. 1 f.; NK-StGB-Puppe, Vor § 13 Rn. 154; dies., in: FS Otto (2007), S. 389, 398; Roxin, AT I, § 24 Rn. 80 m. Fn. 114. Dagegen Dehne-Niemann, GA 2012, S. 89, 90 ff.; Jähnke, in: GedS Schlüchter (2002), S. 99, 100; Kindhäuser, in: FS Maiwald (2010), S. 397, 404 f.; ders., GA 1994, S. 197, 208 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Gössel, AT II, § 42 Rn. 47; MüKo-StGBDuttge, § 15 Rn. 103. 1157 Es würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, auf abweichende Verständnisse und Aufbauvorschläge des fahrlässigen Unrechtstatbestandes einzugehen. Insoweit sei auf die überblicksartigen Darstellungen bei v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 37 ff.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 164 ff.; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 105 ff.; NK-StGB-Paeffgen, § 229 Rn. 6 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 211 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 116 ff. verwiesen. 1158 Burgstaller, S. 31 ff.; Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a ff.; Haft, AT, S. 163 ff.; Heinrich, AT, Rn. 1028; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 35, 38 ff.; Jescheck, Aufbau, S. 10 f., 20; ders./Weigend, AT, S. 564; Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 13; Krey/Esser, AT, Rn. 1343 ff.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 164, 174; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 38 ff.; NK-StGB-Paeffgen, § 229 Rn. 7; Lackner/ Kühl-Kühl, StGB, § 15 Rn. 36 ff.; Rengier, AT, § 52 Rn. 15 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 939 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
deliktisches Werkzeug oder als vollverantwortlich agierender Vorsatztäter. Bereits die Untersuchung zur Teilnahmestrafbarkeit hat gezeigt, dass auch dann, wenn es dem Hintermann nicht gelingt, den Vordermann zu seinem Werkzeug zu machen, die Instrumentalisierung in der Regel nicht ohne Einfluss auf den Vordermann bleibt, sondern diesen oft erst zur Tatbestandsverwirklichung motiviert. Die Gefahr der Tatbegehung und damit auch der Rechtsgutsverletzung wohnt demnach bereits der Einwirkungshandlung inne, sodass ihre Vornahme durch den Hintermann objektiv sorgfaltswidrig ist.1159 Ein gewissenhafter Verkehrskreisteilnehmer hätte keinen Einfluss auf den Vordermann genommen, weil so innere oder äußere Hemmnisse abgebaut werden und letztlich eine Rechtsgutsverletzung begünstigt werden kann, immerhin ist dies das Ziel eines solchen Instrumentalisierungsversuchs. Ebenso könnte auch derjenige, der irrtümlicherweise glaubt, der Ausführende agiere in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans, fahrlässig im Hinblick auf den von diesem unmittelbar verursachten tatbestandsmäßigen Erfolg handeln. Der Sorgfaltsverstoß könnte in der Verabredung liegen, gemeinsam ein bestimmtes Delikt zu verwirklichen, denn dadurch wird die Gefahr geschaffen, dass der andere, sei es auch nicht in dem Willen, dadurch gemeinschaftlich den Tatbestand zu verwirklichen, den Erfolg herbeiführt. Schwerer fällt die Beurteilung des Sorgfaltsverstoßes bei der vermeintlichen Mittäterschaft vor allem deshalb, weil es nicht in allen Fallvarianten tatsächlich zu einer Tatverabredung gekommen sein muss. Vielmehr zeigt beispielsweise der Münzhändler-Fall1160, dass eine vermeintliche Mittäterschaft wegen der Möglichkeit, den gemeinsamen Tatplan über Dritte und ohne persönlichen Kontakt zu fassen, auch dann vorliegt, wenn die Willensübereinkunft von vornherein nur in der Vorstellung der übrigen Mittäter bestand. In diesen Fällen hat das eigene Handeln objektiv nie die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung begründet, da es zu keiner Einflussnahme auf den vermeintlichen Mittäter gekommen ist. Dieser Fall ist jedoch kein Beleg für die fehlende dogmatische Möglichkeit, eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für den vermeintlichen Mittäter zu begründen, sondern allein für den begrenzten Anwendungsbereich einer solchen Fahrlässigkeitslösung bei der vermeintlichen Mittäterschaft. Eine Strafbarkeit aus dem Fahrlässigkeitsdelikt kommt von vornherein nur für denjenigen scheinbar gemeinschaftlich Handelnden in Betracht, der zumindest objektiv eine Willensübereinkunft mit dem Ausführenden erzielt, mag diese aufseiten des vermeintlichen Mittäters auch von Beginn an oder zumindest bei Tatbeginn nicht mehr von dem Willen getragen 1159 So auch Frister, AT, § 28 Rn. 29; Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 915; Jakobs, AT, § 21 Rn. 107. Für Beulke, in: FS Kühl (2014), S. 115, 133 liegt der Gedanke zumindest nicht fern. 1160 BGHSt 40, 299. Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. I. 1.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit309
sein, die gemeinsame Tat tatsächlich zu begehen.1161 In diesen Fällen begründet die objektive Verabredung ähnlich wie die Einwirkung bei der mittelbaren Täterschaft das unerlaubte Risiko, dass es zur Tatbestandsverwirklichung kommt. Mit der Zusage des eigenen Tatbeitrags motiviert der vermeintliche Mittäter auch die anderen Tatbeteiligten zur Leistung ihrer Tatbeiträge und baut bei ihnen Hemmschwellen im Hinblick auf die Umsetzung des deliktischen Vorhabens ab, sodass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es zur Tatbestandsverwirklichung kommt.1162 Bereits die typischerweise vor der eigentlichen Ausführungsphase erzielte Tatverabredung begründet damit die Gefahr, dass es zur Tatbegehung und damit zur Rechtsgutsverletzung kommt. Derselbe Gedanke ist auch in § 30 StGB gesetzlich verankert, der die Tatverabredung ebenfalls wegen der ihr innewohnenden abstrakten Gefahr der Rechtsgutsverletzung unter Strafe stellt.1163 Auch der vermeintliche Mittäter handelt also zumindest in den Fällen, in denen es zu einer objektiven Willensübereinkunft gekommen ist, objektiv sorgfaltswidrig. 2. Objektive Vorhersehbarkeit Eng verknüpft mit der Frage der Sorgfaltswidrigkeit des Handelns ist auch die Vorhersehbarkeit des Erfolges.1164 Nur wenn der Erfolg für die Maßstabs person erkennbar war, kann sie ihr Verhalten entsprechend ausrichten und es ihr daher zum Vorwurf gereichen, entsprechende Schädigungsmöglichkeiten eröffnet zu haben.1165 Dass der vermeintliche Tatmittler beziehungsweise Mittäter eine Handlung vornehmen wird, die in die Tatbestandsverwirklichung mündet, war für den vermeintlichen Täter in jedem Fall vorhersehbar, war sein Verhalten doch gerade auf diesen Erfolg ausgerichtet. Zweifelhaft ist allein, inwieweit auch der konkrete Kausalverlauf erkennbar war. Neben 1161 Zu
dieser Fallkonstellation oben Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa) und (bb). dazu m. w. N. oben Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). 1163 Hinderer, JuS 2011, S. 1072; Kühl, AT, § 20 Rn. 244 f.; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 1; Matt/Renzikowski-Haas/Heger, StGB, § 30 Rn. 1; MüKo-StGBJoecks, § 30 Rn. 11, 53; Roxin, JA 1979, S. 169 f.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Thalheimer, S. 8. 1164 Fischer, StGB, § 15 Rn. 14; Freund, AT, § 5 Rn. 42 f.; v. Heintschel-HeineggKudlich, StGB, § 15 Rn. 35.1; Hirsch, in: FS Lampe (2003), S. 515, 522 f.; Jescheck/ Weigend, AT, S. 564; Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 16 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 1343; Kühl, AT, § 17 Rn. 18 ff.; Matt/Renzikowski-Gaede, § 15 Rn. 38; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 125; Weigend, in: FS Gössel (2002), S. 129, 134 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 939. 1165 Fischer, StGB, § 15 Rn. 14; Freund, AT, § 5 Rn. 42 f.; v. Heintschel-HeineggKudlich, StGB, § 15 Rn. 35.1; Krey/Esser, AT, Rn. 1343; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 38; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 125; Weigend, in: FS Gössel (2002), S. 129, 134 f. 1162 Ausführlich
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
dem Erfolg in seiner konkreten Gestalt muss nämlich auch der Kausalverlauf im Wesentlichen vorhersehbar gewesen sein.1166 Zwar brauchen nicht alle Einzelheiten des Kausalverlaufs bereits ex ante erkennbar gewesen sein, wohl aber das Zusammenwirken mehrerer Umstände zu dem Taterfolg.1167 Die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Erfolg im Falle der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft vom Tatmittler nicht unvorsätzlich als deliktisches Werkzeug, sondern freiverantwortlich als Folge einer eigenverantwortlichen Entscheidung für die Rechtsgutsverletzung verursacht wird. In gleicher Weise verhält sich auch der vermeintliche Mittäter anders als erwartet, indem er den Erfolg nicht vorsätzlich in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans, sondern fahrlässig und allein zur Überführung des vermeintlichen Mittäters herbeiführt. Entscheidend ist also, ob die subjektive Einstellung des Handelnden den Kausalverlauf wesentlich prägt, sodass sich die Vorhersehbarkeit hierauf beziehen muss und – sofern dies der Fall sein sollte – ob es für einen einsichtigen und besonnenen Betrachter in der Situation des Täters vorhersehbar ist, dass der Tatmittler den Instrumentalisierungsversuch durchschaut, sich aber dennoch für die Tatbestandsverwirklichung entscheidet bzw. der Mittäter die im Tatplan vorgesehene Tathandlung trotz Vorsatzwegfalles vollzieht, um seinem Komplizen die Tatbeteiligung nachzuweisen. Für die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs auch in den Fällen der vermeintlichen Täterschaft spricht, dass sich der Ausführende trotz der fehlgegangenen Instrumentalisierung bzw. seiner Lossagung vom gemeinsamen Tatplan genau so verhält wie geplant.1168 Rein äußerlich entspricht das tatbestandsmäßige Geschehen vollständig der Vorstellung des vermeintlichen Täters. Allein die Tatsache, dass die subjektive Einstellung vom gewöhnlichen Verlauf abweicht, kann die Vorhersehbarkeit des Geschehensablaufs nicht insgesamt ausschließen. Überdies ist es geradezu typisch für den Einsatz eines menschlichen Werkzeugs bzw. eines Komplizen zur Tatbegehung, dass sich dessen Handeln und Beweggründe nie genau vorhersehen lassen. Daher widerspricht es keinesfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der andere Mitwirkende sich aus autonomen Gesichtspunkten für die Tatbestandsverwirklichung entscheidet, möglicherweise sogar nur in Absprache mit der 1166 Jescheck/Weigend, AT, S. 586 f.; Krey/Esser, AT, Rn. 1353; Kühl, AT, § 17 Rn. 41, § 4 Rn. 60 ff.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 252; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 51; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 180. 1167 BGHSt 39, 322, 324; BGH NStZ 2001, 143, 145; BGH NStZ 2008, 686, 687; BGH NStZ-RR 2009, 309, 310; BGH NJW 2012, 2453, 2454; BGHSt 53, 55, 59; Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; Frister, AT, § 12 Rn. 25; Schönke/Schröder-SternbergLieben/Schuster, § 15 Rn. 180. Kritisch LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 252. 1168 So für die vermeintliche mittelbare Täterschaft auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 915.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit311
Polizei. Auch aus diesem Grund ist der Kausalverlauf in den Fällen der vermeintlichen Täterschaft objektiv vorhersehbar. 3. Zurechnungszusammenhang Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit lässt sich des Weiteren nur dann begründen, wenn sich im konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg auch gerade das durch das sorgfaltswidrige Handeln geschaffene Risiko realisiert, sodass dieser dem Täter zurechenbar ist.1169 Erforderlich ist insbesondere, dass der Erfolg bei sorgfaltsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre.1170 Zudem muss die durch die sorgfaltswidrige Handlung verletzte Norm gerade der Vermeidung solcher Erfolge wie des im konkreten Fall eingetretenen dienen.1171 a) Vermeintliche mittelbare Täterschaft Das durch die fehlgeschlagene Instrumentalisierung des vermeintlichen Tatmittlers begründete Risiko realisiert sich immer dann in dem von diesem herbeigeführten tatbestandsmäßigen Erfolg, wenn es dem Hintermann gelungen ist, ihn zur Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen. Über die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ließen sich also die Fallkonstellationen erfassen, für die bislang vor allem eine Teilnehmerstrafbarkeit erwogen wurde. Auch wenn es dem vermeintlichen mittelbaren Täter nicht gelingt, einen strafbarkeitsausschließenden Defekt beim Vordermann hervorzurufen, wird dennoch häu1169 v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 53 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 181; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 156. 1170 Ausführlich Erb, Rechtmäßiges Alternativverhalten; Küper, in: FS Lackner (1987), S. 247 ff.; Toepel, Kausalität. Vgl. auch BGHSt 11, 1, 7; BGHSt 30, 228, 230; BGHSt 33, 61, 63; BGHSt 49, 1, 4; OLG Köln, NStZ-RR 2002, 304; Fischer, StGB, § 15 Rn. 16c; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 50 f.; Hirsch, in: FS Lampe (2003), S. 515, 531 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 34 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1355; Kühl, AT, § 17 Rn. 47 ff.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 182 ff.; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 55; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 165 ff.; Oehler, in: FS Schmidt (1971), S. 232, 238 f.; Puppe, ZStW 99 (1987), S. 595 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 173 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 952 f. 1171 v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 55; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; Krümpelmann, in: FS Bockelmann (1979), S. 443, 447 ff.; Kühl, AT, § 17 Rn. 68; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 189 ff.; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 54; Puppe, ZStW 99 (1987), S. 595, 612 ff.; Roxin, in: FS Honig (1970), S. 133, 140 ff.; Rudolphi, JuS 1969, S. 549 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 157 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 951. Kritisch zur Notwendigkeit dieses Erfordernisses Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 65 f., 80 ff., 97 f.; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 185 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
fig1172 erst die Einwirkung den Vordermann zur Tatbegehung bewogen haben. Dann aber hätte der Vordermann ohne die Einflussnahme des Hintermannes die Tat nicht begangen und die Rechtsgutsverletzung nicht herbeigeführt, sodass sich in dieser gerade das vom vermeintlichen mittelbaren Täter begründete Risiko realisiert. Allerdings könnte das Erfordernis eines Schutzzweckzusammenhangs einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters entgegenstehen. Denn es ließe sich in Zweifel ziehen, ob das Verbot, auf einen anderen einzuwirken, um diesen zum eigenen deliktischen Werkzeug zu machen, verhindern soll, dass dieser die Tat freiverantwortlich begeht. Entscheidend ist, wie weit der Schutzbereich der vom vermeintlichen Täter verletzten Sorgfaltsnorm reicht. Wie die Regelungen der §§ 26, 27, 30 StGB zeigen, widerspricht nicht nur die freiverantwortliches Handeln ausschließende Einwirkung, sondern jegliche Form der Einflussnahme auf die Willensrichtung des Ausführenden, die eine Rechtsgutsverletzung begünstigen könnte, der Rechtsordnung. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf ist ganz generell immer dann zu erheben, wenn der Täter ein unerlaubtes Risiko der Tatbestandsverwirklichung geschaffen hat.1173 Daher ist es nicht notwendig, die Sorgfaltsnorm zur Verhinderung von Straftaten Dritter eng auf ein den Beteiligungsformen beim vorsätzlichen Begehungsdelikt entsprechendes Verhalten zu begrenzen.1174 Dies würde auch dem Ziel widersprechen, prinzipiell jedes sorgfaltswidrige Verhalten zu untersagen, sofern für den Täter erkennbar war, dass er durch sein Handeln den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführt. Eine so verstandene Sorgfaltsnorm, die etwa lauten könnte „Nimm keinen Einfluss auf die Willensrichtung eines anderen, wenn sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser fremde Rechtsgüter verletzt, erhöht“, soll dann aber vor allen Ausführungshandlungen des Rezipienten schützen, die Ausfluss dieser Einwirkung sind. Ziel der Sorgfaltsnorm ist es also ganz generell, die Tatbestandsverwirklichung eines anderen zu verhüten. Damit ist aber auch ein freiverantwortlich verwirklichter Erfolg vom Schutzbereich dieser Verhaltensnorm erfasst.
1172 Vgl.
dazu bereits die Analyse der Beispielsfälle in Kap. 1 C. ist, ob auch für die fahrlässige Tatbegehung eine Unterscheidung der verschiedenen Beteiligungsformen geboten ist oder ob hier ein Einheitstäterbegriff gilt, vgl. dazu m. w. N. MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 284 f.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 8; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 107 ff. Anders Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 261 ff. 1174 Vgl. zu dieser „erweiterten Sorgfaltspflicht“ auch Schönke/Schröder-Heine/ Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 109 sowie Schönke/Schröder-Eisele, StGB, Vor § 13 Rn. 101c. 1173 Unklar
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit313
b) Vermeintliche Mittäterschaft Zweifelhaft könnte der Zurechnungszusammenhang dagegen im Falle der vermeintlichen Mittäterschaft sein. Sorgfaltswidrig handelt der scheinbare Mittäter, weil er sich mit mindestens einem anderen zur gemeinschaftlichen Tatbegehung verabredet und damit das Risiko begründet, dass der andere durch die Zusage des Tatbeitrags in seinem Tatentschluss bestärkt und zur Tatbegehung motiviert wird.1175 Weil sich der Ausführende vorliegend aber vom gemeinsamen Tatplan losgesagt hat und der Tatplan damit auf ihn eine solche Wirkung gerade nicht hatte,1176 ist fraglich, ob sich in der nunmehr allein der Unterstützung der Polizeiarbeit dienenden Tatbegehung durch den vermeintlichen Mittäter tatsächlich das durch die Tatverabredung begründete Risiko realisiert. Dafür könnte sprechen, dass sich auch in den Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft das generelle Risiko, einen nicht mehr vollständig selbst steuerbaren Kausalverlauf in Gang gesetzt zu haben, der mit großer Wahrscheinlichkeit in eine Rechtsgutsverletzung mündet, realisiert, weil es letztlich auch hier allein wegen dieser Verabredung überhaupt zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges kommt. Denn hat der Ausführende selbst gar keinen Vorsatz (mehr), den Tatbestand zu verwirklichen, wird er die Ausführungshandlung nur deshalb plangemäß vornehmen, um dadurch den irrtümlich an den Fortbestand der Willensübereinkunft Glaubenden seiner Täterschaft zu überführen.1177 Wäre es demnach gar nicht zu einer Willensübereinkunft zwischen den vermeintlichen Mittätern gekommen, hätte für den abtrünnigen Mittäter auch kein Grund bestanden, die Ausführungshandlung scheinbar plangemäß vorzunehmen. Zweifelhaft ist jedoch, ob das Verbot, sich mit anderen zur gemeinschaftlichen Tatbegehung zu verabreden, auch davor schützen soll, dass dieser andere den tatbestandlichen Erfolg fahrlässig verwirklicht, um den vermeintlichen Mittäter in Absprache mit der Polizei seiner Täterschaft zu überführen. Selbst wenn man auch den Schutzbereich des Verbotes, sich mit einem anderen zur Deliktsbegehung zu verabreden, weit versteht und darauf abstellt, dass es jegliche die Rechtsgutsverletzung fördernde Einflussnahme auf den anderen unterbinden soll, ist bei der vermeintlichen Mittäterschaft ein Zusammenhang zwischen diesem Schutzzweck und der konkreten Art des Er1175 Ausführlich
dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). dazu bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (a) (aa). 1177 Dies zeigen auch die oben in Kap. 1 A. I. 1. geschilderten Beispielsfälle zur vermeintlichen Mittäterschaft. In allen Fällen, in denen es trotz der Lossagung zur Tatausführung gekommen ist, erfolgte die Vornahme der Handlung in Absprache mit der Polizei zur Überführung des Irrenden. 1176 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
folgseintritts nicht eindeutig auszumachen. Problematisch erscheint nämlich, dass der Erfolg nur deshalb eintritt, weil sich die eingesetzten Sicherungsmaßnahmen ex post als untauglich erweisen, nicht aber weil sich der Ausführende durch die Verabredung zur Erfolgsherbeiführung verleitet gefühlt hat. Der vermeintliche Mittäter hält zwar aufgrund der vorherigen Tatverabredung zum Schein an der tatplangemäßen Ausführung fest, will jedoch eigentlich in Absprache mit der Polizei von vornherein ausschließen, dass diese zur Verletzung des geschützten Rechtsgutes führt. Selbst wenn man also darauf abstellt, dass der vermeintliche Mittäter die scheinbar plangemäße Handlung nur wegen der vorherigen Verabredung vornimmt, ist es nicht das hierdurch geschaffene Risiko, das sich im Erfolg realisiert, sondern nur das Risiko unzureichender Sicherung des Rechtsguts. Denn die Willensübereinkunft war schließlich nur der Anlass dafür, eine vermeintlich plangemäße Ausführungshandlung vorzunehmen, die das Rechtsgut tatsächlich nie in Gefahr bringen sollte. Die Situation für das verletzte Rechtsgut ist also eine völlig andere als bei plangemäßem Verlauf der gemeinschaftlichen Tatbegehung. Zeigen lässt sich dies am Bleiwesten-Fall:1178 Wäre A tatsächlich bereit gewesen, C gemeinsam mit B zu überfallen und dazu auf C zu schießen, hätte sich in der Verletzung des C die durch die Verabredung begründete besondere Gefahr der gemeinschaftlichen Begehung realisiert. So aber kommt es zur Gesundheitsschädigung des C nur deshalb, weil sich die Bleiweste, die er zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit trägt, als veraltet und untauglich erweist. Das Verbot, sich mit einem anderen zur gemeinsamen Tatbegehung zu verabreden, besteht aber nicht, um Verletzungen aufgrund der unzureichenden polizeilichen Sicherung des verletzten Rechtsgutes zu verhüten, sondern es dient allein dazu, eine willentliche Beeinträchtigung des Rechtsgutes zu verhindern. Der Unterschied zur vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ist, dass dort die Willensbeeinflussung tatsächlich im tatbestandsmäßigen Erfolg wirksam wird, wenngleich auch nicht so, wie vom vermeintlichen Hintermann geplant. Bei der vermeintlichen Mittäterschaft ist es dagegen nicht die Willensbeeinflussung, sondern ausschließlich das vom Ausführenden durch die Vornahme gefährlicher Handlungen ohne hinreichende Sicherheitsvorkehrungen selbst geschaffene Risiko, welches sich im Erfolg realisiert. Schutzzweck der Verbotsnorm, andere bei der Tatausführung zu unterstützen oder ihre Willensrichtung so zu beeinflussen, dass dadurch die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung steigt, ist aber allein, eine Willensbindung oder -bestärkung sowie den Abbau von Hemmnissen und dadurch mittelbar die Tatbestandsverwirklichung zu verhindern. Daher fehlt es im Falle der vermeintlichen Mittäterschaft am Zurechnungszusammenhang zwischen dem begangenen Sorgfaltsverstoß und dem konkreten tatbestands1178 Beispiel
nach Buser, S. 144. Vgl. zu diesem Fall Kap. 1 C. IV. 1.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit315
mäßigen Erfolg, sodass eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des scheinbaren Mittäters ausscheidet. 4. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den Vordermann Einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters könnte zuletzt das vorsätzliche Handeln des vermeintlichen Tatmittlers entgegenstehen. Nach der Lehre vom Regressverbot kann der fahrlässig handelnde Ersttäter nicht für das vorsätzliche Handeln des Zweittäters zur Verantwortung gezogen werden, er dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass andere keine vorsätzlichen Straftaten begehen.1179 Weil es sich bei der anderen Person um ein verantwortliches Wesen handele, sei die Erwartung berechtigt, dass diese ihrer sozialen Verantwortung entsprechend handeln und sich sorgfaltsgemäß verhalten werde.1180 Darauf fuße der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit: Grundsätzlich sei jeder stets nur für das eigene sorgfaltswidrige Verhalten verantwortlich.1181 Auf einen solchen Vertrauensgrundsatz kann sich der Täter aber jedenfalls dann nicht berufen, wenn es gerade Zweck der verletzten Sorgfaltsnorm ist, Vorsatztaten Dritter zu verhindern oder das vorsätzliche Handeln des Zweittäters für den Ersttäter konkret vorhersehbar war.1182 Hat der Ersthandelnde konkrete Anhaltspunkte für das sorgfaltswidrige Handeln eines Zweittäters, fördert er es möglicherweise sogar selbst, kann von ihm erwartet werden, 1179 Naucke, ZStW 76 (1964), S. 409, 424 ff.; Otto, AT, § 6 Rn. 56; ders., in: FS Maurach (1972), S. 91, 98 ff. Ausführlich zur Frage eines Regressverbots bei fahrlässiger Beteiligung an einem Vorsatzdelikt Ling, Unterbrechung; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 157 ff.; Wehrle, Fahrlässige Beteiligung. Vgl. auch Hruschka, ZStW 110 (1998), S. 581 ff.; Kindhäuser, AT, § 11 Rn. 37 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1363b; Stratenwerth, in: FS Schmidt (1971), S. 388, 390 ff. Kritisch Frister, AT, § 10 Rn. 10 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 573 f.; SK-StGB-Jäger, Vor § 1 Rn. 131 ff. 1180 Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 171; Stratenwerth, in: FS Schmidt (1971), S. 388, 392. 1181 Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 171; Stratenwerth, in: FS Schmidt (1971), S. 388, 392 f. 1182 Bloy, Beteiligungsform, S. 139 ff.; Frister, AT, § 10 Rn. 13 f.; Jäger, JA 2012, S. 634, 635 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 574; Kaspar, JuS 2012, S. 112, 114; Krey/Esser, AT, Rn. 1363b; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 141, 144 ff.; Rengier, AT, § 52 Rn. 58 ff.; Roxin, in: FS Tröndle (1989), S. 177, 190 f.; Rudolphi, JuS 1969, S. 549, 556; SK-StGB-Jäger, Vor § 1 Rn. 132; Stratenwerth, in: FS Schmidt (1971), S. 388, 392 f.; Wehrle, S. 63 ff.; Weißer, S. 523 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 277. Vgl. auch Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 179 ff. Kritisch SK-StGB-Hoyer, Anh. § 16 Rn. 55 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
dass er dies bei der Ausrichtung seines Verhaltens berücksichtigt und ein Handeln unterlässt, das die Straftat des Zweithandelnden fördert. Ein sich aus dem Wesen und der eigenen Verantwortung einer anderen Person speisendes Vertrauen in die Integrität des anderen kann jedenfalls dann nicht mehr bestehen, wenn der Sorgfaltsverstoß des Ersthandelnden gerade darin besteht, diese zur Tatbestandsverwirklichung bewogen zu haben. Aus diesem Grund kann sich der vermeintliche mittelbare Täter – unabhängig davon, ob ein solches Regressverbot überhaupt anzuerkennen ist – auf das Dazwischentreten des vermeintlichen Tatmittlers im konkreten Fall jedenfalls nicht berufen.1183 Es wäre vielmehr wertungswidersprüchlich, auf der einen Seite eine Sorgfaltsnorm mit dem Inhalt, jegliche die Rechtsgutsverletzung begünstigende Beeinflussung anderer zu unterlassen, anzuerkennen, dann aber dem Verhalten des Adressaten dieser Einwirkung zurechnungsausschließenden Charakter beizumessen. Damit würde diese Sorgfaltsnorm stets leerlaufen. Jede auf dem Vertrauen in die Einhaltung gewisser Standards oder Verhaltensregeln durch andere basierende Begrenzung des eigenen Verantwortungsbereichs kann dann nicht durchgreifen, wenn dieses Vertrauen durch konkrete gegenteilige Anhaltspunkte erschüttert wurde. Dies ist bei der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft der Fall: Hier ist die Einwirkung des Hintermannes gerade darauf gerichtet, den Vordermann zur Tatbestandsverwirklichung zu bewegen. Eine Einflussnahme ist allein deshalb untersagt, um zu verhindern, dass es zum Abbau von inneren und äußeren Hemmnissen kommt und dadurch die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung erhöht wird. Dann kann aber, wenn sich genau dieses Risiko realisiert und es zur Straftat des Vordermannes kommt, dies die Verantwortung des Hintermannes für den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht ausschließen.
III. Ergebnis zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit 1. Ergebnis für die vermeintliche mittelbare Täterschaft Es konnte gezeigt werden, dass sich die Fälle der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft, in denen es trotz der misslungenen Instrumentalisierungshandlung zur Tatbestandsverwirklichung durch den vermeintlichen mittelbaren Täter kommt, dogmatisch über eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erfassen lassen. Der Sorgfaltsverstoß liegt dabei in der Einwirkung auf den Vordermann, denn hierdurch wird die Gefahr begründet, dass dieser zur Tatbegehung schreitet und so das tatbestandlich geschützte Rechtsgut verletzt. Weil die verletzte Sorgfaltsnorm gerade davor schützen soll, dass andere wegen der Einflussnahme den Tatbestand des jeweiligen Delikts verwirklichen, rea1183 So
auch Küper, in: FS Roxin (2011), S. 895, 915.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB317
lisiert sich in dem vom unmittelbar Ausführenden herbeigeführten Erfolg auch gerade das vom vermeintlichen mittelbaren Täter begründete Risiko. 2. Ergebnis für die vermeintliche Mittäterschaft Für die vermeintliche Mittäterschaft war der Anwendungsbereich einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit von vornherein begrenzt. Da die deutsche Strafrechtsdogmatik eine fahrlässige Versuchsstrafbarkeit nicht kennt, käme sie überhaupt nur in den wenig praxisrelevanten Fällen, in denen der vermeintliche Mittäter in Absprache mit der Polizei die Ausführungshandlung scheinbar plangemäß durchführt und dabei insbesondere aufgrund unzureichender Sicherheitsvorkehrungen unwillentlich den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt, in Betracht. Auch in diesen Konstellationen lässt sich jedoch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für denjenigen, der irrtümlich an den Fortbestand des gemeinsamen Tatplans glaubt, nicht begründen. Er verhält sich zwar sorgfaltswidrig, indem er mit dem vermeintlichen Mittäter die gemeinsame Deliktsbegehung verabredet, die von seinem scheinbaren Komplizen fahrlässig verursachte Rechtsgutsverletzung ist jedoch nicht mehr vom Schutzbereich der hierdurch verletzten Sorgfaltsnorm erfasst, sodass ihm diese nicht zugerechnet werden kann.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB I. Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters Der irrtümlich an den Fortbestand des gemeinsamen Tatplans Glaubende könnte sich aber zumindest wegen Verbrechensverabredung gem. § 30 II Var. 3 StGB strafbar gemacht haben, vorausgesetzt, bei der der Verabredung zugrunde liegenden Tat handelt es sich um ein Verbrechen. 1. An der Abrede ist neben dem Irrenden mindestens eine weitere ernsthaft zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossene Person beteiligt Wirken neben dem vermeintlichen Mittäter zumindest zwei weitere Personen mit, die beide an den Fortbestand der Willensübereinkunft glauben und ernsthaft zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossen sind,1184 besteht trotz der Lossagung des vermeintlichen Mittäters zwischen ihnen ein ge1184 Zu
dieser Fallkonstellation vgl. Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b).
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
meinsamer Tatplan1185 und damit auch eine Verbrechensverabredung im Sinne des § 30 II Var. 3 StGB fort.1186 In diesem Verhältnis entfaltet die Willensübereinkunft auch weiterhin eine Motivations- und Bindungswirkung, immerhin verbindet diese Beteiligten der fortwährende gleichgerichtete Vorsatz, gemeinschaftlich die verabredete Tat zu begehen. Dieser fortbestehende Zusammenschluss begründet die innere Bindung und Bestärkung, die zu einer erhöhten Gefahr für das Rechtsgut führt und die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung trägt. Allerdings tritt die Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB hinter einer etwaigen Versuchsstrafbarkeit desselben Deliktes konkurrenzrechtlich zurück.1187 Eine solche lässt sich für die weiterhin zur gemeinschaftlichen Begehung entschlossenen Beteiligten immer dann begründen, wenn nicht allein der vermeintliche Mittäter, sondern auch ein tatbereiter Mitwirkender Ausführungshandlungen vollzogen hat. In diesen Fällen können die Ansatzhandlungen auch den anderen am gemeinsamen Tatplan Festhaltenden wegen der in diesem Verhältnis fortbestehenden Zurechnungsgrundlage zugerechnet werden, sodass sich für sie der Versuchsbeginn begründen lässt.1188 Selbstständige Bedeutung erlangt die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung demnach immer dann, wenn bisher allein der vermeintliche Mittäter tätig geworden ist, denn in diesen Fällen lässt sich eine Versuchsstrafbarkeit der tatentschlossenen Mitwirkenden trotz des zwischen diesen fortbestehenden Tatplans dogmatisch nicht begründen.1189 2. An der Abrede ist neben dem Irrenden nur der vermeintliche Mittäter beteiligt a) Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung Schwerer fällt die Beurteilung der Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung, wenn neben dem seine eigene Position im deliktischen Geschehen überschätzenden Beteiligten nur noch der vermeintliche Mittäter an der Tat1185 Kap. 1
A. I. 3. c) cc) (2) (b). auch Becker, Strafgrund, S. 85; Fieber, S. 63; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 63; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 53 Rn. 131; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 64; Piazena, S. 189; Roxin, AT II, § 28 Rn. 48; Thalheimer, S. 99. 1187 BGHSt 6, 308, 311; BGHSt 14, 378; BGH NStZ 1983, 364; BGH NStZ 1986, 565, 566; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 10; Maurach, JZ 1961, S. 137, 143; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 73; Roxin, AT II, § 28 Rn. 69; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 38; Schröder, JuS 1967, S. 289, 294; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 59. 1188 Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2) (b) und Kap. 1 B. XI. 1. b) bb). 1189 Vgl. Kap. 1 B. XI. 1. b) cc). 1186 So
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB319
planung beteiligt ist.1190 In diesen Fällen entfaltet die Verabredung jedenfalls keine wechselseitige, sondern allenfalls eine einseitige Bindungswirkung. Es ist daher zu untersuchen, ob auch diese die Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB legitimieren kann. Eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung ist von vornherein nur denkbar, wenn es zu einer – wenn auch von Beginn an nur einseitig ernst genommenen – objektiven Einigung überhaupt gekommen ist. Denn der Versuch der Verbrechensverabredung ist nicht strafbewehrt, würde er doch auch eine bedenkliche weitere Vorverlagerung der ohnehin umstrittenen weiten Ausdehnung der Strafbarkeit in das Vorbereitungsstadium der Tat bedeuten.1191 Zweifelhaft kann die objektive Willensübereinkunft in Fällen wie dem Münzhändler-Fall1192 sein, in dem jedenfalls mit dem später die Tat ausführenden Münzhändler nur in der Vorstellung des B eine Einigung erzielt wurde. Für diese Fallkonstellationen lässt sich eine Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB nur begründen, wenn zumindest mit dem Dritten, der den gemeinsamen Tatplan mit dem Ausführenden vermittelt, eine Verabredung getroffen wurde. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Dritte eine wesentliche Rolle bei der Tatplanung übernimmt und auch ihm daher eine mittäterschaftliche Rolle bei der geplanten Tatbegehung zukäme, sodass der Irrende in ihm ebenfalls einen Partner bei der gemeinschaftlichen Deliktsverwirklichung wähnt. Tritt der Dritte dagegen für den Irrenden erkennbar nur als Vermittler auf, der selbst zu der Tatbegehung keinen wesentlichen Beitrag leisten soll, fehlt es an einer objektiven Willensübereinkunft, sodass bereits aus diesem Grund eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung zwingend ausscheidet. Für die übrigen Fälle ist entscheidend, ob diese objektive Verabredung auch ohne einen mit dieser korrespondierenden Vorsatz die Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB begründet.
1190 Dafür AnwK-StGB-Waßmer, § 30 Rn. 39; Eser, Strafrecht II, § 48 Rn. 14; Frister, AT, § 29 Rn. 35 f.; Matt/Renzikowski-Heger, StGB, § 30 Rn. 19; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 29; Schröder, JuS 1967, S. 289, 294. Dagegen RGSt 58, 392, 393; Becker, Strafgrund, S. 85 ff.; Fieber, S. 64; Fischer, StGB, § 30 Rn. 12b; Heinrich, AT, Rn. 1371; Kindhäuser, LPK-StGB, § 30 Rn. 23; Kühl, AT, § 20 Rn. 252; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 6; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 63; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 53 Rn. 131; Maurach, JZ 1961, S. 137, 139; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 50; Piazena, S. 190 f.; Rengier, AT, § 47 Rn. 28; Roxin, AT II, § 28 Rn. 49; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 48; SSW-StGBMurmann, § 30 Rn. 9. Differenzierend Letzgus, S. 183; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 65. 1191 Überzeugend dazu Mitsch, in: FS Maiwald (2010), S. 539, 545 ff.; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 874 f.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 25 jew. m. w. N. Vgl. auch BT-Drucks. IV/650, S. 154. 1192 BGHSt 40, 299. Ausführlich dazu Kap. 1 A. I. 1.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
aa) Übertragbarkeit der Erwägungen zum zwingenden Charakter der Mittäterschaftsvoraussetzungen Möglicherweise lassen sich mithilfe der zum zwingenden Charakter der Mittäterschaftsvoraussetzungen gewonnenen Erkenntnisse unmittelbare Schlussfolgerungen für die Auslegung der Verbrechensverabredung ziehen. Weil für die Versuchsstrafbarkeit nachgewiesen wurde, dass sie sich ohne einen gemeinsamen Tatplan nicht begründen lässt,1193 kann unter Umständen für die Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB nichts anderes gelten.1194 Allerdings ergibt sich die Unverzichtbarkeit des gemeinsamen Tatplans für die Versuchsstrafbarkeit des Mittäters vor allem aus dem Strafgrund des Versuchs und der tatherrschaftsbegründenden und damit auch zurechnungslegitimierenden Funktion, die dieser beim Versuch erfüllt.1195 Somit fußt der zwingende Charakter der Mittäterschaftsvoraussetzungen gerade auf versuchsspezifischen, dessen Struktur und Ratio betreffenden Erwägungen, die sich nicht ohne weiteres auf die Verbrechensverabredung übertragen lassen. Beim Versuch stellt sich die Frage, ob sich die Verantwortung für ein fremdhändig vollzogenes Außenweltgeschehen auch dann begründen lässt, wenn dieses nur in der Vorstellung des Zurechnungssubjekts Folge eines gemeinsamen Tatplans ist. Im Rahmen der Verbrechensverabredung bedarf es dagegen keiner Zurechnung objektiver Geschehnisse, sondern zweifelhaft ist hier, inwieweit sich eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorbereitungsstadium – auch unter Berücksichtigung des Strafgrundes des § 30 II Var. 3 StGB – rechtfertigen lässt, wenn es an einem tatsächlichen Zusammenschluss der Mittäter fehlt.1196 Damit ist es durchaus denkbar, dass die Lossagung zwar den gemeinsamen Tatplan als Zurechnungsgrundlage beseitigt, nicht aber die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung ausschließt. Deshalb lassen sich aus den bislang gewonnenen Erkenntnissen keine unmittelbaren Rückschlüsse für die Auslegung des § 30 II Var. 3 StGB ziehen. bb) Lossagung als Vorsatzproblem Für eine Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB wird angeführt, es mangele dem vermeintlichen Mittäter allein am Vorsatz.1197 Ein Vorsatzentfall habe 1193 Ausführlich
dazu Kap. 1 B. Becker, Strafgrund, S. 88. Ähnlich auch Fieber, S. 64; Roxin, AT II, § 28 Rn. 49; SSW-StGB-Murmann, § 30 Rn. 25; Thalheimer, S. 99. 1195 Siehe dazu oben Kap. 1 B. VII. und VIII. 1196 Zur fehlenden Vergleichbarkeit beider Fragestellungen auch bereits in Kap. 1 B. VI. 1. 1197 AnwK-StGB-Waßmer, § 30 Rn. 39; Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 5; Schröder, JuS 1957, S. 289, 294. 1194 So
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB321
aber für die übrigen Beteiligten keine Auswirkungen, denn hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen komme es stets allein auf den jeweiligen Beteiligten an.1198 Fraglich ist jedoch gerade, ob die fehlende subjektive Willensübereinkunft tatsächlich allein den Vorsatz des Scheinbeteiligten ausschließt oder bereits unverzichtbar für den objektiven Bestand einer Verbrechensverabredung ist. Dies hängt davon ab, aus welcher Perspektive das Vorliegen einer Einigung zu beurteilen ist. Entschiede die objektive Empfängersicht darüber, ob es zu einer Verabredung gekommen ist, wäre der individuelle Tatentschluss in der Tat ohne Belang für das Vorliegen einer Verbrechensverabredung, solange sein Fehlen für einen objektiven Betrachter nicht erkennbar ist.1199 Mithin läge eine Verabredung auch zwischen den scheinbaren Mittätern vor, denn charakteristisch für die vermeintliche Mittäterschaft ist gerade der objektive Schein einer Verabredung. Sein fehlender Wille, den gemeinsamen Tatplan umzusetzen, schlösse dann allein den Vorsatz des Scheinbeteiligten aus. Zu einem anderen Ergebnis käme man freilich, wenn man die Verbrechensverabredung nicht als rein objektive Übereinkunft, als aus zwei korrespondierenden Willenserklärungen bestehenden Quasi-Vertrag verstünde, sondern als tatsächliche, auch aus der Sicht eines allwissenden Betrachters bestehende Einigung zwischen den Beteiligten. Eine solche bestünde nur dann, wenn die Übereinkunft auch subjektiv von einem gleichgerichteten Vorsatz der Mitwirkenden getragen ist. Obwohl also der Mangel gegenüber dem Normalfall der Mittäterschaft darin besteht, dass es am Vorsatz eines Mitwirkenden fehlt, kann daraus nicht unmittelbar gefolgert werden, dass dieser Mangel auf die Vorfeldstrafbarkeit der übrigen Beteiligten keine Auswirkungen hat. Welche Auswirkungen der Vorsatzentfall auf die objektive Voraussetzung der Verbrechensverabredung und insbesondere die Legitimierbarkeit der Vorfeldstrafbarkeit gem. § 30 II StGB hat, ist gerade fraglich und lässt sich nicht bereits durch den Verweis auf den subjektiven Charakter des Vorsatzes beantworten. cc) Strafgrund der Verbrechensverabredung Welches Verständnis der Verbrechensverabredung vorzugswürdig ist, lässt sich nur mit Blick auf den Charakter des § 30 StGB und seinen Strafgrund1200 ermitteln. Die kriminalpolitische Notwendigkeit, bei der Beteiligung mehre1198 So wohl Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 5. Kritisch dazu Becker, Strafgrund, S. 86. 1199 So Frister, AT, § 29 Rn. 35; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 29. 1200 Diese Frage kann in der vorliegenden Arbeit nur oberflächlich umrissen werden. Für eine vertiefte Auseinandersetzung vgl. Becker, Strafgrund, S. 172 ff.; Letzgus, S. 123 ff.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
rer bereits die Vorstufen der Beteiligung zu kriminalisieren, wird überwiegend mit einem gegenüber den Vorbereitungshandlungen des Alleintäters gesteigerten Gefährdungspotenzial begründet.1201 Ein solches erhöhtes Gefährdungspotenzial soll vor allem aus zwei Gründen bestehen.1202 Zum einen binde die Verbrechensverabredung den Einzelnen stärker an seine Zusage, sodass es ihm schwerer falle, sich wieder vom Deliktsplan zu lösen.1203 Auch würden durch die geäußerte Bereitschaft der anderen, sich ebenfalls an der Tatbegehung zu beteiligen, Bedenken gegen das Vorhaben abgebaut und dadurch die Appellwirkung der Strafandrohung abgeschwächt.1204 Dadurch steige die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einer Umsetzung des geplanten Verbrechens komme.1205 Zum anderen unterscheide sich die Verbrechensverabredung von der Tatplanung des Alleintäters dadurch, dass der Komplottant mit der Willensübereinkunft einen Kausalverlauf anstoße, den er anschließend nicht mehr vollständig kontrollieren könne.1206 Insbesondere riskiere er, dass es später auch gegen seinen Willen zur Tatbestandsverwirklichung komme.1207 Welche Auswirkung die Lossagung eines Komplizen auf die Strafbarkeit des anderen wegen Verbrechensverabredung hat, hängt also davon ab, ob das spezifische Gefährdungspotenzial, das diese Vorfeldstrafbarkeit legitimiert, auch dann besteht, wenn nur ein Beteiligter ernstlich zur Tatbegehung entschlossen ist. 1201 BT-Drucks. IV/650, S. 153; BGHSt 44, 91, 95; Becker, Strafgrund, S. 182; Bock/Harrendorf, ZStW 126 (2014), S. 337, 360 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 701; Kühl, AT, § 20 Rn. 245; Letzgus, S. 123 ff.; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 870; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Schröder, JuS 1967, S. 289. 1202 Für eine Kumulierung der Begründungen Frister, AT, § 29 Rn. 30; Jakobs, AT, § 27 Rn. 1 f.; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 11; Thalheimer, S. 92. 1203 BT-Drucks. IV/650, S. 154; BT-Drucks. V/4095, S. 13; BGHSt 10, 388, 389; BGHSt 44, 91, 95; BGH NJW 2016, 1030, 1032; Fieber, S. 167 ff.; Frister, AT, § 29 Rn. 30; Jakobs, AT, § 27 Rn. 1; Jescheck/Weigend, AT, S. 701; Kühl, AT, § 20 Rn. 245; Letzgus, S. 126 ff.; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 3; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5; ders., JA 1979, S. 169, 170 f.; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1; Schröder, JuS 1967, S. 289; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 11; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 179; Thalheimer, S. 92. Kritisch Becker, Strafgrund, S. 182 f., 201 ff. 1204 Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1. Ähnlich Letzgus, S. 130 f.; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 870. 1205 BGH NJW 2016, 1030, 1032; Letzgus, S. 133; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 870; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 1. 1206 BT-Drucks. IV/650, S. 153; Bock/Harrendorf, ZStW 126 (2014), S. 337, 361; Fieber, S. 172 f.; Frister, AT, § 29 Rn. 30; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 11; Thalheimer, S. 92. Kritisch zur Anwendbarkeit auf die Verbrechensverabredung Becker, Strafgrund, S. 183, 191 ff.; Jakobs, AT, § 27 Rn. 1. 1207 BT-Drucks. IV/650, S. 153; Bock/Harrendorf, ZStW 126 (2014), S. 337, 361; Fieber, S. 172 f.; Frister, AT, § 29 Rn. 30.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB323
Auch insoweit ist zwischen den verschiedenen Varianten der vermeintlichen Mittäterschaft1208 zu differenzieren: Waren zum Zeitpunkt der Verabredung zunächst beide Beteiligte zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossen, die objektive Willensübereinkunft also von einem korrespondierenden Tatentschluss getragen und hat sich ein Mitwirkender dann zu einem späteren Zeitpunkt im Vorbereitungsstadium still von der gemeinsamen Tat losgesagt, bestand zunächst tatsächlich das abstrakte Gefährdungspotenzial, das die Vorverlagerung der Strafbarkeit rechtfertigt. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Tatverabredung unterscheidet sich diese Konstellation der vermeintlichen Mittäterschaft nicht von dem Regelfall der Mittäterschaft. Der Unterschied besteht allein darin, dass sich anders als dort diese abstrakte erhöhte Gefahr später nicht zu einer konkreten Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes verdichtet. Mäße man der stillen Lossagung in dieser Konstellation strafbarkeitsausschließenden Charakter bei, würde dadurch die Rücktrittsvorschrift des § 31 I Nr. 3 StGB unterlaufen. Hiernach entfällt die Vorfeldstrafbarkeit desjenigen, der ein Verbrechen verabredet hat, nur, wenn er die Tat freiwillig verhindert. Dieser Vorschrift hätte es jedoch gar nicht bedurft, wenn eine spätere Distanzierung von der Tat die Verbrechensverabredung automatisch entfallen ließe und damit eine Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB ohnehin ausschlösse. Wenn aber der Gesetzgeber eine spätere Lösung vom gemeinsamen Tatplan als Rücktritt von der Verbrechensverabredung bewertet, ist damit zugleich die Wertung getroffen, dass sie nur Auswirkungen auf die Strafbarkeit des Zurücktretenden hat, die Strafbarkeit der anderen Beteiligten aber nicht tangiert. Bei dem Rücktritt nach § 31 StGB handelt es sich schließlich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund.1209 Somit ergibt sich für diese Variante der vermeintlichen Mittäterschaft bereits aus der Gesetzessystematik, dass der spätere Entfall des Tatentschlusses nicht unmittelbar auch zum Entfall der Verabredung im Sinne des § 30 StGB führt. Dafür spricht auch, dass die Verbrechensverabredung nach § 30 StGB keinen konkreten Erfolg, noch nicht einmal eine konkrete Gefährdung voraussetzt, sondern als Vorbereitungshandlung nur wegen ihres typischerweise bestehenden Gefährdungspotenzials strafbewehrt ist.1210 Deshalb kann es aber auch nur darauf ankommen, ob diejenigen Voraussetzungen erfüllt sind, die typischerweise eine solche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung begründen und nicht darauf, ob sich das besondere Gefährdungspotenzial der 1208 Ein Überblick über die möglichen Konstellationen der vermeintlichen Mittäterschaft findet sich in Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (2). 1209 Statt vieler Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 31 Rn. 1; Thalheimer, S. 157 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 727. 1210 Aus diesem Grund wird teilweise auch eine Vergleichbarkeit mit den abstrakten Gefährdungsdelikten betont, vgl. Fieber, S. 145 ff., 173 ff.; Letzgus, S. 186 f.; Rogall, in: FS Puppe (2011), S. 859, 872. Kritisch dazu Becker, Strafgrund, S. 176 ff.
324
Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Verbrechensverabredung später realisiert hat, sie also tatsächlich zu einer erhöhten Bindung an das deliktische Vorhaben geführt hat. Somit lässt sich für die Fälle, in denen sich der vermeintliche Mittäter erst später still von der gemeinsamen Tatbegehung losgesagt hat, festhalten, dass der Vorsatzentfall nicht zum Entfall der Strafbarkeit des irrtümlich an den Fortbestand des gemeinsamen Tatplans Glaubenden wegen Verbrechensverabredung führt. Fraglich ist, ob auch ein bereits zum Zeitpunkt der Verabredung bestehender innerer Vorbehalt ohne Auswirkung auf die Strafbarkeit des anderen Mittäters wegen Verbrechensverabredung bleibt. Der Unterschied zu der zuvor geschilderten Konstellation besteht darin, dass hier zu keinem Zeitpunkt ein übereinstimmender Tatentschluss vorlag und so auch nie die Gefahr bestand, dass die Abrede bei dem Scheinbeteiligten eine bestärkende Wirkung entfaltet. Zwar hat auch in diesem Fall der sich vorsätzlich zur gemeinschaftlichen Verbrechensbegehung Verabredende den Kausalverlauf aus der Hand gegeben, indem er seinen Tatentschluss kundgetan hat. Die Bindungswirkung, die diese Verabredung entfaltet, ist aber von vornherein abgeschwächt, denn der ernstlich zur Tatbegehung Entschlossene bindet mit seiner Zusage den Scheinbeteiligten weder an das gemeinsame Vorhaben und erschwert diesem dadurch die Abstandnahme, noch schwächt er bei ihm etwaige Bedenken gegen die Tatausführung ab. Schließlich fehlt dem vermeintlichen Mittäter von Beginn an der Wille, die verabredete Tat zu begehen. Eine bestärkende und motivierende Wirkung kann die Willensübereinkunft daher allein aufseiten des Irrenden entfalten. Aus diesem Grund wird zum Teil vertreten, in einem solchen Falle begründe der Willenskonsens keine erhöhte Gefahr für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut.1211 Die besondere Gefährlichkeit der Verbrechensverabredung ergebe sich gerade aus der wechselseitigen Bindung der Beteiligten an das gemeinsame Vorhaben und nicht etwa bereits aus der einseitigen Bindung eines Mitwirkenden.1212 Dafür, eine Verbrechensverabredung davon abhängig zu machen, ob auch in subjektiver Hinsicht eine Übereinkunft erzielt wurde, spricht, dass der Fall einer einseitigen Willensbindung bereits von der Variante des Sich-Bereiterklärens erfasst wird. Strafgrund des § 30 II Var. 1 StGB ist die Willensbindung zwischen dem Sich-bereit-Erklärenden und dem Adressaten der Erklärung.1213 1211 Becker, Strafgrund, S. 87; Fieber, S. 64; Maurach, JZ 1961, S. 137, 139; Piazena, S. 190 f.; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 48; Thalheimer, S. 99. Dagegen Eser, Strafrecht II, § 48 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 29; Schröder, JuS 1957, S. 289, 294. 1212 Becker, Strafgrund, S. 87; Fieber, S. 64; Piazena, S. 190 f.; Thalheimer, S. 99. 1213 Becker, Strafgrund, S. 140; Kroß, Jura 2003, S. 250, 252; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 12; Roxin, JA 1979, S. 169, 171; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 37; Thalheimer, S. 73 ff.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB325
Ist aber eine Willensbindung für beide Varianten des § 30 StGB kennzeichnend und unterscheiden sie sich nur dadurch, dass diese Willensbindung im Fall des Sich-Bereiterklärens eine einseitige, bei der Verbrechensverabredung dagegen eine wechselseitige ist, spricht dies dafür, diesen Unterschied auch bereits tatbestandlich zu verankern, um eine Abgrenzung beider Varianten zu ermöglichen. Zudem würde so ein Gleichlauf zwischen der Auslegung der Verbrechensverabredung und des gemeinsamen Tatplans erzielt. Für den gemeinsamen Tatplan wurde bereits gezeigt, dass er neben einer objektiven Willensübereinkunft stets auch einen übereinstimmenden Vorsatz voraussetzt.1214 Zwar dient die Verbrechensverabredung nicht dazu, die Verantwortung für ein objektives Geschehen zu begründen und dessen Zurechnung zu legitimieren, sodass eine unterschiedliche Auslegung beider Merkmale durchaus denkbar erscheint. Gleichwohl geht es auch bei der Verbrechensverabredung darum, zu begründen, warum bereits eine noch im Vorbereitungsstadium liegende Einigung ein Strafbedürfnis auslöst. Dafür ist zwar nicht entscheidend, ob die Verabredung die Zurechnung eines Außenweltgeschehens tragen kann, wohl aber, inwieweit sie eine besondere Gefahr gegenüber dem Tatentschluss des Alleintäters begründet. Die gerade dem Tatplan eigene Gefährlichkeit besteht aber in dem Einfluss auf den anderen Mitwirkenden, der durch die eigene Zusage bestärkt und motiviert und unter Umständen sogar dazu bewogen werden könnte, die Tat alleine zu begehen. Würde man den Irrenden jedoch wegen Verbrechensverabredung bestrafen, dann obwohl er tatsächlich überhaupt keinen Einfluss auf den anderen Beteiligten hat. Letztlich handelt es sich um den untauglichen Versuch einer Verabredung, der nicht strafbar ist.1215 Dies widerspricht auch nicht dem soeben zum Fall einer späteren Lossagung Gesagten: Denn dort besteht dieser Einfluss zunächst, sodass eine Lösung von der zunächst erfolgreichen Verabredung nur in Form eines Rücktritts möglich ist. Vorliegend ist aber zu klären, ob eine Verabredung überhaupt ohne korrespondierende subjektive Willensübereinkunft zustande kommen kann. Dieser Fall wird von den Rücktrittsgrundsätzen nicht erfasst. dd) Ergebnis zur Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung Eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung lässt sich demnach nur für einen Teil der Fallkonstellationen der vermeintlichen Mittäterschaft begründen. Zunächst setzt sie voraus, dass es überhaupt zu einer objektiven Einigung zwischen den Beteiligten gekommen ist. Damit lässt sich eine 1214 Kap. 1
A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). Strafgrund, S. 88; Fieber, S. 64 m. Fn. 43; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 63 m. Fn. 72; Thalheimer, S. 100 m. Fn. 630. 1215 Becker,
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Strafbarkeit gem. § 30 II Var. 3 StGB dann nicht begründen, wenn es an einem Kontakt zwischen den Beteiligten fehlt, weil dieser nur vermeintlich durch einen Dritten hergestellt wurde, der jedoch an der Verbrechensbegehung nicht beteiligt sein soll. Aber allein eine solche objektive Willensübereinkunft kann die Verbrechensverabredung ebenfalls nicht begründen, vielmehr bedarf es zusätzlich auch eines zumindest zum Zeitpunkt der Verabredung bestehenden übereinstimmenden Vorsatzes. Damit kommt eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung nur dann in Betracht, wenn neben dem vermeintlichen Mittäter noch mindestens zwei weitere Beteiligte an der Abrede beteiligt sind, die weiterhin zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossen sind. Außerdem lässt sich eine solche Vorfeldstrafbarkeit in einem Zwei-Personen-Verhältnis begründen, wenn der vermeintliche Mittäter sich erst später von der gemeinsamen Tat losgesagt hat, zunächst aber tatsächlich den Willen hatte, mit dem anderen gemeinschaftlich ein Verbrechen zu begehen. b) Strafbarkeit wegen Sich-Bereiterklärens Damit ist aber nicht ausgeschlossen, den an den Fortbestand eines gemeinsamen Tatplans Glaubenden gem. § 30 II Var. 1 StGB wegen des Sich-Bereit erklärens zur Verbrechensbegehung zu bestrafen. Denn gleich ob er seine Bereitschaft zur Tatbegehung gegenüber einem Dritten als Vermittler oder dem vermeintlichen Mittäter selbst kundtut, fühlt er sich doch an diese Erklärung gebunden. Er erwartet die Zustimmung seines Gegenübers und macht von dieser Zustimmung auch die Umsetzung seines Entschlusses abhängig,1216 weil er nur zur gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung entschlossen ist. Damit entfaltet seine Erklärung die einseitige Bindungswirkung, die für das Sich-Bereiterklären im Sinne des § 30 StGB charakteristisch ist und dessen erhöhtes Gefahrenpotenzial für das Rechtsgut begründet.1217 Der Tatbestand des § 30 II Var. 1 StGB kann in zwei Untervarianten verwirklicht werden, nämlich zum einen durch das Sich-Erbieten und zum anderen durch die Annahme einer Aufforderung.1218 Das Sich-Erbieten zeichnet sich dadurch aus, dass es der Täter ist, der die Initiative ergreift, 1216 Zu diesem Erfordernis Becker, Strafgrund, S. 140; Kroß, Jura 2003, S. 250, 252; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 90; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 43; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 22; Schröder, JuS 1967, S. 291; SK-StGBHoyer, § 30 Rn. 37. 1217 Vgl. bereits Fn. 1213. 1218 Becker, Strafgrund, S. 139; Letzgus, S. 86; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 86; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 43; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 33; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 22; Schröder, JuS 1967, S. 289, 291; SKStGB-Hoyer, § 30 Rn. 37; Thalheimer, S. 71 f.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB327
während er bei der Annahme der Aufforderung nur auf das Tätigwerden des anderen reagiert.1219 Je nachdem, ob es der vermeintliche Mittäter bzw. der Dritte oder der Irrende selbst ist, der die Initiative zur Verbrechensverabredung ergreift, können im Falle der vermeintlichen Mittäterschaft beide Varianten verwirklicht sein. Dass die Zustimmung zum Sich-Erbieten bzw. die Aufforderung des vermeintlichen Mittäters nicht von dem ernstlichen Willen getragen ist, es zur Tatbestandsverwirklichung kommen zu lassen, hindert die Bestrafung gem. § 30 II Var. 1 StGB nicht. Die Variante des Sich-Bereiterklärens zeichnet im Unterschied zur Verbrechensverabredung gerade die nur einseitig bestehende Bindung aus, sodass es nur darauf ankommen kann, ob die Erklärung des Täters ernst gemeint ist und er sich an sie gebunden fühlt. Dies ist aber auch in den Fällen der vermeintlichen Täterschaft der Fall, schließlich glaubt der Erklärende weiterhin an die gemeinschaftliche Tatbegehung und fühlt sich gegenüber dem Adressaten gebunden und zur Erbringung seines Tatbeitrags verpflichtet. Obwohl in vielen Fällen der vermeintlichen Mittäterschaft keine Verbrechensverabredung vorliegt, entstehen dadurch also keine kriminalpolitisch bedenklichen Strafbarkeitslücken, weil sich der irrtümlich an eine Verabredung Glaubende wegen Sich-Bereiterklärens gem. § 30 II Var. 1 StGB strafbar macht.1220
II. Strafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters Auch für den vermeintlichen mittelbaren Täter stellt sich die Frage, ob sich sein Versuch, den Vordermann zu seinem deliktischen Werkzeug zu instrumentalisieren, über § 30 StGB erfassen lässt. Weil § 30 StGB keine Variante des Verleitens enthält, hängt dies davon ab, ob sich das Handeln des vermeintlichen mittelbaren Täters als Bestimmungsversuch im Sinne des § 30 StGB verstehen lässt. § 30 Abs. 1 StGB stellt ebenso wie § 26 StGB das Bestimmen eines anderen zur Verbrechensbegehung unter Strafe, sodass es zunächst nahe läge, die Tathandlung in beiden Fällen identisch auszulegen und so nur diejenigen Fälle zu erfassen, in denen der Vorsatz des Bestimmenden darauf gerichtet 1219 Becker, Strafgrund, S. 139 f.; Letzgus, S. 87; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 33; Schröder, JuS 1967, S. 289, 291. 1220 So auch Fieber, S. 64; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 6; LK-StGBSchünemann, § 30 Rn. 63; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 53 Rn. 131; Maurach, JZ 1961, S. 137, 139; Rengier, AT, § 47 Rn. 28; Roxin, AT II, § 28 Rn. 49; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 48; SSW-StGB-Murmann, § 30 Rn. 25; Thalheimer, S. 100.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
ist, den anderen zu einer freiverantwortlichen Tatbestandsverwirklichung zu bewegen.1221 Die Konsequenz wäre, dass eine Strafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters nach § 30 StGB nicht in Betracht käme. Denn im Zusammenhang mit der Untersuchung einer möglichen Teilnahmestrafbarkeit des vermeintlichen mittelbaren Täters wurde bereits nachgewiesen, dass der Vorsatz, einen Tatbestand mittels eines deliktischen Werkzeugs zu verwirklichen und der Anstiftervorsatz in einem aliud-Verhältnis stehen.1222 Dass ein derart enges Verständnis jedoch nicht zwingend ist, zeigt § 179 II StGB.1223 Hier verwendet der Gesetzgeber den Ausdruck „bestimmen“, um die Einwirkung auf eine widerstandsunfähige Person zu umschreiben. Bestimmen wird also nicht stets restriktiv als das Anstiften einer strafrechtlich vollverantwortlich handelnden Person, sondern zum Teil auch weiter als das Bewirken einer Verbrechensbegehung verstanden. Wäre eine weite Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB möglich, ließe sich hierunter auch der Instrumentalisierungsversuch des mittelbaren Täters fassen.1224 Für ein derart offenes Verständnis des Bestimmungsversuchs sprechen vor allem kriminalpolitische Erwägungen. So wurde bereits im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Versuchsbeginns bei der mittelbaren Täterschaft aufgezeigt, dass durch eine gesamttatbezogene Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens der Eintritt in das Versuchsstadium für den mittelbaren Täter vergleichsweise weit nach hinten verlagert wird und sich dadurch möglicherweise ein Wertungswiderspruch zur versuchten Anstiftung ergibt.1225 Denn während der mittelbare Täter erst strafbar ist, sobald die Gesamttat aus den Beiträgen von mittelbarem Täter und Tatmittler nach den zum Alleintäter entwickelten Kriterien in das Versuchsstadium eintritt und damit in der Regel erst dann, wenn der Tatmittler mit seiner Ausführungshandlung beginnt, macht sich der Anstifter bereits gem. § 30 I StGB strafbar, wenn er beginnt, auf den Vordermann einzuwirken. Dies ist vor allem deshalb schwer einzusehen, weil der Hintermann in beiden Fällen mit der Einflussnahme auf den Vordermann den Geschehensablauf aus der Hand gibt und damit eine für ihn nicht mehr vollständig beherrschbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut schafft. Beide Vorbe1221 Eine exklusive Ausrichtung des § 30 I StGB auf die Fälle der versuchten Anstiftung nehmen bspw. Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 28; Dreher, GA 1954, S. 11, 17; Ensenbach, Jura 2011, S. 787, 794; Köhler, AT, S. 542; Kühl, AT, § 20 Rn. 250; Lackner/Kühl-Kühl, § 30 Rn. 4; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 23; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 26; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 10; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 32; Thalheimer, S. 58 ff. an. 1222 Siehe Kap. 1 D. II. 2. 1223 So auch Ensenbach, Jura 2011, S. 787, 794 m. Fn. 78. 1224 So SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 5 ff. Auch Küper, JZ 1983, S. 361, 372 hält ein solches Verständnis zumindest nicht für ausgeschlossen. 1225 Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (4).
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB329
reitungshandlungen sind damit im selben Maße strafwürdig.1226 Dieser Wertungswiderspruch ließe sich vermeiden, wenn man auch den Versuch, einen anderen als Tatmittler zu instrumentalisieren, von § 30 StGB erfasst sähe. In der Tat ist das Gefährdungspotenzial, das der Instrumentalisierungshandlung innewohnt, jedenfalls nicht geringer als das der versuchten Anstiftung oder der anderen Varianten des § 30 StGB, denn auch sie begründet das Risiko, dass der Tatmittler in einer für den Hintermann nicht mehr in vollem Umfang kontrollierbaren Weise zur Tatausführung schreitet. Allerdings können kriminalpolitische Gesichtspunkte allein eine solche Auslegung nicht tragen, sondern es ist vielmehr entscheidend, ob sie sich auch mit dem Wortlaut und der Gesetzessystematik vereinbaren lässt. Nach dem umgangssprachlichen Verständnis ließe sich „bestimmen“ damit gleichsetzen, einen anderen zur Tat zu veranlassen oder zu bewegen.1227 Allerdings muss sich der Versuch gem. § 30 StGB darauf beziehen, einen anderen dazu zu bestimmen, ein Verbrechen zu begehen. Ein Verbrechen ist gem. § 12 I StGB eine rechtswidrige Tat, worunter nach § 11 I Nr. 5 StGB nur Taten zu verstehen sind, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen. Dieses Erfordernis erfüllt die Tat des Tatmittlers nach der Vorstellung des Hintermannes in vielen Fällen aber gerade nicht.1228 Dieser Widerspruch ergäbe sich jedoch nicht, wenn es für die Verbrechensqualität der präsumtiven Tatausführung nicht auf den Vordermann, sondern den mittelbaren Täter ankäme.1229 Eine solche Interpretation lässt der Wortlaut des § 30 StGB jedoch nicht zu, denn erforderlich ist gerade, dass der andere bestimmt wird, ein Verbrechen zu begehen.1230 Hinzu kommt, dass § 30 StGB in engem systematischem Zusammenhang mit den übrigen Beteiligungsvorschriften 1226 Einen Wertungswiderspruch sehen auch Ensenbach, Jura 2011, S. 787, 794; Küper, JZ 1983, S. 361, 372; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 13; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 7; Thalheimer, S. 58, 60. Dreher, GA 1954, S. 11, 17 nimmt dagegen noch für die Vorgängervorschrift des § 49a StGB an, dass die Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt sei, dass gerade das gefährliche Zusammenspiel von mindestens zwei Personen die Strafwürdigkeit der Vorbereitungshandlungen rechtfertige, von einem derartigen Zusammenspiel beim Missbrauch eines anderen als unbewusstes Werkzeug aber keine Rede sein könne. 1227 Vgl. Duden online zu „bestimmen“. 1228 Ensenbach, Jura 2011, S. 787, 794; Thalheimer, S. 60. 1229 So SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 10. 1230 Dafür, dass es für die Verbrechensqualität auf den Hintermann ankommt, sprechen sich – allerdings im Zusammenhang mit der parallelen Fragestellung bei der versuchten Anstiftung – bspw. auch Geppert, Jura 1997, S. 546, 549; Jakobs, AT, § 27 Rn. 6; Kühl, JuS 1979, S. 874, 876; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 2; Langer, in: FS Lange (1976), S. 241, 249; Mitsch, Jura 2014, S. 585, 589; MüKo-StGBJoecks, § 30 Rn. 20; Sax, ZStW 90 (1978), S. 927, 959; Schröder, JuS 1967, S. 289, 292; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 13; Vogler/Kadel, JuS 1976, S. 245, 249 aus.
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
steht, sodass eher anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber § 30 I StGB bewusst auf die Fälle der versuchten Anstiftung beschränken wollte.1231 Auch in der Gesetzesbegründung zum mit der heutigen Fassung des § 30 StGB übereinstimmenden § 35 E-StGB wird der Bestimmungsversuch mit der versuchten Anstiftung gleichgesetzt.1232 Somit wird die versuchte Instrumentalisierung eines Tatmittlers jedenfalls de lege lata nicht von § 30 I StGB erfasst. Zwar besteht ein kriminalpolitisches Harmonisierungsbedürfnis, dieses kann jedoch allein der Gesetzgeber befriedigen1233 und daher nicht zum Anlass genommen werden, die Tathandlung des Bestimmens entgegen ihres Wortlauts und insbesondere systematischen Zusammenhangs auszudehnen.
G. Ergebnis zur Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen u nd kritischer Ausblick Die Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des seine eigene Position im Geschehen überschätzenden vermeintlichen mittelbaren Täters bzw. Mittäters hat damit ergeben: 1. Der Versuchsbeginn ist bei der mittelbaren Täterschaft ebenso zu bestimmen wie bei der Mittäterschaft. Es ist jeweils entscheidend, wann die Gesamttat aus den Beiträgen der Mittäter bzw. von mittelbarem Täter und Tatmittler nach den allgemeinen, für den Alleintäter entwickelten Kriterien in das Versuchsstadium eintritt. Dieses Versuchsgeschehen ist dann dem Mittäter bzw. mittelbarem Täter zuzurechnen, wobei die Tatherrschaft diese Zurechnung des Außenweltgeschehens legitimiert.1234 2. Die Tatherrschaft lässt sich beim Versuch grundsätzlich nach denselben Kriterien wie bei der Vollendung ermitteln. Bezugspunkt der Beurteilung muss auch hier die Gesamttat sein, die sich aus dem bereits umgesetzten Versuchsgeschehen und den im Tatplan noch vorgesehenen Ausführungshandlungen zusammensetzt.1235 3. Hinter der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft und der vermeintlichen Mittäterschaft stehen deshalb dieselben Grundfragen. Ob sich eine § 30 Rn. 10. Ihm zustimmend Thalheimer, S. 60. IV/650, S. 153. 1233 Ebenso Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 28; Köhler, AT, S. 542; Thalheimer, S. 60 f. 1234 Siehe dazu Kap. 1 A. I. 3. b) für die Mittäterschaft und Kap. 1 A. II. 2. b) für die mittelbare Täterschaft. 1235 Ausführlich dazu in Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (4). und Kap. 1 B. VIII. 3. 1231 NK-StGB-Zaczyk, 1232 BT-Drucks.
G. Ergebnis zur Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen 331
Versuchsstrafbarkeit auch für denjenigen begründen lässt, der sich die tat herrschaftsbegründenden Umstände nur irrtümlich vorstellt, hängt davon ab, welchen Charakter die Tatherrschaftsvoraussetzungen haben und ob sie einer Modifikation durch die Versuchsgrundsätze zugänglich sind.1236 4. Aus diesen Gründen ist es möglich und notwendig, eine einheitliche Lösung für beide Irrtümer zu suchen.1237 5. Die Tätervoraussetzungen gleichen strukturell den übrigen Tatbestandsmerkmalen: Der objektiv herrschaftsbegründende Sachverhalt lässt sich vom darauf bezogenen Tätervorsatz als subjektiver Tätervoraussetzung trennen, insbesondere handelt es sich bei der Tatherrschaft nicht um eine objektivsubjektive Sinneinheit.1238 6. Auf die Vorstellung eines herrschaftsbegründenen Sachverhalts kann die Zurechnung des Versuchsgeschehens dennoch nur gestützt werden, wenn sich dies mit dem Strafgrund des Versuchs vereinbaren ließe. Der mittelbare Täter und der Mittäter verwirklichen auch bei fehlendem eigenhändigem Vollzug das Versuchsunrecht, wenn sich ihr deliktischer Entschluss in dem äußeren Vorgang manifestiert, der den Gegenstand der Zurechnung bildet. Daher muss das Zurechnungssubjekt das Versuchsgeschehen zumindest dergestalt steuern, dass ein objektiver Betrachter es mit seinem deliktischen Entschluss in Zusammenhang bringt und in diesem gerade eine Auflehnung des vermeintlichen Täters gegen die Rechtsordnung sieht.1239 7. Mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft basieren auf einer Gesamttat-, nicht aber einer Erfolgs- oder Unrechtszurechnung, sodass die rechtliche Bewertung des Zurechnungsgegenstandes keinen Einfluss auf den Zurechnungsmechanismus hat.1240 8. Art. 3 GG sowie die Tatherrschaftslehre selbst setzen in diesem Zusammenhang voraus, dass die Steuerungsmacht des mittelbaren Täters und Mittäters mit dem Einfluss des Alleintäters auf das tatbestandsmäßige Geschehen vergleichbar ist.1241 9. Weil sich für den Alleintäter eine Versuchsstrafbarkeit bei bloß eingebildeter Handlungsherrschaft wegen der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht begründen lässt und kein hinreichend gewichtiger Grund existiert, der die Gleichstellung im Strafmaß trotz des ungleichen Maßes an Tatherrschaft 1236 Vgl.
Kap. 1 A. I. 3. d), Kap. 1 A. II. 2. d) sowie Kap. 1 B. I., II. dazu in Kap. 1 B. I. 1238 Siehe Kap. 1 B. III. 1239 Vgl. Kap. 1 B. VII. 1240 Ausführlich dazu in Kap. 1 B. VIII. 2. 1241 Siehe Kap. 1 B. VIII. 1. 1237 Ausführlich
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
rechtfertigen könnte, macht sich auch der vermeintliche mittelbare Täter bzw. Mittäter in der Regel nicht wegen Versuchs strafbar.1242 10. Eine Versuchsstrafbarkeit lässt sich für den vermeintlichen Täter nur dann begründen, wenn er selbst eine Ausführungshandlung vorgenommen hat, mit der die Gesamttat in das Versuchsstadium eintritt, weil sich die Strafbarkeit in diesen Fällen unabhängig von den spezifischen Tätervoraussetzungen begründen lässt. Überdies macht sich der vermeintliche Mittäter wegen Versuchs strafbar, wenn die Ansatzhandlung von einem anderen, ebenfalls weiter zur gemeinsamen Tatbegehung entschlossenen Mittäter vorgenommen wurde, weil in diesem Verhältnis ein gemeinsamer Tatplan und damit eine Zurechnungsgrundlage fortbesteht.1243 11. Der vermeintliche Täter begeht auch keinen untauglichen Versuch eines unechten Unterlassungsdelikts, weil die Umstände, die er sich irrtümlich vorstellt, keine Garantenstellung aus Ingerenz begründen. Andernfalls würden mithilfe der Unterlassungsstrafbarkeit die Wertungen des Begehungsdelikts und in diesem speziellen Fall die Beteiligungsdogmatik unterlaufen.1244 12. Eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung kann sich allein für den vermeintlichen mittelbaren Täter, nicht aber für den vermeintlichen Mittäter ergeben und zwar immer dann, wenn eine Hilfeleistung möglich und erforderlich war.1245 13. Für den vermeintlichen Mittäter lässt sich eine Teilnahmestrafbarkeit in der Regel mangels Haupttat nicht begründen. In den Fällen, in denen eine Haupttat vorliegt, weil ein ebenfalls zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossener Mittäter die Versuchsvoraussetzungen erfüllt, tritt die Teilnahmestrafbarkeit jedenfalls hinter der Strafbarkeit wegen mittäterschaftlichen Versuchs zurück.1246 14. Der vermeintliche mittelbare Täter macht sich nur wegen Teilnahme an der versuchten oder vollendeten Tat strafbar, wenn sich sein Irrtum auf die Schuld des Vordermannes bezieht, nicht aber sofern er fälschlicherweise meint, dieser werde nicht tatbestandsmäßig, vorsätzlich oder rechtswidrig handeln. In diesen Fällen fehlt ihm der notwendige Teilnehmervorsatz, der auch nicht durch den vorhandenen Tätervorsatz kompensiert werden kann.1247 1242 Vgl. Kap. 1
B. VIII. 1. Kap. 1 B. XI. und XII. 1244 Siehe dazu Kap. 1 C. III. 1245 Vgl. Kap. 1 C. IV. 1246 Siehe Kap. 1 D. 1247 Dazu ausführlich in Kap. 1 D. II. 1243 Siehe
G. Ergebnis zur Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen 333
15. Sofern es zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges kommt, ist der vermeintliche mittelbare Täter zudem wegen fahrlässiger Tatbegehung strafbar. Für den vermeintlichen Mittäter lässt sich eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit dagegen nicht begründen.1248 16. Eine Vorfeldstrafbarkeit kommt für den scheinbaren mittelbaren Täter nicht in Betracht, weil der Versuch der Instrumentalisierung nicht von § 30 StGB erfasst wird.1249 Der vermeintliche Mittäter macht sich wegen Verbrechensverabredung gem. § 30 II Var. 3 StGB strafbar, wenn neben ihm mindestens noch ein weiterer, ebenfalls zur gemeinschaftlichen Tatbegehung entschlossener Mittäter mitwirkt.1250 Ist eine Verabredung dagegen nur mit dem scheinbaren Mittäter erfolgt, ergibt sich die Strafbarkeit aus § 30 II Var. 1 StGB.1251 Im Rahmen der Untersuchung wurden verschiedene Stellschrauben für eine mögliche Korrektur dieses Ergebnis ausfindig gemacht, sodass abschließend der Frage nachgegangen werden soll, ob sich nach der vorliegenden Untersuchung ein Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergibt. So ließe sich nicht nur erwägen, für die Fälle der vermeintlichen Täterschaft eine Versuchsstrafbarkeit gesetzlich zu normieren, sondern auch die Teilnahmeregeln oder den Tatbestand des § 30 StGB für die vermeintliche mittelbare Täterschaft anzupassen. Die Schaffung einer speziellen Irrtumsvorschrift für die vermeintliche Täterschaft ist nicht nur deshalb wenig erstrebenswert, weil dieser Norm wegen der vergleichsweise geringen Praxisrelevanz dieser Konstellation nur ein geringer Anwendungsbereich zukäme,1252 sondern für sie besteht auch bereits kein kriminalpolitisches Bedürfnis. In den Fällen, in denen sich eine Versuchsstrafbarkeit nicht begründen lässt, scheitert diese gerade an der fehlenden Manifestation des deliktischen Entschlusses des Täters. Dann widerspräche es jedoch der Versuchslehre und der gesetzgeberischen Entscheidung für eine subjektiv-objektive Versuchstheorie, nur wegen der Vorstellung des Täters, eine tatbeherrschende Stellung innezuhaben, eine Versuchsstrafe anzudrohen. Ähnliches gilt auch für die Teilnahmestrafbarkeit. Die Begrenzungsfunktion der Teilnahme sollte nicht leichtfertig aufgegeben werden, um auch die Fälle erfassen zu können, in denen zwar kein Teilnehmer-, wohl aber ein Tätervorsatz gegeben ist. Hinzu kommt, dass sich das Unrecht der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft bei einer Vollendung der Tat bereits über die Fahrlässigkeitsgrundsätze sachgerecht erfassen lässt. 1248 Kap. 1
E.
1249 Vgl. Kap. 1
F. II. Kap. 1 F. I. 1. 1251 Vgl. Kap. 1 F. I. 2. 1252 So bereits BT-Drucks. V/4095, S. 13; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160. 1250 Siehe
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Kap. 1: Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist daher allein eine Änderung des § 30 StGB dahingehend, in Form der misslungenen Verleitung eine weitere Tatmodalität zu ergänzen.1253 Denn was dem vermeintlichen Täter zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn die Gesamttat in das Versuchsstadium gelangt, ist nicht die Beteiligung an dieser Versuchstat, wohl aber der Versuch, einen anderen in Form der Tatverabredung bzw. Instrumentalisierung zur Tatbegehung bewogen zu haben. Diese versuchte Einflussnahme erfolgt noch im Vorbereitungsstadium der Tat und wird im Versuchsstadium gerade nicht wirksam, sodass ein besonderes Bedürfnis besteht, diese Vorbereitungshandlungen über § 30 StGB bestrafen zu können. Dies ist jedoch de lege lata allein für die vermeintliche Mittäterschaft möglich. Überzeugen kann dies wegen des mit den anderen Varianten des § 30 StGB vergleichbaren Gefährdungspotenzials des Instrumentalisierungsversuchs nicht. Auch die Einwirkung des potentiellen mittelbaren Täters auf sein potentielles Werkzeug begründet das Risiko, dass der Vordermann in einer für den Hintermann nicht mehr in vollem Umfang kontrollierbaren Weise zur Tatausführung schreitet. Mag man der Vorverlagerung der Strafbarkeit, die § 30 StGB bewirkt, auch kritisch gegenüberstehen,1254 so scheint es doch jedenfalls widersprüchlich, den Versuch der Instrumentalisierung als wohl intensivsten Fall der Einflussnahme auszuklammern. Immerhin schafft dieser nicht weniger als die versuchte Anstiftung die Gefahr, dass die Tatbestandsverwirklichung durch die Einwirkung begünstigt wird. Daher wäre eine entsprechende Änderung des § 30 StGB zu befürworten.1255
1253 Dies befürworten – nicht ausschließlich mit Blick auf die vermeintliche Täterschaft – bspw. Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 28; Köhler, AT, S. 542; Küper, JZ 1983, S. 361, 372; Thalheimer, S. 61. 1254 So bspw. Becker, Strafgrund, S. 216 f., 238 f.; Chou, S. 185 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751, 756; Köhler, AT, S. 545; Mitsch, in: FS Maiwald (2010), S. 539, 552 f.; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 4; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 170. 1255 So auch statt vieler Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 28; Köhler, AT, S. 542; Küper, JZ 1983, S. 361, 372; Thalheimer, S. 61.
Kapitel 2
Auswirkungen der Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen Ist nun also die Strafbarkeit des vermeintlichen Täters umfassend beleuchtet worden, stellt sich die Frage, inwieweit sich die gewonnenen Erkenntnisse auf den umgekehrten Irrtum der verkannten Täterschaft übertragen lassen. Ziel der Auseinandersetzung mit der verkannten Täterschaft kann und soll es nicht sein, die zu ihr in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Lösungsmodelle einer umfassenden Analyse zu unterziehen, sondern nur, diese Irrtumskonstellation auf ihre Vergleichbarkeit mit den zuvor geschilderten Irrtumsfällen hin zu untersuchen und zu ermitteln, inwieweit sich mithilfe der bisherigen Untersuchungsergebnisse eine überzeugende Lösung auch für die verkannte Täterschaft gewinnen lässt.
A. Charakterisierung der Irrtümer und Vergleich mit der Überschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen Maßgeblich dafür ist, inwieweit die verkannte mit der vermeintlichen Täterschaft vergleichbar ist und insbesondere, ob die Grundfragen, die hinter den jeweiligen Irrtümern stehen, identisch sind. Die bislang untersuchten Irrtümer über die Beteiligungsform zeichnet aus, dass der Täter seine eigene Stellung im Geschehen überschätzt, er sich also fälschlicherweise Umstände vorstellt, die ihm eine tatbeherrschende Stellung im Geschehen verleihen würden. Umgekehrt ist es jedoch ebenso denkbar, dass der Täter nicht wahrnimmt, dass ihm objektiv eine tatbeherrschende Stellung im Geschehen zukommt, ihm also die Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände fehlt. Bei dieser sog. verkannten Täterschaft unterschätzt der Täter seine Position im deliktischen Geschehen.1256 Einem solchen Irrtum kann sowohl der mittelbare Täter 1256 Zu dieser Irrtumskonstellation auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3 ff.; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 626 ff.; Gallas, Beiträge, S. 107 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 82 ff.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 143 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 261 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 158 ff.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
als auch der Mittäter unterliegen. Für die mittelbare Täterschaft lässt sich dies am historischen Rosa-Luxemburg-Fall veranschaulichen:1257 Am 16. Januar 1919 wurde die im Bürgerkrieg gefangen genommene Kommunistin Rosa Luxemburg auf Befehl des Hauptmannes P durch den Jäger R getötet, der – was P nicht wusste – infolge eines Kopfschusses zurechnungsunfähig war.
Hier meint der Hauptmann, einen freiverantwortlich Handelnden, den R, zu dessen vorsätzlich-rechtswidriger Tat zu bestimmen. Träfe die Vorstellung des P zu, wäre er wegen Anstiftung zum Totschlag des R strafbar. Wegen der Zurechnungsunfähigkeit des R nimmt P jedoch tatsächlich sogar eine überlegene und damit tatbeherrschende Stellung im tatbestandsmäßigen Geschehen ein,1258 die ihn bei rein objektiver Betrachtung zum mittelbaren Täter machen würde. Auch die verkannte Täterschaft charakterisiert damit das Auseinanderfallen von objektiver Position im tatbestandsmäßigen Geschehen und der diesbezüglichen Vorstellung des Beteiligten. Anders als bei der vermeintlichen Täterschaft bleibt bei der verkannten Täterschaft jedoch die Vorstellung des Täters hinter seiner objektiven Steuerungsmacht zurück. Der Irrtum des verkannten mittelbaren Täters muss dabei keinesfalls immer darin bestehen, die Schuldunfähigkeit des Ausführenden verkannt zu haben, sondern ein solcher Irrtum über herrschaftsbegründende Faktoren ist für alle Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft denkbar.1259 Besonders praxisrelevant ist insbesondere auch der Fall, dass der Handelnde unerkannt einem vorsatzausschließendem Irrtum unterliegt. Klassisches Beispiel ist der Wilderer-Fall:1260 Die beiden Wilderer A und B stoßen beim Pirschgang auf einen Förster, der ihnen hinter einem Busch auflauert. A, dessen Büchse nicht schussfertig ist, ruft B zu: „So schieß doch!“, wobei er meint, dieser solle den Förster töten. Der Zuruf bestimmt B zum tödlichen Schuss, der jedoch den Förster nicht erkennt, sondern geglaubt hatte, ein Stück Wild vor sich zu haben.
Auch hier begeht A nach seiner Vorstellung eine Anstiftung zum vorsätzlichen, rechtswidrigen Tötungsdelikt des B, während er objektiv sogar eine Wissensherrschaft über B und damit das tatbestandsmäßige Geschehen besitzt, die ihn eigentlich zum mittelbaren Täter machen würde. 1257 Kantorowicz, S. 121. Zu diesem Fall auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 8 m. Fn. 16; Bockelmann, Verhältnis, S. 9 m. Fn. 18. 1258 Gallas, Beiträge, S. 107 f. 1259 Ebenso Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 261. 1260 Nach Baumann, JZ 1958, S. 230, 233; Bockelmann, Untersuchungen, S. 49 m. Fn. 37, S. 96 m. Fn. 40; ders., Verhältnis, S. 20 m. Fn. 37; Letzgus, S. 27; Welzel, Strafrecht, S. 123. Ähnlich auch Krey/Esser, AT, Rn. 1092; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 261.
A. Charakterisierung der Irrtümer und Vergleich mit der Überschätzung 337
Die Vorstellung des Handelnden muss auch nicht zwangsläufig darauf gerichtet sein, den Vordermann anzustiften, sondern ebenso denkbar ist es, dass sich der verkannte mittelbare Täter Umstände vorstellt, die eine Beihilfe begründen würden.1261 In allen Fallvarianten ist fraglich, ob sich der Hintermann trotz dieses subjektiven Defizites gemäß seiner objektiven Stellung als mittelbarer Täter strafbar macht oder ob nur eine Beteiligung als Teilnehmer und damit in dem Umfang in Betracht kommt, wie sie vom Vorsatz des Irrenden umfasst war. Selbst diese lässt sich aber nicht in allen Fallgestaltungen zweifelsfrei begründen, fehlt es doch zum Teil an einer vorsätzlichrechtswidrigen Haupttat, an der eine Teilnahme in Betracht kommt.1262 Im Wilderer-Fall bspw. führt der Tatbestandsirrtum des B zum Entfall des Vorsatzes, sodass B allenfalls eine fahrlässige Tötung vorzuwerfen ist. Ein Fall verkannter Mittäterschaft liegt vor, wenn der Tatbeitrag objektiv gewichtiger ist, als der Unterstützende annimmt.1263 Als Beispiel soll hier der Werkzeug-Fall dienen: A erklärt seinem Freund B, er wolle bei seinen Nachbarn, den Eheleuten O, einbrechen. Als Freundschaftsdienst begleitet B den A und hilft ihm dabei, in das Haus der O zu gelangen. Er besitzt einen speziellen Bohrer, mit dem er die Haustür problemlos öffnen kann. Er nimmt dabei an, diese Hilfeleistung sei nur von untergeordneter Bedeutung, weil es A auch alleine möglich gewesen wäre, die Tür mithilfe eines Dietrichs oder auf andere Art und Weise zu öffnen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Sicherheitstür, die sich nur mit dem Bohrer des B öffnen lässt.
Hier ist die Handlung des B, das Öffnen der Tür, objektiv von wesentlicher Bedeutung für den Einbruchsdiebstahl, sodass B tatsächlich eine mittäterschaftliche Stellung im Geschehen einnimmt. Dies verkennt er aber, weil er glaubt, die Tür lasse sich auch ohne seine Hilfe öffnen und deshalb meint, er habe nur eine untergeordnete Stellung im Geschehen inne. Auch bei der verkannten Mittäterschaft stellt sich deshalb die Frage, ob die fehlende Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände eine Strafbarkeit wegen Mittäterschaft zwingend ausschließt. Sollte dem so sein, wäre weiter zu prüfen, ob sich dann zumindest eine Beteiligung gemäß der Vorstellung des B als Gehilfe begründen lässt. Kein Fall verkannter Mittäterschaft liegt dagegen vor, wenn der Beteiligte einen tatsächlich vorhandenen Willenskonnex verkennt.1264 Denn charakteristisch für die verkannte Täterschaft ist das Auseinanderfallen von objektiver Herrschaftsposition und subjektiver Vorstellung des Beteiligten. Hat der auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 261. in Kap. 2 D. 1263 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 10. 1264 Kritisch auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 10 m. Fn. 21. 1261 So
1262 Dazu
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Mitwirkende aber überhaupt keine Kenntnis von der objektiv erzielten Willensübereinkunft, fehlt es am übereinstimmenden Tatschluss als subjektivem Element des gemeinsamen Tatplans.1265 Aus diesem Grund existiert ein gemeinsamer Tatplan als tatherrschaftsbegründendes Moment jedoch nicht nur nach der Vorstellung der Beteiligten, sondern auch objektiv nicht. Damit besitzt der Beteiligte in dieser Konstellation auch objektiv keine funktionelle Tatherrschaft über das tatbestandsmäßige Geschehen, sodass bereits deshalb nur eine Teilnahmestrafbarkeit in Betracht kommt. Damit lässt sich festhalten, dass die verkannte Täterschaft ebenso wie die vermeintliche Täterschaft sowohl im Zusammenhang mit der mittelbaren als auch mit der Mittäterschaft relevant werden kann. In beiden Fällen ist fraglich, ob die fehlende Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände einer Täterstrafbarkeit entgegensteht. Letztlich stehen damit auch hinter der verkannten Täterschaft dieselben Grundfragen, die schon für die Lösung der vermeintlichen Täterschaft essentiell waren:1266 Entscheidend ist, welche Bedeutung subjektive Elemente bei der Begründung der Tatherrschaft haben und insbesondere, in welcher Relation sie zu den objektiven Tatherrschaftsvoraussetzungen stehen. Außerdem ist relevant, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Beteiligungsformen zueinander stehen. So ist zu untersuchen, ob eine objektiv tatbeherrschende Stellung eine Teilnahmestrafbarkeit ausschließt oder ob sie umgekehrt diese Strafbarkeit sogar in Fällen begründen kann, in denen es eigentlich an einer teilnahmefähigen Haupttat fehlt. Nur dann ließe sich der verkannte Täter gemäß seiner Vorstellung zumindest als Teilnehmer strafrechtlich zur Verantwortung ziehen. Zudem ist zu überlegen, ob sich das vom verkannten Täter verwirklichte Unrecht möglicherweise ebenso wie bei der vermeintlichen Täterschaft ergänzend über eine Fahrlässigkeits-1267, Unterlassungs-1268 oder Vorfeldstrafbarkeit1269 erfassen lässt. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, sind diese Fragen jedoch im Wesentlich bereits im Rahmen der Untersuchung zur vermeintlichen Täterschaft beantwortet worden.
1265 Zum Erfordernis des gemeinsamen Tatplans und der Unverzichtbarkeit auch eines übereinstimmenden Vorsatzes der Beteiligten siehe ausführlich bereits Kap. 1 A. I. 3. c) cc) (1) (a) (cc). 1266 Zur Bedeutung dieser Fragestellungen bei der vermeintlichen Täterschaft in Kap. 1 A.I.3.d), Kap. 1 A. II. 2. d), Kap. 1 B. II. und III. sowie Kap. 1 D. 1267 Siehe Kap. 2 E. 1268 Dazu in Kap. 2 C. 1269 Ausführlich dazu in Kap. 2 F.
B. Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter339
B. Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter Ob die Strafbarkeit als mittelbarer Täter oder Mittäter dogmatisch konstruierbar ist, hängt davon ab, welche Bedeutung die Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände für die Begründung der Täterstellung hat. Dass die Tatherrschaft nicht allein aus objektiven Komponenten besteht, sondern daneben auch Vorsatz bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände voraussetzt, wurde bereits nachgewiesen.1270 Auch im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit, dass die Tatherrschaft eine subjektive Komponente besitzt.1271 Daraus ergibt sich für die verkannte Täterschaft dann aber zwangsläufig, dass eine Strafbarkeit wegen vollendeten mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichen Delikts am Fehlen dieser subjektiven Tatherrschaftsvoraussetzung scheitert, hat der Irrende hier doch gerade keinen Tätervorsatz.1272 Über dieses Ergebnis besteht daher auch weitgehend Einigkeit innerhalb der Strafrechtswissenschaft, umstritten ist lediglich, wie es sich dogmatisch begründen lässt.1273 Diese Uneinigkeit resultiert aus dem unterschiedlichen Verständnis vom Zusammenspiel der objektiven und subjektiven 1270 Vgl.
Kap. 1 B. III. 2. a). Gallas, Verbrechenslehre, S. 89 f., 169; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 316, 329 f., 331. Siehe hierzu auch Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 260, 269 f.; Bloy, Beteiligungsform, S. 203; ders., ZStW 117 (2005), S. 3, 6; Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399; Haas, Tatherrschaft, S. 17 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 651 f.; Küpper, GA 1986, S. 437, 442; Marlie, Unrecht, S. 53 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 87 ff.; Sax, JZ 1963, S. 329, 338; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 57; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 10; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 751. Kritisch dazu Peña/Conlledo, in: FS Roxin (2001), S. 575, 586 ff.; v. Uthmann, NJW 1961, S. 1908, 1909. 1272 So auch Bock, JA 2007, S. 599; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 269 f.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 626 f.; Frister, AT, § 27 Rn. 44; Gallas, Beiträge, S. 107; ders., in: Materialien I (1954), S. 121, 139; Geppert, Jura 1997, S. 358, 363; Gropp, AT, § 10 Rn. 80 f.; Herzberg, Täterschaft, S. 44; Jescheck/Weigend, AT, S. 671; Köhler, AT, S. 513; Kretschmer, Jura 2003, S. 535; Krey/Esser, AT, Rn. 1092; Kühl, AT, § 20 Rn. 85; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 39; Letzgus, S. 30; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 143; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 264; Schönke/Schröder-Heine/ Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 138; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 30; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 219; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 787. Anders noch Maurach, AT², S. 529; Schmidt, in: FG Frank II (1930), S. 106, 131. Jedenfalls im Falle der vermeintlichen Anstiftung nimmt auch v. Uthmann, NJW 1961, S. 1908, 1909 wegen der objektiv bestehenden Tatherrschaft eine mittelbare Täterschaft an. Umfassende und überzeugende Kritik der Gegenansicht bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 263 f. 1273 Dazu auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff. 1271 Grundlegend
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Tatherrschaftselemente.1274 Versteht man die Tatherrschaft als objektiv-subjektive Sinneinheit und hält demnach eine Trennbarkeit von objektiver Herrschaftsposition und hierauf bezogenem Vorsatz für ausgeschlossen,1275 muss man im Falle der verkannten Täterschaft bereits den objektiven Tatbestand verneinen.1276 Denn es fehlt dann an der Tatherrschaft als besonderer Tätervoraussetzung des objektiven Tatbestandes. Der Handelnde füllt „schlicht nicht die Rolle eines Täter aus, wenn er vorhandene potentiell tatherrschaftsbegründende Umstände verkennt“.1277 Anders lässt sich die Problematik der verkannten Täterschaft dagegen verorten, wenn man die objektive Herrschaftsposition und den hierauf gerichteten Vorsatz als voneinander unterscheid- und trennbare Bestandteile der Tat herrschaft anerkennt.1278 Dann ließe sich das objektive Täterschaftsmerkmal als objektives Tatbestandsmerkmal begreifen und der Wille zur Tatherrschaft im subjektiven Tatbestand verorten.1279 Der Irrtum des verkannten Täters bezüglich seiner eigenen Stellung im Geschehen wäre deshalb ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 I 1 StGB, der den Tatbestandsvorsatz ausschlösse.1280 Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass jedenfalls strukturell kein Grund besteht, die objektive Herrschaftsposition und den hierauf bezogenen Tätervorsatz als untrennbare Einheit zu begreifen. Vielmehr weist die Tat 1274 Die Frage der Trennbarkeit der objektiven und subjektiven Tatherrschaftselemente hatte auch bereits entscheidenden Einfluss auf die Strafbarkeit des vermeintlichen Täters. Umfassend dazu oben in Kap. 1 B. III. 1275 Vgl. dazu Kap. 1 B. III. 2. b) aa) mit umfangreichen Nachw. 1276 Insofern dann konsequent Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 6 ff.; ders., Beteiligungsform, S. 203 f.; Herzberg, Täterschaft, S. 44; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 263 f., 316, 331. In diese Richtung auch Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 269 f. 1277 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 8. Ähnlich auch bereits ders., Beteiligungsform, S. 203 ff. Auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 264 stellt fest, dass der verkannte mittelbare Täter „nicht die Tatherrschaft [hat] und (…) nicht mittelbarer Täter [ist]“. 1278 Siehe oben Kap. 1 B. III. 2. b) bb). 1279 So Blei, AT, S. 261; Ebert, AT, S. 199; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Küpper, GA 1986, S. 437, 443; Letzgus, S. 30; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, Vor § 25 Rn. 7, § 25 Rn. 49; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 47 Rn. 89; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158. Wohl auch Niese, DRiZ 1952, S. 21, 23; Sax, JZ 1963, S. 329, 338. 1280 So ausdrücklich Blei, AT, S. 261; Ebert, AT, S. 199; Frister, AT, § 27 Rn. 44; Gropp, AT, § 10 Rn. 158; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Letzgus, S. 30; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, Vor § 25 Rn. 7, § 25 Rn. 49; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108. Wohl auch Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Gallas, Beiträge, S. 107; ders., in: Materialien I (1954), S. 121, 139; Krey/Esser, AT, Rn. 1092; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 138.
B. Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter341
herrschaft eine den übrigen Tatbestandsmerkmalen vergleichbare Struktur auf: Auch sie setzt sich objektiv aus einem herrschaftsbegründenden Sachverhalt und einem darauf gerichteten Vorsatz zusammen. In materieller Hinsicht weisen die Tatherrschaftsmerkmale ebenfalls keine Eigenheiten auf, die einer Trennbarkeit der einzelnen Herrschaftselemente entgegenstehen.1281 Dies spricht dafür, den Irrtum des verkannten Täters als Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 I 1 StGB zu klassifizieren, der seinen Tätervorsatz und damit den subjektiven Tatbestand entfallen lässt. Dieses Ergebnis müsste allerdings auch mit der Funktion der Tatherrschaft als Zurechnungsgrundlage vereinbar sein. Hat der mittelbare Täter bzw. Mittäter die tatbestandsmäßige Handlung nicht (vollständig) selbst vollzogen, bedarf es einer Zurechnung des fremdhändig vollzogenen tatbestandsmäßigen Geschehens, um seine Strafbarkeit zu begründen.1282 Diese Gesamttatzurechnung wird bereits im objektiven Tatbestand relevant, lässt sich doch nur mit ihrer Hilfe die fehlende Eigenhändigkeit überwinden und die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes begründen. Rechtfertigen lässt sich diese Zurechnung mit der Tatherrschaft des Täters,1283 die sich sowohl auf objektive als auch auf subjektive Voraussetzungen stützt. Wegen dieser zurechnungslegitimierenden Funktion der Tatherrschaft könnte der Tätervorsatz bereits zur Begründung des objektiven Tatbestandes notwendig sein. Nämlich dann, wenn nur alle Zurechnungselemente insgesamt die fehlende Eigenhändigkeit des Vollzugs im objektiven Tatbestand kompensieren könnten. Entscheidend dafür ist, welche Funktion man der Zurechnungsgrundlage zuschreibt. Die Tatherrschaftsvoraussetzungen begründen die täterschaftliche Verantwortung des Zurechnungssubjekts für das tatbestandsmäßige Geschehen und damit, warum ihm die Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges strafrechtlich zum Vorwurf gemacht werden kann.1284 Letztlich erfüllen die Tätervoraussetzungen damit dieselbe Funktion, die bei der eigenhändigen Tatbegehung der tatbestandsmäßigen Handlung und dem Tatbestandsvorsatz zukommt. Es geht jeweils darum, zu begründen, dass das Zurechnungssubjekt das Unrecht des jeweiligen Tatbestandes verwirklicht, d. h. gegen die diesem zugrunde liegende Verhaltensnorm verstößt. Anerkannt ist dabei, dass sich das Handlungsunrecht aus einem objektiven Teil, der Verhaltenspflichtverletzung, und einem subjektiven Teil, dem Tatvorsatz, zusammensetzt, ohne dass daraus für die übrigen Tatbestandsmerkmale der Schluss gezogen wird, sie ließen sich nicht in einen objektiven und subjektiven Tat1281 Vgl.
zum Ganzen Kap. 1 B. III. dazu Kap. 1 A. I. 3. b) cc) (7). für die Mittäterschaft und Kap. 1 A. II. 2. b) ff) (2). für die mittelbare Täterschaft, jew. m. w. N. 1283 Vgl. dazu Kap. 1 A. I. 3. c) cc) und Kap. 1 A. II. 2. c) cc). 1284 Zum Begriff „Zurechnungsgrundlage“ auch bereits in Kap. 1 A. I. 3. c) aa). 1282 Ausführlich
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
bestand gliedern.1285 Dann ist aber auch nicht ersichtlich, warum die Funktion der Tatherrschaftsvoraussetzungen als Zurechnungsgrundlage bei den Tätervoraussetzungen einer Trennung in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand entgegenstehen sollte. Vielmehr wird das Urteil, der Täter habe das Unrecht der Tat verwirklicht und sei daher für das tatbestandsmäßige Geschehen täterschaftlich verantwortlich, nicht bereits mit Bejahung des objektiven Tatbestandes, sondern erst dann gefällt, wenn der Unrechtstatbestand insgesamt geprüft wurde. Daher steht der Umstand, dass der Tätervorsatz das Handlungsunrecht mitkonstituiert, einer Verortung im subjektiven Tatbestand nicht entgegen. Vielmehr erfüllt die Trennung in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand nur eine Ordnungsfunktion, mit der Folge, dass auch die Einordnung des Tätervorsatzes in den subjektiven Tatbestand nur davon abhängt, ob objektive und subjektive Tatherrschaftselemente überhaupt unterscheidbar sind und sich diese Merkmale in den Wertungszusammenhang des Systems einfügen.1286 Dass dies der Fall ist, wurde jedoch bereits nachgewiesen.1287 Dieses Ergebnis überzeugt auch deshalb, weil sich die Tatherrschaft des Alleintäters aus dem eigenhändigen Vollzug der tatbestandsmäßigen Handlung ergibt und sein Tätervorsatz somit dem allgemeinen Tatbestandsvorsatz entspricht. Ist beim Alleintäter also anerkannt, dass sich objektive und subjektive Tätervoraussetzungen in einen objektiven und subjektiven Tatbestand gliedern lassen, kann für die Tatherrschaftsvoraussetzungen bei der mittelbaren Täterschaft und Mittäterschaft nichts anderes gelten. Somit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Strafbarkeit des verkannten Täters wegen des vollendeten Delikts in mittelbarer Täterschaft bzw. Mittäterschaft an dem fehlenden Vorsatz bezüglich der tatherrschaftsbegründenden Umstände scheitert. Weil sich die Tatherrschaftselemente ebenso wie die sonstigen Tatbestandsmerkmale in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand gliedern lassen, unterliegt der verkannte Täter einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 I 1 StGB.1288 Ist das vom Vordermann vollzogene Geschehen nur in das Versuchsstadium gelangt, scheitert die Strafbarkeit des verkannten Täters wegen mittelbar bzw. mittäterschaftlich vieler SK-StGB- Stein, § 15 Rn. 13. auch Stein, Beteiligungsform, S. 65. 1287 Vgl. oben Kap. 1 B. III. 1288 So auch Blei, AT, S. 261; Ebert, AT, S. 199; Frister, AT, § 27 Rn. 44; Gropp, AT, § 10 Rn. 158; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Letzgus, S. 30; Matt/Renzikowski-Haas, StGB, Vor § 25 Rn. 7, § 25 Rn. 49; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108. Wohl auch Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Gallas, Beiträge, S. 107; ders., in: Materialien I (1954), S. 121, 139; Krey/Esser, AT, Rn. 1092; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 138. 1285 Statt 1286 So
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt343
begangenen Versuchs bereits am Tatentschluss, die Tat gemeinschaftlich oder durch einen anderen zu begehen. Eine Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter lässt sich somit für keine Variante der verkannten Täterschaft begründen.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt Im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft wird diskutiert, denjenigen, der sich die tatherrschaftsbegründenden Umstände nur irrtümlich vorstellt, wegen untauglichen Unterlassungsversuchs zu bestrafen.1289 Auch wenn diese Konstruktion für den vermeintlichen Täter nicht überzeugen konnte, ist zu überlegen, ob sie für den Fall einer Unterschätzung der eigenen Position im deliktischen Geschehen fruchtbar gemacht werden kann und sich zumindest für den verkannten Täter ein Unterlassungsvorwurf begründen lässt.
I. Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt Ebenso wie dem vermeintlichen könnte auch dem verkannten Täter vorgeworfen werden, jegliche Bemühungen unterlassen zu haben, den von ihm vorhergesehenen tatbestandlichen Erfolg zu verhindern. Die Garantenstellung könnte sich wiederum aus der Verabredung bei der verkannten Mittäterschaft und der Einflussnahme auf den Willen des Vordermannes bei der verkannten mittelbaren Täterschaft als ingerenzbegründendem Verhalten ergeben. Anders als bei der vermeintlichen Täterschaft liegen bei der verkannten Täterschaft diese garantenstellungsbegründenden Umstände sogar objektiv vor: Schließlich hat der verkannte mittelbare Täter tatsächlich auf den Willen des Vordermannes Einfluss genommen und zwar sogar in noch viel größerem Umfang als von ihm intendiert. Und auch der verkannte Mittäter hat sich objektiv mit einem anderen zur gemeinschaftlichen Tatausführung verabredet, auch wenn er meinte, dem anderen nur eine Unterstützungshandlung und keinen mittäterschaftlichen Tatbeitrag zuzusichern. Damit kommt je nach Verwirklichungsstufe des ins Auge gefassten Deliktes für den verkannten Täter nicht nur eine Strafbarkeit aus dem versuchten, sondern sogar aus dem vollendeten unechten Unterlassungsdelikt in Betracht. Weil sich die Garantenstellung aus der Verabredung bzw. Instrumentalisierung und damit den die Mittäterschaft bzw. mittelbare Täterschaft begründenden Umständen ergeben soll, stellt sich wiederum die Frage, ob sich der Vorsatz des potentiellen Unterlassungstäters überhaupt auf die Garantenstellung bezieht. Erforderlich ist allerdings allein die Kenntnis der garantenstellungs1289 Siehe
dazu ausführlich oben Kap. 1 C.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
begründenden Umstände, nicht aber der Garantenpflicht als solcher.1290 Diese Umstände sind dem verkannten Täter jedoch bekannt, weiß er doch, dass er sich mit einem anderen verabredet bzw. auf seinen Willen Einfluss nimmt und unterschätzt er allein die Bedeutung, die dieses Verhalten für die Tatbestandsverwirklichung hat. Die Garantenstellung aus Ingerenz kann ohnehin nicht streng auf eine mittäterschaftliche Verabredung oder eine mittelbar-täterschaftliche Instrumentalisierung begrenzt werden, weil sie ganz generell die Aufgabe erfüllt, die Handlungspflicht des Unterlassenden zu begründen. Die Entscheidung, welche Stellung der Beteiligte im tatbestandsmäßigen Geschehen einnimmt, ob er Täter oder nur Teilnehmer ist, ist dieser Frage nachgelagert. Dafür, die Garantenstellung aus Ingerenz im Falle einer aktiven Beteiligung an Planung und Ausführung der Tat weit zu fassen, spricht auch, dass es Zweck dieser Garantenstellung ist, in allen Fällen, in denen ein vorausgegangenes Tun die nahe, adäquate, unmittelbare Gefahr des Erfolgseintritts begründet, eine Handlungspflicht zu begründen.1291 Dann ist aber auch unerheblich, ob die Verabredung als Zusicherung eines Gehilfen- oder mittäterschaftlichen Tatbeitrags auszulegen ist, wird doch durch beide Verhaltensweisen gleichermaßen eine Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen, die in der psychischen Bestärkung des anderen Mitwirkenden begründet ist. Gleiches gilt auch im Verhältnis von Instrumentalisierungs- und Bestimmungshandlung, denn mit beiden wird ein für den Einflussnehmenden nicht mehr vollständig kontrollierbarer Kausalverlauf angestoßen, der die nahe Gefahr begründet, dass der Adressat zur Tatbestandsverwirklichung schreitet. Die Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt ist jedoch aus denselben Gründen bedenklich, die auch schon der Unterlassungsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters entgegenstanden.1292 Problematisch ist, dass auch bei der verkannten Täterschaft der Begehungs- und der Unterlassungsvorwurf auf dieselbe Verhaltensnorm gestützt werden müssten. Denn dem verkannten Täter würde zum Vorwurf gemacht, es zu der rechtsgutsgefährdenden Handlung kommen gelassen zu haben. Dieses Handlungsgebot weist aber gegenüber dem entsprechenden Handlungsverbot des Begehungstatbestandes keinen zu1290 Statt vieler Frister, AT, § 22 Rn. 50; Jescheck/Weigend, AT, S. 631 f.; Kühl, AT, § 18 Rn. 128; MüKo-StGB-Freund, § 13 Rn. 237; Roxin, AT II, § 31 Rn. 186; Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, § 13 Rn. 60; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 1030. 1291 BGH NStZ-RR 1997, 292; BGH NStZ 1998, 83, 84; BGH NStZ 2000, 583; BGH NJW 1999, 69, 71; Jescheck/Weigend, AT, S. 625; NK-StGB-Gaede, § 13 Rn. 43 ff.; Otto, in: FS Gössel (2002), S. 99, 107; ders., in: FS Geppert (2011), S. 441, 442; Paradissis, S. 138; Sowada, Jura 2003, S. 236, 245. Ähnlich auch Frister, AT, § 22 Rn. 31; Kugler, S. 223 ff. 1292 Umfassend zu der gegen die Unterlassungsstrafbarkeit des vermeintlichen Täters vorgebrachten Kritik in Kap. 1 C. III. 3.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt345
sätzlichen Gehalt auf, sondern ist nur eine spiegelbildliche Formulierung desselben Normappels. Eine Unterlassungsstrafbarkeit lässt sich aber nur begründen, wenn sie notwendig ist, um ein selbstständiges, sich aus der fehlenden Unterbrechung des schadenträchtigen Kausalverlaufs ergebendes Unrecht zu erfassen.1293 In der vorliegenden Konstellation der verkannten Täterschaft tritt das Unterlassen aber gerade nicht als vom pflichtwidrigen Vorverhalten unterscheidbares Verhalten, das Gegenstand eines selbstständigen Verhaltensnormverstoßes ist, in Erscheinung, sondern das tatbestandsmäßige Verhalten würde durch diese Konstruktion nur in ein Unterlassen umgedeutet, ohne dass mit diesem auch tatsächlich ein selbstständiger Unrechtsvorwurf einherginge.1294 Mit einer solchen Umdeutung würden jedoch die Wertungen des Begehungsdeliktes und insbesondere die Beteiligungsdogmatik unterlaufen, würde doch aus jeder aktiven Beteiligung ein Unterlassen gemacht und eine Strafbarkeit gerade auch für die Fälle konstruiert, in denen die Täter- bzw. Teilnahmevoraussetzungen nicht vorliegen.1295 Speziell für die Konstellation der verkannten Täterschaft besteht die Gefahr, das Erfordernis eines korrespondierenden Tätervorsatzes sowie die limitierte Akzessorietät der Teilnahme zu unterlaufen. Dies ist mit dem Grundgedanken der Garantenstellung aus Ingerenz nicht vereinbar. Aus diesen Gründen1296 lässt sich aus der Verabredung mit einem anderen ebenso wie aus der Einflussnahme auf den Willen eines anderen keine Garantenstellung aus Ingerenz zur Verhinderung der tatbestandsmäßigen Handlung ableiten und deshalb auch keine Strafbarkeit des verkannten Täters aus dem unechten Unterlassungsdelikt begründen.
II. Strafbarkeit gem. § 323c StGB Es verbleibt somit allein die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB. Dies setzt zunächst voraus, dass ein Einschreiten des verkannten Täters überhaupt geboten war. Ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erheblichen Schaden an Menschen oder Sachen zu verursachen droht.1297 1293 Ausführlich
dazu m. w. N. Kap. 1 C. III. 3. dazu Kap. 1 C. III. 3. 1295 Ausführlich dazu in Kap. 1 C. III. 3. 1296 Die Gründe, die einer Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt entgegenstehen, sind bereits zur vermeintlichen Täterschaft umfassend entwickelt worden und lassen sich auf die verkannte Täterschaft übertragen. Daher sei ergänzend auf die Ausführungen in Kap. 1 C. III. verwiesen. 1297 BGHSt 3, 65, 66; BGH NJW 2012, 1237, 1239; Kindhäuser, BT I, § 72 Rn. 4; Krey/Heinrich/Hellmann, BT I, Rn. 1157; Küper/Zopfs, BT, Rn. 516; Lackner/KühlKühl, StGB, § 323c Rn. 2; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 42; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 18; Pfannmüller, MDR 1973, S. 725; Rengier, BT II, § 42 Rn. 3; Schönke/ 1294 Vgl.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Es reicht grundsätzlich auch ein erst drohender Schaden für die Annahme eines Unglücksfalls aus,1298 sodass sich eine Strafbarkeit gem. § 323c StGB nicht nur für diejenigen Fälle der verkannten Täterschaft begründen ließe, in denen es bereits zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist, sondern auch dann, wenn die geplante Tat bislang nur in das Versuchsstadium gelangt ist. Ein solcher Unglücksfall liegt sowohl im Falle der verkannten mittelbaren Täterschaft als auch der verkannten Mittäterschaft vor: Durch die Einflussnahme des verkannten mittelbaren Täters wurde der Adressat schließlich bewogen, die rechtsgutsgefährdende Handlung vorzunehmen, hat er wegen seines deliktischen Minus doch sogar geringere Hemmnisse zu überwinden als nach der Vorstellung des Einwirkenden. Und auch die Verabredung begründet tatsächlich die Gefahr, dass es zur arbeitsteiligen Tatbegehung und damit der Rechtsgutsverletzung kommt. Eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung setzt des Weiteren voraus, dass der verkannte Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage war, die geforderte Hilfeleistung zu realisieren.1299 Auch dieses Erfordernis wird sich überwiegend begründen lassen, war der Einfluss des Irrenden auf die Tatbestandsverwirklichung doch tatsächlich sogar um einiges größer als er annimmt. Anders als bei der vermeintlichen Täterschaft ist diese Hilfeleistung auch in allen Konstellationen der verkannten Täterschaft erforderlich, schließlich ist hier der andere Mitwirkende tatsächlich zur Tatbegehung entschlossen und damit im Begriff, das tatbestandlich geschützte Rechtsgut zu verletzen. Auch die dogmatische Begründbarkeit einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung hängt demnach von der bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft untersuchten Frage ab, ob sich eine allgemeine Hilfeleistungspflicht trotz des auf die täterschaftliche Verursachung des Unglücksfalles gerichteten Vorsatzes begründen lässt.1300 Schließlich würde dem verkannten Täter auch im Rahmen des § 323c StGB zum Vorwurf gemacht, nicht gegen die eigenen bzw. vom Vordermann oder Komplizen vollSchröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 5; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 284; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 7. 1298 BGH NJW 2012, 1237, 1239; Küper/Zopfs, BT, Rn. 516; LK-StGB-Spendel, § 323c Rn. 40; MüKo-StGB-Freund, § 323c Rn. 19; Schönke/Schröder-SternbergLieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 5; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 12; ders., in: FS Küper (2007), S. 607, 610. 1299 Zu diesem Erfordernis RGSt 75, 68, 73; BGHSt 2, 296, 299; BGHSt 21, 50, 53; BGH NJW 1983, 351; Fischer, StGB, § 323c Rn. 14; Geppert, Jura 2005, S. 39, 44; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 55 Rn. 8; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 3; Rengier, BT II, § 42 Rn. 12; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 22; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 17. 1300 Diese Frage war bereits im Zusammenhang mit der Strafbarkeit des vermeintlichen Täters gem. § 323c StGB zentral. Vgl. dazu Kap. 1 C. IV. 3.
C. Strafbarkeit aus dem Unterlassungsdelikt347
zogenen Ausführungshandlungen eingeschritten zu sein, sodass sich wiederum die Frage stellt, ob ein solches Handlungsgebot aus Rechtsschutzgründen legitimierbar und mit den Wertungen des Begehungsdelikts vereinbar ist. Dagegen ließe sich anführen, dass auch dieses allgemeine Handlungsgebot keine selbstständige Funktion erfüllen, sondern demselben Zweck wie das Handlungsverbot des jeweiligen Deliktstatbestandes dienen würde.1301 Die widersinnige Konsequenz, dass der Täter, dem die Vornahme der Tathandlung bereits in Form des vorsätzlichen Begehungsdelikts zur Last gelegt wird, zugleich stets wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar wäre, ließe sich jedoch auch auf Konkurrenzebene ausräumen.1302 Mit dieser Konkurrenzlösung könnte gerade in den Fällen der vermeintlichen und verkannten Täterschaft, in denen sich die Strafbarkeit aus dem jeweiligen Begehungstatbestand wegen des Fehlens der Tätervoraussetzungen nicht begründen lässt1303 und auch eine Teilnahmestrafbarkeit nicht immer konstruierbar ist,1304 das Unrecht ergänzend über § 323c StGB erfasst werden. Die Vorbehalte, die gegen eine Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt bestehen, gelten zudem – wie bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft gezeigt wurde – für die Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nicht in gleicher Weise, immerhin wird über diese keine täterschaftliche Verantwortung für ein Geschehen begründet, das der Täter aktiv nicht beherrscht. Vielmehr statuiert § 323c StGB nur eine allgemeine, jedermann obliegende Hilfeleistungspflicht. Die Tatherrschaftslehre würde durch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung also nicht ausgehöhlt, denn ein solcher Schuldspruch impliziert gerade nicht, der Verurteilte trage die täterschaftliche Verantwortung für das Geschehen, sondern nur, er habe die allgemeine Pflicht verletzt, gegen die täterschaftliche Begehung der Straftat durch einen Dritten nicht eingeschritten zu sein.1305 Dann besteht aber auch kein Grund, die an sich begründbare Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung aus Wertungsgründen zu verneinen, vielmehr ergäben sich im Gegenteil Wertungswidersprüche, würde man den verkannten Täter wegen seines Vorsatzes besser stellen als einen unbeteiligten Dritten. Es würde ihm dann sogar zum Vorteil gereichen, den Willen gehabt zu haben, den tatbe1301 OLG Celle, NJW 1970, 341; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 39 Rn. 25; HK-GS-Verrel, § 323c Rn. 10; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 323c Rn. 8; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 55 Rn. 12; Oehler, JuS 1961, S. 154, 155; Pfannmüller, MDR 1973, S. 725, 726; Tag, JR 1995, S. 133, 136. 1302 So Fischer, StGB, § 323c Rn. 38; NK-StGB-Gaede, § 323c Rn. 16; Schönke/ Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323c Rn. 30; SK-StGB-Stein, § 323c Rn. 53; Wessels/Hettinger/Engländer, BT I, Rn. 1159. 1303 Vgl. Kap. 1 B. und Kap. 2 B. 1304 Siehe dazu Kap. 1 D. und Kap. 2 D. 1305 Ausführlich dazu bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft in Kap. 1 C. IV. 3.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
standsmäßigen Erfolg herbeizuführen: Er wäre nicht wegen mittäterschaftlicher bzw. mittelbar-täterschaftlicher Begehung strafbar, weil ihm seine tat herrschaftliche Stellung nicht bewusst ist und einer Teilnahmestrafbarkeit stünde in vielen Fällen das Fehlen einer teilnahmefähigen Haupttat entgegen,1306 andererseits würde der diesbezügliche Vorsatz der Strafbarkeit aus § 323c StGB entgegenstehen. Weil dies nicht überzeugen kann und auch normtheoretisch nicht zwingend ist, darf der Umstand, dass der Täter sogar vorsätzlich bezüglich der Herbeiführung des Unglücksfalles gehandelt hat, die Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nicht ausschließen. Somit macht sich der verkannte Täter, sofern für ihn eine Möglichkeit besteht, den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verhindern und er diese ungenutzt lässt, wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB strafbar.
D. Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme Kann der verkannte Täter nicht als mittelbarer Täter oder Mittäter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, ist entscheidend, ob sich zumindest eine Teilnahmestrafbarkeit begründen lässt, entspricht genau diese doch der Vorstellung des Hintermannes.
I. Irrtum bezieht sich auf das vorsätzliche, rechtswidrige Handeln des Vordermannes Besondere Schwierigkeiten bereitet die dogmatische Begründung einer Teilnahmestrafbarkeit, wenn sich der Irrtum des verkannten Täters auf die Vorsätzlichkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns des Vordermannes bezieht. Weil der verkannte Mittäter nur die Bedeutung seines eigenen Beitrags, nicht aber die Stellung seines Komplizen falsch einschätzt, ist diese Fallvariante allein bei der verkannten mittelbaren Täterschaft denkbar. Ein Beispiel für diese Konstellation bildet der oben bereits geschilderte Wilderer-Fall:1307 Hier verkennt A, dass B einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 I 1 StGB unterliegt, weil er nicht weiß, dass er auf einen Menschen schießt. Objektiv fehlt es also an einer vorsätzlichen Haupttat, stattdessen begeht A die Tat ohne sein Wissen durch B als unvorsätzlich handelndes Werkzeug. In diesem Fall steht der eindeutige Wortlaut der §§ 26, 27 StGB einer Teilnahmestrafbarkeit entgegen.1308 Denn nach § 26 StGB ist eben nur derje1306 Dazu
ausführlich sogleich in Kap. 2 D. Kap. 2 A. 1308 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 10; ders., Beteiligungsform, S. 98; Bock, JA 2007, S. 599 f.; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 264 ff.; Cramer, in: FS 1307 Vgl.
D. Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme349
nige wegen Anstiftung strafbar, der „einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat“. Und auch die Beihilfe ist nur strafbewehrt, wenn der Gehilfe „einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. Dies ist aber in dieser Fallkonstellation der verkannten mittelbaren Täterschaft nur in der Vorstellung des Beteiligten, nicht aber objektiv der Fall. De lege lata dennoch auch in dieser Konstellation an einer Teilnahmestrafbarkeit des verkannten Täters festzuhalten, wäre mit dem Analogieverbot nicht zu vereinbaren.1309 Die Ansicht, das geltende Recht gestatte dennoch eine Teilnahmebestrafung, weil der Gesetzgeber über die Behandlung der verkannten Täterschaft gerade keine Entscheidung habe treffen wollen,1310 ist mit dem eindeutigen Wortlaut nicht zu vereinbaren.1311 Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden hat, die Teilnahme vom Vorliegen einer vorsätzlich und rechtswidrig begangenen Haupttat abhängig zu machen. Man wollte damit vor allem dem Wesen der Teilnahme gerecht werden, sei doch „eine Unterordnung unter die Tatherrschaft des Täters, die für den Teilnehmer kennzeichnend sein soll, […] nicht denkbar, wenn der Täter nicht vorsätzlich handelt“.1312 Und auch die Strafbarkeitslücken, die durch diese Regelung im Bereich der verkannten Täterschaft entstehen können, waren dem Gesetzgeber durchaus bewusst. Schließlich war gerade erwogen worden, für diese Konstellation in Form des § 32 E-StGB eine spezielle Irrtumsvorschrift zu schaffen, die eine Teilnahmestraf-
Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Ebert, AT, S. 199; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 627; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Gropp, AT, § 10 Rn. 156; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Jakobs, AT, § 22 Rn. 18; Jescheck/Weigend, AT, S. 656; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Krey/Esser, AT, Rn. 1092; Kühl, AT, § 20 Rn. 89; Letzgus, S. 28; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Murmann, Grundkurs, § 27 Rn. 50; ders., JA 2008, S. 321, 326; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; Schönke/ Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 139; SSWStGB-Murmann, § 25 Rn. 30; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 219; Wessels/ Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c; Zieschang, AT, Rn. 701. 1309 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 11; Bock, JA 2007, S. 599 f.; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 264, 271; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 627 f.; Frister, AT, § 27 Rn. 46; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Jescheck/Weigend, AT, S. 656; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 161; SKStGB-Hoyer, § 25 Rn. 139. 1310 Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 30 Rn. 27 m. Fn. 41; Eser, Strafrecht II, Nr. 41 A Rn. 22; Schöneborn, ZStW 87 (1975), S. 911 m. Fn. 38. 1311 So auch Frister, AT, § 27 Rn. 46; Kühl, AT, § 20 Rn. 89; Roxin, AT II, § 25 Rn. 161. 1312 BT-Drucks. IV/650, S. 148.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
barkeit anordnen sollte.1313 Auch wenn diese letztlich nicht in das StGB aufgenommen wurde, ist sie doch Beleg dafür, dass der Gesetzgeber davon ausging, eine solche Strafbarkeit lasse sich mit den geltenden Vorschriften nicht begründen.1314 Die Entscheidung des Gesetzgebers, dennoch an dem Erfordernis einer vorsätzlichen Haupttat festzuhalten und von der Normierung einer speziellen Irrtumsregelung abzusehen, darf nicht durch eine allein ergebnisorientierte Auslegung unterlaufen werden. Auch im Falle der bloß irrtümlichen Vorstellung einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat eine Teilnahmestrafbarkeit für begründbar zu erachten, hieße letztlich, auf das Erfordernis einer teilnahmefähigen Haupttat vollständig zu verzichten. Dies erscheint jedoch aus mehreren Gründen bedenklich: Zum einen würde so die Tatbestandlichkeit aufgelöst und die Unterscheidung zwischen Anstiftung und mittelbarer Täterschaft verwischt.1315 Zum anderen ließe sich auf diese Weise auch das Teilnahmeunrecht, das sich nicht nur aus selbstständigen, sondern auch aus von der Haupttat abgeleiteten Elementen zusammensetzt, nur schwer begründen. Denn das Teilnahmeunrecht ergibt sich nicht allein aus dem eigenständigen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers,1316 sondern es ist auch abhängig vom Unrecht der Haupttat, das dem mitwirkenden Teilnehmer zugerechnet wird.1317 Nur beide Komponenten zusammen ergeben das spezifische Teilnahmeunrecht. Dann lässt es sich aber nicht in vollem Umfang begründen, wenn es am zuzurechnenden Haupttathandlungsunrecht fehlt.1318 Dass eine Teilnahmestrafbarkeit des verkannten Täters nicht begründbar sein soll, wird jedoch zum Teil als unbillig empfunden, ist es doch immerhin 1313 Vgl.
BT-Drucks. IV/650, S. 151 f. AT, § 27 Rn. 46 m. Fn. 78; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Maurach/ Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; ders., Kriminalpolitik, S. 20 f. m. Fn. 46. Nach Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 263 f. lässt sich diese Schlussfolgerung aus der Nichtübernahme des § 32 E-StGB dagegen nicht ohne weiteres ziehen. 1315 Bockelmann, GA 1954, S. 193, 194; Letzgus, S. 28. Zustimmend auch Tröndle, GA 1956, S. 129, 142. 1316 Diesen fordert die mittlerweile h. M., vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; Frister, AT, § 25 Rn. 28; Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Jakobs, AT, § 22 Rn. 9; Krey/Esser, AT, Rn. 988; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; MüKo-StGB-Joecks, Vor § 26 Rn. 16 f.; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 207 ff.; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 16; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 (34. EL, 2000) Rn. 21; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 117 f. 1317 Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 208; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21. 1318 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 18 f. In diese Richtung auch Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 265 f.; Letzgus, S. 28. 1314 Frister,
D. Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme351
zur Vollendung der Tat gekommen und war der Einfluss des Irrenden auf diese Tat tatsächlich sogar größer als er annahm.1319 Deshalb wird mithilfe des bereits zur Begründung des Teilnehmervorsatzes bei der vermeintlichen Täterschaft bemühten maius-minus-Argumentes versucht, das Vorliegen des objektiven Teilnahmetatbestandes zu begründen: Weil tatsächlich sogar eine schwerer wirkende Mitwirkung an der Tat erfolge, der Hintermann sogar die Tatherrschaft über das Geschehen innehabe, sei in dieser die leichtere Mitwirkung in Form der Teilnahme enthalten.1320 Teilnahme sei nur eine abgeschwächte Form der Täterschaft. Diese Argumentation kann jedoch nicht nur wegen des entgegenstehenden Wortlautes nicht überzeugen,1321 sondern verkennt auch die grundsätzlich verschiedene Struktur der Unrechtsbegründung bei Täterschaft und Teilnahme.1322 Während der Täter für eine eigene Tat verantwortlich ist und Unrecht der Tat originär in eigener Person verwirklicht, kennzeichnet die Teilnahme gerade die Verantwortlichkeit für eine fremde Tat und damit auch die Unrechtszurechnung.1323 Dann besteht jedoch zwischen Täterschaft und Teilnahme kein Stufen-, sondern ein aliud-Verhält1319 Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 30 Rn. 26; Baumann, JZ 1958, S. 230, 233 ff.; Dahm, NJW 1949, S. 809, 810; Frister, AT, § 27 Rn. 46; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, Vor § 25 Rn. 10; Letzgus, S. 31; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 269, 557; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 220; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c. Ablehnend Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 23, der diese Strafbarkeitsbegrenzungen vor dem Hintergrund des von ihm befürworteten personalen Straftatsystems als konsequent empfindet. 1320 Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 30 Rn. 26; Gallas, Beiträge, S. 107 f.; ders., in: Materialien I (1954), S. 121, 139 f. In diese Richtung früher Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 268, allerdings noch auf der Basis der alten Rechtslage, nach der das Erfordernis einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat noch nicht gesetzlich normiert war; inzwischen hält er eine Teilnahmestrafbarkeit in diesen Fällen für nicht mehr begründbar, vgl. ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 557 ff. und LK-StGB11ders., § 25 Rn. 143. Vgl. dazu auch Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 267 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 627; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, Vor § 25 Rn. 10; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109. Generell für ein Stufenverhältnis zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung auch Herzberg, MDR 1973, S. 89, 95. 1321 Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 627; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Kühl, AT, § 20 Rn. 89; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, Vor § 25 Rn. 10; LK-StGB11Roxin, § 25 Rn. 143; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 109; MüKoStGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 219. Vgl. auch bereits die Nachw. in Fn. 1308. 1322 So auch Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 21 f. Dagegen LK-StGB11-Roxin, § 25 Rn. 143, der es „dogmatisch stimmig“ fände, den verkannten Täter als Teilnehmer zu bestrafen, weil Teilnahme die „Mitwirkung ohne Tatherrschaft“ und damit ein Minus gegenüber der Täterschaft sei. 1323 Ebenso Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 21 f.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
nis, sodass sich auch mithilfe der objektiv vorliegenden Herrschaftsposition die Teilnahmestrafbarkeit nicht begründen lässt.1324 Funktion der Teilnahme kann es nicht sein, im Sinne eines Auffangtatbestandes jede Mitwirkung, die nicht über die Regeln der Täterschaft zu erfassen ist, zu bestrafen.1325 Auch die kriminalpolitischen Bedenken, die zur Rechtfertigung dieser Lösung herangezogen werden, sind keinesfalls so gewichtig, dass sie eine dogmatisch zweifelhafte Konstruktion erforderlich machen, lässt sich doch das verwirklichte Unrecht über eine Fahrlässigkeits- oder Vorfeldstrafbarkeit erfassen.1326 Somit ist eine Teilnahmestrafbarkeit des verkannten Täters dann nicht begründbar, wenn sich sein Irrtum auf die Vorsätzlichkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns des Vordermannes bezieht.1327
II. Irrtum bezieht sich nicht auf das vorsätzliche, rechtswidrige Handeln des Vordermannes Eine Teilnahmestrafbarkeit kommt somit allein für diejenigen Fälle in Betracht, in denen auch objektiv eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat vorliegt, sich die verkannte Tatherrschaft des Täters also aus anderen Umständen ergibt. Im Zusammenhang mit der mittelbaren Täterschaft ist das insbesondere in Fällen wie dem Rosa-Luxemburg-Fall1328 denkbar, in denen der Hintermann irrtümlich meint, der Vordermann sei schuldfähig. Auch die Fälle der verkannten Mittäterschaft lassen sich dieser Konstellation zuord1324 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 22; Bock, JA 2007, S. 599; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 139. Im Ergebnis ebenso Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 269 ff. 1325 Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 27. Amelung, in: FS Schroeder (2006), S. 147, 170 will § 26 StGB zumindest in einem Teilbereich der mittelbaren Täterschaft als Auffangnorm für knapp verfehlte Tatherrschaft verstehen. 1326 So auch Herzberg, Täterschaft, S. 46. Vgl. dazu Kap. 2 E. und Kap. 2 F. 1327 Übereinstimmend Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 10; ders., Beteiligungsform, S. 98; Bockelmann, Untersuchungen, S. 95 ff., 125; ders., GA 1954, S. 193, 199; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 627 f.; Frister, AT, § 27 Rn. 45; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 25 Rn. 39; Jakobs, AT, § 22 Rn. 18; Krey/Esser, AT, Rn. 1092; Kühl, AT, § 20 Rn. 89; Letzgus, S. 28; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; MüKo-StGBJoecks, § 25 Rn. 158; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 139; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 30; Tröndle, GA 1956, S. 129, 143 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c; Zieschang, AT, Rn. 701. A. A. Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 30 Rn. 26 f.; Baumann, JZ 1958, S. 230, 233 ff.; Dahm, NJW 1949, S. 809, 810; Eser, Strafrecht II, Nr. 41 A Rn. 22; Mezger, Lehrbuch, S. 449; Schöneborn, ZStW 87 (1975), S. 902, 911 m. Fn. 38; Tröndle/Fischer, StGB49, Vor § 25 Rn. 10. 1328 Vgl. dazu Kap. 2 A.
D. Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme353
nen, bezieht sich hier der Irrtum doch nur auf die Bedeutung des eigenen Tatbeitrags, nicht aber auf die Stellung des anderen Beteiligten. Auch wenn in diesen Fällen eine teilnahmefähige Haupttat vorliegt und sein Vorsatz auch gerade darauf gerichtet war, sich als Teilnehmer an der Tat des Haupttäters zu beteiligen, wird die Teilnahmestrafbarkeit des verkannten Täters zum Teil in Zweifel gezogen. So soll das Vorhandensein potentiell tatherrschaftsbegründender Umstände unvereinbar mit der Tatbeteiligung als Teilnehmer sein.1329 Die objektiv bestehende Tatherrschaft kann einer Teilnahmestrafbarkeit nur dann entgegenstehen, wenn beide Beteiligungsformen derart in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, dass die eine die andere Beteiligungsform ausschließt. Bei der Tatherrschaft handelt es sich allerdings um ein offenes Abgrenzungskriterium,1330 es ist gerade eine Errungenschaft dieser Lehre, wertend anhand des Maßes an Steuerungsmacht die Täterstellung begründen zu können. Die Tatherrschaft beschreibt ein bestimmtes Maß an Einfluss auf das tatbestandsmäßige Geschehen, den der Täter auf unterschiedliche Art und Weise erlangen kann. Daraus folgt dann aber zugleich, dass eine bestimmte Handlung nicht eindeutig einer Beteiligungsform zugeordnet werden kann, sondern dass ein Verhalten sowohl eine Teilnehmer- als auch eine Täterstrafbarkeit begründen kann, je nachdem, welche Bedeutung ihm im tatbestandsmäßigen Geschehen zukommt. Dies zeigt sowohl der Vergleich von Beihilfe und Mittäterschaft als auch von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft. Beihilfe und Mittäterschaft unterscheiden sich schließlich nur durch die Bedeutung des Tatbeitrags für die Tatbestandsverwirklichung voneinander. Dies zeigt auch das oben gebildete Werkzeug-Beispiel:1331 Das Öffnen der Tür mit dem Spezialbohrer kann sowohl Unterstützungshandlung eines Gehilfen als auch mittäterschaftlicher Tatbeitrag sein, je nachdem, wie wesentlich der Beitrag für das Gelingen der Tat war. Und auch die mittelbare Täterschaft weist eine deutliche Nähe zur Anstiftung auf, entscheidet doch allein die normativ zu entscheidende Frage, ob der Hintermann dem Vordermann überlegen war, darüber, in welcher Form sich der Hintermann an der Tat beteiligt hat. Ist der Übergang zwischen den Beteiligungsformen jedoch fließend und steigt allein der Einfluss auf das Geschehen von der Teilnahme zur Täterschaft, kann es nicht überzeugen, in dem objektiven Bestand einer tatbeherrschenden Stellung einen Ausschlussgrund für die Teilnahmestrafbarkeit zu erachten.1332 Vielmehr kann es nur darauf ankommen, ob die das Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 9. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 122. Dazu auch Weißer, S. 37 f. 1331 Siehe oben Kap. 2 A. 1332 Kühl, AT, § 20 Rn. 85 nimmt sogar umgekehrt an, in dem „objektiven Mehr an Tatbeherrschung“ sei „als Minus auch eine objektive Anstiftung enthalten“, denn „wer hinsichtlich derselben Tat objektiv auf einer höheren Beteiligungsstufe handelt, agiert zugleich auf der niedrigeren“. 1329 Ablehnend 1330 Vgl.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Unrecht der jeweiligen Beteiligungsform begründenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist aber dann, wenn eine vorsätzlich-rechtswidrige Haupttat und ein korrespondierender Teilnehmervorsatz gegeben sind, der Fall. Eine andere Deutung des Verhältnisses der Beteiligungsformen würde auch bedenkliche Strafbarkeitslücken schaffen, wäre doch beispielsweise dann, wenn sich eine Überlegenheitsposition oder die Wesentlichkeit des Tatbeitrags nicht nachweisen ließe, nicht nur eine Täterstrafbarkeit in dubio pro reo ausgeschlossen, sondern müsste zugleich auch eine Strafbarkeit als Teilnehmer ausscheiden. Dies kann jedoch nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein. Somit besteht zwischen Täterschaft und Teilnahme kein Exklusivitätsverhältnis in dem Sinne, dass der objektive Bestand einer tatherrschaftlichen Position eine Teilnahmestrafbarkeit ausschließt. Im Ergebnis lässt sich daher jedenfalls dann, wenn auch objektiv eine vorsätzlich-rechtswidrige Haupttat vorliegt und sich die Tatherrschaft aus anderen Umständen ergibt, eine Teilnahmestrafbarkeit für den verkannten Täter dogmatisch begründen.1333
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Daneben ist zu erwägen, ob sich für den verkannten Täter ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründen lässt.1334 Schließlich unterliegt er zwar einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, von diesem bleibt aber gem. § 16 I 2 StGB die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung unberührt. Diese Möglichkeit ist dabei von vornherein auf diejenigen Fallgestaltungen beschränkt, in denen das tatbestandsmäßige Geschehen vollständig verwirklicht und der tatbestandsmäßige Erfolg eingetreten ist, kennt die deutsche Strafrechtsdogmatik doch keinen fahrlässigen Versuch. Der Umstand, dass der verkannte 1333 Ebenso Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 9; Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 400; Ebert, AT, S. 199; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 626; Frister, AT, § 27 Rn. 45; Herzberg, Täterschaft, S. 44; Jescheck/Weigend, AT, S. 671; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Kühl, AT, § 20 Rn. 85; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 145; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 110; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 157; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 265; ders., AT II, § 25 Rn. 162; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 140; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786a. 1334 Für eine solche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Bockelmann, Untersuchungen, S. 125; Ebert, AT, S. 199; Frister, AT, § 27 Rn. 45; Gropp, AT, § 10 Rn. 156; Heinitz, in: FS 41. Juristentag (1955), S. 93, 106; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Jakobs, AT, § 22 Rn. 18; Letzgus, S. 30 f.; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 140; v. Uthmann, NJW 1961, S. 1908, 1909; Welzel, Strafrecht, S. 124. Dagegen Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 22 m. Fn. 84; Roxin, Täterschaft und Tat herrschaft, S. 270.
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit355
Täter bezüglich der Tatbestandsverwirklichung sogar vorsätzlich gehandelt hat, steht einer solchen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit jedenfalls nicht entge gen,1335 weil zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit – wie gezeigt – kein Exklusivitätsverhältnis in dem Sinne besteht, dass fahrlässig nur derjenige handelt, der unwillentlich agiert.1336 Vielmehr ist allein entscheidend, ob sich für den verkannten Täter nach den allgemeinen Grundsätzen ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründen lässt. Auch insoweit können die zur vermeintlichen Täterschaft gewonnen Erkenntnisse auf die verkannte Täterschaft übertragen werden, sodass sich die Beantwortung der Frage nach einer Fahrlässigkeitshaftung des verkannten Täters bereits unmittelbar aus der vorangegangenen Analyse ergibt. Der verkannte Täter begeht prinzipiell denselben Sorgfaltsverstoß wie der vermeintliche Täter: Der Einwirkungshandlung des verkannten mittelbaren Täters wohnt die Gefahr inne, den Vordermann zur Tatbestandsverwirklichung zu bewegen – sei es als strafrechtlich nicht verantwortliches deliktisches Werkzeug oder als vollverantwortlich agierender Vorsatztäter.1337 Weil durch eine solche Einwirkung innere und äußere Hemmnisse abgebaut werden und letztlich eine Rechtsgutsverletzung begünstigt wird, hätte ein gewissenhafter Verkehrsteilnehmer sie nicht vogenommen. Der Sorgfaltsverstoß des verkannten Mittäters liegt in der Verabredung, ein bestimmtes Delikt gemeinsam zu verwirklichen sowie dem unterstützenden Beitrag, den er in dem Glauben erbringt, dadurch eine fremde Tatbegehung zu fördern. Denn dieser Tatbeitrag war tatsächlich immerhin so wesentlich für die Tat, dass er dem Beteiligten objektiv sogar eine mittäterschaftliche Stellung im Geschehen verschafft. Deshalb begünstigt die Handlung des verkannten Mittäters die Rechtsgutsverletzung in erheblichem Maße und verstößt damit gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Der tatbestandsmäßige Erfolg war schon deshalb vorhersehbar, weil das Verhalten des verkannten mittelbaren Täters bzw. Mittäters sogar darauf ausgelegt war, den Vordermann zur Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen oder ihn zu unterstützen. Einzig der Kausalverlauf weicht von der Vorstellung des Beteiligten ab, war das Handeln des verkannten Täters doch darauf gerichtet, einen anderen bei seiner freiverantwortlichen Tatbegehung zu unterstützen. Jedenfalls bei der verkannten mittelbaren Täterschaft agiert der Vordermann jedoch tatsächlich als strafrechtlich nicht vollverantwortliches Werkzeug des Bestimmenden. Ebenso wie im Falle der vermeintlichen Täterschaft die Tatsache, dass der vermeintliche Tatmittler entgegen der Vorstel1335 Vgl. dazu ausführlich bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft Kap. 1 E. I. 1336 Siehe dazu Kap. 1 E. I. 1337 Vgl. für die vermeintliche Täterschaft auch bereits Kap. 1 E. II. 1.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
lung des Hintermannes vollverantwortlich handelt,1338 kann auch die verkannte Werkzeugeigenschaft die Vorhersehbarkeit nicht beseitigen. Denn rein äußerlich entspricht das tatbestandsmäßige Geschehen vollständig der Vorstellung des verkannten Täters. Dies gilt bei der verkannten Mittäterschaft in noch größerem Maße, schätzt hier doch der Beteiligte nur das Gewicht seines eigenen Tatbeitrags, nicht aber das Verhalten seines Komplizen falsch ein. Zudem lassen sich Handeln und Beweggründe eines menschlichen Mitwirkenden nie genau vorhersehen, sodass der Umstand, dass der eigene Einfluss auf den Handelnden tatsächlich größer ist als gedacht, die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs nicht ausschließt.1339 Fraglich bleibt damit allein, ob sich im konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg auch gerade das durch das sorgfaltswidrige Handeln geschaffene Risiko realisiert, sodass dieser dem verkannten Täter zurechenbar ist.1340 Dies setzt zum einen voraus, dass der Erfolg bei sorgfaltsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre.1341 Zum anderen muss die durch die sorgfaltswidrige Handlung verletzte Norm gerade der Vermeidung solcher Erfolge wie des im konkreten Fall eingetretenen dienen.1342 Beides lässt sich im Falle der verkannten mittelbaren Täterschaft ohne weiteres annehmen, denn tatsächlich war der Einfluss auf den Vordermann 1338 Vgl. zu der Frage, ob diese Abweichung vom Kausalverlauf bei der vermeintlichen Täterschaft den Zurechnungszusammenhang unterbricht, Kap. 1 E. II. 3. a). 1339 Ausführlich zur Frage, inwieweit die Willensrichtung des Handelnden für den Fahrlässigkeitstäter vorhersehbar sein muss, bereits in Kap. 1 E. II. 2. 1340 Zu diesem Erfordernis v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 53 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 181; Schönke/SchröderSternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 156. 1341 Ausführlich Erb, Rechtmäßiges Alternativverhalten; Küper, in: FS Lackner (1987), S. 247 ff.; Toepel, Kausalität. Vgl. auch BGHSt 11, 1, 7; BGHSt 30, 228, 230; BGHSt 33, 61, 63; BGHSt 49, 1, 4; OLG Köln NStZ-RR 2002, 304; Fischer, StGB, § 15 Rn. 16c; v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 50 f.; Hirsch, in: FS Lampe (2003), S. 515, 531 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 34 ff.; Krey/Esser, AT, Rn. 1355; Kühl, AT, § 17 Rn. 47 ff.; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 182 ff.; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 55; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 164 ff.; Oehler, in: FS Schmidt (1971), S. 232, 238 f.; Puppe, ZStW 99 (1987), S. 595 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 173 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 952 f. 1342 v. Heintschel-Heinegg-Kudlich, StGB, § 15 Rn. 55; Jescheck/Weigend, AT, S. 583 f.; Krümpelmann, in: FS Bockelmann (1979), S. 443, 447 ff.; Kühl, AT, § 17 Rn. 68; LK-StGB-Vogel, § 15 Rn. 189 ff.; Matt/Renzikowski-Gaede, StGB, § 15 Rn. 54; Puppe, ZStW 99 (1987), S. 595, 612 ff.; Roxin, in: FS Honig (1970), S. 133, 140 ff.; Rudolphi, JuS 1969, S. 549 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rn. 157 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 951. Kritisch zur Notwendigkeit dieses Erfordernisses Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 65 f., 80 ff., 97 f.; MüKo-StGB-Duttge, § 15 Rn. 183 ff.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB357
noch viel größer als der Beteiligte annahm, sodass es gerade die Instrumentalisierungshandlung und damit der Sorgfaltsverstoß war, der den verkannten Tatmittler zur Tatbegehung bewogen hat. Wie bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen Täterschaft festgestellt,1343 ist die Sorgfaltsnorm dabei nicht eng auf ein den Beteiligungsformen beim vorsätzlichen Begehungsdelikt entsprechendes Verhalten zu begrenzen, sondern allgemein darauf gerichtet, jegliche Form der Einflussnahme auf die Willensrichtung des Ausführenden, die eine Rechtsgutsverletzung begünstigen könnte, zu unterbinden. Ziel einer so verstanden Sorgfaltsnorm ist es dann aber generell, die Tatbestandsverwirklichung eines anderen zu verhüten. Damit fällt der vom Tatmittler als deliktischem Werkzeug verursachte Erfolg auch in den Schutzbereich der vom verkannten mittelbaren Täter verletzten Sorgfaltsnorm. Dieser Zurechnungszusammenhang wird auch nicht durch das Dazwischentreten des Vordermannes durchbrochen, handelt dieser doch in vielen Fällen schon gar nicht vorsätzlich und ist sein Verhalten im Übrigen gerade Folge des vom verkannten mittelbaren Täter begangenen Sorgfaltsverstoßes und in diesem angelegt. Aus diesen Gründen kann er auf ein rechtmäßiges Handeln des Vordermannes nicht vertrauen. Anders als für den vermeintlichen Mittäter1344 lässt sich auch für den verkannten Mittäter ein solcher Zurechnungszusammenhang begründen. Schließlich hat seine Unterstützungshandlung die Tat wesentlich geprägt und war damit auch entscheidend dafür, dass es zur Tatbestandsverwirklichung gekommen ist. Vor einer solchen Rechtsgutsverletzung soll die vom verkannten Mittäter verletzte Sorgfaltsnorm, sich nicht mit anderen zur Tatausführung zusammenzuschließen und diese bei der Tatbegehung zu unterstützen, schützen. Denn die Gefahr, die der Verabredung und Unterstützung innewohnt, ist schließlich gerade, dass der andere ebenfalls in seinem deliktischen Vorhaben bestärkt und durch das gemeinschaftliche Handeln die Gefahr für das tatbestandliche Rechtsgut erhöht wird. Somit lässt sich sowohl für den verkannten mittelbaren Täter als auch für den verkannten Mittäter eine Strafbarkeit aus dem Fahrlässigkeitsdelikt begründen, sofern es zur Vollendung der Tat gekommen ist.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB Abschließend bleibt noch zu untersuchen, ob sich für den verkannten Täter daneben eine Vorfeldstrafbarkeit gem. § 30 StGB begründen lässt. Sie hätte freilich nur dann eigenständige Bedeutung, wenn eine Teilnahmestrafbarkeit 1343 Kap. 1 1344 Siehe
E. II. 3. dazu Kap. 1 E. II. 3. b).
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
wegen der fehlenden teilnahmefähigen Haupttat nicht in Betracht kommt, andernfalls träte eine etwaige Vorfeldstrafbarkeit ohnehin hinter der Strafbarkeit wegen Teilnahme am versuchten bzw. vollendeten Delikt zurück.1345
I. Verkannte mittelbare Täterschaft Besonders bedeutsam ist die Frage der Begründbarkeit einer Vorfeldstrafbarkeit bei der verkannten mittelbaren Täterschaft. Bezieht sich der Irrtum des verkannten Täters auf die Tatbestandsmäßigkeit, Vorsätzlichkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns, lässt sich eine Strafbarkeit als Teilnehmer nicht begründen, fehlt es doch an einer teilnahmefähigen Haupttat. Neben der bereits begründeten Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung und unterlassener Hilfeleistung besteht allein die Möglichkeit, ihn wegen der versuchten Anstiftung gem. § 30 I StGB zu bestrafen.1346 So könnte A im WildererFall1347 B durch seine Aufforderung zum Schuss zum Totschlag zu bestimmen versucht haben. Bereits im Zusammenhang mit der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft wurde ermittelt, dass der Bestimmungsversuch nach § 30 I StGB in subjektiver Hinsicht den Vorsatz voraussetzt, einen anderen im Sinne des § 26 StGB zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen.1348 Der verkannte mittelbare Täter wirkt gerade mit dem Ziel auf den Vordermann ein, diesen zu einer freiverantwortli1345 Statt vieler BGHSt 1, 131, 135; BGHSt 6, 308, 311; BGHSt 14, 378; BGH NStZ 1983, 364; BGH NStZ 1986, 565, 566; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 10; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 73; Roxin, AT II, § 28 Rn. 37; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 38; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 59. 1346 Für eine Strafbarkeit gem. § 30 I StGB auch Bloy, Beteiligungsform, S. 98; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 264; Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Frister, AT, § 27 Rn. 45; Gallas, in: Materialien I (1954), S. 139; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Gropp, AT, § 10 Rn. 156; Heinitz, in: FS 41. Juristentag (1955), S. 93, 106; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Jakobs, AT, § 22 Rn. 18; Jescheck/ Weigend, AT, S. 671; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Letzgus, S. 29 f.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Maurach/Gössel/Zipf/Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; MüKo-StGBJoecks, § 25 Rn. 158; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Roxin, AT II, § 25 Rn. 159; ders., Täterschaft und Teilnahme, S. 557; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 140; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 30; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 220; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c; Zieschang, AT, Rn. 702. 1347 Vgl. Kap. 2 A. 1348 Vgl. Kap. 1 F. II. m. w. N. Eine exklusive Ausrichtung des § 30 I StGB auf die Fälle der versuchten Anstiftung nehmen bspw. Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 28; Dreher, GA 1954, S. 11, 17; Ensenbach, Jura 2011, S. 787, 794; Köhler, AT, S. 542; Kühl, AT, § 20 Rn. 250; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 4; LK-StGB-Schünemann, § 30 Rn. 23; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 26; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 10; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 32; Thalheimer, S. 58 ff. an.
F. Strafbarkeit nach § 30 StGB359
chen Tatbestandsverwirklichung zu bewegen, sodass der für § 30 I StGB erforderliche Anstiftervorsatz gegeben ist. Sofern der verkannte Täter auch bereits – wie im Wilderer-Fall – auf das Vorstellungsbild des Vordermannes Einfluss genommen hat, liegt zudem die in objektiver Hinsicht erforderliche „kommunikative Entäußerung der verbrecherischen Kernbotschaft, durch die der andere zur Begehung eines Verbrechens veranlasst werden soll“,1349 vor. War der Vorsatz des verkannten mittelbaren Täters demnach darauf gerichtet, einen anderen zu einer freiverantwortlichen Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen, lässt sich für ihn – vorausgesetzt bei dem ins Auge gefassten Delikt handelt es sich um ein Verbrechen – eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gem. § 30 I StGB begründen.1350 Ist der Vorsatz des verkannten mittelbaren Täters darauf gerichtet, dem Vordermann bei seiner vollverantwortlichen Tatbestandsverwirklichung Hilfe zu leisten,1351 liegt dogmatisch eine versuchte Beihilfe vor, die deshalb fehlgeht, weil der Vordermann tatsächlich keine teilnahmefähige Haupttat begeht, sondern als deliktisches Werkzeug agiert. Weil diese ebenso wie die versuchte mittelbare Täterschaft nicht strafbewehrt ist,1352 scheidet eine Vorfeldstrafbarkeit des verkannten mittelbaren Täters in diesen Fällen von vornherein aus. Festhalten lässt sich also, dass sich für den verkannten mittelbaren Täter in den Fällen, in denen eine Teilnahme an der fehlenden teilnahmefähigen Haupttat scheitert, neben der Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung 1349 Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 17 f. Ähnlich auch Bloy, JR 1992, S. 493, 495 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 703 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 249; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 4; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 35; Rengier, AT, § 47 Rn. 21 f.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 10 ff.; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 32. Enger NKStGB-Zaczyk, § 30 Rn. 12. 1350 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 98; Bockelmann, in: FS Gallas (1973), S. 261, 264; Cramer, in: FS Bockelmann (1979), S. 389, 399 f.; Frister, AT, § 27 Rn. 45; Gallas, in: Materialien I (1954), S. 139; Geppert, Jura 1997, S. 358, 364; Gropp, AT, § 10 Rn. 156; Heinitz, in: FS 41. Juristentag (1955), S. 93, 106; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Jakobs, AT, § 22 Rn. 18; Jescheck/Weigend, AT, S. 671; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 25 Rn. 67; Köhler, AT, S. 513; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Letzgus, S. 29 f.; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Maurach/Gössel/Zipf/ Renzikowski, AT II, § 48 Rn. 108; MüKo-StGB-Joecks, § 25 Rn. 158; Murmann, JA 2008, S. 321, 326; Roxin, AT II, § 25 Rn. 159; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 557; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, Vor § 25 Rn. 76; SK-StGB-Hoyer, § 25 Rn. 140; SSW-StGB-Murmann, § 25 Rn. 30; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 220; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c; Zieschang, AT, Rn. 702. 1351 Zu dieser Konstellation der verkannten mittelbaren Täterschaft bereits in Kap. 2 A. 1352 Statt vieler Heinrich, AT, Rn. 1367; Jescheck/Weigend, AT, S. 700 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 246; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 26; Roxin, AT II, § 26 Rn. 2; SK-StGBHoyer, § 30 Rn. 2.
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Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
und der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auch eine Strafbarkeit nach § 30 I StGB begründen lässt. Allerdings nur dann, wenn es sich bei der geplanten Tat um ein Verbrechen handelt und der verkannte Täter sich an dieser als Anstifter und nicht als Gehilfe beteiligen will.
II. Verkannte Mittäterschaft Bei der verkannten Mittäterschaft kommt der Vorfeldstrafbarkeit eine deutlich geringere Relevanz als bei der verkannten mittelbaren Täterschaft zu. Dies resultiert daraus, dass sich der verkannte Mittäter nur über die Bedeutung des eigenen Tatbeitrags im tatbestandsmäßigen Geschehen, nicht aber über die Rolle des anderen Mitwirkenden irrt. Dieser vollzieht nicht nur in seiner Vorstellung, sondern auch objektiv die Ausführungshandlungen mit dem Vorsatz, dadurch den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Aus diesem Grund liegt auch objektiv eine Haupttat vor, an der eine Teilnahme in Betracht kommt, sodass sich für den verkannten Mittäter bereits eine Strafbarkeit wegen Teilnahme am versuchten oder vollendeten Delikt begründen lässt,1353 die dann eine etwaige Vorfeldstrafbarkeit wegen versuchter Teilnahme verdrängt.1354 Hinzu kommt, dass der Vorsatz des verkannten Mittäters in der Mehrzahl der Konstellationen darauf gerichtet ist, dem Mitwirkenden bei dessen Tatbegehung Hilfe zu leisten. Die versuchte Beihilfe ist aber in § 30 StGB ohnehin nicht strafbewehrt.1355 Auch eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung gem. § 30 II Var. 3 StGB lässt sich für den verkannten Mittäter nicht begründen, weil diese als Vorstufe der Mittäterschaft voraussetzt, dass sich die Beteiligten mittäterschaftliche Tatbeiträge zusichern.1356 Der Vorsatz des verkannten Mittäters ist jedoch allein darauf gerichtet, einem anderen zu versprechen, ihm bei seiner Tatbegehung Hilfe zu leisten. Einer anderen Auslegung des § 30 II Var. 3 StGB steht entgegen, dass so die Entscheidung des 1353 Ausführlich
oben Kap. 2 D. vieler BGHSt 1, 131, 135; BGHSt 6, 308, 311; BGHSt 14, 378; BGH NStZ 1983, 364; BGH NStZ 1986, 565, 566; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, § 30 Rn. 10; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 73; Roxin, AT II, § 28 Rn. 37; Schönke/SchröderHeine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 38; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 59. 1355 Vgl. dazu bereits Fn. 1352. 1356 Dafür BGHSt 53, 174, 176; BGH NStZ 1988, 406; BGH NStZ-RR 2002, 74; BGH NStZ 2007, 697; BGH NStZ 2011, 570, 571; BGH NStZ 2012, 626, 627; BGH NStZ 2016, 338, 339; Frister, AT, § 29 Rn. 35; Jescheck/Weigend, AT, S. 704; Kühl, AT, § 20 Rn. 252; Letzgus, S. 110; Martin, JuS 2002, S. 505 f.; Maurach, JZ 1961, S. 137, 142; MüKo-StGB-Joecks, § 30 Rn. 54; NK-StGB-Zaczyk, § 30 Rn. 55; Rengier, AT, § 47 Rn. 24; Roxin, AT II, § 28 Rn. 43, 60; Schönke/Schröder-Heine/Weißer, StGB, § 30 Rn. 24; SK-StGB-Hoyer, § 30 Rn. 3, 46, 50; SSW-StGB-Murmann, § 30 Rn. 24. 1354 Statt
G. Ergebnis zur Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen 361
Gesetzgebers, die versuchte Beihilfe straflos zu stellen, unterlaufen würde. Nur wenn der verkannte Mittäter irrtümlich annimmt, eine Anstifterrolle innezuhaben, ließe sich daher eine Vorfeldstrafbarkeit gem. § 30 I StGB überhaupt begründen.
G. Ergebnis zur Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen u nd kritischer Ausblick Für die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des seine eigene Position im Geschehen unterschätzenden verkannten mittelbaren Täters bzw. Mittäters ergibt sich damit: 1. Hinter der verkannten und der vermeintlichen Täterschaft stehen dieselben Grundfragen: Entscheidend für die strafrechtliche Bewertung der Irrtümer ist jeweils, in welchen Verhältnis objektive und subjektive Tatherrschafts elemente sowie Täterschaft und Teilnahme stehen.1357 2. Mithilfe der zur vermeintlichen Täterschaft gewonnenen Erkenntnisse lässt sich deshalb auch für die verkannte Täterschaft eine überzeugende Lösung gewinnen.1358 3. Einer Strafbarkeit des verkannten Täters aus dem mittelbar-täterschaftlichen bzw. mittäterschaftlichen Delikt steht seine fehlende Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände entgegen. Weil sich auch die Tätervoraussetzungen in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand gliedern lassen, lässt sich sein Irrtum dogmatisch als Tatbestandsirrtum gem. § 16 I 1 StGB einordnen.1359 4. Eine Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt lässt sich für den verkannten Täter nicht begründen, weil die Zusicherung eines Tatbeitrags ebenso wie die Einflussnahme auf den Willen eines anderen keine Garantenstellung begründet.1360 5. Allerdings macht sich der verkannte Täter in der Regel wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB strafbar.1361 6. Daneben kommt eine Teilnahmestrafbarkeit zumindest dann in Betracht, wenn der Irrtum sich nicht auf den Vorsatz des Ausführenden oder die Rechtswidrigkeit seines Handelns bezieht und damit objektiv eine teilnahmefähige Haupttat vorliegt. Dies trifft auf alle Konstellationen der verkannten 1357 Vgl. Kap. 2
A. dazu in Kap. 2 A. und B. 1359 Siehe Kap. 2 B. 1360 Kap. 2 C. I. 1361 Vgl. Kap. 2 C. II. 1358 Ausführlich
362
Kap. 2: Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen
Mittäterschaft und einen Teil der Fälle der verkannten mittelbaren Täterschaft zu.1362 7. Im Übrigen lässt sich eine Teilnahmestrafbarkeit für den verkannten mittelbaren Täter wegen der fehlenden teilnahmefähigen Haupttat nicht begründen.1363 8. Sofern es zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges kommt, ist der verkannte mittelbare Täter ebenso wie der verkannte Mittäter zudem wegen der fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung strafbar.1364 9. Eine Vorfeldstrafbarkeit lässt sich nur dann begründen, wenn der verkannte Täter irrtümlicherweise glaubt, einen anderen zur eigenverantwortlichen Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen. Zudem tritt sie hinter einer etwaigen Strafbarkeit wegen Teilnahme am versuchten bzw. vollendeten Delikt konkurrenzrechtlich zurück.1365 Damit verbleiben jedenfalls für den verkannten mittelbaren Täter Straf barkeitslücken:1366 Irrt er sich über die Vorsätzlichkeit oder Rechtswidrigkeit der begangenen Tat und handelt es sich bei dieser um ein Vergehen, bei dem fahrlässiges Handeln auch nicht ausdrücklich mit Strafe bedroht ist, ist der verkannte mittelbare Täter allein wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB strafbar, obwohl sein tatsächlicher Einfluss auf das Geschehen sogar größer war als er annahm. Wenn die geplante Tat nur in das Versuchsstadium gelangt ist und er wiederum verkennt, dass der Vordermann tatsächlich ohne Vorsatz bzw. nicht rechtswidrig handelt, besteht ebenfalls nicht die Möglichkeit, den verkannten mittelbaren Täter als Täter oder Teilnehmer der versuchten Tat zu bestrafen, sondern es verbleibt nur eine Strafbarkeit nach § 30 StGB oder § 323c StGB. Erstere scheidet allerdings dann aus, wenn er irrtümlich annimmt, dem Vordermann bei seiner Tatbegehung Hilfe zu leisten, ist doch die versuchte Beihilfe nicht strafbewehrt. Vor diesem Hintergrund ist abschließend zu untersuchen, ob sich aus den zur verkannten Täter1362 Siehe
Kap. 2 D. II. D. I. 1364 Siehe Kap. 2 E. 1365 Vgl. Kap. 2 F. 1366 Die durch die fehlende Möglichkeit einer Teilnahmestrafbarkeit entstehenden Strafbarkeitslücken halten auch Baumann/Weber/Mitsch, AT11, § 30 Rn. 26; Baumann, JZ 1958, S. 230, 233 ff.; Dahm, NJW 1949, S. 809, 810; Frister, AT, § 27 Rn. 46; Herzberg, Täterschaft, S. 46; Kretschmer, Jura 2003, S. 535, 536; Lackner/Kühl-Kühl, StGB, Vor § 25 Rn. 10; Letzgus, S. 31; LK-StGB-Schünemann, § 25 Rn. 144; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 269, 557; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 220; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 786c für unbillig. Ablehnend Bloy, ZStW 117 (2005), S. 3, 23, der diese Strafbarkeitsbegrenzungen vor dem Hintergrund des von ihm befürworteten personalen Straftatsystems als konsequent empfindet. 1363 Vgl. Kap. 2
G. Ergebnis zur Unterschätzung der eigenen Rolle im Tatgeschehen 363
schaft erzielten Untersuchungsergebnissen ein Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergibt. Im Entwurf des Strafgesetzbuches von 1962 war erwogen worden, genau wegen dieser Strafbarkeitslücken eine spezielle Irrtumsvorschrift in Form des § 32 E-StGB zu schaffen: Hiernach sollte wie ein Anstifter bestraft werden, „wer vorsätzlich einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der irrigen Annahme bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln“.1367 Entsprechendes sollte gem. § 32 II E-StGB auch für die Beihilfe gelten.1368 Der Vorteil einer solchen speziell auf die verkannte Täterschaft zugeschnittenen Irrtumsvorschrift bestünde darin, dem Beteiligten in allen Fällen das zurechnen zu können, was seinem Teilnehmerwillen entspricht.1369 Allerdings wäre eine solche Vorschrift zugleich auch ein Fremdkörper im Regelungsgefüge des Allgemeinen Teils. Nicht nur, weil sie speziell auf eine bestimmte Konstellation zugeschnitten wäre, die noch dazu von eher geringer praktischer Relevanz ist,1370 sondern auch, weil sie sich nicht nahtlos in die Beteiligungsvorschriften einfügen würde. Es ist konsequent, die Teilnahme von einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat abhängig zu machen, weil sich das Unrecht der Teilnahme nicht nur aus dem eigenen Rechtsgutsangriff ergibt, sondern dem Teilnehmer auch das Unrecht der Haupttat zugerechnet wird, wobei nur beide Komponenten zusammen das spezifische Teilnahmeunrecht begründen können.1371 Dann fehlt es aber im Falle der verkannten Täterschaft auch am Teilnahmeunrecht, sodass es nicht unbillig, sondern sogar zwingend ist, die Teilnahmestrafbarkeit zu verneinen. Der verkannte Täter hat eben nur versucht, sich an der freiverantwortlich begangenen Tat eines anderen als Teilnehmer zu beteiligen, dieser Versuch ist jedoch wegen der fehlenden Freiverantwortlichkeit des Vordermannes fehlgegangen. Die versuchte Teilnahme ist allerdings nur in den Fällen des § 30 StGB strafbewehrt, sodass dessen Wertungen mit einer solchen speziellen Irrtumsvorschrift unterlaufen würden. Hinzu kommt, dass die Strafbarkeitslücken wegen der Möglichkeit, den verkannten mittelbaren Täter aus dem Fahrlässigkeitsdelikt, § 323c StGB und § 30 StGB zu bestrafen, keinesfalls so bedenklich sind, dass sie die Schaffung einer speziellen Irrtumsvorschrift erforderlich machen. Vielmehr lässt sich das vom seine eigene Position im deliktischen Geschehen unterschätzenden Beteiligten verwirklichte Unrecht bereits mithilfe der allgemeinen Regeln sachgerecht erfassen. 1367 BT-Drucks.
IV/650, S. 15. IV/650, S. 15. 1369 So auch BT-Drucks. IV/650, S. 151. 1370 BT-Drucks. V/4095, S. 13; Roxin, AT II, § 25 Rn. 160. 1371 Geppert, Jura 1997, S. 299, 300; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Otto, in: FS Lange (1976), S. 197, 208; Roxin, in: FS Stree/Wessels (1993), S. 365 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 11; SK-StGB-Hoyer, Vor § 26 Rn. 21. Ausführlich dazu in Kap. 1 D. 1368 BT-Drucks.
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Sachwortverzeichnis Analogieverbot 130 Anstiftung 144, 283, 293 ff. Bestimmen 293 ff. Brandstifter-Fall 56, 68, 102, 103 Dazwischentreten eines Dritten 315 f. dolus antecedens 77 Drogenpaket-Fall 65, 101 Einzellösung siehe Unmittelbares Ansetzen Erfolgsdelikte –– reine 131 –– tätigkeitsbezogene 132 error in persona vel obiecto 93 Fahrlässigkeit –– objektive Vorhersehbarkeit 309 ff. –– Sorgfaltspflichtverstoß 307 ff. –– Verhältnis zum Vorsatz 302 ff. –– Zurechnungszusammenhang 311 ff. Fortbestand des gemeinsamen Tatplans –– bei innerem Vorbehalt 96 –– bei späterer Lossagung 87 ff. –– zwischen den übrigen Beteiligten 97 ff. Freisetzungstheorie siehe Unmittelbares Ansetzen Gemeinsamer Tatplan 70 ff. –– als rein objektive Verabredung 78 ff. –– bei der vermeintlichen Mittäterschaft 87 ff. –– Funktion 70 –– nachträgliche Modifikation 94 –– Notwendigkeit 71 ff. –– objektives Merkmal 81 f. –– relevanter Zeitpunkt 88
–– subjektives Merkmal 81 f. –– Verhältnis zum Vorsatz 76 ff. Gesamtlösung siehe Unmittelbares Ansetzen Gesamttat 28, 52, 53, 58, 62, 137, 138, 139 Gesinnungsstrafrecht 30, 58, 64 Handlungsbeschreibung 131 Hilfeleistungspflicht –– bei vorsätzlich-rechtswidrigem Vorverhalten 289 ff. –– Erforderlichkeit 288 f. –– Möglichkeit 287 f. Ingerenzgarantenstellung –– bei vorsätzlichem Vorverhalten 276 ff. –– des vermeintlichen Täters 270 ff. –– nahe, adäquate Gefahr 272 ff. –– Pflicht zur Verhinderung von Straf taten 274 ff. –– Sukzession der Verhaltensformen 278 ff. Injektionsspritzen-Fall 112 Klingel-Fall 17, 19, 21, 44, 57, 86, 88, 101, 103 Mittäterschaft –– Abgrenzung zur Beihilfe 38 f. –– additive ~ 34 –– Gemeinsamer Tatplan 70 ff. –– Mittäterschaftlicher Tatbeitrag 82 ff. –– sukzessive ~ 37 –– Tatherrschaft 32 ff. Mittäterschaftlicher Tatbeitrag –– als Element der Zurechnungs grundlage 82 ff.
Sachwortverzeichnis399 –– beim Versuch 83 ff. –– kausaler Tatbeitrag 83 ff. Mittelbare Falschbeurkundung 215 ff. Mittelbare Täterschaft –– Abgrenzung zur unmittelbaren Täterschaft 145 ff. –– Anforderungen an die Instrumen talisierung 161 –– Erscheinungsformen 160 –– Harmonisierung mit der Anstiftung 144 f. –– tatbestandsmäßige Handlung 128 ff. –– Tatherrschaft 158 ff. –– Verantwortungsprinzip 159 Münzhändler-Fall 19, 57, 68, 86, 100, 102 Nebentäterschaft 77 Personale Handlungslehre 189 ff. Psychische Beihilfe 37, 38 Rechtsgutsgefährdungstheorie siehe Unmittelbares Ansetzen Regressverbot 315 Rücktritt 47, 89, 93, 323 Salzsäure-Fall 112 Sich-Bereiterklären 326 f. Sonderdelikte 194 ff. Strafgrund des Versuchs –– bei mittelbarem Täter und Mittäter 224 ff. –– beim Alleintäter 220 ff. Struktur –– der mittelbaren Täterschaft 128 ff. –– der Tatbestandsmerkmale 177 ff. –– der Tätervoraussetzungen 179 ff. –– der Zurechnung 54, 156 Subjektiv beschränkte Gemeindelikte 201 Tatbestandsmerkmale –– Struktur 177 ff.
–– Tätervoraussetzungen als allgemeine Tatbestandsmerkmale 254 Tatentschluss –– der übrigen Mittäter 25 –– des vermeintlichen Mittäters 20 ff. –– des vermeintlichen mittelbaren Täters 116 –– im Vorbereitungsstadium 77 –– Manifestation 220 ff. Tätervorsatz 188 ff. Tatherrschaft –– als besonderes Tätermerkmal 192 ff. –– als offener Begriff 161 –– beim Versuch 230 ff. –– des Mittäters 32 ff. –– des mittelbaren Täters 158 ff. –– negative Hemmungsmacht 33, 73 –– objektiv-subjektive Sinneinheit 187 f. –– psychische Herrschaft 35, 45, 90 –– relevanter Zeitpunkt 88 ff., 165 ff. Tatherrschaft positive Herrschaft 35 Teilnahmeunrecht 300 Teilnehmervorsatz –– Verhältnis zum Tatherrschaftswillen 297 ff. Unglücksfall 284 ff. Unmittelbares Ansetzen –– bei der Anstiftung 144 –– bei der Mittäterschaft 25 ff. –– bei der mittelbaren Täterschaft 117 ff. –– Beurteilungsgrundlage 139 ff. –– Distanzfälle 148 ff. –– Einzellösung 26 ff., 117 ff. –– Freisetzungstheorie 123 f. –– Gesamtlösung 28 f., 120 f. –– modifizierte Einzellösung 26 ff. –– Rechtsgutsgefährdungstheorie 122 f. –– Strafbarkeitslücken 152 ff. –– Wortlaut des § 22 StGB 29 f., 127 f. Untauglicher Versuch 251 ff. –– bei der vermeintlichen Mittäterschaft 102 –– Unterlassen 264 ff.
400 Sachwortverzeichnis –– Unterlassen –– Garantenstellung aus Ingerenz 270 ff. –– untauglicher Versuch 264 ff. –– Verhältnis zum Begehen 262 ff. Verbrechensverabredung –– als Vorstufe der Mittäterschaft 78 –– bei vermeintlicher Mittäterschaft 318 ff. –– Strafgrund 321 ff. verhaltensgebundene Delikte 131 Verhaltensnorm –– bei den Sonderdelikten 199 –– bei den subjektiv-beschränkten Gemeindelikten 201 –– bei der mittelbaren Täterschaft 128 ff. –– Verständnis der personalen Handlungslehre 191 verkannte Täterschaft –– Fahrlässigkeitsstrafbarkeit 354 ff. –– gesetzliche Normierung 363 –– Strafbarkeit als mittelbarer Täter bzw. Mittäter 339 ff. –– Strafbarkeit aus dem unechten Unterlassungsdelikt 343 ff. –– Strafbarkeit gem. § 323c StGB 345 ff. –– Strafbarkeit nach § 30 StGB 357 ff. –– Strafbarkeit wegen vollendeter Teilnahme 348 ff. –– verkannte Mittäterschaft 337 –– verkannte mittelbare Täterschaft 335 ff. –– Verleitung zur Falschaussage 215 ff. Vermeintliche Mittäterschaft 16 ff. –– Anwendbarkeit der Versuchsregeln 23 ff. –– Fahrlässigkeitsstrafbarkeit 301 ff. –– Grundfrage 109 ff. –– Notwendigkeit einer speziellen Irrtumsvorschrift 333 –– Strafbarkeit als Teilnehmer 292 ff. –– Strafbarkeit aus dem Unterlassungs delikt 261 ff. –– Strafbarkeit des vermeintlichen Mittäters 20 ff.
–– Strafbarkeit gem. § 30 StGB 317 ff. –– Strafbarkeit gem. § 323c 284 ff. –– Varianten 19 f., 256 ff. –– Vergleichbarkeit mit der vermeint lichen mittelbaren Täterschaft 172 ff. Vermeintliche mittelbare Täterschaft 111 ff. –– Anwendbarkeit der Versuchsregeln 115 ff. –– Fahrlässigkeitsstrafbarkeit 301 ff. –– Grundfrage 170 f. –– Notwendigkeit einer speziellen Irrtumsvorschrift 333 –– Strafbarkeit als Teilnehmer 292 ff. –– Strafbarkeit aus dem Unterlassungs delikt 261 ff. –– Strafbarkeit gem. § 30 StGB 327 ff. –– Strafbarkeit gem. § 323c 284 ff. –– Vergleichbarkeit mit der vermeint lichen Mittäterschaft 172 ff. Versuch des untauglichen Subjekts 194 ff. Versuchte Anstiftung 327 ff. Versuchte mittelbare Täterschaft –– Strafbarkeit de lege ferenda 334 –– Strafbarkeit de lege lata 327 ff. Vertrauensgrundsatz 315 Viehhändler-Fall 64 Vorstellung von der Tat 208 ff. Zurechnungsgegenstand –– Definition 54 –– Mittäterschaft 55 ff. –– mittelbare Täterschaft 157 ff. Zurechnungsgrundlage –– Definition 54 –– Mittäterschaft 69 ff. –– mittelbare Täterschaft 158 ff. –– Vorstellung als Zurechnungsgrundlage 100 ff., 166 ff., 230 ff. Zurechnungssubjekt 54