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German Pages 270 Year 2011
Christian Pierer Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933
Perspektiven Schriftenreihe der BMW Group – Konzernarchiv
Band 4
Oldenbourg Verlag München 2011
Christian Pierer
Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933 Eine Unternehmensgründung in Krieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise
Oldenbourg Verlag München 2011
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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Inhaltsverzeichnis Vorwort
................................................
VII
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1. Untersuchungsgegenstand und zeitliche Eingrenzung . . . . . . .
1
1.2. Quellenlage und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3. Theoretischer Rahmen und Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.4. Thematischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2. BMW im Ersten Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH. . . . . . .
20
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Belegschaftsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Flugmotorenproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Gründung der BMW AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 44 52
2.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
3.1. Auswirkungen von Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Neuausrichtung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Eine veränderte Machtkonstellation im Betrieb – das neue Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft . . . . . . . .
63 63 75
3.2. Exkurs: Die Bayerischen Flugzeugwerke (1916–1922). . . . . . . .
83
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
3.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933) . . . . . .
103
4.1. Die neue Aktionärsstruktur nach dem Börsengang von 1926 . .
103
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren
108
4.3. Die „Affäre Castiglioni“ und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
VI
Inhaltsverzeichnis
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933) . . .
125
5.1. Flugmotorenbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Rahmenbedingungen für die deutsche Luftfahrtindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Wiedereinstieg in den Flugmotorenbau . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Entwicklung und Technik der BMW-Flugmotoren. . . . . 5.1.4 Produktion und Vertrieb im Spannungsfeld behördlicher Interessenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.5 Auslandsvertrieb und „Russengeschäft“. . . . . . . . . . . . . . 5.1.6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
5.2. Motorradbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
5.3. Automobilbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Der deutsche Automobilmarkt in der Weimarer Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Der Erwerb der Fahrzeugfabrik Eisenach . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Die BMW-Automobilsparte in der Weltwirtschaftskrise 5.3.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 185 191 201
5.4. Heeresgerätebau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933) . . . . .
206
125 130 134 143 154 162
6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933) . . .
206
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
6.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
7. Ausblick: BMW im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227
8. Schluss: Erfolgsfaktoren der BMW-Unternehmensgründung . . . . . .
229
9. Anhang
................................................
235
9.1. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
9.2. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen. . . . . . . . . . . . . . . . .
237
9.3. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239
9.4. Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
9.5. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Philosophischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Die Erstellung einer Dissertation ist ein kraftraubendes und zeitaufwendiges Projekt, das nur mit vielfältiger Unterstützung zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden kann. Daher ist es mir ein Anliegen und eine Freude, an dieser Stelle allen Helfern, Kollegen und Freunden zu danken, die zum erfolgreichen Abschluss dieser Dissertation beigetragen haben. Mein erster Dank gilt Prof. Dr. Winfried Becker, der über den gesamten Entstehungszeitraum hinweg meine Arbeit mit kritischem Rat und hohem Engagement betreute. Prof. Dr. Hans-Christof Kraus möchte ich für die Übernahme des Zweitgutachtens danken, dem ich wertvolle Hinweise entnehmen konnte. Darüber hinaus sei allen Mitarbeitern der zahlreichen Archive und Bibliotheken gedankt, die meine Recherchen unterstützten. Dieser Dank gilt insbesondere dem BMW-Konzernarchiv, in dem ich drei Jahre lang als Doktorand beschäftigt war. Dabei durfte ich mich neben der Dissertation in zahlreiche Projekte einbringen, sodass mich die BMW-Unternehmensgeschichte abseits der wissenschaftlichen Forschung nicht nur beruflich voranbrachte, sondern mir immer große Freude bereitete. Dafür möchte ich stellvertretend für alle ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Dr. Florian Triebel danken, der als Vorgesetzter immer versuchte, ideale Arbeitsbedingungen zu schaffen und als bester Kenner der BMW-Geschichte mit exzellentem Rat zum Gelingen dieser Dissertation entscheidend beitrug. Der letzte und wichtigste Absatz dieser Danksagung gilt meinen Eltern, die mich immer vorbehaltlos unterstützten. Ohne ihr ungebrochenes Vertrauen und ihre beständige Hilfe wären Studium und Dissertationsphase sicherlich weit weniger erfolgreich und glücklich verlaufen. Dafür und für alles andere sei ihnen aufrichtig gedankt. Christian Pierer
1. Einleitung 1.1. Untersuchungsgegenstand und zeitliche Eingrenzung Die Frühgeschichte von BMW ist ein komplexer Untersuchungsgegenstand, dessen zeitliche Eingrenzung bereits Schwierigkeiten bereitet. Umfirmierungen und Neugründungen fanden mehrmals statt, sodass im Zeitraum von 1917 bis 1922 nicht weniger als drei verschiedene Firmen den Namen BMW trugen. Der Ausgangspunkt der Unternehmensgründung lag aber unbestritten im Ersten Weltkrieg. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dauerte es jedoch bis Mitte der 1920er Jahre, ehe sich BMW auf dem Markt etabliert hatte. Als schwere Bewährungsprobe erwies sich die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise, deren krisenhafte Auswirkungen auf das Unternehmen erst durch Rüstungsaufträge des Reichsluftfahrtministeriums gemeistert werden konnten. Das Ende der Absatzkrise im Jahr 1933 bildet den Schlusspunkt der Untersuchung. Bei der Wahl dieser Zäsur spielt die Machtübernahme der Nationalsozialisten nur insoweit eine Rolle, als sie größere Veränderungsprozesse bei BMW initiierte. Vom Produktangebot her betrachtet war BMW ein spezialisierter Betrieb, der seine Fertigung in den 1920er Jahren schrittweise diversifizierte. Die Flugmotorenproduktion war dabei während des Ersten Weltkrieges und in den Jahren der Weimarer Republik das zentrale Betätigungsfeld. Die Entwicklung im Flugmotorensektor prägte BMW entscheidend, da das Unternehmenswachstum überwiegend aus den Gewinnen dieses Geschäftsfeldes finanziert wurde. Die unternehmensinternen Strukturen und Prozesse waren ebenfalls vornehmlich auf die Flugmotorenfertigung ausgerichtet, wodurch sich eine spezifische Unternehmenskultur entwickelte. Die 1923 aufgenommene Motorradproduktion hatte hingegen nur die Funktion eines Nebenbetriebs. Mit der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach im Jahr 1928 erweiterte BMW schließlich die Produktion um Automobile und Heeresgerät. Diese beiden Sparten hatten im Untersuchungszeitraum nicht zuletzt wegen großer Absatzschwierigkeiten während der Weltwirtschaftskrise einen untergeordneten Stellenwert. Organisation und Führungskultur von BMW entsprachen weitgehend einem mittelständischen Unternehmen. Als Besonderheit erscheint hierbei aber der Umstand, dass BMW seit 1918 als Aktiengesellschaft bestand. Wie bei allen Aktiengesellschaften muss daher zwischen angestelltem Management und Anteilseignern unterschieden werden. Die meisten anderen Betriebe der deutschen Luftfahrtindustrie waren hingegen eignergeführte GmbHs. Über viele Jahre verfügte BMW über lediglich ein Werk in München, in dem bei schwankenden Beschäftigungszahlen seit Ende des Ersten Weltkriegs nie mehr als 2000 Mitarbeiter tätig waren. Erst der Erwerb der Fahrzeugfabrik
2
1. Einleitung
Eisenach leitete 1928 einen Wandel ein. So verdoppelte sich nicht nur die Belegschaftsstärke, sondern es mussten erstmals auch standortübergreifende Organisationsstrukturen geschaffen werden. Die Jahre des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik gehören aus der Perspektive des Wirtschaftshistorikers wohl zu den bewegtesten Abschnitten der deutschen Geschichte. Die Entwicklung von BMW ist in diesem Zeitraum aufs Engste mit politischen und wirtschaftlichen Ereignissen verflochten. Kriegswirtschaft, Demobilmachung, Inflation und Weltwirtschaftskrise setzten die Rahmenbedingungen, unter denen BMW agieren musste. Politische Entscheidungen hatten mitunter direkten Einfluss auf die Unternehmensstruktur.
1.2. Quellenlage und Forschungsstand Die Weimarer Republik ist eine der am besten erforschten Epochen der deutschen Geschichte. Diese Feststellung gilt insbesondere für den Bereich der Wirtschaftshistorie. Das große Forschungsinteresse beruht nicht zuletzt auf dem Scheitern der ersten deutschen Demokratie, das in erheblichem Maße auf ökonomische Schwierigkeiten zurückzuführen ist. Stellvertretend für die intensive Forschung zur Wirtschaft der Weimarer Republik sollen hier nur zwei Themengebiete genannt werden. In einem langjährigen Projekt beschäftigte sich eine namhafte Forschergruppe bei der Berliner Historischen Kommission mit der Thematik „Inflation und Wiederaufbau in Deutschland und Europa 1914–1924“. Federführend bei der Forschungsarbeit war der amerikanische Historiker Gerald Feldman.1 Mit dem wirtschaftlichen Scheitern der Republik befassten sich Fachhistoriker intensiv im Rahmen der Diskussion der sogenannten Borchardt-These2. Der Münchner Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt vertrat dabei die Meinung, dass die deutsche Wirtschaft bereits vor 1929 krank gewesen sei. Die Ursache für die wirtschaftliche Schwäche sah Borchardt vor allem darin, dass der Staat über seine Verhältnisse gelebt hätte. Ein wichtiges Indiz sei die Entwicklung der Löhne, die angeblich schneller als die Produktivität stiegen und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft schadeten. Die intensive Auseinandersetzung mit der Borchardt-These brachte schließlich eine Reihe neuer Ergebnisse. Studien zur Geschichte einzelner Unternehmen oder Wirtschaftszweige, die sich mit der Phase des Ersten Weltkriegs bzw. der Weimarer Republik beschäftigen, sind ebenfalls in beachtlicher Zahl erschienen. Allerdings ist nach wie vor die Zeit des Nationalsozialismus Forschungsschwerpunkt von Unternehmenshistorikern, obwohl sich eine zunehmende Aus1
Alle Aspekte der deutschen Inflation deckt ebenfalls eine Publikation von Feldman in umfassender Weise ab, Feldman: Great Disorder. 2 Vgl. Holtfrerich: Zu hohe Löhne sowie Borchardt.
1.2. Quellenlage und Forschungsstand
3
weitung der Untersuchungszeiträume über die Jahre 1933 bis 1945 hinaus beobachten lässt.3 BMW wiederum wurde erst in den letzten Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Initiative hierzu ging vielfach vom BMWKonzernarchiv aus. Zum einen verfassten aktive oder ehemalige Archivmitarbeiter selbst wissenschaftliche Arbeiten, zum anderen wurden mehrere Dissertationsprojekte angestoßen und unterstützt. Die beste Überblicksdarstellung zur gesamten BMW-Geschichte ist dabei die Arbeit von Manfred Grunert und Florian Triebel, die die veraltete und fehlerhafte Darstellung von Horst Mönnich ersetzt.4 Letztlich genügen aber beide Werke keinen wissenschaftlichen Maßstäben. Durch drei Dissertationsprojekte wurde bisher der Zeitraum von 1926 bis 1970 erforscht.5 Die Untersuchungen von Constanze Werner und Jürgen Seidl streifen aber nur die BMW-Geschichte in den Jahren vor 1933. Die Darstellung des Flugmotorenbaus in der Weimarer Republik ist hingegen ein zentraler Baustein der Analysen von Till Lorenzen. Im Gegensatz zum recht umfassend erforschten Flugmotorenbau6 blieben viele andere Themenfelder der BMW-Unternehmensgeschichte im Untersuchungszeitraum unbearbeitet. Kürzere Aufsätze von Florian Triebel und René del Fabbro beschränken sich naturgemäß nur auf Einzelaspekte, die teilweise jedoch von erheblicher Bedeutung sind.7 Bis dato fehlte eine umfassende Analyse der BMW-Geschichte bis 1933 wohl auch wegen der mitunter schwierigen Quellenlage. Das BMW-Archiv besitzt für die Jahre bis 1945 lediglich einige Überlieferungssplitter. Die wissenschaftliche Forschung muss sich daher bei der Betrachtung dieses Zeitraums vornehmlich auf die Gegenüberlieferungen in Verbands-, Unternehmens- und staatlichen Archiven stützen. Diese Akten differieren wiederum in Art und Umfang zum Teil erheblich. So führt das Fehlen eines geschlossenen und umfassenden BMW-Überlieferungsbestands dazu, dass einzelne Zeitabschnitte und Themengebiete höchst unterschiedlich dokumentiert sind. Viele Fragestellungen sind nur für einen begrenzten Zeitraum beantwortbar. Dennoch kann auf Grundlage der heterogenen Quellenlage eine weitgehende Annäherung an das Unternehmen BMW erfolgen. Basis für die Darstellung der Entwicklung während des Ersten Weltkriegs ist das sehr reichhaltige Aktenmaterial im Bayerischen und Österreichischen Kriegsarchiv. Die beiden Kriegsministerien waren nicht nur wichtige Kunden für BMW bis 1918, sondern hatten im Rahmen der staatlich gelenkten Kriegswirtschaft auch umfassende Aufsichtsbefugnisse. Zahlreiche zentrale Schriftstücke sind in diesen Beständen zu finden, deren Überlieferung jedoch mit 3 4 5 6 7
Vgl. Pohl: Weihrauch. Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW sowie Mönnich. Lorenzen, Seidl sowie Werner: Kriegswirtschaft. Neben Lorenzen vgl. Pierer. Del Fabbro, Triebel: Die Entstehung sowie Triebel: Freude am Tragen.
4
1. Einleitung
Kriegsende nahezu vollständig abreißt. Akten von anderen Ministerien, Verbänden und Unternehmen bieten nur eingeschränkten Ersatz, sodass die Darstellung bis Mitte der 1920er Jahre aufgrund der Quellenlage punktuell bleiben muss. Dennoch können alle zentralen Ereignisse und Entwicklungen beleuchtet werden. Die Übernahme des BMW-Aufsichtsratsvorsitzes durch Emil Georg von Stauß, der zu diesem Zeitpunkt Vorstandsmitglied des neuen Großinvestors Deutsche Bank war, markiert einen Wendepunkt in der Überlieferungslage. Ein Großteil der Schriftstücke, die Stauß in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender erhielt, blieben im Bestand Deutsche Bank des Bundesarchivs Berlin erhalten. Damit liegt für den Zeitraum ab 1926 reichhaltiges Material zu fast allen Vorgängen auf der Ebene der Unternehmensführung vor. Diese Quellen werden noch durch Überlieferungen des Münchner und Eisenacher Stadtarchivs sowie durch weitere Akten von Reichs- bzw. Landesministerien ergänzt.
1.3. Theoretischer Rahmen und Fragestellung Ende der 1990er Jahre beteiligten sich eine Reihe von Historikern an einer intensiven Diskussion über die theoretische Ausrichtung der Unternehmensgeschichtsschreibung.8 Die zahlreichen Veröffentlichungen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Faches. Allerdings zeichnet sich die Forschung weiterhin durch eine Theorienvielfalt aus. Werner Plumpe beschreibt dies zusammenfassend: „Einen Königsweg der Unternehmensgeschichtsschreibung im Sinne ihrer Anbindung an ein theoretisches Konzept oder ihrer disziplinären Zuordnung gibt es nicht.“9 Manche Autoren verzichten sogar zur Gänze auf die Verwendung von Theorien. In der Regel wird jedoch in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung und dem individuellen Erkenntnisinteresse auf unterschiedlichste Konzepte10 zurückgegriffen, die aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen stammen. So bildet etwa der den Wirtschaftswissenschaften entlehnte Ansatz der Neuen Institutionenökonomie die Basis vieler Arbeiten. Aus den Sozialwissenschaften stammen hingegen Modelle zur Unternehmenskultur oder zur sozialen Interaktions- und Beziehungsanalyse. Die Organisationstheorie bietet durch die Arbeiten von Alfred D. Chandler ebenfalls oft genutzte theoretische Grundlagen.
8
Nieberding/Wischermann, Pohl: Weihrauch, Pierenkemper: Was kann eine moderne Unternehmensgeschichte, Triebel/Seidl sowie Erker: Aufbruch. 9 Plumpe: Unternehmen, S. 65. 10 Zu den wichtigsten theoretischen Modellen der Unternehmensgeschichtsschreibung im Überblick vgl. Berghoff, S. 63–184 sowie Pierenkemper: Unternehmensgeschichte, S. 64–81.
1.3. Theoretischer Rahmen und Fragestellung
5
Die Betrachtung der BMW-Unternehmensgeschichte geschieht im Folgenden unter multiperspektivischer Herangehensweise. Neben der Darstellung beinhalten die einzelnen Kapitel der Arbeit spezifische Fragen, deren Beantwortung auf einigen der genannten Theorien basiert. Übergeordnet wird jedoch eine andere Fragestellung verfolgt. Es soll geklärt werden, inwieweit BMW eine typische Unternehmensgründung für den Untersuchungszeitraum war. Charakteristische Merkmale werden hierbei herausgearbeitet und analysiert. Aus methodischen Erwägungen und um eine bessere Lesbarkeit gewährleisten zu können, wird diese übergeordnete Fragestellung vor allem in den Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und im Schlussabschnitt aufgegriffen. Grundlage für die Analyse ist ein Modell von Jörg Freiling11, nach dem die verschiedenen Einflussfaktoren bei einer Unternehmensgründung in Context-, Content- und Process-Dimensionen eingeteilt werden. Die ContextDimension lässt sich wiederum in zwei weitere Unterbereiche gliedern. Der innere Kontext bezieht sich in erster Linie auf die Beziehungen der Akteure sowie die Struktur und Kultur innerhalb des Betriebs. Die Gründerpersönlichkeiten mit ihren Motiven und Kompetenzen stehen im Zentrum der Untersuchung. Darüber hinaus wird der Interaktion zwischen einzelnen Gruppen, etwa dem Verhältnis zwischen Vorstand und Belegschaft oder zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, große Aufmerksamkeit gewidmet. Der äußere Kontext beschreibt hingegen vor allem den jeweiligen Markt, in dem ein Unternehmen tätig ist. Außerdem fließen Beobachtungen zum gesellschaftlich-politischen Umfeld und zu den Wettbewerbern in die Analyse ein. Die Content-Dimension fragt nach Systemelementen, durch deren Veränderung Entwicklung und Struktur des Unternehmens beeinflusst werden können. Vier Elemente lassen sich unterscheiden. Zum einen subsumiert man unter dem Begriff der sinnstiftenden Handlungspotenziale alle Werte oder Verhaltensweisen, mit anderen Worten die Organisationskultur, die in einem Unternehmen wirkt. Zum Zweiten betrachtet man unter dem Begriff der wertschöpfenden Handlungspotenziale alle Ressourcen und Kompetenzen, d. h. die Produktionsfaktoren des Betriebes. Die ständige Optimierung der Ressourcen hat besonders große Bedeutung während des Gründungsprozesses. Die steuerungsrelevanten Handlungsmuster, die alle strategischen Maßnahmen des Unternehmens beinhalten, sind als Drittes zu nennen. Die ausführungsrelevanten Handlungsmuster sind das vierte Steuerungselement. Die Organisationsstruktur des Betriebs oder die Handlungsanweisungen für Mitarbeiter werden unter diesen Oberbegriff gefasst. Die Process-Dimension darf bei einer Analyse ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Die Unternehmensgründung wird bei dieser Herangehensweise nicht als bloßer formal-juristischer Akt definiert, der lediglich den Eintrag ins Handelsregister oder die Börseneinführung umfasst. Vielmehr wird die 11
Zum Folgenden vgl. Freiling, S. 125–174.
6
1. Einleitung
Gründung eines Unternehmens als langer Prozess begriffen. Etliche Modelle wurden mittlerweile entworfen, um diesen Gründungsprozess zu beschreiben. Alle Theorien gehen von mehreren Phasen und einer Dauer von drei bis zwölf Jahren aus.12 Wenn man mittels der genannten Dimensionen eine Unternehmensgründung analysiert, erhält man eine strukturierte Darstellung, die eine Vergleichbarkeit mit anderen Firmen zulässt. Allerdings fehlt eine Beurteilung, die über die reine Beschreibung hinausgeht. Zu einem positiven oder negativen Urteil kann man jedoch gelangen, wenn die Analyse des Unternehmenserfolgs13 einbezogen wird. Erfolg ist aber keine direkt messbare Größe, sondern muss operationalisiert werden. Dies kann durch quantitative Methoden, etwa die Bewertung der Unternehmenskennzahlen, oder durch eine qualitative Herangehensweise geschehen. Die Operationalisierung mittels qualitativer Merkmale eignet sich dabei besonders für die Betrachtung eines Gründungsunternehmens, während die Analyse quantitativer Daten vor allem bei bereits etablierten Firmen herangezogen wird. Von großem Erkenntnisinteresse ist zudem die Suche nach den Gründen für Erfolg oder Misserfolg. Die Erfolgsfaktorenforschung14 widmet sich diesem Feld und betrachtet meist die Einflussfaktoren, die bereits bei der Vorstellung von Context-, Content- und Process-Dimension erwähnt wurden. Strategie, Branchenstruktur, Ressourcen oder Gründerpersonen werden im Hinblick auf ihre Wirkung auf den Unternehmenserfolg untersucht.
1.4. Thematischer Aufbau Der BMW-Gründungsprozess wird im Folgenden weitgehend chronologisch beschrieben. Die Darstellung entlang des zeitlichen Verlaufs erscheint zielführend, da auf diese Weise aufeinander aufbauende Entwicklungen in ihrer Abfolge geschildert werden und sich kausale Beziehungen unmittelbar erschließen. Innerhalb der chronologisch angeordneten Kapitel werden thematische Schwerpunkte gesetzt, um eine größere analytische Tiefe bei der Beantwortung spezifischer Fragestellungen zu erreichen. Diese unterschiedliche Schwerpunktsetzung innerhalb der jeweiligen Kapitel ist auch der Quellenlage geschuldet. So wäre es beispielsweise wünschenswert, das Verhältnis der Unternehmensleitung zur Belegschaft über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg zu analysieren. Wegen der lückenhaften Überlieferung kann
12
Herr, S. 27. Zur Definition von Erfolg bei Unternehmensgründungen sowie zur Erfolgsfaktorenforschung vgl. Jacobsen, S. 42 ff., Dowling/Drumm, S. 19 ff., Hering/Vincent, S. 42 ff., Fallgatter, S. 141 ff. sowie Freiling, S. 175 ff. 14 Zur Erfolgsfaktorenforschung vgl. S. 229 ff. 13
1.4. Thematischer Aufbau
7
dies jedoch nur bis zum Ende der Hyperinflation in umfassender Weise geschehen. Der erste Abschnitt der Untersuchung thematisiert die Anfänge von BMW während des Ersten Weltkriegs. Die Unternehmensgeschichte wird dabei in die allgemeine kriegswirtschaftliche Entwicklung eingeordnet. Diese Herangehensweise bietet die beste analytische Perspektive, da BMW als Rüstungsbetrieb gegründet wurde und unter erheblichem Einfluss von staatlichen Behörden stand. Eine wichtige Fragestellung ist daher, inwieweit verschiedene Ministerien, Eigentümer und Manager die erste Phase des Gründungsprozesses beeinflussten. Die Interessendurchsetzung und die wechselseitige Abhängigkeit der Akteure stehen im Zentrum der Betrachtung. Das zweite Kapitel, das den Zeitraum von 1918 bis 1925 behandelt, nimmt wiederum die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Ausgangspunkt. Die Reaktionen von BMW auf Demobilmachung und Inflation sind ohne diesen Kontext nicht nachvollziehbar. Andererseits können durch diese Herangehensweise Thesen der Inflationsforschung am Beispiel des Unternehmens BMW geprüft werden. Zentrale Aspekte sind unter anderem die Auswirkungen des Währungsverfalls auf Investitionen, Absatz oder Produktivität. Ein zeittypisches Phänomen war das Engagement des langjährigen BMW-Alleinaktionärs Camillo Castiglioni, der als sogenannter „Inflationsgewinnler“ zu großem Reichtum kam. Die Geschichte von BMW unter Castiglioni erscheint daher in vielen Punkten prototypisch für ein Unternehmen, das sich im Besitz eines Rendite orientierten Spekulanten befand. Das Verhältnis von Arbeiterschaft und Unternehmensführung wandelte sich nach der Revolution ebenfalls kurzfristig erheblich. Bei BMW hatte dies einen regelrechten Machtkampf zwischen Betriebsrat und Vorstand zur Folge. Der Chronologie folgend werden im dritten Abschnitt die Jahre 1926 bis 1929 untersucht. Erstmals umfasst die Betrachtung nun nicht mehr alle Aspekte der Unternehmensgeschichte. Der Fokus liegt zunächst auf der Unternehmensleitung, auf Vorstand und Aufsichtsrat. Die zwei zentralen Untersuchungsfelder sind die Unternehmenskontrolle und die Führungskultur bei BMW. Die große Bedeutung dieser beiden Fragen beruht auf einem Wechsel der Großaktionäre, im Laufe dessen die Deutsche Bank nach und nach an die Stelle von Castiglioni trat. Das vierte Kapitel befasst sich mit den vier BMW-Produktsparten im Zweitraum von 1923 bis 1933, die ausgehend von der allgemeinen Entwicklung des jeweiligen Wirtschaftszweiges erläutert werden. Auf diese Weise entstehen insbesondere in den Bereichen Flugmotoren, Motorräder und Automobile Branchenstudien, in die die BMW-Produkte eingeordnet werden. Ferner werden die jeweiligen Produktsparten selbst so umfassend wie möglich analysiert, was eine intensive Betrachtung von Entwicklung, Fertigung und Vertrieb beinhaltet. Diese Herangehensweise ermöglicht nicht nur Erkenntnisse zur jeweiligen Produktsparte, sondern auch Rückschlüsse auf zentrale Aspekte der Unternehmensstruktur und -strategie.
8
1. Einleitung
Das letzte Kapitel untersucht die Maßnahmen, die die BMW-Unternehmensführung während der Weltwirtschaftskrise ergriff. Durch eine vorausgehende Kennzahlenanalyse werden zunächst die wichtigsten Veränderungen und Probleme geschildert, die der schwere Konjunktureinbruch BMW seit 1929 brachte. Darauf folgt eine Beschreibung und Bewertung der Strategien, mit denen die Unternehmensleitung die auftretenden Schwierigkeiten lösen wollte. Die Weltwirtschaftskrise erscheint im Rahmen der Gesamtuntersuchung als erste große Herausforderung, der sich BMW nach dem endgültigen Abschluss des Gründungsprozesses stellen musste. Der Schlussabschnitt greift die übergeordnete Fragestellung nach den Charakteristika der BMW-Unternehmensgründung wieder auf. Dabei werden Erkenntnisse, die zuvor bereits in den jeweiligen Kapitelzusammenfassungen erlangt wurden, zu einer Synthese vereinigt. Ein abschließendes Urteil wird unter Einbeziehung von Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktoren gefällt.
2. BMW im Ersten Weltkrieg 2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917) Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden weltweit Unternehmen, die sich dem Flugzeug- und Flugmotorenbau widmeten. Vor allem Einzelpersonen prägten diese Findungsphase der modernen Luftfahrt.1 Die ersten Luftfahrtpioniere erhielten zumeist sehr ambivalente Reaktion von ihren Mitmenschen. Einerseits wurden sie von vielen belächelt oder schlicht als Fantasten bezeichnet. Nur wenige Menschen konnten sich vorstellen, dass die zerbrechlichen Holzflugzeuge jener Jahre, die häufig eine Reichweite von nur wenigen Kilometern besaßen, eine Zukunft haben würden. Andererseits bewunderten aber Tausende von Zuschauer auf unzähligen Flugschauen das Können und den Wagemut der Piloten. Die Luftfahrtindustrie bestand vor dem Ersten Weltkrieg überwiegend aus kleinen Erfinderunternehmen.2 Flugzeug- und Flugmotorenbau waren aber ein äußerst kapitalintensives Geschäft, dessen Erfolgsgrundlagen gut ausgebildete Facharbeiter und hochwertiges Material waren. Nur auf diese Weise konnten Qualität und Zuverlässigkeit gewährleistet werden, die als zentrale Prämissen für den Bau von sicherem Luftfahrtgerät gelten. Der Markt für den Absatz von Flugzeugen war jedoch stark limitiert. Lediglich einige wenige gut betuchte Personen leisteten sich ein Flugzeug, um Sportfliegerei zu betreiben. Ein ziviler Flugverkehr für den Transport von Fracht und Personen entwickelte sich erst in den 1920er Jahren. Nicht zuletzt wegen der unsicheren Marktverhältnisse waren die meisten Banken skeptisch, wenn sie sich mit Krediten in der Flugzeug- oder Flugmotorenindustrie engagieren sollten. Meist mussten die Unternehmer ihre Fabriken mit eigenem Kapital finanzieren oder sich um vermögende Privatinvestoren bemühen.3 Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen wurde die Leistung der Flugzeuge durch neue Konstruktionsweisen kontinuierlich verbessert und medienwirksam bei großen Flugschauen vorgeführt. In der Folge interessierte sich zunehmend das Militär für den Einsatz von Flugzeugen. Insbesondere für die Aufklärung von Truppenbewegungen, für die bis dato noch immer Kavallerieverbände, Ballone oder Luftschiffe eingesetzt wurden, versprach das Flugzeug eine erhebliche Verbesserung. Die Militärbudgets der europäischen Staaten enthielten daher in steigendem Maße Beträge für die Entwick1
Zur Entwicklung der Luftfahrt in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg vgl. Supf sowie Morrow: Building. 2 Morrow: Building, S. 4 ff. und S. 25 ff. 3 Zu Biografien einiger deutscher Luftfahrtpioniere vgl. Supf S. 232 ff. sowie Lange: Luftfahrttechnik, S. 9–50.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
lung und Anschaffung von Flugzeugen.4 Das militärische Interesse und die Aussicht auf staatliche Rüstungsaufträge blieben nicht ohne Rückwirkung auf die Branchenstruktur der Luftfahrtindustrie. Einige Großkonzerne engagierten sich nun verstärkt im Flugzeug- und Flugmotorenbau.5 Die Gewinnaussichten, die die militärische Luftfahrt bot, lockten nicht nur Großunternehmen an. Neugründungen von kleinen Firmen waren keine Seltenheit. So entstand im Jahr 1912 die Flugwerk Deutschland GmbH, bei der sich mehrere private Investoren engagierten.6 Das in Aachen ansässige Unternehmen widmete sich sowohl dem Flugzeug- als auch dem Flugmotorenbau und unterhielt schon sehr bald eine Dependance in München. In dieser Münchner Niederlassung war Karl Rapp7 verantwortlich für die Konstruktion von Flugmotoren. Gerade in diesem Bereich war Deutschland gegenüber Frankreich technologisch im Rückstand, da die französischen Streitkräfte früher mit der gezielten Förderung der Motorenindustrie begonnen hatten. Durch die Initiierung von Wettbewerben hofften die militärischen Stellen in Deutschland auf einen Entwicklungsschub, um mit Frankreich technologisch gleichzuziehen. Im April 1912 wurde zu diesem Zweck unter maßgeblicher Anteilnahme von Prinz Heinrich von Preußen die Ausschreibung für den „Wettbewerb um den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor“ veröffentlicht.8 Die Resonanz war sehr groß, sodass bis Meldeschluss 26 Bewerber insgesamt 43 Motoren einreichten. Die Prüfung dieser Motoren erfolgte durch eine unabhängige Institution, die eigens für diesen Zweck geschaffen wurde, die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL). Das große Interesse der Industrie am Kaiserpreis ist nicht nur auf die Aussicht auf staatliche Aufträge zurückzuführen. Die fünf Preisgelder, die sich zwischen 10 000 und 50 000 Mark bewegten, waren ebenfalls sehr reizvoll. Unter den seit Oktober 1912 getesteten Motoren befand sich auch ein von Karl Rapp für das Flug4
Zu den Anfängen der militärischen Luftfahrt in Deutschland vgl. Militärgeschichtliches Forschungsamt: Militärluftfahrt, S. 111–272. Zum Verhältnis von Militär und Luftfahrtindustrie vor 1914 in Deutschland vgl. Morrow: Building. 5 Bereits im Jahr 1909 wurde die Luftfahrzeug-Gesellschaft mbH gegründet, die die Patente der Gebrüder Wright verwerten sollte. Zu den Teilhabern gehörten u. a. AEG, Hugo Stinnes, Borsig, Loewe und Krupp. 1912 nahm Siemens & Halske die Produktion von luftgekühlten Flugmotoren auf, vgl. Morrow: Building, S. 26 sowie Gersdorff/u. a., S. 9–20 und S. 42. 6 Schubert S. 99–101 sowie Lange: Luftfahrttechnik, S. 20. 7 Karl Rapp wurde am 24. 9. 1882 im württembergischen Ehingen geboren. Nach seiner Ausbildung zum Ingenieur war er zunächst bei der Württembergischen Eisenbahnwerkstätteninspektion in Cannstatt tätig, ehe er 1904 zur Daimler-Motoren-Gesellschaft wechselte. Dort war er im technischen Büro angestellt. 1907 verließ Rapp die Daimler-Motoren-Gesellschaft. Gesicherte Hinweise, welche Tätigkeit er bis zu seiner Anstellung beim Flugwerk Deutschland im Jahr 1912 ausübte, sind nicht überliefert, vgl. BMW UA 768. 8 Ausschreibungstext des Wettbewerbs um den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor, BArchB R 5 / 3856. Zum Ablauf des Wettbewerbs vgl. Gersdorff/u. a., S. 17–21 und Gilles, S. 26 ff.
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917)
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werk Deutschland konstruierter Vierzylinder-Motor mit 90 PS.9 Der Motor bewährte sich bei den bis Januar 1913 dauernden Prüfungen aber nicht und wurde bei der Preisvergabe nicht berücksichtigt.10 Die Lage des Flugwerks Deutschland, die wegen ausbleibender Aufträge ohnehin schon prekär war, verschlechterte sich durch das Abschneiden beim Kaiserpreis weiter.11 In der Folge vergrößerten sich die finanziellen Probleme, die schließlich zur Liquidation des Unternehmens im Sommer 1913 führten. Durch die Gründung einer neuen Gesellschaft wollte Rapp seine Arbeit fortführen. Da er selbst offenbar über kein größeres Vermögen verfügte, musste er sich auf die Suche nach Investoren begeben. Zunächst kooperierte er mit dem Berliner Unternehmen Ploetz & Co. Diese Firma stellte im September 1913 mit einem Schreiben an den Bayerischen Gesandten in Berlin Hugo Max Graf von Lerchenfeld-Köfering ihre Pläne vor.12 Unter dem Namen „Motoren- und Flugzeug-Gesellschaft mbH München“ sollte auf dem Gelände des Flugwerks Deutschland ein neues Unternehmen entstehen. Den Erwerb des Geländes einschließlich aller fertigen und halb fertigen Motoren hatte man sich bereits zu einem Preis von 125 000 Mark zusichern lassen. Die Finanzierung der neuen Gesellschaft wies jedoch erhebliche Lücken auf. Daher erhoffte sich Ploetz & Co. bei der Suche nach weiteren Investoren Unterstützung durch den Bayerischen Gesandten, der „gegebenenfalls gütigst diese oder jene Adresse von Persönlichkeiten, die eventuell geeignetes Interesse an dieser bayerischen Gründung haben könnten“13, zur Verfügung stellen sollte. Rapp selbst spielte bei der Finanzierung des Unternehmens eine untergeordnete Rolle. Für ihn war der Posten des Chefkonstrukteurs für Flugmotoren vorgesehen. Die Entwicklung von Flugzeugen sollte hingegen in den Händen des Technikers Bomhard liegen. Vom Bayerischen Kriegsministerium erwartete Ploetz & Co. die Zusicherung von Aufträgen, da man sich nur in diesem Fall in München engagieren könnte. Weitgehende Zusagen von Bestellungen widersprachen aber der Beschaffungspolitik des Bayerischen Kriegsministeriums.14
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Liste der zum Kaiserpreis zugelassenen Flugzeugmotoren, BArchB R 5 / 3856. Zur Technik des 90 PS Vierzylinder-Motors vgl. Bendemann/Seppler: Die Durchführung und das Ergebnis des Wettbewerbs um den Kaiserpreis für den besten Flugmotor. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1913, S. 18–19, BArchB R 5 / 3856. 11 Das Arbeitszeugnis, welches Karl Rapp vom Aufsichtsrat des Flugwerk Deutschlands ausgestellt wurde, datiert auf den 7. 6. 1913. Als Grund für das Ende der Zusammenarbeit wird ausschließlich auf die Liquidation der Gesellschaft verwiesen, Arbeitszeugnis für Karl Rapp ausgestellt von Alfred Haniel am 7. 6. 1913, BMW UA 768. 12 Ploetz & Co. an den Köngl.-Bayer. Gesandten Hugo Max Graf von LerchenfeldKötering vom 22. 9. 1913, BHStA Bayerische Gesandtschaft in Berlin 1216. 13 Ebenda. 14 Bayer. Inspektion des Ingenieur-Korps an Motorenfabrik Deutschland vom 29. 9. 1913, BHStA MKr 1383. 10
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Die Pläne von Ploetz & Co, die auf Basis einer breiten Finanzierung und zugesicherter Aufträge beruhten, scheiterten, als Karl Rapp den risikofreudigeren Julius Auspitzer15 als Partner gewinnen konnte. Auspitzer und Rapp bemühten sich nicht um staatliche Auftragsgarantien oder weitere Investoren, um das finanzielle Risiko zu minimieren, und konnten daher schon am 27. 10. 1913 durch einen Eintrag in das Handelsregister beim Amtsgericht München die Rapp Motorenwerke GmbH gründen. Das Gesellschaftskapital betrug 200 000 Mark, wovon vermutlich Auspitzer den größten Teil einbrachte.16 Gegenstand des neuen Unternehmens war „der Bau und Vertrieb von Motoren aller Art, insbesondere von Explosionsmotoren für Flugzeuge und Kraftfahrzeuge“17. Außerdem übernahm die neue Gesellschaft das Münchner Werksgelände des Flugwerks Deutschland mit allen Produktionshallen sowie sämtlichen Flugmotorenkonstruktionen. Dies ermöglichte den Rapp Motorenwerken bereits am 1. 11. 1913, den preußischen Beschaffungsstellen Vierzylinder-Flugmotoren mit 100 PS zur sofortigen Lieferung anzubieten.18 Aber bereits bei diesem ersten Produkt der Rapp Motorenwerke zeigte sich ein Grundproblem, das die Gesellschaft in den kommenden Jahren verfolgen sollte. Die Motoren waren meist technisch nicht ausgereift und den Konkurrenzprodukten unterlegen. So lehnte die Bayerische Armee 1913 einen Einsatz von Rapp-Motoren ab, solange diese nicht „den besten deutschen Flugmotoren gleichwertig“19 wären. Nur wenige Monate nach der Gründung vollzogen sich Veränderungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter. Vermutlich noch im Jahr 1914 gab
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Julius Auspitzer wurde am 20. 11. 1853 in Wien geboren. Seit dem 1. 7. 1898 war er in München gemeldet, wo er als Direktor der Bayerischen Bank arbeitete. Im Jahr 1900 wurde er nach einer Intrige gegen seinen Kontrahenten Hermann Aust zum serbischen Generalkonsul in München ernannt. Diese Funktion übte er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus. 1903 schied Auspitzer als Direktor der Bayerischen Bank aus, nachdem die Gesellschaft durch gewagte Geschäfte in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Auspitzer selbst wurde an dieser Entwicklung zwar keine persönliche Schuld gegeben, dennoch musste er das Unternehmen verlassen. Weil man ihm vorwarf, als Aufsichtsrat zwischen 1899 und 1905 Bilanzfälschungen der Firma Buxmann gedeckt zu haben, wurde seit 1911 gegen Auspitzer ermittelt und 1914 schließlich sogar Anklage erhoben, vgl. StadtAM PMB A 63 und BHStA MA 92154. 16 Der spätere BMW Generaldirektor Franz Josef Popp schrieb 1929, dass Karl Rapp 70 000 Mark und Julius Auspitzer 130 000 Mark einbrachten, Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119F / P3080, Bl. 51 ff. Karl Rapp war außerdem mit einem Vertrag bei den Rapp Motorenwerken angestellt, was ebenfalls daraufhin deutet, dass er wohl nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügte, vgl. Vertrag zwischen Herrn Generalconsul Julius Auspitzer und Herrn Ing. Karl Rapp vom 28. 10. 1913, BMW UA 768. 17 Handelsregisterauszug der Rapp Motorenwerke GmbH vom 21. 7. 1917, KnorrBremse AH 1899. 18 Schreiben der Rapp Motorenwerke vom 1. 11. 1913, BArch-MA PH 24 / 90. 19 Bayer. Inspektion für das Militär. Luft- und Kraftfahrwesen an Bayer. Inspektion des Ingenieur-Korps vom 2. 12. 1913, BHStA MKr 1383.
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917)
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Julius Auspitzer20 seine Geschäftsanteile an seine Schwiegersöhne Erich Laeisz und Max Wiedmann ab. Während sich Laeisz auf die Rolle eines Investors beschränkte, führte Wiedmann als Generaldirektor zusammen mit dem technischen Leiter Karl Rapp und dem Kaufmann Otto Dümler das Unternehmen.21 Nachdem das Kapital der Rapp Motorenwerke am 31. 3. 1915 erstmals auf nunmehr 275 000 Mark erhöht worden war, verteilten sich die Anteile auf drei Personen. Erich Laeisz hielt 220 000 Mark, Max Wiedmann 43 000 Mark und Sigmund Bernstein22 12 000 Mark.23 Damit gehörte Karl Rapp nicht mehr zum Kreis der Eigentümer. Ende 1916 zog sich Erich Laeisz aus dem Unternehmen zurück.24 Nach einer weiteren Kapitalerhöhung am 14. 11. 1916 auf 1 200 000 Mark wurden nur noch Max Wiedmann (959 000 Mark) und Sigmund Bernstein (241 000 Mark) als Gesellschafter geführt. In seiner Doppelfunktion als Anteilseigner und Generaldirektor war Wiedmann neben dem Chefkonstrukteur Karl Rapp die dominierende Persönlichkeit bei den Rapp Motorenwerken. Als bedeutender Einschnitt für die Entwicklung der internationalen Luftfahrt erwies sich der Erste Weltkrieg, in dem erstmalig in großer Zahl Flugzeuge in Kampfhandlungen eingesetzt wurden.25 Seit Sommer 1914 expandierte die Luftfahrtindustrie. Aus kleinen Handwerksbetrieben entwickelte sich eine Industrie, die bis zum Kriegsende in Deutschland ca. 44 000 Flugzeuge und 48 000 Flugmotoren produzierte.26 Charakteristisch für die Luftfahrtindustrie im Ersten Weltkrieg ist aber nicht nur der Übergang zur Serienproduktion, sondern auch die rasche technische Weiterentwicklung des Luftfahrtgeräts.27 Die meisten Unternehmen der Luftfahrtindustrie profitierten somit in doppelter Hinsicht vom Krieg. Zum einen boten sich ihnen die finanziellen Möglichkeiten zu einer raschen Verbesserung der eigenen Pro20
Die Gründe, die Auspitzer zur Aufgabe seiner Geschäftsanteile bewogen, müssen mangels Quellen im Dunkeln bleiben. Vielleicht stand Auspitzers Rückzug in Zusammenhang mit dem seit April 1914 gegen ihn geführten Prozess wegen Beteiligung an einer Bilanzfälschung beim Unternehmen Buxmann, Polizeidirektion München an Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren BHStA MA 92154. 21 Während Dümler seit Gründung der Gesellschaft im Handelsregister als Vorstandsmitglied geführt wurde, erfolgte der Eintrag von Wiedmann erst am 17. 1. 1916. Wiedmann agierte aber schon Monate vorher wie ein Geschäftsführer der Rapp Motorenwerke, Handelsregisterauszug der Rapp Motorenwerke GmbH, Knorr-Bremse AH 1902 sowie Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. 22 Zur Person Sigmund Bernstein sind wegen der schwierigen Quellenlage keine weiteren Informationen überliefert. 23 Die gesellschaftsrechtliche Entwicklung der Bayerischen Motorenwerke, BMW UA 15 sowie Meldung zu den Rapp Motorenwerken, in: Der Motorwagen Jg. 19 (1916) Heft 5. 24 Auskunft von R.G. Dun & Co, Berlin zu BMW vom 27. 2. 1918, DMM/ASD JA 0021. 25 Vgl. Morrow: The Great War in the Air. 26 Appel, S. 14. 27 Wagner, S. 129.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
dukte, zum anderen schuf der Krieg erstmals eine wirkliche Nachfrage nach Flugzeugen und Flugmotoren. Die Rapp Motorenwerke nahmen wegen der Konstruktionsschwächen der eigenen Produkte kaum am Boom der deutschen Luftfahrtindustrie teil. So entwarf Karl Rapp zwar viele verschiedene Motoren, ohne allerdings ein einziges Baumuster gründlich durchzuarbeiten, bis dieses fehlerfrei funktionierte.28 Die militärischen Beschaffungsstellen waren über die Mängel der RappMotoren durch ausgiebige Testreihen, denen jedes militärische Gerät unterzogen wurde, genauestens unterrichtet. Die Urteile der zuständigen Offiziere fielen zumeist vernichtend aus. So erklärte beispielsweise die Inspektion des Bayerischen Ingenieur-Korps im Juni 1916, dass Bayern über gar keine Flugmotorenfabrik verfüge. Man müsse Flugmotoren über die preußische Inspektion der Fliegertruppen beziehen, weil „sich die Rapp-Motoren trotz aller Versuche nicht bewährt hätten“29. Aufgrund der zu Recht bestehenden großen Skepsis wurde nur eine sehr geringe Zahl von Rapp-Motoren in Deutschland abgesetzt. Selbst das Bayerische Kriegsministerium, das sich nach Kräften bemühte, bayerische Lieferanten zu bevorzugen, übernahm im ersten Halbjahr 1915 nur drei Rapp-Motoren. Im gleichen Zeitraum wurden aber insgesamt rund 163 Motoren für die bayerischen Fliegertruppen angeschafft, wobei die württembergische Daimler-Motoren-Gesellschaft allein 84 Motoren lieferte.30 Während das Deutsche Reich über eine größere Anzahl von Betrieben verfügte, die Flugmotoren herstellten, und damit leicht auf die Produkte der Rapp Motorenwerke verzichten konnte, befand sich das verbündete Österreich-Ungarn in einer wesentlich schwierigeren Lage. Mit den AustroDaimler-Werken in Wiener Neustadt gab es nur einen großen Anbieter von Flugmotoren, dessen Produktion aber kaum die Nachfrage der Heeresflieger decken konnte. Andere Abteilung wie die k.u.k. Luftschiffer oder die k.u.k. Marineflieger mussten vielfach auf deutsche Motoren zurückgreifen.31 Diesem Umstand verdankten die Rapp Motorenwerke ihren ersten Großauftrag, der vermutlich zum Jahreswechsel 1914/15 in München einging.32 Die Motor-Luftfahrzeuggesellschaft mbH33 (MLG) orderte 40 Einheiten eines 28
Gilles, S. 68. Inspektion des Bayer. Ingenieur-Korps an Bayer. Kriegsministerium vom 23. 6. 1916, BHStA MKr 1386. 30 Bayer. Flieger-Ersatz-Abteilung an Bayer. Immobile Inspektion des Militärischen Luft- und Kraftfahrwesens vom 1. 7. 1915, BHStA ILuft 64. 31 Schupita, S. 117 ff. 32 Aktennotiz der k.u.k. Luftschifferabteilung vom 23. 9. 1915 sowie MLG an das k.u.k. Seeflugstations-Kommando Pola vom 7. 1. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 33 Die MLG wurde als eine der ersten österreichischen Flugzeugfirmen am 23. 4. 1909 gegründet. Unter den Anteilseignern befanden sich namhafte österreichische Unternehmen wie die Austro-Daimler-Motoren AG, Semperit oder die Lohnerwerke GmbH. Aufgabe der MLG war nicht die Produktion, sondern in erster Linie der Ver29
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917)
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125-PS-Achtzylinder-Motors.34 Bestimmt waren die Motoren für den österreichischen Luftfahrzeugfabrikanten Lohnerwerke GmbH, für den die MLG die Auslandskontakte führte.35 Die Lohnerwerke wiederum benötigten die Motoren, um mit ihnen von den k.u.k. Luftschiffertruppen bestellte Luftfahrzeuge auszurüsten. Bei der Erfüllung ihres ersten Großauftrags hatten die Rapp Motorenwerke erhebliche Schwierigkeiten. Die k.u.k. Luftschiffertruppen bezahlten für die abgenommenen Luftfahrzeuge einschließlich Motoren die Lohnerwerke, die gemäß den Abmachungen die Rechnungen der Rapp Motorenwerke begleichen sollten. Nicht zuletzt wegen der schlechten Qualität36 der 125-PSRapp-Motoren ergaben sich erhebliche Lieferschwierigkeiten für die Lohnerwerke bzw. die MLG. Die beiden Unternehmen wollten daher die Rapp Motorenwerke nicht bezahlen und auch die k.u.k. Luftschiffertruppen fühlten sich nicht zur Zahlung verpflichtet. Jetzt rächte es sich, dass für den Auftrag keine schriftlichen Verträge bestanden. Die finanzielle Situation der Rapp Motorenwerke verschlechterte sich durch die ausbleibenden Zahlungen und nahm schließlich existenzbedrohende Züge an.37 Letztlich wurde der Konflikt 1916 zugunsten der Rapp Motorenwerke gelöst, woran die Marinesektion im k.u.k. Kriegsministerium als neuer Hauptkunde großen Anteil hatte.38 Die MLG und ihr Geschäftsführer Camillo Castiglioni39 hatten bereits 1914 die Generalvertretung für Rapp-Motoren in Österreich-Ungarn übernommen und Lieferverträge mit der k.u.k. Marine ausgehandelt. Diese nahm
trieb von Luftfahrtgerät. Erster Geschäftsführer der MLG wurde Camillo Castiglioni, Steinböck, S. 33 ff. sowie Morrow, Building, S. 104–105. 34 K.u.k. Luftschifferabteilung an Kommando der k.u.k. Luftfahrttruppen vom 17. 11. 1915, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 35 Aktennotiz der k.u.k. Luftschifferabteilung vom 23. 9. 1915, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 36 Bayer. Flieger-Ersatz-Abteilung an Bayer. Immobile Inspektion des Militärischen Luft- und Kraftfahrwesens vom 13. 7. 1915, BHStA ILuft 118 sowie Schreiben an das k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion vom 26. 1. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 37 Abschrift eines Schreibens der Rapp Motorenwerke an das k.u.k. Kriegsministerium, 5. M. Abteilung vom 16. 1. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 38 Schreiben der Marinesektion vom 22. 1. 1916, ebenda. 39 Castiglioni engagierte sich als einer der ersten Unternehmer in der österreichischen Luftfahrt. Bereits 1909 machte er selbst die Prüfung zum Ballonführer und beteiligte sich an Luftfahrtunternehmen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs baute er ein eigenes Industrieimperium auf, das aus einer Vielzahl von Flugzeug- und Flugmotorenherstellern bestand. Darunter befanden sich auch die Hansa-Brandenburgischen Flugzeugwerke in Deutschland, die u. a. mit Rapp-Motoren ausgerüstete Flugzeuge nach Österreich exportierten, vgl. Keimel, S. 18, 28 ff. und 246 ff. Zur Person Castiglioni, vgl. S. 69–70 sowie S. 114 ff.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
in der Folge eine Reihe von Motoren ab und entwickelte sich zum einzigen Großkunden der Rapp Motorenwerke. Bevor die Lieferungen nach Österreich aufgenommen werden konnten, musste zunächst eine formelle Freigabe für die Ausfuhr durch die deutschen Behörden erfolgen. Für den Export der Rapp-Motoren stellte das Bayerische Kriegsministerium erste Freigaben im Zeitraum von Mai bis Juni 1915 aus.40 1916 wurde der österreichischen Marine schließlich sogar die Ausfuhr der Gesamtproduktion der Rapp Motorenwerke gestattet.41 Ausschlaggebend für die Motorbestellungen der k.u.k. Marine war vor allem die prekäre Beschaffungslage. So hätte ein Ausfall der Lieferungen „für die Schlagfertigkeit der Marineluftfahrt geradezu eine Katastrophe“42 bedeutet, obwohl wegen der unzuverlässigen Rapp-Motoren etliche Flugzeugverluste zu beklagen waren.43 Hauptnutznießer des Geschäfts waren die MLG und Camillo Castiglioni, die hohe Provisionen für die Auftragsvermittlung erhielten.44 Um überhaupt als Vermittler für Rapp tätig werden zu können, musste die MLG zunächst den Kaufmann Ernst Grill ausbooten. Dieser hatte bereits am 18. 3. 1914 einen Bezirksagenturvertrag abgeschlossen, der ihm die alleinige Vertretung für Rapp-Motoren in Österreich-Ungarn zusicherte, wobei er für jeden direkt oder indirekt verkauften Motor eine Provision von zehn Prozent des Verkaufspreises erhalten sollte.45 In den folgenden Monaten weigerten sich die Rapp Motorenwerke jedoch, Grill das notwenige Material, wie Prospekte oder Preislisten, zur Verfügung zu stellen. Der Grund war, dass „die Rapp Motorenwerke in Österreich einen Agenten [Castiglioni bzw. MLG] haben und lediglich Herrn Grill loswerden wollen“46. Grill führ40
Telegramm des Preuß. Kriegsministeriums an das Bayer. Kriegsministerium vom 26. 5. 1915 und Abschrift des Antworttelegramms des Bayer. Kriegsministeriums vom 10. 6. 1915, BHStA MKr 1386. 41 K.u.k. Marine Attaché in Berlin an Bayer. Kriegsministerium vom 24. 2. 1916 und Abschrift des Antwortschreibens des Bayer. Kriegsministeriums vom 21. 3. 1916, BHStA MKr 1387. 42 Schreiben der Marinesektion vom 22. 1. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 43 Schupita, S. 118. 44 So erhielt die MLG beispielsweise 1,5 Mio. Kronen an Vorschüssen, die für die Rapp Motorenwerke bestimmt waren. Ob das Geld dort ankam, war der k.u.k. Marinesektion nicht bekannt, ist aber bei Castiglionis üblichen Geschäftsgebaren bei Provisionsgeschäften sehr unwahrscheinlich, vgl. Schreiben der Marinesektion vom 22. 1. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. Zur Thematik Castiglioni und Provisionen vgl. S. 95 und S. 116 ff. sowie Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 P3080, Bl. 51 ff. 45 Rechtsanwalt D.M. Schlesinger an Bayer. Kriegsministerium vom 1. 5. 1916, BHStA MKr 1387. Zur Vermittlungstätigkeit der MLG, k.u.k. Kriegsministerium an Rapp Motorenwerke vom 6. 6. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / IV-1-1. 46 Rechtsanwalt D.M. Schlesinger an Bayer. Kriegsministerium vom 1. 5. 1916, BHStA MKr 1387.
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917)
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te in den Jahren 1915 und 1916 mehrere Prozesse gegen die Rapp Motorenwerke, die er auch gewann, und so mussten für einen Teil der nach Österreich-Ungarn gelieferten Rapp-Motoren doppelte Provisionen gezahlt werden, an Castiglioni und an Grill. Die Lieferungen an die österreichische Marine stellten die Rapp Motorenwerke vor allem bei der Produktion vor große Herausforderungen. Bei Kriegsausbruch verfügte das Unternehmen nur über wenige Maschinen und eine Handvoll Mitarbeiter.47 Um überhaupt in großer Zahl Flugmotoren produzieren zu können, mussten zunächst umfangreiche Investitionen vorgenommen werden. Die notwendigen Finanzmittel hierzu stammten vornehmlich aus drei Quellen: Erhöhungen des Gesellschaftskapitals, Kreditaufnahmen und Vorschüsse des Österreichischen Kriegsministeriums. Auf diese Weise gelang zwar der Aufbau großzügiger Werksanlagen, allerdings befand sich das Unternehmen wegen der hohen Kosten in einer ständigen Liquiditätskrise. Den Zustand der Anlagen beschrieben Vertreter des k.u.k. Kriegsministeriums als modern und zweckdienlich, sodass eine genaue Ausführung der Aufträge gewährleistet erschien.48 Diese Berichte bestätigen ebenfalls, dass das häufige technische Versagen der Rapp-Motoren in erster Linie auf Konstruktions- und nicht auf Produktionsfehler zurückzuführen war. Schon kurz nach Kriegsbeginn wurden Rohstoffe im Deutschen Reich ebenso wie in Österreich-Ungarn einer zentralen Verwaltung unterstellt.49 Rohstoffe konnten nur noch nach vorheriger Genehmigung durch staatliche Stellen bezogen werden. Da die Rapp Motorenwerke weder für die preußischen noch für die bayerischen Fliegertruppen produzierten, wurden von diesen Stellen keine Freigabescheine ausgegeben. Die k.u.k. Marineverwaltung musste vielmehr dafür Sorge tragen, dass die Rapp Motorenwerke und ihre Zulieferer die notwendigen Materialien erhielten. Bei der Einbindung von deutschen Zulieferern bestand immer die große Gefahr, dass diese ihre Produktion nur den deutschen Streitkräften zur Verfügung stellen durften.50 Daher bezogen die Rapp Motorenwerke mit Fortdauer des Krieges zunehmend direkt aus Österreich-Ungarn Rohstoffe und Zulieferteile. Die erste Ressource, mit der so verfahren wurde, war Benzin. Die Abhängigkeit von 47
Die Quellen sprechen von 24 bzw. 60 Mitarbeitern, Auskunft von R.G. Dun & Co, Berlin zu BMW vom 27. 2. 1918, DMM/ASD JA 0021 sowie Sitzungsprotokoll betr. BMW vom 20. 1. 1919, BArchB R2 / 290, Bl. 53. 48 Bericht des k.u.k. Konsuls in München Ramberg über einen Besuch der Rapp Motorenwerke vom 17. 2. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1 sowie Bericht über Besuch bei den Rapp Motorenwerken durch k.u.k. Maschinenbauingenieur Alois Lacina vom 10. 11. 1915, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1915 / IV-2-4. 49 Wegs, S. 45–46. 50 Zur Ausstellung von Freigabescheinen für diverse Zulieferer gibt es umfangreiche Korrespondenz zwischen den Rapp Motorenwerken und dem k.u.k. Kriegsministerium, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / V-1-2.
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österreichischen Benzinlieferungen war so groß, dass die Rapp Motorenwerke schon 1915 eindringlich um wöchentliche Lieferungen baten.51 Qualifizierte Arbeitskräfte erhielten deutsche Betriebe spätestens seit 1916 fast nur noch nach behördlicher Genehmigung. Die k.u.k. Marineverwaltung unterstützte die Rapp Motorenwerke und schickte österreichische Facharbeiter nach München.52 Der Aufbau der Rapp Motorenwerke erfolgte somit bis zur Jahresmitte 1917 fast ausschließlich mit der Unterstützung österreichischer Militärstellen. Bezeichnenderweise gab es zwar seit Herbst 1915 eine Bauaufsicht seitens der österreichischen Marine, aber kein entsprechendes deutsches Überwachungsorgan bei den Rapp Motorenwerken.53 Für die österreichische Marine wie für die Rapp Motorenwerke brachte die fortlaufende Lieferung mangelhafter Motoren viele Probleme. Daher machte Generaldirektor Wiedmann im November 1916 den Vorschlag, zukünftig Zwölfzylinder-Flugmotoren des Unternehmens Austro-Daimler in Lizenz zu bauen.54 Da die Flugmotoren von Austro-Daimler einen sehr guten Ruf hatten, willigte die k.u.k. Marine ein und vergab einen Auftrag über 224 Stück an die Rapp Motorenwerke. Pro Motor wurde ein Preis von 44 797,50 Mark vereinbart, wobei bis Januar 1917 ein Vorschuss in Höhe von 6 720 000 Mark bezahlt wurde. Um den Lizenzbau von Austro-Daimler-Motoren besser überwachen zu können, wechselte die k.u.k. Marine den verantwortlichen Offizier der Bauaufsicht bei den Rapp Motorenwerke aus. An die Stelle des Ingenieurs Adametz trat Franz Josef Popp, der zuvor für die k.u.k. Marine bereits den Flugmotorenbau bei den Austro-Daimler-Werken überwacht hatte.55 Popps Funktion bei den Rapp Motorenwerken ging aber weit über die eines bloßen Aufsichtsbeamten hinaus. Er wurde von Max Wiedmann an die Spitze der Werkstattdirektion gesetzt und war damit hauptverantwortlich für die Produktion der Austro-Daimler-Motoren.56 Letztlich trat so mit Billigung des 51
Rapp Motorenwerke an Motor-Luftfahrzeug-Gesellschaft mbH vom 28. 10. 1915, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1915 / V-1-1. 52 Rapp Motorenwerke an k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion vom 24. 8. 1917, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III. G.G. Abt. 5. 10. 11 1917 / 12 A/1. 53 Wochenberichte der k.u.k. Marinebauaufsicht bei den Rapp Motorenwerken von Okt.–Nov. 1915, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1915 / X-1-5. Zu Funktion und Tätigkeiten der Bauaufsicht vgl. S. 23–24. 54 Aktennotiz der III. Geschäftsgruppe des k.u.k. Kriegsministeriums, Marinesektion vom September 1917, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III.G.G. Abt. 5. 10. 11 1917 / 11 C/2. 55 Franz Josef Popp wurde am 14. 1. 1886 in Brünn geboren. Er studierte Elektrotechnik und arbeitete anschließend bei der AEG in Wien. Nach Kriegsausbruch 1914 wurde er zur österreichischen Marine einberufen, Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. sowie Spruchkammerakte von Franz Josef Popp, StAM Spka Karton 1341. Zu Franz Josef Popp vgl. S. 41 und S. 108 ff. 56 Max Wiedmann an das k.u.k. Kriegsministerium vom 25. 7. 1917, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III. G.G. Abt. 5. 10. 11 1917 / 10 A/1.
2.1. Die Rapp Motorenwerke (1913–1917)
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k.u.k. Kriegsministeriums die dubiose Situation ein, dass Popp selbst für die Produktion verantwortlich war, die er eigentlich als Außenstehender überwachen sollte. Die Rolle Popps wird noch zwielichtiger durch die Aussage eines ehemaligen Angestellten der Rapp Motorenwerke vor Vertretern des Bayerischen Kriegsministeriums. Demnach war Popp ein Vertrauensmann von Camillo Castiglioni und hatte sich bereits vor seiner Abkommandierung nach München in einem Geheimvertrag von Max Wiedmann einen Leitungsposten bei den Rapp Motorenwerken zusichern lassen.57 Dieser Vorwurf scheint nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein. Castiglioni hatte für die Vermittlung des Lizenzgeschäfts mit Austro-Daimler wiederum hohe Provisionszahlungen erhalten und sich vermutlich im Jahr 1917 von seinem Geschäftspartner Wiedmann einige Anteile an den Rapp Motorenwerken überschreiben lassen, ohne jedoch selbst nach außen hin als Eigentümer aufzutreten.58 Es wäre daher plausibel, dass ein stiller Teilhaber, wie es Castiglioni war, zur Wahrung seiner Interessen einen Vertrauten nach München schickte. Dass dieser Vertrauensmann zugleich im Auftrag der k.u.k. Marine handelte, macht einen schweren Interessenkonflikt Popps äußerst wahrscheinlich. In der Zeit von April bis Oktober 1917 sollten alle 224 bestellten AustroDaimler-Motoren ausgeliefert werden. „Trotz tatkräftigster Unterstützung in der Material- und Personalzuweisung, welche das k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion, der Firma angedeihen ließ“59, lieferten die Rapp Motorenwerke aber bis Dezember 1917 nur 17 Motoren. Abermals kam es zu schweren Konflikten zwischen beiden Vertragspartnern. Während das Unternehmen den erheblichen Terminverzug mit Lieferverzögerungen der Unterlieferanten begründete, sprach das k.u.k. Kriegsministerium von unsachgemäßer Bearbeitung durch die Rapp Motorenwerke.60 Bis Kriegsende wurden kaum noch Motoren nach Österreich geliefert. Hauptgrund für die schleppenden Lieferungen an Österreich-Ungarn war vermutlich, dass das Unternehmen seit der Jahresmitte 1917 verstärkt als Produzent für die deutschen Fliegertruppen herangezogen wurde. Die k.u.k. Marine trug zwar maßgeblich zum Aufbau der Rapp Motorenwerke bei, hatte aber nur geringen Nutzen aus ihren Investitionen.
57
Niederschrift einer Besprechung mit dem ehem. BMW-Ingenieur Bergmann im Bayer. Kriegsministerium vom 12. 8. 1918, BHStA MKr 14446. 58 Niederschrift über die am 10.August 1918 im Kriegsministerium zu München erfolgte Unterredung mit Generaldirektor Wiedmann, ebenda. 59 Aktennotiz des k.u.k. Kriegsministeriums von September 1917, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III.G.G. Abt. 5. 10. 11 1917 / 11 C/2. 60 Max Wiedmann an das k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion vom 20. 12. 1917 sowie k.u.k. Kriegsministerium an BMW vom 7. 12. 1917, ebenda.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH Die Bildung der 3. Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff im Sommer 1916 war auch ein wichtiger Einschnitt für die Organisation der deutschen Kriegswirtschaft. Durch das sogenannte Hindenburgprogramm61 sollte die Herstellung von Kriegsgerät merklich erhöht, allein die Munitionsproduktion binnen kurzer Zeit verdoppelt werden. Diese ehrgeizigen Ziele hoffte man, durch eine stärkere Lenkung der Wirtschaft sowie eine noch größere Bevorzugung der kriegswichtigen Betriebe bei der Rohstoffversorgung und bei der Zuteilung von Arbeitskräften zu erreichen. Das Hindenburgprogramm sah ebenfalls eine deutliche Steigerung der Produktion von Flugmotoren und Flugzeugen vor. Auf den Kriegseintritt der USA reagierte die Leitung der Fliegertruppen mit einer weiteren Erhöhung der Produktionsvorgaben, die im sogenannten Amerikaprogramm vom Juni 1917 an die Luftfahrtindustrie weitergegeben wurden.62 Durch ein Bündel von Bestimmungen sollte sich der Produktionsausstoß der Industrie erhöhen: 1. „Einschränkung von Versuchen, soweit nicht dringend nötig für die Weiterentwicklung. 2. Bau von möglichst wenig aber bewährten Typen. 3. Einstellung bzw. Zurückstellung des Baues von Flugmotoren, die in Bezug auf Leistung und Zuverlässigkeit den Frontansprüchen noch nicht genügen bzw. überholt sind. 4. Vergrößerung der großen Flugmotorenfirmen auf Kosten der kleinen Flugmotorenfirmen. 5. Heranziehung kleinerer Flugmotorenfirmen als Unterlieferanten der Großfirmen bzw. für größere Firmen Vergebung frontbewährter Motoren in Lizenz.“63 Dieser Maßnahmenkatalog bevorzugte letztlich die großen und etablierten Unternehmen, die auf Kosten der kleinen und mittleren Betriebe weiter expandieren sollten. Den kleinen und mittleren Gesellschaften wurde hingegen lediglich die Rolle von Zuliefer- oder Lizenzfabriken zugedacht. Schon seit Kriegsbeginn waren die großen Flugmotorenhersteller auf Kosten der kleineren Unternehmen gewachsen.64 1917 wurde dies mit dem Amerikaprogramm erstmals als offizielle Leitlinie der militärischen Beschaffungspolitik festgeschrieben. Hindenburg- und Amerikaprogramm hatten direkte Auswirkungen auf die Rapp Motorenwerke. Während das Unternehmen bisher von preußischen 61
Die beste Darstellung des Hindenburgprogramms findet sich bei Feldman: Armee, S. 134 ff. Zum Hindenburg- bzw. Amerikaprogramm und den Auswirkungen auf die deutsche Luftfahrtindustrie vgl. Morrow: German Air Power, S. 73–121. 62 Gilles, S. 99 ff. sowie Ittner S. 66 ff. 63 IdFlieg an Bayer. Kriegsministerium vom 8. 7. 1917, BHStA ILuft 50. 64 Ittner, S. 64.
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH
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wie bayerischen Beschaffungsstellen mehr oder weniger ignoriert worden war, erfolgte nun durch die Inspektion der Fliegertruppen65 (IdFlieg) eine Neubewertung. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei eine der 13 Unterabteilungen der IdFlieg, die von Major Felix Wagenführ geleitete Flugzeugmeisterei, die auf Beschaffungs- und Entwicklungsfragen spezialisiert war.66 Wagenführ sperrte im Sommer 1917 die Rapp Motorenwerke für die weitere Produktion eigener Motoren. Stattdessen sollten zukünftig monatlich 80 bis 100 Flugmotoren anderer Firmen überholt bzw. der Lizenzbau von Argus-, Benz- und Daimler-Motoren aufgenommen werden.67 Die österreichischen Aufträge blieben von dieser Anordnung unberührt. Während die militärischen Stellen eine Erhöhung der deutschen Flugzeugund Flugmotorenproduktion planten, vollzogen sich bei den Rapp Motorenwerken seit Jahresbeginn 1917 tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Karl Rapp, der wegen des Versagens seiner Motorkonstruktionen eine Hauptschuld an der Stagnation des Unternehmens trug, wurde schrittweise entmachtet. Den Anfang machte Franz Josef Popp, der seit seiner Abstellung nach München für die Produktion der Flugmotoren verantwortlich war.68 Zuvor lag dieser Bereich ebenso wie die Entwicklung in den Händen von Rapp. Aber auch für die Flugmotorenentwicklung hatte man im Januar 1917 mit Max Friz69 einen jungen Ingenieur von der Daimler-Motoren-Gesellschaft abgeworben. Bis Mai 1917 war Friz zunächst mit „aussichtslosen Korrekturarbeiten“70 an Rapp-Motoren beschäftigt. In dieser Zeitspanne schlug er mehrfach die Konstruktion eines speziellen Höhenmotors vor. Friz hatte schon bei seinem vorhergehenden Arbeitgeber vergeblich versucht, Chefkonstrukteur Paul Daimler von diesem Motorkonzept zu überzeugen.71 Bei den Rapp Motorenwerken lehnten vor allem Wiedmann und Rapp die 65
Die IdFlieg war als zentrale militärische Exekutivbehörde für die gesamte deutsche Luftfahrtindustrie verantwortlich. Lediglich Bayern war hiervon zum Teil ausgenommen und verfügte mit der Inspektion des Militärischen Luftfahrtwesens (ILuft) über eine eigene Abteilung mit ähnlichen Zuständigkeiten, Budraß, S. 31. 66 Morrow: German Air Power, S. 36–38, S. 73–75 und S. 127 ff. 67 Bayer. Flieger-Ersatz-Abteilung an Bayer. Inspektion des Militär. Luftfahrwesens vom 5. 7. 1917, BHStA ILuft 201. 68 Vgl. S. 18–19. 69 Max Friz wurde am 1. 10. 1883 geboren. Nach Absolvierung einer technischen Ausbildung und eines Studiums arbeitete er seit 1906 bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft als Konstrukteur. Chefkonstrukteur Paul Daimler bezeichnete Max Friz sogar als „eine seiner besten Kräfte“. Allerdings kam es 1916 wohl zum Zerwürfnis mit Daimler, was zum Wechsel von Friz zu den Rapp Motorenwerken führte, Berge an Cotard vom 2. 1. 1918, DAG Werksangehörige Feldmann-Ganz 11 Personalakte Max Friz sowie StadtAM PMB F 296. 70 Niederschrift einer Besprechung mit dem ehem. BMW-Ingenieur Bergmann im Bayer. Kriegsministerium vom 12. 8. 1918, BHStA MKr 14446. 71 Konzeptentwurf zur Änderung von Flugzeugmotoren für die Verhinderung des Leistungsabfalls bei Höhenflügen von Max Friz vom 23. 11. 1916, DMM/ASD JA 0020.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Idee von Friz ab. Erst am 23. 5. 1917 fasste man den gemeinsamen Beschluss, Friz damit zu beauftragen, einen Höhenmotor nach seinen Vorstellungen zu konstruieren. Zweierlei Ursachen scheinen hierzu geführt zu haben. Zum einen war nach Monaten vergeblicher Bemühungen wohl allen Beteiligten klar geworden, dass die Rapp-Motoren mit kleinen Änderungen nicht entscheidend verbessert werden konnten. Zum anderen erhöhte sich durch das Amerikaprogramm und die geplante Zurückstufung zu einem Montagewerk für Fremdfabrikate merklich der Druck auf das Unternehmen, endlich eine brauchbare Konstruktion vorzuweisen. Um sich persönlich ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Betriebe bei der Umsetzung des Amerikaprogramms zu machen, besuchte der Leiter der Flugzeugmeisterei Wagenführ mehrere Unternehmen der Luftfahrtindustrie. Im Juli 1917 besichtigte er auch die Rapp Motorenwerke, deren Entscheidungsträger diese Gelegenheit vermutlich nutzten, um Wagenführ über die Ideen von Max Friz zu einem Höhenmotor in Kenntnis zu setzen.72 Es konnten nur Konstruktionszeichnungen vorgelegt werden, die aber so erfolgversprechend schienen, dass die IdFlieg bereits im Juli 1917 insgesamt 600 Einheiten des neuen Motors bestellte.73 Unter der Bezeichnung BMW IIIa sollte dieser Motor später als bester deutscher Flugmotor des Ersten Weltkriegs gelten. Die Überlegenheit des BMW IIIa74 gegenüber den Konkurrenzprodukten beruhte vor allem darauf, dass er eine Lösung für ein drängendes Problem der Luftfahrt bot. Wegen der Abnahme der Luftdichte verlieren Kolbenmotoren mit zunehmender Flughöhe beständig an Leistung. Da die durchschnittliche Kampfhöhe während des Ersten Weltkriegs stetig zunahm, waren gute Steigfähigkeit und Höhenleistung von Flugzeugen ein entscheidender taktischer Vorteil. Max Friz konstruierte daher den BMW IIIa als Höhenmotor, der nach dem Prinzip der Überbemessung und Überverdichtung funktionierte.75 Dadurch war der Motor insbesondere in Flughöhen über 3 000 Meter deutlich leistungsstärker als andere zumeist wesentlich schwerere Flugmotoren. Ein patentierter Höhenvergaser hatte zudem ausschlaggebende Bedeutung für die Überlegenheit des BMW IIIa. Ansonsten verfügte der
72 Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. sowie Wiedmann an das k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion vom 19. 7. 1917 , ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III. G.G. Abt. 5.10.11 1917 / 11 C/1. 73 Bericht über die Tätigkeit der IdFlieg im Monat Juli vom 10. 8. 1917, BHStA MKr 1388. 74 Vgl. Schwager: BMW IIIa, Gersdorff/u. a., S. 36–37 sowie Gilles, S. 106. 75 Die Maybach-Motorenbau GmbH war das erste Unternehmen in Deutschland, das mit dem Mb IVa einen überbemessenen und überverdichtenden Motor konstruierte, Gersdorff/u. a., S. 35. Zu den Vorstellung von Max Friz zur Entwicklung eines Höhenmotors vgl. Konzeptentwurf zur Änderung von Flugzeugmotoren für die Verhinderung des Leistungsabfalls bei Höhenflügen von Max Friz vom 23. 11. 1916, DMM/ ASD JA 0020.
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH
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Motor kaum über nennenswerte technische Neuerungen. Er wurde vielmehr auf Basis der bis dato vorliegenden Erkenntnisse gebaut, erfüllte dabei jedoch die militärischen Vorgaben umfassender als alle anderen deutschen Motoren.76 Als Vorteil für eine schnelle Verwendung erwies sich, dass Friz den BMW IIIa77 in seiner Gestaltung an den Daimler IIIa, einen der meistgebauten Flugmotoren des Ersten Weltkriegs anlehnte.78 So waren nicht nur die Einbaumaße der beiden Motoren identisch, sondern viele Motorteile baugleich ausgeführt. Damit wurde der wichtigen militärischen Forderung nach Standardisierung Rechnung getragen. Der Höhenmotor von Max Friz führte zu einer grundsätzlichen Neubewertung der Rapp Motorenwerke. Nun rückte das Unternehmen erstmals in den Fokus der preußischen und bayerischen Beschaffungsbehörden und sollte bis Kriegsende auf jede erdenkliche Art Unterstützung finden. Die Bestellungen der k.u.k. Marine bei den Rapp Motorenwerken wurden von den deutschen Behörden geduldet. Allerdings verschoben sich die Interessen des Unternehmens seit 1917 insoweit, dass die österreichischen Auftraggeber nur noch mit untergeordneter Priorität bedient wurden.79 Die Rapp Motorenwerke überholten und reparierten im Auftrag der deutschen Fliegertruppen nun vornehmlich Motoren anderer Hersteller, ehe im Frühjahr 1918 der Serienanlauf des BMW IIIa begann.80 Im Zuge der Neubeurteilung der Rapp Motorenwerke durch die deutschen Militärbehörden wurde im Frühjahr 1917 eine Bauaufsicht installiert. Schon seit Kriegsbeginn hatten die Beschaffungsbehörden bei zentralen Rüstungsbetrieben Bauaufsichten eingesetzt, die aus mehreren Offizieren mit einer technischen Ausbildung bestanden. Die Aufgabe der Bauaufsichten umfasste drei Bereiche: die Überwachung der Fertigung, die Abnahme der Produkte und die Wahrnehmung einer Schnittstellenfunktion zwischen Unternehmen und den zentralen Beschaffungsstellen. Dies beinhaltete beispielsweise die Überprüfung und Gegenzeichnung aller Ansuchen, die ein Unternehmen an die Beschaffungsstellen richtete.81 Bei den Rapp Motorenwerken wurde eine 76
Gilles, S. 106–107 sowie Ittner, S. 99. Die Motorbezeichnung IIIa entsprach einer im Ersten Weltkrieg von den Fliegertruppen eingeführten Klassifizierung der Motoren nach deren Leistung. Motoren mit einer Leistung von 100–150 PS erhielten die Nummer II, Motoren mit 150–200 PS die Nummer III. Der Kleinbuchstabe a bezeichnete eine Abänderung vom Grundbaumuster, Gersdorff/u.a, S. 22. 78 Niederschrift über eine Besprechung mit Oberstleutnant Diemer vom 3. 10. 1919, DMM/ASD JA 0020. 79 Vgl. hierzu die ausführliche Korrespondenz zwischen den Rapp Motorenwerken und dem k.u.k. Kriegsministerium im Jahr 1917, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III. G.G. Abt. 5.10.11 1917 / 11 C/2. 80 Vgl. Wochenberichte der Motorenbauaufsicht München A in den Jahren 1917 und 1918, BHStA ILuft 148. 81 BMW an ILuft vom 5. 3. 1918 und Dienstvorschriften für die Bauaufsichten bei den Flugmotoren-Fabriken vom 26. 3. 1917, BHStA ILuft 147 sowie Potempa, S. 207–208. 77
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Bauaufsicht wesentlich später als bei anderen Unternehmen der deutschen Luftfahrtindustrie eingesetzt.82 Diese Verzögerung war darauf zurückzuführen, dass Preußisches und Bayerisches Kriegsministerium wegen der Qualitätsmängel keine Rapp-Flugmotoren abnahmen und daher zunächst kein Interesse an einer Überwachung des Unternehmens hatten. Erst mit der geplanten Umstellung auf die Lizenzproduktion von Daimler- bzw. BenzFlugmotoren und später auf die Produktion des BMW IIIa änderte sich dies. Leiter der Bauaufsicht bei BMW wurde der Professor für Maschinebaukunde Wilhelm Lynen von der Technischen Hochschule München. Damit wurde bei der Besetzung nicht nur der Anspruch erfüllt, nur „akademisch gebildete Ingenieure“83 einzusetzen, sondern zugleich ein sehr guter Kenner des Flugmotorenbaus ernannt. Lynen vermittelte bereits vor dem Krieg in Kursen Angehörigen der Bayerischen Fliegertruppen Grundlagen des Motorenbaus und war außerdem Mitglied in den Prüfungskommissionen für den Wettbewerb um den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor im Jahr 1913.84 Um seine Aufgabe erfüllen zu können, verfügte Lynen über einen kleinen Kreis von Mitarbeitern bestehend aus einem Werkmeister, zwei Monteuren und einem Schreiber. Der Erfolg von Max Friz stellte den ohnehin schon entmachteten Karl Rapp vollends ins Abseits. Durch Krankheit geschwächt und die permanente Erfolglosigkeit entmutigt entschloss sich Rapp schließlich, das Unternehmen zu verlassen.85 Am 25. 7. 1917 unterzeichnete er einen Auflösungsvertrag und wechselte als Leiter der Motorenentwicklung zur L.A. Riedinger Maschinenund Bronzewarenfabrik AG.86 Dies eröffnete die Möglichkeit, die Unternehmensführung neu zu ordnen. Generaldirektor blieb Max Wiedmann, unter dem drei Geschäftsführer bzw. Prokuristen tätig waren. Franz Josef Popp verantwortete den Bereich Produktion, Max Friz war für die Entwicklung zuständig und Josef Dümler kümmerte sich um die kaufmännischen Belange.87 Schon vier Tage vor dem endgültigen Ausscheiden von Karl Rapp erfolgte am 21. 7. 1917 die Umfirmierung der Rapp Motorenwerke GmbH in Bayerische Motoren Werke GmbH. Die Eigentümer hatten dies schon lange 82
Bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft bestand schon seit Kriegsbeginn eine Bauaufsicht, Buschmann, S. 53. 83 IdFlieg an ILuft vom 9. 7. 1917, BHStA ILuft 147 sowie Ittner, S. 95–96. 84 Bestimmungen für den zweiten deutschen Kaiserpreis-Wettbewerb für Flugmotoren, BArchB R 5 / 3857 sowie Entwurf eines Lehrplans für den Fliegerkurs der Bayer. Luftfahrt-Zentrale vom 20. 11. 1913, BHStA MInn 66563. 85 Castiglioni an Rapp vom 6. 4. 1917, BMW UA 768 sowie Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. 86 Karl Rapp war bis 1923 als Chefkonstrukteur beim Unternehmen L. A. Riedinger angestellt. Welche Tätigkeit er danach aufnahm, ist nicht bekannt. Ab dem Jahr 1934 betrieb Rapp in der Schweiz ein kleines Observatorium. Er verstarb am 26. 5. 1962 in Locarno, vgl. BMW UA 768. 87 Handelsregisterauszug der Rapp Motorenwerke GmbH vom 21. 7. 1917, KnorrBremse AH 1899.
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH
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geplant. Bereits am 23. 5. 1917 teilte Wiedmann dem Königlich-Bayerischen Obersthofmeisterstab mit, dass man eine Umbenennung in Bayerische Motoren Werke plane.88 Der Brief datiert auf den gleichen Tag wie die Besprechung, bei der Max Friz den Auftrag zur Entwicklung eines neuen Höhenmotors erhielt.89 Damit stand die geplante Umbenennung des Unternehmens wohl nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem plötzlichen Unternehmenserfolg durch den neuen Höhenmotor, der ja im Mai 1917 den militärischen Stellen noch gar nicht bekannt war. Für die Umfirmierungspläne bieten sich hingegen zwei Motive an. Zum einen könnte das Ausscheiden von Karl Rapp schon im Frühjahr 1917 festgestanden haben90 und man wollte nach außen hin und für jeden sichtbar durch eine Umbenennung einen Neuanfang dokumentieren. Dies scheint plausibel, da der Name Rapp bei Piloten, technischen Kommissionen und militärischen Beschaffungsstellen einen sehr schlechten Ruf genoss. Zum anderen erfüllte der neue Name Bayerische Motoren Werke aber auch eine wichtige Funktion. Er drückte eine Staatsnähe aus, die in Anbetracht der Abhängigkeit von Militäraufträgen durchaus gewünscht war. Dies wurde von den Rapp Motorenwerken explizit erklärt, als sie schrieben, dass sie durch die Umbenennung „sowohl in unserem Namen als auch in unserem Firmenzeichen besonders betonen möchten, dass die Gesellschaft eine bayerische Gesellschaft ist“91. Firmennamen mit regionalem Bezug waren im Deutschen Reich nichts Ungewöhnliches. Beispiele hierfür sind die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, kurz MAN (gegründet 1908) oder die Badische Anilin- & Soda-Fabrik, kurz BASF (gegründet 1865). Im Ersten Weltkrieg lebte diese Tradition fort und verstärkte sich vielfach noch. Insbesondere neu gegründete Rüstungsbetriebe in Bayern dokumentierten mit ihrem Namen ihren Standort. So trugen etwa die neben BMW größten Rüstungsunternehmen in München, die beide erste nach 1914 gegründet wurden, „Bayern“ im Namen. Es handelte sich um die Bayerischen Geschützwerke und die Bayerischen Flugzeugwerke. Die Umbenennung der Rapp Motorenwerke reiht sich nahtlos in diese Firmengründungen ein. Neben dem Namen mussten auch weitere Firmensymbole geändert werden. Aus der Telegrammadresse Rappmotor wurde Bayernmotor. Diese Bezeichnung allein ist nicht weiter erwähnenswert. So lautete etwa die Adresse der Bayerischen Flugzeugwerke Bayernflug. Ungewöhnlich war hingegen, dass BMW die Telegrammadresse Bayernmotor in den Anfangs-
88
Rapp Motorenwerke an den Königl.-Bayer. Obersthofmeisterstab vom 23. 5. 1917, BHStA MA 71898. 89 Vgl. S. 22. 90 In Ihrer ersten Ankündigung der Umfirmierung geben die Rapp Motorenwerke als Grund Personaländerungen an, d. h. vermutlich ein Ausscheiden Karl Rapps, Rapp Motorenwerke an den Königl.-Bayer. Obersthofmeisterstab vom 23. 5. 1917, BHStA MA 71898. 91 Ebenda.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Abb. 1: Firmenlogo der Rapp Motorenwerke und der BMW GmbH, 1917
jahren synonym mit dem Namen BMW zur Bezeichnung von Produkten nutzte.92 Das wichtigste Symbol des Unternehmens, das Firmenlogo93, wurde bei der Umfirmierung ebenfalls geändert. Schon beim Logo der Rapp Motorenwerke wurden die gängigen zeitgenössischen Empfehlungen für die grafische Gestaltung beachtet. Beim Entwurf von Wort- und Bildzeichen sollten leicht merkbare und unmittelbare Bezüge zwischen beiden Bestandteilen bestehen. Wenn man diese Prämisse für die Deutung des Logos der Rapp Motorenwerke zugrunde legt, erschließt sich dessen Bedeutung. In einem schwarzen Kreis steht der gekürzte Name des Unternehmens „Rapp Motor“. Das Bildzeichen im Inneren des Kreises steht in direktem Bezug zum Wortzeichen. Es zeigt einen schwarzen Springer, einen schwarzen Pferdekopf oder mit anderen Worten einen Rappen. Bei der Umbenennung in BMW GmbH wollte das Unternehmen nicht nur im Namen sondern auch im neuen Firmenzeichen die Nähe zu Bayern zum Ausdruck bringen. Im Deutschen Reich verbot jedoch das gültige Markenschutzgesetz nach § 4, Abs. 2 die Verwendung von Staatswappen oder sonstigen staatlichen Hoheitszeichen in einem Warenzeichen. Die Rapp Motorenwerke fragten daher im Mai 1917 beim Königlich-Bayerischen Obersthofmeisterstab an, „ob es erlaubt ist, das bayerische Rautenwappen mit einer Königskrone in unserem Firmenzeichen einzuschließen“94. Diese Erlaubnis wurde nicht gewährt. Dennoch gelang es mit dem am 10. 12. 1917 in der Kaiserlichen Zeichenrolle95 eingetragen BMW92
BMW an Hugo Junkers vom 20. 9. 1919, DMM/ASD JA 0021 sowie BMW-Werbemotive von 1919–1921, BMW FF 2118/1, UF 115/4 und UF 3963/1. 93 Zur Bedeutungsgeschichte des BMW-Logos vgl. Triebel: Entstehung. Allgemein zum Warenzeichen vgl. Feldkirchen: Erfolgsfaktor. 94 Rapp Motorenwerke an den Königl.-Bayer. Obersthofmeisterstab vom 23. 5. 1917, BHStA MA 71898. 95 Auszug aus den Akten des Kaiserlichen Patentamts über die Eintragung des BMWMarkenzeichens, BMW UA 45.
2.2. Umfirmierung in Bayerischen Motoren Werke GmbH
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Abb. 2: Titelblatt der BMW Flugmotoren-Nachrichten, 1929
Logo einen deutlichen Bezug zu Bayern herzustellen. Zunächst fällt auf, dass das BMW-Logo der gleichen Bildlogik wie das Firmenzeichen von Rapp folgt. Ein schwarzer Kreis, in dem abgekürzt der Firmenname BMW geschrieben steht, umfasst ein Bildsymbol, das den bayerischen Landesfarben gleicht. Allerdings wurde die Farbanordnung gespiegelt. Gemäß der Vorgaben der Heraldik würde man beim BMW-Logo von blau-weiß, bei den Bayerischen Rauten von weiß-blau sprechen. Der Grund für diesen Unterschied liegt mit großer Wahrscheinlichkeit im Verbot, Staatswappen in Warenzeichen zu verwenden. 1929 wurde das Firmenzeichen, auf der Titelseite der ersten Kundenzeitschrift des Unternehmens den BMW Flugmotoren-Nachrichten neu interpretiert.96 Das Bild zeigt zwei Flugzeuge, die von einem Propeller angetrieben werden, der zu einem BMW-Logo stilisiert wurde. Diese Deutung des Firmenzeichens wurde nun immer wieder aufgegriffen. Besondere Bedeutung kommt hierbei einer Darstellung des BMW-Presse- und Werbeleiters Wilhelm Farrenkopf in der BMW Werkszeitschrift im Jahr 1942 zu.97 Letztlich
96
BMW Flugmotoren-Nachrichten, Jg. 1 (1929), Heft 1 und 2. Farrenkopf, Wilhelm: Ein Firmenzeichen entstand, in: BMW Werkszeitschrift, Jg. 1 (1942), Heft 11/12/13, S. 18. 97
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
verfestigte sich in den Jahrzehnten nach 1929 die Neuinterpretation des BMW-Logos und die ursprüngliche Bedeutung geriet in Vergessenheit.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918) 2.3.1 Belegschaftsentwicklung Das Hauptproblem der deutschen Rüstungsproduktion war seit Kriegsbeginn der Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften. Gerade in diesen beiden Bereichen bemühte sich die Militärverwaltung gemeinsam mit der Industrie um Lösungen. Der erste Schritt hierzu wurde bereits im Herbst 1914 durch die Gründung von Kriegsrohstoffgesellschaften getan.98 Der Arbeitsmarkt erfuhr hingegen erst 1916 durch das Hindenburgprogramm, das die Produktion von Rüstungsgütern deutlich steigern sollte, eine grundlegende Neuordnung. Das größte Hindernis bei der Umsetzung des Programms war der Arbeitskräftemangel. Durch das sogenannte Hilfsdienstgesetz99 vom 5. 12. 1916 wollte man diesem Problem Herr werden. Ziel des Gesetzes war die Einführung einer allgemeinen Arbeitspflicht für jeden männlichen Deutschen zwischen dem vollendeten siebzehnten und sechzigsten Lebensjahr, wodurch das Reservoir an Arbeitskräften erweitert werden sollte. Als zentrale Maßnahme schränkte das Gesetz aber auch die Möglichkeit des Arbeitsplatzwechsels ein. Während bisher die Freizügigkeit der Arbeiter kaum Beschränkungen unterlag, solange sie nur von einem kriegswichtigen Betrieb in einen anderen wechselten, wurde dies nun erschwert. Arbeitsplatzwechsel mussten fortan genehmigt werden. Die zuständigen Organe hierfür waren neu eingerichtete Schlichtungsausschüsse, die paritätisch mit Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern besetzt waren und von einem Offizier geleitet wurden. In den ersten beiden Kriegsjahren steuerten mehrere staatliche Institutionen mit unterschiedlichen Befugnissen die deutsche Wirtschaftspolitik. Da eine zentrale Lenkungsinstanz fehlte, hemmten sich die verschiedenen Stellen oft gegenseitig. Im Herbst 1916 wurde schließlich im Preußischen Kriegsministerium das Kriegsamt unter Wilhelm Groener geschaffen, das zukünftig die zentrale militärische Stelle in allen Fragen der Kriegswirtschaft und damit hauptverantwortlich für die Umsetzung des Hindenburgprogramms sein sollte.100 Während das Hilfsdienstgesetz im gesamten Deutschen Reich galt, waren die Kompetenzen des Preußischen Kriegsamts in vielen Bereichen auf Norddeutschland beschränkt. Das Bayerische Kriegsministerium schuf ebenfalls ein Kriegsamt, das für die Steuerung der bayerischen Kriegswirtschaft 98
Zu den Kriegsrohstoffgesellschaften vgl. Roth. Feldman: Armee, S. 169 ff. 100 Zur Organisation der deutschen und bayerischen Kriegswirtschaft vgl. Feldman: Armee, S. 209 ff. sowie Sperl, S. 49–75. 99
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
29
zuständig war. Damit war die bayerische Rüstungsindustrie nicht aus der deutschen Kriegswirtschaft herausgelöst, hatte es aber vielfach mit zwei Auftraggebern, nämlich dem Preußischen und dem Bayerischen Kriegsministerium zu tun. Dies galt auch für die bayerische Luftfahrtindustrie. Es gab nicht nur Bayerische und Preußische Fliegertruppen sondern zudem zwei Beschaffungsstellen, die sich während des Krieges formierten. In den ersten Monaten der Kampfhandlungen hatte die Organisation der Luftrüstung noch einen improvisierten Charakter. Auf die Massenproduktion waren weder die Flugzeug- und Flugmotorenhersteller eingerichtet, noch bestanden detaillierte Beschaffungspläne aufseiten des Militärs. Erst 1915/16 bildete sich ein zentral gesteuertes Entwicklungs- und Produktionssystem101 heraus, dessen zentrale Institution die Inspektion der Fliegertruppen (IdFlieg) im Preußischen Kriegsministerium war. Das bayerische Pendant zur IdFlieg war die ebenfalls 1916 gegründete Inspektion des Militärischen Luftfahrtwesens (ILuft) im Bayerischen Kriegsministerium. Obwohl Bayern darauf bedacht war, im Krieg die militärischen Hoheitsrechte zu bewahren, verlor man mehr und mehr Kompetenzen an die Berliner Zentralstellen, die letztlich die Nachfrage diktierten und den bayerischen Behörden vielfach nur noch die Rolle des formalen Auftraggebers beließen.102 Während die Rapp Motorenwerke in den ersten Kriegsjahren kaum für die deutsche Heeresverwaltung tätig und daher selten unmittelbar von Maßnahmen zur Steuerung der deutschen Kriegswirtschaft betroffen waren, galt dies nicht mehr für die Bayerischen Motoren Werke. Das Unternehmen wurde durch den neuen Motor BMW IIIa zu einem kriegswichtigen Betrieb und in die deutsche Kriegswirtschaft integriert. Dies geschah ab der Jahresmitte 1917, also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits zentrale Einrichtungen wie Kriegsamt und Hilfsdienstgesetz bestanden. Wegen der Bedeutung ihres Produkts konnten sich die Bayerischen Motoren Werke bei der Lösung von Produktionsschwierigkeiten der vollen Unterstützung der militärischen Stellen sicher sein. Drei große Probleme stellten sich für BMW bei der Aufnahme der Großserienfertigung. Zum einen verfügte das Unternehmen über keine ausreichende Zahl von Facharbeitern. Zum anderen war die Zufuhr von Rohstoffen und Zulieferteilen nicht gesichert. Als drittes Hindernis erwiesen sich die Produktionsanlagen selbst, die für die Serienproduktion erst ausgebaut werden mussten. Die Versorgung mit Facharbeitern stellte das dringlichste Problem dar. Durch die österreichischen Aufträge waren die Rapp Motorenwerke bereits seit Kriegsbeginn stetig gewachsen und mit rund 600 Beschäftigten zum Jahresanfang 1917 zusehends zu einem wichtigen Großbetrieb in München
101 102
Ittner, S. 67. Sperl, S. 44 ff.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
geworden.103 Der Aufstieg der Rapp Motorenwerken ging mit Strukturveränderungen der Münchner Wirtschaft einher, die vor dem Ersten Weltkrieg und in Teilen auch noch in der Weimarer Republik durch eine große Zahl von Kleinbetrieben geprägt war.104 Im Krieg wurden wegen der Einberufung der Inhaber viele kleine Betriebe stillgelegt. Dafür entstanden mehrere große Rüstungsbetriebe, die sich fast ausschließlich im Norden der Stadt befanden. Während die bayerische Politik lange Zeit industrialisierungsfeindlich gewesen war, änderte sich dies im Ersten Weltkrieg.105 Eine steigende Anzahl von Firmengründungen war die Folge, wovon München besonders profitierte, da rund ein Drittel aller Investitionen in Bayern in die Hauptstadt flossen.106 Das Wachstum der Münchner Industrie führte jedoch spätestens seit 1916 zu einem Arbeitskräftemangel, der nur durch tausende Arbeiter aus Preußen und Sachsen behoben werden konnte.107 Unter diesen Rahmenbedingungen war die Anwerbung von Arbeitskräften für BMW schwierig. Zum einen gab es auf dem Münchner Arbeitsmarkt kaum verfügbare Facharbeiter für die metallverarbeitende Industrie. Zum anderen wurde durch das seit 1916 geltende Hilfsdienstgesetz der Arbeitsplatzwechsel merklich erschwert. Die Suche nach Arbeitskräften über Zeitungsinserate oder Plakatanschläge unterlag strengen Auflagen und war daher wenig erfolgversprechend.108 Letztlich war BMW bei der Arbeitskräftesuche auf Zuteilungen durch das Bayerische und Preußische Kriegsministerium angewiesen. BMW genoss hierbei einen Sonderstatus gegenüber vielen anderen Rüstungsbetrieben und wurde bevorzugt behandelt.109 Dennoch traten Schwierigkeiten auf. Während viele andere Flugmotorenhersteller, beispielsweise die Daimler-Motoren-Gesellschaft110, seit 1914 ihre Stammbelegschaft halten und fortlaufend durch qualifizierte Fachkräfte ergänzen konnten, fehlte BMW dieser eingearbeitete Facharbeiterstamm. BMW musste aus den seit 1917 neu zugeteilten Arbeitern erst eine Belegschaft formen. Trotz der Vorzugsbehandlung durch die militärischen Beschaffungsstellen konnte die notwendige Anzahl von Facharbeitern nicht angeworben werden. Während BMW vornehmlich Arbeiter mit Erfahrung in der Metallverarbeitung wie 103
Bericht des k.u.k. Konsuls in München Ramberg über einen Besuch der Rapp Motorenwerke vom 17. 2. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 104 Rudloff: Münchens Wirtschaft, S. 170 ff. 105 Erker: Keine Sehnsucht, S. 483. 106 Geyer, S. 38. 107 Rudloff: Notjahre, S. 337. 108 BMW-Stellenanzeigen von 1917/18, BMW UF 3950/1-3955/1, Erlass des Kriegspresseamts vom 21. 1. 1917, BHStA MKr 14197 sowie Mai, S. 115. 109 Bestätigung des Bayerischen Kriegsministeriums für BMW vom 26. 8. 1917, BHStA MKr 17300 sowie Bayer. Kriegsministerium an Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. vom 20. 4. 1918 Betreff: Abwanderung von Arbeitskräften von Preußen nach Bayern, BHStA MKr 14202. 110 Buschmann, S. 71 ff.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
31
Dreher oder Fräser benötigte, wurden oft wenig geeignete Berufsgruppen wie Weber oder Schneider zugeteilt, die für den Flugmotorenbau nicht geeignet waren.111 Letztlich buhlten unzählige Betriebe und Beschaffungsstellen um die kleine Gruppe der Facharbeiter. BMW benötigte erst ab 1917 Fachkräfte, zu einem Zeitpunkt, als qualifizierte Arbeiter bereits längst Anstellungen in anderen kriegswichtigen Betrieben hatten. Die Beschaffungsstellen konnten BMW daher nur dann Fachkräfte zuweisen, wenn andere Unternehmen mit ähnlich wichtigen Rüstungserzeugnissen personell geschwächt wurden. Bis Kriegsende gelang es BMW daher nicht, eine feste Stammbelegschaft aufzubauen. Eine hohe Fluktuation war hingegen die Regel, da ständig versucht wurde, weniger qualifizierte Arbeiter durch Fachkräfte zu ersetzen.112 Trotz der hohen Fluktuationsrate sind jedoch detaillierte Analysen der Zusammensetzung der BMW-Belegschaft möglich. Als Grundlagen hierfür dienen mehrere statistischen Erhebungen, die von diversen militärischen Stellen vornehmlich in den Jahren 1916 bis 1918 angefertigt wurden. Bei Kriegsbeginn umfasst die Belegschaft der Rapp Motorenwerke 89 Personen und war damit im Vergleich zum größten deutschen Flugmotorenhersteller, der Daimler-Motoren-Gesellschaft, verschwindend gering (vgl. Tab. 1). Durch die Aufträge aus Österreich-Ungarn entwickelte sich das Unternehmen und konnte seinen Arbeiterstand bis Februar 1917 verzehnfachen. Bis Kriegsende verdoppelte sich die Belegschaft im Zuge des Produktionsausbaus für den BMW IIIa noch einmal. Obwohl die Steigerungsraten beim Personalstand der Rapp Motorenwerke wegen des niedrigen Ausgangswertes in den ersten Kriegsjahren sehr hoch ausfallen, ist beim Vergleich der absoluten Zahlen von BMW zur Daimler-Motoren-Gesellschaft die prinzipielle Benachteiligung kleinerer Hersteller erkennbar. Während beim Münchener Unternehmen die Anzahl der Mitarbeiter während des Krieges um rund 2 000 stieg, vervierfachte sie sich bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft um knapp 18 400 Personen. Im letzten Kriegsjahr 1918 war auch die prozentuale Steigerung des Arbeiterstandes bei Daimler höher als bei BMW. Hierin zeigt sich die Wirkung des Hindenburg- und des Amerikaprogramms, deren Maßnahmen große Rüstungsunternehmen bevorzugten. Die Anstellung von Frauen113 war ebenfalls ein wichtiger Punkt bei der Organisation der Kriegswirtschaft. Im Juli 1914 war keine einzige Frau bei den Rapp Motorenwerken angestellt (vgl. Tab. 2). Dies spiegelte die Mitarbeiterstruktur der gesamten metallverarbeitenden Industrie wider, in der Frauen 111
Rapp Motorenwerke an ILuft vom 27. 7. 1917, BHStA ILuft 50 sowie Wochenbericht der Motorenbauaufsicht München A über 17. Kalenderwoche für die Flugzeugmeisterei vom 29. 4. 1918, BHStA ILuft 148. 112 Die hohe Fluktuationsrate war aber kein auf BMW beschränktes Phänomen sondern typisch für die Kriegswirtschaft. So erneuerte das Unternehmen Siemens Schuckert statistisch gesehen zwischen 1914 und 1917 die Belegschaft achtmal, Schneider, S. 125. 113 Zur Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg vgl. Daniel sowie Seidel.
32
2. BMW im Ersten Weltkrieg
Tab. 1: Belegschaftsentwicklung von BMW und der Daimler-Motoren-Gesellschaft, 1914–1918
Juli 1914 November 1915 Februar 1917 November 1917 November 1918
Rapp Motorenwerke bzw. BMW
Daimler-MotorenGesellschaft
Personalstärke
Steigerungsrate in %
Personalstärke
Steigerungsrate in %
89 450 899 1 801 2 035
– 405,62% 99,78% 100,33% 12,99%
4 614 6 668 9 461 15 653 23 062
– 44,52% 41,89% 65,45% 47,33%
Quellen: 20. Bericht der Kommission zur Regelung der Arbeiterfrage vom Sommer 1917, BHStA ILuft 201, Veränderungen des Arbeiterstandes in der bayer. Flugzeug- und Flugmotorenindustrie vom November 1917, BHStA ILuft 201, Sammelliste zu den Fragebögen über Arbeitskräfte in kriegswirtschaftlichen Betrieben, die 50 oder mehr Arbeitskräfte beschäftigen, Kriegsamtsstelle München vom 15. 2. 1917, BHStA MKr 14198, Statistik zur Belegschaft in der bayer. Flugzeug- und Flugmotorenindustrie, März/April 1918, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. Bund 16 Akt 4a, Bericht über Besuch bei den Rapp Motorenwerken von k.u.k. Maschinenbauingenieur Alois Lacina vom 10. 11. 1915, ÖStA Kriegsministerium. Marinesektion. OKFlug 1915 / IV-2-4, Liste von Firmen der Metall-Industrie in München mit 50 Arbeitern und mehr, 16. 6. 1919, BHStA MH 13600 sowie zu den Zahlen der Daimler-Motoren-Gesellschaft vgl. Buschmann, S. 421.
im Gegensatz zur Textilindustrie bis 1914 kaum tätig waren. Bis Februar 1917 stieg die Zahl der beschäftigten Frauen bei den Rapp Motorenwerken auf 106 an und machte damit bereits rund 12% der Belegschaft von insgesamt 899 Personen aus.114 Nachdem die IdFlieg erste Bestellungen für den BMW IIIa getätigt hatte, verdoppelte sich die Gesamtbelegschaft auf 1 801 Personen. Die Zahl der angestellten Frauen blieb mit 133 aber nahezu konstant, ehe sie im Laufe des Jahres 1918 bei einer weiteren Vergrößerung der Gesamtbelegschaft auf 275 anstieg und wieder einen Anteil von ca. 12% erreichte.115 Bis Kriegsende spielten Frauen eine untergeordnete Rolle im Produktionsprozess. BMW forderte ausschließlich Facharbeiter an. Ungelernte Arbeitskräfte und Frauen wollte die Unternehmensleitung in den Fertigungsablauf nicht integrieren und lehnte ihre Verwendung im Falle einer Zuteilung ab. Damit verfolgte BMW die gleiche Linie wie zahlreiche andere Industrieunternehmen während des Krieges. Die Beschäftigung von ungelernten Arbeitskräften hätte in vielen Fällen eine Umstellung der Produktionsmethoden bedeutet und nach Ansicht der Unternehmen die Produktqualität gemindert.116
114
Sammelliste zu den Fragebögen über Arbeitskräfte in kriegswirtschaftlichen Betrieben, die 50 oder mehr Arbeitskräfte beschäftigen von der Kriegsamtsstelle München vom 15. 2. 1917, BHStA MKr 14198. 115 Veränderungen des Arbeiterstandes in der bayer. Flugzeug- und Flugmotorenindustrie vom November 1917, BHStA ILuft 201. 116 Mai, S. 115.
33
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918) Tab. 2: Weibliche Beschäftigte bei den Rapp Motorenwerken bzw. BMW, 1914–1918 Gesamte Belegschaft Juli 1914 Februar 1917 November 1917 April 1918
89 899 1 801 2 293
Anzahl der beschäftigten Frauen 0 106 133 275
Prozentualer Frauenanteil 0% 11,79% 7,38% 11,99%
Quellen: 20. Bericht der Kommission zur Regelung der Arbeiterfrage vom Sommer 1917, BHStA ILuft 201, Veränderungen des Arbeiterstandes in der bayer. Flugzeug- und Flugmotorenindustrie vom November 1917, BHStA ILuft 201, Sammelliste zu den Fragebögen über Arbeitskräfte in kriegswirtschaftlichen Betrieben, die 50 oder mehr Arbeitskräfte beschäftigen, Kriegsamtsstelle München vom 15. 2. 1917, BHStA MKr 14198 sowie Statistik zur Belegschaft in der bayer. Flugzeug- und Flugmotorenindustrie, März/April 1918, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. Bund 16 Akt 4a.
Gerade die Luftfahrtindustrie bemühte diese Argumentation fortlaufend. Deshalb wurde der Einsatz von Frauen, die in der Regel keine metallverarbeitenden Berufe gelernt hatten und damit meist ungelernte Arbeitskräfte waren, mit großer Skepsis betrachtet. Dementsprechend war der Anteil der Frauen an den Belegschaften in der bayerischen Luftfahrtindustrie deutlich niedriger als in anderen Industriezweigen.117 Zum Jahreswechsel 1917/18 wurde im Bayerischen Kriegsministerium die Idee diskutiert, durch Zuteilung von Kriegsgefangenen an die Rüstungsindustrie deutsche Arbeiter für die Front freizubekommen. Bei einer Umfrage innerhalb der bayerischen Luftfahrtindustrie zeigte sich, dass die meisten Betriebe aus Angst vor Sabotage keine Kriegsgefangenen einsetzen wollten. Lediglich die Pfalz Flugzeugwerke, die L.A. Riedinger Maschinen- und Bronzewarenfabrik AG und BMW erklärten sich prinzipiell zur Übernahme von Kriegsgefangenen bereit. Die drei Unternehmen forderten aber explizit italienische Kriegsgefangene an. Der Grund hierfür lag wohl in Erfahrungen, die MAN mit französischen Kriegsgefangenen gemacht hatte. Diese hatten sich nicht nur widersetzt, im Flugmotorenbau zu arbeiten, sondern auch den Transport von Rohmaterial verweigert. Ab Februar 1918 bemühte sich die ILuft um die Zuweisung von italienischen Kriegsgefangenen an BMW.118 Im Vergleich zur übrigen Münchner Rüstungsindustrie wiesen die Rapp Motorenwerke bei der Belegschaftszusammensetzung im Februar 1917 einige Besonderheiten auf, die sich auch in der Expansionsphase bis Kriegsende nur bedingt änderten. Die erste Besonderheit, die bei der Betrachtung der vorlie117
21. Bericht der Kommission zur Regelung der Arbeiterfrage vom Herbst 1917, BHStA ILuft 201. 118 ILuft an Bayer. Inspektion des Ingenieur-Korps vom 5. 2. 1918, BHStA ILuft 201. Wie viele Kriegsgefangene bei BMW in der Produktion tätig waren, ist aus den Quellen nicht zu ermitteln. Gleiches gilt für ihre Verweildauer und Tätigkeit.
34
2. BMW im Ersten Weltkrieg
genden Stichprobe (vgl. Tab. 3 und Tab. 4) auffällt, ist der vergleichsweise niedrige Frauenanteil in den Rapp Motorenwerken und in den Lokomotivenfabriken Krauss & Co. bzw. Maffei. Die Zahl der weiblichen Beschäftigten war jeweils nur halb so hoch wie im Durchschnitt der Münchner Rüstungsindustrie und kann daher als charakteristisch für das metallverarbeitende Gewerbe angesehen werden. Die wichtigste Gruppe in den Betrieben waren die deutschen Arbeiter im Alter von 18 bis 45 Jahren, die das Rückgrad jeder industriellen Produktion bildeten. Diese Männer stellten in allen Betrieben der Münchner Rüstungsindustrie 50 bis 60% der Belegschaft und das Gros der Facharbeiter. Da sie der Wehrpflicht unterlagen, wurden sie aber gleichzeitig vom Heer für den Kriegsdienst reklamiert. Die Unternehmen reichten daher Namenslisten von Arbeitern, die zum Heeresdienst eingezogen waren, beim Bayerischen oder Preußischen Kriegsministerium ein, damit diese von der Front in den Betrieb zurückgestellt würden. Die Männer, die für den Kriegsdienst bereits reklamiert worden waren, wurden gemäß ihrer militärischen Eignung in drei Gruppen eingeteilt. Für die Zurückstellungen kamen zunächst die arbeitsverwendungsfähigen (av), dann die garnisonsverwendungsfähigen (gv) und schließlich die kriegsverwendungsfähigen (kv) Männer in Betracht.119 Je höher die Eignung für den Fronteinsatz war, desto größere Schwierigkeiten bereitete es, einen Arbeiter vom Heeresdienst freizubekommen. Bei den Rapp Motorenwerken war die Zahl der kriegsverwendungsfähigen Männer relativ gering, da das Unternehmen erst während des Krieges seine Arbeiterschaft aufbaute. Eine Firma wie Maffei, die seit Kriegsbeginn für das Militär produzierte, konnte hingegen verhindern, dass ein Großteil ihrer Belegschaft 1914 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Hieraus erklärt sich der hohe Anteil von kriegsverwendungsfähigen Männern bei Maffei im Vergleich zu den Rapp Motorenwerken. Unternehmensübergreifende Tarifverträge waren vor 1918 umstritten und galten nur für eine Minderheit der Betriebe und Arbeiter.120 Die Rapp Motorenwerke bzw. BMW gehörten bis zum Ende des Krieges keiner Tarifgemeinschaft an. Die Rechte und Pflichten der Beschäftigten wurden durch die Arbeitsordnung des Unternehmens festgeschrieben, die genaue Vorgaben zu Arbeitszeiten, Entlohnung, Kündigungsfristen und möglichen Sanktionen bei Verfehlungen enthielt. Bereits die erste Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1913121 beinhaltete einen umfangreichen Strafenkatalog. Als Verfehlungen wurden unter anderem Zuspätkommen oder Unterhalten am Arbeitsplatz definiert und mit Geldbußen zugunsten der Arbeiterunterstützungskasse belegt. Der Sanktionskatalog blieb während des Krieges weitgehend unverändert. Bei den Kündigungsfristen wurden hingegen Anpas-
119 120 121
Feldman: Armee, S. 72. Schneider, S. 115 ff. Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1913, StadtAM Gewerbeamt 544/3.
122
793
2326
935
790
2166
12880
Rapp Motoren Werke
Bayerische Flugzeugwerke
Krauss. & Co Lokomotiv-fabrik
Kustermann
Maffei
Münchner Rüstungsindustrie123
2401
1405
1042
2697
899
603
75
44
159
61
kv av
27
43
271 118
56
21
155 132
216 150
gv
Reklamierte122
692
34
23
245
71
34
44
107
74
846
7
458 1844
41
45
31
50
40
Beur- Un- Sonlaubte taug- stige liche
274
29
8
4
43
49
2242
372
131
124
280
81
95
2855
392
294
329
566
dem wehrpflichtigen Alter
Kriegs- unter über beschädigte
Männliche Deutsche im wehrpflichtigen Alter
4276 17156 1822 1252 847
235
615
107
371
106
Män- Frau- Summe en ner
Gesamtbelegschaft
212
34
14
8
14
38
74
9
2
3
8
15
77
–
2
9
2
7
415
215
–
–
–
–
gefangene
16
4
6
–
–
–
Ver- Neu- Okkubün- trale pierte Kriegs- Zivildete
Männliche Ausländer
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
35
Tab. 3: Personalstruktur der Münchner Rüstungsindustrie, Februar 1917
Zur Bedeutung von kriegs- (kv), garnisions- (gv) und armeeverwendungsfähig (av) vgl. S. 34. 123 Von den großen Münchner Rüstungsbetrieben fehlen nur die Bayerischen Geschützwerke.
122
122
23,5%
1,6%
1,4%
Krauss. & Co Lokomotiv- 89,7% 10,3% 100% 4,2% 2,0% 4,1% fabrik
Kustermann 56,2% 43,8% 100% 5,3% 4,0% 1,9%
90,2% 9,8% 100% 25,1% 11,3% 4,9%
75,1% 24,9% 100% 10,6% 7,3% 4,9%
Maffei
Münchner Rüstungsindustrie123
4,0%
2,6%
86,2% 13,8% 100% 5,9% 5,7% 4,9%
Bayerische Flugzeugwerke
3,8%
2,7% 10,7%
1,7% 1,8%
3,2% 7,6%
3,0% 7,1%
1,9% 31,4%
4,4% 0,8%
Reklamierte122 Beur- Un- Sonlaubte taug- stige liche kv gv av
im wehrpflichtigen Alter
9,0% 10,6% 4,2%
1,6% 13,1% 16,6% 1,2%
1,2% 15,5% 16,3% 1,3%
9,3% 20,9% 1,0%
0,4% 11,9% 31,6% 0,8%
0,6%
Männliche Ausländer
0,4%
0,4%
0,1%
0,3%
0,3%
1,7%
0,4%
–
0,1%
0,9%
0,1%
0,8%
2,4%
9,0%
–
–
–
–
–
–
–
0,1%
0,2%
0,4%
gefangene
Ver- Neu- Okbün- trale ku- Kriegs- Zivildete pierte
1,6% 10,4% 21,0% 0,5%
5,5%
dem wehrpflichtigen Alter
Kriegs- unter über beschädigte
Männliche Deutsche
88,2% 11,8% 100% 6,8% 24,0% 16,7%
123
Rapp Motoren Werke
Män- Frau- Sumner en me
Gesamtbelegschaft
36 2. BMW im Ersten Weltkrieg
Tab. 4: Personalstruktur der Münchner Rüstungsindustrie in %, Febr. 1917
Quelle: Sammelliste zu den Fragebögen über Arbeitskräfte in kriegswirtschaftlichen Betrieben der Kriegsamtsstelle München, 15. 2. 1917, BHStA MKr 14198.
Zur Bedeutung von kriegs- (kv), garnisions- (gv) und armeeverwendungsfähig (av) vgl. S. 34. 123 Von den großen Münchner Rüstungsbetrieben fehlen nur die Bayerischen Geschützwerke.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
37
sungen vorgenommen. Während in der Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1913 das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten jederzeit gelöst werden konnte, galt nach der BMW-Arbeitsordnung von 1918 für beide Seiten eine einwöchige Kündigungsfrist.124 Längere Kündigungsfristen lagen vor allem im Interesse der Arbeitgeber, da wegen des Arbeitskräftemangels ein Wettlauf zwischen den Unternehmen um Facharbeiter entbrannte. Fortlaufende Abwerbungen waren die Folge. Für eine effektive Kontrolle wurden seit 1916 Schlichtungsausschüsse125 eingerichtet, die etwaigen Arbeitsplatzwechseln zustimmen mussten. Die Verpflichtung, den Schlichtungsausschuss anrufen zu müssen, hatte daher de facto eine einschränkendere Wirkung auf einen potenziellen Arbeitsplatzwechsel als die in der Arbeitsordnung festgeschriebene Kündigungsfrist. Die Arbeitszeiten waren ebenfalls in der Arbeitsordnung geregelt. Dabei ist im Falle der Rapp Motorenwerke bzw. von BMW das interessante Phänomen zu beobachten, dass sich die offizielle Arbeitszeit von 1913 bis 1918 verkürzte. Die tatsächliche Arbeitszeit schwankte hingegen und hing von einer Vielzahl verschiedener Faktoren ab. Vor Kriegsbeginn umfasste eine Arbeitswoche bei den Rapp Motorenwerken sechs Tage mit einer täglichen Arbeitszeit von 9 Stunden und 15 Minuten, was einer Wochenarbeitszeit von 55 Stunden und 30 Minuten entsprach.126 Seit 1916 galt ferner die Pflicht Überstunden zu leisten, falls dringende Arbeiten auszuführen waren.127 Obwohl in anderen Betrieben während des Krieges tägliche Arbeitszeiten von zehn oder gar zwölf Stunden keine Seltenheit waren, schrieb die BMW-Arbeitsordnung von 1918 nur einen Acht-Stundentag vor.128 Dies ist erstaunlich, wenn man die Dringlichkeit der an BMW vergebenen Großaufträge berücksichtigt. Aber während des gesamten Krieges wurde selbst die gemäß Arbeitsordnung mögliche Arbeitszeit kaum ausgenutzt. Die schleppende Anlieferung von Zulieferteilen und Rohmaterial bedingte immer wieder eine Einschränkung der Fertigung.129 Zudem waren im Jahr 1917 die Betriebsanlagen noch kaum ausgebaut. Um diese annähernd ausnutzen zu können, wurde sogar ein Dreischichtenbetrieb eingeführt. Dies bedeutete jedoch für den einzelnen Beschäftigten eine Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden.130 Auf die Dauer war das Dreischichtensystem aber nicht effektiv. Außerdem 124
Arbeitsordnung der Bayerischen Motoren Werke von 1918, StadtAM Gewerbeamt 544/3. 125 Vgl. S. 28. 126 Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1913, StadtAM Gewerbeamt 544/3. 127 Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1916, ebenda. 128 Arbeitsordnung der Bayerischen Motoren Werke von 1918, ebenda sowie Mai, S. 336. 129 Wochenbericht der Motorenbauaufsicht München A über 4. Kalenderwoche für die ILuft vom 28. 1. 1918, BHStA ILuft 148. 130 Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München über das Jahr 1917, AdMA.
38
2. BMW im Ersten Weltkrieg
fehlte BMW hierfür nach der Vergrößerung der Werksanlagen und der Erweiterung des Maschinenparks die notwendige Zahl von Arbeitskräften. Zunächst wurde der Betrieb noch mit zwei Schichten bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden, seit März 1918 nur noch im Einschichtbetrieb bei einer zehnstündigen Arbeitszeit geführt.131 Hierbei wurden die neunte und zehnte Arbeitsstunde als Überstunden bezahlt. Nicht nur die Arbeitszeiten, sondern auch die Löhne unterlagen während des Krieges ständigen Veränderungen. Die Arbeitsordnungen der Rapp Motorenwerke enthielten zunächst noch keine Bestimmungen über die Lohnhöhe, die offenbar mit jedem Arbeiter individuell vereinbart wurde. Lediglich die wöchentliche Auszahlung des Lohnes war festgeschrieben. Die erste Arbeitsordnung der BMW GmbH, die am 2. 8. 1917 Gültigkeit erlangte, führte hingegen ein Lohnsystem ein, das bei der Festsetzung der Löhne die drei Faktoren Leistung, Alter (über oder unter 21 Jahren) und Geschlecht berücksichtigte.132 Grundlage für die Berechnung aller anderen Löhne war der Verdienst eines männlichen Facharbeiters. Die folgende Tabelle zeigt die einzelnen Lohngruppen und den daraus resultierenden Stundenverdienst für den jeweiligen Beschäftigten im Jahr 1918. Tab. 5: Stundenverdienst eines Facharbeiters gemäß der bei BMW gültigen Lohntariftabelle, 1918 Lohngruppe
I
II
III
IV
V
Volljähriger, männlicher Arbeiter
1,20 Mark
1,35 Mark
1,50 Mark
1,65 Mark
1,80 Mark
Jugendlicher, männlicher Arbeiter
0,90 Mark
1,00 Mark
1,10 Mark
1,25 Mark
1,35 Mark
Volljährige, weibliche Arbeiterin
0,80 Mark
0,90 Mark
1,00 Mark
1,10 Mark
1,20 Mark
Jugendliche, weibliche Arbeiterin
0,60 Mark
0,65 Mark
0,75 Mark
0,80 Mark
0,90 Mark
Quelle: Arbeitsordnung der Bayerischen Motoren Werke von 1918, StadtAM Gewerbeamt 544/3.
Jeder Arbeiter wurde zunächst in der Lohngruppe III eingestellt und nach einer Woche gemäß seiner Arbeitsleistung neu eingestuft. Das Lohnsystem war wesentlich transparenter und gerechter als die zuvor üblichen individuell ausgehandelten Verträge. Der Deutsche Metallarbeiterverband lobte daher
131
Wochenbericht der Motorenbauaufsicht München A über 9. Kalenderwoche für die Flugzeugmeisterei vom 4. 3. 1918, BHStA ILuft 148. 132 Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München über das Jahr 1917, AdMA; Arbeitsordnung der Bayerischen Motoren Werke von 1918, StadtAM Gewerbeamt Nr. 544/3 sowie Rapp Motorenwerke an Stv. Gen. Kdo I. b. A.K. vom 13. 8. 1917, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. 1029.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
39
ausdrücklich das BMW-Lohnsystem, weil es „dem Verlangen der Arbeiter nach gerechter Lohnfestsetzung einigermaßen zu entsprechen vermag“133. Zusätzlich zu den Löhnen gewährte BMW noch Teuerungszulagen, die von der familiären Situation des jeweiligen Arbeiters abhingen. Unverheiratete erhielten den niedrigsten, Verheiratete mit mehr als vier Kindern den höchsten Betrag. Außer der dargestellten Lohntabelle (Tab. 5), die nur für nach Stundenlohn bezahlte Facharbeiter galt, gab es noch drei weitere Lohntarife für Akkordarbeiter, Hilfsarbeiter und Tagelöhner. Diese Lohntabellen waren in ihrem Aufbau mit der Stundenlohntabelle für Facharbeiter identisch und unterschieden sich nur in der Entgelthöhe. Die Besonderheit des neuen BMW-Lohnsystems war die veränderte Gewichtung der beiden Faktoren berufliche Ausbildung und Betriebszugehörigkeit bei der Entlohnung. Während die soziale Differenzierung der Löhne nach Geschlecht und Alter als Normalfall gelten muss, war die Einführung von nach individueller Leistung gestaffelten Lohngruppen vor dem Ersten Weltkrieg eher ungewöhnlich. Die starke Stellung des Facharbeiters und damit seine deutlich bessere Bezahlung war ein Kennzeichen der Wirtschaft des Kaiserreichs, die in vielen Bereichen auf die Fähigkeiten der Facharbeiter angewiesen war. Der Erste Weltkrieg leitete jedoch durch Rationalisierung und den verstärkten Rückgriff auf ungelernte Kräfte einen Wandel ein. So verloren die Facharbeiter in der Weimarer Republik innerhalb der Arbeiterschaft mehr und mehr ihre herausgehobene Stellung. Diese Entwicklung ist im BMW-Lohnsystem von 1917/18 ebenfalls fassbar, weil es keine Untergliederung der Löhne nach Ausbildungsberufen mehr gab. Unterschieden wurde lediglich zwischen gelerntem und ungelerntem Arbeiter, nicht aber zwischen Schlosser, Dreher oder Schreiner. Eine gewisse Nivellierung innerhalb der Arbeiterschaft erfolgte demnach durch die BMW-Tariftabellen. Die Einführung eines solchen Systems war überhaupt nur möglich, weil das Unternehmen über keinen festen Facharbeiterstamm verfügte, der sich gegen eine Angleichung der Löhne hätte zur Wehr setzen können. Wegen seiner Transparenz war das Lohnsystem jedoch sehr attraktiv und damit ideal geeignet, um neue Arbeiter zu gewinnen und zu halten. Dies galt gleichermaßen für ungelernte Arbeiter wie für Fachkräfte, weil die gezahlten Löhne zumindest im Vergleich zu anderen Münchner Betrieben sehr hoch waren.134 Außer teils beträchtlichen Lohnerhöhungen gewährten viele Unternehmen mit zunehmender Kriegsdauer ihrer Arbeiterschaft eine Reihe von Zusatzleistungen. Dabei hatte die Sicherung einer regelmäßigen Zufuhr von Lebensmitteln die höchste Priorität. BMW baute daher seit 1917 nicht nur neue Pro133
Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München über das Jahr 1917, AdMA. 134 BMW an ILuft vom 9. 5. 1918, BHStA ILuft 148 sowie Preise, Löhne und Betriebsergebnisse, hrsg. von der Bayerische Landespreisprüfungsstelle 1919, BHStA MKr 14307.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
duktionsanlagen sondern auch zwei Werkskantinen mit über 1 000 Plätzen.135 Die Lebensmittel für die Kantine konnten in den Jahren 1917 und 1918 jedoch nicht mehr ohne Weiteres auf dem freien Markt erworben werden. Letztlich war BMW in diesem Bereich auf die Unterstützung der Beschaffungsstellen angewiesen. Welche Bedeutung die Ernährungsfrage für die Arbeiter hatte, zeigt ein Vorfall vom Mai 1918.136 Durch eine Verschärfung der Lebensmittelverordnung wurden Nahrungsmittel stark rationiert, was zu Einschränkungen im Angebot der BMW-Kantine führte. Als Reaktion verweigerten die Arbeiter die Leistung von Überstunden. Die BMW-Unternehmensleitung bemühte sich zudem, den Arbeitern den Weg zur Fabrik zu erleichtern. Die BMW-Werkshallen lagen nördlich von München und damit oft kilometerweit entfernt von den Wohnungen der meisten Arbeiter, die in der Regel die Straßenbahn nutzten, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. Die Linie 8 der Münchner Straßenbahnen fuhr zwar in Richtung des BMW-Werks, allerdings mussten die Arbeiter von der Endhaltstelle noch einen längeren Fußweg bis zur Fabrik zurücklegen. BMW bat daher am 31. 7. 1917 um eine Verlängerung der Linie 8.137 Nun folgten lange Verhandlungen mit der Stadt München, die von BMW eine Beteiligung an den Betriebskosten verlangte, da erwartet wurde, dass die verlängerte Straßenbahnlinie defizitär sein würde. In einem Vertrag vom 24. 5. 1918 erklärte sich BMW dazu bereit, den bis zum 31. 12. 1933 anfallenden Verlust auf der ausgebauten Straßenbahnlinie auszugleichen.138 Die Ausbauarbeiten zogen sich über das Kriegsende hinaus hin, sodass erst am 1. 4. 1919 die erweiterte Straßenbahnlinie in Betrieb gehen konnte.139 Eine gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft konnte Forderungen zu Löhnen, Arbeitszeiten oder betrieblichen Zusatzleistung in der Regel leichter durchsetzen. Während des Ersten Weltkriegs verfolgten Gewerkschaften und SPD eine Politik, die nicht nur die kurzfristigen materiellen Interessen der Arbeiter im Auge hatte. Durch ihre Zustimmung zum Burgfrieden hofften die reformistischen Kräfte der Arbeiterbewegung vielmehr, eine Reihe ihrer Forderungen im bestehenden politischen System umsetzen zu können. Der größte Erfolg, den die Gewerkschaften hierbei erzielen konnten, war das Hilfsdienstgesetz von 1916. Das Gesetz brachte zwar auch einige Einschränkungen für die einzelnen Arbeiter, für die Gewerkschaften stellte es jedoch einen Durchbruch dar. So mussten fortan alle Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitern einen Arbeiterausschuss, mit mehr als 50 Angestellten einen Ange135
Weyers & Freytag an Bayer. Inspektion der Gefangenenlager vom 23. 11. 1917, BHStA ILuft 148. 136 BMW an ILuft vom 8. 5. 1918, BHStA ILuft 148. 137 Zu den Verhandlungen zwischen BMW und der Stadt München vgl. BMW UA 423. 138 Vertrag über die Garantielinie nach Milbertshofen zwischen BMW und der Stadt München vom 24. 5. 1918, BMW UA 423. 139 Brauer/Reinarzt, S. 94.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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stelltenausschuss einrichten.140 Nicht alle Unternehmen hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt gegen die Organisation ihrer Arbeiterschaft gesträubt. Daher gab es bereits vor dem Krieg in mehreren Betrieben Arbeiter- und Angestelltenausschüsse. Bei den Rapp Motorenwerken sind seit 1916 ein Arbeiterund ein Angestelltenausschuss nachweisbar.141 Das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern war aber durchaus konfliktreich. Kontroversen ergaben sich unter anderem bei der Arbeitszeiterfassung mittels Stempeluhren, Urlaubsansprüchen oder Lohn- und Gehaltsangelegenheiten. Die Auseinandersetzungen wurden häufig durch den Werksleiter Franz Josef Popp verschärft, der kaum Verständnis für die Forderungen der Belegschaft aufbrachte und diese in einer wenig umgänglichen Art zurückwies.142 Die unternehmensinternen Konflikte hatten für die tägliche Arbeit der Belegschaft große Bedeutung. In den letzten beiden Kriegsjahren jedoch bewegten mehr und mehr politische Fragen und die prekäre Versorgung mit Nahrungsmitteln viele Arbeiter. In größeren Streikaktivitäten trat der Unmut über Kriegsdauer und schlechte Versorgungslage schon vor der Novemberrevolution immer wieder zutage. Mit dem Januarstreik von 1918 war erstmals München und damit auch BMW Ort einer solchen Streikbewegung. Am 14. 1. 1918 brach in mehreren Städten Österreich-Ungarns ein Streik aus, der sich mit zeitlichen Verzögerungen in den nächsten Tagen auf das ganze Land ausdehnte, dabei aber regionale Schwerpunkte hatte.143 Während die Arbeiter zunächst vornehmlich die schlechte Lebensmittelversorgung beklagten, wurden zunehmend politische Forderungen gestellt, wobei vor allem die Verhandlungsführung der Mittelmächte in Brest-Litowsk heftig kritisiert wurde. Aus den gleichen Gründen wie in Österreich kam es seit dem 21. 1. 1918 in mehreren großen deutschen Städten zu Arbeitsniederlegungen. Während aber in Österreich-Ungarn alle Branchen von den Ausständen betroffen waren, beschränkte sich der Streik in Deutschland in erster Linie auf die Rüstungsindustrie. Zentrum der Arbeitsniederlegung war Berlin, wo rund 400 000 Demonstranten gezählt wurden. Von Österreich und Preußen ausgehend erfasste die Streikbewegung schließlich bayerische Großstädte. So beteiligten sich in Nürnberg bis zu 80% der Arbeiterschaft am Streik.144 140
Schneider, S. 126–135. Arbeitsordnung der Rapp Motorenwerke von 1916, StadtAM Gewerbeamt 544/3, Verzeichnis der Betriebe mit Arbeiter- und Angestelltenausschüssen erstellt vom Bayer. Gewerberat für München am 1. 2. 1917, BHStA MH 16033 sowie Denkschrift zum Fall Scherling/BMW vom 31. 8. 1917, BHStA MKr 14312. 142 Arbeitsgemeinschaft der kaufmännischen Verbände, Landesausschuss Bayern an Bayer. Kriegsministerium vom 31. 8. 1917 sowie Denkschrift zum Fall Scherling/BMW vom 31. 8. 1917, BHStA MKr 14312. 143 Plaschka/Haselsteiner/Suppan, S. 59–90. Zum Januarstreik in Deutschland vgl. Boebel/Wetzel sowie Krummeich. 144 Boldt, S. 12. 141
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Überall in Deutschland wurden Gewerkschaften, MSPD und USPD vom Januarstreik überrascht, der als spontane Arbeitsniederlegung begann.145 Erst nachdem die Arbeiter in den Streik getreten waren, bemühte sich die USPD um eine Organisation bzw. Ausweitung, die Gewerkschaften und die MSPD um eine Mäßigung bzw. Einstellung des Streiks. In München kam es zunächst zu keinen spontanen Arbeitsniederlegungen. Stattdessen versuchte die USPD unter Kurt Eisner, die Arbeiterschaft zur Beteiligung zu überreden und traf dabei auf den Widerstand der MSPD um Erhard Auer.146 Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Flügeln der Münchner Arbeiterbewegung wurde vor allem in Betriebsversammlungen geführt. Die erste dieser Versammlungen wurde von den Arbeitern der Bayerischen Geschützwerke AG, einer Tochterfirma der Friedrich Krupp AG, am 28. 1. 1918 abgehalten. Die Mehrheit der anwesenden Arbeiter entschied sich für einen Streik. In der Folge wurden in den übrigen großen Münchner Rüstungsbetrieben ebenfalls Betriebsversammlungen abgehalten. Die BMW-Arbeiter trafen sich zweimal, am 30. 1. und am 31. 1. 1918. Ablauf und Ergebnis beider Versammlungen unterschieden sich nicht wesentlich von den Arbeiterzusammenkünften in anderen Münchner Großbetrieben. Während der Arbeiterausschuss überwiegend mit gemäßigten, der MSPD nahestehenden Personen besetzt war und eine Streikbeteiligung verhindern wollte, tendierte die Belegschaft zur Arbeitsniederlegung. Den Ausschlag gab Kurt Eisner, der in Rededuellen mit Erhard Auer und den gewählten Arbeitervertretern die Oberhand behielt.147 Die militärischen Stellen honorierten zwar den Versuch zur Mäßigung durch die Gewerkschaftsvertreter, mussten aber hinnehmen, dass die gemäßigten Kräfte zunächst unterlagen. So schrieb der leitende Offizier der Bauaufsicht bei BMW, dass „durch nicht zum Werk gehörende Elemente der Arbeiterausschuss vergewaltigt und der Beschluss gefasst wurde, in den Streik zu treten“148. Daraufhin ruhte in den drei Tagen vom 30. 1. bis 1. 2. 1918 der Betrieb bei BMW. Letztlich beteiligen sich am Januarstreik in München vor allem die Arbeiter von acht großen, im Norden der Stadt ansässigen Rüstungsbetrieben. Die rund 9 000 Streikenden waren aber nur eine kleine Minderheit innerhalb der Münchner Arbeiterschaft.149 Die Streikbewegung brach schließlich zusammen, als in der Nacht vom 31. 1. zum 1. 2. 1918 Kurt Eisner und weitere führende USPD-Aktivisten festgenommen worden waren. Nun nahmen Gewerkschaften und MSPD das Heft wieder in die Hand und konn145
Grau, S. 277. Zum Januarstreik in München vgl. Grau S. 282 ff. sowie Morenz, S. 8–10. 147 Der I. Staatsanwalt bei Kgl. Landgerichte München I an das Kgl. Staatsministerium für Justiz vom 2. 2. 1918, BHStA MInn 66282 sowie Protokoll zur Angeschuldigten-Vernehmung von Kurt Eisner vom 12. 3. 1918, BArchB NY 4060 / 4. 148 Wochenbericht der Motorenbauaufsicht München A über 5. Kalenderwoche für ILuft vom 4. 2. 1918, BHStA ILuft 148. 149 Wochenbericht des Kgl. Regierungspräsidenten für Oberbayern Staatsrat von Kahr vom 4. 2. 1918, BHStA MInn 66282. 146
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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ten den Ausstand schon am 2. 2. 1918 beenden. Erhard Auer selbst übergab dem Staatsminister des Äußeren und des Königlichen Hauses Otto von Dandl am 16. 2. 1918 einen Katalog150 mit den acht Forderungen der Streikenden: 1. Allgemeiner Friede ohne Annexionen unter Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker 2. Volle Presse- und Versammlungsfreiheit 3. Vermeidung von Maßregelungen und Verhaftungen 4. Keine Militarisierung der Betriebe 5. Zeitgemäße Ausgestaltung der Verfassung und der hiezu einschlägigen Gesetze 6. Schnelle Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts in Preußen 7. Geregelte Arbeitsvermittlung und Fürsorge der Arbeiter bei der Demobilmachung 8. Erfassung der Lebensmittelbestände und gleichmäßige Verteilung unter allen Bevölkerungsklassen Letztlich blieben die Forderungen der Arbeiter unerfüllt, der Streik hatte damit keinen Erfolg. Viele besonders radikale Arbeiter wurden in den folgenden Monaten zum Heeresdienst eingezogen, sodass bei BMW Ende März 1918 nur noch ein einziger Streikführer im Betrieb verblieben war.151 Das Bayerische Kriegsministerium ging hart gegen einzelne Streikende vor und hielt sich damit an die eigenen strengen Vorgaben für den Fall von Arbeiterunruhen.152 Diese Vorschriften sahen vor, dass Rädelsführer sofort verhaftet und die Unternehmen unter militärische Aufsicht gestellt werden sollten. Der Januarstreiks ist besonders bedeutend, da erstmals während des Krieges in einer reichsweiten Streikbewegung politische Forderungen aufgestellt wurden. Im Gegensatz zur Novemberrevolution gelang es Gewerkschaften und MSPD im Januar 1918 allerdings noch, den Unmut der Arbeiter zu kanalisieren und den Streik ohne nennenswerte staatliche Zugeständnisse zu beenden. In München machte die Tagespresse aus Preußen stammende Arbeiter der Bayerischen Geschützwerke für den Streik verantwortlich.153 Diese Anschuldigungen trafen nicht den Kern der Streikursachen, beschrieben aber doch ein wichtiges Problem. In anderen süddeutschen Betrieben erwiesen sich die zumeist jungen aus Norddeutschland zugewiesenen Arbeiter „als gärender Faktor“154, da sie für radikale Parolen sehr aufnahmebereit waren. Bei BMW gehörte diese Arbeitergruppe wohl ebenfalls zu den radikalsten. Der Verlauf des Januarstreiks zeigt zudem ein weiteres Charakteristikum der großen Münchner Rüstungsbetriebe. Der Einfluss der gemäßigten Gewerk150
Forderungskatalog der Arbeiterschaft vom 16. 2. 1918, BHStA MA 92745. Protokoll des BMW-Betriebsleiters Hagemann vom 30. 3. 1918, BHStA ILuft 148 sowie Monatsbericht der IdFlieg für Januar 1918, BHStA ILuft 103. 152 Leitsätze für das Vorgehen der Militärbefehlshaber bei Ausbruch größerer Streiks in der Rüstungsindustrie vom März 1916, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. 1373. 153 Grau, S. 290. 154 Mai, S. 110–111. 151
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
schaftsführer und Arbeiterausschüsse blieb zunächst relativ gering. Verantwortlich hierfür war unter anderem der geringe gewerkschaftlich Organisationsgrad vieler Rüstungsarbeiter, die meist aus anderen Branchen kamen und häufig erst seit kurzer Zeit in den Betrieben beschäftigt waren.155 Dadurch konnten sie von den Vertretern der Arbeiterausschüsse nur schwer beeinflusst werden. 2.3.2 Flugmotorenproduktion Die Anwerbung von Personal war eine große Herausforderung. BMW musste beim Aufbau einer Großserienproduktion von Flugmotoren aber noch weitere Probleme lösen. So war beispielsweise das Zuliefersystem der Rapp Motorenwerke lediglich für niedrige Stückzahlen ausgelegt. Außerdem handelte es sich zumeist um österreichische Unternehmen, die auf Weisung des k.u.k. Kriegsministeriums nach München lieferten. Bei der Umstellung auf neue Lieferanten erhielt BMW seit der Jahresmitte 1917 die volle Unterstützung der deutschen Beschaffungsstellen. Der relativ rasche Aufbau eines Lieferantennetzwerks wurde durch zwei Umstände begünstigt. Zum einen hatte sich im Krieg ein funktionierendes Zuliefersystem für die deutsche Luftfahrtindustrie herausgebildet, das sich BMW zunutze machen konnte. So fertigten etwa die Friedrich Krupp AG und die Robert Bosch GmbH Kurbelwellen bzw. Zündanlagen für viele Flugmotorenhersteller. Beide Firmen waren ebenfalls wichtige Lieferanten für den BMW-Flugmotorenbau. Zum anderen ähnelte die Konstruktion des BMW IIIa in vielen Einzelteilen dem meistgebauten deutschen Flugmotor des Ersten Weltkriegs, dem Daimler IIIa. Viele Ersatzteile waren sogar baugleich. Dieser Umstand erleichterte BMW die Suche nach Lieferanten wesentlich.156 Allerdings waren viele etablierte Zulieferer, auf die BMW nun zurückgriff, nicht in Bayern ansässig. Dies rief einzelne bayerische Behörden auf den Plan, die von der IdFlieg und von BMW die verstärkte Einbindung bayerischer Firmen forderten.157 Eine andere Schwierigkeit bei der Aufnahme der Großserienproduktion stellten die Fertigungsanlagen selbst dar, die sich zwar im Frühjahr 1917 technisch und maschinell auf modernstem Stand befanden, aber letztlich nur für eine kleine Stückzahl ausgelegt waren.158 Ein weiterer Ausbau der bereits bestehenden Werksanlagen erschien jedoch nicht zielführend. Daher beschloss die Unternehmensleitung, an der Moosacher Straße 80 in einiger Entfernung 155
Geyer, S. 48. Buttlar: Die BMW im Ersten Weltkrieg vom 31. 7. 1933, BArchB R8119F / P3073, Bl. 213. 157 Bayer. beauftr. Stabsoffizier bei der IdFlieg an Flugzeugmeisterei vom 8. 7. 1918, BHStA MKr 17345. 158 Bericht des k.u.k. Konsuls in München Ramberg über einen Besuch der Rapp Motorenwerke vom 17. 2. 1916, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion OKFlug 1916 / XI-6-1. 156
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
Gebäudebezeichnung: A. Kleinmaschinen Halle B. Beamten- und Lagerhaus C. Wirtschaftsgebäude D. Direktionsgebäude E. Torgebäude F. Torgebäude G. Fahrräder H. Prüfstände I. Gießerei
K. L. M. N. O. P. Q. R. S.
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Heizung-Härterei/Glüherei-Schmiede Modellschreinerei/Bauschreinerei/Holzlager Montage Wassergasanlage Großmaschinen-Anbau Großmontage Pumpanlage Acetylen Erzeugungsanlage Pförtnerhäuschen
Abb. 3: Gebäudeplan des BMW-Werks an der Moosacher Straße, 1924 Quellen: Bauten der Bayerischen Motorenwerke in München, in: Der Industriebau Jg. 15 (1924) Heft 8, S. 139 sowie Imagebroschüre der Bayerischen Motoren Werke AG von 1919, S. 7, BMW UA 1266.
zur alten Fabrik ein komplett neues Werk zu bauen.159 Die zentralen Gebäude wurden noch während des Krieges errichtet, sodass bereits im Frühjahr 1918 im neuen Werk Flugmotoren produziert werden konnten. Endgültig 159
Zum Neubau des BMW-Werks an der Moosacher Straße vgl. Niederschrift über Ortstermin auf der Baustelle des BMW-Werks vom 10. 10. 1917, BHStA MKr 17300 sowie Bauten der Bayerischen Motorenwerke in München, in: Der Industriebau Jg. 15 (1924) Heft 8, S. 133–147.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
zum Abschluss kam der Neubau allerdings erst 1921. Das alte Werk an der Schleißheimer Straße 218 wurde hingegen bei Kriegsende stillgelegt. Die Planungen der BMW-Geschäftsführung für den Neubau waren umfassend und sahen neben notwendigen Maschinenhallen großzügige Direktions- und Wirtschaftsgebäude mit Autogaragen und weiterem Komfort vor. Die prekäre Rohstofflage im Deutschen Reich blieb bei den Konzeptionen weitgehend unbeachtet. Erst Ortsbegehungen und Eingabepläne machten den militärischen Beschaffungsstellen die teilweise unverhältnismäßig prachtvolle Ausgestaltung einiger Gebäude bewusst. Mehrere Bauten, wie etwa das monumentale Direktionsgebäude, durften daher zunächst nicht in Angriff genommen werden. Ihre Fertigstellung erfolgte offenbar erst nach Kriegende. Die wichtigste produktionstechnische Änderung ergab sich aus dem Bau einer eigenen Leichtmetallgießerei, die BMW seit Frühjahr 1918 unabhängig von der Zulieferung von Gussteilen machte. Außerdem verfügte die Gießerei über eine so gute Ausstattung, dass sie als eigene Sparte innerhalb des Unternehmens geführt wurde und in den 1920er Jahren auch andere Unternehmen belieferte.160 Die Errichtung des neuen BMW-Werks verzögerte sich nicht nur wegen Rohstoffmangel. Es kam ebenfalls zu Konflikten zwischen Bauherr und Bauunternehmer, die letztlich dazu führten, dass BMW zum 1. 2. 1918 die Baufirma wechselte. Fortan lag die Errichtung des Werks nicht mehr in der Verantwortung der Leonhard Moll AG, sondern bei der Wayss & Freytag AG.161 Größere Verzögerungen traten erst wieder durch mehrere Streiks ein. Im Sommer 1918 legten die Arbeiter auf der BMW-Baustelle mehrmals die Arbeit nieder, um Forderungen nach höheren Löhnen Nachdruck zu verleihen.162 Der Stillstand war für BMW so geschäftsschädigend, dass sich das Unternehmen sogar bereit erklärte, aus eigener Tasche Lohnerhöhungen für die Bauarbeiter zu bezahlen.163 Der schleppende Werksausbau sowie der Personal- und Rohstoffmangel beeinflussten die Produktion in erheblichem Maße. Beträchtliche Anlaufschwierigkeiten bei der Fertigung des BMW IIIa waren die Folge. Im Frühjahr 1918 überprüften die militärischen Beschaffungsstellen mehrmals BMW, um die Gründe für die Produktionsschwierigkeiten ausfindig zu machen. Letztlich war das Ergebnis der Untersuchung, dass ein Bündel von Faktoren zu den Lieferverzögerungen führte: 160
Vertrag zwischen BMW und Heinrich Haiss vom 15. 11. 1921, BMW UA 38 sowie Imagebroschüre der Bayerischen Motoren Werke AG von 1919, BMW UA 1266. 161 BMW an ILuft vom 1. 2. 1918, BHStA ILuft 148. 162 Nachweis über einen Streik beim Neubau des Art. Depots und beim Neubau der Bayer. Motorenwerke vom 16. 9. 1918, BHStA MArb 314 sowie Wochenbericht des Referats für Industrieangelegenheiten bei der Kriegsamtsstelle München vom 3. 9. 1918, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K 709. 163 Wochenbericht des Referats für Industrieangelegenheiten bei der Kriegsamtsstelle München vom 17. 6. 1918, BHStA MKr 14380.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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1. „Zu rasche Entwicklung der Firma, die dadurch genötigt war, ihrem an sich nicht gefestigten Arbeiterstand neue Elemente anzufügen, ohne in der Lage zu sein, eine Verschmelzung zu erreichen. 2. Allzu großer Ausschuss, bis über 90%, zwang zur Ausscheidung ungeeigneter Arbeiter. 3. Als Folge von 1 & 2 ein großer Wechsel in der Belegschaft. 4. Zu starker Wechsel in den leitenden Stellen und damit auch der durch diese Stellen getroffenen Anordnungen, was Unsicherheit in die ausführenden Organe brachte. 5. Ungünstige lokale Verhältnisse. Der Neubau ist zu weit vom alten Werk entfernt, daher wenig übersichtlich. Zu viele Verlegungen der Abteilungen und Maschinen innerhalb der Fabrik. 6. In dem Bestreben möglichst rasch Motoren herauszubekommen wurde die Herstellung mancher Einzelteile, die als Press- oder Schmiedeteile schon vorhanden waren, in zu hohem Maße betrieben, ohne dass die zum Serienbau notwendigen Schablonen, Vorrichtungen, Lehren, etc. vorhanden waren […] 7. Die Firma hängt noch zu sehr an der Herstellung von Austro-Daimler-Motoren, von denen erst 18 Stück abgeliefert sind, obwohl die Bestellung von 200 Motoren Ende 1917 hätte ausgeliefert sein sollen. […] 8. Die finanziell unsichere Lage der Firma schafft manche Schwierigkeiten. […]“164
Der Bericht der Motorenbauaufsicht sah als eine Hauptursache für die Lieferschwierigkeiten die mangelnde Organisation innerhalb des Unternehmens. Durch neue Mitarbeiter, die über Erfahrung bei der Betreuung und Organisation eines Serienanlaufs verfügten, trat eine allmähliche Verbesserung ein. Die Neueinstellungen von erfahrenen Arbeitern, Meistern und Betriebsingenieuren umfassten fast alle Hierarchiestufen des Unternehmens.165 Im Zuge dieser Strukturveränderungen wurden auch die Funktionen und Aufgaben der einzelnen Personen innerhalb der Unternehmensleitung klarer definiert. Während Max Wiedmann als BMW-Generaldirektor das Unternehmen leitete und nach außen hin vertrat, wurden alle kaufmännischen Belange von Oskar Wittmann166 verantwortet. Die Gesamtleitung des Werks und damit die Hauptverantwortung für die Produktion lag hingegen bei Franz Josef Popp.167 Unter Popp leitete Max Friz das technische Büro und war damit zuständig für die Entwicklung, während Friedrich Hagemann als Betriebsleiter an der Spitze der Fertigung stand. Dem Betriebsleiter unterstanden die
164
Monatsbericht März 1918 der Motorenbauaufsicht München A für die Flugzeugmeisterei vom 2. 4. 1918, BHStA ILuft 148. 165 Wochenbericht der Motorenbauaufsicht München A über 10. Kalenderwoche für die Flugzeugmeisterei vom 11. 3. 1918 sowie Monatsbericht April 1918 der Motorenbauaufsicht München A für die Flugzeugmeisterei vom 1. 5. 1918, BHStA ILuft 148. 166 Seit Gründung war Otto Dümler kaufmännischer Direktor der Rapp Motorenwerke. Zum 27. 2. 1918 wurde er im Handelsregister gelöscht. An seine Stelle trat Oskar Wittmann, Handelsregisterauszug der Rapp Motorenwerke GmbH vom 21. 7. 1917, Knorr-Bremse AH 1899 sowie BMW an ILuft vom 27. 2. 1918, BHStA ILuft 148. 167 Zur Organisation der Flugmotorenproduktion bei BMW vgl. Bericht des Leutnant Britsch der IdFlieg über das Ergebnis der Prüfung der Produktionsverhältnisse bei den Bayerischen Motoren Werken vom 27. 4. 1918, BHStA ILuft 148.
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zentralen Produktionsbereiche, die jeweils von erfahrenen Ingenieuren geleitet wurden (vgl. Abb. 4). Am Anfang des Produktionsprozesses stand das Arbeitsbüro, das die Aufgabe hatte, „die Arbeitsoperationen festzulegen, vorzukalkulieren und für eine rationelle und rechtzeitige Herstellung sämtlicher Einzelteile Sorge zu tragen.“168 Das Arbeitsbüro war demnach für die gesamte Arbeitsvorbereitung verantwortlich, zu der auch die Logistik gerechnet wurde. Außerdem steuerte es den Einkauf und die betriebsinterne Einzelteilefertigung, damit Zulieferteile, Rohmaterialien und Einzelteile rechtzeitig zur Montage gelangten. Gerade in der Kriegswirtschaft war die Tätigkeit des Arbeitsbüros von großer Bedeutung. Zum einen musste wegen der großen Anzahl von ungelernten Arbeitskräften die Produktion in mehrere genau kalkulierte Schritte zerlegt werden. Zum anderen kam es wegen zunehmender Transportschwierigkeiten und des fortlaufenden Rohstoffmangels häufig zu Versorgungsengpässen. Der Produktionsprozess im engeren Sinne wurde in drei Abteilungen untergliedert. Die Bauteile entstanden in der Gießerei und in der Teilefabrikation. In letzterer wurden die zentralen Motorteile meist durch Zerspanung gefertigt. Der Zusammenbau der Einzelteile erfolgte schließlich in der Montage, die in mehrere, aufeinander aufbauende Staffeln unterteilt war. In jeder dieser Staffeln wurde eine bestimmte Motorgruppe, z. B. Getriebe oder Kurbeltrieb montiert. BMW organisierte somit die Produktion als Gruppenfertigung. Dies entsprach der zu dieser Zeit üblichen Produktionsweise für komplexe technische Produkte wie Flugmotoren. Als eigene Unterabteilung war auch die Materialprüfung organisiert, die das angelieferte Rohmaterial, die bei BMW gefertigten Einzelteile und die zusammengebauten Motoren überprüfte.169 Die Arbeit dieser Abteilung besaß einen großen Stellenwert, da sie die hohe Qualität gewährleistete, die im Flugmotorenbau gefordert wurde. Insgesamt beurteilten die militärischen Beschaffungsstellen die BMW-Flugmotorenproduktion im Frühjahr 1918, nachdem zuvor einige organisatorische und personelle Veränderungen eingeführt worden waren, sehr positiv: „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die allgemeine Organisation der die Produktion direkt beeinflussenden Abteilungen des Werkes nach modernen Gesichtspunkten und bewährten Methoden eingerichtet ist.“170 Die Neuorganisation der Produktion und die verstärkte Zuteilung von Facharbeitern blieben nicht ohne Wirkung und ermöglichten ab April 1918
168
Ebenda. Rauschnabel, E.: Die Fertigungs-Kontrolle der BMW, in: BMW FlugmotorenNachrichten Jg. 2 (1930), Heft 3, S. 6–9. 170 Bericht des Leutnant Britsch der IdFlieg über das Ergebnis der Prüfung der Produktionsverhältnisse bei den Bayerischen Motoren Werken vom 27. 4. 1918, BHStA ILuft 148. 169
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Generaldirektor Max Wiedmann
Kaufmännischer Direktor Oskar Wittmann
Werksdirektor Franz Josef Popp
Technisches Büro Max Friz
Betriebsleiter Friedrich Hagemann
Arbeitsbüro Ingenieur Hörauf
Teilefabrikation Ingenieur Bange
Montage Ingenieur Dilk
Materialprüfung Ingenieur Fankorsky
Aluminium- und Messinggießerei Ingenieur Wollweber Abb. 4: Leitungsstruktur der BMW AG, April 1918 Quelle: Bericht des Leutnants Britsch der IdFlieg über das Ergebnis der Prüfung der Produktionsverhältnisse bei den Bayerischen Motoren Werken vom 27. 4. 1918, BHStA ILuft 148.
die Aufnahme der Serienproduktion des BMW IIIa. Die Planungen sahen bis Juni eine Steigerung der monatlichen Produktion auf 150 Motoren vor.171 Diese Vorgaben wurden aber nicht erfüllt. Erst in den Monaten September und Oktober erreichte BMW annähernd die festgelegten Produktionsziele. 171
IdFlieg an ILuft vom 11. 9. 1917, BHStA ILuft 201.
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Abb. 5: Monatliche Fertigung des Flugmotors BMW IIIa, 1918 Quellen: Angaben nach Wochen- und Monatsberichten der Motorenbauaufsicht München A von Oktober 1917 bis November 1918, BHStA ILuft 148 sowie ILuft 149.
Die Zahl der während des Krieges gefertigten BMW IIIa blieb jedoch mit 591 Stück deutlich hinter den Bestellungen von insgesamt 2 500 Motoren zurück.172 Die Produktionsschwierigkeiten bei BMW waren ein Grund, weshalb im Januar 1918 die Adam Opel GmbH den Auftrag erhielt, 700 BMW IIIa in Lizenz zu fertigen.173 Die Vergabe von Lizenzen war bei der Flugmotorenindustrie während des Krieges nicht sonderlich beliebt, weil man neben einem möglichen Know-how-Verlust sinkende Gewinne fürchtete. Durch das Hindenburg- und Amerikaprogramm wurde jedoch aus militärischer Notwendigkeit die Zahl der verwendeten Motortypen eingeschränkt und gleichzeitig die geforderte Produktionsmenge deutlich erhöht. Diese Ziele konnten nur noch durch die Vergabe von Lizenzen erreicht werden, die Beschaffungsstellen wendeten gegen widerspenstige Unternehmen dabei auch Zwang an.174 Auf BMW musste das Militär nur relativ geringen Druck ausüben, um das 172
Schreiben des Kommissar des Reichsfinanzministeriums für Reichsangelegenheiten aus dem Krieg vom 13. 4. 1921 sowie BMW an IdFlieg vom 2. 1. 1919, BArchB R 2 / 290. 173 Monatsbericht für Januar 1918 der IdFlieg II. Teil Flugmotoren vom 15. 2. 1918, BHStA MKr 1389. 174 Buschmann, S. 54–59.
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Unternehmen zur Lizenzvergabe an Opel zu bewegen. Letztlich war BMW von den militärischen Beschaffungsstellen in hohem Maße abhängig und hatte im Gegensatz zu großen Betrieben wie der Daimler-Motoren-Gesellschaft eher begrenzten Handlungsspielraum. Daher erhielt Opel sehr rasch alle Fertigungsunterlagen sowie einen Anschauungsmotor und konnte mehr oder weniger zeitgleich mit BMW die Fertigung des IIIa aufnehmen.175 Ein am 17. 1. 1918 zwischen beiden Unternehmen abgeschlossener Lizenzvertrag – gültig für 1 500 Flugmotoreneinheiten – sicherte BMW für jeden bei Opel produzierten Motor eine Zahlung in Höhe von 7,5% des Verkaufspreises zu.176 Die IdFlieg vergab an BMW noch weitere Entwicklungsaufträge, u. a. für einen Schulungsmotor mit 120 PS, der die Bezeichnung BMW II erhielt. Bei der Konstruktion sollte sich BMW weitgehend am Flugmotor Daimler II orientieren. Das Militär definierte sogar, welche Bauteile bei beiden Motoren in gleicher Weise ausgeführt werden sollten.177 Wegen der angespannten Produktionslage bei BMW wurde im Juni 1918 fast der gesamte Fertigungsauftrag in Lizenz an die Gasmotoren-Fabrik Deutz AG in Köln vergeben.178 Die Vergabe von Zwangslizenzen zeigt bereits einen veränderten Umgang mit Unternehmensgeheimnissen während des Krieges. Dieses Phänomen ist nicht nur für den Bereich der Produktion, sondern auch für die Entwicklung zu konstatieren. Während die militärischen Beschaffungsstellen den Wissensaustausch zwischen den Firmen förderten und mitunter erzwangen, wollten die Unternehmen ihre Patente und Konstruktionen wirtschaftlich ausnutzen und für sich behalten.179 Die gesamte deutsche Flugmotorenindustrie widmete sich während des Ersten Weltkriegs der Entwicklung von Höhenmotoren. Daher gab es mehrere Patentschriften, die Teile dieser spezifischen Motorkonstruktion schützten. Die beiden wichtigsten Patente hatten die Daimler-Motoren-Gesellschaft 1911 und Hugo Junkers 1917 eingereicht.180 Die Konstruktion des BMW IIIa verletzte nun offenbar teilweise das Patent von Junkers, das sich auf überdimensionierte Höhenmotoren bezog. Obwohl BMW diese Patentverletzung bestritt, nahm man Kontakt mit Junkers auf, um über eine Verwertung des Patents zu verhandeln.181 Das Ergebnis der Gespräche war ein Vertrag182, der Junkers jedoch keine Lizenzgebühren für
175
Monatsbericht für März 1918 der IdFlieg II. Teil Flugmotoren vom 24. 4. 1918, BHStA MKr 1389. 176 Entwurf eines Exposés für Gründungsaktionäre einer BMW AG vom 7. 3. 1918, ACDP 01-220 / 191/5. 177 IdFlieg an BMW vom 29. 10. 1917, BHStA ILuft 148. 178 Monatsbericht für Juni 1918 der IdFlieg II. Teil Flugmotoren vom 5. 8. 1918, BHStA MKr 1389. 179 Budraß. S. 31 ff. 180 Ittner, S. 97–103. 181 Schreiben von Justizrat Gottschalk vom 21. 10. 1918, DMM/ASD JA 0020. 182 Vertrag zwischen der BMW GmbH und Prof. Junkers vom 8. 7. 1918, DMM/ASD JA 0021.
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den BMW IIIa zusprach. Vielmehr einigten sich die Unternehmen darauf, alle ihre Patente betreffend den Höhenmotor in einen gemeinsamen Pool einzubringen. Zusammen wollten die Unternehmen nun einen Höhenmotor entwickeln, wobei die hauptsächliche Konstruktionsarbeit bei BMW liegen sollte. Für die gemeinsame Auswertung der Patente zahlte BMW 150 000 Mark. Zu einer wirklichen Zusammenarbeit beider Unternehmen kam es allerdings nicht. BMW konstruierte ohne Unterstützung den SechszylinderReihenmotor BMW IV, der weitgehend baugleich mit dem BMW IIIa war und lediglich über einen größeren Hubraum verfügte. Die Bestimmungen des Vertragstextes waren jedoch sehr offen formuliert, sodass es umstritten war, ob der BMW IV im Vertragssinne ein Höhenmotor war.183 In der Weimarer Republik, als beide Unternehmen auf Basis des Kooperationsvertrages Höhenmotoren fertigten, kam es zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen.184 2.3.3 Gründung der BMW AG Während BMW im Frühjahr 1918 Schritt für Schritt die Produktionsschwierigkeiten in den Griff bekam, traten gleichzeitig gewaltige Finanzierungsprobleme auf. Die BMW GmbH verfügte seit November 1916 über ein Grundkapital von 1,2 Mio. Mark. Dies stand aber in erheblicher Diskrepanz zum Auftragsvolumen, das BMW von der IdFlieg erhalten hatte und das sich bei Kriegsende auf 124,5 Mio. Mark kumulierte. Einen Großteil der anfallenden Auftragskosten, wie Löhne, Lieferantenrechnungen oder Werksausbau, konnte BMW daher nicht durch unternehmenseigene Mittel, sondern nur mittels Fremdkapital finanzieren. Das Geld stammte vornehmlich aus zwei Quellen. So gewährte die IdFlieg bis Anfang April hohe Vorschusszahlungen im Gesamtwert von 11,8 Mio. Mark, die mit 5% verzinst und auf die Verkaufspreise der Flugmotoren angerechnet wurden.185 Zudem mussten jedoch Darlehen in Millionenhöhe aufgenommen werden. Der Schuldenstand bei den Kreditinstituten belief sich im Mai 1918 ebenfalls auf 11,8 Mio. Mark, wovon 4,5 Mio. Mark auf die Bayerischen Vereinsbank und 7,3 Mio. Mark auf die Nationalbank für Deutschland entfielen.186 Dieser ohnehin schon
183
Protokoll über eine Besprechung am 27. 3. 1919 zwischen Lürken und Stauß sowie BMW an Junkers vom 29. 6. 1922, DMM/ASD JA 0021. 184 Vgl. S. 131–133. 185 ILuft an Bayer. Kriegsministerium vom 1. 4. 1918, BHStA ILuft 103 sowie IdFlieg an BMW vom 5. 11. 1917, BHStA ILuft 148. 186 Protokoll der 814. Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Vereinsbank vom 6. 11. 1917, HVB Sitzungsprotokolle des Aufsichtsrates der Bayerischen Vereinsbank 1916–1920 sowie Finanz-Übersicht und Geldbedarf der BMW GmbH vom 23. 5. 1918, ACDP 01-220 Nr. 191/5.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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sehr hohe Verschuldungsgrad stieg fortlaufend an und erreichte im August 1918 mit insgesamt 35,4 Mio. Mark seinen Höchststand.187 Aufgrund dieser finanziellen Entwicklung stieg die Unruhe bei Kapitalgebern und militärischen Stellen. Fortlaufende Gerüchte über den baldigen Zusammenbruch des Unternehmens erhöhten die Verunsicherung weiter. Im März 1918 ordnete das Militär sogar eine Prüfung der finanziellen Verhältnisse der BMW GmbH an, die einige Ungereimtheiten ans Tageslicht brachte. Im Juli 1918 wurde daher vom Preußischen und vom Bayerischen Kriegsministerium je ein Vertreter zur Überwachung der BMW-Finanzen abgestellt.188 Die Hauptschuld für die katastrophale Lage wurde BMW-Generaldirektor Max Wiedmann gegeben. Man beschuldigte ihn, unverhältnismäßige Ausgaben zu tätigen, selbst der Vorwurf der Unterschlagung stand im Raum. So erwarb Wiedmann mit dem geliehenen Geld des Militärs und der Banken ein Landgut in der Nähe des Werks für 380 000 Mark, richtete sich ein repräsentatives Stadtbüro ein und kaufte für das Beamtenkasino edles Porzellan, wobei einzelne Teller und Schalen mit 30 Mark pro Stück exorbitante Preise aufwiesen.189 Damit hatte sich Wiedmann persönlich diskreditiert. Neben den Ergebnissen der Finanzprüfung schädigte Wiedmann sein Ansehen dadurch, dass er sich nicht an einer durchgreifenden Sanierung der BMW GmbH beteiligen wollte. Banken und Militär drängten seit Frühjahr 1918 auf die Gründung einer Aktiengesellschaft, wodurch das Unternehmen auf eine wesentlich breitere Kapitalbasis gestellt worden wäre. Eine solche Lösung erschien als einzig betriebswirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, wurde jedoch von Wiedmann wiederholt torpediert. Dies gelang ihm, da er nicht nur Generaldirektor des Unternehmens war, sondern mit 959 000 Mark laut Eintrag ins Handelsregister offiziell auch die absolute Mehrheit an Anteilen der BMW GmbH besaß. Der zweite eingetragene Gesellschafter Siegmund Bernstein hielt hingegen nur 241 000 Mark des Grundkapitals. Im Hintergrund gab es mit Camillo Castiglioni aber noch einen dritten Investor. Ihm gehörten Anteile in Höhe von 410 000 Mark, die sich laut Handelsregister aber noch im Besitz von Wiedmann befanden.190 Trotz dieser Einschränkung war Wiedmann aber immer noch der größte Gesellschafter. Erstmals wurde im März 1918, nachdem durch die militärische Prüfung das volle Ausmaß der Finanzprobleme bekannt geworden war, über die Gründung einer Aktiengesellschaft nachgedacht. Bei diesem Projekt war eine 187
Niederschrift über eine am 6. 8. 1918 im Kriegsministerium stattgehabte Besprechung betreffend die Sanierung der Bayerischen Motoren Werke, BHStA MKr 14446. 188 Aktennotiz des Bayer. Kriegsministeriums betreffend BMW vom 11. 8. 1918 sowie Bayer. Kriegsministerium an Stv. Gen Kdo. I. b. A.K. vom August 1918, ebenda. 189 Niederschrift über die am 31. Juli 1918 im Kgl. Kriegsministerium zu München stattgefundene Besprechung betreffend die finanzielle Lage der BMW GmbH, ebenda. 190 Niederschrift über die am 10. August 1918 im Kriegsministerium zu München erfolgte Unterredung mit Generaldirektor Wiedmann, ebenda.
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Reihe von Akteuren involviert, die zwar unterschiedliche Motive hatten, aber letztlich doch das gemeinsame Ziel verfolgten, die BMW GmbH in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Das größte Gewicht hatten hierbei sicherlich die militärischen Beschaffungsstellen, von deren Haltung der Erfolg jeder Rüstungsfirma abhing. Die IdFlieg befürchtete, dass die BMW GmbH unter der Leitung von Wiedmann keine funktionierende Flugmotorenproduktion aufnehmen könne und damit der BMW IIIa nicht in ausreichender Stückzahl an die Front gelange. Daher unterstützte das Militär den Industriellen Hugo Stinnes, dem man zutraute, BMW zu sanieren.191 Stinnes war während des Krieges mit seinem Konzern, der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerksund Hütten-AG, zu einem der bedeutendsten deutschen Industriellen aufgestiegen. Seit Ende 1916 verfolgte er den Plan, einen großen deutschen Luftfahrtkonzern zu schaffen.192 Wichtige Hersteller wie die Fokker Flugzeugwerke AG verweigerten jedoch ihre Zusammenarbeit. Daher blieb das Engagement von Stinnes in der Luftfahrtindustrie sehr beschränkt. Die Übernahme von BMW schien sowohl Stinnes als auch dem Generaldirektor der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG Albert Vögler sehr erfolgversprechend. Zu dieser Einschätzung trug auch Camillo Castiglioni bei, dem in Österreich-Ungarn bereits mehrere zentrale Unternehmen der Luftfahrtindustrie gehörten. Dadurch hatte er sich in der k.u.k. Monarchie de facto eine marktbeherrschende Stellung gesichert, wie sie Stinnes für das Deutsche Reich anstrebte. Als stiller Teilhaber der BMW GmbH und Besitzer der Hansa und Brandenburgischen Flugzeugwerke GmbH, die von Ernst Heinkel konstruierte Flugzeuge an die österreichische und deutsche Marine verkaufte, hatte Castiglioni auf Unternehmen Zugriff, die Stinnes für seinen Luftfahrtkonzern benötigte. In einer Unterredung mit Vögler bot Castiglioni an, Stinnes durch eine Kapitalerhöhung an den Hansa und Brandenburgischen Flugzeugwerken zu beteiligen und zudem die Gründung einer BMW AG unter Beteiligung von Stinnes zu unterstützen.193 Castiglioni wollte bei diesem Geschäft vor allem vom Ansehen von Hugo Stinnes profitieren. Die zentrale Forderung, die er mit seinem Angebot stellte, war die Aufnahme in den Aufsichtsrat der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerksund Hütten-AG. Er sprach offen aus, dass er auf diese Weise festen Fuß in Deutschland fassen und Stinnes als Aushängeschild nutzen wolle.194 Die Gründung der BMW AG verzögerte sich aber. Daher leitete Stinnes bis Juni 1918 rund 2,5 Mio. Mark an die BMW GmbH, um die Finanzlage des Unter191
Kriegsamtsstelle München an Bayer. Kriegsministerium vom 26. 4. 1918, ebenda. Budraß, S. 92 ff. sowie Feldman: Stinnes, S. 436 ff. 193 Vögler an Stinnes vom 9. 3. 1918, ACDP 01-723 / 180 sowie Castiglioni an Vögler vom 11. 3. 1918, ACDP 01-220 / 191/5. 194 Obwohl Castiglioni letztlich das gewünschte Aufsichtsratsmandat nicht erhielt, so begann im März 1918 doch eine für ihn sehr gewinnträchtige Geschäftsbeziehung mit Hugo Stinnes, die ihren Höhepunkt mit dem gemeinsamen Erwerb der österreichischen Alpine-Montan-Union im März 1921 erreichte, vgl. Schleicher, S. 80 ff. 192
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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nehmens zu verbessern.195 Weil Stinnes Wiedmann misstraute, gelangte das Geld nicht direkt an BMW, sondern wurde über Castiglioni und die Hansa und Brandenburgischen Flugzeugwerke nach München geschickt. Außerdem unterstützen rund 260 Fachleute der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerksund Hütten-AG BMW beim Aufbau der Großserienproduktion für Flugmotoren. Aus diesem Grund reklamierten Stinnes und Vögler die Erfolge bei der Verbesserung des BMW-Produktionsprozesses für sich. Neben dem Militär, Camillo Castiglioni und Hugo Stinnes war die Nationalbank als größte Gläubigerbank sehr an der Gründung einer BMW AG interessiert. Der Vorsitzende der Nationalbank Hjalmar Schacht begrüßte das Engagement von Hugo Stinnes. Durch Wiedmann und seinen leichtfertigen Umgang mit Geld fürchtete die Nationalbank wohl nicht zu Unrecht um ihr eingesetztes Kapital, das für den nicht sehr unwahrscheinlichen Fall eines Konkurses verloren gewesen wäre. Die Bank ließ daher selbst die Lage des Unternehmens überprüfen.196 Josef Comes, der „seit vielen Jahren fast keine andere Tätigkeit ausgeübt hatte, als die Finanzierung von industriellen und Verkehrsunternehmen zu prüfen und durchzuführen“197, wurde zu diesem Zweck nach München geschickt. Der Bericht von Comes, dessen Ergebnisse auf einem 14tägigen vor Ort Besuch beruhten, bestätigte abermals, wie schlecht es um die Finanzen des Unternehmens bestellt war. Trotz dieser mächtigen Koalition aus Militär, Industriellen und Banken, die sich seit März 1918 prinzipiell einig waren, kam es nicht unmittelbar zur Gründung einer BMW AG. Zwei Faktoren scheinen hierbei maßgeblichen Einfluss ausgeübt zu haben. Zum einen wurde im Februar 1918 der größte Skandal in der deutschen Rüstungsindustrie während des Krieges publik. Dieser Skandal betraf nun ausgerechnet die Daimler-Motoren-Gesellschaft, den größten deutschen Produzenten von Flugmotoren und damit direkt das Marktsegment, in dem BMW aktiv war. Der sogenannte Fall Daimler198 hatte das in Presse und Öffentlichkeit heiß diskutierte Thema der Kriegsgewinne zum Inhalt. Zwischen militärischen Beschaffungsstellen und der DaimlerMotoren-Gesellschaft hatte sich ein Konflikt um Flugmotorenpreise entzündet, den das Unternehmen dadurch verschärfte, dass es sich zunächst weigerte, die eigenen Preisberechnungen offenzulegen. Als ungefähr zeitgleich beim Reichstag eine anonyme Anzeige gegen Daimler wegen angeblicher Kalkulationsfälschungen einging, wurde die Auseinandersetzung um die Flugmotorenpreise publik. Das Württembergische Kriegsministerium reagierte prompt und stellte nicht zuletzt wegen des Drucks der Öffentlichkeit Daimler unter militärische Aufsicht, die erst im Dezember 1918 wieder aufgehoben wurde. 195
Vögler an Stinnes vom 11. 6. 1918, ACDP 01-220 / 191/5. Exposé zu BMW vom 7. 3. 1918 sowie IdFlieg an Kriegsministerium, Allgemeines Kriegsdepartement vom 13. 4. 1918, ACDP 01-220 / 191/5. 197 Exposé zu BMW vom 7. 3. 1918, ebenda. 198 Vgl. Buschmann, S. 111–172. 196
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
Letztlich ergaben sich für die Anschuldigungen aber keine Anhaltspunkte. Die Vorgänge bei Daimler verunsicherten jedoch die potenziellen Gründungsaktionäre einer BMW AG und die militärischen Beschaffungsstellen, die ja direkt in den Fall Daimler involviert waren.199 Dies führte immer wieder zu einem Stocken der Verhandlungen. Während der Fall Daimler die Gründung der BMW AG nur verzögerte, brachte sie Max Wiedmann schließlich an den Rand des Scheiterns. Zunächst hatte er sich in den Verhandlungen mit Stinnes kooperativ gezeigt und gegen eine angemessene Entschädigungssumme sein Ausscheiden aus der BMW GmbH in Aussicht gestellt.200 So wurde ihm durch einen ersten Vertrag eine Privatvergütung in Höhe von 5 % des Verkaufspreises von jedem abgelieferten BMW IIIa in Aussicht gestellt. Bei einem Preis von 26 000 Mark und einer Bestellmenge von 2 500 Einheiten ergab dies die beachtliche Summe von 3,25 Mio. Mark.201 Aber Wiedmann schlug das Angebot aus und forderte eine noch höhere Abfindung. Zum Scheitern brachte Wiedmann die Verhandlungen mit Stinnes schließlich, indem er eine Beteiligung als Aktionär und ein Aufsichtsratsmandat der BMW AG verlangte. Diese Forderung war für Stinnes ebenso wie für Castiglioni und Schacht nicht akzeptabel, die allesamt geschäftlich nichts mit Wiedmann zu tun haben wollten.202 Im Juli 1918 erklärte Vögler schließlich für die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und HüttenAG und Hugo Stinnes den Verzicht auf eine Beteiligung an der BMW AG. Stinnes fühlte sich von Wiedmann hintergangen, der ein doppeltes Spiel trieb. Einerseits schraubte er gegenüber Stinnes seine Forderungen in immer größere Höhen, andererseits verhandelte er ohne Wissen der zukünftigen Aktionäre mit der IdFlieg über die Preise der BMW-Flugmotoren. Dabei behauptete er, im Namen des Gründungskonsortiums zu sprechen. Auf diese Weise hoffte Wiedmann eine Preiserhöhung von 26 000 Mark je Flugmotor, wie sie Stinnes und die IdFlieg kalkuliert hatten, auf 28 000 Mark zu erreichen. Dies hätte ihn in die Lage versetzt, die Finanzierungsprobleme der BMW GmbH zu lösen, womit die Gründung einer Aktiengesellschaft in seinen Augen nicht mehr nötig gewesen wäre. Letztlich hätte er so die zu erwartenden Gewinne für sich alleine beanspruchen können.203 Wiedmann 199
Kriegsamtstelle München an Bayer. Kriegsministerium vom 2. 4. 1918, BHStA MKr 14446. 200 Niederschrift über die am 19. Juli 1918 im Kgl. Kriegsministerium zu München stattgefundene Besprechung betreffend die Regelung der finanziellen Verhältnisse der BMW GmbH, ebenda. 201 Monatsbericht März 1918 der Motorenbauaufsicht München A für die Flugzeugmeisterei vom 2. 4. 1918, BHStA ILuft 148. 202 Vögler an Schacht vom 5. 7. 1918 sowie Castiglioni an Vögler vom 6. 7. 1918, ACDP 01-220 / 191/5. 203 BMW an Bayer. Kriegsministerium vom 18. 7. 1918 sowie Niederschrift über die am 19. Juli 1918 im Kgl. Kriegsministerium zu München stattgefundene Besprechung betreffend die Regelung der finanziellen Verhältnisse der BMW GmbH, BHStA MKr 14446.
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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verkannte seine Möglichkeiten völlig. In allen Besprechungen im Bayerischen und Preußischen Kriegsministerium, die seit März 1918 stattfanden und die Lage der BMW GmbH zum Thema hatten, wurde nahezu einhellig die Meinung vertreten, dass Wiedmann dem Unternehmen schade und so schnell wie möglich aus seiner Position entfernt werden müsse. Am 1. 8. 1918 wurde Wiedmann schließlich ins Bayerische Kriegsministerium zitiert, wo man ihm eröffnete, dass die Militarisierung204 der BMW GmbH angeordnet werde, wenn nicht bis zum 10. 8. 1918 die Gründung einer BMW AG ohne seine Beteiligung erfolgen würde.205 Falls es zur Militarisierung kommen sollte, wollten die militärischen Beschaffungsstellen den Konkurs der BMW GmbH folgen lassen.206 Diese Maßnahme erschien den militärischen Stellen nur konsequent, weil das Unternehmen ohnehin bereits zahlungsunfähig war und die Konkursanmeldung seit Monaten hinausgezögert worden war. Die Ankündigung des Militärs setzte nicht nur Wiedmann, sondern auch die Gläubigerbanken und Camillo Castiglioni unter Druck, die durch den angedrohten Konkurs viel Kapital verloren hätten. Nach dem Ausscheiden von Hugo Stinnes waren ohnehin bereits Verhandlungen mit anderen Investoren über die Gründung einer Aktiengesellschaft aufgenommen worden, die nun rasch abgeschlossen wurden. Am 12. 8. 1918 legten die zukünftigen Anteilseigner dem Bayerischen Kriegsministerium die Bedingungen für ihr Engagement vor. Die wichtigste Forderung war die formale Bestätigung aller bisher an die BMW GmbH vergebenen Aufträge und die Garantien eines Mindestpreises von 26 000 Mark pro BMW IIIa. Dieser Preis setzte sich aus Lohn, Material, Betriebs- und Handlungsunkosten zusammen und gewährte dem Unternehmen einen Gewinn von 15%. Außerdem sollte es der BMW AG gestattet werden, alle Werksanlagen im Wert von rund 23 Mio. Mark bis auf 1 Mark abzuschreiben.207 Die Bedingungen waren für die IdFlieg und das Bayerische Kriegsministerium akzeptabel und so wurde der Gründung einer BMW AG zugestimmt, deren Eintrag ins Handelsregister am 13. 8. 1918 erfolgte. Drei große Investorengruppen beteiligten sich am Grundkapital der BMW AG in Höhe von 12 Mio. Mark.208 Ein Drittel der Aktien übernahm der bayerische Industrielle Fritz Neumeyer, der in Nürnberg mit seinen Unter204
Die Militarisierung war eine Maßnahme, die das Gesetz über den Belagerungszustand den jeweiligen Militärkommandanten gab, um Unternehmen unter militärische Aufsicht zu stellen. Eigentlich sollte hierdurch die rasche Niederschlagung von Streiks gewährleistet werden. Für die jeweilige Geschäftsleitung eines Betriebes bedeutet die Militarisierung, dass sie einem abgeordneten Offizier gegenüber weisungsgebunden war, vgl. Buschmann, S. 137–138. 205 Niederschrift über eine Besprechung mit Wiedmann im Bayer. Kriegsministerium vom 1.August 1918, ebenda. 206 Niederschrift über die am 31.Juli 1918 im Kgl. Kriegsministerium zu München stattgefundene Besprechung betreffend die finanzielle Lage der BMW GmbH, ebenda. 207 Bayerische Vereinsbank an Bayer. Kriegsministerium vom 12. 8. 1918, BArchB R 2 / 290. 208 Ebenda.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
nehmen Fritz Neumeyer AG und der Zünder- und Apparatebaugesellschaft Nürnberg (Zündapp) zu einem bedeutenden bayerischen Industriellen aufgestiegen war.209 Ebenfalls ein Drittel der BMW-Aktien zeichnete der österreichische Industrielle Camillo Castiglioni, der schon seit Jahren im Hintergrund maßgeblichen Einfluss auf die Rapp Motorenwerke und die BMW GmbH ausgeübt hatte. Nun trat er erstmals offiziell als Teilhaber auf. Weitere 4 Mio. Mark an Aktien gingen in den Besitz eines aus vier Banken bestehenden Konsortiums über, das von den größten Gläubigerbanken der BMW GmbH angeführt wurde. Diese 4 Mio. Mark in BMW-Aktien teilten sich dabei folgendermaßen unter den beteiligten Instituten auf: 2 Mio. Mark gingen an die Nationalbank, 800 000 Mark an die Bayerische Vereinsbank, 600 000 Mark an die Bayerische Handelsbank und 600 000 Mark an die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank.210 Diese Aktionärsstruktur wurde insbesondere vom Bayerischen Kriegsministerium sehr begrüßt, da sich nun 50% der BMW-Anteile in den Händen von bayerischen Investoren befanden. Die zumindest nach außen hin führende Rolle der Banken bei der Gründung der BMW AG zeigte sich auch in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates, in dem Hans Christian Dietrich von der Bayerischen Vereinsbank den Vorsitz führte, während sich die beiden Industriellen Castiglioni und Neumeyer mit den Posten von stellvertretenden Vorsitzenden zufriedengaben. Besonders überraschend war aber die Beteiligung von zwei weiteren Personen im neuen BMW-Aufsichtsrat, von Max Wiedmann und von Dr. Joseph. Letzterer wurde auf ausdrückliche Bitte der Aktionäre als Vertreter der IdFlieg in den Aufsichtsrat delegiert.211 Dieser Schritt war eher ungewöhnlich. Mit dieser Berufung wollten die Investoren aber vermutlich zweierlei erreichen. Zum einen gewährte man größere Transparenz über die Vorgänge innerhalb der Gesellschaft und kam damit einer Hauptforderung nach, die das Militär immer wieder gegenüber Max Wiedmann erhoben hatte. Zum anderen wurde die IdFlieg durch diese Maßnahme enger an BMW gebunden, was angesichts des Kriegsverlaufs und des absehbaren Endes der Kampfhandlungen für einen Rüstungskonzern nur von Vorteil sein konnte. Der Einzug von Max Wiedmann in den Aufsichtsrat war hingegen weder im Sinne der Aktionäre noch des Militärs. Wiedmann hatte aber für seine rasche Einwilligung zur Gründung einer Aktiengesellschaft die Forderung nach einem Aufsichtsratssitz erhoben, um sein Gesicht wahren zu können. Im Gegenzug verzichtete er ausdrücklich auf jede Wahrnehmung seines Mandats und kündigte für die nahe Zukunft seinen Rückzug an. Geld war jedoch die Hauptmotivation für Wiedmanns Ausscheiden. So erhielt er als 209
Hoffmann/von Seherr-Thoß. Sitzungsprotokoll der Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank vom 11. 9. 1918, HVB Sitzungsprotokolle der Direktion der Bayerischen Hypothekenund Wechsel-Bank 1918. 211 Aktennotiz zur BMW AG undatiert, BHStA MKr 14446. 210
2.3. BMW in der Kriegswirtschaft (1917–1918)
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Tab. 6: Aufsichtsratsmitglieder der BMW AG, 1918 Name
Berufliche Tätigkeit
Dr. Hans Christian Dietrich Camillo Castiglioni Fritz Neumeyer Josef Böhm Paul Goldstein Dr. Hjalmar Schacht Max Wiedmann Dr. Joseph
Direktor der Bayerischen Vereinsbank Präsident der Allgemeinen Depositenbank Direktor der Fritz Neumeyer AG Direktor der Deutschen Bank Filiale München Direktor der Allgemeinen Depositenbank Direktor der Nationalbank – Justizrat und Bayer. Hauptmann bei der IdFlieg
Quelle: Geschäftsbericht der BMW AG für das Geschäftsjahr 1918, UU 1059/10 sowie Aktennotiz zur BMW AG undatiert, BHStA MKr 14446.
Kaufpreis für seine Anteile an der BMW GmbH 2 Mio. Mark und zudem weitere 1,5 Mio. Mark Entschädigung. Die BMW GmbH benannte sich schließlich in Maschinenwerke Schleißheimer Straße um und wurde zum 12. 11. 1918 liquidiert.212 Die Umfirmierung in eine Aktiengesellschaft und das Ausscheiden Wiedmanns führte zu einer Neubesetzung der Geschäftsführung. Dabei setzten einige Großaktionäre Männer ihres Vertrauens in leitenden Positionen ein. Franz Josef Popp wurde als einziges Vorstandsmitglied der BMW GmbH übernommen. Er war 1917 auf Betreiben Castiglionis nach München gelangt und genoss daher das Vertrauen des Wiener Finanziers.213 Außerdem hatte sich Popp beim Aufbau der Großserienfertigung für den BMW IIIa einen Namen gemacht und galt im Preußischen und Bayerischen Kriegsministerium wegen seines militärischen Rangs als k.u.k. Marineoffizier als zuverlässiger Mann. Neues Vorstandsmitglied zuständig für den kaufmännischen Bereich wurde Josef Comes. Er hatte im März 1918 im Auftrag der Nationalbank die finanziellen Verhältnisse der BMW GmbH überprüft und trat später bei Unterredungen zur Gründung der BMW AG immer wieder als Vertreter der Nationalbank auf. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Comes von der größten Gläubigerbank der BMW AG in den Vorstand entsandt wurde. Als drittes Vorstandsmitglied wurde Wilhelm Ferdinand Strauß eingesetzt. Strauß nahm seinen Posten aber erst einige Wochen nach Gründung der Aktiengesellschaft an, weil er erst von der Front freigestellt werden musste.214 Aus den spärlichen biografischen Informationen zu Strauß ist nicht zu ermitteln, ob er ebenfalls einem Großinvestor der BMW AG nahe stand. 212
Niederschrift der Gesellschafterversammlung der Maschinenwerke Schleißheimer Straße GmbH vom 21. 11. 1918, Knorr-Bremse AH 1893. 213 Vgl. S. 25–26. 214 Aktennotiz zur BMW AG undatiert, BHStA MKr 14446 sowie Handelsnachrichten, in: Der Motorwagen Jg. 21 (1918) Heft 28 und 33.
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
2.4. Zusammenfassung In der Einleitung wurde bereits erläutert, dass sich eine Unternehmensgründung als Prozess über einen längeren Zeitraum mit mehrere Phasen erstreckt.215 Am Beginn steht dabei der völlige Neuaufbau eines Betriebs, wobei neben dem juristischen Akt der Gründung durch Eintrag in das Handelsregister der Aufbau von funktionierenden Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsabteilungen geleistet werden muss. Die wichtigste Einflussgröße, die Strukturaufbau und Markteintritt von BMW bestimmte, war der Erste Weltkrieg, der gemäß der Gründungstheorie von Freiling zum äußeren Kontext zu zählen ist. Die Rapp Motorenwerke GmbH wurde ebenfalls entscheidend durch den Krieg beeinflusst. Allerdings gelang es dem Unternehmen um Chefkonstrukteur Karl Rapp seit Gründung im Jahr 1913 niemals dauerhaft, auf dem Luftfahrtmarkt Fuß zu fassen. Durch den Kriegsausbruch hatte sich zwar die Lage der Luftfahrtindustrie, die nun Großaufträge des Heeres erhielt, wesentlich verbessert, die Rapp Motorenwerke partizipierten aber nicht an diesem Boom. Die mangelhaften Motorenkonstruktionen von Karl Rapp verhinderten, dass nur ein einziges Produkt des Unternehmens zur Serienproduktion gelangte. Den Fortbestand der Firma sicherte letztlich die k.u.k. Marine, die wegen eines akuten Mangels an Flugmotoren für die Marineflieger seit 1915 auf die Produkte der Rapp Motorenwerke zurückgreifen musste. Die Marinesektion im k.u.k. Kriegsministerium hatte in den ersten drei Kriegsjahren maßgeblichen Anteil am Aufbau der Rapp Motorenwerke. Hohe Vorschusszahlungen und eine intensive Unterstützung bei der Lieferung von Rohmaterial sowie bei der Anwerbung von Arbeitskräften machten Werksausbau und Produktionsaufnahme überhaupt erst möglich. Von diesem umfassenden Engagement sollte die k.u.k. Marine nur einen geringen Nutzen haben. Die Zahl der ausgelieferten Motoren blieb weit hinter den Bestellungen zurück. Gerade als sich die Produktivität der Rapp Motorenwerke zur Jahresmitte 1917 deutlich verbessert hatte, wurde das Unternehmen umfirmiert und fast vollständig in den Dienst der deutschen Fliegertruppen gestellt. Das Scheitern der Rapp Motorenwerke beruhte fast ausschließlich auf unternehmensinternen Faktoren. Sehr gute Marktbedingungen und die umfassende Bereitstellung von Ressourcen konnten wegen struktureller und strategischer Defizite im Entwicklungs- und Produktionsbereich nicht genutzt werden. Verantwortlich hierfür waren in erster Linie die Gründerpersonen Karl Rapp und Max Wiedmann. Die Vorstellung des von Max Friz konstruierten Flugmotors BMW IIIa im Sommer 1917 änderte die Beurteilung der Rapp Motorenwerke durch die
215
Zu den theoretischen Grundlagen bei der Analyse von Unternehmensgründungen nach Freiling vgl. S. 4–6.
2.4. Zusammenfassung
61
deutschen militärischen Beschaffungsstellen grundlegend. Die geplante Zurückstufung zu einem Montagewerk für Benz- bzw. Daimler-Motoren wurde nicht mehr weiterverfolgt. Stattdessen erhielt das Unternehmen, das sich am 21. 7. 1917 in BMW GmbH unbenannte, nun jedwede Unterstützung von den deutschen Behörden. Obwohl die Bayerischen Motoren Werke in einer gewissen Kontinuität zu den Rapp Motorenwerken standen, kann man dennoch von einer Neugründung sprechen. Zum einen verfügte das Unternehmen mit dem BMW IIIa erstmals über ein konkurrenzfähiges Produkt, mit dem es sich auf dem Luftfahrtmarkt etablieren konnte. Zum anderen wurden erst im Zuge der Umfirmierung langfristig bestehende Strukturen geschaffen. Als Flugmotorenhersteller, der die deutschen Fliegertruppen belieferte, gehörte BMW zur Rüstungsindustrie und wurde seit der Jahresmitte 1917 in die deutsche Kriegswirtschaft einbezogen. Das Unternehmen unterlag nun den gleichen Regelungen wie alle übrigen Rüstungsproduzenten. So setzten das Bayerische und das Preußische Kriegsministerium gemeinsam eine Bauaufsicht zur Überwachung des Betriebs ein und gaben verbindliche Anordnungen für die Entwicklung, Fertigung und Lieferung von Flugmotoren. Die Beschaffungsstellen des Heeres waren aber auch maßgeblich am Aufbau des Betriebs beteiligt, indem sie BMW Produktionsfaktoren zuteilten. In der reglementierten Kriegswirtschaft erhielten nur wichtige Rüstungsbetriebe Maschinen, Rohstoffe und Arbeitskräfte. Seit der Vorstellung des IIIa genoss BMW jegliche Unterstützung von behördlicher Seite und wurde stets bevorzugt behandelt. Dennoch gab es Probleme, da wegen des großen Mangels an Rohstoffen und Arbeitskräften nicht alle Wünsche des Unternehmens adäquat befriedigt werden konnten. Neben den Produktionsfaktoren ist der Unternehmensgründer selbst ein zentrales Objekt jeder Analyse. BMW fehlt zwar eine dominierende Gründungspersönlichkeit, wie es Carl Benz, Gottlieb Daimler oder Hugo Junkers in anderen Firmen waren, gleichwohl prägen von Beginn an einige wenige Akteure das Unternehmen. Zu den Entscheidungsträgern, die in den folgenden Jahren die Firmenentwicklung nachhaltig bestimmen sollten, zählten der zukünftige Allein- bzw. Großaktionär Camillo Castiglioni, der spätere Generaldirektor Franz Josef Popp und Chefkonstrukteur Max Friz. Diese personelle Konstellation war ein zentraler Unterschied zwischen BMW und den Rapp Motorenwerken. Erfolg und Misserfolg der beiden Unternehmen ausschließlich auf die handelnden Personen zurückzuführen, wäre aber eine verkürzte monokausale Analyse. Allerdings war insbesondere die Neubesetzung des Postens des Chefkonstrukteurs mit Max Friz ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die bestimmende Persönlichkeit der BMW GmbH war zunächst noch der größte Anteilseigner Max Wiedmann, der zugleich als Generaldirektor die Geschäfte führte. Während Karl Rapp mit der Umfirmierung der Rapp Motorenwerke ausschied, verblieb Wiedmann zunächst in leitender Stellung
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2. BMW im Ersten Weltkrieg
im Unternehmen. Er verspielte allerdings mit einer Reihe von Managementfehlern jegliches Ansehen bei den militärischen Beschaffungsstellen. Die finanzielle Situation der Gesellschaft verschlechterte sich zusehends, sodass ein Konkurs unmittelbar bevorstand. Bei einer Pleite hätten Militär und Gläubigerbanken alle Gelder verloren, die sie der BMW GmbH in Form von Krediten oder Vorschusszahlungen zur Verfügung gestellt hatten. Außerdem hätte sich der Serienanlauf des BMW IIIa, der für die deutschen Fliegertruppen großen militärischen Wert besaß, erheblich verzögert. In dieser Situation verlangten das Preußische und das Bayerische Kriegsministerium ultimativ die Umwandlung der BMW GmbH in eine Aktiengesellschaft. Wiedmann gab man die Hauptschuld für die Lieferverzögerung und die desolate Finanzlage des Unternehmens und zwang ihn zum Rücktritt. Die Gründung der BMW AG am 13. 8. 1918 stellte, obwohl es sich rein rechtlich um ein neues Unternehmen handelte, eine Fortsetzung der BMW GmbH dar. Produktportfolio, Produktionsstätten und Personal gingen weitgehend unverändert von der einen Gesellschaft auf die andere über. Die handelnden Personen bildeten bei BMW und den Rapp Motorenwerken den zentralen internen Kontext der Unternehmensgründung. Der externe Kontext wurde weitgehend durch den Ersten Weltkrieg bestimmt. Die Kriegswirtschaft wirkte sich auch auf alle Content-Dimensionen der Gründung – auf Unternehmenskultur, -strategie und -struktur – aus, da alle Entscheidungen auf die Anforderungen des Militärs hin ausgerichtet wurden. Wichtige Gründungsressourcen wie Kapital, Rohstoffe oder Mitarbeiter konnten nur mithilfe von staatlichen Stellen aufgebaut werden, womit diese als externe Akteure erheblichen Steuerungseinfluss gewannen. Wegen der eindimensionalen Ausrichtung von BMW auf den im Krieg geschaffenen Rüstungsmarkt konnte der Gründungsprozess bis zum Jahresende 1918 nicht abgeschlossen werden. Die Kriegswirtschaft war ein zeitlich begrenztes Phänomen. Das Erreichen einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und damit einer Etablierung der Firma auf dem Markt, die als Voraussetzung für den Abschluss einer Unternehmensgründung gilt, war in dieser Phase nicht möglich.
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925) 3.1. Auswirkungen von Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922) 3.1.1 Neuausrichtung des Unternehmens Die Weimarer Republik musste bereits zu Beginn ihrer Geschichte eine Vielzahl von Herausforderungen meistern. Für die Stabilität der jungen deutschen Demokratie war es von entscheidender Bedeutung, ob die Demobilmachung des Heeres und der Kriegswirtschaft gelingen würde. Der Prozess der Demobilmachung beinhaltete zwei große Aufgaben. Zum einen mussten die rund sechs Millionen aus dem Feld heimkehrenden Soldaten mit Arbeitsplätzen versorgt und in das Wirtschaftsleben integriert werden. Zum anderen sollten die Betriebe, deren Produktion weitgehend auf Rüstungsgüter ausgelegt war, möglichst rasch zur Fertigung von Gebrauchsgütern übergehen. Obwohl Revolution und militärische Niederlage in manchen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen zu einer Destabilisierung führten, gelang der schnelle Aufbau von handlungsfähigen Institutionen, die die Demobilmachung erfolgreich durchführten.1 Bereits am 12. 11. 1918 wurde unter Joseph Koeth ein Reichsdemobilmachungsamt geschaffen, dessen Aufgabe die Überführung der deutschen Wirtschaft in den Frieden war.2 Der föderalen Struktur des Deutschen Reichs wurde dadurch Rechnung getragen, dass unterhalb des Reichsdemobilmachungsamts in einigen Staaten Staatskommissare eingesetzt wurden. In Bayern übernahm Kurt Königsberger dieses Amt, das ihm die Befugnis gab, „alle Anordnungen zu erlassen, die erforderlich sind, um Störungen des Arbeitsmarktes infolge der wirtschaftlichen Demobilmachung vorzubeugen oder abzuhelfen“3. Für eine effiziente Arbeit bedurfte es aber der weiteren Untergliederung bis hin zur lokalen Verwaltung. Unterhalb des Staatskommissars wurden daher die Regierungspräsidenten zu Demobilmachungskommissaren ernannt. Diesen unterstanden wiederum in jedem Kommunalverbund eingerichtete Ausschüsse, die ein lokaler Vertreter, meist der jeweilige Bürgermeister oder Landrat, leitete und die paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerverbände besetzt waren. Der schnelle Aufbau einer funktionierenden Verwaltungsstruktur zur Umsetzung der Demobilmachung wurde dadurch begünstigt, dass bereits während des Kriegs Vorbereitungen zur Umstellung der Rüstungswirtschaft
1 2 3
Sperl, S. 289–316, Bessel, S. 109–124 sowie Schwarz, S. 39 ff. Wachs, S. 53–57. Königsberger, S. 194.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
auf Friedensproduktion getroffen worden waren.4 Grundlage dieser Planungen waren Umfragen innerhalb der Industrie, bei denen die Unternehmen Auskunft über ihre geplante Friedensproduktion und die dafür benötigten Arbeitskräfte und Rohstoffmengen geben sollten.5 Hauptmanko der im Krieg entwickelten Konzepte war, dass diese von einem Sieg des Deutschen Reiches und der Möglichkeit einer langsamen Umstellung der Industrie ausgingen. Militärische Niederlage und Revolution führten jedoch zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sofortiges und nachdrückliches Handeln erforderten. Damit waren viele Planungen obsolet. Am deutlichsten zeigte sich dies in der schlagartigen Rückkehr von Millionen deutscher Soldaten, die möglichst rasch Arbeitsplätze erhalten sollten. Wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres ehemaligen Arbeitgebers zuließen, sollten die Frontheimkehrer die Arbeitsstelle erhalten, die sie bereits vor dem Krieg innegehabt hatten.6 Man wollte allerdings vermeiden, dass die Einstellung der Soldaten auf Kosten der übrigen Arbeiter erfolgte. Daher wurde von der bayerischen Regierung durch einen Erlass vom 21. 11. 1918 eine vierwöchige Kündigungsfrist für alle Arbeiter eingeführt.7 Auf diese Weise versuchten die Behörden zu verhindern, dass sich die Zahl der Arbeitslosen drastisch erhöhte und so die revolutionäre Stimmung weiter angeheizt würde. Diese notwendigen staatlichen Verordnungen stellten die Unternehmen vor Probleme. Einerseits mussten die Arbeiten an Rüstungsgütern nach dem Waffenstillstand stark eingeschränkt werden. Andererseits verschlechterte sich die Versorgung mit Rohstoffen, sodass vielen Betrieben die Ausgangsstoffe für die Fertigung ihrer Produkte fehlten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es daher sinnvoll gewesen, den Großteil der Arbeiter zu entlassen und mit einer verkleinerten Belegschaft die Umstellung der Produktion durchzuführen. Die ausreichende Versorgung der deutschen Industrie mit Rohstoffen bereitete schon im Krieg erhebliche Probleme, die sich nach der Revolution noch potenzierten. Die bayerische Wirtschaft wurde dabei besonders hart getroffen, da sie fast zur Gänze von den Lieferungen aus anderen Regionen abhängig war. Der wichtigste Rohstoff für die Industrie war Kohle, die traditionell aus Böhmen und dem Ruhrgebiet nach Bayern gelangte. Zum Jahresende 1918 traten aber massive Lieferschwierigkeiten auf, die einschneidende
4
Zu den Demobilmachungsvorbereitungen während des Ersten Weltkriegs vgl. Bessel, S. 49–68. 5 Bekanntmachung an die Industriebetriebe im Bereiche des kgl. bayer. I. Armeekorps. vom 28. 12. 1917 Betreff: Demobilmachung, BHStA MJu 10693. 6 Staatskommissar für Demobilmachung an die Herren Demobilmachungskommissare und die Demobilmachungsausschüsse vom 16. 11. 1918, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. 72. 7 Sperl, S. 295.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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Maßnahmen erforderten.8 Die bayerische Wirtschaft stand vor dem Kollaps und die Versorgung der Privathaushalte mit Kohle war ebenfalls mehr als gefährdet. Der Staatskommissar für Demobilmachung in Bayern ließ daher per Verfügung zum 6. 12. 1918 alle Rüstungsarbeiten einstellen.9 Die Konsequenz dieser Maßnahme war die massenhafte Ausstellung von Arbeitskräften. So wurden allein in München vom Waffenstillstand bis Januar 1919 von 82 627 Arbeitern 22 551 entlassen und am 11. 1. 1919 waren überhaupt nur noch 1 626 Personen in der Rüstungsproduktion tätig.10 Die angeordnete Stilllegung der Rüstungsindustrie widersprach dem eigentlichen Gesamtkonzept der Demobilmachung, das Entlassungen in jedem Fall verhindern wollte. Der Engpass bei den Kohlenlieferungen ließ allerdings keine andere Entscheidung zu. BMW produzierte im Dezember 1918 lediglich Flugmotoren für die Fliegertruppen und damit Rüstungsgüter. Die Unternehmensführung traf nach Bekanntgabe des Erlasses über die Einstellung der Rüstungsarbeit die Entscheidung, das Werk stillzulegen und alle Beschäftigten zu entlassen.11 Die Stilllegung war eine einschneidende Maßnahme. Zwar entließen die meisten Unternehmen Mitarbeiter, aber die wenigsten schlossen ihre Werke komplett. Die Betriebseinstellung bei BMW wurde wohl vor allem durch zwei Faktoren nachhaltig beeinflusst. Zum einen hatte BMW zwar Pläne für eine Friedensproduktion getroffen, benötigte hierfür jedoch umfangreiche Rohstofflieferungen, die zum Großteil ausblieben (vgl. Tab. 7). Zum anderen waren die meisten BMW-Aktionäre der Meinung, dass dem Unternehmen ohnehin keine Zukunft beschieden sei und die Liquidation der richtige Weg wäre.12 Von allen Aktionären behielt nur Camillo Castiglioni nach Kriegsende ein Interesse an BMW. Den Zeitraum von der Betriebsstilllegung bis zum Jahreswechsel 1918/19 nutzte er, um alle Aktien zu erwerben, wodurch er zum alleinigen Gesellschafter der BMW AG wurde. Die übrigen Investoren waren hingegen froh, dass sie ihre Unternehmensanteile verkaufen konnten, weil sie nicht an eine erfolgreiche Umstellung von BMW auf Friedensproduktion glaubten.13 8
Wochenbericht des Kohlereferates der Kriegsamtsstelle München für die Zeit vom 17. 11.–23. 11. 1918, BHStA MKr 14382. 9 Bayer. Staatskommissar für Demobilmachung an Reichskommissar für Demobilmachung vom 8. 12. 1918, BHStA MH 16158. 10 Verlauf der Umstellung der Industrie seit Eintritt des Waffenstillstandes im Bereich der Demobilmachungsstelle München vom 24. 2. 1919, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. 78. 11 Die Bayerischen Motorenwerke in Milbertshofen, in: Münchner Augsburger Zeitung vom 13. 12. 1918, StadtAM ZA 291 sowie Schreiben des Kommissar des Reichsfinanzministeriums für Rechtsangelegenheiten aus dem Krieg vom 13. 4. 1921 und BMW an die IdFlieg vom 26. 12. 1918, BarchB R 2 / 290, Bl. 12–16 und Bl. 31–34. 12 Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. 13 Sitzungsprotokolle der Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank vom 19. und 20. 2. 1919, HVB Sitzungsprotokolle der Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank 1919, Popp: Geschichte Dreier Fabriken, BArchB R8119 / P3080, Bl. 51 ff. sowie Heinkel, S. 67.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Tab. 7: Rohstoffbedarf der BMW AG für die Aufnahme einer Nachkriegsproduktion, 1918 Bedarf im ersten Monat nach der Demobilmachung Kohle in t Koks in t Kupfer in kg Aluminium in kg Zinn in kg Zink in kg Blei in kg Messing in kg Rotguss in kg Weißmetall in kg Holz in m³
500 130 1 000 40 000 300 5 000 100 3 000 3 000 5 000 20
Gesamtbestand Bedarf im ersten Vierteljahr nach der am 1. 10. 1918 Demobilmachung 1 500 400 3 000 120 000 900 15 000 300 9 000 9 000 5 000 60
150 430 2 787 49 500 1 000 14 000 300 5 000 5 000 1 500 20
Quelle: Zusammenstellung über die Rohstoffkarte der Kriegsamtsstelle München vom 31. 10. 1918, BHStA MH 16162.
Zum 1. 2. 1919 nahm BMW schließlich mit einer um rund 90% verkleinerten Belegschaft den Betrieb wieder auf.14 Wegen der politischen Unruhen im Zuge der Münchner Räterepublik kam es aber wohl frühestens im Mai 1919 zu einem geregelten Produktionsablauf, in dessen Zentrum aber nicht mehr der Flugmotorenbau stand. Mit Kriegsende wandelte sich die Lage auf dem Flugmotorenmarkt dramatisch. Die Waffenstillstandsvereinbarung verbot Deutschland den weiteren Unterhalt von Luftstreitkräften, der Versailler Vertrag schrieb dieses Verbot endgültig fest.15 Dadurch verlor die Luftfahrtindustrie ihren einzigen Kunden, das Militär. Einige Betriebe bemühten sich, zivile Anwendungen des Flugzeugs zu fördern, und glaubten, mit Luftverkehrsgesellschaften oder Luftbildkartografie Gewinne machen zu können. Die meisten dieser Projekte scheiterten jedoch an den hohen Unterhaltskosten für Flugzeuge. Zivile Luftfahrt in jeglicher Form sollte in den 1920er und 1930er Jahren ein Zuschussgeschäft bleiben, das sich nur mittels staatlicher Subventionen aufrechterhalten ließ.16 BMW beteiligte sich dennoch an einigen zivilen Luftfahrtunternehmen und gehörte mit rund einem Dutzend anderer Unternehmen im Jahr 1919 zu den Gründern der Bayerischen Luft-
14
BMW Geschäftsbericht 1918, BMW UU 1059/10 sowie k.u.k. Marinebauaufsicht der BMW AG an k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion vom 23. 1. 1919, ÖStA, Kriegsarchiv, k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion. III.G.G. Abt. 5.10.11 1918–1921 / 7 A/3. 15 Vgl. S. 125–127. 16 Vgl. S. 129–130.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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bild-Gesellschaft mbH.17 Mit Beteiligungen an Luftfahrtgesellschaften wollte BMW sich einerseits Abnehmer sichern. Dies war die offensichtliche Strategie, die hinter solchen Investitionen stand. Andererseits ging es aber auch darum, neue Anwendungsmöglichkeiten des Flugzeugs zu fördern und einen zivilen Markt für Flugzeuge und Flugmotoren zu entwickeln. Durch die alliierten Verbote und das Scheitern der meisten unmittelbar nach dem Krieg entstandenen zivilen Fluggesellschaften zerstoben diese Pläne und so stellte BMW wohl spätestens 1920 den Flugmotorenbau endgültig ein.18 Während sich die Fortführung des Flugmotorenbaus in den ersten Friedensjahren nicht bewährte, konnte BMW zumindest die Kriegsaufträge finanziell erfolgreich abwickeln. Die IdFlieg hatte 3 100 Motoren – 2 500 BMW IIIa und 600 BMW II – im Gesamtwert von 124,5 Mio. Mark bestellt. Tatsächlich zur Auslieferung gelangten nur 591 Motoren in einem Wert von ca. 20 Mio. Mark.19 Im August 1918 hatte die IdFlieg die Forderung der BMWGründungsaktionäre akzeptiert, dass „dem Werk volle Entschädigung zu gewähren sei, sollte sie [die IdFlieg] aus irgendeinem Grunde die Lieferung nicht mehr wollen“20. Aufgrund dieses Sachverhaltes konnte sich BMW aussichtsreiche Hoffnungen auf umfangreiche Entschädigungsleistungen machen. In den unmittelbar nach Kriegsende beginnenden Verhandlungen mit mehreren staatlichen Abgeltungsstellen forderte BMW zweierlei. Zum einen wollten die Verantwortlichen des Unternehmens für den entgangenen Umsatz von rund 100 Mio. Mark eine umfassende Entschädigung erhalten, zum anderen verlangten sie eine finanzielle Unterstützung für die Umstellung auf eine Friedensproduktion. Die Gespräche mit den Reichsstellen oblagen dem BMW-Vorstand Wilhelm Strauß, der über Monate hinweg in Berlin verhandelte. Strauß stellte gleich in der ersten Besprechung mit Vertretern der IdFlieg, des Preußischen Kriegsministeriums und des Reichsverwertungsamtes hohe Entschädigungsforderungen an den Fiskus.21 Er nahm dabei den Standpunkt ein, dass die Gründung der Aktiengesellschaft und der umfangreiche Werksausbau, der rund 24 Mio. Mark gekostet hatte, einzig auf Veranlassung der IdFlieg erfolgt sei. Diesen hohen Investitionen stünden keinerlei Gewinne des Unternehmens oder der Aktionäre gegenüber, da alle Einnahmen wieder investiert 17
Bayer. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten an Bayer. Staatsministerium des Inneren vom 29. 4. 1920, BHStA MInn 66568 sowie Bayer. Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe an Reichsverkehrsministerium vom 12. 5. 1921, BHStA MInn 66570. 18 Aktennotiz zu einer Rücksprache Seitz/Schleissing/Offermann/Rasch mit Direktor Strauß im Berliner Büro am 7. 1. 1920, DMM/ASD JA 0301_T03. 19 Schreiben des Kommissars des Reichsfinanzministeriums für Rechtsangelegenheiten aus dem Krieg am 13. 4. 1921, BArchB R 2 / 290, Bl. 12–16. 20 Bayerische Vereinsbank an Bayer, Kriegsministerium vom 12. 8. 1918, BHStA MKr 14446. 21 Protokoll zur Konferenz am 20. 1. 1919 betr.: BMW, BArchB R 2 / 291, Bl. 53–57.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
wurden und die Ausschüttung von Dividenden untersagt worden war, solange die Werksanlagen nicht bis auf 1 Mark abgeschrieben seien. Das Unternehmen verfüge daher über keine Rücklagen und müsse nun zudem hohe Investitionen für die Umstellung der Produktion auf zivile Gebrauchsgüter tätigen. Die Darstellung der finanziellen Situation von BMW entsprach weitgehend der Wahrheit. Die letzten Investitionen, die zum Aufbau einer Großserienfertigung des BMW IIIa notwendig gewesen waren, wurden im Zeitraum von August bis Oktober 1918 getätigt. Genau zu dem Zeitpunkt, zu dem sich diese Investitionen zu amortisieren begonnen hätten, schränkte der Waffenstillstand die Produktion stark ein. Während der auf Kriegslieferungen ausgerichtete Finanzplan des Unternehmens für das Jahr 1919 mit monatlichen Einnahmen von 4,5 bis 8 Mio. Mark kalkulierte, glaubte man, im Frieden monatlich maximal 1,5 Mio. Mark realisieren zu können.22 Die IdFlieg und das Preußische Kriegsministerium erkannten aufgrund der Vertragslage sehr rasch die Ansprüche von BMW aus den laufenden Verträgen an. Als Entschädigung erhielt BMW 32 756 000 Mark, also rund ein Viertel des eigentlichen Auftragsvolumens.23 Diese Summe wurde allerdings mit bereits an BMW überwiesenen Vorschüssen für noch nicht produzierte Flugmotoren verrechnet, sodass letztlich nur 4 529 000 Mark nach München überwiesen wurden. Diese erste Entschädigungszahlung konnte die unmittelbar nach Kriegsende eintretenden akuten Finanzprobleme des Unternehmens nicht lindern. Das Reichsschatzministerium gewährte daher noch im Januar 1919 eine weitere Abschlagszahlung von 18 Mio. Mark, die die Zahlungsfähigkeit von BMW sichern und zugleich als Umstellungsbeihilfe für die Aufnahme einer Friedensproduktion dienen sollte.24 Diese zweite Abschlagszahlung wurde im Laufe des Jahres 1919 nach intensiven Verhandlungen schließlich auf 30 Mio. Mark erhöht.25 Letztlich war die zweite Umstellungsbeihilfe ein Entgegenkommen der staatlichen Stellen, die wohl rein rechtlich mit der ersten Entschädigungszahlung alle Kriegsaufträge abgegolten hatten. Dies belegt auch die Tatsache, dass 1921 Mitarbeiter des Reichsfinanzministeriums gegen BMW Ermittlungen aufnahmen. Die dabei unterstellte doppelte Entschädigung für entgangene Aufträge erwies sich jedoch als falsch.26 Die zweite Zahlung gewährten die Behörden vielmehr bewusst, um der Firma die Aufnahme einer Friedensproduktion zu ermöglichen. Insbesondere die militärischen 22
BMW an Staatsminister für militärische Angelegenheiten vom 26. 11. 1918, BMW XA 67. 23 Bericht der IdFlieg. Betr.: BMW-Forderungen vom 26. 12. 1918 auf Entschädigung für noch laufende Heeresaufträge vom 2. 1. 1919, BArchB R 2 / 291, Bl. 40–42. 24 Protokoll zur Konferenz am 20. 1. 1919 betr.: BMW, BArchB R 2 / 291, Bl. 53–57. 25 Schreiben des Kommissars des Reichsfinanzministeriums für Rechtsangelegenheiten aus dem Krieg am 13. 4. 1921, BArchB R 2 / 290, Bl. 12–16. 26 Akten-Notiz über eine Besprechung betreffend Abgeltungsansprüche der Bayerischen Motoren Werke vom 6. 5. 1921, BArchB R 2 / 290, Bl. 3.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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Beschaffungsstellen unterstützten BMW. Eine Abwicklung des Betriebes war unter militärischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert, weil damit ein zentrales Unternehmen der militärischen Luftfahrt untergegangen wäre. Bei der Abgeltung der Kriegsaufträge erwies sich die enge Verbindung von BMW zu den militärischen Stellen, die in den 1920er Jahren fortbestand und sich zu einer Grundkonstante des BMW-Flugmotorenbaus entwickelte, erstmals als großer Vorteil für das Unternehmen. Nach Kriegsende wickelte BMW auch die Aufträge des österreichischen Kriegsministeriums ab. Die Verhandlungen führte der BMW-Vorstand Franz Josef Popp, der bereits im April 1919 einen Vergleich abschließen konnte. BMW hatte zwar sehr hohe Vorschusszahlung der Österreicher für den Lizenzbau von Austro-Daimler-Motoren erhalten, aber bis Kriegsende nur einen Bruchteil der Bestellungen ausgeliefert. Daher hätte BMW eine erhebliche finanzielle Wiedergutmachung leisten müssen. Letztlich verzichteten die Österreicher auf viele ihrer Forderungen und begnügten sich mit einer Abschlagszahlung von 474 944 Mark für Rohmaterial, das bei BMW für die Weiterverarbeitung zu Austro-Daimler-Motoren lagerte, nun aber anderweitig von der Firma verwendet wurde.27 Die Entschädigungszahlungen und Umstellbeihilfen, die BMW von diversen Reichsstellen erhielt, reichten nicht aus, um eine Friedensproduktion aufzubauen. Dies war nur durch die Aufnahme von Krediten möglich. Um Firmen bei der Finanzierung zu helfen, wurde vom Reichschatzministerium die Hilfskasse für gewerbliche Unternehmen eingerichtet. An diese Stelle wandte sich BMW 1919 und erhielt schließlich zwei zweckgebundene Kredite über je 5 Mio. Mark.28 Zur Sicherung der beiden Kredite diente eine Hypothek auf das Werksgelände einschließlich der Produktionsanlagen. Ein moderater Zinssatz von 5,5% und eine rund dreijährige Laufzeit der Kredite waren sehr attraktive Bedingungen. Auf diese Weise leistete die gewerbliche Hilfskasse eine wichtige Anschubfinanzierung. Die beiden Darlehen waren für die zwei Produktionssparten gedacht, die sich nach dem Krieg als neue Standbeine von BMW herauskristallisierten. Zum einen sollten Motoren für diverse Anwendungen gebaut werden. Zum anderen flossen die Gelder der gewerblichen Hilfskasse in den Aufbau einer Lizenzproduktion von Güterwaggonbremsen. Während des Krieges hatte BMW nur in bescheidenem Umfange für eine Friedensproduktion geplant. So wurde 1917 die Lizenz für einen Motorpflug von der Firma Karwa erworben, für den BMW einen eigenen Motor ent-
27
Aktennotiz für den Leiter des Militärliquidierungsamtes vom 17. 6. 1920 sowie BMW an das liquidierte k.u.k. Kriegsministerium vom 1. 4. 1919, ÖStA Kriegsarchiv k.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion III. G.G. Abt. 5.10.11 1918–1921 / 11 C/2. 28 BMW an die Hilfskasse für gewerbliche Unternehmen vom 24. 11. 1919 sowie Hilfskasse für gewerbliche Unternehmen an BMW. Betr.: Darlehensvertrag Nr. 175, BHStA Bayerische Gesandtschaft in Berlin 1917.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
wickeln wollte.29 Zu einer Fertigung des Motorpflugs in München kam es jedoch nicht. Naheliegender als der Bau eines Motorpflugs war die Aufnahme einer zivilen Motorenfertigung, weil Arbeiter, Maschinen und Rohmaterial für diese Produkte bei BMW vorhanden waren. Daher konstruierte die Entwicklungsabteilung Motorrad-, Automobil-, LKW-, Boots- und Stationärmotoren, die sich oft an die Ausführung der BMW-Flugmotoren anlehnten.30 Mit dieser Motorenfertigung stieß BMW in ein Marktsegment vor, das von vielen Anbietern in der Demobilmachung geradezu überschwemmt wurde. Daher rechnete man in den Jahren 1919 und 1920 mit rund 30 Mio. Mark Verlust.31 Obwohl es gelang, einige Kunden wie den Nürnberger Motorradhersteller Victoria Werke AG oder den Lkw-Hersteller Goosen zu gewinnen32, konnte sich BMW nicht nachhaltig und dauerhaft als Hersteller von Motoren für zivile Anwendungen etablieren. Die naheliegende Umstellung der Produktpalette von Flugmotoren auf Motoren für den zivilen Gebrauch war keine erfolgreiche Strategie, da BMW nicht nur die Vertriebsstrukturen fehlten, sondern man sich zudem mit einer Vielzahl von Konkurrenten auseinandersetzen musste. Im Gegensatz zum Motorenbau erwies sich die Leichtmetallgießerei als profitable Einrichtung.33 Seit Kriegende hatte BMW damit begonnen, für andere Industrieunternehmen Gussteile zu fertigen. Man warb sogar Vertreter an, die weit über die Grenzen Bayerns hinaus Kunden akquirieren sollten. Auf Messen wurden nicht nur Motoren, sondern auch Musterteile aus der Gießerei gezeigt.34 Der große Vorteil der BMW-Gießerei war, dass sie sich auf modernstem Stand befand und für Großserienproduktion ausgelegt war. Damit konnte BMW den Kunden eine hohe Produktqualität bei großen Stückzahlen anbieten. Motorenbau und Leichtmetallgießerei waren aber nicht die zentralen Produktionsstandbeine von BMW in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Seit 1919 fertigte das Unternehmen Druckluftbremsen für Eisenbahnwaggons in Lizenz. Die Länderbahnen bzw. die Reichsbahn, die am 1. 4. 1920 gegründet wurde, spielten als Staatsbetriebe eine wichtige Rolle im Prozess der Demobilmachung. So belief sich beispielsweise der Belegschaftsstand der Reichsbahn durch die Übernahme zahlreicher ehemaliger Soldaten und Arbeitsloser 29
BMW GmbH. Bilanz per 31. 12. 1917, ACDP 01-220 / 191/5, Die Stunde des Motorpflugs, in: Der Motor März/April 1919, zitiert nach BMW UA 565, Wagenführ an Preuß. Kriegsministerium vom 3. 3. 1919, BArchB R 2 / 290, Bl. 74–75 sowie Simons/ Zeichner, S. 51–53. 30 Lange: Geschichte, S. 48 ff. 31 BMW an IdFlieg vom 2. 1. 1919, BArchB R 2 / 290, Bl. 35–37. 32 Simons/Zeichner, S. 55 sowie Werner: Motorrad-Klassiker, S. 123–151. 33 BMW Geschäftsberichte 1919–1921, BMW UU 1060/10, UU 1061/10 und UU 1101/10. 34 Vertretervertrag zwischen der BMW AG und Heinrich Haiss vom 15. 11. 1921, BMW UA 38 sowie Industrielle Mitteilungen über die Ausstellung. Die Bayerischen Motoren Werken, in: Der Motorwagen Jg. 24 (1921) Heft 27, S. 615.
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1920 auf über 1 Mio. Personen, während 1913 nur rund 692 000 Beschäftigte angestellt waren.35 Die Reichsbahn vergab zudem großzügig Aufträge an die Industrie. Diese Bestellungen waren Teil eines großen staatlichen Konjunkturprogramms zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft. Allerdings waren die Investitionen zu Modernisierung und Ausbau der Reichsbahn auch notwendig. Einerseits wurde der Reichsbahn durch die Reparationen Substanz entzogen, weil Deutschland in großer Zahl Güterwaggons und Lokomotiven an die Alliierten übergeben musste. Andererseits hatte der Erste Weltkrieg einen Investitionsstopp bewirkt, der nun nach dem Krieg zu einem Modernisierungsdruck führte. Ein wichtiges Element beim Neuaufbau der Reichsbahn war die Einführung von Druckluftbremsen für Güterwaggons. Dadurch konnte die Betriebssicherheit gesteigert, gleichzeitig jedoch die Geschwindigkeit und die Zuglänge deutlich erhöht werden. In den USA wurde diese Technologie bereits seit 1906 erfolgreich eingesetzt. Bis 1926 erfolgte die Umrüstung aller deutschen Güterwaggons, was einem Investitionsvolumen von 478 Mio. RM entsprach.36 Der größte industrielle Nutznießer dieser Umrüstung war die in Berlin ansässige Knorr-Bremse AG. Das Unternehmen hatte bereits vor dem Krieg eine patentierte Druckluftbremse entwickelt, die nach 1918 schrittweise in allen Güterwaggons der Reichsbahn eingesetzt wurde.37 Dadurch expandierte die Knorr-Bremse und die Berliner Fabrik geriet rasch an ihre Kapazitätsgrenzen. Dies war der Hauptgrund, weshalb die Knorr-Bremse AG am 18. 6. 1919 mit der BMW AG einen Vertrag über die Lizenzproduktion ihrer Güterwaggonbremse abschloss.38 Auf den gleichen Tag datierte auch ein Vertrag zwischen BMW und der Bahnpatentgesellschaft zu Berlin. Letztere verwaltete offenbar die Patentrechte an der Knorr-Güterwaggonbremse. Den sechs größten Anteilseignern der Knorr-Bremse AG, unter ihnen die Ludwig Loewe AG als Mehrheitsaktionär, gehörte auch die Bahnpatentgesellschaft.39 Die beiden Verträge vom 18. 6. 1919 bildeten die Grundlage für den Lizenzbau der Knorr-Güterwaggonbremse bei BMW in den Jahren 1919 bis 1922. Von der Bahnpatentgesellschaft erwarb BMW für 3,5 Mio. Mark die Schutzrechte der Bremse, deren Produktion hingegen im Vertrag zwischen BMW und der Knorr-Bremse geregelt wurde. Die Knorr-Bremse gewährte BMW hierin das Herstellungsrecht für ihre patentiere Bremse für den Zeitraum von Juli 1919 bis Dezember 1930 und garantierte ein jährliches Auftragsvolumen von mindestens 15 Mio. Mark. Als Gegenleistung sollte die Knorr-Bremse ein Drittel des Gewinns der Bahnmaterial-Abteilung der 35
Gall/Pohl, S. 86 und S. 92 ff. Pohl: Sicherheit, S. 102 ff. 37 Ebenda, S. 44–45 und S. 58 ff. 38 Vertrag vom 18. 6. 1919 zwischen der Knorr-Bremse AG und der BMW AG, Knorr AH 1891. 39 Vertrag vom 18. 6. 1919 zwischen der Bahnpatentgesellschaft zu Berlin und der BMW AG, Knorr AH 1892. 36
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
BMW AG erhalten. Der Gewinnanteil sollte jeweils nach der ordentlichen Generalversammlung der BMW AG überwiesen werden. Maßgebliche zumindest indirekte Unterstützung diverser bayerischer Behörden hatte BMW die Aufnahme der Lizenzproduktion von Bremsen erleichtert. Bis April 1920 war die Fusion zur Reichsbahn noch nicht erfolgt, sodass die Knorr-Bremse mit den einzelnen Landesbahnen über die Einführung ihrer Güterwaggonbremse verhandeln musste. Das Bayerische Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten hatte bei diesen Verhandlungen immer wieder mit Nachdruck betont, dass es der Einführung der Knorr-Güterwaggonbremse in Bayern nur dann zustimme, wenn diese von einer bayerischen Firma produziert werde.40 Mehrere bayerische Unternehmen waren in diese Verhandlungen, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg aufgenommen wurden, einbezogen und erhielten als potenzielle Lizenznehmer der Knorr-Bremse AG Unterstützung durch den bayerischen Staat.41 Nachdem BMW sich mit der Knorr-Bremse geeinigt hatte, stellte der bayerische Staat die Unterstützung für die übrigen interessierten Unternehmen ein. Mit der Lizenzfertigung von Eisenbahnbremsen profitierte BMW schließlich vom Investitionsprogramm zugunsten der Reichsbahn, das zur Unterstützung der Wirtschaft seit 1919 vorangetrieben wurde. BMW wurde somit in hohem Maße von der staatlichen Wirtschaftspolitik während der Demobilmachung beeinflusst. Letztlich gelang durch die mittels staatlicher Gelder finanzierte Aufnahme der Lizenzproduktion von Güterwaggonbremsen eine Stabilisierung des Unternehmens.42 Zur Neuausrichtung von BMW trug die Fertigung von Motoren nur einen geringen Teil bei. Folgerichtig spielte der Motorenbau innerhalb des Unternehmens nur eine untergeordnete Rolle. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, als im November 1920 der Alleinaktionär Camillo Castiglioni seine BMW-Aktien an die Knorr-Bremse AG bzw. an deren Großaktionäre veräußerte. In einer außerordentlichen Generalversammlung43 der BMW AG wurde der Wechsel in den Besitzverhältnissen durch die Neuwahl eines Aufsichtsrates abgeschlossen. Trotz des Verkaufs blieb BMW formal ein selbstständiges Unternehmen, das weiterhin im Handelsregister eingetragen war und über eigenes Aktienkapital verfügte. De facto jedoch wurde BMW zu einem Montagewerk der Knorr-Bremse AG. Das Interesse der neuen Eigentümer zielte vornehmlich darauf ab, in München die Großauf40
Maschinenfabrik Klein, Schanzlin und Becker AG an Preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten vom 2. 5. 1919 sowie Knorr-Bremse AG an Generaldirektion der Bayerischen Staatseisenbahnen vom 30. 6. 1919, BHStA MH 15984. 41 Maschinenfabrik Klein, Schanzlin und Becker AG an Preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten vom 2. 5. 1919, BHStA MH 15984 sowie Bayer. stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat an Bayer. Ministerium des Äußeren vom 13. 2. 1919, BHStA MWi 5893. 42 BMW Geschäftsberichte 1919–1921, BMW UU 1060/10, UU 1061/10 und UU 1101/10. 43 Protokoll der außerordentlichen Generalversammlung der BMW AG vom 9. 11. 1920, Knorr AH 1885.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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träge der Reichsbahn ausführen zu lassen. Eine nachhaltige Investitions- und Entwicklungspolitik, die BMW abseits der Lizenzfertigung von Güterwaggonbremsen Marktchancen eröffnet hätte, war kein Ziel der neuen Großaktionäre. Allerdings griff die Knorr-Bremse AG offenbar kaum in die inneren Abläufe von BMW ein. Die Vorstände Wilhelm Strauß und Franz Josef Popp blieben auch nach der Übernahme im Amt und behielten eine gewisse Unabhängigkeit. Außerdem führte BMW trotz der zunehmenden Bedeutung der Bremsenfertigung den Motorenbau fort und verfügte damit weiterhin über eine eigene Produktsparte. Während in den Jahren 1919 und 1920 das Bemühen um die erfolgreiche Aufnahme einer Friedensproduktion die BMW-Unternehmensstrategie bestimmte, war spätestens mit der Übernahme durch die Knorr-Bremse AG die wirtschaftliche Demobilmachung des Unternehmens abgeschlossen. Die nächsten Jahre standen ganz unter dem Einfluss der Inflation, die in immer stärkerem Maße auf die gesamte deutsche Wirtschaft einwirkte. Bei BMW sind drei wichtige Entwicklungen zu beobachten, in denen sich die Auswirkungen der Inflation auf ein Unternehmen exemplarisch zeigen. Zum einen wurde fortlaufend und in immer kürzeren Abständen das Gesellschaftskapital erhöht, um über liquide Mittel zu verfügen. Zum Zweiten herrschte in den frühen 1920er Jahren ein permanenter Rohstoffmangel, der wiederholt zu Produktionsstillständen führte. Als dritter Effekt kurbelte die Inflation den Absatz einiger BMW-Produkte an. Die fortschreitende Geldentwertung führte zu einer stetigen Erhöhung der Lohn- und Materialkosten, wodurch der Kapitalbedarf der Unternehmen stieg. Die Finanzierung über Kredite war für die Betriebe zwar sehr attraktiv, wurde von den Banken aber immer restriktiver gehandhabt.44 Eine gängige Praxis war daher die Erhöhung des Eigenkapitals durch die Neuemission von Aktien. Charakteristisch hierbei war, dass sehr kurze Phasen zwischen den einzelnen Kapitalerhöhungen lagen und das Grundkapital in der Regel deutlich gesteigert wurde. Bei BMW setzte diese Entwicklung mit der außerordentlichen Generalversammlung vom 9. 11. 1920 ein, in der die Knorr-Bremse bzw. deren Großaktionäre BMW übernahmen. Auf dieser Sitzung wurde eine Verdoppelung des Grundkapitals von 12 Mio. Mark auf 24 Mio. Mark beschlossen. Bereits im April 1921 folgte eine weitere Erhöhung um 6 Mio. Mark.45 Im Februar 1922 wurde abermals eine Aktienemission im Wert von 20 Mio. Mark durchgeführt, wodurch sich das Aktienkapital nun auf 50 Mio. Mark belief.46 An allen diesen Kapitalerhöhungen beteiligten sich die sechs
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Feldman: Die Deutsche Bank vom Ersten Weltkrieg, S. 185 ff. Protokoll der außerordentlichen Generalversammlung der BMW AG vom 9. 11. 1920, Knorr AH 1885 sowie Knorr-Bremse an Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vom 12. 4. 1921, Knorr AK 1569. 46 Knorr-Bremse an Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vom 3. 2. 1922, Knorr AK 1569. 45
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Aktionäre der BMW AG, zu denen die Knorr-Bremse AG selbst und fünf ihrer Großaktionären gehörten. Durch die rasante Entwertung der Mark während der Hyperinflation konnte schließlich selbst mittels Aktienemissionen nicht mehr genügend Kapital für die Unternehmensfinanzierung eingenommen werden. Das durch die Ausgabe neuer Aktien erhaltene Kapital wurde in vielen Firmen benötigt, um den täglichen Betrieb aufrecht zu erhalten.47 Große Investitionen wurden eher selten getätigt. BMW investierte während der Inflation ebenfalls nur in geringem Maße in Sachanlagen. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Produktionsanlagen zum großen Teil erst 1918 nach modernsten Standards errichtet worden waren und daher schlichtweg kein Investitionsbedarf bestand. Tab. 8: Verteilung des BMW-Aktienkapitals, Februar 1922 Aktionäre Knorr-Bremse AG Ludwig Loewe & Co. AG Johannes Vielmetter Richard Gradewitz Wilhelm Hildebrand Walter Waldschmidt
Kapitalsumme 27 800 000 Mark 11 552 000 Mark 6 191 000 Mark 1 964 000 Mark 1 811 000 Mark 682 000 Mark
Anteil in Prozent 55,60% 23,10% 12,38% 3,93% 3,62% 1,36%
Quelle: Knorr-Bremse an Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vom 12. 4. 1921 sowie Knorr-Bremse an Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vom 3. 2. 1922, Knorr AK 1569.
Schon seit Kriegsende traten fortlaufend Probleme bei der Rohstoffversorgung der bayerischen Industrie auf, die in den ersten Nachkriegsjahren bestehen blieben. BMW hatte daher in den Jahren 1920 bis 1922 teils große Schwierigkeiten, die Materialzufuhr für das Werk sicherzustellen. Insbesondere bei der Lieferung von Kohle und Stahl traten immer wieder erhebliche Verzögerungen ein, die trotz guter Auftragslage zeitweise wochenlange Stilllegungen von weiten Teilen der Produktion erzwangen.48 Die Versorgungsengpässe waren einerseits auf eine große Nachfrage zurückzuführen, wurden andererseits aber durch erhebliche Transportschwierigkeiten bedingt.49 Vom Kriegsende bis zur Hyperinflation 1923 sorgte die fortlaufende Geldentwertung vielfach für eine Scheinblüte der deutschen Wirtschaft.50 Die Unternehmen konnten ihre Produkte meist mit Leichtigkeit auf dem deutschen 47
Sperl, S. 513–515 sowie Buschmann, S. 386–387. Bericht zur Kohleversorgung und Arbeitslage der bayerischen Industrie 1920 vom 1. 2. 1921, BHStA MWi 5636 sowie BMW an Handelskammer München vom 17. 12. 1921, BWA K1/XXIII 446a 9. Akt. 49 Bericht über die wirtschaftliche Lage von Handel und Industrie im Handelskammerbezirk München Dezember 1921, StadtAM Gewerbeamt 273b. 50 Holtfrerich: Die deutsche Inflation, S. 193 ff. 48
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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wie ausländischen Markt verkaufen. Dabei halfen ihnen zwei Phänomene. Im Inland setzte durch die Inflation eine Flucht in Sachwerte ein, da diese im Gegensatz zu Geld einen gewissen Wertbestand garantierten. Im Export konnten die deutschen Unternehmen wegen der besonders geringen Fertigungskosten ihre Produkte zu günstigen Preisen anbieten. Der Absatz von Güterwaggonbremsen, dem Hauptgeschäftszweig von BMW, blieb von der Inflation weitgehend unbeeinflusst, da hier langfristige Lieferverträge bestanden. Der Motorenbau hingegen unterlag den Spielregeln des freien Marktes. Der schwankende Absatz der BMW-Motoren zeigt, dass die Inflation keineswegs seit Kriegsende kontinuierlich zu hohen Wachstumszahlen der Wirtschaft führte. Vielmehr gab es in den Jahren 1918 bis 1923 immer wieder Phasen der Stagnation und des Rückgangs.51 So stockte bei BMW noch 1920 der Motorenabsatz „infolge der allgemeinen Geschäftsstille im In- und Ausland“52. Erst im Laufe des Jahres 1921 trat eine allmähliche Verbesserung ein, die jedoch nur den inländischen Verkauf der BMW-Motoren berührte.53 Ein deutlicher Kurssturz der Mark im vierten Quartal 1921 belebte das Inlandswie das Auslandsgeschäft mit BMW-Motoren. Diese Absatzerfolge hielten bis 1923 an und waren ein Grund, weshalb BMW erstmals in der Unternehmensgeschichte für das Geschäftsjahr 1922 eine Dividende ausweisen konnte.54 Aber der Motorenverkauf boomte nur scheinbar. Die Inflation führte spätestens im Jahr 1922 dazu, dass bei BMW keinerlei Planungssicherheit mehr gegeben war. Die Verantwortlichen waren sich im Klaren, dass ein Abreißen der Inflationskonjunktur das Motorengeschäft nachhaltig treffen würde.55 Tatsächlich gelang es BMW nicht, den Absatz von Automobil-, LKW-, Boots-, Einbau- und Motorradmotoren über die Inflation hinaus erfolgreich fortzuführen. Vielmehr wurde dieses Feld noch 1923 aufgegeben, nicht zuletzt deshalb, weil man sich in diesem Jahr als Produzent von Flugmotoren und Motorrädern neu positionierte. 3.1.2 Eine veränderte Machtkonstellation im Betrieb – das neue Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft Unter der Bezeichnung Mikropolitik56 hielt seit den 1990er Jahren ein theoretisches Konzept in der deutschen Unternehmens- bzw. Arbeitergeschichtsschreibung Einzug, das die Beziehung zwischen Arbeitern und Unternehmen als komplexes Interaktions- und Beziehungssystem deutet. Diese neue Sicht51
Sperl, S. 509–513. BMW Geschäftsbericht 1920, BMW UU 1061/10. 53 BMW an Handelskammer München vom 17. 6. 1921, BWA K1/XXIII 446a 8.Akt. 54 BMW Geschäftsbericht 1922, BMW UU 2/10, BMW an Handelskammer München vom 17. 12. 1921, BWA K1/XXIII 446a 9. Akt. sowie BMW an Handelskammer München vom 17. 3. 1922, BWA K1/XXIII 446a 10. Akt. 55 BMW an Handelskammer München vom 17. 12. 1921, BWA K1/XXIII 446a 9. Akt. 56 Vgl. Lauschke/Welskopp, S. 7–15, Süß, S. 117–125 sowie Welskopp, S. 25–29. 52
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
weise modifizierte bis dato propagierte Erklärungsmodelle, die vornehmlich das rationale Handeln des Managements und die hierarchische Struktur eines Unternehmens betonten. Auf dem mikropolitischen Ansatz beruhende Arbeiten stellen hingegen den unternehmensinternen Aushandlungsprozess in das Zentrum der Analyse. Unternehmen können daher „nicht als zweckrationale, wohlgeordnete und strikt an ökonomischen Effizienzkriterien orientierte Gebilde begriffen werden […], sondern sind Orte des Interessenkampfes und der Konfliktaustragung.“57 Gerade in den ersten Jahren nach der Novemberrevolution trifft diese Deutung auf BMW in besonderem Maße zu. Die prinzipiell asymmetrischen Arbeitsbeziehungen veränderten sich durch die Auswirkungen von Revolution und Inflation gravierend. Die Folge war vielfach ein Aushandlungsprozess von Entscheidungen, aber auch fortlaufende Konflikte um Macht und Einfluss. Bei BMW ist diese Entwicklung ebenfalls feststellbar, weshalb sich das Unternehmen sehr gut für eine exemplarische mikropolitische Analyse eignet.58 Im Ersten Weltkrieg waren die Rechte der Arbeiter durch die seit 1916 gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiterausschüsse bereits gestärkt worden. Die Novemberrevolution ermöglichte es Arbeiterschaft und Gewerkschaften viele ihrer langjährigen Forderungen, wie beispielsweise die 48-Stunden-Woche, durchzusetzen. Ferner wurde das oftmals hierarchische Machtgefügige, an dessen Spitze der Unternehmer und an dessen Ende der Arbeiter stand, in vielen Betrieben aufgebrochen, zeitweise sogar auf den Kopf gestellt. Die veränderte Machtkonstellation war jedoch nicht von Dauer, sondern wurde auf Betreiben der Arbeitgeber noch in den ersten Jahren der Weimarer Republik wieder zu ihren Gunsten revidiert.59 Der erzwungene Produktionsstopp und die folgende Betriebsstilllegung vom 6. 12. 1918 prägten die ersten Monate nach dem Waffenstillstand bei BMW.60 Nach der Wiedereröffnung beschäftigte BMW im Januar 1919 lediglich 292 Personen, bis Juni 1919 stieg deren Zahl nur moderat auf 405 an.61 Damit hatte sich die Belegschaft des Unternehmens, das zum Zeitpunkt des Waffenstillstands zu den sechs großen Münchner Industrieunternehmen mit über 2 000 Beschäftigten gezählt hatte, binnen kürzester Zeit merklich verkleinert. Der drastische Personalabbau ging erstaunlicherweise ohne größere 57 58
Lauschke/Welskopp, S. 12. Aufgrund der eingeschränkten Quellenlage muss sich die Analyse von BMW nach den Maßstäben der Mikropolitik auf die Jahre 1918 bis 1922 beschränken. Dieses Manko wird dadurch aufgewogen, dass sich gerade in diesen Jahren die Aushandlungsprozesse innerhalb des Unternehmens besonders von den nachfolgenden Jahren unterscheiden, die von einem starken Management und hierarchischen Strukturen geprägt waren, vgl. S. 108 ff. Für eine weitere exemplarische Analyse eines Unternehmens in Revolution und Demobilmachung vgl. Plumpe: Mikropolitik. 59 Vgl. Feldman/Steinich. 60 Vgl S. 65–66. 61 Liste von Firmen der Metall-Industrie in München mit 50 Arbeitern und mehr vom 16. 6. 1919, BHStA MH 13600.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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Auseinandersetzungen vonstatten. Von ausschlaggebender Bedeutung waren hierfür vermutlich zwei Faktoren. Einerseits erhielten alle entlassenen Mitarbeiter gemäß den Kündigungsfristen Abfindungszahlungen. Die Arbeiter hatten Anspruch auf einen Monatslohn, die Angestellten auf drei Monatsgehälter.62 Andererseits waren die meisten BMW-Arbeiter erst in den Jahren 1917 oder 1918 nach München gekommen, viele zog es in ihre ursprünglichen Berufe und Betriebe zurück. Es gab keine BMW-Stammbelegschaft, die mit Sicherheit den hartnäckigsten Widerstand gegen Entlassungen geleistet hätte. Trotz deutlich verringerter Arbeiterschaft blieb BMW in der kleinteiligen Münchner Industriestruktur mit nur wenigen Großunternehmen ein wichtiger Arbeitgeber. Die Revolution nahm in Bayern im Vergleich zum Deutschen Reich eine wesentlich radikalere Entwicklung. Die beiden Münchner Räterepubliken im April 1919 stehen für diesen Sonderweg. Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen63 insbesondere der zweiten Münchner Räterepublik stellten naturgemäß eine erhebliche Bedrohung für die privatwirtschaftlich organisierte Industrie und damit auch für BMW dar. Durch den Umstellungsprozess auf Friedensproduktion war die Münchner Wirtschaft ohnehin geschwächt und sah sich nun durch die Erlasse der Räteregierung in ihrer Existenz bedroht. Formal war Otto Neurath als Leiter des Zentralwirtschaftsamts für die Wirtschaftspolitik der Räterepublik zuständig. Da es Neurath nicht gelang, eine ordnende und schlagkräftige Zentralinstanz aufzubauen, trieben mehrere Stellen mit unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen Politik, was zu sich widersprechenden Anordnungen und letztlich zu Chaos führte. Trotz teilweise divergierender Auffassungen zur Wirtschaftspolitik war das Ziel der meisten Führer der Räterepublik die Sozialisierung der Betriebe. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg war die Entmachtung der Unternehmer und Manager. Für diese Aufgabe kamen nur die Betriebsräte in Betracht.64 Daher sollten die Betriebsräte nicht nur als politische Volksvertretungen fungieren, sondern mit umfassenden Kontrollrechten die Unternehmer überwachen und diese später als Betriebsleiter ablösen. So erhielten die Betriebsräte per Erlass das Recht, allen Einstellungen und Entlassungen zuzustimmen und die Bankkonten des Unternehmens zu verwalten.65 Da den Führern der Räterepublik kein funktionierender Verwaltungsapparat zur Verfügung stand, wurde bei der Umsetzung aller politischen Verordnungen
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Die Bayerischen Motorenwerke in Milbertshofen, in: Münchner Augsburger Zeitung vom 13. 12. 1918, zitiert nach StadtAM ZA 291 sowie Schreiben des Kommissars des Reichsfinanzministeriums für Rechtsangelegenheiten aus dem Krieg vom 13. 4. 1921 und BMW an die IdFlieg vom 26. 12. 1918, BarchB R 2 / 290, Bl. 12–16 und Bl. 31–34. 63 Zum Folgenden vgl. Reiners. 64 Reiners, S. 137–147. 65 Denkschrift des Bayerischen Industriellen Verbandes vom Juli 1919, BHStA MWi 5635.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
ebenfalls auf die Betriebsräte zurückgegriffen.66 Um sich loyale Betriebsräte zu sichern, mussten aufgrund einer Verordnung alle vor dem 1. 3. 1919 gewählten Betriebsräte zurücktreten und sich einer Neuwahl stellen. BMW meldete am 11. 4. 1919 die Neuwahl des Betriebsrates, der sich aus 13 Angestellten und 22 Arbeitern zusammensetzte.67 Diese Neuwahlen brachten wohl nur bei wenigen Unternehmen radikale Arbeitervertreter ans Ruder. Wegen der kurzen Dauer der Räteregierung trat keine nachhaltige Schädigung der Münchner Wirtschaft ein, da die angeordneten Maßnahmen zumeist nicht mehr umgesetzt werden konnten.68 Als problematisch erwies sich vor allem die Trennung von Zulieferern und Absatzmärkten, wodurch Verkauf und Fertigung in allen Betrieben stark gehemmt wurde. Außerdem kam es fortlaufend zu Produktionsausfällen durch Arbeitsniederlegungen und Streiks. Die Ausrufung des Generalstreiks vom 13. 4. 1919 bis 22. 4. 1919 bildete hierbei nur den Höhepunkt. Zusätzlich zu den Produktionsausfällen wurden die Unternehmen durch Lohnzahlungen belastet, da die streikenden Arbeiter von ihren Arbeitgebern weiter bezahlt werden mussten. Nach der Niederschlagung der Rätebewegung forderte die Münchner Industrie daher eine finanzielle Entschädigung vom bayerischen Staat.69 Die Räteherrschaft hatte neben wirtschaftlichen insbesondere psychologischen Auswirkungen auf die Münchner Unternehmerschaft. So gab es durchaus Fälle, in denen Unternehmer verhaftet wurden und um ihr Leben fürchteten.70 Solche Übergriffe sind zwar bei BMW nicht bekannt, aber nach der Niederschlagung der Räterepublik veränderte sich dennoch das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung.71 Nach Kriegsende scheint die Zusammenarbeit zunächst relativ kollegial gewesen zu sein, da Arbeiter und Unternehmensleitung das gemeinsame Ziel der Wiedereröffnung des Betriebs verfolgten. Dieses Zusammengehen wurde vonseiten des Betriebsleiters Franz Josef Popp wohl vor allem aus taktischen Gründen gesucht. Sowohl während des Ersten Weltkriegs als auch in den Jahren nach 1922 führte Popp den Betrieb streng autokratisch. Kollegial und kompromissbereit verhielt er sich weder gegenüber seinen Vorstandskollegen noch gegenüber der Arbeiterschaft.72 Die Revolution und die neuen Machtverhältnisse zwangen ihn jedoch zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. 66
Leitsätze für die Betriebsräte, in: Münchner Post vom 11. 4. 1919, BHStA Presseausschnittssammlung Rehse 3157 sowie Reiners, S. 145. 67 BMW-Betriebsrat an das Zentralwirtschaftsamt vom 11. 4. 1919, BHStA MH 13901. 68 Hillmayr, S. 481. 69 Münchner Arbeitgeberkartell an Bayer. Justizministerium vom 19. 5. 1919, BHStA MJu 16387 sowie BMW Geschäftsbericht 1919, BMW UU 1060/10. 70 Vgl. hierzu die Ereignisse um den Vorstand der Bayerischen Flugzeugwerke Eberwein, S. 88. 71 Der Streik in den Bayerischen Motorenwerken, in: Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München 1918–1920, S. 77 ff., AdMA. 72 Vgl. S. 41 und S. 108 ff.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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Nach dem Zusammenbruch der Räteherrschaft dachte die BMW-Unternehmensleitung, dass sich die äußeren Umstände geändert hätten und man nun den Einfluss der Arbeiterschaft zurückdrängen könnte. Die folgenden Monate waren daher besonders konfliktreich. Hauptpunkt der Auseinandersetzung war die Frage, ob der Betriebsrat von der produktiven Arbeit freigestellt sein sollte oder nicht.73 In dieser sich über Monate hinziehenden Auseinandersetzung ging es letztlich weniger um die Streitfrage als solche, sondern um die Machtfrage im Betrieb. Die Unternehmensleitung um Franz Josef Popp wollte den Betriebsrat und die gesamte Arbeiterschaft in die Schranken weisen. Eine hierarchische Betriebsorganisation sollte wieder anstelle der durch die Revolution erzwungenen Kollegialität treten. Der Betriebsrat suchte in dieser Auseinandersetzung die Unterstützung von unternehmensexternen Akteuren. So wandte man sich an die Demobilmachungsstelle München und an den Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV). Beiden Seiten, Behörde wie Gewerkschaft, unterstützten den Betriebsrat und griffen aktiv in die Verhandlungen zugunsten der Arbeitnehmervertreter ein. Die Unternehmensleitung ließ sich von ihrer Position aber nicht abbringen und kündigte schließlich sogar einem Obmann des Betriebsrats. Die gesamte BMW-Belegschaft trat daraufhin in den Streik, der die Rücknahme der Entlassung bewirkte. Damit war der Konflikt immer weiter eskaliert und beide Parteien befanden sich in einer Pattsituation. Zur Lösung wurde der Schlichtungsausschuss74 München angerufen, der eine Entscheidung zunächst ablehnte, sich aber schließlich doch mit dem Fall beschäftigte.75 Der eher vage gehaltene Schiedsspruch schlug einen Kompromiss vor: Die Betriebsräte sollten sich nur dann der produktiven Arbeit widmen, wenn sie nicht durch Betriebsangelegenheiten in Anspruch genommen würden. Der Kompromiss wurde zwar umgesetzt, aber der Kern des Konflikts war damit nicht beigelegt. Am 24. 6. 1920 brach ein offener Machtkampf zwischen Arbeiterschaft und Unternehmensleitung aus.76 Der Anlass hierzu war eher geringfügig. Ein Schleifer wurde entlassen, der überhaupt erst einen Tag im Betrieb tätig gewesen war. Wenige Wochen zuvor war diesem Arbeiter bereits bei einem anderen Münchner Unternehmen wegen seiner Tätigkeit als Betriebsrat gekündigt worden. Es lag nun der Verdacht nahe, dass die Entlassung dieses Arbeiters mit dessen früherem Engagement als Betriebsrat in Verbindung stand. 73
Zum Folgenden vgl. Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München 1918–1920, S. 77 ff., AdMA. 74 Zum staatlichen Schlichtungswesen in der Weimarer Republik vgl. Bähr. 75 Schiedsspruch in Sachen Direktion der BMW AG gegen den Betriebsrat der Firma vom 22. 12. 1919, BHStA MFür 299. 76 Zum Folgenden vgl. Der Streik in den Bayerischen Motorenwerken, in: Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München 1918–1920, S. 77 ff., AdMA sowie Nachweis über einen Streik bei BMW vom 10. 8. 1920, BHStA MFür 233.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Die gesamte BMW-Belegschaft (zu diesem Zeitpunkt 1 296 Personen) erklärte sich solidarisch und trat in den Streik. Die Forderungen der Arbeiter zeigten, dass die Entlassung lediglich der Anlass nicht aber die Ursache des Streiks war. Die Arbeiter verlangten nämlich nicht nur die Wiedereinstellung des entlassenen Kollegen und die Maßregelung des Betriebsingenieurs, der für die Entlassung verantwortlich war. Darüber hinaus sollten alle Maßnahmen, die in den vergangenen Monaten gegen den Betriebsrat getroffen worden waren, rückgängig gemacht werden. Die Unternehmensleitung reagierte mit der Entlassung der gesamten Belegschaft. Der Konflikt wurde nun vor den Münchner Schlichtungsausschuss getragen, der im Sinne der Arbeiter entschied. Dieser Schiedsspruch wurde von der Unternehmensleitung nicht anerkannt, woraufhin die Arbeiter den Streik mit Unterstützung des DMV fortsetzten. Unter Vermittlung des Bayerischen Staatsministers für Soziale Fürsorge, des DMV und des Verbands Bayerischer Metallindustrieller kam es schließlich im Juli 1920 zu einem zweiten Schiedsgerichtsverfahren, in dem abermals weitgehend im Sinne der Arbeitnehmer entschieden wurde. Nach mehreren Wochen fügte sich die Unternehmensleitung diesem Schlichterspruch und begann im August mit der Wiedereinstellung der Arbeiterschaft. Mit ihrem erfolgreichen Streik hatte die BMW-Arbeiterschaft die schrittweise Entmachtung des Betriebsrates nicht nur gestoppt, sondern die Unternehmensleitung zumindest für den Augenblick zur Kooperation gezwungen. Mehrere Faktoren begünstigten diesen Erfolg. Zum einen standen die staatlichen Schlichtungsinstitutionen aufseiten der Streikenden und urteilten zweimal im Sinne der Arbeiterschaft. Andererseits konnte durch den Streik ein hoher Druck aufgebaut werden, weil die Arbeiter aus der Streikkasse des DMV versorgt wurden und die Unternehmensleitung wegen der annähernden Vollbeschäftigung keine wirkliche Möglichkeit zur Einstellung anderer Arbeiter hatte. Die Arbeiterschaft verfügte somit im Konflikt mit der Unternehmensleitung prinzipiell über die bessere Ausgangsbasis und konnte dies zu ihren Gunsten nutzen. Damit war der Umbau von BMW zu einem autokratisch und hierarchisch geführten Unternehmen im Sommer 1920 vorerst gestoppt. Die Unternehmensleitung scheint die neue Machtkonstellation im Betrieb mit einem starken Betriebsrat und einer selbstbewussten Arbeiterschaft anerkannt zu haben. Zumindest sind für die folgenden Monate keine größeren Konflikte mehr überliefert. Erst im Sommer 1922 war BMW im Rahmen des Süddeutschen Metallarbeiterstreiks77 wieder Ort der offenen Konfliktaustragung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Seit 1919 betrug gemäß dem gültigen Manteltarifvertrag in weiten Teilen der süddeutschen Metallindustrie die Arbeitszeit 46 Stunden pro Woche, während in den meisten anderen Branchen und Regionen Deutschlands die 48-Stunden-Woche galt. Die süddeutschen Un77
Zum Verlauf des Süddeutschen Metallarbeiterstreik vgl. Feldman/Steinich, S. 364–381, Adam, S. 57–66 sowie Zentrale der KPD.
3.1. Revolution, Demobilmachung und Inflation (1918–1922)
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ternehmer hatten daher einen doppelten Wettbewerbsnachteil. Zum einen waren sie weiter von Rohstoffvorkommen entfernt als viele ihrer norddeutschen Konkurrenten, zum anderen war ihre Produktivität wegen der kürzeren Arbeitszeit geringer. Als der Manteltarifvertrag zum Jahresende 1921 auslief, hatten sich die süddeutschen Arbeitgebervertreter die Erhöhung der Arbeitszeit zum Ziel gesetzt. Im Gegenzug waren sie zu finanziellen Kompensationen bereit. Die Verlängerung der Arbeitszeit wurde von Arbeitern und Gewerkschaftsvertretern abgelehnt. Daher scheiterten die Verhandlungen zu Jahresbeginn 1922. Als erste Schlichtersprüche eine Verlängerung der Arbeitszeit vorschlugen, brachen am 23. 2. 1922 zunächst in München spontane Streiks aus, die sich bis Mitte März auf die gesamte bayerische Metallindustrie ausweiteten und auch Baden und Württemberg erfassten. Trotz einer Reihe von Schlichtergesprächen gelang erst im Mai 1922 eine Einigung. Der Streik wurde daraufhin am 26. 5. 1922 beendet. Die Gewerkschaften gingen aus dem Tarifkonflikt als Verlierer hervor, weil sie den Übergang zur 48-Stundenwoche akzeptieren mussten. Entscheidendes Moment für den Ausgang des Tarifkonflikts war die Teuerung durch die Inflation, die die Lebenserhaltungskosten im Jahr 1922 dramatisch steigen ließ und die Streikenden unter erheblichen finanziellen Druck setzte. Die Arbeitgeber konnten hingegen den Stillstand ihrer Fabrik trotz voller Auftragsbücher leichter verkraften. Die Niederlage der Gewerkschaften im Süddeutschen Metallarbeiterstreik gilt als Wendepunkt im Verhältnis der Tarifpartner in der Weimarer Republik. Die Unternehmer machten in der Folge bewusst gegen die Arbeiter mobil und versuchten deren revolutionäre Errungenschaften zu revidieren.78 Diese Strategie zeigte sich unter anderem darin, dass in der Phase der relativen Stabilisierung der Weimarer Republik mehr Arbeitstage durch Aussperrungen als durch Streiks verloren gingen. Die BMW-Unternehmensleitung wollte den Ausgang des Metallarbeiterstreiks ebenfalls nutzen. Der Schlichterspruch sah vor, dass die Wiedereinstellung der Arbeiter durch Unternehmensleitung und Betriebsrat gemeinsam erfolgen sollte. Die BMW-Führung weigerte sich jedoch mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten, um auf diese Weise unliebsame Arbeiter nicht wieder einstellen zu müssen.79 Obwohl die Unternehmensleitung 1922 mit diesem Plan keinen Erfolg hatte, so gelang es ihr doch in den folgenden Jahren, den Einfluss von Betriebsrat und Arbeiterschaft deutlich zu reduzieren. Die Entwicklung des Verhältnisses von BMW-Unternehmensleitung und Arbeiterschaft im Zeitraum von 1918 bis 1922 zeigt sehr anschaulich einen allgemeinen Trend. Die Revolution veränderte das Machtgefüge in den Betrieben. Das Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft stieg, während die Unter78
Feldman/Steinich, S. 354. DMV an Bayer. Ministerium für Soziale Fürsorge vom 24. 5. 1922, BHStA MFür 389. 79
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
nehmerschaft vorrangig darum bemüht war, radikale Forderungen wie etwa die Sozialisierung der Betriebe abzuwehren. In München wurde die Gefahr der Sozialisierung durch die Räterepublik im April 1919 offensichtlich. Die Arbeitgeber sprachen daher auch davon, dass „sich das Verhältnis von Unternehmer zum Arbeiter in wenigen Monaten so gründlich geändert habe, dass heute von Wirtschaftsfreiheit kaum mehr ein Rest geblieben sei“80. Dies entsprach mit Sicherheit nicht der Realität, spiegelte aber durchaus die Wahrnehmung vieler Unternehmer wider, die es mit einer mitunter renitenten und äußerst selbstbewussten Arbeiterschaft zu tun hatten. Neben der Revolution, in deren Folge die gesetzlichen Rechte der Arbeiterschaft deutlich erweitert worden waren, spielte die annähernde Vollbeschäftigung81 in vielen Monaten während der Inflation eine wichtige Rolle. So standen in München zur Jahreswende 1919/20 mehr Menschen in Beschäftigung als vor dem Krieg.82 Facharbeitermangel stellte die Betriebe vor große Herausforderungen und sollte gerade die bayerische Metallindustrie während der Weimarer Republik als prinzipielles Problem immer wieder beschäftigen.83 Die annähernde Vollbeschäftigung erlaubte Betriebsräten und Gewerkschaften eine offensive Politik gegenüber den Unternehmern. Bei BMW baute der Betriebsrat in dieser Phase seine Stellung aus und trat allen Anfeindungen seitens der Unternehmensleitung mit Erfolg entgegen. Der gescheiterte Süddeutsche Metallarbeiterstreik war ein erster Rückschlag für Gewerkschaften und Betriebsräte. Eine wirkliche Trendwende brachte aber das Ende der Scheinkonjunktur, die durch eine maßvolle Inflation bedingt war und überhaupt erst eine annähernde Vollbeschäftigung möglich gemacht hatte. Hyperinflation und die folgende Währungsstabilisierung hatten jedoch den gegenteiligen Effekt und so stieg allein in München die Zahl der Arbeitslosen im Zeitraum von September bis Dezember 1923 von 6 500 auf 27 000 Personen.84 Die hohe Arbeitslosenrate, die seit Jahresende 1923 eine Grundkonstante der Weimarer Republik blieb, schwächte Gewerkschaften, Betriebsräte und Arbeiterschaft nachhaltig. Spätestens das Ende der Inflation markierte den Wendepunkt im Verhältnis von BMW-Unternehmensleitung und Betriebsrat. Während Betriebsrat und Arbeiterschaft 1920 wegen der Entlassung eines einzigen Mitarbeiters die Konfrontation suchten und erfolgreich waren, sind für den Zeitraum von 1923 bis 1932 keine Streiks oder größeren Auseinandersetzungen bei BMW bekannt, obwohl aufgrund schlechter Auftragslage immer wieder eine große Anzahl von Arbeitern ent-
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Denkschrift des Bayerischen Industriellen Verbandes vom Juli 1919, BHStA MWi 5635. 81 Zu den Auswirkungen der Inflation auf Wirtschaft und Beschäftigung vgl. Holtfrerich. 82 Geyer, S. 131. 83 Adam, S. 189–194. 84 Geyer, S. 321.
3.2. Exkurs
83
lassen wurde.85 Dies zeigt, dass sich die Arbeiterschaft nun gegenüber der Unternehmensführung in einer deutlich schwächeren Position befand und wieder strikt hierarchische Leitungsstrukturen bei BMW herrschten.
3.2. Exkurs: Die Bayerischen Flugzeugwerke (1916–1922) 1922 erwarb der italienische Finanzier Camillo Castiglioni den BMW-Motorenbau einschließlich der Marke BMW.86 Er übertrug beides auf ein anderes Münchner Unternehmen, die Bayerischen Flugzeugwerke (BFW), die sich daraufhin in BMW AG umbenannten. Das neue Unternehmen sah sich in der Tradition beider Vorläufergesellschaften. Deutlich sichtbar wird dies durch die Tatsache, dass der Eintrag der BFW in das Handelsregister am 7. 3. 1916 als offizielles Gründungsdatum der BMW AG in allen Firmenjubiläen seit den 1920er Jahren gefeiert wurde. Aufgrund dieses Selbstverständnisses ist es notwendig, in einem Exkurs auf die Entwicklung der BFW einzugehen. Die Vorläufergesellschaft der BFW waren die Flugmaschinenwerke Gustav Otto, die seit 1909 unter verschiedenen Firmennamen bestanden. Seit 1911 befand sich das Unternehmen im Alleinbesitz von Gustav Otto und hatte seinen Sitz im Münchner Norden.87 Otto verfügte als Sohn von Nicolaus August Otto, dem Erfinder des Ottomotors, über reichlich Kapital, was es ihm in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erlaubte, ein Unternehmen im wenig rentablen Flugzeugbau aufzubauen. Zunächst baute Otto französische Flugzeuge nach, ehe er eigene Typen entwickelte. Das sicherlich erfolgreichste Jahr für ihn war 1912, als seine Flugzeuge bei diversen Wettbewerben rund 100 000 Mark an Preisgeld gewinnen konnten. Aber bereits im Folgejahr zeigte sich, dass diese Erfolge nur von kurzer Dauer waren. Otto verlor mit seinen Konstruktionen gegenüber anderen Herstellern an Boden. Daher beschloss er 1914, Flugzeuge der Luft-Verkehrs-Gesellschaft (LVG) in Lizenz zu produzieren. Nach Abschluss eines Vertrags mit dem Bayerischen Kriegsministerium, der eine wöchentliche Produktion von zwei bis drei Flugzeugen vorsah, begann ab 1914 der schrittweise Aufbau der Produktion.88 Im Zeitraum von August 1914 bis Juli 1915 wurden schließlich 155 LVG-Flugzeuge gefertigt, wobei die monatliche Liefermenge beträchtlich schwankte. Dies war zum einen in zahlreichen Qualitätsmängel bei vielen fertiggestellten Flugzeugen begründet.89 Zum anderen war aber auch die Produktivität im Vergleich zu 85
Vgl. Abb. 20, S. 218. Vgl. S. 94 ff. 87 Zur Geschichte der Flugmaschinenwerke Gustav Otto, vgl. Held sowie Goldbeck. 88 Flieger-Ersatz-Abteilung an Bayer. Inspektion des Militär. Luft- und KraftfahrWesens vom 9. 10. 1915, BHStA MKr 1387 sowie Krug an Bayer. Inspektion des Ingenieur-Korps, BHStA MKr 1384. 89 Bayer. Kriegsministerium an Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren vom 26. 12. 1914, BHStA MH 15986.
86
84
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
anderen Herstellern äußerst gering. So fertigten die Flugmaschinenwerke Gustav Otto im Oktober 1914 mit 500 Arbeitern im Durchschnitt eineinhalb Flugzeug wöchentlich, während die LVG mit 800 Arbeitern zwölf und die Albatros-Flugzeugwerke mit 1 000 Arbeitern sogar 15 Flugzeuge pro Woche produzierten.90 Die militärischen Stellen führten dies auf zwei Ursachen zurück. Zum einen wurde der Arbeiterschaft vorgeworfen, unsachgemäß zu arbeiten. Die Belegschaft der Flugmaschinenwerke Gustav Otto war zwar im Vergleich zu den Arbeitern der meisten anderen Münchner Fabriken sehr gut bezahlt, führte ihre Tätigkeiten aber selten mit der notwendigen Sorgfalt aus.91 Dieser Arbeitseinstellung wurde nur in wenigen Fällen Einhalt geboten, weil keine wirkliche Qualitätssicherung bzw. Produktionsaufsicht vorhanden war. Zu Kriegsbeginn wurden Ingenieure sogar von Arbeitern misshandelt, weil sie mit intensiveren Kontrollen die Produktqualität verbessern wollten. Bezeichnenderweise verließen aber nicht die Arbeiter, die gegenüber ihren Vorgesetzten tätlich geworden waren, den Betrieb, sondern die Ingenieure.92 Dieses Ereignis wirft ein bezeichnendes Licht auf ein weiteres und wesentlich schwerwiegenderes Problem, das die Flugmaschinenwerke Gustav Otto behinderte: die Persönlichkeit des Firmeninhabers. Gustav Otto begeisterte sich zwar für die Luftfahrt und konnte mit seinen Konstruktionen vereinzelt sogar Erfolge verbuchen, war aber letztlich völlig ungeeignet, ein Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu leiten.93 Konflikten ging er aus dem Weg, funktionierende Unternehmensstrukturen baute er gar nicht erst auf. Nicht zuletzt deshalb waren die Arbeiter in der Produktion weitgehend ohne Aufsicht, was zu einer geringen Produktivität und qualitativ minderwertigen Endprodukten führte. Otto sah sich daher ständig mit Beschwerden des Bayerischen Kriegsministeriums konfrontiert, auf die er nicht mit einer Leistungsverbesserung seines Unternehmens adäquat antworten konnte. Schon bald nach Kriegsbeginn zeichnete sich zudem ab, dass die LVGDoppeldecker, die die Flugmaschinenwerke Gustav Otto in Lizenz produzierten, nicht mehr für den Fronteinsatz taugten, da sie zu langsam waren und außerdem keine Bewaffnung tragen konnten.
90
Flieger-Ersatz-Abteilung an Firma Gustav Otto vom 7. 10. 1914, BHStA MKr 1387. 91 Tarifvertrag der Gustav Otto Flugmaschinenwerke vom 5. 5. 1913, StadtAM Gewerbeamt 827 sowie Verband Bayer. Metallindustrieller Ortsgruppe München an Bayer. Inspektion des Ingenieur-Korps vom 19. 10. 1915, BHStA MKr 1386. 92 Flieger-Ersatz-Abteilung an Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. vom 23. 8. 1914, BMW XA 67 sowie mehrere polizeiliche Vernehmungsprotokolle der beteiligten Arbeiter und Ingenieure, BHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. 946. 93 Julius Schenk: Bericht über meine Erfahrungen als Organ der Heeresverwaltung bei der Firma Gustav Otto vom Oktober 1914, BHStA ILuft 111 sowie Bayer. Kriegsministerium an Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren vom 20. 1. 1916, BHStA MKr 1386.
3.2. Exkurs
85
Gustav Otto konstruierte daher ein völlig neues Kampfflugzeug, das zwar zu Beginn erfolgversprechend schien, sich letztlich aber nicht durchsetzen konnte.94 Verantwortlich hierfür war unter anderem, dass Otto in seinen Flugzeugen auf den Schubpropeller mit hinten liegendem Motor setzte. Die ungünstige Gewichtsverteilung und die geringe Höchstgeschwindigkeit hatten jedoch bereits nach wenigen Kriegsmonaten dazu geführt, dass solche Flugzeuge als überholt galten. Damit befanden sich Gustav Otto und sein Unternehmen zum Jahresende 1915 in einer prekären Situation. Das einzige Produkt, der LVG-Doppeldecker, wurde nicht mehr bestellt. Über eigene Neuentwicklungen verfügte die Firma nicht und wegen der fortlaufenden Qualitätsprobleme hatte das Bayerische Kriegsministerium jegliches Vertrauen verloren. Dadurch waren dem etwaigen Lizenzbau eines anderen Flugzeugtyps enge Grenzen gesetzt. Diese Entwicklung vergrößerte die finanziellen Probleme, die das Unternehmen ohnehin schon seit seiner Gründung begleiteten. Eine Insolvenz schien unvermeidlich. Das Bayerische Kriegsministerium sah nur zwei mögliche Lösungen. Zum einen konnten neue Eigentümer gesucht werden, zum anderen wurde überlegt, das gesamte Unternehmen unter militärische Aufsicht95 zu stellen.96 Wegen der angespannten Finanzlage war Gustav Otto mehrmals an die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) herangetreten, um sie für eine Beteiligung an seinem Unternehmen zu gewinnen.97 Zunächst nahm die MAN eine ablehnende Haltung ein. Als sich jedoch weitere Investoren fanden, wurden Verhandlungen über eine Übernahme der Flugmaschinenwerke Gustav Otto aufgenommen. Die ersten Planungen sahen die Gründung einer Aktiengesellschaft mit vier Anteilseignern vor. Neben der MAN sollten sich die Darmstädter Bank für Handel und Industrie, Hermann Bachstein im Auftrag der Albatros Flugzeugwerke und Gustav Otto beteiligen.98 Es stellte sich aber heraus, dass Gustav Otto über keine Barmittel verfügte und daher sein Unternehmen an die drei anderen Investoren veräußern musste, ohne sich selbst an der neuen Gesellschaft beteiligen zu können.99 Am 7. 3. 1916 erfolgte durch Eintrag in das Handelsregister die Gründung der Bayerischen Flugzeugwerke (BFW) als Nachfolgegesellschaft der Flugmaschinenwerke
94
Flugmaschinen-Werke Gustav Otto an Flugzeug-Hilfsdepot der Otto-Werke vom 24. 4. 1915, BHStA ILuft 64 sowie Flieger-Ersatz-Abteilung an Bayer. Inspektion des Militär. Luft- und Kraftfahrwesens vom 13. 7. 1915, BHStA ILuft 118. 95 Zur Militarisierung bzw. zur militärischen Aufsicht vgl. S. 57. 96 Inspektion des Militär. Luft- und Kraftfahrwesens an Inspektion des IngenieurKorps vom 17. 12. 1915, BHStA MKr 1386. 97 Aktennotiz über die Besprechung zwischen den Herren Selzer, Buz und Rieppel vom 1. 11. 1917, MAN Papiere von Richard Buz 79. 98 Programm für die Sanierung der Otto-Werke in München vom Februar 1916, BHStA MKr 1386. 99 Carl Selzer an MAN vom 18. 3. 1916, MAN Papiere von Richard Buz 79.
86
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Gustav Otto. Die BFW übernahm das Werksgelände, die Arbeiterschaft und einen Teil der Verbindlichkeiten der Flugmaschinenwerke Gustav Otto.100 Tab. 9: Aktionärszusammensetzung der BFW, 1916–1918 Anteile in Mark Darmstädter Bank für Handel und Industrie Hermann Bachstein (Albatros Flugzeugwerke) MAN
260 000 Mark 390 000 Mark 350 000 Mark
Anteile in Prozent 26% 39% 35%
Quelle: Protokoll der Generalversammlung der BFW vom 19. 3. 1918, MAN Papiere von Richard Buz 79.
Das Grundkapital der neuen Gesellschaft belief sich auf 1 000 000 Mark und wurde im März 1918 auf 3 000 000 Mark erhöht, wobei die prozentualen Anteile der drei Aktionäre unverändert blieben. Schon im Vorfeld der Gründung hatten die Aktionäre im Februar 1916 einen Syndikatsvertrag geschlossen, der die gemeinsame Verwaltung der Aktien vorsah.101 Dieser Vertrag war ein sichtbarer Ausdruck für die gute Zusammenarbeit der drei Investoren. Entscheidendes Moment für den Erfolg der BFW war die Unterstützung, die man durch die Albatros-Flugzeugwerke, den größten deutschen Flugzeughersteller im Ersten Weltkrieg, erhielt. Im Mai 1916 gestatteten die AlbatrosFlugzeugwerke der BFW den Nachbau ihrer Flugzeuge gegen eine Lizenzgebühr von 8% des Verkaufspreises.102 Darüber hinaus unterstützte der erfahrene Berliner Flugzeughersteller die BFW beim Aufbau von effizienten Produktionsstrukturen.103 Die Übernahme der Flugmaschinenwerke Gustav Otto verlief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. So war „bei der grenzenlosen Unordnung in der Geschäftsführung noch nicht einmal eine genaue Aufstellung der Ottoschen Verbindlichkeiten möglich“104. Als wesentlich problematischer erwies sich die Weiterbeschäftigung der Belegschaft der Flugmaschinenwerke Gustav Otto. Gleich nach der Übernahme durch die BFW setzten die Arbeiter eine Lohnerhöhung in Höhe von 10% durch.105 Allerdings blieb die Arbeitsausführung oft mangelhaft und die Arbeitsgeschwindigkeit ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Daher kämpfte die BFW in den ersten Monaten mit den gleichen Fertigungsproblemen wie ihre Vorgänger100
Handelsregisterauszug der BFW vom 10. 3. 1916, MAN Archiv Nürnberg 171 sowie Protokoll der Gründungsversammlung der BFW vom 19. 2. 1916, MAN Papiere von Richard Buz 79. 101 Syndikatsvertrag vom 14. 2. 1916, MAN Archiv Nürnberg 171. 102 Vertrag zwischen den Albatroswerken und der BFW vom 12. 5. 1916, MAN Papiere von Richard Buz 79. 103 Geschäftsbericht des Vorstandes der BFW für Geschäftsjahr 1916, ebenda. 104 Anlage zum Schreiben von Carl Selzer an Bayer. Inspektion des Militär. Luft- und Kraftfahr-Wesens vom 22. 2. 1916, BHStA MKr 1387. 105 Carl Selzer an MAN vom 18. 3. 1916, MAN Papiere von Richard Buz 79.
3.2. Exkurs
87
2500 2000 1500 1000 500 0
6 17 t 17 z 17 17 16 t 16 z 16 18 16 17 r 17 r1 g n g b n b k k e p e p e e u u u u O O D A D A F F J J A A Abb. 6: Belegschaftsentwicklung der BFW, 1916–1918 Quelle: Geschichte der deutschen Flugzeugindustrie. Bearbeitet von der Inspektion des Luftfahrtwesens, Zentral-Abnahme-Kommission (Z.A.K.VII) Stand Sommer 1918, BArch-MA PHD 11/43.
gesellschaft. Durch ein neues Prämiensystem wollte die Geschäftsleitung eine Veränderung herbeiführen und sicherte den Arbeitern für jedes fertige Flugzeug eine Zusatzzahlung zu.106 Auf diese Weise konnte zwar der Produktionsausstoß verbessert werden, die Produktqualität litt aber weiterhin unter der teilweise überhasteten Ausführung einzelner Arbeitsgänge. Folgerichtig beschwerten sich die Fliegertruppen mehrmals über die Flugzeuge der BFW. Erst im Laufe des Frühjahrs 1917 konnten die Qualitätsprobleme gelöst werden. Danach stieg die monatliche Produktionsmenge schrittweise von 45 Flugzeugen im April 1917 auf 130 im August 1917.107 Mit der erfolgreichen Produktionsausweitung wuchs die BFW zu einem der größten Münchner Unternehmen (vgl. Abb. 6). Das Kriegsende im November 1918 brachte die BFW in eine schwierige Lage, die in vielen Bereich der Situation bei BMW ähnelte. Beide Firmen waren nicht nur in München ansässig und stellten Luftfahrtgerät her, sondern zudem als Kriegsgründungen völlig abhängig von ihrem einzigen Kunden, den deutschen Luftstreitkräften. Die Flugzeugproduktion musste ebenso wie der Flugmotorenbau kurz nach Kriegsende eingestellt werden. Daher sank 106
ILuft an Bayer. Inspektion des Ingenieurkorps vom 7. 3. 1917, BHStA ILuft 152 sowie Bayer. Kriegsministerium an KoGenLuft vom 12. 3. 1917 BHStA MKr 1388. 107 20. Bericht der Kommission zur Regelung der Arbeiterfrage vom Sommer 1917, BHStA ILuft 201.
88
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
die Belegschaftsstärke der BFW von November 1918 bis Juni 1919 von 2 450 auf 199 Personen.108 Wie BMW musste auch die BFW infolge des akuten Rohstoffmangels auf Anweisung des Bayerischen Staatskommissars für Demobilmachung im Dezember 1918 für vier Wochen schließen.109 Im Januar 1919 erfolgte mit deutlich verringerter Belegschaft ein Neuanfang, der durch Ereignisse im Zuge der Münchner Räterepublik abrupt zu Ende ging und zur kurzzeitigen völligen Schließung des Betriebes führte. Der Direktor der BFW wurde in dieser Zeit sogar von Rotgardisten verhaftet und mit Erschießung bedroht, ehe er auf Intervention des Arbeiterrats der BFW freikam.110 Die Aktionäre verloren bereits bei Kriegsende jegliches Vertrauen in die Zukunft der BFW und beschäftigten sich intensiv mit der Liquidation der Gesellschaft.111 Die Umstellung des Unternehmens auf eine profitable Friedensproduktion hielten sie für undurchführbar. In der Diskussion wurde zwar angemerkt, dass das Interesse der Aktionäre hinter dem der Arbeiter zurückstehen müsste, allerdings fühlte man sich der Belegschaft nicht allzu sehr verpflichtet, da diese erst während des Krieges angestellt worden war. Bis zur Jahresmitte 1919 unternahmen die Anteilseigner und der Vorstand mehrere Versuche, die Liquidation der Gesellschaft einzuleiten. Sie scheiterten mit ihrem Vorhaben jedoch am Widerstand der bayerischen Behörden.112 Da eine Unternehmensauflösung nicht möglich war, versuchten die Aktionäre zumindest ihr finanzielles Risiko zu verringern. Am 28. 1. 1919 beschloss der Aufsichtsrat, das Reservekonto des Unternehmens in Höhe von 1,75 Mio. Mark unter den Aktionären aufzuteilen. Außerdem kaufte die Gesellschaft Aktien im Wert von 1,25 Mio. Mark zurück. Damit erhielten die Aktionäre Zahlungen in Höhe des gesamten Grundkapitals von 3 Mio. Mark. Das Unternehmen verlor hingegen den Großteil seiner liquiden Mittel.113 Weil die Aktionäre die BFW nicht liquidieren konnte, musste der Betrieb doch auf Friedensproduktion umgestellt werden. Wegen des Kapitalentzugs durch die Aktionäre hatte die Beschaffung von Finanzmitteln oberste Priorität. Die Firma setzte hierbei vor allem auf Entschädigungszahlungen wegen stornierter Heeresaufträge. So sollte die BFW zum Zeitpunkt der endgültigen 108
Liste von Firmen der Metall-Industrie in München mit 50 Arbeitern und mehr, 16. 6. 1919, BHStA MH 13600. 109 Geschäftsbericht des Vorstandes der BFW für Geschäftsjahr 1918, MAN Papiere von Richard Buz 80. 110 Eberwein, Peter: Erfahrungen, welche Unterzeichneter seit der Revolution und besonders während der Räterepublik gemacht hat vom 11. 7. 1919 sowie Eberwein, Peter: Angaben über meine Verhaftungen als Geisel vom 8. 5. 1919, MAN Papiere von Richard Buz 79. 111 Rieppel an Buz vom 16. 11. 1918, Buz an MAN vom 26. 11. 1918 sowie Rieppel an Buz vom 28. 11. 1918, ebenda. 112 Schreiben an MAN vom 9. 7. 1919, MAN Papiere von Richard Buz 79 sowie Protokoll über Aufsichtsratssitzung der BFW vom 27. 6. 1919, MAN Papiere von Richard Buz 80. 113 Bayerische Flugzeugwerke AG vom 15. 12. 1921, MAN Archiv Nürnberg 171.
3.2. Exkurs
89
Annullierung aller ihrer Heereslieferungen noch 220 Flugzeuge im Gesamtwert von 5,5 Mio. Mark liefern.114 Bei den Verhandlungen mit den diversen Reichsstellen beschritt die BFW einen ungewöhnlichen Weg. Sie übertrug einer Finanzgesellschaft, der Warrant GmbH, gegen Provision das Recht, im Auftrag der BFW Entschädigungsverhandlungen mit dem Reich zu führen.115 Der Warrant GmbH gelang es schließlich vom Reichsverwertungsamt eine Zahlung von 6 Mio. Mark zu erhalten, die aber deutlich unterhalb der geforderten 10 Mio. Mark lag. Neben der finanziellen Entschädigung beinhaltete die Einigung mit dem Reichsverwertungsamt die Übernahme des gesamten für den Flugzeugbau bestimmten Rohmaterials, das bei der BFW lagerte, sich aber noch im Besitz der IdFlieg befand. Bei den übernommenen Rohmaterialien handelte es sich überwiegend um hochwertiges Holz, den Grundbaustoff für die meisten Flugzeuge des Ersten Weltkriegs. Zur Verarbeitung des Holzes verfügte die BFW über eine modern eingerichtete Schreinerei. Aufgrund dieser Ausgangssituation entschloss sich die Geschäftsführung Möbel, Zimmereinrichtungen und Küchengeräte zu bauen.116 Außerdem sollten noch Automobilreparaturen durchgeführt werden. Der Kundenkreis für diese Produkte stammte überwiegend aus dem Inland, weshalb der Absatz von der wirtschaftlichen Situation in Deutschland abhing.117 Zu Beginn der 1920er Jahre nahm die BFW zusätzlich die Produktion von Motorrädern unter den Bezeichnungen Flink und Helios auf.118 Trotz der durchaus erfolgreichen Umstellung auf eine Friedensproduktion waren die Aktionäre der BFW weiterhin zu einem Verkauf der Gesellschaft bereit. Ein interessantes Projekt bahnte sich zu Jahresbeginn 1921 an, als eine Finanzgruppe um den bekannten belgischen Rennfahrer Theodor Pilette die Übernahme der BFW plante.119 Die Investoren wollten die BFW in eine Automobil & Karosserie AG umwandeln. Als Konstrukteur hatten sie den langjährigen Chefingenieur von Mercedes Karl Schnaitmann gewonnen.120 Das Geschäft zerschlug sich nach dem überraschenden Unfalltod von Pilette im Mai 1921.121 Es ist jedoch wahrscheinlich, dass das Geschäft auch ohne 114
Protokoll zur Verhandlungsaufnahme zwischen BFW und Flugzeugmeisterei vom 22. 1. 1919, BHStA Bayer. Gesandtschaft 1909. 115 Andreae an Buz vom 19. 8. 1919 sowie Vertrag zwischen BFW und Warrant GmbH vom 16. 8. 1919, MAN Papiere von Richard Buz 79. 116 Protokoll zur Verhandlungsaufnahme zwischen BFW und Flugzeugmeisterei vom 22. 1. 1919, BHStA Bayer. Gesandtschaft 1909 sowie Protokoll über eine wegen der BFW am 11. 2. 1920 stattgehabte Besprechung, MAN Papiere von Richard Buz 79. 117 Geschäftsbericht der BFW für das Geschäftsjahr 1920, MAN Papiere von Richard Buz 79. 118 Knittel, S. 21. 119 Protokoll über Aufsichtsratssitzung der BFW vom 25. 4. 1921, MAN Papiere von Richard Buz 79 sowie Fisch, S. 4 ff.. 120 Schnaitmann an Nadolny vom 27. 4. 1921, MAN Papiere von Richard Buz 79. 121 Buz an Nadolny vom 24. 5. 1921, ebenda.
90
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
diesen tragischen Zwischenfall nicht zustande gekommen wäre. Die belgischen Investoren wollten die Anteilseigner der BFW mit Aktien der neuen Gesellschaft bezahlen. Die MAN hatte aber nur ein Interesse am Verkauf ihrer BFW-Aktien, wenn sie dafür in Goldwerten bezahlt würde, wie sich bei Verhandlungen mit anderen potenziellen Investoren zeigte.122 Im Oktober 1921 trat Camillo Castiglioni, der ehemalige BMW-Großaktionär, an die Darmstädter Bank für Handel und Industrie heran und bot eine Übernahme aller BFW-Aktien an.123 Castiglioni hatte nach Ende des Ersten Weltkriegs eine Reihe von bedeutenden österreichischen Industrieunternehmen erworben, darunter den größten Automobilhersteller des Landes, die Austro-Daimler-Werke. Er erklärte, die BFW kaufen zu wollen, um auf ihrem Firmengelände eine Zweigniederlassung von Austro-Daimler zu errichten. Als Bezahlung bot er Aktien von Austro-Daimler an. Während MAN das Angebot ablehnte, akzeptierten die beiden anderen Großaktionäre, die Albatros-Flugzeugwerke und die Darmstädter Bank für Handel und Industrie. Seit 1916 hatten sich die Aktionäre der BFW in einem immer wieder erneuerten Syndikatsvertrag zu gemeinsamem Handeln verpflichtet. Dieser Vertrag wurde jedoch im März 1921 offenbar versehentlich nicht verlängert.124 Auf der nächsten Generalversammlung im Dezember 1921 zeigten sich zur Überraschung der MAN völlig neue Machtverhältnisse. Castiglioni besaß ein Aktienkapital in Höhe von 2 387 000 Mark und damit rund 80% der Gesellschaft.125 Sein Aktienpaket beinhaltete die ehemaligen Anteile der Albatros-Flugzeugwerke und der Bank für Industrie und Handel, aber auch weitere Aktien im Wert von 1 250 000 Mark. Dieses Aktienpaket hatte die Geschäftsführung der BFW an Castiglioni ohne Wissen des Großaktionärs MAN veräußerte. Es handelte sich um diejenigen Anteile, die die BFW von den Aktionären im Januar 1919 erworben hatte. Aufgrund dieser Konstellation ist es sicher richtig, den Kauf der BFW durch Castiglioni als „unfreundliche Übernahme“ zu beschreiben.126 MAN erwog zunächst juristische Schritte, lenkte aber nach heftigen Auseinandersetzungen im Juni 1922 ein und verkaufte alle eigenen BFW-Aktien.127 Ausschlaggebend für die Einigung war mit Sicherheit, dass Castiglioni sein Angebot finanziell deutlich verbessert hatte. Die Motive, die Castiglioni zum Erwerb der BFW bewegten, standen wahrscheinlich in keinem Zusammenhang mit dem Aufbau einer Zweigniederlassung der Austro-DaimlerWerke, wie er in den Verhandlungen vorgab. Vielmehr hatte er wohl schon im Herbst 1921 konkrete Pläne, zumindest Teile der BMW AG zu erwer122
Schreiben an Buz vom 4. 11. 1921, ebenda. Bayerische Flugzeugwerke AG vom 15. 12. 1921, MAN Archiv Nürnberg 171. 124 Fisch, S. 5. 125 Schreiben an Buz vom 14. 12. 1921 sowie Meinhardt an Guggenheimer vom 19. 12. 1921, MAN Archiv Nürnberg 171. 126 Fisch, S. 5. 127 Schreiben an Buz vom 8. 6. 1922, MAN Archiv Nürnberg 171. 123
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925)
91
ben, um diese mit der BFW zu verschmelzen. Ein starkes Indiz für diese Pläne ist die Tatsache, dass BMW-Generaldirektor Franz Josef Popp beim Kauf der BFW Castiglioni unterstützte. Mehrmals korrespondiere er mit der MAN und beschrieb darin die BFW unter anderem als „tote Fabrik, die keine nennenswerten Einrichtungen besitzt, zum größten Teil aus stark defekten und wenig geeigneten Holzhallen besteht, in einer industriell äußerst ungünstigen Stadt liegt, deren Status weiterhin in keiner Weise erfreulich ist“128.
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925) Camillo Castiglioni beeinflusste als wichtigster Großaktionär bis 1929 entscheidend die Geschicke von BMW. So war er bereits an der Gründung der Gesellschaft während des Ersten Weltkriegs beteiligt und konnte in den Jahren 1919 bis 1920 bzw. 1922 bis 1926 als Alleinaktionäre sogar nach Belieben über BMW verfügen. Selbst nach dem Verkauf seiner Aktienmehrheit behielt er bis 1929 als Großinvestor erheblichen Einfluss. Die Biografie von Castiglioni ist daher aufs Engste mit der BMW-Unternehmensgeschichte verwoben. Ohne eine ausführliche Analyse seiner Person und seiner Geschäftspraktiken erscheint ein tiefgreifendes Verständnis insbesondere für die zentralen strategischen Managemententscheidungen jener Jahre unmöglich. Die Urteile, die sich in der zeitgenössischen Literatur zu Castiglioni finden, sind zumeist vernichtend: „Er war ein Hai, auch wenn er eher an eine Krake erinnerte, bereit, plötzlich ihre schleimigen Tentakel auszustrecken, um die Beute zu packen.“129 Die Aussagen der Zeitgenossen führen aber nur zu einer teilweisen Annäherung an Castiglioni, der gleichermaßen und berechtigterweise als Spekulant, Risikoinvestor oder Unternehmer bezeichnet werden kann. Aus eher armen Verhältnissen stammend hatte er den Ersten Weltkrieg und insbesondere die folgende Inflation durch Gründung oder Übernahme zahlreicher Firmen geschickt genutzt, um einen gewaltigen Reichtum zu erlangen. Damit war er ein Prototyp des sogenannten „Inflationsgewinnlers“130, der reich wurde, während Krieg und Inflation um ihn herum zahlreiche Existenzen vernichteten. Das Verhältnis zwischen BMW und Castiglioni eignet sich hervorragend, um exemplarisch die Auswirkungen auf ein Unternehmen zu untersuchen, das sich im Besitz eines „Inflationsgewinnlers“ befand.
128
Popp an Buz vom 23. 11. 1921, ebenda. Toeplitz, S. 163–166. 130 Zu einer Beschreibung des zeitgenössischen Verständnisses von Inflationsgewinnlern vgl. Geyer, S. 243–248. 129
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Camillo Castiglioni wurde am 22. 10. 1879 als Sohn eines Rabbiners in Triest geboren.131 Über seine ersten Lebensjahre kursieren widersprüchliche Angaben, um das Jahr 1903 scheint er jedoch nach Wien übersiedelt zu sein, wo er zunächst für den österreichischen Gummiproduzenten Semperit im Vertrieb und schließlich als Direktor tätig war. Der wirtschaftliche Durchbruch gelang ihm im Ersten Weltkrieg. Schon vor dem Krieg hatte sich Castiglioni in der Luftfahrt engagiert.132 Während des Krieges stieg er jedoch als Besitzer zahlreicher Flugzeug- und Flugmotorenfirmen zum bedeutendsten Lieferanten der österreichisch-ungarischen Fliegertruppen auf. Diese Rüstungsgeschäfte waren äußerst lukrativ und brachten ihm ein ansehnliches Vermögen ein. Zur Abwicklung und Finanzierung seiner Geschäfte erwarb er 1917 die kleine aber angesehene Depositenbank in Wien. Das Kriegsende beendete nicht den wirtschaftlichen Erfolg von Castiglioni. Sein Aufstieg zu einem der reichsten Männer Mitteleuropas setzte sich vielmehr in der unmittelbaren Nachkriegszeit fort, da er „einer der ersten war, die das Gesetz der Geldentwertung begriffen hatten und an seine langfristige Wirkung glaubten.“133 Die unsicheren politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Österreich und den anderen Nachfolgestaaten der k.u.k. Monarchie nutzte er dabei ebenso geschickt zu seinem eigenen Vorteil aus wie die Gesetzmäßigkeiten der Inflation. Mehrere Faktoren unterstützten Castiglionis Aufstieg. So brachte ihm das Kriegsende neben der österreichischen auch die italienische Staatsbürgerschaft ein, womit er de facto auf der Seite der Kriegsgewinner stand. Außerdem blieb Wien nach Auflösung der Habsburgermonarchie der zentrale Finanzplatz für Ost- und Mitteleuropa, wodurch sich vielfältige Investitionsmöglichkeiten ergaben.134 Von größter Bedeutung waren jedoch Netzwerke. Castiglioni bemühte sich daher intensiv um Kontakte zu Politikern, Wirtschaftsführern und Künstlern. Der in kürzester Zeit erworbene Reichtum, den Castiglioni letztlich nicht einem einzelnen Unternehmen sondern „einer langen Kette glücklicher Operationen spekulativer Art“135 verdankte, brachte eine große öffentliche Ablehnung seiner Person mit sich, die durch seine jüdische Abstammung oftmals noch verstärkt wurde. Durch Mäzenatentum und den Aufbau eines großen Presseimperiums, das wohlwollend über ihn berichtete, versuchte Cas131
Eine Biographie zu Castiglioni ist bisher noch ein Desiderat der Forschung. Die sehr verstreute Aktenlage in italienischen, österreichischen und deutschen Archiven erschwert zwar die Annäherung an Castiglioni, eine Arbeit erscheint jedoch sehr lohnenswert. Zu Einzelaspekten seiner Biographie existieren bereits mehrere Arbeiten, vgl. Ausch, Castronovo, del Fabbro, Lewinsohn, S. 236 ff., Mathis: Castiglioni, Pinner, S. 217–223, Segato, Schäfer, S. 294–303, Schleicher, S. 61–64, Ufermann, S. 68–76 sowie Zorn: Unternehmer. 132 Vgl. S. 15. 133 Pinner, S. 219. 134 Teichova, S. 31. 135 Neckarsulmer, S. 210.
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925)
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tiglioni dem entgegenzuwirken und die öffentliche Sicht auf seine Person zu verbessern. So unterstützte er großzügig das Max-Reinhardt-Seminar in Wien oder das Mozarteum in Salzburg. Diese Kulturförderung wurde zwar in Künstlerkreisen sehr honoriert, führte aber letztlich nicht zum eigentlichen Ziel – der gesellschaftlichen Anerkennung.136 Die Netzwerke, die Castiglioni zu Politikern in Österreich und Italien aufbaute, dienten ebenfalls der Erringung gesellschaftlicher Reputation. Diese Kontakte konnte er aber zudem nutzen, um Schwierigkeiten bei seinen Geschäften aus dem Weg zu räumen. Hochrangige österreichische Politiker unterstützten Castiglioni etwa, als 1924 gegen ihn wegen Untreue und Steuerhinterziehung ermittelt wurde und konnten das Verfahren in für ihn günstiger Weise beeinflussen.137 Neben Österreich war Italien ein zentraler Ort für Castiglionis Geschäfte, weshalb die Unterstützung durch hohe italienische Würdenträger von großem Vorteil war. Castiglioni gelang es dabei, zu den bis 1922 regierenden demokratischen Kräften gute Beziehungen zu unterhalten und sogar mehrmals in diplomatischen Missionen als inoffizieller Vermittler Italiens aufzutreten. Selbst nach der Machtübernahme der Faschisten genoss Castiglioni den Schutz der Politik, insbesondere von Benito Mussolini, mit dem er bis Ende der 1930er Jahre in Briefkontakt stand.138 Politiker konnten die allgemeinen Rahmenbedingungen für Castiglionis Geschäfte verbessern. Für die Umsetzung der Geschäftsideen waren jedoch die Netzwerke zu Wirtschaftsführern, Managern und Unternehmern entscheidend. Ein gutes Beispiel für den Aufbau einer solchen Beziehung sind die Geschäftskontakte zwischen Hugo Stinnes und Camillo Castiglioni, die sich bereits im Ersten Weltkrieg anbahnten.139 Für beide Seiten zahlte sich diese Beziehung nach dem Krieg aus. Castiglioni vermittelte 1921 den Verkauf des größten österreichischen Montankonzerns, der Alpine-Montanunion, von Fiat an Hugo Stinnes und erhielt im Gegenzug für seine Tätigkeit Aktien des Unternehmens und den Posten des Vizepräsidenten im Verwaltungsrat.140 Die Übernahme der Alpine-Montanunion schlug in Wirtschaft und Politik hohe Wellen und war sicherlich eine der lukrativsten Unternehmungen von Castiglioni. Außerdem zeigt sich hierbei seine länderübergreifende Tätigkeit. Er machte Geschäfte in Österreich, Italien, Deutschland und mehreren osteuropäischen Staaten. Dabei nutzte er geschickt die jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Länder, vor allem die zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlicher Stärke einsetzende Inflation.141 136
Lewinsohn, S. 240 sowie Castronovo. Ausch, S. 164 ff. sowie Ministero degli Affari Esteri, Rappresentanze diplomatiche italiane in Vienna (1922), Busta 269, Fasc. 4 „Vertenza tra il finanziere italiano Camillo Castiglioni ed il fisco austriaco“. 138 Castronovo. 139 Vgl. S. 54–55. 140 Schleicher, S. 61–65 sowie Ministero degli Affari Esteri, Archivio del Commercio, Austria. Classe 28, Fasc. „Azioni dell’Alpine Montangesellschaft“. 141 Segato, Zorn: Unternehmer und Mathis: Castiglioni. 137
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Die internationale Ausrichtung war nicht nur Kennzeichen, sondern vielfach Voraussetzung für Castiglionis Erfolg. Durch Finanztransaktionen erwarb er ein kaum überschaubares Firmenkonglomerat. Die zahlreichen Unternehmensübernahmen finanzierte er im Regelfall durch Aktientausch oder Kredite. Letztere erhielt er meist von der Banca Commerciale Italiana, einem der größten italienischen Bankinstitute, mit dessen Direktor Josef Toeplitz ihn eine persönliche Freundschaft verband.142 Das in Italien geliehene Geld investierte Castiglioni wiederum in Österreich, Deutschland und mehreren osteuropäischen Staaten, vorzugsweise in solchen Ländern, in denen das jeweilige Währungssystem durch eine Inflation destabilisiert wurde.143 Dadurch konnte er die Schwankungen zwischen der relativ stabilen Lira und den übrigen von der Inflation gebeutelten Währungen nutzen. BMW war mehrmals Teil von Castiglionis Firmenimperium. In den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hatte der italienische Spekulant erstmals BMW in seinen alleinigen Besitz gebracht, veräußerte das Unternehmen aber bereits am 9. 11. 1920 an die Knorr-Bremse AG.144 Im Frühjahr 1922 trat Castiglioni allerdings wieder an die Knorr-Bremse heran und bot die Übernahme des BMW-Motorenbaus an. In einem Vertrag vom 24. 5. 1922 erwarb er „alles, was zum Motorenbau gehört bzw. für diesen bestimmt ist“145. Als Kaufpreis wurden 75 Mio. Mark vereinbart, wobei nur 10 Mio. Mark sofort zu entrichten waren, während die restliche Summe bis zum 1. 4. 1923 beglichen werden sollte. Die Übernahme schloss neben Maschinen, Rohmaterial und den Anlagen der Gießerei sämtliche Patente und Zeichnung aller jemals von BMW konstruierten Motoren ein. Ein Teil der Belegschaft um den Vorstand Franz Josef Popp und den Chefkonstrukteur Max Friz ließ sich ebenfalls abwerben. Entscheidend für Castiglionis Pläne war es, dass er nicht nur Patente, Maschinen und Personal übernehmen konnte, sondern mit dem Kaufvertrag auch die Marke BMW erhielt. Beides übertrug er auf die im Herbst 1921 erworbene BFW AG, die sich daraufhin in BMW AG umbenannte. Die alte BMW AG blieb weiterhin im Besitz der Knorr-Bremse und firmierte seit dem 6. 7. 1922 unter der Bezeichnung Süddeutsche Bremsen AG.146 Obwohl Castiglioni eine Vielzahl von Firmen erwarb, setzte er nach dem Ersten Weltkrieg bei seinen Investitionen dennoch Schwerpunkte in der Automobil-, Montan-, Elektro-, Gummi- und Papierindustrie.147 BMW lässt sich 142
Toeplitz, S. 163–166. Segato, Zorn: Unternehmer und Mathis: Castiglioni. 144 Vgl. S. 72–73. 145 Kaufvertrag zwischen BMW AG und Camillo Castiglioni vom 24. 5. 1922, BMW UA 3. 146 Protokoll der Generalversammlung der BMW AG bzw. Süddeutschen Bremsen AG vom 6. 7. 1922, Knorr AH 1888. 147 Mathis: Big Business, S. 23–29, S. 73–75, S. 81–83, S. 105–197, S. 109–111, S. 188–192, S. 208–211, S. 259–262, S. 269–275 und S. 331–332 sowie Ufermann, S. 73–75. 143
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925)
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keinem dieser Industriezweige zuordnen. Das Engagement des italienischen Finanziers, der vornehmlich an hoher und schneller Rendite interessiert war, erscheint zunächst unverständlich, da nur der defizitäre Motorenbau in seinen Besitz gelangte, während der profitable Lizenzbau von Güterwaggonbremsen bei der Knorr-Bremse AG verblieb. Nach Kriegsende hatte Castiglioni fast alle Beteiligungen an österreichischen und deutschen Luftfahrtunternehmen aufgegeben. Spätestens im Juni 1921 nahm er aber wieder eine Vermittlerfunktion für BMW-Flugmotoren wahr. Basis dieser Tätigkeit war offenbar ein Vertrag, den die in seinem Besitz befindliche Motor-Luftfahrtgesellschaft (MLG) mit der Knorr-Bremse AG abgeschlossen hatte.148 Castiglioni verhandelte in der Folge mit dem Verteidigungsministerium der Tschechoslowakei (CSR), das für den Aufbau eigener Luftstreitkräfte nach geeigneten Flugmotoren suchte. Am 15. 2. 1922 wurde schließlich ein Vertrag über die Lizenzproduktion der beiden Flugmotoren BMW IIIa und BMW IV in der CSR abgeschlossen.149 Als Vertragspartner unterzeichnete neben dem tschechoslowakischen Verteidigungsministerium und der BMW AG die International Investment Company (IIC) mit Sitz in Zürich und Berlin, ein Unternehmen, das sich zu 100% im Besitz von Castiglioni befand. Ob die Knorr-Bremse AG vom Abschluss dieses lukrativen Lizenzvertrags wusste, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall war der Vertrag wohl ausschlaggebend für den Erwerb des BMW-Motorenbaus im Mai 1922.150 Die Lizenzgebühren für den Nachbau von BMW-Flugmotoren in der CSR gingen bis zur Einstellung der Produktion Ende der 1920er Jahre ausschließlich an Castiglioni.151 Dieses Geschäft brachte BMW nicht nur keinen Gewinn, sondern auch erhebliche Probleme. Im Februar 1923 wollte das Unternehmen an den tschechischen Lizenzproduzenten, die Aktien-Automobilfabrik J. Walter & Co. in Prag, in einem Eisenbahnwaggon mehrere Flugmotoren sowie Einzelteile liefern. Zuvor waren bereits komplette Zeichnungssätze per Post verschickt worden. Bei einer Zollkontrolle wurde der Eisenbahnwaggon jedoch beschlagnahmt und Ermittlungen gegen BMW eingeleitet.152 Der Vorwurf lautete auf Hochverrat, weil die BMW-Flugmotoren als Rüstungsgut galten, deren Export nicht gewünscht war. Der BMWDirektor Popp wurde sogar kurzzeitig verhaftet. Den Hochverratsvorwurf wollte das Unternehmen zunächst mithilfe des Bayerischen Ministeriums für 148
Kaufvertrag zwischen BMW AG und Camillo Castiglioni vom 24. 5. 1922, BMW UA 3. 149 Lizenz-Vertrag zwischen der IIC/BMW und dem Ministerium für Nationale Verteidigung der CSR vom 15. 2. 1922, BHStA MWi 6886. 150 Fisch, S. 5–6. 151 Revisionsbericht der Deutschen Treuhand-Gesellschaft über die Gesamtbilanz per 31. 12. 1928 der BMW AG, BArchB R 8119F / P 3102, Bl. 369–371. 152 Popp an Bayer. Handelsministerium vom 24. 2. 1923 sowie Polizeidirektion München an I. Staatsanwalt beim Volksgericht vom 24. 2. 1923, BHStA MWi 6886.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Handel, Industrie und Gewerbe aus der Welt schaffen, das sich jedoch für nicht zuständig erklärte.153 Da es letztlich zu keiner Anklageerhebung kam, scheint BMW die Unterstützung anderer Behörden gefunden zu haben. Dabei war mit Sicherheit von Bedeutung, dass Deutschland selbst der Unterhalt einer Luftwaffe auf absehbare Zeit durch den Versailler Vertrag verboten war. Damit konnten die BMW-Motoren von Deutschland nicht militärisch genutzt werden. Andererseits verhandelte das Verteidigungsministerium der CSR auch mit französischen Herstellern, die aufgrund der politischen Bündniskonstellation die bessere Ausgangsposition hatten. Wenn jedoch die Produkte einer deutschen Firma bei der Ausrüstung der tschechoslowakischen Streitkräfte französischen vorgezogen wurden, so konnte dies nur im Sinne der deutschen Diplomatie sein. Nach der Übersiedelung des BMW-Motorenbaus auf das Gelände der BFW wurde mit dem Aufbau einer eigenen Produktion begonnen.154 Zunächst führte man alte Aufträge der BFW aus. Dies umfasste vor allem den Bau von monatlich rund 140 Motorrädern, die von den Ingenieuren der BFW entwickelt worden waren, und unter den Bezeichnungen Flink und Helios vertrieben wurden. Daneben fertigte BMW Ersatzteile für Motoren. Die Aufnahme einer eigenen Flugmotorenproduktion wurde hingegen nicht in Angriff genommen. Mit dem Kauf des BMW-Motorenbaus hatte Castiglioni je ein zu Versuchszwecken entwickeltes Motorboot, Motorrad und Automobil erworben.155 Ob konkrete Planungen zum Einstieg in die Fahrzeugproduktion bereits 1922 bestanden, ist trotz einiger Äußerungen der damaligen Akteure nicht verifizierbar.156 Indizien deuten allerdings darauf hin, dass Castiglioni BMW zu Vertrieb, Reparatur und eventuell sogar zur Produktion von Automobilen der Firma Austro-Daimler, die sich in seinem Besitz befand, nutzen wollte. Österreich war zu Beginn der 1920er Jahre einer der größten Automobilimporteure in Deutschland.157 Dabei profitierten die österreichischen Automobilhersteller von zwei Faktoren. Zum einen mussten sie beim Export nach Deutschland keine Zölle bezahlen. Zum anderen stieg die Inflation in Österreich schneller und erreichte bereits 1922 ihren Höhepunkt, weshalb österreichische Produkte im Vergleich zu deutschen bis zu diesem Zeitpunkt günstiger hergestellt werden konnten. Austro-Daimler verfügte seit Oktober 1921 über eine eigene Vertriebsgesellschaft in Deutsch153
Bayer. Handelsministerium an BMW vom 5. 3. 1923, ebenda. Protokoll der Besprechung zwischen Prof. Junkers und Vertretern der BMW AG vom 22. 8. 1922, DMM/ASD JA 0020. 155 Kaufvertrag zwischen BMW AG und Camillo Castiglioni vom 24. 5. 1922, BMW UA 3. 156 Protokoll der Besprechung zwischen Prof. Junkers und Vertretern der BMW AG vom 22. 8. 1922, DMM/ASD JA 0020 sowie Bayerische Flugzeugwerke AG vom 15. 12. 1921, MAN Archiv Nürnberg 171. 157 Flik, S. 143 sowie mehrere Dokumente zu dieser Thematik, in: BArchB R 901 / 40802. 154
3.3. BMW unter dem Alleinaktionär Camillo Castiglioni (1922–1925)
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land, die in Berlin unter dem Namen Austro-Daimler-Motor AG gegründet worden war. 1922 zog der BMW-Direktor Franz Josef Popp in den Aufsichtsrat dieser Gesellschaft ein, was als Zeichen für die geplanten Verbindung zwischen Austro-Daimler und BMW gelten kann.158 Die Stabilisierung der österreichischen Währung durch das Genfer Abkommen beendet 1922 die Inflation in Österreich, wodurch die lukrativen Exporte nach Deutschland zurückgingen.159 Aufgrund dieser Entwicklung kam es zu keiner engeren Zusammenarbeit zwischen BMW und Austro-Daimler. Zwei Motive veranlassten Castiglioni zum Erwerb von BMW. Zum einen konnte er durch die Einnahmen aus der Lizenzproduktion von BMW-Flugmotoren in der CSR rasch und ohne Aufwand Geld verdienen. Zum anderen wollte Castiglioni BMW nutzen, um die Automobilimporte von AustroDaimler zu unterstützen. Treibendes Motiv war sicherlich der Lizenzvertrag mit der CSR. Solche Geschäfte entsprachen der Persönlichkeit Castiglionis, der mit Geld, Aktien und Unternehmen jonglierte, um einen möglichst großen Profit für sich herauszuschlagen. Eine langfristige und nachhaltige Strategie ist in allen seinen Geschäften nicht nachweisbar, sodass „sein Interesse tatsächlich weniger der Leitung und Finanzierung seiner Industrieunternehmen als vielmehr ihren Aktien und den Möglichkeiten persönlicher Bereicherung galt.“160 Diese Einschätzung trifft gleichermaßen auf Castiglionis Engagement bei BMW zu. Er war in erster Linie daran interessiert, so viel Kapital wie möglich aus dem Unternehmen zu ziehen. Darauf deuten die zweistelligen Dividendenzahlungen hin, die in den 1920er Jahren unabhängig vom Verlauf des Geschäftsjahres ausbezahlt wurden, ebenso wie diverse Provisionsgeschäfte, die zu seinen Gunsten abgeschlossen wurden.161 Beispielhaft für diese Profitmaximierungsstrategie steht die Erhöhung des Grundkapitals der BMW AG im Jahr 1925. Seit 1923 produzierte BMW Motorräder und Flugmotoren. Die wachsenden Absatzzahlen erforderten Investitionen zur Modernisierung der Werksanlagen, die durch eine in der Jahresmitte 1925 durchgeführte Kapitalerhöhung von 3 Mio. RM auf 5 Mio. RM finanziert werden sollten.162 Alleiniger Zeichner der neuen Aktien war die IIC im Namen von Castiglioni. Als Bezahlung erhielt BMW jedoch kein Bargeld, sondern Aktien der Austro-Daimler AG in Berlin, jener Vertriebsgesellschaft, die den Verkauf von Austro-Daimler Fahrzeugen in Deutschland verantwortete.163 Das Geschäft war mit dem Inflationsende aber völlig zusammengebrochen, weshalb BMW die Aktien noch im Jahr 1925 auf 350 000 RM 158
Eintrag zu Austro-Daimler, in: Handbuch der Aktiengesellschaft Jg. 28 (1923), S. 533–534. 159 Ausch, S. 75–82. 160 Mathis: Castiglioni, S. 432. 161 Vgl. S. 116 ff. 162 BMW Geschäftsbericht 1925, BMW UU 5/10. 163 Revisionsbericht der Deutschen Treuhand AG zur Bilanz der BMW AG für das Geschäftsjahr 1925, BArchB R 8119F / P 3102, Bl. 568.
98
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
abschrieb. Daneben transferierte Castiglioni noch einige weitere Posten (vgl. Tab. 10) an BMW, die von sehr zweifelhaftem Wert waren. Es muss daher angenommen werden, dass er letztlich Aktien erhielt, ohne auch nur annähernd deren Gegenwert zu bezahlen. Somit musste BMW den Werksausbau aus eigenen Mitteln finanzieren, während einzig der Alleinaktionär von der Kapitalerhöhung durch höhere Dividendenausschüttungen profitierte. Tab. 10: Von Castiglioni an BMW übergebene Gegenwerte für Aktien aus der Kapitalerhöhung von 1925 Gegenwerte für BMW Aktien im Wert von 2 Mio. RM Aktien der Austro-Daimler AG in Berlin Grundstück in Berlin Entschädigung für Verzicht des Herrn Castiglioni auf ein Vorkaufsrecht auf ein Grundstück an der Riesenfeldstraße Verrechnung mit der Austro-Daimler-Motoren-AG München Stempelgebühren, Provisionen an der Kapitalerhöhung, etc.
1 250 000 RM 200 000 RM 50 000 RM
Gesamt
2 000 000 RM
489 775 RM 10 225 RM
Quelle: Revisionsbericht der Deutschen Treuhand AG zur Bilanz der BMW AG für das Geschäftsjahr 1925, BArchB R 8119F / P 3102, Bl. 568.
Das Ende der Inflation in Österreich im Jahr 1922 schwächte erstmals Castiglionis wirtschaftlichen Aufstieg ab. Allerdings konnte er sein Unternehmenskonglomerat zunächst zusammenhalten. Dabei half ihm, dass mit dem Ende der Inflation in Österreich eine groß angelegte Aktienspekulation einsetzte, die die Kurse in die Höhe trieb.164 Dieses allgemeine Spekulationsfieber trug maßgeblich dazu bei, dass 1924 unzählige österreichische Firmen, Banken und Privatpersonen auf eine Inflation in Frankreich setzten. Nachdem allerdings die französische Währung durch eine 100 Mio. US-DollarAnleihe stabilisiert worden war, zerplatzte die Franc-Spekulation.165 Um ihre Schulden zu begleichen, mussten viele Investoren rasch ihre Aktien verkaufen, wodurch die Kurse an der Wiener Börse ins Bodenlose stürzten. Castiglioni hatte ebenfalls mit großen Summen auf einen Währungsverfall in Frankreich gesetzt und wurde nun besonders von dem Sturz der Börsenkurse getroffen, da der größte Teil seines Vermögens aus Unternehmensaktien bestand. Binnen weniger Monate löste sich fast sein gesamtes Vermögen auf. Schließlich musste er sogar seinem Hauptgläubiger, der Banca Commerciale, die Verfügungsrechte über seine Vermögenswerte übertragen. Die Bank schickte mit Adolfo Rossi einen Abgesandten nach Wien, der im Einvernehmen mit Castiglioni alle Beteiligungen liquidierte und die Gläubiger ausbezahlte. Tat-
164 165
Bachinger/u.a, S. 58 ff. Teichova, S. 31–34.
3.4. Zusammenfassung
99
sächlich gelang es auf diese Weise, Castiglioni vor dem Bankrott zu bewahren. Von seinem Reichtum blieb jedoch nur ein Bruchteil übrig.166 Die Reputation Castiglionis wurde ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen, als in Folge der fehlgeschlagenen Franc-Spekulation die Depositenbank in Wien zusammenbrach. Die Depositenbank hatte sich von 1917 bis 1922 im Besitz von Castiglioni befunden und ihm beim Aufbau seines Vermögens gute Dienste geleistet. Schon in dieser Zeitspanne tätigte das Bankinstitut jedoch äußerst riskante Geschäfte. Die Besitzer, die Castiglioni 1922 nachfolgten, spekulierten in noch riskanterer Weise mit dem Geld ihrer Kunden, was 1924 zum Zusammenbruch führte. Presse und Politik machten Castiglioni hierfür verantwortlich. Die polizeilichen Ermittlungen und Recherchen der Presse förderten einige sehr zweifelhafte Geschäfte der Depositenbank mit Castiglioni zutage, sodass sich dieser zu einer teilweisen Entschädigung der Bankkunden bereit erklärte.167 1924 verlor Castiglioni einen Großteil seines Vermögens, das vor allem aus österreichischen Firmen bestanden hatte. Sein Ruf war ebenfalls nachhaltig beschädigt, sodass es ihm unmöglich war, in Österreich noch einmal wirtschaftlich Fuß zu fassen. Folgerichtig übersiedelte er schließlich von Wien nach Berlin. In Italien und Deutschland war seine Reputation zwar angeschlagen, er galt jedoch nicht – wie in Österreich – als Persona non grata und konnte sich weiterhin als Finanzier und Unternehmer engagieren. So gelang es ihm, BMW als einziges größeres Unternehmen, das sich in seinem Besitz befand, über den Zusammenbruch hinaus zu halten. Die Deutsche Bank half BMW und Castiglioni dabei offenbar über die größte finanzielle Not hinweg, ohne sich selbst am Unternehmen zu beteiligen.168 Damit wirkte sich die Finanzkrise von Castiglioni auch auf BMW aus, obwohl Vorstand und Aufsichtsrat dies wiederholt bestritten.169
3.4. Zusammenfassung Mit der Gründung einer BMW-Aktiengesellschaft im August 1918 waren die Strukturen und Finanzen geordnet, sodass auf den ersten Blick beste Chancen für eine erfolgreiche Etablierung auf dem Luftfahrtmarkt bestanden. Wenn man die theoretischen Modelle zum Ablauf einer Unternehmensgründung zugrunde legt, hätte in etwa zu diesem Zeitpunkt der Gründungspro-
166
Segato sowie Ministero degli Affari Esteri, Affari Politici, 1919–1930, Pacco 844 (1924) Austria, Fasc. „Banca Castiglioni“. 167 Lewinsohn, S. 250 ff. sowie März, S. 465 ff. 168 Hergt an Stauß vom 25. 10. 1924, BArchB R 8119 F / P 3080, Bl. 284. 169 Bayer. Handelsministerium an RVM vom 20. 12. 1924, BHStA MWi 6886 sowie Popp an Konrad vom 29. 10. 1924, StadtAM Verkehr Nachtrag 311.
100
3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
zess in eine neue Phase eintreten müssen.170 Auf die Errichtung, die vor allem Strukturaufbau und Markteintritt beinhaltet, hätte idealtypisch die Expansion des Unternehmens folgen müssen. Wegen des Kriegsendes brach das durchaus vorhandene Wachstum jedoch plötzlich ab. Als Flugmotorenhersteller belieferte BMW lediglich das Militär und verlor im November 1918 den einzigen Kunden. Andere Aufträge waren nicht in Sicht, da die Restriktionen der Waffenstillstandsvereinbarung bzw. des Versailler Vertrages zunächst den Aufbau eines zivilen Luftverkehrs verhinderten. Als der Bayerische Staatskommissar für Demobilmachung wegen des akuten Rohstoffmangels zum 6. 12. 1918 die sofortige Einstellung aller Rüstungsarbeiten forderte, entschied sich die Unternehmensleitung zur Schließung des Betriebs. Damit war das weitere Schicksal von BMW ungewiss. Nicht wenige während des Krieges gegründete Rüstungsfirmen wurden nach Einstellung der Kampfhandlungen abgewickelt. Verantwortlich für den Fortbestand von BMW war letztlich der Umstand, dass der Großaktionär Camillo Castiglioni das Interesse behielt und alle Unternehmensanteile der übrigen, eher skeptischen Aktionäre erwarb. Nach der Wiedereröffnung des Betriebs im Februar 1919 musste sich BMW der Demobilmachung stellen. Diese Herausforderung war besonders groß, da die Unternehmensführung während des Krieges fast keine Planungen für den Übergang in die Friedenswirtschaft entwickelt hatte. Verantwortlich hierfür waren wohl vor allem zwei Faktoren. Zum einen kümmerten sich Vorstand und Aufsichtsrat in der Errichtungsphase des Unternehmens vornehmlich um das Tagesgeschäft. Ein durchaus typisches Phänomen für Gründungsunternehmen. Zum anderen erfolgte der endgültige Markteintritt mit Gründung der Aktiengesellschaft im August 1918 zu einem so späten Zeitpunkt, dass für die Entwicklung von Langzeitstrategien keine Zeit mehr blieb. Eine Amortisation der Investitionen oder gar die Ausweisung von Gewinnen war wegen des Kriegsendes ebenfalls illusorisch geworden. Als größtes Problem erwies sich jedoch das Produktportfolio. Da an eine lukrative Fortführung des Flugmotorenbaus nicht zu denken war, entschied man sich für die Fertigung von Motoren für diverse zivile Anwendung, hatte aber große Schwierigkeiten, auf dem Markt Fuß zu fassen. Gerade im Bereich der Motorenproduktion gab es eine Reihe von namhaften Herstellern, die bereits vor dem Krieg produziert hatten und damit über einen gefestigten Kundenstamm verfügten. Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Demobilmachung war die Lösung der Finanzschwierigkeiten. Dies gelang nur, da auch nach Kriegsende staatliche Stellen weiterhin großes Interesse am Fortbestand von BMW hatten und massive Unterstützung leisteten. Zunächst erhielt BMW äußerst großzügige Entschädigungszahlungen für stornierte Heeresaufträge und wei170
Zu den theoretischen Grundlagen bei der Analyse von Unternehmensgründungen vgl. S. 4–6.
3.4. Zusammenfassung
101
tere Hilfsgelder. Hierdurch konnte zumindest der unmittelbare Nachkriegsbetrieb sichergestellt werden. Außerdem lieferte BMW an die Reichsbahn Druckluftbremsen, die nach einer Lizenz der Knorr-Bremse AG produziert wurden, und profitierte so von staatlichen Konjunkturprogrammen. Die geringen finanziellen Ressourcen und die Fokussierung auf den Flugmotorenbau waren die beiden strukturellen Probleme, die von der Unternehmensführung während der Demobilmachung gelöst werden mussten. Hinzu kam noch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat über Macht und Einfluss. Im Zuge der revolutionären Umwälzungen waren die Rechte der Arbeiterschaft deutlich gestärkt worden, womit sich der BMW-Vorstand nicht abfinden wollte. In den Jahren 1919 und 1920 kam es daher zu mehreren Konflikten, in denen sich Betriebsrat und Arbeiterschaft mit ihren Forderungen gegenüber der Unternehmensleitung durchsetzen konnten. Politische und gewerkschaftliche Unterstützung waren hierfür gleichermaßen verantwortlich wie die annähernde Vollbeschäftigung, die Arbeitsniederlegungen zu einem wirksamen Drohinstrument machte. Die Hyperinflation und die folgende Währungsstabilisierung veränderten aber die Rahmenbedingungen zuungunsten der Arbeiterschaft, sodass der BMW-Vorstand wieder strikt hierarchische Strukturen etablieren konnte. Die Eignerstruktur von BMW veränderte sich während der Inflation ebenfalls mehrfach. 1920 verkaufte Castiglioni zunächst sämtliche Aktien an die Knorr-Bremse AG. Im Mai 1922 erwarb er aber den Motorenbau sowie die Marke BMW wieder und übertrug beides auf die Bayerischen Flugzeugwerke. Damit wurde aus formaler Sicht die BMW AG neugegründet. Als sogenannter „Inflationsgewinnler“ war Castiglioni ein zeittypischer Spekulant, der die Chancen, die durch Krieg und Währungszerrüttung geboten wurden, rücksichtslos ausnutzte. Die Übernahme von BMW diente dabei vor allem kurzfristigen Interessen, da die Lizenzproduktion von Flugmotoren in der Tschechoslowakei große Gewinne erwarten ließ. Richtungsweisende Entscheidungen fielen aber ebenfalls in den Zeitraum, in dem Castiglioni Alleinaktionär von BMW war und auf verschiedenste Arten große Geldsummen aus dem Unternehmen abzog. So wurden im Jahr 1923 der Flugmotoren- und der Motorradbau aufgenommen. Damit etablierte sich BMW auf Geschäftsfeldern, die die Unternehmensstruktur in den kommenden Jahrzehnten prägten. 1923 begann auch eine stetige und erfolgreiche Expansion, die erst ausgangs der 1920er Jahre mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise aufhörte. Das Ende des Ersten Weltkriegs, der bisher der bestimmende externe Kontext der Unternehmensgründung war, traf BMW schwer. Alle ContentDimensionen171, wie Unternehmensorganisation, Marktstrategie oder Produktportfolio, waren ausschließlich auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet.
171
Vgl. S. 5.
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3. BMW nach Kriegsende (1918–1925)
Demobilmachung und Inflation erforderten eine rasche und völlige Neuausrichtung. BMW konnte dabei nicht wie andere Unternehmen einfach zu einer zivilen Vorkriegsproduktion zurückkehren. Vielmehr durchlief man abermals fast den gesamten Gründungsprozess von Neuem. Zunächst akquirierte BMW Ressourcen, wobei der Staat durch hohe Unterstützungsleistungen den überwiegenden Teil des Kapitals zur Verfügung stellte. Danach musste sich BMW mit neuen Produkten auf veränderten Märkten etablieren. Dies wurde durch den Dauerkonflikt zwischen Unternehmensleitung und Arbeiterschaft erschwert, der zu einem bestimmenden internen Kontext der Gründung wurde. Finanzprobleme, die notwendige Umstellung des Produktportfolios und mehrmalige Wechsel der Eigentümer verhinderten eine kontinuierliche Expansion des Unternehmens. Der Gründungsprozess stockte nicht nur immer wieder, sondern wurde 1918 und 1922 quasi zweimal neu begonnen. In eine wirkliche Wachstumsphase konnte BMW daher erst zum Jahresende 1923 eintreten. Zu diesem Zeitpunkt festigten sich einerseits erstmals seit Kriegsende die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Andererseits trat BMW mit der Produktionsaufnahme von Flugmotoren und Motorrädern in Märkte ein, die ein positives Unternehmenswachstum überhaupt erst möglich machten. Die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Marktetablierung, die das Ende des Gründungsprozesses markiert, war hingegen bis 1926 nicht gegeben. Solange Castiglioni Alleineigentümer der Gesellschaft war, konnte trotz positiver Geschäftsentwicklung nie von einer sicheren Finanzlage gesprochen werden.
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933) 4.1. Die neue Aktionärsstruktur nach dem Börsengang von 1926 BMW war das einzige größere Unternehmen, das Castiglioni beim Zusammenbruch seines Firmenimperiums im Jahr 1924 bewahren konnte. Dabei spielte mit Sicherheit eine Rolle, dass sich der Sitz von BMW in München und nicht in Österreich oder Italien befand, wo die Hauptgläubiger von Castiglioni saßen und unmittelbar auf sein Vermögen zugreifen konnten. Die positiven Zukunftsaussichten waren aber ebenfalls ein Grund, an BMW festzuhalten. 1923 hatte das Unternehmen die Produktion eigener Motorräder und Flugmotoren aufgenommen. Insbesondere der Flugmotorenbau war in den 1920er Jahren äußerst profitabel, weil es gelang, im In- und Ausland einen festen Kundenstamm aufzubauen, der wiederholt Großaufträge vergab. Von den Gewinnen aus diesen Geschäften wanderte ein stattlicher Anteil auf die Konten von Castiglioni. Dieses Geschäftsgebaren stieß jedoch auf behördlichen Widerstand. Kennzeichen des deutschen Luftverkehrsmarkts war ein Abnahmemonopol des Staates.1 Das Reichsverkehrsministerium (RVM) sammelte als zentrale Vergabestelle für Subventionen und Aufträge an die deutsche Luftfahrtindustrie den Bedarf aller staatlichen und halbstaatlichen Organisationen (Lufthansa, Fliegerschulen oder Reichswehr). Anschließend wurden Produktionsbzw. Entwicklungsaufträge oder Subventionszahlungen an die Industrie vergeben. Das Reichswehrministerium (RWM) hatte ebenfalls ein großes Interesse an der Luftfahrtindustrie, da Flugzeugen in den militärischen Planungen höchste Bedeutung zukam. Obwohl der Versailler Vertrag Deutschland den Aufbau von Luftstreitkräften verbot, betrieb das RWM eine versteckte Luftrüstungspolitik. Als größter deutscher Flugmotorenproduzent hatte BMW in allen luftfahrtpolitischen Konzepten der Zwischenkriegszeit, gleichgültig ob sie militärischer oder ziviler Natur waren, eine Schlüsselposition inne. Castiglioni galt in den Augen der Behörden als großes Risiko sowohl für BMW als auch für alle die militärische Luftfahrt betreffenden Planungen. Die verantwortlichen Ministerien setzte daher alles daran, ihn aus dem Unternehmen zu drängen. Dabei übten sie vor allem bei der Auftragsvergabe Druck aus. Beispielhaft hierfür steht eine Bestellung der Reichswehr über 50 Flugmotoren des Typs BMW IV zum Jahresende 1925. Dieses Geschäfts sollte über die 1
Vgl. S. 127 ff.
104
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmen (Gefu)2, einer Tarnfirma des RWM, abgewickelt werden. BMW musste bei den Verhandlungen eine deutliche Preissenkung pro Motor von 20 000 RM auf 12 000 RM hinnehmen.3 Nachdem BMW 1926 die Entwicklung eines leistungsstarken Zwölfzylinder-Flugmotors unter der Bezeichnung BMW VI abgeschlossen hatte, einigte man sich mit dem RVM auf eine Umwandlung des bestehenden Auftrags. Anstelle von 50 BMW IV sollten nun mindestens 23 BMW VI zu einem Richtpreis von je 40 000 RM geliefert werden.4 Leopold Vogt, Leiter des fliegerrüstungswirtschaftlichen Referats im Waffenamt, wollte dieses Geschäft nutzen, um den Einfluss von Castiglioni auf BMW nachhaltig zu verringern. Vogt schlug eine signifikante Reduzierung des Richtpreises auf 18 000 RM pro BMW VI vor. Dieser Preis lag aber weit unter den Produktionskosten, wie eine spätere Aufstellung belegt, die bei einer Jahresproduktion von 70 Einheiten einen Selbstkostenpreis von 29 520 RM errechnete.5 Seine Zielsetzung formulierte Vogt explizit in einem Schreiben an seinen Nachfolger Hellmuth Volkmann: „Dieses Vorgehen gegen BMW ist in erster Linie notwenig, um den Hauptaktionär zu veranlassen, sein Aktienpaket in andere Hände zu geben.“6 Falls BMW durch diese Maßnahmen in Bedrängnis käme, was jedoch nicht erwartet wurde, sollte die Firma nach dem Ausscheiden Castiglionis Hilfe erhalten. Vogt begründete seinen Plan mit zwei Argumenten. Zum einen misstraute er Castiglioni zutiefst, weil dieser engste Verbindungen zu italienischen Politikern unterhielt. Deswegen sahen die Berliner Behörden in Castiglioni ein potenzielles Sicherheitsrisiko für die verdeckte deutsche Rüstungspolitik, da er Projekte bei BMW seinen Verbindungsleuten in Italien preisgeben könnte. Zum anderen befürchtete die Reichswehr, dass Castiglioni zu sehr die Rendite im Auge habe und deshalb zu hohe Preise für BMW-Flugmotoren verlange. Durch eine solche falsche Preispolitik sah Vogt die gerade angelaufenen Flugmotorenlieferungen von BMW an die Sowjetunion in Gefahr, die für die Reichswehr in erster Linie der Stärkung der geheimen militärischen Zusammenarbeit mit der Roten Armee dienten.7 Die Reichswehr teilte der Roten Armee daher den deutlich gesenkten Preis des BMW IV mit, ohne vorab das Unternehmen zu informieren. Neben konkreten militärischen Erwägungen sprach in den Augen der Behörden aber auch Castiglionis bisheriges Geschäftsverhalten gegen ihn. Er galt als Spekulant, der nur seine eigenen Interessen im Sinne hatte. Daher stand er nicht zu Unrecht in Verdacht, die Firma auszu2
Zeidler, S. 101 ff. BMW an RVM vom 1. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 215. 4 Vogt an Volkmann vom 29. 1. 1926, BArch-MA RH 8 I / 3604, Bl. 87–97, Budraß, S. 150 sowie Lorenzen, S. 65–66. 5 Preiskalkulation für BMW VI (Stand am 1. 12. 1932), BArchB R8119F / P3088, Bl. 24. 6 Vogt an Volkmann vom 29. 1. 1926, BArch-MA RH 8 I / 3604, Bl. 95. 7 Vgl. S. 131 ff. 3
4.1. Die neue Aktionärsstruktur nach dem Börsengang von 1926
105
plündern. RVM und RWM befürchteten, dass die Gelder, die sie an BMW zahlten, um dieses zentrale Unternehmen der deutschen Luftfahrtindustrie zu unterstützen, letztlich in den Taschen des Alleinaktionärs landeten. Dieses Misstrauen teilten auch Personen außerhalb der Behörden, weshalb die Ministerien mehrmals wegen der Auftragsvergabe an BMW in der Presse und im Reichstag angegriffen wurden. Nachdem die bisherigen Bemühungen erfolglos geblieben waren, beschlossen RVM und RWM 1926, mit Nachdruck eine Veränderung der Besitzverhältnisse bei BMW herbeizuführen. Der Leiter der Luftfahrtabteilung im RVM Ernst Brandenburg forderte Castiglioni im Mai 1926 ultimativ auf, seine Aktienmehrheit bei BMW aufzugeben und den Vorsitz des Aufsichtsrats niederzulegen.8 Falls er sich nicht fügen sollte, drohte Brandenburg mit dem Stopp aller Reichsaufträge. Diese schwerwiegende Drohung, die die BMWFlugmotorensparte und mit ihr wohl das gesamte Unternehmen in eine schwere Krise gestürzt hätte, ließ Castiglioni und BMW keine Wahlmöglichkeit. Der Staat erzwang eine Veränderung der Aktionärszusammensetzung. Allerdings wurde Castiglioni freie Hand bei der Umsetzung gewährt, solange nur rasch das von den Ministerien gewünschte Ergebnis erreicht werde. Beim Aufbau seines Finanzimperiums hatte Castiglioni immer wieder mit renommierten Firmen und Industriellen zusammengearbeitet, um Netzwerke aufzubauen und seinen Ruf als Unternehmer zu verbessern.9 Dieser Tradition folgend gab er sich bei der Abgabe seiner BMW-Aktien nicht mit einer einfachen Börseneinführung zufrieden. Er wandte sich stattdessen an die Deutsche Bank, die unter anderem Großaktionär bei Daimler-Benz war, um ihr ein konkretes Konzept für eine Zusammenarbeit vorzuschlagen.10 Die Pläne sahen vor, das BMW-Aktienkapital in Höhe von 5 Mio. RM in drei Teile zu spalten. Aktien im Wert von 2 Mio. RM sollten bei Castiglioni verbleiben. Weitere 2 Mio. RM in BMW-Aktien sollten von einem Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank an der Börse eingeführt werden. Die verbleibenden Aktien zu einem Nennwert von 1 Mio. RM wollte Castiglioni gegen Aktien der Daimler-Benz AG tauschen. Die Annahme dieses Angebots wäre auf eine Art Interessengemeinschaft zwischen BMW und Daimler-Benz hinausgelaufen. Das geplante Zusammengehen der beiden Firmen sollte dadurch gefestigt werden, dass jeweils ein Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat des anderen Unternehmens aufgenommen würde. Die Pläne Castiglionis stießen bei Daimler-Benz wie bei der Deutschen Bank auf Wohlwollen, sodass konkrete Gespräche über eine Zusammenarbeit aufgenommen wurden.11 Im Zentrum der Verhandlungen standen die Flug8
Brandenburg an BMW vom 27. 5. 1926, BArchB R8119F / P3173a. Vgl. S. 92–94. 10 Protokoll der Sitzung Nr. 15 des Interessengemeinschaftsausschusses vom 11. 5. 1926, DAG Kissel Protokolle 1/1. 11 Thieme, S. 118–119. 9
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
motorenprogramme beider Unternehmen, da sich einzig in diesem Geschäftsfeld Überschneidungen ergaben. Im Automobilbau war BMW zu diesem Zeitpunkt noch nicht tätig, Daimler-Benz wiederum engagierte sich nicht im Motorradbau. Aus der Flugmotorenproduktion hatten sich mit Kriegsende die beiden führenden deutschen Hersteller, die Benz & Cie AG und die Daimler-Motoren-Gesellschaft, zurückgezogen, wodurch BMW quasi eine Monopolstellung in Deutschland erlangt hatte.12 Die Verantwortlichen bei Daimler-Benz13 betrachteten diesen Rückzug nur als vorläufig, bis sich die Rahmenbedingungen insoweit geändert hätten, dass der Flugmotorenbau wieder lukrativ wäre. Folgerichtig wollte man bei den Verhandlungen mit BMW ein Abkommen erzielen, das die Unternehmen auf verschiedene Flugmotorentypen festlegen sollte, was eine Aufteilung des Marktes zur Folge gehabt hätte. Für Daimler-Benz war die Frage der Flugmotorenproduktion eher von sekundärer Bedeutung, weshalb man BMW vorschlug, zunächst den Aktientausch durchzuführen und dann über eine Aufteilung der Interessen im Flugmotorenbau zu verhandeln.14 Einen Aktientausch ohne vorherige Einigung lehnte BMW jedoch ab. Der Flugmotorenbau war die zentrale Säule des Unternehmens und damit von eminenter Bedeutung. BMW-Vorstand Franz Josef Popp verlangte seinerseits, dass Daimler-Benz im Falle eines Zusammengehens den Flugmotorenbau auf Dauer einstelle. Letztlich führten die Gespräche zu keinem Ergebnis. Die Verhandlungsführung der Vorstände lässt es sogar als denkbar erscheinen, dass ein Scheitern bewusst aufgrund völliger Missachtung der Interessen der anderen Partei herbeigeführt wurde. Daimler-Benz forderte von BMW einen Teil des Flugmotorenmarkts aufzugeben, obwohl man zu diesem Zeitpunkt über kein Produkt verfügte, das den BMW-Motoren ebenbürtig gewesen wäre. BMW sollte demnach ohne Not ein Monopol aufgeben, das zentral für den Fortbestand des Unternehmens war. Die Forderung von BMW war ebenso illusorisch. Weshalb sollte Daimler-Benz dauerhaft auf die Entwicklung von Produkten verzichten, mit denen man im Ersten Weltkrieg hohe Profite erzielt hatte? Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde der eingeleitete Aktientausch rückgängig gemacht und lediglich ein unverbindliches Freundschaftsabkommen zwischen beiden Unternehmen abgeschlossen, das jedoch keine wirkliche Zusammenarbeit zur Folge hatte.15 Nach außen hin sichtbar wurde nur der Punkt des Abkommens umgesetzt, der vorsah, dass je ein Vertreter des Vorstandes in den Aufsichtsrat des anderen Unternehmens gewählt 12
Protokoll der Sitzung Nr. 15 des Interessengemeinschaftsausschusses vom 11. 5. 1926, DAG Kissel Protokolle 1/1. 13 Die Gründung der Daimler-Benz AG aus Benz & Cie und Daimler-Motoren-Gesellschaft erfolgte 1926, vgl. Thieme, S. 64 ff. 14 Protokoll Nr. 2 der Gesamt-Vorstand-Sitzung der Daimler-Benz AG vom 2. 8. 1926, DAG Kissel Protokolle 1/1. 15 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. 10. 1926, DAG Kissel Protokolle 1/1.
4.1. Die neue Aktionärsstruktur nach dem Börsengang von 1926
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würde. Bis 1931 saß BMW-Generaldirektor Popp daher als Mitglied im Aufsichtsrat von Daimler-Benz, während im Gegenzug der Daimler-Benz-Direktor Carl Schippert einen Sitz im BMW-Aufsichtsrat erhielt.16 Während die Zusammenarbeit mit Daimler-Benz scheiterte, lief die Einführung der BMW-Aktien an der Börse reibungslos ab. Verantwortlich hierfür war ein Bankenkonsortium bestehend aus Deutscher Bank, Darmstädter und Nationalbank, Disconto-Gesellschaft und dem Bankhaus A.E. Wassermann. Am 25. 6. 1926 wurde das gesamte Aktienkapital von BMW in Höhe von 5 Mio. RM an der Münchener und Berliner Börse zugelassen. In den Handel gelangten jedoch zunächst nur Aktien im Wert von 2 Mio. RM. Vom übrigen Grundkapital verblieben 2 Mio. RM bei Castiglioni, eine weitere Million wurde noch für den Aktientausch mit Daimler-Benz zurückgehalten.17 Trotz des hohen Nennwerts einer einzelnen BMW-Aktie von 1 000 RM gelang es offenbar doch, eine größere Zahl privater Investoren zu gewinnen.18 Die Mehrzahl der Aktien verblieb jedoch bei den Banken, insbesondere bei der Deutschen Bank, die so zum bedeutendsten BMW-Aktionär neben Castiglioni wurde. Auch die für den Aktientausch mit Daimler-Benz vorgesehenen BMW-Anteile gingen wohl an das Bankenkonsortium, wobei Castiglioni im Gegenzug Aktien der Daimler-Benz AG erhielt.19 Der Börsengang wurde von RVM und RWM erzwungen, um die Aktienmehrheit bei BMW an deutsche Investoren zu übertragen. Die Deutsche Bank als größter und bedeutendster dieser neuen Eigentümer begründete ihren Einstieg daher wiederholt als patriotische Tat, weil man sich quasi an der Nationalisierung des Unternehmens beteiligt hatte.20 Die Übernahme von BMW-Aktien passte aber auch in die Strategie der Deutschen Bank, die während der Weimarer Republik in erheblichem Maße Industriebeteiligungen erwarb.21 Bei diesen Investitionen war die Deutsche Bank natürlich an einer hohen Rendite interessiert, hatte dabei jedoch eher eine langfristige Gewinnmaximierung im Auge.22 Castiglioni verfolgte als Investor hingegen eine Strategie der kurzfristigen Gewinnmitnahme. RVM und RWM verlangten von Castiglioni neben dem Verkauf seiner Aktienmehrheit, dass er den Aufsichtsratsvorsitz aufgab. An seiner Stelle übernahm der Vorstand der Deutschen Bank, Emil Georg von Stauß23 diese 16
Stauß an Schippert vom 22. 6. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 332. Prospekt. BMW AG. RM 5 000 000 Aktien von 1926, HA-DrBk 7464-2000, Exposé „Bayerische Motoren Werke AG“ vom 18. 10. 1934, HA-DrBk 3102-2000 sowie Stauß an CC vom 19. 5. 1926, HADB S0140. 18 Stauß an Cramer-Klett vom 7. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 378. 19 Hergt an Frank vom 17. 4. 1928, HADB S0852. 20 Stauß an Popp vom 16. 12. 1926, R 8119 F / 5037, Bl. 240–243. 21 Feldman: Die Deutsche Bank vom Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise, S. 236 ff. 22 Zum Verhältnis Banken und Industrie vgl. Wixforth, S. 26 ff. 23 Zur Biographie von Emil Georg von Stauß vgl. Kopper, S. 135–150. 17
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
Funktion und sollte in den folgenden Jahren neben Generaldirektor Popp und Castiglioni zum zentralen Entscheidungsträger innerhalb des Unternehmens werden. Stauß war im Vorstand der Deutschen Bank zuständig für die Industriebeteiligungen und saß in einer Reihe von Aufsichtsräten. Damit war er ein ausgewiesener Fachmann, der eine hohe Reputation genoss.
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren Neben Stauß und Castiglioni war Generaldirektor Franz Josef Popp24 die prägende Figur in den ersten Jahrzehnten der BMW-Unternehmensgeschichte. Die Betrachtung seiner Person sowie der übrigen Vorstandsmitglieder ermöglicht ein tiefgreifendes Verständnis der Entscheidungsfindung und -umsetzung innerhalb des Unternehmens. Außerdem lassen sich aus den Beziehungen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat, Belegschaft und Kunden einige Rückschlüsse auf Unternehmensstruktur und Führungskultur ziehen. Popp war seit 1917 in leitender Position bei BMW tätig. In den ersten Jahren verantwortete er den Bereich Produktion und hatte dabei bis 1918 mit Generaldirektor Max Wiedmann auch formal einen Vorgesetzten. Nach dem Ausscheiden von Wiedmann führte er gleichrangig mit dem für kaufmännische Angelegenheiten zuständigen Vorstand Wilhelm Strauß das Unternehmen. Nachdem Castiglioni 1922 den BMW-Motorenbau von der Knorr-Bremse AG erworben hatte, stieg Popp zum alleinverantwortlichen Vorstand auf und führte ab 1925 den Titel „Generaldirektor“.25 Durch seine Stellung und Persönlichkeit dominierte Popp das Unternehmen. Wie ein Patriarch leitete er die Geschicke von BMW, wobei sein autokratischer Führungsstil keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, wer die Firmenleitung innehatte. Nach außen dokumentierte Popp sein Selbstverständnis, indem er sämtliche Kontakte zu Kunden, staatlichen Institutionen oder anderen Unternehmen eigenverantwortlich führte. Hierdurch erweckte er den Eindruck, dass er für BMW „absolut unentbehrlich“26 sei. Schriftliche Korrespondenz leitete Popp oft mit längeren Ausführungen zur BMW-Geschichte ein, in denen er wirkliche oder vermeintliche Leistungen seiner Person herausstellte.27 Damit strickte er bewusst an seiner eigenen Legende. Beispielhaft für diese Taktik soll ein Zitat von 1924 stehen: „In dieser Situation habe ich im 24
Zur Biographie von Franz Josef Popp vgl. die sehr gute Ausarbeitung von Lorenzen, S. 202 ff. sowie Oelze. 25 Prospekt. BMW AG. RM 5 000 000 Aktien von 1926, HA-DrBk 7464-2000 sowie Lorenzen, S. 202. 26 Hergt an Stauß vom 16. 7. 1929, BArchB R8119F / P3109, Bl. 110. 27 Zur Selbsteinschätzung seiner Rolle bei BMW vgl. Popp: Die Geschichte dreier Fabriken, BArchB R8119F / P3080, Bl. 51 ff., Popp: Zur Geschichte der Bayerischen Motoren Werke 1947, BMW UA 434, Popp an Konrad vom 29. 10. 1924, StadtAM
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren
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Jahre 1916 die Leitung der Fabrik übernommen und es ist mir gelungen, binnen Jahresfrist neue Konstruktionen herauszubringen, die deutsche Heeresverwaltung für diese Neukonstruktionen zu interessieren und in kurzer Zeit nicht nur den besten deutschen Flugmotor zu erzeugen, sondern auch die bedeutendste Fabrikanlage in München am Oberwiesenfeld zu schaffen.“28 Mit derartigen Aussagen überzeichnete Popp seine persönliche Leistung, die er zur wichtigsten Voraussetzung für den Firmenerfolg erklärte. Die Überbetonung der eigenen Person war nicht nur bloße Strategie, sondern entsprach der eigenen Selbsteinschätzung. Natürlich hatte Popp großen Anteil an der Entwicklung von BMW. Immerhin traf er seit 1918 in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die zentralen unternehmerischen Entscheidungen. Andere Mitarbeiter wie beispielsweise der Chefkonstrukteur Max Friz beeinflussten gleichermaßen den Unternehmenserfolg, wurden jedoch in der Außenwahrnehmung von BMW durch die dominante Persönlichkeit Popps in den Hintergrund gedrängt. Popps Selbstverständnis glich in vielen Aspekten demjenigen der meisten anderen deutschen Luftfahrtindustriellen. Die Betriebe der deutschen Luftfahrtindustrie waren in der Zwischenkriegszeit zumeist mittelständische, eignergeführte Unternehmen. Die Haltung von Unternehmensführern wie Claude Dornier oder Ernst Heinkel charakterisiert Boelke sehr eindringlich: „Das unternehmerische Selbstbewusstsein der jungen Flugzeugindustriellen war sehr ausgeprägt, ihr Stolz auf eigene Selbstständigkeit relativ groß. […] Wohl alle Flugzeugbauer waren unermüdlich Erfinder-Unternehmer, besessen von ihrer Idee, insgesamt außergewöhnliche Menschen, persönlich mehr Außenseiter, oft unzugänglich, aber hartnäckig und willensstark. Sie kamen nicht aus etablierten Familien des Industriebürgertums, sondern waren homines novi einer neuen Industrie, deren Aufstieg wesentlich ihre Leistung darstellte.“29 Popp entsprach weitgehend diesem Bild und fühlte sich durchaus zu Recht als ein führender deutscher Luftfahrtindustrieller. Diese Selbsteinschätzung zeigte sich beispielhaft in einem Zitat von 1941: „Ich glaube, dass der deutsche Flugmotorenbau mir sehr viel verdankt, wenigstens haben die höchsten hierzu berufenen Stellen mir dies wiederholt zum Ausdruck gebracht.“30 Popp unterschied sich allerdings in zwei zentralen Bereichen vom Gros der Luftfahrtindustriellen. Zum einen war er trotz eines abgeschlossenen Ingenieurstudiums kein Chefkonstrukteur. Die Produktentwicklung lag vollständig in den Händen von Max Friz, während sich Popp vor allem um Unternehmensstrategie, Kundenkontakt und Lobbyarbeit kümmerte. Zum anderen war BMW eine Aktiengesellschaft und kein eignerVerkehr Nachtrag 311 sowie Popp an Udet vom 29. 10. 1936, BArchB R8119F / P3075, Bl. 92–103. 28 Popp an Konrad vom 29. 10. 1924, StadtAM Verkehr Nachtrag 311. 29 Boelke, S. 87. 30 Popp an Lucht vom 11. 2. 1941, BArchB R8119F / P3146, Bl. 281.
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
geführtes, mittelständisches Erfinderunternehmen. BMW glich aber dennoch in den Unternehmensstrukturen den meisten anderen Betrieben der deutschen Luftfahrtindustrie wie den Ernst Heinkel Flugzeugwerken oder der Dornier-Metallbauten GmbH. Im klassischen, meist familiengeführten Mittelstand herrschte in der Regel ein patriarchalisch-autoritärer Führungsstil.31 Popps Führungskultur entsprach genau diesem Bild, da er sich, obwohl er nur ein angestellter Manager war, wie ein klassischer Eigentümerunternehmer fühlte und benahm. Aus dieser Haltung leitete Popp konkrete Ansprüche ab. So forderte er 1932 als Inhaber von BMW-Aktien im Nominalwert von 750 000 RM, was 6,25% des BMW-Grundkapitals entsprach, einen eigenen Aufsichtsratssitz.32 Dieses Anliegen wurde von den übrigen Aktionären abgelehnt. Charakteristisch für Popps Führungsstil war, dass er meist Distanz zur Belegschaft hielt und lediglich mit einigen wenigen höheren Führungskräften engeren Kontakt pflegte.33 Popp war außerdem nur eingeschränkt kritikfähig, weshalb er im Konfliktfall äußerst stur und im Tonfall verletzend werden konnte.34 Diese Eigenarten des BMW-Generaldirektors beeinflussten nicht nur das Betriebsklima negativ, sondern waren gefährlich für das Unternehmen, weil Popp seine rauen Umgangsformen mitunter auch gegenüber Kunden einsetzte. So gab etwa der hochrangige Mitarbeiter im RVM Albert Mühlig-Hoffmann jeden persönlichen Verkehr mit Popp auf. In ähnlicher Weise äußerte sich der Vorstand der DLH Erhard Milch, der seinen Mitarbeitern verbot, „auf den groben Ton der Poppschen Briefe“35 einzugehen. Popp ausschließlich auf seinen autokratischen Führungsstil und seinen zeitweise groben Umgangston zu reduzieren, würde seiner Persönlichkeit aber nicht gerecht. Trotz der genannten menschlichen Defizite genoss er bei vielen Geschäftspartnern einen sehr guten Ruf. So hielt etwa der Präsident der United Aircraft & Transport Corporation, zu der der Flugmotorenhersteller Pratt & Whitney gehörte, „Popp für ein Hauptaktivum der BMW“36. Der BMWGeneraldirektor konnte durchaus zuvorkommend und charmant sein.37 Außerdem erschien er zumeist als kompetenter und verbindlicher Verhandlungspartner, der über hohe intellektuelle Qualitäten und besondere organisatorische Fähigkeiten verfügte.38 Vertreter der Dresdner Bank beschrieben
31
Berghoff, S. 121. Aktennotiz von Lewinski vom 29. 3. 1932, BArchB R8119F / P3072, Bl. 241. 33 Eidesstattliche Erklärung des BMW-Betriebsrats unterzeichnet von Denk, Hauch und Höhn vom 25. 3. 1947, StAM Karton 1341. 34 Denkschrift zum Fall Scherling/BMW vom 31. 8. 1917, BHStA MKr 14312. 35 Stauß an Schmid vom 20. 7. 1932, BArchB R8119F / P3072, Bl. 310. 36 Hergt an Stauß vom 4. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 3. 37 Popp an Milch vom 22. 12. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 168–171. 38 Hergt an Stauß vom 14. 6. 1929 sowie Weydenhammer an Stauß vom 18. 7. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 70–73 sowie Bl. 132–134. 32
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren
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die zwei Gesichter Popps treffend, in dem sie ihn als „eine herausragende, aber sehr komplizierte Persönlichkeit“39 charakterisierten. Popps autokratisch-patriarchalischer Führungsstil war durchaus geeignet, um eine mittelständische Firma zu leiten, die nur an einem Standort ansässig war und weitgehend ohne bürokratische Strukturen funktionierte. Dieser Beschreibung entsprach BMW im ersten Jahrzehnt nach der Gründung. Im Herbst 1928 wurde das Unternehmen jedoch durch den Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach um einen zweiten Standort erweitert.40 Durch diese Übernahme geriet die maßgeblich auf Popp zugeschnittene Führungsstruktur erstmals ins Wanken. Als Werksleiter in Eisenach wurde mit Arnold Neubroch eine streitbare und selbstbewusste Persönlichkeit eingesetzt, die sich nicht dem Willen der Münchner Führung unterordnen wollte. In der Folge entwickelte sich ein schwerer Konflikt zwischen Popp bzw. den übrigen Münchner Vorständen auf der einen und Neubroch auf der anderen Seite, der von 1929 bis 1931 auch öffentlich ausgetragen wurde. Diese Auseinandersetzung zeigt in konzentrierter Form zentrale Probleme der BMW-Führungsstruktur. Neubroch wurde zum 15. 2. 1929 mit einer Vertragsdauer von drei Jahren als kaufmännischer Leiter der Eisenacher Fabrik und BMW-Vorstandsmitglied eingesetzt.41 Maßgeblich gefördert wurde seine Einstellung durch Castiglioni, der Neubroch noch aus dessen Tätigkeit für Austro-Daimler, Austro-Fiat und die Puch-Werke kannte.42 Neubrochs Vergütung, die fast die gleiche Höhe wie die Bezüge von Popp erreichte, war sehr großzügig bemessen und überstieg die Gehälter der anderen Vorstandsmitglieder bei weitem.43 Dieser Gehaltsunterschied wurde mit Neubrochs Gesamtverantwortung für den Automobilbau und für das Werk Eisenach gerechtfertigt. Formal vertrat Popp als Generaldirektor zwar weiterhin das Unternehmen nach außen, tatsächlich beschränkte er sich jedoch auf die Münchner Fabrik. Popps autokratisch-patriarchalisches Selbstverständnis trug zu einer einseitigen Konzentration auf das Stammwerk bei, sodass bei Beobachtern der Eindruck entstand, „als ob Popp etwas egozentrisch nur an München denkt und Eisenach als einen ‚quantité negliable‘ behandelt“44. Diese Haltung sollte während der Umgestaltung von BMW zu einem Großkonzern mit mehreren Standorten in den 1930er Jahren zu einem zentralen Problem der Unter-
39
Dresdner Bank Filiale München an Direktion der Dresdner Bank vom 3. 10. 1934, HA-DrBk 3102-2000. 40 Vgl. S. 190 ff. 41 Stauß an Neubroch vom 1. 3. 1929 sowie Pro memoria von Neubroch vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3112, Bl. 1–2 sowie Bl. 72–76. 42 Castiglioni an Stauß vom 2. 3. 1929, ebenda, Bl. 6–7. 43 Popp an Stauß vom 11. 3. 1932, BArchB R8119F / P3087, Bl. 331 sowie Hergt an Stauß vom 15. 1. 1930, BArchB R8119F / P3112, Bl. 83–86. 44 Aktennotiz von Lewinski vom 20. 1. 1931, BArchB R8119F / P3070, Bl. 280.
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
nehmensführung werden.45 Obwohl sich Popp nur eingeschränkt für das Eisenacher Werk interessiert, bedeutete dies nicht, dass er von seinem Anspruch abrückte, Alleinvertreter und letzter Entscheidungsträger der BMW AG zu sein. Nach wie vor hielt er an seiner Herr-im-Haus-Haltung fest und sah sich als Unternehmenspatriarch. Die räumliche Distanz zu Eisenach und der auf seine Eigenständigkeit pochende Neubroch wiesen Popps Selbstverständnis als Generaldirektor erstmals Grenzen auf. Der Konflikt zwischen Neubroch und den übrigen BMW-Vorständen, die allesamt in München saßen, begann im Sommer 1930.46 Der Leiter des Eisenacher Werkes wurde gezielt von seinen Kollegen benachteiligt, indem man ihm Informationen über das Gesamtunternehmen vorenthielt.47 Dieses Verhalten fand sicherlich mit Billigung Popps statt, der die strategische Verantwortung für das Unternehmen nicht teilen wollte. Nach einer Beschwerde intervenierte der Aufsichtsrat zugunsten von Neubroch, sodass man ihn fortan zumindest informierte, selbst wenn er weiterhin nicht in zentrale Entscheidungen eingebunden wurde. So schlug Popp ohne vorherige Absprache mit Neubroch dem Aufsichtsratsvorsitzenden Stauß im Herbst 1929 die Verlagerung des Automobilbaus nach München und den Verkauf des Werks Eisenach vor.48 Die Konzeption solch strategischer Pläne sah Popp als seine Kernkompetenz, die er mit keinem anderen Vorstand teilen wollte. Neubroch wehrte sich gegen seine offensichtliche Zurücksetzung. Er bediente sich aber einer eher zweifelhaften Taktik. Gegenüber dem Aufsichtsrat setzte er alles daran, den Eisenacher Werksteil erfolgreicher als die Münchner Fabrik erscheinen zu lassen. So bezichtigte er die Münchner Vorstände fälschlicherweise sogar der unrichtigen Bilanzierung.49 Durch diesen Angriff schwächte Neubroch seine Position, blieb aber weiterhin im Amt. Offenbar spielte er nun dem Journalisten Frank Arnau Unterlagen zu, damit dieser Popp und BMW in der Presse angreifen konnte. Auf Grundlage dieser Informationen erschien im Februar 1930 jeweils ein Artikel in den Zeitschriften Motorkritik und Metallmarkt, in denen die Geschäftslage von BMW sowie die Fähigkeiten von Generaldirektor Popp einer harschen Kritik unterzogen
45
Lorenzen, S. 211–217. Neubroch: Zusammenfassung der wichtigsten Phasen meiner Tätigkeit im Vorstand der BMW AG vom 27. 5. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 179–183. 47 Stauß an Popp vom 7. 6. 1929 sowie Voigt an Stauß vom 10. 6. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 42 sowie Bl. 53. 48 Vgl. S. 222 sowie Popp an Stauß vom 16. 11. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 323. 49 Notiz über eine Vorstandsbesprechung vom 3. 12. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 362–370, Bemerkungen zum Bericht des Vorstandes vom 2. 10. 1929 durch Neubroch vom 7. 10. 1929 sowie Bemerkungen zu den Bemerkungen zum Bericht des Vorstandes vom 2. 10. 1929 des Herrn Direktor Neubroch vom 7. 10. 1929 durch Voigt vom 29. 10. 1929, BarchB R8119F / P3112, Bl. 36–44. 46
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren
113
wurden.50 Hinter den anonym verfassten Artikeln vermutete Popp richtigerweise als Autor Frank Arnau, der bis zum Jahresbeginn 1930 als Berater der Reklameabteilung in Eisenach tätig gewesen war, ehe man die Geschäftsbeziehung beendet hatte, weil die gesamte Abteilung nach München verlegt wurde. Erst ein Jahr nach Veröffentlichung erfuhren Vorstand und Aufsichtsrat, dass Neubroch der eigentliche Drahtzieher hinter den Artikeln gewesen war. Um sich wohlwollende Beiträge in der Motorpresse zu sichern, hatten die Vorstände Franz Josef Popp und Fritz Klopfer mit Arnau, der immer noch als Automobiljournalist tätig war, am 27. 4. 1931 einen Vertrag abgeschlossen, der eine monatliche Zahlung von 1 800 RM vorsah.51 Während oder kurz nach Abschluss der Verhandlungen gab Arnau zu, dass Neubroch die Informationen für die äußerst schädlichen Artikeln aus dem Februar 1930 geliefert hatte. Obwohl Neubroch alle Anschuldigungen abstritt und damit Aussage gegen Aussage stand, glaubten Vorstand und Aufsichtsrat Arnau.52 Neubroch stolperte über seine eigene Intrige und musste im Juni 1931 das Unternehmen verlassen. Obwohl das Fehlverhalten Neubrochs nicht entschuldbar ist, liegen die Gründe hierfür wohl auch in der damaligen BMW-Führungskultur. Popp duldete keinen zweiten Entscheidungsträger neben sich. Was er wollte, waren Mitarbeiter und keine Vorstandskollegen mit ähnlichen oder gar gleichen Kompetenzen. Daher wurde der ehrgeizige Neubroch fortlaufend provoziert, worauf er mit scharfen und falschen persönlichen Angriffen gegen Popp vor dem Aufsichtsrat und in der Presse reagierte. Der Konflikt von Neubroch mit Popp weist einige Parallelen zu einer anderen Auseinandersetzung innerhalb der BMW-Führung auf, die zwischen den Vorständen Franz Josef Popp und Fritz Hille während der 1930er Jahren ausgetragen wurde.53 In diesem Fall fühlte sich Popp ebenfalls durch einen neuen Manager in seinen Kompetenzen bedroht und versuchte seine herausgehobene Stellung als Generaldirektor zu bewahren. Beide Akteure bedienten sich zur Festigung der eigenen Position unlauterer Methoden und suchten Verbündete im Aufsichtsrat und in nationalsozialistischen Behörden. Letztlich entschied Hille die Auseinandersetzung für sich und löste 1942 Popp als Vorstandsvorsitzenden ab. Während Neubroch und später Hille große Schwierigkeiten mit dem selbstherrlichen und patriarchalischen Führungsstil von Popp hatten, bereitete dies
50 Popp an Stauß vom 17. 2. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 75–78 sowie MüllerJabusch an Stauß vom 28. 11. 1929, BArchB R8119F / P3112, Bl. 50–51. 51 Notiz über Besprechung zwischen Weil und Neubroch vom 20. 5. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 141–146. 52 Arnau an Weil vom 30. 5. 1931, Aktennotiz über Besprechung von Lewinski, Weil und Neubroch vom 3. 6. 1931 sowie Stauß an Neubroch vom 19. 6. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 193–196, Bl. 218–220 sowie Bl. 271–272. 53 Vgl. Lorenzen, S. 201–226 und S. 410 ff.
114
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
Max Friz54 offenbar keine Probleme. Seit 1917 war Friz bei BMW tätig und neben Popp dienstälteste Führungskraft. Zunächst leitete er als Chefkonstrukteur die Produktentwicklung, ehe er ab 1922 auch die Verantwortung für die Fertigung im Münchner BMW-Werk übernahm. Als Ingenieur war Friz mit dieser Rolle wohl sehr zufrieden. Während er sich auf den technischen Bereich konzentrieren konnte, kümmerte sich Popp um strategische Entscheidungen und alle Geschäftsbeziehungen. Wegen seiner unbestrittenen Fähigkeiten als Konstrukteur genoss Friz innerhalb der deutschen Luftfahrt einen ausgezeichneten Ruf, was erheblichen Einfluss auf den Erfolg der BMW-Flugmotoren hatte.55 Mit Popp ergänzte er sich dabei hervorragend und prägte gemeinsam mit diesem die ersten Jahre der BMW-Geschichte. Friz akzeptierte den autoritären Führungsstil Popps vielleicht auch deshalb, weil er den ihm selbst unterstellten technischen Bereich in einer ähnlichen Art und Weise führte. Als Chefkonstrukteur war er nur eingeschränkt kritikfähig und förderte kaum die Ideen von ihm unterstellten Mitarbeitern. Aus diesem Grund verließen die sehr begabten Konstrukteure Martin Stolle und Rudolf Schleicher BMW, um in anderen Unternehmen erfolgreich zu arbeiten.56 Die Persönlichkeitsstruktur von Friz zeigte sich exemplarisch in einer Auseinandersetzung mit dem Leiter der Versuchsabteilung Curt Vogtenberger im Jahr 1930. Wegen Arbeitsüberlastung hatte die Konstruktionsabteilung mehrere, nicht ausgereifte Motorenkonzepte freigegeben, die sich bei der Erprobung als sehr fehlerhaft erwiesen. Vogtenberger meldete die Mängel und machte mit seinen Mitarbeitern Lösungsvorschläge, die barsch zurückgewiesen wurden. Sichtlich frustriert fasste Vogtenberger die Situation zusammen, als er schrieb, dass „diese Beanstandungen leider erst anerkannt wurden, wenn sie wieder und immer wieder auftraten, also viel Zeit kosteten“57. Popp und Friz waren die zentralen Akteure auf Vorstandsebene bei BMW in der Weimarer Republik. Neben diesen beiden Persönlichkeiten gab es zeitweise noch weitere Vorstände. Seit 1922 war Richard Voigt als Prokurist bei BMW, ehe er im Frühjahr 1926 zum Vorstandsmitglied für sämtliche kaufmännischen Belange, ausgenommen den Verkauf aufstieg.58 Für letzteren waren der Leiter der Berliner Niederlassung Waldemar von Buttlar und der Leiter der Motorradverkaufsabteilung Emil Hugo Friz zuständig. Voigt war ein langjähriger Mitarbeiter Castiglionis, von dem er bei BMW eingestellt wurde. Zuvor hatte Voigt während des Ersten Weltkriegs der Hansa und Brandenburgischen Flugzeugwerken GmbH als Vorstandsmitglied angehört.59 Eine 54
Zur Person Max Friz vgl. S. 21 ff. und S. 143. Vogtenberger an Stauß vom 24. 6. 1930, BArchB R8119F / P3109, Bl. 64–65 sowie Hergt an Stauß vom 20. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 199–201. 56 Knittel, S. 22 und S. 36 57 Vogtenberger an Stauß vom 24. 6. 1930, BArchB R8119F / P3109, Bl. 65. 58 Voigt an Stauß vom 16. 1. 1932, ebenda, Bl. 155–156. 59 Hansa-Brandenburgische Flugzeugwerke AG, in: Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften 24.Jg (1919), S. 531. 55
4.2. BMW-Management und Führungskultur in den 1920er Jahren
115
erste Beschneidung seiner Kompetenzen erfuhr er 1929, als er an das neu eingesetzte Vorstandsmitglied Fritz Klopfer die Zuständigkeit für die Rechtsabteilung und das Personalwesen abtreten musste. Als während der Weltwirtschaftskrise der Aufsichtsrat Kostensenkungen forderte, wurde auch die Zahl der Vorstände bei BMW in Frage gestellt. Man beschloss schließlich eine Halbierung der Bezüge von Voigt und schloss sich damit der Meinung eines externen Beraters an, nach der „Herr Voigt als Vorstand überflüssig sei und durch einen Oberbuchhalter […] ersetzt werden könne“60. Obwohl man Voigt aus menschlichen Gründen nicht sofort aus dem Vorstand entließ, legte man ihm doch ein Ausscheiden aus dem Unternehmen nahe. Im September 1931 gab Voigt dem Drängen des Aufsichtsrats nach und kündigte zum 31. 3. 1932.61 Als fünftes Vorstandsmitglied neben Popp, Friz, Neubroch und Voigt wurde im Sommer 1929 Fritz Klopfer ernannt, der in erster Linie für alle Rechts-, Steuer- und Versicherungsangelegenheiten sowie für Personalien zuständig war.62 Die Schaffung dieses Ressorts war den aktuellen Umständen geschuldet, da BMW 1929 eine Reihe von äußerst wichtigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen musste. So musste die „Affäre Castiglioni“ bereinigt werden, in der sich der langjährige Hauptaktionär der Veruntreuung von Firmengeldern schuldig gemacht hatte.63 Da in diesen Fall fast alle im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder zumindest indirekt involviert waren, konnte die Aufklärung nur von außen durch den Aufsichtsrat und ein neues Vorstandsmitglied vorangetrieben werden. Die zentrale juristische Angelegenheit, die sich im Verantwortungsbereich von Klopfer befand, war der sogenannte „Russenprozess“, der durch die „Affäre Castiglioni“ ausgelöst wurde.64 In diesem Rechtsstreit ging es nicht nur um den Erhalt der Beziehung zum wichtigsten Kunden von BMW, sondern wegen der hohen Schadenersatzforderung um den Fortbestand des Unternehmens. Auch nach dem erfolgreichen Abschluss der Rechtsstreitigkeiten blieb Klopfer BMW-Vorstand. Erst 1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft zum Ausscheiden gedrängt.65 Alles in allem scheinen sich die Persönlichkeiten der BMW-Vorstände und damit die BMW-Führungskultur nicht sonderlich von anderen Unternehmen jener Zeit zu unterscheiden. Eine hierarchische anstelle einer kollegialen Unternehmensführung war während der Weimarer Republik üblich. Allerdings 60
Notiz über eine Besprechung betreffend Personalien vom 20. 5. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 137. 61 Stauß an Voigt vom 20. 5. 1931 sowie Weil an Stauß vom 25. 9. 1931, BArchB R8119F / P3109, Bl. 123 sowie Bl. 130–131. 62 Klopfer an Stauß vom 26. 5. 1931 sowie Klopfer an Stauß vom 8. 12. 1931, BArchB R8119F / P3111, Bl. 5–6 sowie Bl. 41–42. 63 Vgl. S. 116 ff. 64 Vgl. S. 159 ff. 65 Vgl. Lorenzen, S. 229–231.
116
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
war der autokratisch-patriarchalische Führungsstil, wie ihn Popp praktizierte und die übrigen Vorstände duldeten, für eine Aktiengesellschaft in dieser ausgeprägten Form eher ungewöhnlich. Popps Wesensart passte eher zu einer eignergeführten, mittelständischen Firma.
4.3. Die „Affäre Castiglioni“ und ihre Folgen Eine nachhaltige Prägung erfuhr BMW in den 1920er Jahren nicht nur durch den Generaldirektor Franz Josef Popp, sondern in mindestens gleicher Intensität durch den langjährigen Eigentümer und Großaktionär Camillo Castiglioni. Bis 1926 bestimmte letzterer entscheidend die Geschicke von BMW, mit dem Ziel größtmöglichen Profit aus dem Unternehmen zu ziehen. RVM und RWM zwangen Castiglioni schließlich wegen dieser Geschäftspolitik, die das Unternehmen erheblich schädigte, einen Großteil seiner BMWAktien an ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank abzugeben.66 Durch diese Maßnahme sollte eine weitere Ausplünderung der Firma verhindert werden. Allerdings kamen die Vertreter der Deutschen Bank um den neuen BMW-Aufsichtsratsvorsitzenden Emil Georg von Stauß dieser Rolle nur unzureichend nach. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Castiglioni weiterhin unrechtmäßig große Kapitalmengen aus dem Unternehmen abziehen konnte. Diese Transaktionen wurden schließlich eher zufällig bekannt und führten zu einem öffentlichen Skandal, an dessen Ende das endgültige Ausscheiden von Castiglioni aus dem Kreis der BMW-Aktionäre stand. Die sogenannte „Affäre Castiglioni“ nahm ihren Ausgang, als im Frühjahr 1929 ein Insider den Aufsichtsrat über eine Reihe zweifelhafter Zahlungen von BMW an Gesellschaften, die Castiglioni gehörten, in Kenntnis setzte. Dieser Informant hieß Joseph Steinberg und war über viele Jahre in Provisionsgeschäfte involviert, die im Rahmen der Lieferung von BMW-Flugmotoren an die Sowjetunion getätigt wurden. Steinberg selbst war gebürtiger Russe, lebte jedoch schon seit vielen Jahren in Deutschland.67 Für BMW war er als Kooperationspartner zunächst von erheblichem Wert, weil er eine freundschaftliche Beziehung zum Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin namens Schuchhalter pflegte, bis dieser 1926 wegen Bestechlichkeitsvorwürfen, die jedoch in keinem Zusammenhang mit BMW standen, abberufen wurde.68 BMW beauftragte Steinberg schon nach Abschluss des ersten Liefervertrags mit der Sowjetunion im Juli 1924, durch seine Kontakte 66
Vgl. S. 104 ff. Notiz von Klopfer/Lewinski vom 29. 3. 1930, BArchB R8119F / P3125, Bl. 355–365. 68 Entwurf eines Schreibens von BMW an Handelsvertretung der UdSSR vom 27. 12. 1929, BMW an Quaatz vom 22. 1. 1930 sowie Steinberg an BMW (undatierte Abschrift), ebenda, Bl. 7–12, Bl. 106–109 sowie Bl. 208. 67
4.3. Die „Affäre Castiglioni“ und ihre Folgen
117
eine glatte Abwicklung des Geschäfts sicherzustellen.69 Im Gegenzug für seine Leistungen erhielt Steinberg Geldzahlungen, die sich am jeweiligen Auftragswert orientierten. Bereits im Folgejahr setzte Castiglioni eine Neuregelung des BMW-Auslandsgeschäfts zu seinen Gunsten durch. Am 7. 9. 1925 bestätigte BMW der International Investment Company (IIC) in Zürich, die sich zu 100% im Besitz von Castiglioni befand, dass sie auf fünf Jahre als Vermittlungsagentur für das Auslandsgeschäft mit BMW-Flugmotoren eingesetzt werde.70 Als Gegenleistung für diese Tätigkeit erhielt die IIC 10% des Bruttopreises von jedem ins Ausland gelieferten Flugmotor. Eine wirkliche Vermittlung fand jedoch nicht statt, sodass die Zahlungen an die IIC lediglich dem Zweck dienten, den Verdienst des Eigentümers zulasten des Unternehmens zu vergrößern. Ab dem 17. 9. 1926 trat die holländische Bank voor Handel en Credit, die sich ebenfalls zu 100% in den Händen von Castiglioni befand, anstelle der IIC in alle Verträge mit BMW ein und verwaltete fortan die Provisionszahlungen.71 Seitdem Castiglioni 1925 das Provisionssystem für Auslandslieferungen von BMW-Flugmotoren in seinem Sinne gestaltet hatte, erhielt Steinberg von der IIC bzw. von der Bank voor Handel en Credit kleinere Geldbeträge, um die Geschäfte mit der Sowjetunion zu unterstützen. Im April 1929 wurden diese Zahlungen an Steinberg eingestellt, was diesen zu seiner Beschwerde beim BMW-Aufsichtsrat veranlasste.72 Durch die Informationen von Steinberg alarmiert, forderte die Deutsche Bank Aufklärung über sämtliche Provisionsgeschäfte und ließ rückwirkend alle BMW-Bücher prüfen.73 Für die Deutsche Bank und die übrigen Aktionäre war das Verhalten von Castiglioni mit Wissen und Billigung der meisten BMW-Vorstände untragbar. Das System der verdeckten Gewinnausschüttung war zumindest bis 1926 tolerierbar, solange Castiglioni BMW-Alleinaktionär war. Nach dem Börsengang stellte das Fortbestehen der unberechtigten Provisionszahlungen jedoch nichts anderes als Betrug an den übrigen Aktionären dar. Selbst die peniblen Nachforschungen der Deutschen Bank konnten Jahre nach den getätigten Transaktionen die genaue Summe des veruntreuten Geldes nicht mehr exakt feststellen. Man ging davon aus, dass unberechtigte Provisionszahlungen in Höhe von rund 2 Mio. RM geflossen waren.74 Der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Stauß übte nun erheblichen Druck aus. So wurde etwa der Wunsch Castiglionis, die Angelegenheit durch ein Schiedsgericht zu regeln, mit den Worten zurückgewiesen, dass dieser erst zugeben
69
BMW an Steinberg vom 26. 7. 1924 sowie BMW an Steinberg vom 28. 7. 1924, ebenda, Bl. 132–134. Zum Flugmotorenexport von BMW in die Sowjetunion, vgl. S. 154 ff. 70 BMW an IIC vom 17. 9. 1926, ebenda, Bl. 126. 71 BMW an Bank voor Handel en Credit vom 17. 9. 1926, ebenda, Bl. 127. 72 Steinberg an Stauß vom 18. 10. 1929, BArchB R8119F / P3130, Bl. 260. 73 Bilanzprüfungsberichte der Revisions- und Treuhand AG für die Geschäftsjahre 1926–1928, BArchB R8119F / P3102. 74 BMW an Quaatz vom 22. 1. 1930, BArchB R8119F / P3125, Bl. 105–109.
118
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933) 300 275 250
Kurs in %
225 200 175 150 125 100 75 50 25
Dez 1926 Mrz 1927 Jun 1927 Sep 1927 Dez 1927 Mrz 1928 Jun 1928 Sep 1928 Dez 1928 Mrz 1929 Jun 1929 Sep 1929 Dez 1929 Mrz 1930 Jun 1930 Sep 1930 Dez 1930 Mrz 1931 Jun 1931 Sep 1931 Dez 1931 Mrz 1932 Jun 1932 Sep 1932 Dez 1932 Mrz 1933 Jun 1933 Sep 1933 Dez 1933
-
Abb. 7: Kursentwicklung der BMW-Aktie, 1926–1934 Quelle: Übernommen aus Lorenzen, S. 121 nach Aufstellung Kursentwicklung der Bayerischen Motoren Werke Ende 1926 – 1934, in: BArchB R8119F / P3127, Bl. 127–128.
solle, „wie viel er gestohlen habe“75. Castiglioni gab schließlich nach. Man einigte sich allerdings auf die Rückerstattung von lediglich 1 Mio. RM. Dieses Entgegenkommen der Deutschen Bank war vor allem darauf zurückzuführen, dass alle Beteiligten einen Prozess vermeiden wollten. Die Affäre sollte ohne großes öffentliches Aufsehen beigelegt werden. Diese Pläne scheiterten, als im Juni 1929 Pressevertreter durch eine anonyme Quelle detaillierte Informationen erhielten, auf deren Basis mehrere Artikel zur „Affäre Castiglioni“ publiziert wurden.76 Der Imageschaden war für BMW und die Deutsche Bank beträchtlich, für Castiglioni jedoch existenzbedrohend. Sein ohnehin bereits angekratzter Ruf verschlechterte sich dramatisch, was der BMW-Aufsichtsrat Rudolf Weydenhammer in deutlichen Worten beschrieb: „Der moralische Ruf des Herrn C. scheint zurzeit hier unter den Nullpunkt gesunken zu sein, dass die hiesige Presse immer wieder denselben als Schädling im deutschen Wirtschaftsleben bezeichnen und bekämpfen wird.“77 Ebenso schmerzhaft wie der Imageschaden waren die Auswirkungen der „Affäre Castiglioni“ auf die Börse. Die schlechte Presse für Unternehmen und Großaktionäre beschleunigte den sich seit der Jahresmitte 1928 abzeichnenden Kursverfall der BMW-Aktie, der im Verlauf des Jahres 1929 zu einer Halbierung des Aktienwertes führte (Vgl. Abb. 7).
75
Aktenvermerk von Hergt vom 7. 5. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 232. Weydenhammer an Stauß vom 5. 6. 1929 sowie Stauß an Popp vom 13. 7. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 39 sowie Bl. 115–117. 77 Weydenhammer an Stauß vom 5. 6. 1929, BArchB R8119F / P3102, Bl. 39. 76
4.3. Die „Affäre Castiglioni“ und ihre Folgen
119
Der Kurssturz der BMW-Aktie war auf ein ganzes Bündel von Ursachen zurückzuführen.78 Anfänglich beruhte er wohl lediglich auf einer gewissen Skepsis, die durch den Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach im Herbst 1928 und den ohnehin hohen Aktienkurs bedingt war. Der Einstieg in das Automobilgeschäft verlangte von BMW große finanzielle Anstrengungen, nicht zuletzt wegen der Übernahme des hohen Schuldenstandes der Fahrzeugfabrik Eisenach.79 Eine Illiquidität des Unternehmens wurde daher befürchtet, als die einsetzende Weltwirtschaftskrise die Nachfrage in allen BMW-Produktsparten merklich zurückgehen ließ. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erwarteten einige Anleger eine deutliche Verringerung der Dividende. Gerade die hohen Dividendenausschüttungen, die im Zeitraum von 1922 bis 1928 immer zwischen 10% und 14% gelegen waren, hatten jedoch zu der äußerst positiven Kursentwicklung beigetragen. Die ohnehin pessimistische Einschätzung der BMW-Aktie wurde durch das Bekanntwerden der „Affäre Castiglioni“ zusätzlich negativ beeinflusst. Der Einbruch der BMW-Aktie traf Castiglioni besonders. Im Frühjahr 1928 war er durch deutliche Kursverluste bei einer Reihe seiner EffektenEngagements in eine Finanzkrise geraten und hatte daher dringenden Bedarf an Barmitteln.80 Deshalb nahm er wohl in der zweiten Jahreshälfte 1928 auf seinen gesamten BMW-Aktienbesitz in Höhe von nominell 5 Mio. RM Lombardkredite auf. Er verpfändete dabei das Aktienpaket, das zu diesem Zeitpunkt einen Kurswert von rund 250% hatte, zu dem wesentlich niedrigeren Kurs von 180%, um rasch an Geldmittel zu gelangen. Durch den dramatischen Fall der BMW-Aktie, deren Kurs im Herbst 1929 bei nur noch rund 80% notierte, verloren die Aktien als Sicherheiten für Castiglionis Kredite dramatisch an Wert. Hinzu kam nach der Aufdeckung der Provisionsgeschäfte noch der Vertrauensverlust der Kreditgeber, zu denen auch die Deutsche Bank zählte. Mit der Rückzahlung der Kredite und der Entschädigung von BMW war Castiglioni finanziell überfordert. Zur Deckung der Schulden erzwang die Deutsche Bank im Sommer 1929 die Aufnahme eines weiteren Darlehns, für das Castiglioni sogar sein Wohnhaus in Wien als Sicherheit stellen musste.81 Als Bürgschaft für die Rückzahlung an BMW wurden die letzten Sachwerte, die sich noch in Castiglionis Besitz befanden, verpfändet. Darunter befanden sich fünf Tiepolo-Gemälde und 6 250 Aktien einer Ungarischen Pferdezucht AG.82
78
BMW und Castiglioni, in: Münchner Neueste Nachrichten vom 6. 6. 1929, StadtAM ZA 291 sowie Lorenzen, S. 120–123. 79 Vgl. S. 190 ff. 80 Lorenzen, S. 120–123. 81 Notariatsakte von Notar Ludwig Willig. Geschäftszahl: 59 544 vom 5. 6. 1929, HADB S0140. 82 Aktennotiz der Rechtsabteilung der Deutschen Bank vom 6. 11. 1929 sowie Deutsche Bank an BMW vom 8. 6. 1929, ebenda.
120
4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
Wegen des anhaltenden Kursverfalls der BMW-Aktie verlangten die Kreditgeber um die Deutsche Bank weitere Sicherheiten von Castiglioni. Als dieser nur noch über bereits beliehene Sachwerte verfügte und die Kredite ebenfalls nicht mehr bedienen konnte, entschlossen sich die Banken zur Einforderung ihrer Schuld. Dabei waren die Institute durchaus zu finanziellen Zugeständnissen bereit, wenn im Gegenzug „Castiglioni mit Konsorten aus dem Aufsichtsrat [von BMW] ausscheide“83. So wurde etwa die Wiedergutmachung an BMW wegen der unzulässigen Provisionsgeschäfte von 1 Mio. RM auf 800 000 RM verringert, wobei 500 000 RM noch im Jahr 1929 bezahlt werden mussten.84 Nach einseitigen Verhandlungen, in denen die Deutsche Bank ihre Position durchsetzte, erklärte sich Castiglioni schließlich am 26. 10. 1929 damit einverstanden, seine Aktien zu einem Kurs von 75% an ein Bankenkonsortium zu übereignen.85 Mit dem Verkauf konnte er einen Großteil des Geldes zurückzahlen, das er bzw. die ihm gehörende Bank voor Handel en Credit den Gläubigern schuldete (vgl. Tab. 11). Weiteres Kapital erhielt er von der Banca Commerciale, mit der ihn eine langjährige Geschäftspartnerschaft verband.86 Bis 1930 gelang es Castiglioni, sämtliche Schulden zu begleichen. Allerdings trat er ab diesem Zeitpunkt als Unternehmer und Finanzier kaum mehr in Erscheinung. Nach einer ersten großen Krise87 im Jahr 1924 brach sein Finanzimperium 1929 endgültig und unwiderruflich zusammen.88 Tab. 11: Bankschulden von Camillo Castiglioni, Oktober 1929 Gläubiger
Schuldenstand
Sicherheit in BMW-Aktien
Bankhaus Hagen & Co. Schwarz, Goldschmidt & Co. Deutsche Bank (namens eines Konsortiums der Gläubiger Castiglionis) Deutsche Bank (namens eines Konsortiums der Gläubiger der Bank voor Handel en Credit)
1 650 000 RM 420 000 RM 1 208 000 RM
1 111 000 RM 420 000 RM 1 011 000 RM
2 843 000 RM
2 245 000 RM
6 121 000 RM
4 787 000 RM
Gesamt
Quelle: Aktenvermerk „Bayerische Motoren Werke – Castiglioni“ von Hergt vom 24. 10. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 277.
Die Aufdeckung der „Affäre Castiglioni“ offenbarte, dass die Deutsche Bank als Großaktionär bei der Aufsicht über BMW versagt hatte. RVM und RWM hatten 1926 die Einführung der BMW-Aktien an der Börse erzwungen, um 83
Aktenvermerk von Hergt vom 17. 10. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 242. Aktenvermerk „Bayerische Motoren Werke – Castiglioni“ von Hergt vom 24. 10. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 276. 85 Castiglioni an BMW und Deutsche Bank vom 26. 10. 1929, HADB S0140. 86 Hergt an Stauß vom 4. 11. 1929, BArchB R8119F / P3130, Bl. 312. 87 Vgl. S. 98–99. 88 Castronovo, S. 135–136. 84
4.3. Die „Affäre Castiglioni“ und ihre Folgen
121
jedwedem unternehmensschädigenden Verhalten von Castiglioni Einhalt zu gebieten. Das Weiterlaufen der unberechtigten Provisionszahlungen bis 1929 zeigte, dass die Deutsche Bank diese Rolle nicht erfüllen konnte. Letztlich versagte der Aufsichtsrat als Kontrollgremium. Zur Analyse des Systems der Unternehmenskontrolle bedient sich die Betriebswirtschaftslehre vor allem Theorien unter dem Begriff der Corporate Governance. In ihrem engeren Verständnis beschreibt Corporate Governance dabei lediglich das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Managern in Kapitalgesellschaften.89 Diese eingeschränkte Betrachtungsweise soll auch Grundlage der folgenden Analyse sein, während der Einfluss von Öffentlichkeit, Verbänden oder Politik unberücksichtigt bleibt. Bei der Ausübung von Unternehmenskontrolle stellen sich dem Aufsichtsrat zwei prinzipielle Probleme. Zum einen verfolgen Manager und Aktionäre mitunter verschiedene Interessen, zum anderen verfügen Manager meist über einen Informationsvorsprung. Diese Kernprobleme der Corporate Governance werden durch die sogenannte Principal-Agent-Theorie näher beschrieben. Hierbei befasst man sich „mit den wirtschaftlichen Folgen einer Delegation von Entscheidungskompetenzen durch den Auftraggeber (synonym: Principal) auf einen Beauftragten (synonym: Agent), der seinen Entscheidungsspielraum auch opportunistisch gegen den Principal ausüben kann“90. Der Principal-Agent-Theorie liegt ein pessimistisches Menschenbild zugrunde. Die Verfechter dieses Ansatzes gehen „von der Annahme intendiert rationaler und egoistisch motivierter Akteure aus, die zur Durchsetzung ihrer persönlichen Interessen grundsätzlich auch eine Schädigung anderer Personen in Kauf nehmen“91. Die „Affäre Castiglioni“ ist ein sehr gutes Beispiel für das Versagen von Corporate-Governance-Strukturen. Während die meisten Vorstände und einige leitende Angestellte über die Bereicherung des langjährigen Großaktionärs recht genaue Kenntnis hatten, war die Deutsche Bank als Großaktionär ahnungslos. Sehr deutlich tritt hier die asymmetrische Informationsverteilung zwischen den langjährigen Entscheidungsträgern des Unternehmens und den von außen kommenden neuen Großaktionären zutage. Mehrere Faktoren ermöglichten es Castiglioni, nach Abgabe seiner Aktienmehrheit weiterhin über versteckte Kanäle Geld aus dem Unternehmen zu ziehen. Von großer Bedeutung war dabei mit Sicherheit die persönliche Bindung zu den meisten Vorständen, die vom langjährigen Alleineigentümer mit durchaus großzügigen Gehältern eingestellt worden waren. Außerdem beteiligte Castiglioni die Vorstandsmitglieder indirekt an den abfließenden Geldern, indem er ihnen zusätzliche Zahlungen zukommen ließ. So erhielt beispielsweise Generaldirektor Popp anlässlich der Börseneinführung der BMW-Aktien 100 000 RM, 89 90 91
Nippa, S. 7 ff. Meinhövel, S. 65. Nippa/Grigoleit, S. 1.
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
Richard Voigt für seine kranke Frau im gleichen Jahr eine Extrazuwendung von 10 000 RM.92 Obwohl die Vorstände versicherten, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Provisionsgeschäften und den erhaltenen Sondergratifikationen gebe, entstand dennoch der Eindruck, dass es sich bei den Zahlungen um Schweigegeld handelte. Wirklich erstaunlich ist, dass alle involvierten Vorstände über das Ausscheiden Castiglionis hinaus im Amt blieben. Generaldirektor Popp, der alle Provisionsgeschäfte gegengezeichnet hatte, geriet dabei am stärksten unter Druck. Der Aufsichtsratsvorsitzende Stauß formulierte seine Enttäuschung in einem Brief an Popp, als er schrieb: „Ich verstehe ihren Unmut über Vieles; der meine ist noch größer.“93 Seinen Verbleib als Generaldirektor sicherten Popp letztlich zahlreiche Fürsprecher, die zu seinen Gunsten bei Stauß intervenierten. Die Reihe der Unterstützer reichte dabei vom Leiter der Luftfahrtabteilung im RVM Ernst Brandenburg bis hin zum BMW-Aufsichtsrat Rudolf Weydenhammer.94 Außerdem wandte sich Popp sehr rasch von Castiglioni ab. Noch bevor die Prüfung der BMW-Bücher abgeschlossen war, gab er einen Großteil der erhaltenen Sonderzahlungen zurück und stellte sich in der folgenden Auseinandersetzung vorbehaltlos auf die Seite der Deutschen Bank. Castiglioni sah verständlicherweise in diesem Verhalten einen Treuebruch und schimpfte noch Jahre später „in schärfster Form“95 auf Popp. Das Ende der Ära Castiglioni leitete einen Wandel in der Corporate Governance von BMW ein. Seit 1926 hatte die Deutsche Bank als Großaktionär Vertrauen in die Unternehmensführung gehabt und auf intensive Kontrollen verzichtet. Nun setzte der Aufsichtsratsvorsitzende Stauß auf penible Überwachung. So führte die Deutsche Revisions- und Treuhand AG jährlich im Auftrag des Aufsichtsrats genaueste Kontrollen der Bücher durch.96 In monatlichen Berichten musste der Vorstand detaillierte Auskunft über Auftragseingang, Produktions- und Verkaufszahlen aller BMW-Produkte geben.97 Außerdem ließ sich Stauß über alle wichtigen Entscheidungen der Vorstände vorab informieren. Allerdings wurde dieses äußerst zeitintensive Kontrollsystem nur bis Anfang der 1930er Jahre aufrecht erhalten. Nachdem die Vertreter der Deutschen Bank wieder neues Vertrauen gefasst hatten, lockerten sie die Überwachung. Zentrale Kontrollmechanismen wie etwa die jährlichen Bilanzprüfungen durch die unabhängige Deutsche Revisions- und Treuhand AG blieben aber weiterhin bestehen. 92
Hergt an Stauß vom 1. 6. 1929 sowie Hergt an Stauß vom 14. 6. 1929, BArchB R8119f / P3080, Bl. 2 sowie Bl. 70–73. 93 Stauß an Popp vom 13. 7. 1929, ebenda, Bl. 117. 94 Hergt an Stauß vom 14. 6. 1929 sowie Weydenhammer an Stauß vom 18. 7. 1929, ebenda, Bl. 70–73 sowie Bl. 132. 95 Müller-Jabusch an Stauß vom 8. 2. 1933, BArchB R8119F / P3073, Bl. 344. 96 Revisionsberichte der Treuhand AG über die BMW AG in den Jahren 1926 bis 1934, BArchB R8119F / P3102 sowie P3103. 97 Monatsberichte für die Jahre 1930 bis 1932, BArchB R8119F / P3100.
4.4. Zusammenfassung
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4.4. Zusammenfassung Bis 1923 hatte vor allem der externe Kontext98 – Krieg, Demobilmachung und Inflation – die BMW-Unternehmensgründung bestimmt. 1926 wirkte nochmals ein starker externer Impuls auf BMW, als RWM und RVM den Alleinaktionär Castiglioni zur Einführung der BMW-Aktien an der Börse zwangen, indem sie einen Auftragsstopp für Flugmotoren androhten. Castiglioni musste sich fügen und gab die Aktienmehrheit an ein Bankenkonsortium ab, nachdem Pläne zur Bildung einer Interessengemeinschaft mit Daimler-Benz gescheitert waren. Die Deutsche Bank stellte mit Emil Georg von Stauß seit 1926 den BMW-Aufsichtsratsvorsitzenden und sollte als neuer Großaktionär den Einfluss von Castiglioni beschränken. Dies gelang jedoch nicht. Castiglioni wickelte weiterhin Geschäfte zum Schaden des Unternehmens und der übrigen Aktionäre ab. Dabei halfen ihm seine persönlichen Kontakte zu den einzelnen BMW-Vorständen und sein Wissensvorsprung, über den er als langjähriger Alleinaktionär verfügte. Erst 1929 wurde dieses Geschäftsgebaren publik, woraufhin ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank eine Finanzkrise Castiglionis nutzte, um ihn zur Aufgabe seiner Aktien zu zwingen. Die Geschäftsentwicklung war in den beiden Sparten Flugmotoren und Motorräder trotz kleinerer Einbrüche durchwegs gut, sodass BMW seit 1923 kontinuierlich wuchs. Dieser positive Trend endete erst Ende der 1920er Jahre, als aufgrund einer Reihe von Faktoren Umsatz und Gewinn drastisch zurückgingen. Dennoch war BMW durch die vielfältigen und sehr hohen Gewinnauszahlungen an Castiglioni immer davon bedroht, in eine schwere Finanzkrise zu geraten. Daher kommt der Beschränkung seines Einflusses große Bedeutung zu, da erst hierdurch der Weg zu einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und Marktetablierung frei wurde und der Gründungsprozess 1926 zum Abschluss gelangen konnte. Durch kurzfristige und sehr hohe Kapitalentnahmen lenkte Castiglioni die BMW-Geschäftspolitik in seinem Sinne. Die strategische Ausrichtung des Unternehmens und die Verantwortung für das Tagesgeschäft lagen hingegen in den Händen von Franz Josef Popp. Damit prägte der österreichische Generaldirektor die innere Struktur von BMW wie kein anderer. Er fühlte sich dabei aber nicht wie ein angestellter Manager, sondern wie ein Unternehmensgründer. Diese Selbsteinschätzung teilten viele Geschäftspartner, die Popp für unentbehrlich hielten, während sie mit dem eigentlichen Eigentümer Castiglioni in der Regel nichts zu tun haben wollten. Trotz einiger persönlicher Schwächen genoss Popp wohl auch deshalb das Vertrauen von Kunden wie Behörden, weil es ihm gelang, die Erfolge von BMW aufs Engste
98
Zu den theoretischen Grundlagen bei der Analyse von Unternehmensgründungen vgl. S. 4–6.
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4. Leitungsstrukturen – Vorstand und Aufsichtsrat (1926–1933)
mit seiner Person zu verknüpfen. So nutzte er in der Korrespondenz mit diversen Reichsstellen wiederholt ausführliche Rückblicke auf die BMWGeschichte, um seine Verdienste bei der Einführung des BMW IIIa im Ersten Weltkrieg hervorzuheben. Den Anteil von Max Friz stellte er dabei bewusst als eher unbedeutend dar. Popps Führungskultur beruhte zu erheblichem Teil auf seiner Selbstverständnis, dass er der eigentliche Gründer von BMW sei. Er sah sich daher in der Rolle eines Patriarchen, wie es ihn vielfach in eignergeführten, mittelständischen Unternehmen gab. Popp betrachtete BMW als sein Lebenswerk und fühlte sich für das Unternehmen in höchstem Maße verantwortlich. Die strategische Ausrichtung seiner Bayerischen Motoren Werke wollte er alleine bestimmen. Es lag außerhalb seiner Vorstellungskraft, diese Kernkompetenz mit einem anderen Vorstandsmitglied zu teilen. Diese Haltung war ein Hauptbeweggrund für die Auseinandersetzung mit dem Eisenacher Werksleiter Arnold Neubroch, die in erbitterter Weise und mit unlauteren Methoden geführt wurde. Im Vergleich zu Popp verblassen die übrigen Vorstandsmitglieder, die mit Ausnahme von Neubroch die Führungsrolle des Generaldirektors vorbehaltlos akzeptierten.
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933) 5.1. Flugmotorenbau1 5.1.1 Rahmenbedingungen für die deutsche Luftfahrtindustrie Während des Ersten Weltkriegs entstand in allen großen kriegführenden Nationen eine moderne, auf Serienproduktion ausgerichtete Luftfahrtindustrie. Nach dem Ende der Kampfhandlungen brach die ausschließlich vom Militär ausgehende Nachfrage nach Flugzeugen und Flugmotoren jedoch dramatisch ein. Wegen der großen militärischen Bedeutung der Luftstreitkräfte unterstützten die Regierungen aller Länder aber weiterhin ihre Luftfahrtindustrie. Die Entwicklung in Deutschland unterschied sich dabei grundsätzlich von den übrigen europäischen Staaten. Das militärische Potenzial der Luftfahrtindustrie erwies sich nicht als Vorteil, da die Alliierten durch umfassende Verbotsmaßnahmen den Aufbau deutscher Luftstreitkräfte dauerhaft verhindern wollten. Bereits der Waffenstillstandsvertrag enthielt erste Verbotsbestimmungen, die durch das Inkrafttreten des Versailler Vertrags2 am 10. 1. 1920 ausgeweitet wurden. Sieben Artikel des Vertragswerks, in dessen Zentrum die Zerschlagung der deutschen Militärmacht stand, bezogen sich explizit auf die Luftfahrt. Artikel 198 untersagte Deutschland den Unterhalt eigener Luftstreitkräfte. Dieses Verbot war der Kern der alliierten Luftfahrtpolitik, die durch sechs weitere Artikel näher bestimmt wurde. Artikel 199 verlangte die vollkommene Demobilmachung der deutschen Luftstreitkräfte und wurde ergänzt durch Artikel 202, der die Auslieferung des gesamten deutschen Luftfahrtgeräts forderte, unabhängig davon, ob es sich im Besitz des Heeres oder von Privatpersonen befand. Durch Artikel 201 wurde ein sechsmonatiges Bauverbot für Flugzeuge festgeschrieben, das eine eindeutige Unterscheidung von Kriegs- und Friedensproduktion ermöglichen sollte.3 Zur Überwachung der Verbote setzten die Siegermächte mit Artikel 210 eine interalliierte Luftfahrtüberwachungskommission ein, die sich aus Offizieren mehrerer Staaten zusammensetzte und durch genau Kontrollen die Einhaltung der Luftfahrtbestimmungen des Versailler Vertrags garantieren sollte.4 Die Artikel 200 und 313 beschränkten zudem die deutsche Lufthoheit über dem Reichsgebiet und dem Rheinland. 1
Für eine ausführliche Darstellung des BMW-Flugmotorenbaus in der Weimarer Republik vgl. Lorenzen, S. 27–140 sowie Pierer. 2 Text des Versailler Vertrags, RGBl 1919/II, S. 687 ff. 3 Budraß, S. 57. 4 Salewski, S. 52 und S. 73.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Die Luftfahrtartikel des Versailler Vertrags zielten auf die militärischen Luftstreitkräfte. Die gerade im Entstehen begriffene zivile Luftfahrt war von den Bestimmungen noch nicht primär betroffen. In der ersten Hälfte des Jahres 1920 entwickelte sich jedoch ein folgenschwerer Konflikt zwischen der Reichsregierung und den Alliierten. Die Siegermächte verlangten die Auslieferung von 18 000 Flugzeugen und 35 000 Motoren. Dies entsprach der Gesamtproduktion an Flugmotoren der Jahre 1917 und 1918 sowie der Flugzeugproduktion des Jahres 1917. Bis Ende 1920 lieferten die deutschen Behörden nur 13 000 Flugzeuge und 25 000 Flugmotoren ab, was zu dem teilweise begründeten Verdacht führte, dass Kriegsmaterial versteckt würde.5 Um die Herausgabe sämtlichen deutschen Luftfahrtgeräts zu erzwingen, wurde das laut Versailler Vertrag nur bis 10. 6. 1920 geltende Bauverbot für Luftfahrtgerät fortlaufend verlängert. Einige Firmen wie beispielsweise die Junkers Flugzeugwerke AG oder die Dornier-Metallbauten GmbH gründeten daraufhin Auslandsniederlassungen, um die Verbotsbestimmungen zu umgehen. Andere Unternehmen wie etwa BMW stellten ihr Engagement in der Luftfahrt ein. Erst nachdem Deutschland bei der Auslieferung des Luftfahrtgeräts umfassend mit den Alliierten kooperiert hatte, wurde die Flugzeug- und Flugmotorenproduktion zum 5. 2. 1922 wieder gestattet. Allerdings musste die Reichsregierung harte Bedingungen akzeptieren. Die Alliierten gaben sich nicht mehr mit dem bloßen Verbot militärischer Luftfahrt zufrieden, sondern stellten durch die sogenannten Begriffsbestimmungen verbindliche Vorgaben für den Bau von zivilen Flugzeugen auf.6 Diese Bestimmungen enthielten in neun Artikeln vornehmlich technische Beschränkungen beispielsweise für Höchstgeschwindigkeit oder Flughöhe, die deutlich unterhalb der für zivile Flugzeuge üblichen Werte lagen. Damit behinderten die Begriffsbestimmungen nachhaltig den Aufbau einer zivilen Luftfahrt in Deutschland. Dies war einerseits gewollt, weil insbesondere Frankreich die starke deutsche Konkurrenz für die eigene Flugzeugindustrie ausschalten wollte.7 Andererseits konnten einzelne Flugzeugtypen schon nach geringfügigen Änderungen gleichermaßen militärisch und zivil genutzt werden. Die Alliierten befürchteten daher, dass Deutschland mit Militärflugzeugen zivile Luftfahrt betreiben und damit insgeheim die Verbotsartikel des Versailler Vertrages umgehen könnte. Die Begriffsbestimmungen verhinderten eine solche Vorgehensweise im Ansatz. Erst im Mai 1926 gelang der Reichsregierung in langwierigen Verhand5
Budraß, S. 57. Aufhebung des Bauverbots am 1. 2. 1922 sowie Begriffsbestimmungen für den deutschen Luftfahrzeugbau vom 14. 4. 1922, NfL Jg. 3 (1922), S. 73 und S. 213–218. 7 Der italienische General Marietti äußerte etwa, dass „es Leute oder Nationen gebe, die geneigt wären, die günstige Gelegenheit der militärischen Einschränkungen zu benutzen, um zugleich die Konkurrenz der zivilen deutschen Luftfahrt zu beseitigen.“ Aufzeichnung des Pariser Botschafters vom 27. 1. 1924, ADAP Ser. A, Bd. X, Dok. 45, S. 115 sowie Fischer, S. 28. 6
5.1. Flugmotorenbau
127
lungen die Aufhebung der Begriffsbestimmungen. Im Pariser Luftfahrtabkommen8 verzichteten die Alliierten auf jegliche technischen Beschränkungen für den zivilen Flugzeugbau. Das Verbot der militärischen Luftfahrt blieb aber weiterhin bestehen. Für die deutsche Luftfahrtindustrie stellte das Abkommen dennoch einen wichtigen Wendepunkt dar, da sie nun weitgehende Freiheit bei der Produktentwicklung erhielt. Solange die Begriffsbestimmungen Gültigkeit hatten, wurde die deutsche Luftfahrt durch die alliierten Vorgaben gehemmt. Nach deren Aufhebung legten in stärkerem Maße die deutschen Behörden die Rahmenbedingungen für die Luftfahrt fest. Die beiden zentralen Akteure waren hierbei das Reichsverkehrsministerium (RVM) und das Reichswehrministerium (RWM). Das RWM beschäftigte sich in vier getarnten Referaten trotz des Verbots durch den Versailler Vertrag intensiv mit militärischer Luftfahrt.9 Die zentrale Institution für alle allgemeinen und operativen Fragen war das Luftschutzreferat im Truppenamt unter Hellmut Wilberg. Die Beobachtung der Rüstungswirtschaft im Ausland oblag dem fliegerrüstungswirtschaftlichen Referat im Waffenamt unter Leopold Vogt. Die wichtigste Stelle für die Luftfahrtindustrie war das Referat Flugtechnik in der Inspektion für Waffen und Gerät unter Kurt Student, das für die Beschaffung von Flugzeugen und Motoren zuständig war. Außerdem unterhielt die Marine ein eigenes Referat für Luftfahrtangelegenheiten. Alle vier Abteilungen verfolgten trotz verschiedener Konzepte ein gemeinsame Ziel, nach dem durch vorbereitende Maßnahmen langfristig der Aufbau von deutschen Luftstreitkräften erreicht werden sollte. Wegen der strikten Überwachung der deutschen Luftfahrtindustrie stand zunächst die personelle Rüstung im Fokus der Reichswehr. Das Hauptaugenmerk galt der Pilotenausbildung bzw. der Weiterbeschäftigung von ehemaligen Frontfliegern in anderen Armeeeinheiten.10 Die 1920 aufgenommene Zusammenarbeit mit der Roten Armee war ebenfalls ein wichtiger Baustein in den strategischen Planungen der Reichswehr. Die ersten Konzepte sahen unter anderem vor, deutsche Rüstungsbetriebe auf russischem Boden anzusiedeln, wobei deren Produktion von deutschen und sowjetischen Streitkräften gleichermaßen genutzt werden sollte. Hugo Junkers baute zu diesem Zweck eine Flugmotoren- und Flugzeugfabrik im russischen Ort Fili auf.11 Das Scheitern der Junkers-Fabrik in Russland trug zu einem konzeptionellen Wechsel bei, sodass seit 1926 der materiellen Rüstung auf deutschem Gebiet eine größere Bedeutung in den Planungen des RWM zukam.12 Letztlich waren sich die verantwortlichen Offiziere bewusst, dass sie keine Luftstreitkräfte aufbauen konnten. Sie versuchten vielmehr, Einfluss auf die Luftfahrt8
Busse, S. 217 ff. Völker: Entwicklung, S. 127 ff. 10 Budraß, S. 102. 11 Vgl. S. 131 ff. 12 Zeidler, S. 158. 9
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
industrie zu nehmen, um auf diese Weise vorbereitende Rüstungsmaßnahmen treffen zu können. Zum einen wurde die Industrie mit Entwicklungsaufträgen unterstützt, die einen Teil der hohen Kosten bei der Neukonstruktion von Flugzeugen bzw. Motoren tragen sollten. Durch diese Aufträge sollte gleichzeitig die Konstruktionsarbeit der einzelnen Firmen im Sinne der Reichswehr gelenkt werden. Zum anderen versuchte das RWM sicherzustellen, dass die Luftfahrtindustrie im Bedarfsfall schnell zur Serienproduktion von militärischem Gerät übergehen konnte. Diesem Zweck diente das Konzept der „fabrikatorischen Vorbereitung“13, das eine Abkehr vom bis zu diesem Zeitpunkt verfolgten Prinzip der Bevorratung von Rüstungsgütern beinhaltete. Die Reichswehr unterstützte Unternehmen beim Kauf neuer Maschinen oder bei der Erweiterung ihrer Werksanlagen, um den Aufbau einer Serienproduktion voranzutreiben. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive war die Erweiterung der Produktionsanlagen für die meisten Unternehmen aber nicht sinnvoll, weil die Aufträge zur Auslastung der größeren Kapazitäten fehlten. Die Subventionszahlungen konnten daher keine nachhaltige Wirkung entfalten. In einem internen Bericht musste sich das RWM 1932 eingestehen, dass bei der Flugzeugindustrie nur die Ernst Heinkel Flugzeugwerke und die Junkers Flugzeugwerke AG überhaupt in der Lage waren, zur Serienproduktion überzugehen. Die wirtschaftliche Situation der deutschen Flugmotorenhersteller wurde sogar als sehr bedenklich eingeschätzt.14 Wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages konnte das RWM keine offen Luftfahrtpolitik betreiben. Die Reichswehr versuchte daher, zivilen Behörden und Institutionen in ihre Planungen einzubinden. Um sich auf diese zivilen Agenturen einen dauerhaften Einfluss zu sichern, bemühte sich das Militär um personelle Verflechtungen. So setzte der Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, 1924 seinen Vertrauten Ernst Brandenburg als Leiter des Luftfahrtamts im RVM durch. Die Einsetzung Brandenburgs war keine unwichtige Personalentscheidung. Das Amt für Luftfahrt- und Kraftfahrtwesen im RVM, das über große Etats verfügte, war die zentrale Behörde für Luftfahrtangelegenheiten in der Weimarer Republik. Es wäre jedoch verfehlt, das RVM als bloßes Ausführungsorgan der Reichswehr zu betrachten.15 Trotz einer weitgehenden Interessenkongruenz mit dem RWM betrieb das RVM eine eigenständige Politik, die den Interessen aller Akteure in der deutschen Luftfahrt gerecht zu werden versuchte. Der gemeinsame Nenner aller dieser Interessengruppen war der Erhalt einer leistungsfähigen Luftfahrtindustrie und der Aufbau von zivilen Luftfahrtgesellschaften. Gerade der zivile Luftverkehr, der sich in den 1920er Jahren entwickelte, genoss besondere Förderung durch das RVM. Hierdurch kam das Ministerium seinem Hauptziel, dem Erhalt der Luftfahrtindustrie, näher, da sich durch die zivile 13 14 15
Budraß, S. 146 ff. Völker: Entwicklung, S. 184–186. Appel, S. 69 sowie Budraß, S. 167.
5.1. Flugmotorenbau
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Luftfahrt Absatzmärkte für die Industrie ergaben, die das Militär nicht bieten konnte. Der zivile Luftverkehr in Deutschland oblag fast ausschließlich der Deutschen Lufthansa (DLH), die 1926 als Einheitsfluggesellschaft gegründet wurde.16 Größter Anteilseigner der DLH war mit 26% das Reich. Nicht nur über diesen Aktienbesitz, sondern auch über hohe jährliche Unterstützungszahlungen sicherte sich das RVM entscheidenden Einfluss. Subventionen waren notwendig, da die zivile Luftfahrt vor dem Zweiten Weltkrieg nur in wenigen Ausnahmefällen gewinnbringend betrieben werden konnte. Dies galt auch für die DLH, die die hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten ihrer Flugzeuge nicht annähernd durch Einnahmen decken konnte. Das jährliche Defizit musste vom RVM ausgeglichen werden. Neben finanziellen Zuwendungen gewährte das RVM sogenannte Materialbeihilfen, die ein bezeichnendes Licht auf die vielschichtigen staatlichen Interessen werfen. Die Materialbeihilfen machten rund 30% der jährlichen Unterstützungssumme für die DLH aus.17 Dabei bestellten die Verantwortlichen im RVM Luftfahrtgerät bei der Industrie, das die DLH nutzen musste, ohne die letzte Entscheidung über die Anschaffung auszuüben. Problematisch war dies, weil das RVM nach anderen Grundsätzen als die DLH bestellte. Ebenso wichtig wie ein wirtschaftlich erfolgreicher ziviler Flugverkehr war dem Ministerium der Erhalt einzelner Betriebe der Luftfahrtindustrie oder der Test von potenziellen Militärflugzeugen und -motoren. Dies führte dazu, dass die DLH oftmals für ihre Belange ungeeignetes Luftfahrtgerät nutzen musste.18 Neben RVM, RWM und DLH war die vierte große Interessengruppe innerhalb der deutschen Luftfahrt die Industrie. Während des Ersten Weltkriegs entwickelten sich aus meist handwerklich strukturierten Kleinbetrieben Großunternehmen, um die hohe Nachfrage des Heeres nach Flugzeugen und Motoren zu befriedigen. Mit Kriegsende stellten die meisten dieser Firmen den Betrieb ein oder verlegten sich auf andere Produktfelder. Durch den Rückzug der etablierten Betriebe entstanden Freiräume auf dem Luftfahrtmarkt, die genutzt werden konnten. So entstand erst nach dem Ersten Weltkrieg eine bis 1945 überaus stabile Branchenstruktur, die mit Namen wie Junkers, Dornier, Heinkel oder BMW verbunden war.19 Charakteristisch für die meisten dieser Unternehmen war, dass sie eignergeführte, mittelständische Firmen waren, in denen Unternehmensleitung und der Posten des Chefkonstrukteurs in der Regel in einer Hand lagen. Ernst Heinkel oder Claude Dornier stehen exemplarisch für diesen Typus. Die einzigen Unternehmen, die aus dieser üblichen Branchenstruktur wegen ihrer Größe und inneren Struktur teilweise herausfielen, waren BMW und Junkers. Alle Betriebe stellte der 16 17 18 19
Fischer, S. 45 ff. Budraß, S. 225–226. Appel, S. 227 ff. Budraß, S. 21–22.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
beschränkte deutsche Markt mit seinen geringen Absatzchancen vor große Probleme. Möglichkeiten zum Export boten sich zudem fast ausschließlich in Länder ohne eigene Luftfahrtindustrie, die in der Mehrzahl in Osteuropa oder Südamerika lagen. Der Export machte daher üblicherweise nur einen Teil des Umsatzes aus und ermöglichte kaum nachhaltiges unternehmerisches Planen, da es sich meist um kurzfristige, oftmals nur einmalige Aufträge handelte.20 Tagesgeschäft und Grundsicherung hingen somit entscheidend von den inländischen Aufträgen ab, die fast ausschließlich vom RVM vergeben wurden. Damit befand sich die deutsche Luftfahrtindustrie wie die DLH in einer existenziellen Abhängigkeit vom RVM. Zusammenfassend kann man festhalten, dass staatliche Interessenpolitik die deutsche Luftfahrt in den 1920er Jahren maßgeblich prägte. Das RVM lenkte als zentrale Institution den Markt, den es im Sinne des Staates ausrichtete. Diese Marktkontrolle wurde dadurch begünstigt, dass es de facto keine privaten Kunden für Flugzeuge oder Flugmotoren gab. Das Abnahmemonopol lag bei der vom RVM kontrollierten DLH. Außerdem besaß das RVM die Möglichkeit, Subventionen an Industrie wie Luftfahrtgesellschaften zu vergeben, von denen die meisten Betriebe abhängig waren. Oberstes politisches Ziel war dabei der Erhalt einer leistungsfähigen Luftfahrtindustrie, die für den zukünftigen Aufbau von Luftstreitkräften unabdingbar war. Die große Abhängigkeit der gesamten deutschen Luftfahrt von den Geldern des RVM zeigte sich 1929. In den vorangegangenen Jahren war die Subventionierung der deutschen Luftfahrt wiederholt in der Presse und im Reichstag kritisch hinterfragt worden. Als nun plötzlich Einsparungen im Reichshaushalt nötig waren, trafen diese die Luftfahrtabteilung im RVM besonders hart.21 Allein die für 1929 vorgesehenen Subventionen an die Luftfahrtindustrie wurden um zwei Drittel auf 5 Mio. RM gekürzt. Namhafte Betriebe wie etwa die Rohrbach Metallflugzeugbau GmbH mussten daraufhin Konkurs anmelden. Andere Unternehmen gerieten in große finanzielle Schwierigkeiten. 5.1.2 Wiedereinstieg in den Flugmotorenbau BMW hatte in den unmittelbaren Nachkriegsjahren den Flugmotorenbau vollständig aufgegeben. Camillo Castiglioni plante 1922 nach dem Erwerb des BMW-Motorenbaus von der Knorr-Bremse AG zunächst keinen Wiedereinstieg in die Flugmotorenproduktion.22 Sowohl die Verbotsbestimmungen des Versailler Vertrages als auch der beschränkte deutsche Absatzmarkt lie-
20
Popp an RVM vom 11. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 22. Budraß, S. 240 ff. 22 Protokoll der Besprechung zwischen Herrn Professor Junkers und Vertretern der Bayerischen Motoren Werke AG am 22. 8. 1922, DMM/ASD JA 0020 sowie Bericht über die Reise nach München, Konstanz, Basel vom 5. bis 8. August 1922, DMM/ASD JA 0021. 21
5.1. Flugmotorenbau
131
ßen eine Aufnahme der Fertigung aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll erscheinen. An dieser grundsätzlichen Entscheidung konnten selbst wiederholte Anfragen des Junkers-Konzerns, des mit Abstand größten deutschen Flugzeugherstellers während der Weimarer Republik, nichts ändern. Junkers benötigte für die eigene Flugzeugproduktion dringend Motoren, konnte BMW aber nur Abnahmemenge in Aussicht stellen, die für eine profitable Produktion zu gering waren. Eine Lösung für dieses Problem konnte Castiglioni anbieten, der nach Kriegsende mehrere BMW-Flugmotoren in die Schweiz und nach Italien gebracht hatte, um sie der Zerstörung durch die Alliierten zu entziehen. Diese Motoren ließ Castiglioni 1920 durch die IIC an Junkers verkaufen.23 Die Verbotsklauseln des Versailler Vertrag führten jedoch zu großen Problemen bei der Einfuhr, weshalb die Motoren erst rund zwei Jahre später nach Deutschland gelangten. Legal war diese Einfuhr immer noch nicht. Junkers und BMW hatten sich daher darauf verständigt, dass die Motoren zunächst im Ausland zerlegt würden. Die Einzelteile sollten gemäß der Absprache unter falscher Deklaration zu BMW nach München geschickt und dort wieder zusammengebaut werden. Anschließend wurden die fertigen Motoren an Junkers versandt.24 Auf dem Gebiet der Motorenentwicklung war es bereits 1918 zu Gesprächen zwischen BMW und Junkers gekommen, die jedoch keine wirkliche Zusammenarbeit nach sich zogen.25 Damit stand die Lieferung der im Ausland lagernden Motoren in den Jahren 1920 bis 1922 am Beginn der Geschäftsbeziehung beider Unternehmen. Junkers benötigte BMW-Flugmotoren bis 1922 vornehmlich für die Produktion von zivilen Flugzeugen, die meist ins Ausland geliefert wurden. Für die Wiederaufnahme einer BMW-Flugmotorenproduktion bot diese auf den zivilen Luftfahrtmarkt ausgerichtete Nachfrage aber zu wenig Anreiz. Seit 1921 unterhielt Junkers jedoch Verbindungen zu sowjetischen Funktionsträgern.26 Aus diesen Kontakten entwickelten sich durch die nachdrückliche Unterstützung der Reichswehr konkrete Pläne. Im November 1922 unterzeichneten Vertreter des Junkers-Konzerns in Moskau einen Vertrag, der das Unternehmen mit dem Bau eines Flugzeug- und Flugmotorenwerks im russischen Ort Fili beauftragte. Die jährliche Kapazität der ausgebauten Produktionsstätte sollte bei 300 Flugzeugen und 450 Flugmotoren liegen. Die Reichswehr hatte Junkers mit der Zusage von Aufträgen und Unterstützungszahlungen beim Abschluss des Geschäfts mit der sowjetischen Führung bestärkt. Durch den Aufbau der Junkers-Fabrik hoffte das RWM auf eine weitere Intensivierung der militärpolitischen Beziehungen zur 23
Berliner Büro der Junkers Werke an Hugo Junkers vom 25. 6. 1920, DMM/ASD JA 0301_T03 sowie Schreiben an Junkers-Flugzeugwerke AG vom 12. 7. 1920, DMM/ ASD JA 0301_T06. 24 Bericht über die Reise nach München, Konstanz, Basel vom 5. bis 8. August 1922, DMM/ASD JA 0021. 25 Vgl. S. 51–52. 26 Zeidler, S. 54 ff. und S. 89 ff. sowie Budraß, S. 101 ff.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Roten Armee. Für die Sowjetunion stand hingegen der Technologietransfer im Zentrum der Überlegungen. Die Metallbauweise der Junkers-Flugzeuge war in der Luftfahrt der 1920er Jahre die wichtigste Zukunftstechnologie, die sich die Sowjetunion sichern wollte.27 Bereits am 4. 12. 1922 bestellte die Sowjetunion 100 Junkers-Flugzeuge, die im folgenden Jahr in Fili produziert werden sollten. Eine so rasche Inbetriebnahme des Werks war aber nicht möglich, weshalb Junkers die bestellten Flugzeuge im Hauptwerk in Dessau fertigte und anschließend in die Sowjetunion lieferte. Das größte Hindernis bei der Erfüllung des Auftrags war die Motorenbeschaffung. Junkers hatte in zähen Verhandlungen Reichswehr und Rote Armee davon überzeugt, dass BMW-Flugmotoren in Fili gebaut werden sollten und dass Junkers über eine entsprechende Nachbaulizenz verfüge. Bis 1922 hatte Junkers nur einige wenige Motoren, bei denen es sich weitgehend um Kopien von BMW-Produkten handelte, im eigenen Werk in Dessau gebaut und besaß daher keinerlei Einrichtungen zur Serienproduktion. Deshalb musste man, um das Geschäft mit der Sowjetunion nicht zu gefährden, am 4. 6. 1923 bei BMW 100 Flugmotoren bestellen.28 Dieser Großauftrag veranlasste BMW zur Wiederaufnahme der Flugmotorenproduktion. Mit Absicht ließ Junkers BMW über den genauen Charakter der Geschäfte mit der Sowjetunion im Unklaren. Dies war vor allem darin begründet, dass BMW der Nachbau der eigenen Flugmotoren durch Junkers nicht bekannt war. Rein rechtlich befand sich Junkers in einer Grauzone, da man nur Motorteile kopierte, die nicht explizit durch ein BMW-Patent geschützt waren.29 Andererseits spielte Junkers gegenüber der Reichswehr und der Roten Armee nicht mit offenen Karten, weil man die nachgebauten Motoren als BMW-Produkte ausgab und sich auf diese Weise durch das Renommee der Münchner Firma Aufträge sichern wollte. Insbesondere das fliegerrüstungswirtschaftliche Referat im Heereswaffenamt unter Leopold Vogt war unzufrieden mit dem Nachbau von BMW-Motoren durch Junkers. Das Referat setzte sich deshalb für eine Einbindung von BMW in das Russlandgeschäft ein. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch von Junkers informierte Leopold Vogt im November 1923 den BMW-Direktor Franz Josef Popp über das Werk in Fili und die geplante Motorenproduktion.30 Ziel des RWM war es, durch dieses Vorgehen BMW und Junkers zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Während BMW sich zumindest vordergründig kooperativ zeigte, um Aufträge zu erhalten, lehnte Junkers eine Kooperation rundweg ab, weil man das Geschäft in der Sowjetunion nicht mit
27
Budraß, S. 105. Junkers an BMW vom 4. 6. 1923, DMM/ASD JA 0019. 29 Vertrauliche Aktennotiz. Betr.: BMW-Nachbau vom 2. 5. 1928 sowie Aktennotiz Betr.: evtl. Vorgehen gegen BMW (Popp) vom 11. 5. 1928, DMM/ASD JA 0019. 30 Niederschrift eines Telefongespräches mit Herrn Vogt. Dessau, den 28. November 1923, DMM/ASD JA 0021. 28
5.1. Flugmotorenbau
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einem anderen Unternehmen teilen wollte.31 Auf Wunsch des RWM besichtigte Popp, begleitet von hochrangigen Offizieren, im März 1924 die Fabrik in Fili. Letztlich ließ er in den folgenden Monaten aber erkennen, dass die Beteiligung an einer russischen Fabrik für BMW nicht in Frage komme. Stattdessen bemühte man sich erfolgreich um direkte Aufträge der sowjetischen Behörden, die im Münchner Stammwerk ausgeführt wurden.32 1924 eskalierte schließlich der Zwist zwischen BMW und Junkers. Die Wiederaufnahme der Flugmotorenproduktion bereitete BMW große Schwierigkeiten, weshalb es zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Auslieferung des Auftrags über 100 Motoren für Junkers kam. Außerdem traten bei vielen Motoren Qualitätsmängel auf, für die vor allem ungeschultes Personal bei der Fertigung verantwortlich gemacht wurde. Die Fehlerhaftigkeit der Motoren stellten oft erst die Abnahmebehörden in der Sowjetunion fest, die Junkers hierfür verantwortlich machten, wodurch das Unternehmen nach eigener Aussage „so erhebliche Schäden erlitten habe, dass BMW niemals einen vollen Schadenssatz zu leisten vermag“33. BMW wiederum wollte gegen den Nachbau der eigenen Motoren durch Junkers vorgehen. Die Kontroverse zog sich über Monate hin, ehe sie durch die Entscheidung eines Schiedsgerichts beendet wurde. Beide Seiten konnten dabei ihre Interessen nicht durchsetzen. Letztlich erhielt Junkers keine Entschädigung und BMW musste weiterhin den Nachbau der eigenen Flugmotoren hinnehmen.34 Während BMW in den folgenden Jahren die Sowjetunion als wichtigen Kunden gewinnen konnte, entwickelte sich das Russlandgeschäft für Junkers zum Desaster. Die Reichswehr hatte Junkers auch durch die Ankündigung von Großaufträgen und hohen Subventionszahlungen im Aufbau der Fabrik in Fili bestärkt. Die versprochenen Gelder blieben aber weitgehend aus. Als die Reichswehr 1923 bei der Fokker Flugzeugwerke AG 100 Flugzeuge bestellte, während Junkers überhaupt keine Aufträge erhielt, war das Verhältnis nachhaltig gestört.35 Junkers war an dieser Zurücksetzung mitschuldig, da sich militärtechnisch gesehen alle Flugzeuge des Konzerns als untauglich erwiesen. Wegen der schwachen Konstruktionen und erheblicher Lieferverzögerungen stellte schließlich auch die Sowjetunion die Geschäftsbeziehungen zu Junkers ein. Das fehlgeschlagene Engagement in der Sowjetunion brachte Junkers in eine prekäre Finanzlage. Der drohende Konkurs konnte 1926 nur durch massive finanzielle Hilfe des Reichs verhindert werden. 31
Das Junkers-Unternehmen in Fili (Rußland) in seiner Entwicklung und seinem Verhältnis zum Reichswehrministerium bis zum Herbst 25, Denkschrift des RWM vom 13. 1. 1926, BArch-MA RH 2 / 1130, Bl. 25. 32 Vgl. S. 154 ff. 33 Junkers an Rechtsanwalt Dr. Bloch vom 12. 7. 1924, DMM/ASD JA 0020. 34 Niederschrift des Ergebnisses der Schiedsgerichtsitzung am 21. 6. 1924 in Berlin sowie Niederschrift einer Einigungsverhandlung am Mittwoch, den 2. 7. 1924, DMM/ ASD JA 0019. 35 Budraß, S. 125–126.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
5.1.3 Entwicklung und Technik der BMW-Flugmotoren BMW stieg nicht mit Neukonstruktionen wieder in die Flugmotorenproduktion ein, sondern lieferte an die Junkers Flugzeugwerke und die Sowjetunion die bereits im Ersten Weltkrieg entwickelten Motoren BMW IIIa und BMW IV. Die technischen Anforderungen in der Luftfahrt hatten sich jedoch seit Kriegsende geändert. Um sich dauerhaft im zivilen und militärischen Luftfahrtmarkt zu etablieren, musste BMW neue und leistungsstärkere Flugmotoren entwickeln. Dabei gab es zwei prinzipielle Strategien, die von der BMW-Führung verfolgt wurden. Zum einen erwarb man fertige Produkte oder Bauteile von ausländischen Herstellern in Lizenz, zum anderen setzte BMW auf Eigenentwicklung. Charakteristisch für die BMW-Flugmotorenentwicklung war, dass diese maßgeblich vom RVM und RWM gesteuert wurde.36 Obwohl BMW einen großen Teil der Produktion exportierte, bestimmten daher letztlich die Interessen deutscher Ministerien die Entwicklungsrichtung. Wichtigstes staatliches Instrument, um die unternehmensinterne Entwicklungspolitik zu lenken, war die Vergabe von Aufträgen. Die jeweiligen Ministerien konnten auf diese Weise konkrete technische Vorgaben machen, nach denen in den Betrieben Produkte entstanden. Die Kosten für die jeweilige Produktentwicklung trug zu einem großen Teil der Auftraggeber, meist das RVM, in wenigen Fällen aber auch das RWM. So wurde beispielsweise die Konstruktion des Zwölfzylinderflugmotors BMW VI, des mit Abstand wichtigsten Produkts des Unternehmens in der Weimarer Republik, seit 1924 durch einen Auftrag des RWM finanziert.37 Neben dem BMW VI entstanden bis 1933 noch sieben weitere Flugmotoren, von denen lediglich zwei nicht auf einem staatlichen Entwicklungsauftrag beruhten.38 Der maßgebliche Einfluss, den RVM und RWM auf die Produktentwicklung ausübten, war durchaus im Sinne von BMW. Zum einen konnten so die hohen Entstehungskosten für neue Produkte zumindest teilweise auf die Kunden umgelegt werden. Die Neuentwicklung eines Flugmotors dauerte immerhin zwei bis drei Jahre und kostete zwischen 0,5 und 1 Mio. RM.39 Zum anderen waren die Absatzchancen für ein Produkt, das schon bei der Entstehung den Interessen von RVM, RWM und DLH Rechnung trug, besonders gut. Die staatliche Einflussnahme auf die Produktentwicklung galt jedoch nicht nur für Neukonstruktionen. Die kontinuierliche Verbesserung bereits in der Produktion befindlicher Motoren wurde ebenfalls gefordert und gefördert. Wichtig in diesem Zusammenhang war die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL), die im Auftrag der Behörden deutsches Luftfahrtgerät intensiven 36
Lorenzen, S. 41–43. Völker: Entwicklung, S. 133 und S. 186. 38 Pierer, S. 71–75 sowie 78. 39 BMW an Reichsverkehrsminister Guérard vom 1. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 215. 37
5.1. Flugmotorenbau
135
Versuchsreihen unterzog.40 Die Ergebnisse wurden gleichermaßen an Unternehmen und Ministerien gemeldet. So bewirkte etwa ein Gutachten der DVL, dass 1927 die Vergaser des BMW VI ausgetauscht wurden.41 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte BMW einen während des Ersten Weltkriegs selbst entwickelten Vergaser verwendet. Die DVL empfahl die Verwendung von Vergasern der Firma Zenith, die eine Leistungssteigerung der Motoren bewirkten. Neben der verbesserten Leistung war jedoch ein wichtiger Grund, dass Zenith die meisten europäischen Flugmotorenhersteller belieferte. Bei der Pariser Luftfahrtschau von 1928, der größten europäischen Luftfahrtausstellung, waren schon 77% aller Motoren mit Zenith-Vergasern ausgestattet.42 Durch den Einsatz der Zenith-Vergaser passte sich BMW dem internationalen Standard an. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entwicklung war, ob der jeweilige Flugmotor in der zivilen oder in der militärischen Luftfahrt verwendet werden sollte. In den 1920er Jahren hatte sich die Flugmotorentechnik noch nicht so weit ausdifferenziert, dass ein deutlicher Unterschied zwischen zivilen und militärischen Motoren bestand. Daher wurden die meisten BMW-Motoren sowohl von zivilen Fluggesellschaften als auch von Luftstreitkräften eingesetzt. Allerdings konnten die universal einsetzbaren Motoren durch technische Veränderungen zu Spezialmotoren umgestaltet werden. Diese konstruktiven Veränderungen geschahen in enger Abstimmung mit inländischen Auftraggebern. Ein sehr gutes Beispiel hierfür war die Verwendung des Werkstoffs Elektron im BMW VI.43 Elektron ist eine Leichtmetalllegierung, die vornehmlich aus Magnesium besteht. Während des Ersten Weltkriegs entdeckt, galt die Legierung vor allem in Kreisen der Reichswehr als Zukunftswerkstoff, der deutlich leichter war als Stahl oder Aluminium. Die zuständigen Ingenieure und Offiziere im RWM steigerten sich „in eine wahre ElektronEuphorie“44 und gaben große Summen für Entwicklung und Produktion in diesem Bereich aus. Demnach war der Einsatz von Elektron bei BMW nicht nur auf die Gewichtsersparnis, die die Legierung bot, zurückzuführen, sondern auch auf die Interessen des RWM. Die Reichswehr war aber nicht die einzige Institution, deren Vorgaben im BMW-Entwicklungsprozess Berücksichtigung fanden. So wurde der Sechszylindermotor BMW Va vornehmlich für die Belange der DLH entwickelt und fast ausschließlich an die deutsche Luftverkehrsgesellschaft abgesetzt.45 40
Budraß, S. 227 ff. Beilage zum Schreiben der BMW AG an den Reichsverkehrsminister vom 29. 11. 1930, BArchB R8119F / P 3070, Bl. 216. 42 Dechamps, S. 529 ff. 43 Budraß, S. 36–37, Pierer, S. 44 sowie Versuchs-Entwicklungen im laufenden Etatjahr 1927/28, BArch-MA RH 2 / 2228, Bl. 7. 44 Budraß, S. 211. 45 Tätigkeitsbericht der Gruppe Wa.B.6 im Dienstjahr 26/27 vom 30. 9. 1927, BArchMA RH 2 / 2211, Bl. 226 sowie Friz an Stauß vom 30. 5. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 211. 41
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Die Finanzierung und Steuerung der industriellen Entwicklung durch Aufträge war ein aus der Not geborenes Konzept. In den meisten anderen Industrienationen konnten die Unternehmen ihre Entwicklungskosten durch große Lieferaufträge der jeweiligen Luftstreitkräfte decken.46 In Deutschland war dies wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrags nicht möglich. Der Anspruch von RVM, RWM und Industrie war es dennoch, mit dem Ausland technologisch im Flugzeug- und Flugmotorenbau Schritt zu halten. Dieses Ziel manifestierte sich in Entwicklungsaufträgen, die sich am internationalen Standard orientierten. Bereits 1926 wurde im Versuchsmotor BMW V Vierventiltechnik und Blockbauweise realisiert, was das RVM mit 50 000 RM unterstützte. Wegen technischer Probleme wurde die Weiterentwicklung des Motors im Einvernehmen zwischen BMW und RVM nach einem einzigen Versuchsmuster eingestellt.47 Die Konstruktion des BMW V weist auf ein Grundproblem der staatlich gesteuerten Entwicklungspolitik. Die Summen, die das RVM zur Verfügung stellte, konnten die tatsächlichen Kosten nur zum Teil decken, sodass BMW einen erheblichen Teil der anfallenden Kosten selbst tragen musste.48 Daher waren Entwicklungsaufträge für ein Unternehmen nur dann interessant, wenn spätere Produktionsaufträge in Aussicht gestellt wurden oder wenn eine ohnehin geplante Entwicklungsarbeit durch den Staat mitfinanziert wurde. Die zu geringe Dotierung zeigte sich auch beim bedeutendsten Entwicklungsauftrag, der während der Weimarer Republik an die deutsche Flugmotorenindustrie vergeben wurde.49 RVM, RWM und DLH hatten 1929 ihre jeweiligen Ansprüche an einen modernen Flugmotor zusammengetragen und in einer Ausschreibung an die Industrie formuliert. Die technischen Vorgaben waren dabei höchst anspruchsvoll und umfassten unter anderem Vierventiltechnik, Blockbauweise, Benzindirekteinspritzung und Aufladung. Zur Umsetzung der Konstruktionsarbeit standen 1930 aus dem Etat des RVM zunächst nur rund 400 000 RM zur Verfügung.50 Diese Summe musste wiederum unter mehrere Flugmotorenhersteller aufgeteilt werden. Obwohl BMW für die Konstruktion des Mehrzweckmotors noch weitere Gelder vom RVM erhielt51, konnte damit bestenfalls ein Bruchteil der Kosten gedeckt werden, die bis zum Abschluss der Entwicklung Mitte der 1930er Jahre anfielen. 46 47
Ittner, S. 114 ff. Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der BMW AG vorgenommene Preisprüfung von 11 Versuchsmotoren, BArchB R 8135 / 5247 sowie Niederschrift einer Besprechung von Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten über die Flugmotorenerzeugung der BMW AG am 22. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 266. 48 Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der BMW AG vorgenommene Preisprüfung von 11 Versuchsmotoren, BArchB R 8135 / 5247. 49 Hirschel/Prem/Madelung, S. 91. 50 Hergt an Stauß vom 20. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 203. 51 Bericht des Vorstandes zur Aufsichtsratssitzung vom 12. 11. 1931, BArchB R8119F / P3087 sowie Popp an Stauß vom 14. 1. 1932, BArchB R8119F / P3072, Bl. 184.
5.1. Flugmotorenbau
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Nicht zuletzt wegen der knappen finanziellen Ressourcen wurde in der Industrie, aber auch in den Behörden die übliche Vergabepraxis von parallelen Entwicklungsaufträgen an mehrere Unternehmen immer wieder in Frage gestellt.52 Da man jedoch glaubte, durch Konkurrenz bessere Ergebnisse erzielen zu können, hielt das RVM daran fest. Neben der Eigenentwicklung nutzte BMW im Flugmotorenbau vielfach die Möglichkeit zur Lizenznahme von Motoren oder Komponenten bei ausländischen Herstellern. Wegen der hohen Kosten, die Entwicklungen im Flugmotorenbereich verursachten, war der Einkauf von Technologien eine vielversprechende Möglichkeit, Anschluss an die internationale Konkurrenz zu halten. BMW wurde bei dieser in den 1920er Jahren gezielt eingeschlagenen Strategie vom RVM unterstützt, das im Abschluss von Lizenzverträgen ebenfalls eine wichtige Chance zur Produktentwicklung sah. 1927 erwarb BMW mit dem Untersetzungsgetriebe der französischen Firma Farman erstmals eine Technologie in Lizenz. Damit passte man sich an eine Entwicklung in der internationalen Luftfahrt an, die in verstärktem Maße auf die Verwendung von Getrieben setzte, weil Motoren und Propeller bei verschiedenen Umdrehungszahlen ihren optimalen Wirkungsgrad erreichten. Bei der Übermittlung der Konstruktionspläne kam es aber zu Problemen, da Farman die Getriebe zu schwach dimensioniert hatte. Umfangreiche Nacharbeiten waren notwendig, die vom RVM finanziell unterstützt wurden.53 Ein weiterer Entwicklungssprung in den 1920er Jahre war der Einsatz von Verdichtern zur Aufladung von Flugmotoren, wodurch deutlich Leistungssteigerungen erzielt werden konnten. Bei dieser richtungsweisenden Technologie entschloss sich BMW ebenfalls, auf eine Eigenentwicklung zu verzichten. Vom französischen Unternehmen Rateau erwarb man einen fertigen Verdichter, der im seit 1930 produzierten Flugmotor BMW IX eingesetzt wurde.54 Getriebe und Verdichter waren in den 1920er Jahren zentrale Technologien, denen für die Konkurrenzfähigkeit der BMW-Flugmotoren eine große Bedeutung zukam. Diese Motorkomponenten in Lizenz zu erwerben, war Teil einer bewussten Strategie des BMW-Vorstandes, um Entwicklungskosten zu minimieren und mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand Anschluss an die internationalen Konkurrenten zu halten. Das bedeutendste Ereignis in dieser Strategie war 1928 die Lizenznahme der beiden luftgekühlten Sternmotoren Wasp und Hornet vom amerikanischen Unternehmen Pratt & Whitney.55 BMW erhielt nicht nur erstmals die Nachbaurechte für zwei komplette Motoren, sondern zugleich den Einstieg in ein neues Motorenbaukonzept.
52
Niederschrift einer Besprechung von Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten über die Flugmotorenerzeugung der BMW AG am 22. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 266. 53 Ebenda sowie Schwager: Flugmotoren-Getriebe. 54 Schwager: Kreiselgebläse. 55 Vgl. Lorenzen, S. 48–55.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Seit dem Ersten Weltkrieg wurden international zwei verschiedene Arten von Flugmotoren verwendet, die sich nach ihren Kühlsystemen in wasserund luftgekühlte Motoren unterscheiden lassen. Während bei den wassergekühlten Motoren die Wärme mittels einer Flüssigkeit abgeführt wurde, erfolgte dies bei den luftgekühlten Motoren durch den direkten Kontakt der heißen Bauteile mit der Luft. Da sich bei der Kühlung durch Luft die Reihenbauweise nicht bewährte, wurden die Zylinder kreisförmig angeordnet, was diesen Motoren in Deutschland die Bezeichnung Sternmotor einbrachte. In Deutschland setzten Industrie wie Behörden beim Bau von leistungsstarken Flugmotoren vor allem auf die wassergekühlte Bauweise, die nach dem Urteil der Reichswehr lange Zeit sogar als einzige für militärische Zwecke einsetzbar schien.56 In den USA hingegen stützte sich die US-Navy schon frühzeitig bei der Ausrüstung ihrer Flugzeuge vornehmlich auf Sternmotoren.57 Obwohl RWM und RVM den Sternmotoren weiterhin skeptisch gegenüberstanden, entschieden sie sich, diese Technologie aufgrund der Entwicklung in den USA zu fördern.58 Als Partner hierfür bot sich Siemens & Halske an. Neben der Junkers Motorenbau GmbH (Jumo) und BMW war das Unternehmen der dritte deutsche Flugmotorenhersteller, der sich im Gegensatz zu den beiden Konkurrenten bereits seit dem Ersten Weltkrieg auf die Produktion luftgekühlter Flugmotoren spezialisiert hatte. Um der Entwicklung von Siemens neue Impulse zu geben, unterstützten RWM und RVM 1927 die Firma beim Abschluss eines Lizenzvertrags über den luftgekühlten Flugmotor Jupiter des englischen Unternehmens Bristol Aircraft Company als Unterlizenz des französischen Unternehmens Société des Moteurs Gnôme & Rhône. 59 Die Hilfe für Siemens entsprang dem Interesse der Behörden für die neue Technologie. Ebenso wichtig war es jedoch, Siemens mit einem konkurrenzfähigen Produkt auszustatten, um weiterhin Aufträge an das Unternehmen vergeben zu können. Das RVM plante wegen seines knappen Budgets eine dauerhafte Reglementierung des deutschen Flugmotorenmarkts. BMW sollte auf die Produktion großer wassergekühlter Flugmotoren festgelegt werden, während sich die Junkers Motorenbau GmbH vornehmlich dem Bau kleiner wassergekühlter Flugmotoren widmen sollte. Siemens sollte ausschließlich Sternmotoren produzieren.60 56
Popp an Stauß vom 19. 12. 1932, BArchB R8119F / P3073, Bl. 26–27. Ittner, S. 117. 58 Lorenzen, S. 49–50 sowie Protokoll einer Besprechung vom 8. 1. 1926, Betrifft: Entwicklung eines starken luftgekühlten Motors, BArch-MA RH 8 I / 4511. 59 Niederschrift des Berliner Büros des Junkers-Konzerns über eine Besprechung mit dem Siemens Chefkonstrukteur Becker vom 3. 2. 1928, DMM/ASD JA 0021 sowie Versuchs-Entwicklungen im laufenden Etatsjahr 1927/28, BArch-MA RH 2 / 2228, Bl. 6. 60 Lahs an Stauß vom 4. 6. 1931, BarchB R8119F / P3071, Bl. 241 sowie Exposé über Luftfahrtfragen des Berliner Büros des Junkers-Konzerns vom 29. 2. 1928, DMM/ASD JA 0021. 57
5.1. Flugmotorenbau
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Die Festlegung der drei deutschen Flugmotorenhersteller auf jeweils eine Leistungsklasse oder Motorenbauweise war im Sinne der Behörden, denen es in erster Linie um den Erhalt der Industrie ging. Während die Konkurrenz zwischen den Herstellern im Entwicklungsbereich durchaus gefördert wurde, war dies bei der Vergabe von Produktionsaufträgen nicht gewünscht. BMW wollte sich mit der Marktaufteilung durch das RVM nicht abfinden, da das Unternehmen als führender deutscher Anbieter von Flugmotoren am meisten zu verlieren hatte. BMW bemühte sich daher, anstelle von Siemens die Lizenz für den Sternmotor Jupiter der englischen Firma Bristol zu erhalten. Obwohl die Herstellungsrechte auf Initiative des RVM an Siemens gegangen waren, gab BMW nicht auf. Mehrere Motive scheinen diese Entscheidung beeinflusst zu haben. Die BMW-Führung betrachtete Sternmotoren als Zukunftstechnologie, die große Marktchancen bot. Darauf deuteten die Erfolge der Sternmotoren im Ausland hin. Die Initiative, die das RVM bei der Lizenznahme durch Siemens zeigte, erweckte zudem den Eindruck, dass Sternmotoren von den deutschen Behörden verstärkt nachgefragt würden. BMW wollte hierbei nicht zurückstehen, weil man befürchtete, Marktanteile zu verlieren. Aufgrund dieser Motivlage fasste die BMW-Unternehmensführung den Entschluss, sich ohne staatliche Rückendeckung um die Herstellungsrechte für einen Sternmotor zu bemühen. Als Lizenzgeber entschied man sich für den renommierten amerikanischen Hersteller Pratt & Whitney. Zu Verhandlungen reisten BMW-Generaldirektor Franz Josef Popp und Camillo Castiglioni im Oktober 1927 in die USA und konnten bereits am 3. 1. 1928 einen Lizenzvertrag abschließen.61 Pratt & Whitney übertrug darin BMW die ausschließlichen Herstellungsrechte für die beiden Motorenmuster Wasp und Hornet.62 Die Lizenz erlaubte BMW die Lieferung dieser beiden Baumuster in alle europäischen Länder. Lediglich die Britischen Inseln waren ausgenommen. Nach Vertragsabschluss begann BMW mit dem Aufbau von Fertigungsanlagen, wobei lediglich der Hornet in Produktion genommen wurde. Allerdings stockte der Absatz. Im Export gelang es überhaupt nicht Fuß zu fassen. So scheiterten beispielsweise Verhandlungen mit der Sowjetunion, dem wichtigsten ausländischen Kunden, über die Lieferungen von 100 Hornet-Motoren. Als Begründung gaben die sowjetischen Behörden an, dass Sternmotoren „mit Rücksicht auf die klimatischen Verhältnisse ihres Landes als nicht sehr günstig“63 eingeschätzt würden. Das RVM als wichtigster inländischer Kunde bedachte BMW zunächst ebenfalls nur mit marginalen Aufträgen. Ausschlaggebend war, dass das RWM
61 Castiglioni an Stauß vom 17. 10. 1927, BArchB R8119F / P3130, Bl. 26–27 sowie Entwurf eines Schreibens an das Staatsministerium des Äußeren vom 13. 10. 1927, BHStA MWi 5634. 62 Memorandum of Agreement between the Pratt & Whitney Aircraft Company and Bavarian Motor Works vom 3. 1. 1928, BMW FA 4. 63 Popp an Stauß vom 19. 6. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 307.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
maßgeblichen Einfluss auf die Auftragsvergabe durch das RVM ausübte. Die zuständigen Reichswehrstellen standen dabei trotz allem noch immer auf dem Standpunkt, dass wassergekühlte Motoren in militärischer Hinsicht den Sternmotoren überlegen seien.64 Dies bewirkte, dass auch in der zivilen Luftfahrt durch die DLH nur eine geringe Anzahl von Sternmotoren eingesetzt wurde. Die staatlich kontrollierte DLH hatte sich militärischen Interessen zu unterwerfen und vornehmlich potenzielles militärisches Luftfahrtgerät zu nutzen. Zu dieser grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber luftgekühlten Flugmotoren kam noch eine erhebliche Verstimmung in den Ministerien hinzu, weil BMW im Alleingang die Lizenz erworben hatte.65 Da es BMW nicht gelang, eine nennenswerte Anzahl von Hornet-Motoren zu verkaufen, löste man im Sommer 1931 im Einvernehmen mit Pratt & Whitney den Lizenzvertrag.66 Vor allem wegen der Ablehnung durch die deutschen Behörden scheiterte BMW zunächst mit der Produktionsaufnahme von luftgekühlten Flugmotoren. Erst die Vorstellung der Ju 52, eines neuen Flugzeugtyps der Firma Junkers, sollte 1931 eine Trendwende einleiten. Ursprünglich als einmotoriges Frachtflugzeug ausgelegt wurde sie schon bald zu einem dreimotorigen Transport- und Verkehrsflugzeug weiterentwickelt. Junkers plante die Verwendung des eigenen Flugdieselmotors Jumo 4 in der Ju 52, was von DLH und RVM abgelehnt wurde. Stattdessen verlangten Fluggesellschaft und Ministerium die Verwendung von luftgekühlten BMW-Sternmotoren. Dieser Forderung beugte sich Junkers.67 Wirkliche Auswirkungen entfaltete diese Entscheidung erst nach 1933, als für den Aufbau der Luftwaffe eine große Anzahl von Ju 52 Flugzeugen durch das Reichsluftfahrtministerium (RLM) bestellt wurden. Vor dem Hintergrund einer völlig veränderten Nachfrage schloss BMW nun abermals einen Lizenzvertrag mit Pratt & Whitney ab und bezahlte bis 1939 für die Motoren BMW Hornet bzw. BMW 132 Lizenzgebühren an die Amerikaner.68 Mit einer zeitlichen Verzögerung konnte sich BMW schließlich doch als Hersteller von luftgekühlten Flugmotoren etablieren. Die Auseinandersetzung um den Einsatz von Sternmotoren zeigt, dass das Verhältnis zwischen BMW und RVM nicht ohne Spannungen war. Ein weiterer Konflikt, der Ende der 1920er Jahre ausbrach und in dem BMW unter starken Druck des RVM und der DLH geriet, belegt dies. Anlass waren Probleme bei der Flugmotorenqualität, welche auf mangelhafte Entwicklungs64
Popp an Stauß vom 19. 12. 1932, BArchB R8119F / P3073, Bl. 26–27. Reichsverkehrsminister Guérard an BMW vom 22. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 214. 66 Vertragsmemorandum zwischen Pratt & Whitney und BMW vom 5. 9. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 51–53. 67 Budraß, S. 281. 68 Lorenzen, S. 255–260 sowie Popp an Stauß vom 6. 4. 1939, BArchB R8119F / P3076, Bl. 167–168. 65
5.1. Flugmotorenbau
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arbeit zurückgeführt wurden. Ihren Anfang nahm die Kontroverse, als 1927 bei der DLH nicht weniger als 46 Kurbelwellenbrüche bei BMW-Motoren zu konstatieren waren.69 Der Grund für diese schwerwiegende Fehlfunktion war nicht fehlerhaftes Material, sondern auftretende Drehschwingungen, die sich bei bestimmten Drehzahlen durch den Zusammenfall mit der Eigenschwingung der Kurbelwelle noch verstärkten. Bei Junkers-Motoren traten ähnliche Defekte auf, die seit 1924 durch den Einsatz von Schwingungsdämpfern merklich reduziert werden konnten.70 BMW reagierte zunächst nicht. Erst als der öffentliche Druck infolge von Reichstagsdebatten und Presseartikeln besonders groß wurde71, entwickelte BMW selbst einen Schwingungsdämpfer, der die Anzahl der Kurbelwellenbrüche signifikant senkte.72 Qualitätsprobleme sollten den Einsatz der BMW-Flugmotoren durch die DLH aber weiterhin kennzeichnen. Einen neuen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung 1931, als die DLH binnen sechs Wochen 14 BMW-Flugmotoren auf der Flugstrecke München-Mailand austauschen musste.73 In der folgenden Auseinandersetzung mit dem RVM und der DLH geriet BMW unter erheblichen Druck. Im Sommer 1931 beurteilte die Abteilung für technische Entwicklung der DLH die BMW-Entwicklungsarbeit in vernichtender Weise.74 In diesem Gutachten hieß es unter anderem, dass „der einzige, zurzeit seines Entstehens wirklich technisch ausreichende Motor, den das Werk herausgebracht hat, der BMW IIIa war“75. Damit wurde der Wert der gesamten BMW-Entwicklungsarbeit seit 1918 in Zweifel gezogen. Dieser Vorwurf wurde mit konkreten Beispielen untermauert. Die Abteilung für technische Entwicklung der DLH kam abschließend zu dem Ergebnis, dass die Schwierigkeiten bei BMW von einer oberflächlichen Arbeitsweise herrührten. Auftretende Probleme behob BMW erst auf Druck von außen, eigene Entwicklungen führte das Unternehmen erst durch, wenn es staatliche Aufträge erhielt. In den Augen der Abteilung für technische Entwicklung der DLH war BMW damit dem Konkurrenten Junkers deutlich unterlegen. Höchst brisant wurde die Frage der Entwicklungsqualität, als sich das RVM einschaltete.76 Reichsverkehrsminister Theodor von Guérard drohte schließlich sogar mit einem Auftragsstopp, als er BMW schrieb, dass „eine nennenswerte
69
Angaben des SPD-Abgeordneten Schumann in der 322. Haushaltssitzung vom 27. 2. 1928, Protokoll der 322. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 27. 2. 1928, BArchB R 101 / 1406. 70 Gersdorff /Grasmann /Schubert, S. 73. 71 Vgl. S. 145–147. 72 Vogtenberger, S. 2–5. 73 Milch an Popp vom 18. 5. 1931, BArchB R 8119 F / P3071, Bl. 154–156. 74 Entwicklung des Verhältnisses zwischen DLH und BMW von der Abteilung Technische Entwicklung der Luft Hansa vom 2. 6. 1931, BArchB R 8119 F / P3071, Bl. 1. 75 Ebenda. 76 Reichsverkehrsminister Guérard an BMW vom 22. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 214.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Hebung ihrer Erzeugung erst wieder möglich sein wird, wenn sie Erzeugnisse anbieten können, die neuzeitlichen Ansprüchen in jeder Hinsicht genügen“77. Obwohl die Drohung, BMW zukünftig bei Aufträgen nicht mehr zu berücksichtigen, den Fortbestand der Flugmotorensparte aufs Äußerste gefährdete, reagierte BMW-Generaldirektor Popp zunächst mit einem scharfen Gegenangriff, der die Situation weiter anheizte. Er sah in der DLH nur eine Fluggesellschaft, die eine Abnahmeverpflichtung gegenüber der Luftfahrtindustrie hatte, und ignorierte damit, dass sich diese bemühte, nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu handeln. Außerdem warf Popp der DLH Inkompetenz vor, weil sie die Motoren überlaste.78 Für BMW war das Grundproblem, dass die DLH mit für militärische Zwecke entwickelten Flugmotoren zivile Luftfahrt betreiben musste. Den kontinuierlichen Belastungen der zivilen Luftfahrt wären die BMW-Militärmotoren jedoch nur eingeschränkt gewachsen. Diese Verteidigungshaltung verdeckte die wahren Ursachen für die Defekte der BMW-Flugmotoren. Raimund Hergt, Mitglied des BMW-Aufsichtsrats, brachte dies zum Ausdruck, als er dem Aufsichtsratsvorsitzenden Emil Georg von Stauß schrieb, dass BMW „Herrn Milch für seine teilweise etwas zu weitgehende, in vielen Punkten aber berechtigte Kritik dankbar sein müsse.“79 In mehreren Besprechungen mit Vertretern der wichtigsten luftfahrtpolitischen Institutionen konnte der Konflikt beigelegt werden. Obwohl BMW in diesen Sitzungen scharf angegriffen wurde, musste das Unternehmen keine Konsequenzen befürchten.80 Die Ausnahmestellung im deutschen Flugmotorenbau und die hervorragenden Netzwerke zu den Entscheidungsträgern ermöglichten es, die Beschlüsse im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen. Die vielschichtigen Ursachen für die Entwicklungskrise waren jedoch nicht behoben, weshalb bis in den Zweiten Weltkrieg hinein teils heftige staatliche Kritik ein ständiger Begleiter der BMW-Flugmotorenentwicklung bleiben sollte.81 Ihren Ausgangspunkt nahmen die Probleme Ende der 1920er Jahre. Im Zeitraum von 1928 bis 1930 wurde die Arbeit an sechs verschiedene Flugmotorentypen in Angriff genommen und abgeschlossen, obwohl üblicherweise die Entwicklungszeit für einen neuen Flugmotor ein Jahr betrug.82 Der überhastete Abschluss dieser Projekte wurde durch einen etwa zeitgleich auftretenden Absatzeinbruch bedingt, den BMW durch neue Produkte mindern wollte. Hier zeigt sich deutlich ein strukturelles Problemfeld der BMW-Flug77
Reichsverkehrsminister Guérard an BMW vom 29. 10. 1930, ebenda, Bl. 221–222. BMW an Reichsverkehrsminister Guérard vom 1. 12. 1930, ebenda, Bl. 215. 79 Hergt an Stauß vom 20. 11. 1930, ebenda, Bl. 199–201. 80 Niederschrift einer Besprechung von Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten über die Flugmotorenerzeugung der BMW AG am 22. 12. 1930, ebenda, Bl. 266. 81 Lorenzen, S. 253–280. 82 Vogtenberger an Stauß vom 24. 6. 1930, BArchB P 8119 F / P 3109, Bl. 64–65. 78
5.1. Flugmotorenbau
143
motorensparte. Die Entwicklungsarbeit spielte im Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle. BMW-Generaldirektor Popp favorisierte eindeutig die Serienproduktion, in deren Ausbau große Summen flossen, während die Budgets für Entwicklung eher knapp gehalten wurden.83 Diese Strategie wurde durch die Subventionspolitik des RVM gefördert. Während staatliche Entwicklungsaufträge niedrig dotiert waren und für die Unternehmen zusätzliche Kosten verursachten, konnten bei Produktionsaufträgen Gewinne erzielt werden. Lange Zeit war die Konzentration auf die Serienproduktion trotz immer wiederkehrender Spannungen mit den Behörden ein Garant für unternehmerischen Erfolg. BMW war deshalb in der Weimarer Republik im Flugmotorenbau erfolgreicher als alle anderen Hersteller. Bis Mitte der 1930er Jahre verlor BMW jedoch den Anschluss an die Konkurrenten, die neue Flugmotoren auf den Markt brachten. Hierfür wurde Max Friz verantwortlich gemacht, der seit 1917 als Chefkonstrukteur die BMW-Entwicklungsabteilung führte und 1937 seinen Posten räumen musste. Obwohl Friz nicht die alleinige Verantwortung für die Entwicklungsschwierigkeiten trug und in gewisser Weise zum Sündenbock gemacht wurde, hatte er als Chefkonstrukteur doch entscheidenden Anteil an der Arbeit der Entwicklungsabteilung. Mit dem BMW IIIa hatte Friz den besten deutschen Flugmotor des Ersten Weltkriegs konstruiert, der sich durch hervorragende Leistungsdaten und einfache Handhabung auszeichnete. Das Motorkonzept des BMW IIIa blieb Grundlage für alle wassergekühlten BMW-Flugmotoren bis in die 1930er Jahre. Aus dieser Tatsache folgte jedoch, dass die Motorkonstruktionen zunehmend veralteten. Für dieses Festhalten an überholten Konzepten war in erster Linie Friz verantwortlich, der zwar als äußerst fähiger Ingenieur galt, aber weitgehend beratungsresistent war und keinen anderen kritischen Konstrukteur neben sich duldete.84 Die BMW-Flugmotorenentwicklung stagnierte damit nach den großen Erfolgen, die während des Ersten Weltkriegs mit dem BMW IIIa gefeiert werden konnten. Die Produkte konnten zwar nicht zuletzt durch den Einkauf von Technologien über Lizenzen immer wieder verbessert werden, letztlich verlor BMW auf dem Entwicklungssektor gegenüber der nationalen und internationalen Konkurrenz kontinuierlich an Boden. 5.1.4 Produktion und Vertrieb im Spannungsfeld behördlicher Interessenpolitik BMW war nicht nur der größte, sondern auch der erfolgreichste deutsche Flugmotorenhersteller in der Weimarer Republik. Diese unangefochtene Marktposition beruhte auf drei Faktoren: der weitgehend zuverlässigen Serien83
Lorenzen, S. 46–48. Vogtenberger an Stauß vom 24. 6. 1930, BArchB P 8119 F / P 3109, Bl. 64–65 sowie Hergt an Stauß vom 20. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 203.
84
144
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
produktion, dem seit 1917 geschaffenen Markenimage und hervorragenden Netzwerken zu den Entscheidungsträgern in den Ministerien. Obwohl BMW in erheblichem Maße für den Export produzierte, war dennoch der Inlandsabsatz die zentrale Stütze des Geschäftsfeldes Flugmotoren. Die Inlandsnachfrage lag dabei fast ausschließlich in den Händen des RVM, das durch ein Abnahmemonopol erheblichen Einfluss auf die einzelnen Firmen der Luftfahrtindustrie ausüben konnte. Vorrangiges Ziel des RVM war es, mit seinen Bestellungen das Überleben der Industrie zu sichern. Daher spielte die Produktqualität bei der Auftragsvergabe eine eher untergeordnete Rolle.85 Stattdessen wurde das jährliche Luftfahrtbudget des RVM nach starren Vorgaben unter der Industrie aufgeteilt. Ein Wettbewerb fand nicht statt. Allerdings konnten einzelne Unternehmen durch gute Verbindungen zu den Beamten des RVM die Auftragszuteilung beeinflussen. Damit war ein zuverlässiges Unterstützungsnetzwerk in den Ministerien ein wichtiger Baustein für unternehmerischen Erfolg.86 Das Auftrags- und Subventionssystem des RVM für die deutsche Luftfahrtindustrie wurde 1924 deutlich aufgewertet, da durch die Währungsstabilisierung die Möglichkeit zu nachhaltiger finanzieller Unterstützung gegeben war.87 Die Basis dieses Systems war die Vergabe von Subventionen, die als Darlehen, Beihilfen oder in Form von Aufträgen an die Unternehmen weitergeleitet wurden. In den 1920er Jahren förderte das RVM zehn Firmen, unter denen sich sieben Flugzeughersteller und mit BMW, Siemens und Junkers auch drei Flugmotorenproduzenten befanden (vgl. Tab. 12). BMW erhielt im Zeitraum von 1924 bis 1928 rund 12 Mio. RM als Bezahlung von Entwicklungs- und Produktionsaufträgen. Beihilfen oder Darlehen, die vor allem der Überbrückung von Finanzierungsengpässen dienten, wurden von BMW hingegen kaum in Anspruch genommen. Während beispielsweise der JunkersKonzern 1925 in eine existenzielle Finanzkrise geriet, die nur durch eine Beihilfe über 16 Mio. RM des RVM bewältigt werden konnte, waren solche Schwierigkeiten bei BMW in den 1920er Jahren unbekannt.88 BMW benötigte auch deshalb kaum Beihilfen oder Darlehen, weil der Wert der erhaltenen Aufträge deutlich höher war als bei anderen Unternehmen. Lediglich der sowohl im Flugzeug- als auch Flugmotorenbau tätige Junkers-Konzern erhielt ein vergleichbares Auftragsvolumen. Hier zeigt sich deutlich die Ausnahmestellung von BMW, die zu einer deutlichen Bevorzugung durch das RVM gegenüber den Konkurrenten Siemens und Junkers führte. Die Subventionszahlungen des RVM waren für Außenstehende kaum zu durchschauen. Der militärische Charakter vieler Aufträge an die Luftfahrt85 86 87 88
Lahs an Stauß vom 4. 6. 1931, BarchB R8119F / P3071, Bl. 241. Lorenzen, S. 74. Budraß, S. 164. Angaben von Ernst Brandenburg in der 323. Haushaltssitzung vom 28. 2. 1928, Protokoll der 323. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 28. 2. 1928, BArchB R 101 / 1406 sowie Budraß, S. 186 ff.
5.1. Flugmotorenbau
145
industrie machte es zudem notwendig, die Geldströme aus dem RVM zu verschleiern. Diese Vergabepraxis brachte es mit sich, dass innerhalb der Industrie ein großer Argwohn gegenüber den Konkurrenten herrschte, da sich das Buhlen um die begrenzten Gelder des RVM als Nullsummenspiel gestaltete, in dem man nur auf Kosten eines anderen gewinnen konnte.89 Bei diesem Kampf um Subventionen waren sich die Unternehmen bewusst, dass persönlichen Verbindungen zu den Entscheidungsträgern größte Bedeutung zukam. Auch außerhalb der Industrie wurde die Tätigkeit der Luftfahrtabteilung des RVM mit großem Misstrauen beäugt. Im Januar 1928 kritisierte der Journalist Walter Binder das RVM und BMW in einem Artikel im Vorwärts unter dem Titel „Luftgelder. Bürokratische Subventionen – eine Fesselung der Luftfahrt“.90 Der Hauptvorwurf von Binder war, dass die undurchsichtige Mittelvergabe zu einer einseitigen Bevorzugung von Unternehmen mit guten Verbindungen führe. Dies hätte zur Folge, dass ungeachtet der Produktqualität Aufträge vergeben würden und damit letztlich die Fortentwicklung der Luftfahrtindustrie gehemmt würde. Als Beispiel für das fehlgeleitete Subventionssystem nannte Binder BMW, da die Leistungen des Unternehmens in keinem Verhältnis zu den erhalten Mitteln stünden. BMW-Generaldirektor Popp reagierte auf diesen Angriff mit einem offenen Brief an die Redaktion des Vorwärts, den er in Kopie an wichtige Institutionen der deutschen Luftfahrt sandte.91 In diesem Schreiben bestritt er nicht nur sämtliche Vorwürfe, sondern klagte seinerseits den Konkurrenten Junkers an, den er wohl als Drahtzieher hinter dem Artikel vermutete. Popp beschuldigte Junkers dabei unter anderem des unrechtmäßigen Nachbaus von BMW-Motoren sowie des Erhalts von Millionensubventionen „zum Schaden des Reiches und der ganzen Luftfahrt“92. Nachdem Junkers der Brief durch die DLH zugespielt worden war, prüfte man dort rechtliche Schritte. Letztlich verzichtete man jedoch auf eine Klage, weil Junkers wie alle Unternehmen der Luftfahrtindustrie von den Subventionen des RVM erheblich profitierte und den Schaden einer öffentlichen Diskussion fürchtete.93 Die Zurückhaltung von Junkers war mit Sicherheit auch darauf zurückzuführen, dass Popps Reaktion Binder zu einem weiteren Artikel provozierte, in dem er seine Anschuldigungen gegen BMW konkretisierte.94 Bereits der erste Artikel hatte erhebliches öffentliches Aufsehen erregt und damit nicht 89
Lorenzen, S. 93. Binder, Walter: Luftgelder. Bürokratische Subventionen – eine Fesselung der Luftfahrt, in: Vorwärts, Abendausgabe Nr. 38 vom 23. 1. 1928. 91 Popp an die Redaktion des Vorwärts vom 31. 1. 1928 sowie Aktennotiz. Betr.: „Vorwärts“-BMW vom 21. 2. 1928, DMM/ASD JA 0021. 92 Popp an die Redaktion des Vorwärts vom 31. 1. 1928, ebenda. 93 Aktennotiz. Betr.: Evtl. Vorgehen gegen BMW (Popp) vom 11. 5. 1928, DMM/ASD JA 0021. 94 Binder, Walter: Dicke Luft in der Luftfahrt. Der Spekulant Castiglioni als Nutznießer der deutschen Luftfahrtgelder, in: Vorwärts, Abendausgabe vom 24. 2. 1928. 90
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
Darlehen Beihilfe Aufträge gesamt
1924
1925
1926
1927
1928
Summe
– 600 11 878 12 478
– – 2 334 2 334
– – 2 422 2 422
– 600** 2 892 3 492
– – 3 090 3 090
– – 1 140 1 140
BMW
– 500 3 274 3 774
– – 1 639 1 639
– 500 840 1 340
– – 451 451
– – 251 251
– – 93 93
Siemens
– 19 419 11 361 30 780
– – 3 471 3 471
– – 919 919
– 2 654 3 791 6 445
– 16 265 1 530 17 795
– 500 1 650 2 150
Junkers
655 3 864 5 916 10 435
650 – 2 985 3 635
5 1 164 2 181 3 350
– 1 600 750 2 350
– 600 – 600
– 500 – 500
Rohrbach
801 900 3 857 5 558
– – 1 405 1 405
801 446 751 1 998
– 254 1 201 1 455
– 200 200 400
– – 300 300
Dornier
– 1 198 2 260 3 458
– – 1 087 1 087
– 148 711 859
– 1 000 202 1 202
– – 200 200
– 50 60 110
Udet / BFW
744 61 2 155 2 960
– – 893 893
284 – 524 808
180 – 525 705
280 61 213 554
– – – 0
– 90 2 602 2 692
– – 1 232 1 232
150 – 744 894
– – 299 299
– 40 327 367
– 50 – 50
Albatros Heinkel
– – 652 652
– – 312 312
– – 110 110
– – 65 65
– – 165 165
– – – 0
FockeWulf
– – 850 850
– – 422 422
– – 263 263
– – 165 165
– – – 0
– – – 0
Arado
Quelle: Tabelle übernommen aus Lorenzen, S. 83 nach Übersicht des RVM zur Aufschlüsselung der 9 Mio. Anleihe, BA-MA RH 12-1 / 39, Bl. 54.
Art der Vergabe
Jahr
Tab. 12: Industriesubventionen des RVM bis 1928 (in 1 000 RM)
2 350 26 632 44 805 73 787
650 – 15 780 16 430
1 240 2 258 9 465 12 963
180 6 108 10 341 16 629
280 17 166 5 976 23 422
– 1 100 3 243 4 343
Summe
146 5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
5.1. Flugmotorenbau
147
nur BMW, sondern der gesamten deutschen Luftfahrtindustrie geschadet. Die Vorwürfe von Binder wurden ab Februar 1928 von Reichstagsabgeordneten im Haushaltsausschuss aufgegriffen. Damit standen RVM und BMW unter erheblichem Druck, den die ministeriellen Vertreter erst nach etlichen Anhörungen mildern konnten.95 Dass gerade BMW Aufhänger für die berechtigte Forderung nach größerer Transparenz bei der Subventionierung der Luftfahrtindustrie wurde, beruhte auf zwei Annahmen. Zum einen war BMW das einzig wirklich profitable Unternehmen der deutschen Luftfahrtindustrie, das in den 1920er Jahren hohe Gewinne erzielte und fast immer zweistellige Dividenden ausschüttete. Zum anderen erregte der BMW-Großaktionär Camillo Castiglioni großes Misstrauen, da man ihm unterstellte, sich an Reichsgeldern, die BMW erhielt, zu bereichern. Den Grund für die hohen BMWGewinne sahen Binder und einzelne Reichstagsabgeordnete in zu hohen Preisen, die das RVM gewährte. Die Beweiskette gegen BMW wies allerdings einen erheblichen Mangel auf, da eine wichtige Basis für die Gewinne der Flugmotorensparte der Export in die Sowjetunion war.96 Dieser Umstand war weder der Öffentlichkeit noch den Konkurrenzunternehmen bekannt. Trotzdem hatten die Kritiker mit ihren Vorwürfen zumindest teilweise Recht. Das Abnahmemonopol des RVM brachte es mit sich, dass die Unternehmen einem Preisdiktat unterlagen. Die Preisgestaltung richtete sich nicht nach den Entwicklungs- und Produktionskosten, sondern nach der jeweiligen Bedarfs- und Budgetsituation des RVM. Von diesem Umstand profitierten die Unternehmen aber nicht immer. So musste BMW etwa 1926 eine deutliche Senkung des Preises für den Flugmotor BMW IV von 20 000 RM auf 12 000 RM hinnehmen.97 Bei einem Auftrag über 30 BMW Hornet im Jahr 1931 machte das Unternehmen wegen des niedrigen Stückpreises von 20 000 RM einen Verlust von 432 000 RM.98 Üblicherweise entstanden BMW jedoch bei der Belieferung des RVM und der DLH keine Verluste. Eine genaue Analyse ergibt sogar, dass das RVM teilweise deutlich höhere Preise akzeptierte als ausländische Kunden. Die Sowjetunion bezahlte beispielsweise im Jahr 1930 für einen BMW VI 25 273 RM, das RVM zum gleichen Zeitpunkt 35 522 RM.99 Diese erhebliche Preisdifferenz lässt sich nicht allein durch höhere Entstehungskosten begründen. Offenbar waren die Preise überhöht, um BMW verdeckt Subventionen zuzuspielen. 95
Protokolle der 322., 323. und 324. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 27.–29. 2. 1928, BArchB R 101 / 1406. 96 Vgl. S. 154 ff. 97 Vogt an Volkmann vom 29. 1. 1926, BArch-MA RH 8 I / 3604. 98 Stellungnahme der Revisions- und Treuhand AG zu den Angaben der BMW AG wegen des Verlustes von 432 000 RM bei der Lieferung von 30 BMW-Hornet-Flugmotoren an die DLH vom 21. 11. 1932, BArchB R 8135 / 5247. 99 Auftragsbestände der BMW-Flugmotorensparte für Oktober 1930, BArchB R8119F / P3100, Bl. 181.
148
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Selbst nachdem es den Vertretern des RVM gelungen war, die Vorwürfe gegen BMW und das Ministerium vor dem Reichstagsausschuss zu entkräften, kehrte keine Ruhe in der deutschen Luftfahrt ein. Der Reichstagsabgeordnete und ehemalige leitende Angestellte des Junkers-Konzerns Gotthard Sachsenberg griff fortlaufend einzelne Unternehmen der Luftfahrtindustrie an. Er versuchte beispielsweise, die Preispolitik des RVM gegenüber BMW 1929 abermals vor den Haushaltsausschuss zu bringen. Die Vertreter des RVM rieten BMW daher, im Vorfeld direkt mit dem Ausschussvorsitzenden zu verhandeln, da „die fortlaufenden Vorstöße des Herrn Sachsenberg nicht nur dem Reichsluftamt sehr unangenehm, sondern für BMW auch sehr gefährlich werden können“100. Da es zu keiner abermaligen Verhandlung kam, scheint die Intervention von BMW erfolgreich gewesen zu sein. Allerdings stand Ende der 1920er Jahre das gesamte System zur Förderung der Luftfahrt durch eine Reihe von weiteren Enthüllungen unter anhaltender öffentlicher Kritik.101 Dies bewirkte, dass das Vertrauen in das RVM nachhaltig erschüttert wurde. Als im Reichshaushalt 1929 abrupt Einsparungen durchgeführt werden mussten, war der Luftfahrtetat des RVM mit Streichungen in Höhe von 48 Mio. RM am stärksten betroffen. Allein die Industriesubventionen wurden von 15 Mio. RM auf 5 Mio. RM gekürzt. Diese deutlichen Budgeteinschnitte hatten erhebliche Rückwirkungen auf die Luftfahrtindustrie, die auf staatliche Aufträge und Beihilfen angewiesen war. BMW entgingen ebenfalls bereits sicher zugesagte Aufträge in Höhe von 1,5 Mio. RM.102 Durch Großaufträge der Sowjetunion konnte das Unternehmen in den Jahren 1929 und 1930 die ausbleibenden Inlandsaufträge zunächst noch kompensieren. Weitere Hilfe bekam BMW durch eine Umstellungsanleihe, die der Reichstag für die deutsche Luftfahrtindustrie beschloss. Die Anleihe in Höhe von 9 Mio. RM wurde unter 13 Unternehmen aufgeteilt, wobei BMW 1,1 Mio. RM erhielt (vgl. Tab. 13). Obwohl die Anleihe letztlich nicht zustande kam und stattdessen ein Nachtragshaushalt in gleicher Höhe verabschiedet wurde, setzte ein Umdenkprozess im RVM ein.103 Zukünftig sollten nur noch profitable Unternehmen Unterstützung erhalten. Namhafte Firmen wie die Rohrbach Metallflugzeugbau GmbH mussten wegen der ausbleibenden Unterstützungszahlungen Konkurs anmelden. Für die weitere Subventionsvergabe des RVM bürgerte es sich seit 1929 ein, dass jedes Unternehmen aus dem verfügbaren Budget des RVM einen annähernd gleichbleibenden prozentualen Anteil erhielt, der sich an der geplanten Aufteilung der Umstellungsbeihilfe orientierte.104 100
Gesprächsnotiz von Hergt zu einer Besprechung mit Brandenburg vom 14. 6. 1929, BarchB R8119F / P3080, Bl. 71–72. 101 Budraß, S. 251 ff. 102 Bericht des Vorstands auf der Generalversammlung vom 30. 6. 1930, BArchB R8119F / P3087, Bl. 37 ff. 103 Budraß, S. 253. 104 Lahs an Stauß vom 4. 6. 1931, BarchB R8119F / P3071, Bl. 241.
149
5.1. Flugmotorenbau
Tab. 13: Geplante Aufteilung der Umstellungsanleihe über 9 Mio. RM nach den Beschlüssen der Schlüsselkommission des Reichstages, 1929 Firmen
Motorenfirmen
Große Zellenfirmen Mittlere Zellenfirmen Kleine Zellenfirmen
Summe
erhaltene Subventionen (in RM) BMW Siemens & Halske Junkers-Motorenbau Junkers Dornier Rohrbach Heinkel BFW Albatros Focke-Wulf Arado Klemm Raab-Katzenstein
1 100 000 900 000 750 000 1 600 000 1 600 000 300 000 900 000 700 000 400 000 300 000 250 000 150 000 50 000 9 000 000
Anteil an den insgesamt zu verteilenden Subventionen (in Prozent) 12,2 10,0 8,3 17,8 17,8 3,3 10,0 7,8 4,4 3,3 2,8 1,7 0,6 100,0
Quelle: Tabelle übernommen aus Lorenzen, S. 87 nach Bericht der Schlüsselkommission vom 20. 08. 1929, in: BA-MA RH 12-1 / 39, Bl. 37–43.
Der überschaubare deutsche Luftfahrtmarkt mit wenigen Unternehmen und einer kleinen Anzahl von behördlichen Entscheidungsträgern begünstigte die Ausbildung von netzwerkähnlichen Strukturen. Bei den Angriffen auf BMW und das RVM im Jahr 1928 im Haushaltsausschuss des Reichstags gaben gerade diese undurchsichtigen persönlichen Beziehungen Anlass zur Kritik. Die Basis für die hervorragenden Kontakte, die BMW zu den Ministerien unterhielt, waren die Erfolge während des Ersten Weltkriegs. Mit dem BMW IIIa hatte das Unternehmen die deutschen Luftstreitkräfte nicht nur aus einer defensiven militärischen Lage befreit, sondern ihnen zeitweise sogar eine gewisse Überlegenheit gegenüber den Alliierten ermöglicht. Daher galt der BMW IIIa zu Recht als bester deutscher Flugmotor des Krieges und trug entscheidend zu einer Sichtweise bei, die „BMW als das Rückgrat der deutschen Flugmotorenindustrie“105 betrachtete. Die Nachfolgeprodukte BMW IV und BMW VI festigten den Ruf als innovatives und in der Regel zuverlässiges Unternehmen. Dieses Image pflegte BMW-Generaldirektor Popp, indem er seine Korrespondenz mit den Ministerien häufig mit Rückblicken auf die Unternehmensgeschichte einleitete, in denen er vor allem die eigene Leistung, aber auch diejenige des gesamten Unternehmens betonte.106 105 106
Stauß an Hergt vom 10. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 18–19. Vgl. S. 108–109.
150
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Bei der Auftragsvergabe erwiesen sich Netzwerke zu den Entscheidungsträgern in den Ministerien als geschäftsfördernd. Daneben gab es jedoch weitere Kontakte, die für BMW wertvoll waren. Von besonderer Bedeutung war der Aufsichtsratsvorsitzende Emil Georg von Stauß, der die gleiche Funktion auch bei der DLH ausübte. Damit war Stauß der ideale Vermittler in Interessenkonflikten zwischen beiden Unternehmen.107 Bei der Betrachtung der BMW-Netzwerke innerhalb des deutschen Luftfahrtmarkts ist augenfällig, dass BMW nicht nur von der eigenen Stärke, sondern auch von der Schwäche der Konkurrenten profitierte. Vor allem Junkers hatte sich, nachdem 1926 die Zusammenarbeit zum Aufbau einer Fabrik im sowjetischen Ort Fili endgültig gescheitert war108, mit öffentlichen Anklagen das RWM zum Feind gemacht. Nicht zuletzt wegen der wesentlich schwächeren Verbindungen zu RVM und RWM setzte Junkers auf die Unterstützung des ehemaligen leitenden Mitarbeiters Gotthard Sachsenberg, der als Reichstagsabgeordneter wiederholt Angriffe gegen Ministerien wie Konkurrenten führte.109 Diese öffentlichen Attacken erregten bei den Behörden großes Missfallen und verstärkte nur die bereits bestehende Ungleichbehandlung im Vergleich zu BMW. Als Junkers etwa 1928 ein gerichtliches Vorgehen gegen BMW wegen mehrerer Streitpunkte prüfte, verwarf man dies unter anderem deshalb, weil man erwartete, dass „BMW indirekt vom Reichsverkehrsministerium in der weitgehendsten Weise unterstützt würde“110. Gerade in Krisen mussten sich Netzwerke bewähren. Dies galt bei BMW vor allem für die Jahre seit 1928, als fortlaufende Angriffe im Reichstag, in der Presse und vonseiten der DLH das Unternehmen in die Defensive drängten. Obwohl hochrangige Vertreter von RVM und RWM sich der Kritik an BMW teilweise anschlossen, konnte sich das Unternehmen doch letztlich auf die Kontaktpersonen in den Ministerien verlassen. So verteidigte der Leiter der Luftfahrtabteilung im RVM, Ernst Brandenburg, BMW in den Sitzungen des Reichstagshaushaltsausschusses nach Kräften.111 Selbst bei der Auseinandersetzung mit der DLH im Jahr 1930 konnte sich BMW der Unterstützung des Vorsitzenden der DLH Erhard Milch gewiss sein, der der BMW-Unternehmensführung bei einer Sitzung mit ministeriellen Vertretern zu Qualitätsproblemen bei Flugmotoren „unter voller Wahrung der Interessen der Lufthansa taktvoll und energisch sekundierte“112. Durch scharfes und unverhältnismäßiges Auftreten belastete BMW-Generaldirektor Franz Josef Popp seine 107
Stauß an Popp vom 16. 12. 1926, BArchB R8119F / 5037, Bl. 240–243. Vgl. S. 131 ff. 109 Budraß, S. 251 ff. 110 Aktennotiz Betr.: evtl. Vorgehen gegen BMW (Popp) vom 11. 5. 1928, DMM/ASD JA 0019. 111 Angaben von Ernst Brandenburg in der 322. und 323. Haushaltssitzung vom 27. 2. 1928 und 28. 2. 1928, Protokoll der 322. und 323. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 27. 2. 1928 und 28. 2. 1928, BArchB R 101 / 1406. 112 Hergt an Stauß vom 22. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 248. 108
5.1. Flugmotorenbau
151
persönliche Beziehung zu Milch jedoch dauerhaft.113 Dies wirkte sich nach 1933 nachteilig aus, als Milch zentraler Funktionsträger im RLM wurde. Gutachten von vermeintlich unabhängigen Personen waren ebenfalls ein wichtiges Instrument für die Verkaufsförderung. So veranlasste BMW 1930 den Vorsitzenden des Reichsverbands der deutschen Luftfahrtindustrie, Admiral Rudolf Lahs, zu einer äußerst positiven, schriftlichen Beurteilung der BMWFlugmotoren und nutzte diese in der Auseinandersetzung mit der sowjetischen Handelsvertretung.114 Im Jahr 1935 beurteilte der Professor für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren an der Technischen Hochschule Stuttgart, Wunibald Kamm, die BMW-Flugmotorenentwicklung, die er in den höchsten Tönen lobte. Den Adressaten dieses Gutachtens war wohl nicht bekannt, dass zwischen BMW und Kamm eine enge Verbindung bestand, da man Mitte der 1920er Jahre gemeinsam mit SHW ein Versuchsautomobil entworfen hatte.115 Auch zur DVL, der zentralen Stelle zur Prüfung von Flugmotoren, bestand ein gutes Verhältnis. BMW konnte sich meist auf den Leiter der DVL Adolf Bäumker verlassen, was Generaldirektor Popp zur Aussage bewegte, dass man sich „der Unterstützung durch Bäumker vollständig sicher sei“116. Bäumker war als Weltkriegsveteran und Offizier a. D. typisch für einen Entscheidungsträger auf dem deutschen Luftfahrtmarkt. Ehemalige Militärangehörige waren auch der Leiter des Luftfahrtamts im RVM, Ernst Brandenburg, oder der Vorstand der DLH, Erhard Milch. Popp gehörte als k.u.k. Offizier ebenfalls zu dieser Gruppe. Für den Kontakt mit den deutschen Behörden setzte BMW außerdem gezielt einstige Militärangehörige ein. So wurde die Berliner Niederlassung, die für die Behördengeschäfte verantwortlich war, seit 1924 von Waldemar von Buttlar geführt. Buttlar hatte während des Ersten Weltkrieges der Flugmotorenabteilung der IdFlieg vorgestanden.117 Leiter der Abteilung Patentwesen bei BMW wurde Ende der 1920er Jahre Otto Schwager, der während des Krieges eine leitende Stellung in der Flugmotorenabteilung der IdFlieg innehatte.118 Durch diese geschickte Personalauswahl konnte BMW sicherstellen, dass man die volle Achtung von RVM und RWM genoss. Die BMW-Vertreter sprachen aufgrund ihres Werdegangs nicht nur die gleiche Sprache wie ihre ministeriellen Kunden, sie konnten zudem glaubhaft versichern, dass sie Verständnis für militärische und nationale Interessen hätten.
113
Stauß an Schmid vom 20. 7. 1932, BArchB R8119F / P3072, Bl. 309–310. Gutachten von Admiral Lahs vom 5. 4. 1930, BArchB R8119F/ P3125, Bl. 387–392. 115 Vgl. S. 186, Kamm an Stauß vom 10. 9. 1935, BArchB R8119F / P3123, Bl. 250–256 sowie Simons/Zeichner, S. 70 ff. 116 Hergt an Stauß vom 26. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 42–43. 117 Popp an Buttlar vom 16. 9. 1924, BArchB R8119F / P3110, Bl. 181 sowie von Buttlar, Waldemar: Die BMW im Ersten Weltkrieg vom 31. 7. 1933, BArchB R8119f / P3073, Bl. 213. 118 Ittner, S. 91 ff. 114
152
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Die Netzwerkstrukturen auf dem Luftfahrtmarkt wirkten jedoch in zwei Richtungen. BMW konnte staatliche Entscheidungen etwa bei der Auftragsvergabe bis zu einem gewissen Punkt beeinflussen. Im Gegenzug musste sich das Unternehmen punktuelle Einmischungen von Behördenvertretern in innere Unternehmensangelegenheiten gefallen lassen.119 Das eindrucksvollste Beispiel hierfür waren die Maßnahmen, die Castiglioni 1926 zur Aufgabe seiner Aktienmehrheit zwangen.120 Aber auch später kam es immer wieder in unterschiedlicher Intensität zu Interventionen. So erklärte Ernst Brandenburg im Jahr 1929 für das RVM gegenüber der Deutschen Bank, dass man einen möglichen Verkauf von BMW an das amerikanische Unternehmen Pratt & Whitney nicht befürworten könnte.121 Netzwerke hatten einen großen Anteil am Erfolg des BMW-Flugmotorenbaus. Allerdings hätten diese Kontakte ohne eine moderne Fertigung, die eine hohe Produktqualität gewährleistete, weit weniger Wirkung entfalten können.122 Der Flugmotorenbau war in den 1920er Jahren die Triebfeder für Expansion und Erfolg des Unternehmens. Im Zeitraum von 1926 bis 1928 hatte BMW wegen großer inländischer wie ausländischer Nachfrage mit erheblichen finanziellen Mitteln das Münchner Werk ausgebaut und auf Serienproduktion für Flugmotoren eingestellt.123 Neben dem Neubau von Gebäuden investierte die Unternehmensleitung auch in modernste Werkzeugmaschinen. Flugmotorenbau war sehr kapitalintensiv, da äußerst präzise Produktionsverfahren zur Erreichung höchster Fertigungsgenauigkeit eingesetzt werden mussten. Für die Herstellung eines kompletten Flugmotors waren nicht weniger als 300 verschiedene Werkzeugmaschinen erforderlich.124 Ebenso bedeutend war jedoch geschultes Personal, weshalb BMW im Produktionsprozess vor allem auf Fachkräfte setzte. Um die hoch qualifizierten Arbeiter auch in Zeiten von schwacher Nachfrage nach Flugmotoren halten zu können, hatte BMW seit 1923 eine eigene Motorradfertigung aufgebaut. Der Motorradbau hatte dabei im Münchner Werk „stets den Charakter eines Hilfsbetriebs“125 und sollte zu einer besseren Auslastung der Fertigungsanlagen führen. Aus diesem Grund erfolgte die Motorradproduktion möglichst auf denselben Maschinen und mit denselben Arbeitern wie der Flugmotorenbau.126 Eine ähnliche Strategie verfolgten viele ausländische Flugmotorenhersteller, die 119
Lorenzen, S. 461–463. Vgl. S. 103 ff. 121 Brandenburg an Stauß vom 18. 11. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 328. 122 Vgl. Pierer, S. 47 ff. 123 Schulenburg/Hemmerle, S. 18 ff. 124 Kosten der Flugmotorenproduktion der BMW AG, Anlage zu Brief von BMW an Reichsverkehrsminister Guérard vom 13. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 230–233. 125 Bericht zum Ergebnis des Geschäftsjahrs 1932, BArchB R8119F / P3088, Bl. 25–26. 126 Sonderprüfung der BMW AG durch die Revisions- und Treuhand-AG im Auftrag des RVM von 1932, BArchB R8135 / 5013 sowie Bericht über die BMW AG von Otto Max Müller vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P 3080, Bl. 419 ff. 120
5.1. Flugmotorenbau
153
wie Rolls-Royce oder Hispano-Suiza zusätzlich noch Automobile fertigten oder wie die Société des Moteurs Gnôme & Rhône eine Motorradproduktion unterhielten.127 Nach deutlichen Einbußen im Flugmotorenabsatz Anfang der 1930er Jahre verfügte BMW über Überkapazitäten, die durch das ebenfalls rückläufige Motorradgeschäft nicht mehr ausgelastet werden konnten. Die hohen Unkosten machten einschneidende Maßnahmen notwendig.128 Unternehmensintern versuchte BMW, durch Rationalisierung und Kostensenkung die Absatzkrise zu meistern. Gegenüber dem RVM verfolgte BMW zwei Strategien. Zum einen forderte man ein höheres Auftragsvolumen, da man sonst den Flugmotorenbau stilllegen müsse.129 Dabei nutzte man den Umstand, dass eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen RVM und BMW bestand. Das RVM war auf BMW-Flugmotoren angewiesen, da es im Bereich der leistungsstarken und damit militärisch bedeutenden Flugmotoren keinen anderen deutschen Anbieter gab. Neben der Forderung nach einem größeren Bestellvolumen versuchte BMW-Generaldirektor Popp, das RVM für ein zweites strategisches Konzept zu gewinnen. Fortlaufend plädierte er für eine Marktbereinigung, da die Flugmotorenindustrie zu zersplittert und damit nicht überlebensfähig sei. Als Lösung schwebte Popp eine Fusion der konkurrierenden Unternehmen vor, da „die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Deutschland gerade ausreichend sind, eine Fabrik wie die unsere [BMW] gut zu erhalten“130. Obwohl die beiden Konkurrenten Siemens und Junkers große Unternehmen waren, spielte deren Flugmotorensparte innerhalb des jeweiligen Konzerns nur eine untergeordnete Rolle. BMW hingegen war der größte und erfolgreichste deutsche Flugmotorenhersteller und konnte aus einer Position der Stärke die Forderung nach einem Zusammenschluss stellen. Seit 1926 hatte die BMW-Unternehmensführung immer wieder und auf verschiedenste Arten versucht, diese Fusionspläne voranzutreiben. Mit anonymen Artikeln bemühte man sich um eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung.131 Daneben bat BMW das RVM mehrmals um konkrete Unterstützung für einen Zusammenschluss der Flugmotorenhersteller.132 Den Vorschlägen wurde von ministerieller Seite kaum Gehör geschenkt, da gerade die Konkurrenz der Firmen als wichtiger Faktor für eine Weiterentwicklung gesehen wurde. Von einem Monopolanbieter erwartete man keine Innovation, sondern Stagnation. Ebenso ablehnend war die Haltung von Siemens und 127
Popp an Brandenburg vom 21. 12. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 145–152. Vgl. S. 215 ff. 129 Popp an Brandenburg vom 21. 12. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 145–152 sowie BMW an RVM vom 16. 9. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 43. 130 Popp an Stauß vom 8. 5. 1926, BArchB R8119F / P3130, Bl. 1. 131 Bemerkungen der Wa.B.6 zum Artikel „Zweierlei Wirtschaftspolitik im Reichsverkehrsministerium“, in: Kölnische Volkszeitung vom 21. 10. 1928, BArch-MA RH 8 I / 3596. 132 Popp an Brandenburg vom 21. 12. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 145–152. 128
154
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Junkers. Erst die deutliche Reduzierung des Luftfahrtetats im RVM seit 1929 und die Weltwirtschaftskrise führten zu einer veränderten Lage. Der SiemensKonzern hatte in der Weimarer Republik jährlich hohe Verluste im Flugmotorenbau eingefahren und stellte nun sein Engagement in Frage.133 Junkers traf die Absatzkrise der Luftfahrtindustrie besonders, sodass das Unternehmen 1932 sogar zahlungsunfähig war.134 Die BMW-Flugmotorensparte war hingegen trotz starker Umsatzeinbußen noch deutlich stabiler als diejenige der beiden Konkurrenten. Außerdem kam für BMW eine Aufgabe des Kerngeschäfts nicht in Frage, während für Junkers und Siemens der Flugmotorenbau keine existenzielle Bedeutung hatte. Daher wurden seit 1929 mehrmals direkte Verhandlungen zwischen den Unternehmen mit dem Ziel einer engeren Kooperation geführt.135 Am wahrscheinlichsten wurde ein Zusammenschluss von BMW und Siemens 1931, als sich der Siemens-Vorstand zum Ausstieg aus dem Flugmotorenbau entschlossen hatte. Das RWM wandte sich aber gegen diese Pläne, weil es befürchtete durch eine Fusion eine Produktionsstätte für Flugmotoren dauerhaft zu verlieren. Den Vertretern von Siemens wurde daher bestellt, dass „ein Weg gefunden werden müsse, der die Erhaltung des Werkes auf erheblich verkleinerter Basis ermögliche“136. Letztlich kam die Fusion nicht zustande. 5.1.5 Auslandsvertrieb und „Russengeschäft“ Der Flugmotorenbau war trotz der Aufnahme einer Motorrad- und Automobilproduktion während der Weimarer Republik das zentrale Standbein von BMW. Unternehmensumsatz und -gewinn hingen entscheidend von dieser Sparte ab, deren Produktion zu einem erheblichen Anteil ins Ausland, vornehmlich in die Sowjetunion exportiert wurde. Allerdings vergab die Sowjetunion nur in unregelmäßigen Abständen einige Großaufträge, sodass das Geschäft mit Flugmotoren sehr ungleichmäßig war. Es gab „Zeiten starker Beschäftigung und Zeiten völliger Geschäftsstille“137. Für eine kontinuierliche Auslastung der Werksanlagen war BMW auf die durch das RVM gesteuerte Inlandsnachfrage angewiesen.138 Bis 1929 hielt sich der Anteil von Inlands- und Auslandsgeschäft in etwa die Waage (vgl. Tab. 14). 1930 brach 133
Hergt an Stauß vom 20. 11. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 203–207 sowie Aktenvermerk Betr.: Schließung der Abteilung Flugmotorenwerk der Siemens-Halske AG vom 1. 9. 1931, BArch-MA RH 12-1 / 40. 134 Budraß, S. 282 ff. 135 Aktenvermerk unterzeichnet von Becker zu Unterredungen mit Brandenburg und Buttlar vom 25. 5. 1929, BMW UA 139 sowie Notiz für Prof. Junkers. Betr.: BMW/ Junkers vom 3. 6. 1931, DMM/ASD JA 0021. 136 Aktenvermerk Betr.: Schließung der Abteilung Flugmotorenwerk der SiemensHalske AG vom 1. 9. 1931, BArch-MA RH 12-1 / 40. 137 Bericht über die BMW AG von Otto Max Müller vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 419 ff. 138 Popp an RVM vom 11. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 22.
155
5.1. Flugmotorenbau
der Inlandsabsatz ein, nur ein Jahr später musste BMW auch im Exportgeschäft erhebliche Einbußen hinnehmen. Tab. 14: Umsatz der BMW-Flugmotorensparte aufgeteilt nach Inlands- und Auslandsabsatz 1927–1933139 1927 Umsatz Anteil Inland Anteil Export
1928
1929
1930
1931
1932
1933
7,6 Mio. 13,4 Mio. 6,2 Mio. 8,7 Mio. 2,8 Mio. 2,6 Mio. 8,2 Mio. RM RM RM RM RM RM RM – 43,9% 41,4% 11,1% 90,7% – – –
56,1%
58,6%
88,9%
9,3%
–
–
Quellen: Produktionsstatistiken der Jahre 1927–1933, BArchB R8119F / P3092, P3099, P3100, P3102 und P3103 sowie Anlage I der Sonderprüfung der BMW AG durch die Revisions- und Treuhand-AG im Auftrag des RVM von 1932, BArchB R 8135 / 5013.
Der Einbruch der Exportzahlen seit 1931 war ausschließlich auf das Auslaufen der äußerst lukrativen „Russengeschäfte“ zurückzuführen. Von 1924 bis 1930 machten die Bestellungen von RVM und Sowjetunion den überwiegenden Teil des Flugmotorenumsatzes aus, der damit weitgehend von zwei Großkunden abhängig war. Die Anbahnung der Geschäfte mit der Sowjetunion erfolgte im Rahmen des geplanten Einstiegs von BMW in die JunkersFabrik in Fili.140 Obwohl die Zusammenarbeit scheiterte, gelang es BMW offenbar wichtige Kontakte zu den sowjetischen Beschaffungsstellen zu knüpfen und am 5. 6. 1924 einen ersten offiziellen Auftrag über 50 Flugmotoren des Typs BMW IV zu erhalten. Die Motoren waren für die Ausrüstung der Luftstreitkräfte der Roten Armee bestimmt. In den folgenden Jahren wurde BMW in die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen einbezogen, die sich aufgrund einiger spezifischer Konstanten vom Handel mit anderen Staaten unterschieden. Seit dem Ersten Weltkrieg war der deutsch-russische Warenaustausch stark beeinträchtigt. So erreichte das jährliche Handelsvolumen in den 1920er Jahren nicht einmal die Hälfte des Werts von 1913.141 Dennoch hatte der Handel mit der Sowjetunion für Industrie, Militär und Politik in Deutschland große Bedeutung. Insbesondere die Schwer- und Elektroindustrie hoffte bei der Modernisierung der alten sowjetischen Industrieanlagen auf gute Geschäfte. Für die deutsche Außenpolitik und die Reichswehr stand aber die potenzielle bündnispolitische Komponente im Vordergrund.142 Zur Erreichung dieses militärischen und außenpolitischen Ziels konnte man sich auf den starken Wunsch der sowjetischen 139 Die Quellenlage lässt lediglich für die Jahre 1928–1931 eine prozentuale Aufschlüsselung des Flugmotorenumsatzes zu. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bis 1928 jährlich meist die Hälfte der Produktion ins Ausland geliefert wurde, während ab 1932 die Exportquote immer deutlich unter 10% lag. 140 Vgl. S. 131 ff. 141 Perrey, S. 22–23. 142 Müller, S. 50 ff.
156
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Behörden nach einem Technologietransfer stützen.143 Erster Weltkrieg, Oktoberrevolution und der anschließende Bürgerkrieg fügten der russischen Wirtschaft, die im Vergleich zu den mittel- und westeuropäischen Staaten bereits vor dem Krieg rückständig gewesen war, schweren Schaden zu. Dies galt auch für die Rüstungsindustrie, sodass die Sowjetunion in den 1920er Jahren auf den Import von modernen Rüstungsgütern angewiesen war. Allein zwischen 1922 und 1925 mussten beispielsweise rund 700 Flugzeuge importiert werden.144 Größte Probleme bereitete der Sowjetunion der Aufbau einer Flugmotorenproduktion, die in einem Dossier der Reichswehr als „außerordentlich schwache Seite der russischen Luftmacht“145 bezeichnet wurde. Dies konnte sich BMW zunutze machen und avancierte zum wichtigsten Lieferanten von Flugmotoren. BMW erhielt hierdurch in den Plänen der Reichswehr für eine deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit eine zentrale Position. Tab. 15: Bestellungen der sowjetischen Handelsvertretung, 1924–1929 Motor146 BMW IIIa
BMW IV
BMW VI
Bestelldatum
Gesamtpreis in Stückpreis in US-Dollar US-Dollar
05. 06. 1924 18. 07. 1924 14. 10. 1924
50 2 100 152
318 964 8 009 471 238 798 211
6 380 4 005 4 712
02. 03. 1925 13. 07. 1925 15. 07. 1925 10. 09. 1925 20. 07. 1927
75 75 10 3 4 167
366 514 438 001 54 512 15 512 26 113 900 652
4 887 5 840 5 451 5 171 6 528
29. 05. 1925 12. 05. 1927 20. 07. 1927 24. 09. 1927 13. 04. 1929 23. 09. 1929
1 100 2 200 201 200 704 1 023
14 422 1 036 048 16 721 1 847 530 1 206 000 1 104 000 5 224 721 7 031 764
14 422 10 360 8 361 9 238 6 000 5 520
Gesamt Ersatzteile
Anzahl
146
21. 04. 1925 20. 07. 1927 30. 07. 1927
71 486 13 116 23 736
Quelle: BarchB, R8119F / P3125, Bl. 127, P3102, Bl. 229 sowie P3070, Bl. 113. 143
Budraß, S. 105. Zeidler, S. 43. 145 Die russische Rote Luftflotte. – Bericht des Hptm. a. D. Martin Fiebig vom 14. 1. 1927, BArch-MA RH 2 / 66, Bl. 30 ff. 146 Die Motorbestellungen beinhalten die zugehörigen Ersatzteile. 144
5.1. Flugmotorenbau
157
Bis 1930 bestellte die Sowjetunion über 1 000 BMW-Flugmotoren (vgl. Tab. 15). Die bis 1927 eingehenden Aufträge wurden aber nicht direkt zwischen BMW und der Sowjetunion abgewickelt. Als Vermittler fungierte stattdessen die Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmen (Gefu), die 1926 in Wirtschaftskontor umbenannt wurde.147 Die Gefu war eine Tarnfirma der Reichswehr, die zur Verschleierung der Zusammenarbeit mit der Roten Armee gegründet worden war.148 Sie war nicht nur als Mittler zwischen Unternehmen und sowjetischen Behörden tätig, sondern stieß solche Geschäftsbeziehungen vielfach überhaupt erst an. Die Einbindung der Gefu deutet auf eine intensive Unterstützung der sowjetischen BMW-Geschäfte durch die Reichswehr hin. Ab 1927 erfolgte die gesamte Geschäftsabwicklung ohne Vermittlungsstellen. Zunehmende Bedeutung erhielt hingegen die sowjetische Handelsvertretung in Berlin, die für BMW Verhandlungspartner bei der Auftragvergabe war, obwohl das letzte Entscheidungsrecht bei den Moskauer Ministerien lag.149 Die sowjetischen Aufträge waren für BMW äußerst lukrative Geschäfte. Bereits bei der ersten Bestellung setzte man einen Stückpreis von 6 380 $ pro Flugmotor des Typs BMW IIIa durch. Nur wenige Monate zuvor hatte Junkers für den gleichen Motor nur rund 4 000 $ bezahlt.150 In den folgenden Aufträgen erzielte BMW ebenfalls gute Abschlüsse, musste jedoch seit 1929 deutliche Preissenkungen hinnehmen. Bei den Verhandlungen kam dabei mehr und mehr das sowjetische Außenhandelsmonopol zum Tragen. Die meisten deutschen Unternehmen hatten große Schwierigkeiten damit, dass sie nicht mit einzelnen Firmen auf einem freien Markt verhandelten, sondern mit der sowjetischen Staatsmacht.151 Um ihre Verhandlungsposition zu stärken, schlossen sich die Unternehmen zu Kartellen zusammen oder bemühten sich um Unterstützung bei diversen Reichsministerien. Das Außenhandelsmonopol verschaffte der Sowjetunion auch gegenüber BMW Verhandlungsvorteile. Entscheidend für die sinkenden Preise war aber, dass BMW mehr und mehr auf die sowjetischen Aufträge angewiesen war und deshalb schlechtere Lieferbedingungen akzeptieren musste. Wie stark diese Abhängigkeit war, zeigt der dramatische Umsatzeinbruch der BMW-Flugmotorensparte im Jahr 1931, als keine Bestellungen aus der Sowjetunion mehr eingingen (vgl. Tab. 14). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte BMW Flugmotoren im Wert von 7 Mio. US-Dollar (umgerechnet rund 24 Mio. RM) in die Sowjetunion abge147
In Bilanzprüfungsberichten der Revisions- und Treuhand AG über die BMW AG in den Jahren 1926 bzw. 1927 sind Anzahlungen der Gefu ausgewiesen während direkte Zahlungen der sowjetischen Handelsvertretung fehlen, BArchB R8119F / P3102, Bl. 542 und 572. 148 Zu Gründung und Tätigkeit der Gefu vgl. Zeidler, S. 78 ff. 149 BMW an Handelsvertretung der UdSSR vom 31. 12. 1929, BArchB R8119F / P3125, Bl. 19–23. 150 Junkers an BMW vom 4. 6. 1923, DMM/ASD JA 0019. 151 Kashirskikh, S. 58 ff.
158
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
setzt. Dies entsprach in etwa 45% des gesamten Umsatzes der BMW-Flugmotorensparte, der in Summe in den Jahren 1917 bis 1933 bei annäherungsweise 53 Mio. RM lag.152 Die Zahlungsbedingungen für die Aufträge sahen in der Regel eine Anzahlung von einem Drittel des Kaufpreises vor. Die übrigen zwei Drittel mussten bei Fertigstellung bezahlt werden. Die hohe Anzahlung war wegen der teuren Produktion von Flugmotoren notwendig. Eine Besonderheit im Handel mit der Sowjetunion war, dass dieser seit 1926 von der Reichsregierung mit Krediten und Ausfallbürgschaften unterstützt wurde.153 BMW profitierte hiervon und erhielt für einzelne Aufträge Ausfallbürgschaften in Höhe von 50–60% des Verkaufswerts, die das Risiko für das Unternehmen deutlich minimierten.154 Die lukrativen Aufträge der Sowjetunion konnten nur eine Episode in der BMW-Unternehmensgeschichte bleiben. Dies war schon bei der Auslieferung des ersten Auftrags absehbar. Der Flugmotorenbau war eine zentrale Rüstungstechnologie. Kein Staat konnte sich in diesem militärisch äußerst sensiblen Bereich eine dauerhafte Abhängigkeit von einem ausländischen Unternehmen leisten. Selbst kleine Staaten wie Schweden, Jugoslawien oder Rumänien strebten nach einer eigenen Luftfahrtindustrie.155 Dies galt ebenso für die Sowjetunion, die sich in den 1920er Jahren noch auf amerikanische Liberty- bzw. deutsche BMW-Motoren stützen musste.156 Die sowjetischen Behörden machten schließlich die Vergabe weiterer Aufträge vom Abschluss eines Lizenzvertrags abhängig, der am 14. 10. 1927 unterzeichnet wurde. BMW sicherte der Sowjetunion darin zu, beim Aufbau einer Produktion für den Flugmotor BMW VI zu helfen. Der Vertrag157 sah neben der Übergabe von Zeichnungen direkte Unterstützung beim Aufbau der Fertigungsanlagen in einer sowjetischen Fabrik vor. Als Gegenleistung sollte BMW für die Vertragslaufzeit von fünf Jahren von jedem in der Sowjetunion produzierten Flugmotor 7,5% des Verkaufspreises erhalten. Damit hätte BMW zwar weniger als bei einer Eigenproduktion verdient, bei der die Gewinnspanne im Inlandsabsatz üblicherweise 10% betrug, aber immer noch hohe Erträge erzielt.158 Der Vertrag bedeutete nicht das unmittelbare Ende der Lieferaufträge, da der Produktionsaufbau in der Sowjetunion Jahre in Anspruch nahm.
152
Pierer, S. 53–55. Kashirskikh, S. 47 ff., Beitel, S. 60 ff. sowie Perrey, S. 43 ff. 154 Aktennotiz Betr.: BMW AG vom 25. 10. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 280–283. 155 BMW an Reichsverkehrsminister Guérard vom 1. 12. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 215. 156 Bericht von Hauptmann Student über seine Reise in die Sowjetunion vom 10. 9. 1926, BArch-MA RH 2 / 56, Bl. 240 ff. 157 Zusammenfassung des Inhalts des Lizenzvertrags, in: Bericht über die Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG, BArchB R8119F / P3102, Bl. 326. 158 Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der BMW AG vorgenommene Preisprüfung von 11 Versuchsmotoren, BArchB R 8135 / 5247.
153
5.1. Flugmotorenbau
159
So lieferte BMW nach Vertragsabschluss noch über 400 Flugmotoren. Erst ab 1931 lief die Lizenzproduktion des BMW VI in einer Fabrik in Rybinsk an. Trotz der ausschließlichen Verwendung von amerikanischen und deutschen Werkzeugmaschinen gab es zunächst Probleme bei der Fertigung, sodass die Qualität des Münchner BMW-Werks nicht erreicht wurde.159 Nachdem diese Schwierigkeiten überwunden waren, wurde der BMW VI unter der Bezeichnung M-17 mit einer Stückzahl von 27 534 Einheiten zum meistgebauten sowjetischen Flugmotor der 1930er Jahre.160 Die Geschäftsbeziehungen mit der Sowjetunion verliefen seit 1924 weitgehend reibungslos. Erst im Jahr 1929 wandelte sich dies schlagartig. Die sowjetische Handelsvertretung hatte durch Presseartikel und Informanten genaue Kenntnis über die „Affäre Castiglioni“161 erhalten. Castiglioni hatte dabei für angebliche Vermittlungsbemühungen der beiden ihm gehörenden Unternehmen IIC und Bank voor Handel en Credit 10% des Bruttoverkaufspreises von jedem Flugmotor erhalten, den BMW ins Ausland lieferte. In den meisten Fällen bezogen sich diese Provisionsgeschäfte auf Lieferungen an die Sowjetunion. In den Augen der sowjetischen Kunden musste aufgrund der Enthüllungen, in denen immer wieder die Unrechtmäßigkeit der Provisionszahlungen betont wurde, zwangsläufig der Eindruck entstehen, dass man über Jahre 10% zu viel für BMW-Flugmotoren bezahlt hatte. Dieser Umstand veranlasste die sowjetische Handelsvertretung zu einem Vorgehen gegen BMW. Als verhängnisvoll erwies sich für das Unternehmen ein Passus, den alle seit Mai 1927 geschlossenen Lieferverträge enthielten. Nach dieser Vorschrift garantierte BMW als Lieferant, dass „keinerlei Provisionen oder Zuwendungen für irgendwelche Vermittlungen oder Beeinflussungen für dritte Personen und Firmen […] gezahlt werden, oder in die Bestellung der gewährten Preise auch nur einkalkuliert werden“162. Als Konventionalstrafe konnte eine Summe von bis zu 50% des Auftragswertes festgesetzt werden. Die sowjetische Handelsvertretung forderte schließlich am 23. 12. 1929 mit 12 Mio. RM die maximale Entschädigungssumme von BMW.163 Der Unternehmensführung war klar, dass diese Forderung in letzter Konsequenz den Fortbestand der Firma gefährdete.164 Wegen der undurchsichtigen und letztlich vertragswidrigen Zahlungen an Castiglioni befand sich BMW in der Defensive. Die sowjetische Handelsvertretung nahm an, dass sie nicht nur bei den Preisen übervorteilt wurde, sondern zudem die meisten Verträge mit BMW durch Geldzahlungen beeinflusst 159
Bericht über eine Besichtigungsreise nach Moskau vom 8.–14. 8. 1930, RH 12-1 / 56, Bl. 240 ff. sowie Popp an Stauß vom 19. 6. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 307. 160 Sobolow, S. 68 ff. 161 Vgl. S. 116 ff. 162 § 10 der allgemeinen Lieferbedingungen aus den Verträgen mit der UdSSR, BArchB R8119F / P3125, Bl. 17. 163 Sowjetische Handelsvertretung an BMW vom 23. 12. 1929, ebenda, Bl. 6. 164 Popp an Meinhardt vom 20. 1. 1930, ebenda, Bl. 121 ff.
160
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
worden waren. BMW-Generaldirektor Popp hatte diese Einschätzung sogar gefördert, als er in einem Gespräch mit Vertretern der sowjetischen Handelsvertretung sich genötigt sah, „eine Generalbeichte abzulegen“165. Dabei verwendete er unter anderem das Wort „Schmiergelder“. Diese Aussagen von Popp waren nicht nur taktisch ungeschickt, sondern in letzter Konsequenz unnötig. BMW wusste nämlich gar nicht, ob überhaupt Zahlungen an sowjetische Beamte geflossen waren, was man jedoch für sehr wahrscheinlich hielt.166 Die genauen Geldflüsse, die aus den gezahlten Provisionen abgeleitet wurden, waren zu komplex, sodass sie nur von einigen wenigen Personen nachvollzogen werden konnten. BMW zahlte zunächst 10% des Verkaufspreises an die IIC, die einen Teil des Geldes an den russischen Ingenieur und Industriellen Joseph Steinberg weitergab. Steinberg wiederum hatte Kontakt zu einem ehemaligen Angestellten der sowjetischen Handelsvertretung und leistete angeblich an diesen und an andere Personen Zahlungen, um die BMW-Geschäfte mit der Sowjetunion zu fördern.167 Welcher Personenkreis tatsächlich Geld für bestimmte Tätigkeiten erhielt, war schon für die Zeitgenossen nicht mehr nachvollziehbar und lässt sich heute aufgrund der Quellenlage nicht mehr abschließend klären. Entscheidend war jedoch, dass BMW allein durch die Zahlung von Provisionen gegen die Verträge mit der Sowjetunion verstoßen hatte. Ein Nachweis von tatsächlicher Bestechung war gar nicht nötig. Die Rechtfertigung der BMW-Unternehmensführung, dass es sich nur um eine unternehmensinterne Angelegenheit handle, bei der sich der Großaktionär Castiglioni eine hohe Rendite sichern wollte, traf zwar den Kern der Provisionsgeschäfte, wurde aber durch die Einbeziehung Steinbergs und seiner Kontaktpersonen widerlegt.168 Aufgrund dieser Sachlage standen die Chancen von BMW nicht besonders gut, als am 11. 6. 1930 ein Schiedsgericht über die Höhe der an die Sowjetunion zu zahlenden Vertragsstrafe verhandelte. Im Raum stand die sehr hohe Forderung von 12 Mio. RM, die das Unternehmen ruiniert hätte. Die Verhandlungen endeten schließlich mit einem Vergleich. BMW musste die Bedingungen des Lizenzvertrags von 1927, der den Nachbau des BMW VI in einer sowjetischen Fabrik regelte, deutlich verändern. Anstelle der vereinbarten Stücklizenzen pro produzierten Motor, die BMW einen Millionenbetrag eingebracht hätte, gab man sich mit einer pauschalen Abschlagszahlung in Höhe von 650 000 RM zufrieden. Der Vergleich war für BMW dennoch äußerst günstig. Die große Erleichterung lässt sich einer Aussage 165
Lewinski an Stauß vom 24. 10. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 270 sowie Lewinski an Stauß vom 14. 1. 1930, BArchB R8119F / P3125, Bl. 83. 166 Popp an Meinhardt vom 20. 1. 1930 sowie Klopfer an Pinner vom 1. 3. 1930, BArchB R8119F / P3125, Bl. 121 ff. sowie Bl. 248 ff. 167 BMW an Quaatz vom 22. 1. 1930, Steinberg an BMW [undatierte Abschrift vom März 1930] sowie Pruss an Popp vom 26. 5. 1930, ebenda, Bl. 106 ff., Bl. 208 sowie Bl. 415 ff. 168 BMW an Handelsvertretung der UdSSR vom 31. 12. 1929, ebenda, Bl. 19–23.
5.1. Flugmotorenbau
161
des Aufsichtsratsmitglieds Raimund Hergt entnehmen, der schrieb: „Es geht uns wie einem Mann, der glaubte sterben zu müssen und nun erfährt, dass ihm nur ein Zahn gezogen wird.“169 Das Verhältnis zwischen BMW und der Sowjetunion war nach dem Ausgang des Schiedsgerichtsverfahrens „etwas gespannt“170, aber wohl nicht nachhaltig beschädigt. So verhandelte man im Sommer 1930 über einen Lieferauftrag im Wert von rund 9 Mio. RM, der jedoch nicht zustande kam.171 BMW erhielt in der Folge nur noch kleinere Bestellungen für Ersatzteile. Mittlerweile produzierte die Sowjetunion in Rybinsk selbst Flugmotoren des Typs BMW VI und war daher nicht mehr auf Lieferungen aus München angewiesen.172 BMW genoss aber weiterhin einen guten Ruf bei den sowjetischen Beschaffungsstellen, die etwa 1931 gegenüber Vertretern der Reichswehr reges Interesse an dem neuen Mehrzweckmotor BMW XII zeigten.173 Allerdings kam es zu keiner Zusammenarbeit mit der Sowjetunion mehr, sodass die lukrativen „Russengeschäfte“, die in den 1920er Jahren maßgeblichen Anteil an Unternehmensumsatz und -gewinn hatten, 1931 endgültig zu Ende gingen. Das Auslandsgeschäft mit Flugmotoren beruhte in erster Linie auf dem Export in die Sowjetunion. Daneben belieferte BMW eine Reihe größerer und kleinerer Staaten. Die längste Geschäftsbeziehung bestand dabei zwischen BMW und der CSR, die bereits 1922 in einem Lizenzvertrag die Produktionsrechte für den Flugmotor BMW IV erworben hatte.174 Obwohl dieser Motor im Vergleich zu internationalen Standards bereits veraltet war, stützte sich die zivile wie militärische Luftfahrt der CSR bis Anfang der 1930er Jahre auf dieses Modell.175 Seit 1924 war zudem Japan der dritte große Auslandskunde von BMW. Es wurden jedoch nur in geringem Maße Flugmotoren geliefert. Stattdessen schloss BMW mit dem japanischen Unternehmen Kawasaki Dockyard in Kobe Lizenzverträge. In einem ersten Vertrag vom 2. 6. 1924 übertrug BMW Kawasaki die Produktionsrechte für die Flugmotoren BMW IIIa, IV und VI und erhielt im Gegenzug eine pauschale Lizenzgebühr von 250 000 $.176 Die Zahlung ging in mehreren Raten ein, wobei für Vermittlungstätigkeiten die Hamburger Firma Illies & Co. jeweils 10% des Geldes erhielt. Castiglioni sicherte sich über die IIC weitere 20% der Lizenz169
Hergt an Lewinski vom 9. 5. 1930, ebenda, Bl. 402. Buttlar an Felmy, BArch-MA RH 12-1 / 40, Bl. 121. Bericht des Vorstands auf der Generalversammlung vom 30. 6. 1930, BArchB R8119F / P3087, Bl. 37 ff. 172 Popp an Stauß vom 19. 6. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 307. 173 Protokoll der Besprechung zwischen dem stellvertretenden Chef der russischen Luftwaffe und Vertretern des RWM vom 20. 12. 1931, Völker: Dokumente, S. 64 ff. 174 Vgl. S. 95–96. 175 Mitteilung über wirtschaftliche Lage der BMW des Junkers-Nachrichtendienstes vom 26. 3. 1928, DMM/ASD JA 0021. 176 Aktennotiz Betrifft: Lizenzvertrag mit Japan als Anlage zum Brief von Wörner an Stauß vom 19. 8. 1936, BArchB R8119F / P3075, Bl. 40–41. 170 171
162
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
gebühr.177 Am 15. 4. 1932 gelang der Abschluss eines zweiten Lizenzvertrages mit Kawasaki, der sich dieses Mal auf die Motoren BMW IX und IXa bezog. Als einmalig zu zahlende Lizenzgebühr einigte man sich auf 60 000 $. Der Vertragsabschluss war für BMW ein wichtiger Erfolg, weil er in einen Zeitraum fiel, in dem das Auslandsgeschäft mit Flugmotoren völlig darniederlag. 5.1.6 Zusammenfassung Erfolg und Misserfolg einer Unternehmensgründung178 hängen zu einem erheblichen Teil von der Branchenstruktur ab, in der sich die jeweilige Firma mit ihren Produkten etablieren will. Wachstum und Expansion der BMW AG beruhten in den 1920er Jahren auf dem Flugmotorenbau. Diese Produktsparte war der eigentliche Kern des Unternehmens und erwirtschaftete den überwiegenden Anteil der ausgewiesenen Gewinne. BMW hatte sich bereits in den letzten beiden Kriegsjahren mit der Produktion des IIIa großes Renommee erworben, das man seit 1923 in betriebswirtschaftlichen Erfolg umsetzen konnte. Die notwendige Voraussetzung hierfür war die schrittweise Lockerung der einschneidenden Verbote, die die Alliierten nach Kriegsende für die deutsche Luftfahrtindustrie verhängt hatten. Auslöser für den Wiedereinstieg in die Flugmotorenfertigung war der Bedarf der Sowjetunion. Während der erste Auftrag noch über die Junkers Flugzeugwerke abgewickelt wurde, gelang es BMW, sich seit 1924 als wichtiger Lieferant der sowjetischen Luftwaffe zu etablieren. Die äußerst lukrative Geschäftsbeziehung endete erst 1931, als die Sowjetunion selbst die Lizenzproduktion von BMW-Flugmotoren aufnahm. Ein Schiedsspruch wegen unrechtmäßiger Provisionszahlungen verhinderte, dass BMW aus dieser Lizenzfertigung größeren Profit schlug. Der Exportanteil der BMW-Flugmotorensparte war in den 1920er Jahren sehr hoch. Auf die Unternehmensabläufe und -strukturen hatten die ausländischen Kunden aber nur geringen Einfluss. RVM und RWM versuchten hingegen, alle Unternehmen auf dem deutschen Luftfahrtmarkt im Sinne einer staatlichen Interessenpolitik zu steuern. Oberstes Ziel der Ministerien war es dabei, eine schlagkräftige Industrie zu schaffen, die in der Lage sein sollte, militärische Großaufträge zu erfüllen. Diese Politik führte dazu, dass das beschränkte Budget des RVM nach einem relativ festen Verteilungsschlüssel an die einzelnen Hersteller vergeben wurde. Bei der Auftragsvergabe stand für RVM und RWM in erster Linie die wirtschaftliche Sicherung der einzelnen Unternehmen im Mittelpunkt. BMW erhielt ein besonders großes Auftragsvolumen und gehörte daher zu den Profiteuren dieses starren Vergabesys177
Vorläufiger Bericht der Revisions- und Treuhand AG zum Geschäftsjahr 1928, BArchB R8119F / P3102, S. 33. 178 Zu den theoretischen Grundlagen bei der Analyse von Unternehmensgründungen vgl. S. 4–6 und S. 227 ff.
5.2. Motorradbau
163
tems. Diese Sonderrolle beruhte auf sehr guten Netzwerken zu den Entscheidungsträgern in den Ministerien. Die besonders enge Beziehung und die insgesamt undurchsichtige Auftragsvergabe machten RVM und BMW angreifbar. Mehrmals wurden Ministerium und Unternehmen in der Presse und im Reichstag attackiert. Obwohl sich fast alle Vorwürfe als haltlos erwiesen, wurde das Vertrauen in das Unterstützungssystem für die deutsche Luftfahrtindustrie erschüttert. Dies wirkte sich 1929 besonders nachteilig aus, als der Reichstag einen Nachtragshaushalt verabschiedete, in dem das Budget der Luftfahrtabteilung im RVM drastisch verringert wurde. Die nun erforderliche deutliche Reduzierung aller Aufträge und Subventionsleistungen führte die deutsche Luftfahrtindustrie in eine schwere Krise, in der einige Unternehmen sogar Konkurs anmelden mussten. Die BMW-Flugmotorensparte arbeitete seit 1931 ebenfalls verlustbringend, nachdem im Jahr zuvor Lieferaufträge an die Sowjetunion die Lage zunächst noch stabilisiert hatten. RVM und RWM übten auch auf die Entwicklungsarbeit der Luftfahrtindustrie großen Einfluss aus. Der überwiegende Teil der BMW-Flugmotoren entstand deshalb mit staatlicher Unterstützung oder auf staatlichen Auftrag hin. Neben der Eigenentwicklung schloss BMW verstärkt Lizenzverträge über Motorenkomponenten oder komplette Antriebe ab. Die Übernahme von ausländischem Know-how erwies sich als geschickte und erfolgreiche Unternehmensstrategie. So konnte man den Anschluss an die internationale Konkurrenz halten, wobei es wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten nicht gelang, mit dieser gleichzuziehen. Schwierigkeiten brachte BMW die Lizenznahme für Sternmotoren, da sich die Unternehmensführung mit diesem Schritt gegen die Interessen von RVM und RWM stellte. Wegen der fast völligen Abhängigkeit vom RVM bei inländischen Bestellungen war es riskant, Produkte anzubieten, die vom Ministerium nicht gewünscht wurden. Diese Erfahrung musste BMW machen und den Bau von Sternmotoren schließlich aufgeben. Der Lizenzerwerb von Pratt & Whitney ist die einzige überlieferte Unternehmensentscheidung, die nicht im Interesse von RWM und RVM lag. Welche Konsequenzen eine Nichtbeachtung der staatlichen Vorgaben haben konnte, erfuhr BMW durch das vorübergehende Scheitern des Lizenzbaus von Sternmotoren.
5.2. Motorradbau Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs produzierten neben den beiden großen Herstellern Wanderer-Werke AG und Neckarsulmer Fahrzeugwerke AG (NSU) lediglich einige kleine Firmen Motorräder.179 Der vielfältige Einsatz von Motorrädern während des Krieges verbesserte aber deren Zuverläs179
Friedmann, S. 124.
164
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
sigkeit und Betriebssicherheit deutlich, wodurch viele bis dato vorhandene technische Probleme gelöst werden konnten.180 Damit war der Weg für die nach Kriegsende einsetzenden Boomjahre der deutschen Motorradindustrie bereitet. Die Inflationskonjunktur, die die Menschen massenhaft zur Flucht in Sachwerte trieb und die gleichzeitig die Produktionskosten minimierte, führte zu einer regelrechten Gründungswut, sodass die Zahl der Motorradhersteller beständig zunahm. Während sich 1919 erst 35 deutsche Firmen mit dem Motorradbau beschäftigten, stieg deren Zahl bis 1923 auf 270 und erreichte schließlich mit 380 Herstellern 1924 ihren Höhepunkt.181 Die neu entstandenen Unternehmen lassen sich gemäß ihrer Produktionstiefe in zwei Kategorien einteilen.182 Die überwiegende Zahl der Firmen zeichnete sich durch eine eher geringe Kapitaldecke aus. Dies hatte zur Folge, dass kaum Geld für die Produktentwicklung ausgegeben werden konnte und die Fertigungsanlagen eher bescheidene Ausmaße hatten. Diese Firmen konnten zwar rasch auf dem Markt Fuß fassen, waren aber auf die Zulieferung von Komponenten wie Motoren oder Rahmen angewiesen. Die produzierten Motorräder wiederum waren eher von niedriger Qualität und zumeist für einen regionalen Markt bestimmt. Die zweite Gruppe von Unternehmen entwickelte und fertigte ihre Motorräder weitgehend selbst. Die Produkte dieser Firmen zeichneten sich zumeist durch hohe Qualität und Innovationen aus. BMW agierte erstmals 1920 auf dem deutschen Motorradmarkt, als das Unternehmen einen eigenen Motorradmotor vorstellte. Der Motor mit der Bezeichnung BMW M 2 B 15 wurde von Martin Stolle konstruiert, der sich bei seiner Arbeit weitgehend an einem 500ccm-Motor des englischen Unternehmens Douglas Motors Ltd. orientierte.183 BMW lieferte den neuen Motor an zahlreiche Motorradhersteller, u. a. an die Victoria Werke und an die BFW. Durch die Zusammenlegung der BFW und des BMW-Motorenbaus im Mai 1922 erweiterte sich das Produktspektrum des Unternehmens. Man übernahm von den BFW die Produktion von zwei Motorrädern, die die Bezeichnung Flink und Helios trugen. Beide Modelle wiesen eine einfache Konstruktion auf und waren als leichte Motorräder im unteren Preissegment angesiedelt.184 Die Erfahrungen, die bei Bau und Vertrieb der BFW-Motorräder seit 1922 gesammelt wurden, setzte die BMW-Unternehmensführung in eine neue Strategie um, die einen Einstieg in den Motorradmarkt mit eigenen Produkten zum Ziel hatte. Chefkonstrukteur Max Friz konstruierte daher ein neues Motorrad. Unter der Bezeichnung BMW R 32 wurde es schließlich im September 1923 auf der Berliner Automobilausstellung vorgestellt.185 Charakte180
Braun, S. 190 und Braun/Panzer, S. 26–27. Flik, S. 82. 182 Braun/Panzer, S. 31–32. 183 Knittel, S. 16 ff. 184 Jakobs: Motorräder, S. 12–14. 185 Stünlein, G.: Die Motorräder auf der Automobil-Ausstellung 1923, in: Der Motorwagen Jg. 26 (1923) Heft 27, S. 410. 181
165
5.2. Motorradbau
ristisch für die BMW R 32 wie für alle folgenden BMW-Zweizylinder-Motorräder war der quer zur Fahrtrichtung eingebaute Boxermotor, der eine bessere Kühlung der Zylinder ermöglichte, ferner der Antrieb über eine Kardanwelle anstelle der von den meisten anderen Herstellern verwendeten Kette.186 Sowohl der damals ungewöhnliche Einbau des Boxermotors als auch der Kardanantrieb war von anderen Motorradproduzenten zuvor bereits verwendet worden. Wie bei der Entwicklung des Flugmotors BMW IIIa hatte Friz abermals bereits bekannte Technologien zusammengeführt und dadurch ein besonders zuverlässiges und qualitativ hochwertiges Produkt geschaffen. Die BMW R 32 gehörte wegen des großen Fertigungsaufwandes, der zur Erzielung der hohen Qualität notwendig war, zu den teuersten Motorrädern auf dem deutschen Markt. Mit den nachfolgenden Modellen blieb BMW dieser Strategie treu und wurde so zum bedeutendsten deutschen Hersteller von schweren Motorrädern, die in der Regel ein Zweizylinder-Motoren mit einem Hubraum von 500 ccm antrieb. Die Vorstellung der BMW R 32 im Jahr 1923 fiel mit einer nachhaltigen Veränderung des deutschen Motorradmarktes zusammen. Der Verkauf war in den ersten Nachkriegsjahren in besonderem Maße von der Inflationskonjunktur getragen worden, deren Ende nun einen Konzentrationsprozess einleitete, sodass bis 1933 von ehemals 270 lediglich 61 Motorradmarken übrig blieben.187 Der Nachfrage nach Motorrädern konnte die Währungsstabilisierung jedoch lediglich einen kurzzeitigen Dämpfer versetzen. Eine Reihe von Faktoren führten dazu, dass der Motorradmarkt auch nach 1923 weiter wuchs, sodass Deutschland 1931 weltweit den größten Motorradbestand und die größte Motorraddichte bezogen auf die Bevölkerungszahl aufwies (vgl. Tab. 16).188 Tab. 16: Entwicklung des Motorradbestands in Deutschland, 1920–1930
1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930
Absolute Zahl der Motorräder
Verhältnis Pkws zu Motorrädern
9 369 26 729 38 048 59 389 97 965 161 508 263 345 339 226 438 288 608 342 731 237
78 : 22 69 : 31 68 : 32 62 : 38 57 : 43 51 : 49 43 : 57 43 : 57 44 : 56 41 : 59 40 : 60
Motorrad pro Anzahl der Einwohner 6 596 2 337 1 608 1 037 632 386 239 186 145 105 88
Quelle: Merki, S. 123. 186 187 188
Zum Kardanantrieb vgl. Kardanwelle und Motorrad, BMW MK 47. Merki, S. 121. Flik, S. 81.
166
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Der Motorradabsatz wurde unter anderem dadurch gefördert, dass Kleinkrafträder seit 1926 von der Steuer befreit waren und zudem ohne Führerschein gefahren werden durften. Neben diesen Anreizen bewirkten die schwierigen finanziellen Verhältnisse des potenziellen Kundenkreises eine Hinwendung zum Motorrad.189 Der Kauf und Unterhalt eines Automobils war wesentlich teurer und für viele unerschwinglich. Deshalb vollzog sich die Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten in Deutschland durch das Motorrad und nicht durch das Automobil wie in den meisten anderen Industrienationen.190 Da sich das Wachstum des Marktes vor allem aus der Nachfrage nach kleinen und preiswerten Motorrädern speiste, war BMW hiervon nicht direkt betroffen. BMW bot hingegen schwere Motorräder oberhalb des boomenden, aber auch hart umkämpften Segments für Kleinkrafträder an. Der Bau von hochpreisigen Qualitätsmotorrädern war zu einem erheblichen Teil durch die Rolle bedingt, die der Motorradbau im Produktionsverbund von BMW spielte. 1923 stellte BMW nicht nur das erste eigene Motorrad vor, sondern kehrte ebenfalls in das eigentliche Kerngeschäft, den Flugmotorenbau, zurück. Beide Geschäftszweige waren von starken Auftragsfluktuationen geprägt. Damit diese Nachfrageschwankungen nicht zu Überkapazitäten führten, wurden Motorrad- und Flugmotorenbau produktionstechnisch aneinander gekoppelt. „Die Durchführung der die Motorradherstellung betreffenden Arbeitsvorgänge erfolgt daher zum Teil auf Maschinen und durch Arbeiter, die für diese Fabrikationsart verhältnismäßig teuer sind, deren Verwendung hierfür aber erst eine wirtschaftliche Ausnutzung der für den Flugmotorenbau geschaffenen Anlagen und des für notwendig gehaltenen Stammpersonals ermöglicht.“191 Der Einsatz von hochwertigen Werkzeugmaschinen und qualifizierten Facharbeitern konnte sich nur bei der Produktion von schweren Motorrädern rechnen. Eine Massenproduktion von Kleinkrafträdern war für BMW keine Option. Die produktionstechnische Koppelung der Motorradfabrikation an den Flugmotorenbau wurde auch bei der Kostenberechnung fortgeführt, in der die anfallenden Unkosten nicht exakt dem jeweiligen Geschäftsfeld zugerechnet wurden. Stattdessen teilte man die gesamten Unkosten des Werks München auf, wobei der Motorradbau einen festen Anteil tragen musste, der bei etwa einem Sechstel lag.192 Von Wirtschaftsprüfern wurde jedoch festgestellt, dass der tatsächliche Kostenanteil der Motorräder weitaus höher lag. Dies war durch die langen Fertigungszeiten von 110–120 Stunden pro Motorrad bedingt.193 189
Friedmann, S. 124. Gömmel/Braun, S. 172–174. 191 Sonderprüfung der BMW AG durch die Revisions- und Treuhand-AG im Auftrag des RVM von 1932, S. 3, BArchB R 8135 / 5013. 192 Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der BMW AG vorgenommene Preisprüfung von 11 Versuchsmotoren, S. 15, BArchB R 8135 / 5247. 193 Friz an Stauß vom 21. 2. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 81 sowie Otto Max Müller: Bericht über die BMW AG vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 419 ff. 190
5.2. Motorradbau
167
Charakteristisch für schwere Motorräder, wie sie BMW baute, war, dass diese als sportliche Fahrzeuge galten.194 Ein Rennsportengagement zu Werbezwecken war deshalb besonders vielversprechend, da das Interesse der meisten Kunden angesprochen wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Automobilindustrie bereits durch Rennsporterfolge den Absatz der eigenen Produkte signifikant anheben können.195 Nach Kriegsende nahm die Werbewirksamkeit des Rennsports im Automobilbau jedoch deutlich ab. Die Rennwagen unterschieden sich nun technisch deutlich von den Serienfahrzeugen, weshalb die Kunden zunehmend aufgrund anderer Faktoren wie Preis oder Qualität eine Kaufentscheidung trafen.196 Für den Motorradmarkt galt diese Entwicklung nur teilweise, weil Rennmotorräder in den 1920er Jahren oft noch eine große Ähnlichkeit zu den Serienmodellen aufwiesen.197 Mit Serienmaschinen konnten durchaus Rennsporterfolge erzielt werden. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das zweite BMW-Motorrad die R 37, die seit 1925 ausgeliefert wurde und als kompromisslose Sportmaschine BMW die ersten großen Rennerfolge einbrachte.198 Bis zum Zweiten Weltkrieg beteiligte sich BMW besonders intensiv am Motorradrennsport. Dieses Engagement passte nicht nur ideal zu den sportlichen Produkten und zum Markenimage, sondern war zudem eine vergleichsweise preiswerte Werbung. Hauptkommunikationsmittel für die Berichterstattung über Rennsport waren die unzähligen Fachzeitschriften, die sich an Motorradinteressierte wendeten.199 Außerdem verwies BMW in Zeitungsannoncen, Prospekten oder Kundenzeitschriften auf die erzielten Erfolge. Ob die Siege bei diversen Motorradrennen tatsächlich eine direkte Auswirkung auf das Kaufverhalten der Kunden hatten, ist nicht endgültig zu klären. Für die Motorradhersteller BMW und DKW scheinen zumindest vage Hinweise diesen Schluss nahezulegen.200 Gestützt auf die enge Verbindung zum Flugmotorenbau und eine gute Nachfrage entwickelte sich die BMW-Motorradsparte in den 1920er Jahren zur Zufriedenheit der Unternehmensleitung. Erst die 1929 ausbrechende Weltwirtschaftskrise führte wegen eines veränderten Nachfrageverhaltens zu großen Schwierigkeiten und erforderte strategische Gegenmaßnahmen. Die durch die Weltwirtschaftskrise geschwächte Kaufkraft der potenziellen Motorradkunden machte sich nicht durch einen prinzipiellen Verzicht auf Neuanschaffung bemerkbar. Der Motorradbestand in Deutschland stieg sogar leicht im Zeitraum von 1929 bis 1933, es kam jedoch zu Verschiebungen innerhalb des Marktes, sodass sich der Anteil der billigen Kleinkrafträder unter 200ccm von 57% (1929) auf 73,5% (1932) erhöhte. Diese Steigerung ging vor 194 195 196 197 198 199 200
Friedmann, S. 124–125. Mander, S. 8–124. Feldenkirchen, S. 132 ff. Merki, S. 122–123. Knittel, S. 32. Braun, S. 198 ff. Ebenda, S. 204–209.
168
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Gesamte Motorradproduktion
davon Kleinkrafträder
Abb. 8: BMW-Motorradproduktion, 1924–1933 Quelle: Jakobs: Motorräder, S. 60 und S. 96–97.
allem zulasten der mittleren Motorräder mit 200–350 ccm, aber auch das Marktsegment der schweren Motorräder, in dem die Mehrzahl der BMWProdukte positioniert war, schrumpfte. Die Branchenstruktur veränderte sich ebenfalls. So beschleunigte sich der seit 1923 beobachtbare Konzentrationsprozess, sodass sich die Zahl der Motorradmarken von 1930 bis 1933 um ein Drittel von 99 auf 61 verringerte. Gleichzeitig konnten die sieben größten Motorradmarken NSU, D-Rad, DKW, Zündapp, Ardie, BMW und Triumph ihren Marktanteil von 55% (1931) auf 68% (1933) erhöhen.201 Die Rezession überraschte die Motorradindustrie, die sich seit Mai 1929 mit „einem völligen Abreißen der Konjunktur“202 konfrontiert sah. Obwohl BMW frühzeitig die Produktion reduzierte, standen im November 1929 dennoch 1 200 Motorräder auf Halde. Trotz der hohen Lagerbestände war das Geschäftsjahr 1929 für die BMW-Motorradsparte noch durchaus befriedend verlaufen. Immerhin konnte der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 1 Mio. RM auf 9 Mio. RM gesteigert werden. Dabei entstand aber ein Mindererlös von 450 000 RM, was unter anderem auf eine Preissenkung von
201 202
Gömmel/Braun, S. 174. Stauß an Castiglioni vom 7. 11. 1929, BArchB P3130, Bl. 332.
169
5.2. Motorradbau
900 000 800 000 700 000 600 000 500 000 400 000 300 000 200 000 100 000 0 1920
1922
1924
1926
1928
1930
1932
Gesamtbestand G e s a m t b e s t a n d an a n Motorrädern M o to r r ä d e r n Großkrafträder ddavon avon G r o ß k r a f t r ä d e r (über ( ü b e r 200 2 0 0 ccm) ccm ) Kleinkrafträder ccm) ddavon avon K l e in k r a f t r ä d e r (unter ( u n t e r 200 200c cm ) Abb. 9: Entwicklung des Motorradbestands in Deutschland, 1920–1933 Quelle: Flik, S. 280–281.
5% für alle BMW-Motorradmodelle zurückzuführen war.203 Neben einer offensiven Preispolitik gelang es, durch einen verbesserten Export den Rückgang im Inlandsgeschäft abzufangen. Außerdem profitierte BMW vom zunächst relativ stabilen Markt für schwere Motorräder und konnte im Mai 1930 mit 1 800 ausgelieferten Motorrädern sogar einen Rekordabsatz vermelden.204 Dennoch ging die Rendite wohl beständig zurück, worauf neben den durchgeführten Preissenkungen der geringe Auslastungsgrad der Produktionsanlagen von nur rund 50% hindeutet. Ein Vergleich der Produktionszahlen der BMW-Motorradsparte mit dem Motorradbestand in Deutschland zeigt in den 1920er Jahren eine weitgehend ähnliche Entwicklung (vgl. Abb. 8 und Abb. 9). So stiegen die BMW-Verkaufszahlen zunächst kontinuierlich an, wobei sich die Steigerungsraten am Markt für Großkrafträder orientierten. Dieses Segment wuchs wesentlich langsamer als der aufgrund von Steuererleichterungen seit 1926 boomende Kleinkrafträderabsatz. Ab 1930 ging die Nachfrage nach schweren Motorrädern deutschlandweit aber zurück. Der Absatzrückgang fiel für die schweren 203
Bericht des Vorstandes zur Bilanz für das Geschäftsjahr 1929 Werk München vom 26. 5. 1930 sowie Bericht des Vorstandes zum Geschäftsjahr 1929 von Juni 1930, BArchB R8119F / P3087, Bl. 34 sowie Bl. 42. 204 Bericht des Vorstandes zur Bilanz für das Geschäftsjahr 1930 vom 16. 5. 1931, ebenda, Bl. 216.
170
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
BMW-Motorrädern dramatisch aus, deren Produktion sich von 6 000 (1930) auf 2 341 (1931) Einheiten verringerte. Durch eine Anpassung der Produktpalette an die veränderte Nachfrage konnte dieser Rückgang zumindest teilweise kompensiert werden. Das Unternehmen produzierte seit 1931 die BMW R 2, die mit einem Hubraum von 198 ccm als Kleinkraftrad ausgelegt war.205 Wie bei den schweren Motorrädern setzte BMW auch bei der R 2 auf eine qualitativ hochwertige und teure Produktion, indem man die Anlagen aus der Flugmotorenproduktion nutzte, die zwar eine sehr gute Fertigungsqualität gewährleisten, aber zu hohen Produktionskosten führten. Durch den Verzicht auf eine Großserienfertigung konnte BMW mit den Modellen nicht in Konkurrenz zu Massenherstellern wie den Neckarsulmer Fahrzeugwerke (NSU) treten. Dies zeigt sich im Verkaufspreis der BMW R 2, der bei 975 RM lag und damit das Doppelte von manchem Konkurrenzprodukt betrug.206 Gerade auf dem Markt für Kleinkrafträder war der Preis der entscheidende Beweggrund für einen Kauf, weshalb BMW in diesem Segment nicht dauerhaft Fuß fassen konnte. Zum Unternehmensergebnis konnte die R 2 ebenfalls weniger beitragen als die schweren BMW-Motorräder, die rund doppelt so teuer waren und daher größere Gewinnspannen ermöglichten. Ein weiterer Versuch zur Erweiterung der Produktpalette war die Konstruktion eines Lastendreirads. Diese Fahrzeuge wurden aus Motorrädern mit Beiwagen abgeleitet und seit 1926 von zahlreichen Herstellern angeboten. Seit April 1928 galten Lastendreiräder bei der Besteuerung als Motorräder, wenn sie unter 350 kg wogen, was einen hohen Kaufanreiz bot.207 Sie waren in Anschaffung und Betrieb außerdem wesentlich kostengünstiger als Lieferwagen und wurden daher in erster Linie von Gewerbetreibenden genutzt. Der Versuch von BMW, sich 1932 mit einem Lastendreirad auf dem Markt zu etablieren, misslang jedoch.208 Neben einer Ausweitung des Produktangebots versuchte BMW, durch eine Konzentration der Werbemaßnahmen und einen verbesserten Vertrieb die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu meistern. Wichtigster Werbeinhalt blieb weiterhin der Rennsport. Allerdings reduzierte BMW die offizielle Teilnahme an Motorradrennen und löste 1930 die Rennsportabteilung sogar auf.209 Neben der Kostenreduzierung spielte dabei mit Sicherheit eine Rolle, dass sich die Vereinigung deutscher Motorradfabriken (VDM) auf Beschränkungen für die Reklame mit Rennsporterfolgen geeinigt hatte.210 Lediglich 205
Jakobs: Motorräder, S. 28–29. Bericht des Vorstands der BMW AG über das dritte Vierteljahr 1932 vom 24. 10. 1932, DAG Kissel 1/6. 207 Friedmann, S. 176–177 sowie Flik, S. 85. 208 Vgl. S. 196–197. 209 Popp an Stauß vom 18. 6. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 300 sowie Knittel, S. 45. 210 Rundschreiben Nr. 49a der BMW-Verkaufsabteilung vom 9. 2. 1931, BArchB R8119F / P3119, Bl. 134. 206
5.2. Motorradbau
171
die ADAC 3-Tage-Fahrt, die Deutsche 6-Tage-Alpenfahrt, der Große Preis von Deutschland, das Herbst-Avus-Rennen, das Freiburger-Berg-Rennen und das Gesamtergebnis der Deutschen Meisterschaft durften weiterhin zu Werbezwecken genutzt werden. Um das Werbeverbot überprüfbar zu machen, war es verboten, in anderen Rennen mit Werksteams anzutreten.211 BMW verringerte das Rennsportengagement aber auch deshalb, weil man seit 1929 ein wesentlich werbewirksameres Projekt verfolgte. Mit dem Fahrer Ernst Jakob Henne beteiligte sich BMW an der Jagd nach dem absoluten Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder.212 Erstmals gelang es im September 1929, einen solchen Weltrekord aufzustellen. Bis 1937 sollten zahlreiche weitere Rekordfahrten folgen. Die veränderten Werbemaßnahmen gingen mit Neuausrichtungen im Vertriebs- und Servicebereich einher. Eine Steigerung von Umsatz und Gewinn war hierbei oberstes Ziel, das mittels zweier Strategien erreicht werden sollte. Zum einen sollte durch zusätzliche Angebote wie beispielsweise verpflichtende Kundendienste der Kundenkontakt intensiviert werden. Zum anderen wurden die Händler stärker an das Unternehmen gebunden. Der Händlerkontakt wurde vor allem durch regelmäßige Rundschreiben intensiviert, die umfangreiche Informationen und Verkaufshinweise enthielten. BMW machte den eigenen Motorradvertretern dabei zahlreiche Angebote. So gab man Hinweise für die optimale Gestaltung eines Verkaufsraumes und bot umfangreiches Reklamematerial an, dessen Kosten nur zum Teil von den Händlern getragen werden mussten.213 Die verkaufsunterstützenden Maßnahmen, die BMW den Händlern anbot, sollten nicht nur zu einer Steigerung des Absatzes beitragen, sondern auch den Kontakt zwischen Unternehmen und Vertretern verbessern. Dies war von großer Bedeutung, weil viele Händler für mehrere Motorradmarken tätig waren.214 Damit befand sich BMW beim Händler im Wettbewerb mit anderen Herstellern und musste versuchen, die Vertreter davon zu überzeugen, vorrangig BMW-Produkte zu verkaufen. Entscheidend für das Engagement des einzelnen Händlers war letztlich die Höhe der gewährten Provision. Der Verzicht auf Vertragshändler hatte den großen Vorteil, dass BMW mit geringerem Aufwand ein ausgedehntes Händlernetzwerk aufbauen konnte, was gerade in der Motorradwerbung als besonderer Wettbewerbsvorteil betont wurde.215 Damit unterschied sich der Verkaufsweg von BMW-Motorrädern vom Automobilvertrieb. Dort waren wegen der 211
Rundschreiben Nr. 58a der BMW-Verkaufsabteilung vom 26. 3. 1931, ebenda, Bl. 166. 212 Jakobs: Der schnellste Mann. 213 Hirschhorn, Hans: Zum Problem des vornehmen Auto- und Motorradverkaufsraums, BMW UA 565 sowie Rundschreiben Nr. 28a der BMW-Werbezentrale vom 9. 9. 1930, BArchB R8119F / P3119, Bl. 74. 214 Rundschreiben Nr. 55a der BMW-Verkaufsabteilung vom 20. 3. 1931, ebenda, Bl. 149. 215 Triebel/Grunert: Das Unternehmen BMW, S. 415.
172
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
hohen Kapitalbindung für Vorführwagen, Ausstellungsräume und Personal die meisten Vertreter nicht in der Lage, mehr als eine Marke anzubieten.216 Entscheidend für einen effektiven Vertrieb und zielgerichtete Werbemaßnahmen war eine genaue Kenntnis von Markt und Käuferschichten. Eine der ersten Maßnahmen der BMW-Werbeabteilung, die unter Hans Hirschhorn 1928 nach professionellen Maßstäben aufgebauten wurde, war daher eine Marktanalyse, die auf einer Befragung aller BMW-Motorradhändler basierte (vgl. Tab. 17). BMW-Motorräder wurden gemäß dieser Studie überwiegend von Berufsgruppen der Mittelschicht erworben. Rund 50% der Käufer waren Kaufleute, Handwerker oder Beamte des mittleren Dienstes. Arbeiter waren ebenso unterrepräsentiert wie die gesellschaftliche Oberschicht. Das Ergebnis dieser ersten bekannten Marktstudie der BMW-Geschichte ist aufgrund des Produktportfolios nicht sonderlich überraschend. Die hochpreisigen und sportlichen Motorräder waren für Niedrigverdiener unerschwinglich, weshalb dieser Personenkreis auf Kleinkrafträder auswich. Auf der anderen Seite erwarben gut verdienende Berufsgruppen aus der gehobenen Mittel- oder gar Oberschicht vor allem Automobile und allenfalls zusätzlich noch ein Motorrad. Tab. 17: Käufer von BMW-Motorrädern nach Berufsgruppen, 1928 Berufsgruppe Kaufleute Handwerker Mittlere Beamte Mechaniker Landwirte Ingenieure Freie Berufe Studenten Fabrikanten Behörden Sonstige Höhere Beamte Geistliche
Anteil am BMW Motorradabsatz 27,2% 14,7% 9,5% 9,3% 7,3% 5,5% 5,3% 4,4% 3,8% 3,7% 3,4% 2,9% 2,3%
Quelle: Rundschreiben Nr. 81 der BMW-Werbeabteilung vom 5. 11. 1928, StadtAM NL Hans Hirschhorn 6.
Die große Zurückhaltung bei Neuanschaffungen, die seit Beginn der Weltwirtschaftskrise herrschte, wollte BMW auch durch neue Finanzierungsangebote überwinden. Dabei nutzte man wie viele andere Fahrzeughersteller Ratenzahlungsmodelle. Diese Form der Absatzfinanzierung wurde zunächst von amerikanischen Fahrzeugproduzenten eingeführt. Seit Mitte der 1920er Jahren boten deutsche Hersteller von Automobilen und Motorrädern eben216
Becker, S. 210–211.
5.2. Motorradbau
173
falls Ratenfinanzierung für ihre Produkte an.217 So wurden in den Jahren 1928 und 1929 rund 70% aller Neuwagenkäufe durch den Abschluss von Ratenzahlungsverträgen finanziert. BMW setzte erst in der 1929 einsetzenden Absatzkrise verstärkt auf diese Möglichkeit. Allerdings blieb es weiterhin die Regel, dass die Kunden bei Vertragsabschluss den vollen Kaufpreis sofort entrichteten. Im Sommer 1930 wurden immer noch 85% der BMW-Fahrzeuge bar bezahlt.218 Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass aus Furcht vor einer Inflation „viele Leute die Flucht aus Sparbüchern in Motorräder angetreten hatten“219. Letztlich nahmen die Kunden die Möglichkeit zur Ratenzahlung nur in geringem Umfange an. Dies entspricht einem allgemeinen Trend, nach dem die deutsche Fahrzeugindustrie während der Weltwirtschaftskrise weniger Produkte auf Basis von Ratenzahlungsverträgen verkaufte. Die guten Konditionen, die BMW den eigenen Händler bot, konnten dem nicht entgegenwirken.220 Während die Händler bereits von der Anzahlung des Kunden einen Großteil ihrer Provision erhielten, standen erst die übrigen Raten BMW zu, wodurch das Unternehmen das Hauptrisiko bei einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit des Käufers trug. Eine Besonderheit des Ratenzahlungsmodells bei BMW war, dass das Unternehmen nicht mit einem Finanzinstitut kooperieren musste, wozu die meisten anderen deutschen Fahrzeughersteller wegen ihrer geringen Kapitalreserven gezwungen waren.221 In der Weltwirtschaftskrise, die den Kunden eine mehrjährige Vorausplanung unmöglich machte, war das Ratenzahlungsmodell jedoch nicht geeignet, den Absatz in nennenswerter Weise zu beeinflussen. Die Möglichkeiten, den Absatz durch neue Produkte oder attraktive Zahlungsmodelle auszuweiten, waren begrenzt. Um den Umsatz der Motorradsparte dennoch zu verbessern, versuchte man den Wertschöpfungsanteil bei bereits ausgelieferten Motorrädern zu erhöhen. Dabei setzte BMW wie die meisten anderen Fahrzeughersteller vor allem auf den Aufbau eines Kundendienstes, der nicht nur als vertriebsunterstützende Maßnahme, sondern auch als Einnahmequelle gesehen wurde.222 Reparatur und Wartung der verkauften Motorräder boten die BMW-Händler ihren Kunden seit 1923 an. Im April 1931 wurde aber ein verpflichtender Kundendienst eingeführt.223 Neukunden erhielten nun jeweils ein Serviceheft mit Gutscheinen, die zu einem Kundendienst berechtigten und zu vorgeschriebenen Zeitpunkten eingelöst 217
Edelmann, S. 100 ff. sowie Becker, S. 223–229. Aktennotiz von Stauß zur BMW-Generalversammlung vom 1. 7. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 307–308. 219 Mitteilung von Stauß vom 31. 8. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 255. 220 Rundschreiben Nr. 21a der BMW-Werbeabteilung vom 24. 7. 1930 sowie MotorradRatenzahlungs-Liste vom 1. 3. 1931, BArchB R8119F / P3119, Bl. 54 sowie Bl. 150 ff. 221 Becker, S. 226 sowie Edelmann, S. 101. 222 Becker, S. 217–223. 223 Rundschreiben Nr. 102a der BMW-Verkaufsabteilung vom 19. 2. 1932, BarchB R8119F / P3119, Bl. 260. 218
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
werden mussten. Andernfalls gewährte BMW keinerlei Garantie mehr. Der Erlös aus den Kundendiensten kam zwar in erster Linie den Händlern zugute, BMW verdiente jedoch an kostenpflichtigen Schulungen für das Werkstattpersonal oder am Verkauf von Spezialwerkzeug.224 Allerdings machte man den eigenen Händlern selbst Konkurrenz und bot Winterüberholungen im Münchner Werk bzw. in der Berliner Niederlassung an. BMW wollte sich so den Umstand zunutze machen, dass in den Wintermonaten wegen der schlechten Witterung die meisten Motorräder stillgelegt wurden. Große Verdienstmöglichkeiten eröffneten sich durch das Wartungs- und Kundendienstgeschäft nicht. Viele Reparaturen führten die Besitzer selbst durch oder nutzten hierfür keine BMW-Werkstätten. Die Einführung eines Kundendienstes mit einheitlichen Standards bei allen BMW-Händlern konnte letztlich nur die Kundenorientierung verbessern, führte aber nicht zur erhofften Steigerung der Verkaufszahlen. Einer der wichtigsten Faktoren zur Steuerung des Absatzes war der Preis. Eine Betrachtung des Preisindex für Motorräder auf dem deutschen Markt zeigt, dass dieser seit Mitte der 1920er Jahre kontinuierlich sank (vgl. Abb. 10). Dies war zum einen durch Verschiebungen innerhalb des Marktes hin zu billigen Kleinmotorrädern bedingt, andererseits jedoch durch tatsächliche Preissenkungen. Neben einem intensiven Wettbewerb waren hierfür vor allem Rationalisierungseffekte in den Fabriken verantwortlich. BMW senkte ebenfalls die Preise. Insbesondere in der Weltwirtschaftskrise hoffte man, auf diese Weise eine Steigerung der Verkaufszahlen zu erreichen.225 Die gravierenden Veränderungen, die infolge der Weltwirtschaftskrise seit 1929 auf dem deutschen Motorradmarkt vonstatten gingen, ließen einen für alle Anbieter ruinösen Preiskampf befürchten. Hierzu kam es nicht, weil sich Industrie und Händler zu Kartellen zusammenschlossen. Im Sommer 1930 gründeten zunächst alle deutschen Motorradhersteller die Vereinigung deutscher Motorradfabriken (VDM). Aufgabe des VDM als Konditionenkartell war „die Festsetzung für ganz Deutschland von einheitlichen Höchstrabatten für Händler […], von einheitlichen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, einheitlichen Bedingungen für Nachlässe, Kassenkonti, Konsignationsbedingungen, einheitlicher Behandlung von Vertretungsverträgen, einheitlichen Bedingungen für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen, Reklame mit denselben und Handhabung des Ausstellungswesens, Austausch von Erfahrungen und Fabrikationsprogrammen“226. Der VDM sollte in umfassender Weise den deutschen Motorradmarkt ordnen, was durch den Beitritt aller bedeutenden deutschen Motorradfabriken auch gelang. Gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Stauß erklärte BMW-Generaldirektor Popp, dass 224
Rundschreiben der BMW-Verkaufsabteilung Nr. 14b vom 1. 5. 1930, Nr. 33a vom 24. 10. 1930 sowie Nr. 133a vom 3. 11. 1932, ebenda, Bl. 97 sowie Bl. 367. 225 Rundschreiben Nr. 4a der BMW-Verkaufsabteilung vom 26. 2. 1930, ebenda, Bl. 3. 226 Popp an Stauß vom 8. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 12.
175
5.2. Motorradbau
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
Abb. 10: Preisindex für Motorräder auf dem deutschen Markt, 1925–1931 Quelle: Braun/Panzer, S. 44 sowie Gömmel/Braun, S. 174.
die Festsetzung von Preisen nicht Gegenstand des Kartells wäre. Allerdings konnte das Kartell Fristen von bis zu vier Monaten festlegen, in denen die Mitglieder keine Preisänderungen ihrer Produkte vornehmen durften. Damit übte die VDM de facto eine Preiskontrolle aus. Deutlich erkennbar wurde dies im Zuge einer Preiserhöhung für alle BMW-Motorräder zum 8. 8. 1932, die nicht nur in Abstimmung mit dem VDM erfolgte, sondern in gleichem Maße von allen übrigen Motorradfabriken vollzogen wurde.227 Da die Industrie allein keine vollständige Marktkontrolle ausüben konnte, bildeten die Unternehmen der VDM mit den drei Motorradhändlerverbänden ein weiteres Kartell.228 Als ausschließlicher Zweck dieses Zusammenschlusses, der den Namen Überwachungsausschuss der Motorradwirtschaft (Übamo) trug, wurde „der Preisschutz und die Bekämpfung des Stubenhandels“229 angegeben. Aufgabe des Kartells war es, die Händler vor Konkurrenz durch Privatpersonen zu schützen und zudem das Preisniveau stabil zu halten. Um eine flächendeckende Einhaltung zu gewährleisten, musste jeder Händler ein Revers unterschreiben, in dem er die Kartellbestimmungen akzeptierte. Falls ein Händler seine Unterschrift verweigerte, wurde ihm ange227
Rundschreiben Nr. 125a der BMW-Verkaufsabteilung vom 2. 8. 1932, BArchB R8119F / P3119, Bl. 346. 228 Rundschreiben der VDM vom September 1930, ebenda, Bl. 72. 229 Merkblatt für die Einholung von Reversen und Fragebogen aufgestellt vom Übamo, ebenda, Bl. 119.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
droht, dass sämtliche deutschen Motorradhersteller die Geschäftsbeziehungen zu ihm abbrechen würden. Aufgrund dieser harten Sanktionsdrohung und der großen Marktmacht des Übamo konnte das Kartell seine Positionen leicht durchsetzen. Welch großen Druck die Kartelle auf Händler wie Unternehmen ausüben konnten, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1932, als die F.N. Motorengesellschaft mbH in Berlin aus der VDM austrat. BMW schrieb daraufhin in Abstimmung mit VDM und Übamo alle Händler an, um über den Austritt zu informieren. In dem Schreiben erklärte BMW im Namen der VDM, dass die Händler mit der F.N. Motorengesellschaft mbH zwar weiterhin Geschäfte machen könnten, sich jedoch im Klaren sein müssen, dass sie „von den übrigen Vertragsfirmen, die Sie vertreten, nur noch die Hälfte des Rabattsatzes erhalten.“230 Da die meisten Händler mehrere Marken führten und der VDM die gesamte deutsche Motorradindustrie repräsentierte, war diese Drohung äußerst wirkungsvoll.231 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der BMW-Motorradbau, der trotz guter Exportzahlen vor allem auf den Inlandsabsatz angewiesen war, eine ähnliche Entwicklung wie die übrige deutsche Motorradindustrie nahm. BMW profitierte zunächst vom boomenden deutschen Motorradmarkt. In der Weltwirtschaftskrise sah man sich aber mit sinkenden Verkaufszahlen konfrontiert, als das Marktsegment der schweren Motorräder einbrach. Daraufhin versuchte sich BMW mit der R 2 auf dem immer noch wachsenden Markt für Kleinkrafträder zu etablieren, war dabei jedoch nur teilweise erfolgreich. Dennoch erwies sich der Motorradbau während der Weltwirtschaftskrise als stabilste BMW-Produktsparte und erwirtschaftete sogar kleine Gewinne. Die große Bedeutung der BMW-Motorräder für das Unternehmen zeigte sich 1931, als der Flugmotorenabsatz dramatisch zurückging. Ab diesem Zeitpunkt war die Hauptbeschäftigung des BMW-Werks in München der Motorradbau, der zuvor lediglich die Funktion eines Hilfsbetriebs gehabt hatte, um die in der Flugmotorenproduktion anfallenden Unkosten zu minimieren. Das BMW-Motorradprogramm wurde entsprechend von Beginn an auf den Fertigungsverbund mit dem Flugmotorenbau ausgerichtet. Eine Massenproduktion von Kleinkrafträdern war nicht möglich, weil die Produktion durch hochwertigen Werkzeugmaschinen und qualifizierte Facharbeiter aus der Flugmotorenfertigung erfolgen musste. BMW baute deshalb hubraumstarke Motorräder, deren teure Produktion sich nur lohnte, weil der Flugmotorenbau einen Teil der anfallenden Unkosten trug. Der Produktionsverbund mit dem Flugmotorenbau war die zentrale Aufgabe der BMW-Motorradfertigung in der Weimarer Republik. Dennoch wäre es falsch, die Motorradproduktion einzig aus diesem Blickwinkel zu betrachten, da sich BMW hier dauerhaft ein eigenständiges und gewinnbringendes 230
Rundschreiben Nr. 128a der BMW-Verkaufsabteilung vom 21. 9. 1932, ebenda, Bl. 357. 231 Popp an Stauß vom 8. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 12
5.3. Automobilbau
177
Geschäftsfeld aufbaute. Damit verfügte das Unternehmen über ein zweites Standbein, das sich bei Umsatzeinbrüchen im Flugmotorenbau wie während der Weltwirtschaftskrise oder nach Ende des Zweiten Weltkriegs bewährte. Der Motorradbau war auch der Einstieg von BMW in das Endkundengeschäft. Zuvor hatte man lediglich Flugmotoren an staatliche Institutionen bzw. während der Demobilmachung Einbaumotoren an andere Fahrzeughersteller verkauft. Erst mit der Aufnahme der Motorradproduktion im Jahr 1923 musste ein Händlernetzwerk aufgebaut und gepflegt werden. Ebenso bestand nun die Notwendigkeit, beispielsweise durch die Teilnahme an Rennsportveranstaltungen, Produktwerbung zu betreiben. Die Motorradabteilung bereitete damit den Weg für die Aufnahme einer Automobilfertigung.
5.3. Automobilbau 5.3.1 Der deutsche Automobilmarkt in der Weimarer Republik Vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich im Deutschen Reich bereits ein Automobilmarkt, auf dem sich bedeutende Firmen wie der Daimler-Motoren-Gesellschaft mbH oder die Adam Opel GmbH als Hersteller etablierten.232 Die Kunden stammten zunächst vornehmlich aus der Oberschicht, da sich nur dieser Personenkreis die teuren in Einzelfertigung produzierten Fahrzeuge leisten konnte. Die Konzentration auf die Oberklasse war charakteristisch für den europäischen Automobilmarkt bis 1914. In den USA hingegen produzierte die Ford Motor Company seit 1908 unter der Bezeichnung Model T ein Fahrzeug, das sich bis 1927 mehr als fünfzehnmillionenmal verkaufte.233 Die Einführung des Fließbandes ermöglichte diese hohen Produktionszahlen und führte gleichzeitig zu einem niedrigen Verkaufspreis, der Automobile auch für weite Kreise der Mittelschicht erschwinglich machte. In der Zwischenkriegszeit wurde Ford zum Vorbild für große Teile der europäischen Automobilindustrie, die durch Kopieren der Fordschen Methoden an den Erfolg der Amerikaner anzuknüpfen versuchte. Insbesondere der deutsche Automobilmarkt wies aber eine Reihe von Besonderheiten auf, die einem einfachen Transfer des amerikanischen Erfolgsmodells im Weg standen. Nach Kriegsende erschwerten zunächst Demobilmachung, Rohstoffmangel und politische Unruhen die Produktion von Automobilen, die Inflationskonjunktur wirkte hingegen zumindest scheinbar zum Nutzen der Industrie. Laut Flik ist „der Automobilmarkt ein Paradebeispiel für die kurzfristig stabilisierende, langfristig aber schädliche Wirkung der Inflation auf die Wirtschaft“234. Belebend auf das Wirtschaftsleben wirkte 232 233 234
Kugler, S. 314 ff. Flik, S. 14–16 sowie S. 43 ff. Ebenda, S. 131.
178
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
die Inflation vor allem, weil sie im Inland eine Flucht in Sachwerte auslöste und wegen der niedrigen Herstellungskosten die deutschen Produkte im Ausland äußerst wettbewerbsfähig machte. Die Automobilfabriken profitierten von dieser gleichzeitigen Förderung von Inlands- und Auslandsabsatz in besonderem Maße. Dabei produzierten die Traditionsfirmen größtenteils weiter gemäß ihrem Vorkriegsprogramm Mittel- oder Oberklassefahrzeuge. Das Geschäft mit Automobilen galt als lukrativ, sodass zwischen 1919 und 1923 insgesamt 87 neue Kraftwagenmarken entstanden, die sich meist auf die Fertigung von Kleinautomobilen spezialisierten.235 Die geringe Nachhaltigkeit dieses vermeintlichen Booms und die langfristig schädlichen Wirkungen der Inflation zeigten sich daran, dass 1929 kaum eine dieser Neugründungen noch auf dem Markt präsent war. Die Inflation regte zwar kurzfristig die Nachfrage an, generierte aber keine neuen Käuferschichten für das Automobil. Letztlich bewirkte sie sogar das Gegenteil, weil ein Großteil des von der Hyperinflation hart getroffenen Mittelstands als potenzielle Käufergruppe auf Jahre hinaus ausschied. Der Export brach mit der Währungsstabilisierung ebenfalls völlig ein. Deutsche Unternehmen wurden nun durch hohe Zölle und eine äußerst starke Konkurrenz von vielen Märkten verdrängt. Die veränderte Lage nach der Währungsstabilisierung musste fast zwangsläufig zu einer Krise der Automobilindustrie führen. Eine den Absatz hemmende Steuerpolitik verschärfte die Situation sogar noch weiter. Seit 1906 wurde im Deutschen Reich eine Kfz-Steuer erhoben, die als sogenannte Stempelsteuer eine Art Gebühr für die Zulassung zum Straßenverkehr darstellte.236 Die Höhe der Steuerlast richtete sich dabei nach der PS-Leistung eines Automobils. Die Leistung wurde durch eine spezielle Formel berechnet und nicht gemessen. Durch die Einhaltung bestimmter Konstruktionsprinzipien kam es so zu beträchtlichen Unterschieden zwischen tatsächlicher und durch die Steuerformel ermittelter PS-Zahl.237 In der Regel war die tatsächliche Leistung viermal höher. Den Kunden wurde dies in den meisten Produktbezeichnungen durch die Verwendung beider Leistungsdaten kenntlich gemacht. Der BMW 3/15 PS ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Der Motor des ersten BMW-Automobils leistete 15 PS, wurde aber in die Steuerklasse für Fahrzeuge mit 3 PS eingruppiert. 1928 wurde die Berechnungsformel angepasst, wodurch eine größere Annäherung an die tatsächliche Motorleistung gelang. Neben der Kfz-Steuer lastete seit Juli 1918 auf dem Erwerb bestimmter Güter wie Pelze, Teppiche oder Pkw eine Luxussteuer in Höhe von 10% des Warenwerts.238 Diese Umsatzsteuer betrug von 1920 bis 1924 sogar 15%, ehe sie für Automobile sukzessive reduziert und am 1. 4. 1926 schließlich ganz aufgehoben wurde. Die hohe Steuerbelastung wirkte sich besonders nach der 235 236 237 238
Ebenda, S. 152 ff. Zatsch, S. 174 ff. Flik, S. 71 ff. sowie S. 86–89. Merki, S. 387–389.
5.3. Automobilbau
179
Währungsstabilisierung sichtbar negativ auf den Neuwagenabsatz aus. Zu den hohen direkten Steuern, die auf Kauf bzw. Unterhalt eines Automobils lagen, kamen in den 1920er Jahren noch weitere Abgaben etwa durch die Besteuerung der Kraftstoffe hinzu. Damit lag die Steuer- und Abgabenquote für Automobilbesitzer in Deutschland höher als in allen anderen Industrienationen. Dieser Umstand führte dazu, dass sich das Privatkundengeschäft fast ausschließlich auf die Oberschicht konzentrierte. Die Motorisierung des Mittelstandes erfolgte durch das Motorrad. Der Kundenkreis für Klein- und Mittelklassewagen umfasste hingegen vor allem Selbstständige oder Gewerbetreibende, die das Automobil für die Ausübung ihres Berufs nutzten.239 Der Absatz der deutschen Automobilindustrie beschränkte sich weitgehend auf den Inlandsmarkt, der wegen der hohen Steuerquote und geringer Kaufkraft der Kunden äußerst schwach und instabil war. Ausgeprägte saisonbedingte Nachfrageschwankungen schränkten den Absatz zudem ein. Rund 50% des Jahresumsatzes der Automobilhersteller entfiel auf die Monate März bis Juni, während in den Wintermonaten wegen der widrigen Witterung die meisten Automobile von ihren Besitzern stillgelegt wurden.240 Ein hoher Anteil von Erstkäufern machte die Pkw-Nachfrage außerdem sehr konjunkturempfindlich, weil die stabilisierende Wirkung der Ersatzbeschaffung fehlte.241 Deshalb bekamen die Hersteller krisenhafte Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft sofort zu spüren. Die jährliche Veränderung des PKWBestandes in der Weimarer Republik zeigt, dass die Automobilindustrie drei Nachfrageeinbrüche verkraften musste, die alle mit wirtschaftlichen Krisen zusammenfielen (vgl. Abb. 11). Hyperinflation, die Konjunkturkrise 1925/26 und die Weltwirtschaftskrise brachten wegen des dadurch ausgelösten Nachfragerückgangs etliche deutsche Automobilhersteller in Schwierigkeiten, die oft nur durch harte Sanierungen überwunden werden konnten.242 Trotz der zahlreichen Hemmnisse wuchs der deutsche Automobilbestand in den 1920er Jahren, wobei die Steigerungsraten deutlich hinter den übrigen großen Industrienationen zurückblieben. Die größte Furcht der deutschen Hersteller war eine Öffnung des Inlandsmarktes für ausländische, insbesondere amerikanische Fahrzeuge, die wegen einer modernen Serienproduktion wesentlich preisgünstiger waren. Die USA verfügten über den mit Abstand größten Automobilmarkt weltweit, weshalb die Industrie dort bereits den Übergang zur Serienproduktion vollzogen hatte, der in Deutschland noch ausstand. Obwohl amerikanische Arbeiter den rund 3,8fachen Stundenlohn ihrer deutschen Kollegen erhielten, produzierten die US-Automobilhersteller wesentlich kostengünstiger und mit einer deutlich höheren Produktivität. So baute statistisch ein US-Arbeiter im 239 240 241 242
Flik, S. 54. Ebenda, S. 90–91. Tessner, S. 57–58. Flik, S. 192–193.
180
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 –100.000 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 PKW-Bestand
Bestandsveränderung zum Vorjahr
Abb. 11: Entwicklung des PKW-Bestandes in Deutschland, 1920–1933 Quelle: Flik, S. 280.
gleichen Zeitraum 22,6 Fahrzeuge, in dem ein deutscher Arbeiter lediglich ein Automobil fertigstellte.243 In den 1920er Jahren drängte die US-Automobilindustrie auf die europäischen Märkte, um trotz sinkender Zuwachsraten in den USA weiterhin zu expandieren. Das Produktionsvolumen der US-Hersteller machte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Großteil der Weltproduktion aus, weshalb die europäische Automobilindustrie berechtigte Sorge vor den amerikanischen Konkurrenten hatte (vgl. Abb. 12). Der Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) wehrte sich daher nach Kräften gegen jede Verringerung von bestehenden Einfuhrzölle, die zu einer Öffnung des deutschen Automobilmarkts geführt hätte. Der größte Gegner des RDA war der Automobilhandel, der vom Vertrieb amerikanischer Wagen große Profite erwartete.244 Als schließlich die US-Regierung ebenfalls Druck auf die Reichsregierung ausübte, war eine Fortführung einer Zollpolitik im Sinne der deutschen Automobilhersteller ausgeschlossen. Am 17. 8. 1925 beschloss der Reichstag ein Automobilzoll-Gesetz, das als Kompromiss den Interessen aller Beteiligten gerecht werden sollte. Das Gesetz legte nach dem jeweiligen Fahrzeuggewicht bemessene Zölle für ausländische Fahrzeuge fest, die aber bis 1928 schrittweise abgebaut werden sollten. Damit sollte die deutsche Automobilindustrie für drei Jahre geschützt werden, um sich auf die 243 244
Tessner, S. 75 ff. Edelmann, S. 61 ff. sowie Flik, S. 162–168.
181
5.3. Automobilbau
7.000.000 6.000.000 5.000.000 4.000.000 3.000.000 2.000.000 1.000.000 0 1925
1926 USA
1927
1928
Großbritannien
1929
1930
Frankreich
1931
1932
1933
Deutschland
Abb. 12: Automobilproduktion in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland im Vergleich, 1925–1933245 Quelle: Flik, S. 291–292. 245
ausländische Konkurrenz vorbereiten zu können. Die Importzölle verhinderten jedoch keine merkliche Zunahme der Automobileinfuhren im Zeitraum von 1926 bis 1928.246 Unternehmen wie Ford, die General Motors Company oder die Chrysler Corporation bauten nämlich seit 1926 Montagewerke in Berlin, Köln und anderen Städten und nutzten das Produktionsverfahren CKD (completely knocked down), um die hohen Zölle zu umgehen. Die US-Fabriken lieferten dabei an die deutschen Montagewerke fertige Automobilteile, die bei ihrer Einfuhr wesentlich niedriger verzollt wurden als komplette Fahrzeuge.247 Gestützt auf die billige Serienproduktion in ihren Montagewerken konnten die US-Hersteller ihren Marktanteil beständig ausweiten, sodass 1928 bereits 32% aller Neuzulassungen auf amerikanische Fahrzeuge entfielen. Aufgrund dieser Entwicklung fühlte sich die deutsche Automobilindustrie in ihrer Existenz bedroht. Unter dem Schlagwort der „Amerikanischen Gefahr“ setzte sie sich intensiv mit der Konkurrenz aus Übersee auseinander, indem man unter anderem Pressekampagnen initierte oder politische Entscheidungsträger beeinflusste. 245
Statistische Erhebungen zur deutschen Automobilproduktion liegen für den Zeitraum von 1914 bis 1924 nicht vor, weshalb diese Jahre bei der Analyse unberücksichtigt bleiben. 246 Tessner, S. 134–135. 247 Flik, S. 169 ff.
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Aufgrund der Herausforderung durch die US-Automobilindustrie sahen die meisten deutschen Hersteller ihre einzige Chance darin, ebenfalls die modernen Produktionsmethoden ihrer ausländischen Konkurrenten einzuführen. Unter dem Schlagwort der Rationalisierung wurden alle diese Maßnahmen zur Produktionsoptimierung zusammengefasst und in der Zwischenkriegszeit nicht nur von den Automobilherstellern, sondern von nahezu sämtlichen deutschen Industriezweigen sehr eingehend geprüft.248 Es gab hierzu eine breite öffentliche Debatte, weil einige Unternehmer unter dem Deckmantel der Rationalisierung eine „Rückeroberung der durch Krieg und Revolution verlorenen Positionen, auf dem Weltmarkt wie zu Hause, wo man wieder Herr sein wollte“249 betrieben. Für die Automobilbranche kann dieser Beweggrund nicht ausgeschlossen werden, wichtiger erscheint jedoch der immense Druck, der durch die schier übermächtige amerikanische Konkurrenz ausgeübt wurde. Die Verantwortlichen in den Unternehmen hatten den Eindruck, dass nur durch eine rasche Anpassung der Fortbestand der deutschen Autoindustrie gesichert werden könnte. Die Vorreiterrolle, in der die Automobilhersteller bei der Rationalisierung gesehen wurden, zeigte sich durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten, die in der Zwischenkriegszeit zu diesem Thema entstanden.250 Die große Aufmerksamkeit der Wirtschaftswissenschaft stand aber im Gegensatz zur eigentlichen Bedeutung der Autoindustrie, die innerhalb der deutschen Wirtschaft eher unbedeutend war und erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer Schlüsselindustrie werden sollte. Trotz oder gerade wegen der ausufernden öffentlichen Diskussion über Rationalisierung in den 1920er Jahren fehlte schon den Zeitgenossen eine klare Begriffsdefinition. Die Methoden zur Produktivitätssteigerung beruhten in der Regel auf den beiden betriebswirtschaftlichen Theorien des Taylorismus und des Fordismus. Der Taylorismus251 wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Frederick Winslow Taylor in den USA konzipiert. Im Mittelpunkt stand bei diesem Ansatz die Steigerung der Produktivität des einzelnen Arbeiters. Durch eine verbesserte Produktionsplanung und die Analyse einzelner Arbeitsschritte mittels Zeitstudien sollten Effizienzsteigerungen erreicht werden. Einige Jahre nach dem Taylorismus wurde als neue Theorie der Fordismus postuliert, der in erster Linie die von Henry Ford in seinen Fabriken propagierten Produktionsmethoden beinhaltete, deren zentrales Element das Fließband war. Allerdings stand die große öffentliche Debatte um den Fordismus nicht unbedingt im Verhältnis zur tatsächlichen Umsetzung. 1930 gab es erst 80 000 Arbeitsplätze in Deutschland, die Teil einer Fließfertigung
248 249 250 251
Ledermann, S. 25 ff. Peukert, S. 117. Zur Rationalisionsdebatte vgl. Haußer. Kugler, S. 306. Stollberg, S. 31 ff.
5.3. Automobilbau
183
waren. Dies entsprach gerade einmal 1% aller Arbeiter, die in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten tätig waren.252 Diese Beobachtung gilt auch für die Automobilindustrie, in der die Fordschen Methoden eher schleppend umgesetzt wurden. Nach einem Bericht des DMV von 1929 hatten von 52 erfassten deutschen Automobilherstellern lediglich zwei eine vollständige Fließbandproduktion eingeführt.253 Die anderen Hersteller setzten zumeist auf eine Mischung mehrerer Produktionstechniken und stellten nur bestimmte Komponenten in Fließfertigung her. Vielfach war weiterhin die Einzel- oder Gruppenfertigung von Fahrzeugen durch gut ausgebildete Facharbeiter die Regel. Damit blieben die deutschen Automobilunternehmen überwiegend handwerklich orientierte Produktionsbetriebe.254 Bei der Einführung von Fließbändern hätte man zwar geringer qualifizierte und damit billigere Arbeitskräfte einsetzen können, aber die Lohnkosten waren kein wirklicher Wettbewerbsnachteil. Der direkte Lohnanteil an den anfallenden Unkosten betrug bei der deutschen Automobilproduktion etwa 11%, während die Materialkosten rund zwei Drittel ausmachten.255 Verantwortlich für die hohen Materialkosten waren nicht nur die in der Nachkriegszeit gestiegenen Rohstoffpreise, sondern auch die spezifische Lieferantenstruktur. Zu den wichtigsten Zulieferern der Automobilindustrie gehörten die einflussreichsten und größten Unternehmen des Deutschen Reichs wie beispielsweise die Vereinigten Stahlwerke oder die Robert Bosch GmbH. Diese Lieferanten verkörperten für sich schon eine erhebliche Marktmacht, die durch Kartellverträge mit anderen Unternehmen meist noch erhöht wurde. Damit konnten sie Preise und Abnahmebedingungen diktieren.256 Obwohl die Rationalisierung bei vielen Automobilherstellern nur langsam umgesetzt wurde, sahen die meisten Betriebe hierzu keine Alternative. Die Einführung der Massenproduktion fußte immer auf den drei aufeinander aufbauenden Prinzipien der Normierung, Typisierung und Spezialisierung, die von den einzelnen Unternehmen in unterschiedlicher Weise und Intensität umgesetzt wurden.257 Normierung beinhaltete die Vereinheitlichung von Maßen und Bauteilen. Hierdurch sollte eine leichtere Austauschbarkeit insbesondere von Kleinteilen wie Federn oder Magnetzündern erreicht werden.258 Auf die Normierung folgte als nächster Schritt die Typisierung, die sich nicht mehr auf Einzelteile, sondern auf Baugruppen oder Endprodukte bezog.259 In der Automobilindustrie wurde die Typisierung vor dem Hintergrund einer ausufernden Modell- und Typenpalette diskutiert. Die meisten 252 253 254 255 256 257 258 259
Bönig, S. 699. Deutscher Metallarbeiter-Verband, S. 35–39. Tessner, S. 71. Ledermann, S. 49 und S. 54. Edelmann, S. 60 Tessner, S. 71 ff. Ledermann, S. 66 ff. Essig, S. 30–31.
184
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Hersteller boten unzählige Karosserievarianten ihrer Fahrzeuge an. So wurde der BMW 3/15 PS als offener Zweisitzer, Tourenwagen, Limousine, KastenLieferwagen, Coupé und Cabriolet ausgeliefert. Durch diese die meisten deutschen Automobilfirmen kennzeichnende Typenvielfalt sollten alle Kundenwünsche befriedigt werden. Dafür musste man jedoch erhebliche wirtschaftliche Nachteile gegenüber der amerikanischen Konkurrenz in Kauf nehmen, die häufig nur auf einen Typ setzte und diesen kostengünstig in Fließproduktion baute. Während die Normierung noch in vielen Automobilfirmen umgesetzt wurde, war dies bei der Typisierung nur zum Teil der Fall. Zwar wurde die Typenanzahl verringert, aber aufgrund der spezifischen deutschen Nachfrage- und Marktstrukturen geschah dies nicht in ähnlich konsequenter Weise wie in den USA. Die Spezialisierung als letzter Teil der Rationalisierung bezeichnete eine „Umsetzung der Normierung und Typisierung mittels Zerlegung des Produktionsprozesses in abgrenzbare Schritte unter Einbeziehung der Zulieferindustrie“260. In diesem Schritt sollten die Firmen bestimmte Baugruppen an Unterlieferanten vergeben, die wiederum mehrere Automobilhersteller beliefern sollten. Beispielsweise sollten auf diese Weise Unternehmen zur Herstellung von Getrieben oder von Automobilrahmen entstehen. Die Spezialisierung wurde von der deutschen Automobilindustrie kaum umgesetzt. Der Regelfall blieb es weiterhin, dass jedes Unternehmen möglichst viele Bauteile im eigenen Betrieb herstellte.261 Obwohl die Rationalisierung nicht in allen Betrieben in ihrer reinsten Form von Normierung über die Typisierung bis zur Spezialisierung durchgeführt wurde, sind doch deutliche Effekte zu beobachten. So konnte der Produktionsausstoß der Automobilindustrie beständig erhöht werden und erreichte 1928 mit über 100 000 Fahrzeugen einen Rekordwert.262 Gleichzeitig zeigte die Abnahme des Preisindex für PKW um 54% im Zeitraum von 1924 bis 1930, dass tatsächliche Verbesserungen im Produktionsprozess gelungen waren.263 Preisentwicklung und Produktionssteigerung sind sicherlich positive Effekte der Rationalisierung. Viele Zeitgenossen sahen neben den erreichten Ergebnissen aber auch gravierende Nachteile, sodass sie von einer „Fehlrationalisierung“264 sprachen. Für die Umstellung auf Serienproduktion mussten die Betriebe erhebliche Summen in moderne Werkzeugmaschinen oder Fließbänder investieren. Wegen der geringen Eigenkapitaldecke konnten sie die Mittel für diese Investitionen in der Regel nur durch Kreditaufnahmen beschaffen.265 Daher war die Überschuldung ein Kennzeichen der deutschen Automobilindustrie in den 1920er Jahren. Die modernen Produk-
260 261 262 263 264 265
Tessner, S. 72. Essig, S. 31 ff. sowie Ledermann, S. 70. Edelmann, S. 92. Tessner, S. 89–94. Ledermann, S. 1. Ebenda, S. 25–46 und S. 93–96.
5.3. Automobilbau
185
tionsanlagen erhöhten die Kapazität der meisten Hersteller um ein Vielfaches. Allerdings wuchs der Markt nicht in gleichem Maße, sodass alle Hersteller mit Überkapazitäten zu kämpfen hatten. Selbst im scheinbaren Erfolgsjahr 1928 waren die Anlagen der deutschen Automobilindustrie im Schnitt nur zu knapp 55% ausgelastet.266 Die neuen Produktionsanlagen erforderten jedoch nicht nur beträchtliche Anfangsinvestitionen, sondern generierten auch im Betrieb hohe Fixkosten, die sich nur bei einem guten Auslastungsgrad amortisierten. Da die Nachfrage letztlich zu gering war, machten die meisten Hersteller trotz Rationalisierung weiterhin Verluste. Es konnte somit leicht der Eindruck entstehen, dass „der eigentliche Zweck der Rationalisierung, eine Gewinnsteigerung, nicht erreicht hatte werden können“267. Allerdings blieb der deutschen Automobilindustrie vor dem Hintergrund der amerikanischen Konkurrenz gar keine Wahl. Die Rationalisierung muss so viel eher als rationales Marktverhalten gedeutet werden, zu dem es keine Alternative gab und das sich in den 1930er Jahren schließlich sogar als gewinnbringend herausstellen sollte.268 Die krisenhaften 1920er Jahren brachten im Entwicklungsbereich ebenfalls eine ganze Reihe von zentralen technischen Innovationen wie den Vorderradantrieb, den Leichtmetallkolben oder die freitragende Karosserie hervor.269 Daher war diese Dekade entscheidend für die deutsche Automobilindustrie, da in Entwicklung und Produktion zukunftsweisende Technologie diskutiert und umgesetzt wurden. 5.3.2 Der Erwerb der Fahrzeugfabrik Eisenach Nachdem Camillo Castiglioni 1922 erstmals eine Verbindung zwischen Austro-Daimler und BMW geplant hatte270, stellte die BMW-Unternehmensführung immer wieder Überlegungen zu einem Engagement im Automobilbau an. Zunächst hatte jedoch die Aufnahme einer Flugmotoren- und Motorradproduktion Priorität. Erst 1924 dachte BMW-Generaldirektor Popp wieder über eine eigene Automobilfertigung nach. In einem Artikel in der Fachzeitschrift „Motor“ präsentierte er allgemeine Überlegungen zum Automobilbau in Deutschland.271 Dabei griff er zu Beginn die staatliche Steuerpolitik an, in der er ein Haupthindernis für die Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten sah. In einem nächsten Schritt verglich Popp den amerikanischen und den deutschen Automobilmarkt. Als Hauptunterschiede machte er die wesentlich höhere Kaufkraft der US-Bürger und die kostengünstigere Massenproduktion der Industrie aus. Die deutsche Autoindustrie befand sich hingegen in
266 267 268 269 270 271
Tessner, S. 35. Ledermann, S. 28. Tessner, S. 205. Flik, S. 203–204. Vgl. S. 96–97. Popp: Automobilisierung.
186
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
einem Teufelskreis. Wegen der geringeren Kaufkraft der deutschen Konsumenten würde selbst eine Großserienproduktion, wie sie Ford in Detroit aufgebaut hatte, trotz der billigen Endprodukte keinen hohen Absatz finden. Daher konnten die deutschen Hersteller nur kleinere Stückzahlen produzieren und verkaufen, wodurch wiederum die Entstehungskosten pro Automobil stiegen. Höhere Produktionskosten führten zwangsläufig zu Preissteigerungen, sodass die potenzielle Käuferschicht klein blieb. Vor dem Hintergrund dieser Analyse berechnete Popp den zukünftigen Jahresbedarf an Neuwagen in Deutschland auf 200 000 Einheiten, was rückblickend etwas optimistisch erscheint (vgl. Abb. 11).272 Eine große Bedeutung maß Popp abschließend dem Motorrad bei, da es billiger als das Automobil und daher eine wirkliche Option für die Umsetzung einer Massenmotorisierung war. In einem späteren Artikel aus dem Jahr 1931 schärfte Popp seine Thesen nochmals, wobei er die aktuelle Situation auf dem Automobilmarkt wegen der gesunkenen Kaufkraft als sehr schlecht beurteilte.273 Für die breite Masse der Bevölkerung sah er die Möglichkeit zur Motorisierung nun neben dem Motorrad vor allem im Omnibus. Die Ausführungen Popps entsprangen nicht nur einem theoretischen Interesse, sondern gingen mit konkreten Plänen zur Vorbereitung einer eigenen BMW-Automobilproduktion einher. So verhandelte man 1924 mit dem deutschen Vertreter der Austin Motor Company über eine Lizenz für den englischen Kleinwagen Austin Seven.274 Das Geschäft kam nicht zustande, da BMW zu diesem Zeitpunkt über zu wenig Kapital verfügte. Stattdessen kooperierte man mit der Schwäbischen Hütten Werke GmbH (SHW).275 Wunibald Kamm entwickelte dort Versuchsautomobile, die sich durch eine Aluminiumkarosserie und einen speziellen Vorderradantrieb auszeichneten. BMW erwartete sich aus dieser Zusammenarbeit vor allem Aufträge als Motorenlieferant. Beim Aufbau der Prototypen erwies sich die Konstruktion der SHW-Wagen jedoch als zu komplex, sodass an eine lukrative Serienproduktion nicht zu denken war. Daraufhin zogen sich BMW und SHW aus dem Projekt zurück. Das Scheitern der Kooperation mit SHW bedeutete nicht das Ende aller Automobilbaupläne. Zum 1. 10. 1925 stellte BMW mit Gotthilf Dürrwächter einen Leiter für die neu eingerichtete Abteilung Chassis-Konstruktion ein.276 Damit nahm man selbst die Entwicklung von Automobilen auf. Dürrwächter war zuvor bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft tätig gewesen, wo er die Bekanntschaft von Max Friz gemacht hatte.277 BMW holte mit Dürrwächter 272
Flik, S. 56. Popp: Automobil. 274 Popp an Weichsel vom 4. 12. 1928, BArchB R8119F / P3080, Bl. 406–407. 275 Simons/Zeichner, S. 68–73. 276 BMW an Dürrwächter vom 13. 7. 1925, BMW XA 9. 277 Gruppenfoto zur Verabschiedung von Max Friz bei der Daimler Motorengesellschaft von 1916, BMW UF 1064/1. 273
5.3. Automobilbau
187
einen ausgewiesenen Fachmann, der bis 1929 unter den Projektbezeichnungen F 50, F 65 und F 70 einen Groß-, einen Mittel- und einen Kleinwagen entwickelte.278 Von allen drei Modellen wurden aber nur Prototypen angefertigt. Offenbar wollte die Unternehmensleitung noch nicht in den krisengeschüttelten Automobilmarkt einsteigen. Ein wichtiger Grund für diese Entscheidung war mit Sicherheit die noch unzureichende Kapitalausstattung des Unternehmens. BMW verfügte 1922 nach dem Kauf durch Castiglioni über keine Reserven oder Rücklagen und musste quasi wieder bei null beginnen.279 Das gut laufende Motorrad- und Flugmotorengeschäft brachte jedoch seit 1923 jährlich hohe Gewinne, sodass sich die finanzielle Lage des Unternehmens stetig verbesserte. Aufgrund dieser Entwicklung entschloss sich die Unternehmensführung 1928 zur Aufnahme einer eigenen Automobilproduktion. Um rasch auf dem Markt Fuß zu fassen, entschied man sich gegen einen Aufbau von Produktionsanlagen in München, sondern erwarb mit der Fahrzeugfabrik Eisenach ein komplettes Automobilwerk. Die Fahrzeugfabrik Eisenach AG gehörte zu den traditionsreichsten deutschen Automobilherstellern. Sie wurde am 3. 12. 1896 gegründet und produzierte zunächst Militärfahrzeuge und Fahrräder.280 Bereits zwei Jahre später wurde als weitere Produktsparte der Automobilbau aufgenommen. Seit 1904 verkaufte man die gefertigten Fahrzeuge unter dem Markennamen DIXI. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges musste sich das Unternehmen ebenfalls der Demobilmachung stellen, wobei die Ausgangssituation nicht schlecht war. Zum einen profitierte man von der Inflationskonjunktur, die in besonderem Maße den Automobilverkauf förderte. Zum anderen gehörte die Fahrzeugfabrik Eisenach zu den wenigen deutschen Firmen, denen es die Alliierten gestatteten, nach 1918 Gerätschaften für die Reichswehr zu fertigen. Die Herstellung von Heeresgerät war nicht nur lukrativ, sondern erlaubte auch eine langfristige Planung, da mit der Reichswehr Verträge abgeschlossen wurden, die jährliche Bestellungen über einen langen Zeitraum festschrieben.281 Am 31. 5. 1921 übernahm die Gothaer Waggonfabrik AG nach Abschluss eines Fusionsvertrags die Eisenacher Fahrzeugfabrik.282 Spätestens mit der Währungsstabilisierung endeten schließlich die Gewinne des Eisenacher Unternehmensteils, sodass die Gothaer Waggonfabrik fortan die verlustbringende Tochterfirma finanzierte. Nach dem Tod des Eigentümers Kandt im Jahr 1926 musste sich schließlich das Gesamtunternehmen existenziellen Herausforderungen stellen. Durch das Ausbleiben von Reichsaufträgen geriet der 278
Simons/Zeichner, S. 74–91. Vgl. S. 94 ff. 280 Stück/Reich, S. 9 ff. sowie Die Entwicklung der Fahrzeugfabrik Eisenach, BMW UA 2. 281 Vgl. S. 202 ff. 282 Prospekt zum Umtauch der Aktien der Fahrzeugfabrik Eisenach in Aktien der Gothaer Waggonfabrik Aktiengesellschaft vom 9. 7. 1921, ThHStA Weimar Deutsche Bank 269. 279
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5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Gothaer Unternehmensteil ebenso in die Krise wie der durch den Konjunktureinbruch 1925/26 getroffene Automobilbau in Eisenach.283 Die notwendige Sanierung der Firma übernahm als Hauptgläubiger und Großaktionär die Disconto-Gesellschaft. Dabei setzten Bank und Unternehmen auch auf die öffentliche Hand. Am 15. 9. 1926 erklärte der Generaldirektor der Gothaer Waggonfabrik gegenüber Vertretern der Städte Gotha und Eisenach, dass „nach der neuesten Entwicklung in den letzten Tagen die Lage der beiden Fabriken furchtbar ernst sei und eine zur vollständigen Stilllegung führende Krisis nur durch eine schnelle weitgehende finanzielle Hilfe des Landes Thüringen und der Städte Gotha und Eisenach abzuwenden sei“284. Der Druck auf die Städte war immens, da beiden der Verlust ihres jeweils größten Arbeitgebers durch Konkurs drohte. In den Monaten zuvor hatten sich die Schwierigkeiten bereits angekündigt, als etwa die Belegschaftsstärke der Eisenacher Fabrik im Lauf des Jahres 1926 von 2900 auf 1400 Personen sank.285 Wie schlimm es um das Unternehmen wirklich stand, zeigte schließlich ein Prüfbericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG, der als Grundlage für eine Unternehmenssanierung dienen sollte. Allein zwischen Januar und Oktober hatte die Gesellschaft 5 Mio. RM Schulden gemacht, zu denen noch weitere 10 Mio. RM bereits bestehende Verbindlichkeiten hinzukamen.286 Banken und Städtevertreter waren sich einig, dass allein durch den Zuschuss weiterer Finanzmittel das Unternehmen nicht zu retten wäre. Die Gesellschaft konnte nur gemeinsam mit einem industriellen Partner neu aufgebaut werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Gothaer Waggonfabrik Theodor Frank präsentierte für diese Aufgabe den Industriellen Jakob Schapiro, dessen Fähigkeiten er in höchsten Tönen lobte. „Für wichtig aber halte er [Theodor Frank] besonders, dass der bekannte Automobilfachmann Schapiro, ein genialer Organisator, die Sanierung selbst in die Hand nehmen wolle […].“287 Rückblickend erscheint diese Einschätzung schwer nachvollziehbar. Schapiro, der 1885 in Odessa geboren wurde und erst 1918 nach Berlin gelangte, war wie Castiglioni ein Spekulant, der die Inflationsjahre nutzte, um ein Vermögen anzuhäufen.288 Er konzentrierte sich von Anfang an vornehmlich auf die Automobilbranche. Zunächst lediglich Besitzer einer Fahrschule erlangte er binnen weniger Jahre die Kontrolle über eine Reihe von Unternehmen und besaß seit 1922 sogar 40% der Aktien der Benz & Cie. AG. Beim Aufbau seines Automobilimperiums wandte er durchaus dubiose 283
Fisch S. 8–9. Zusammenfassung einer Unterredung von Generaldirektor Hoppe mit Vertretern der Städte Gotha und Eisenach vom 15. 9. 1926, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11–911. 285 Dringlichkeits-Antrag des Stadtrats Eisenach vom 9. 9. 1926, ebenda. 286 Plan für eine Sanierung der Gothaer Waggonfabrik AG vom 18. 10. 1926, ebenda. 287 Protokoll einer Besprechung der Vertreter der Städte Eisenach und Gotha mit Banken-Vertretern vom 13. 10. 1926, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11-703-4. 288 Simsa, S. 32–35 sowie Maurer, S. 52 ff. 284
5.3. Automobilbau
189
Geschäftspraktiken an, weshalb die Deutsche Bank bei der Fusion von Benz & Cie mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft im Jahr 1926 Schapiro mit großer Vorsicht begegnete.289 Trotz seines Geschäftsgebarens scheint Schapiros Leumund lange Zeit in Finanz- und Unternehmerkreisen durchaus passabel gewesen zu sein. Erst mit dem Zusammenbruch seiner Firmen seit 1928 zeigte sich seine höchst spekulative und unseriöse Geschäftspolitik. 1926 war diese Entwicklung aber noch nicht absehbar, weshalb DiscontoGesellschaft und die Städte Gotha bzw. Eisenach Schapiro eine zentrale Rolle bei der Sanierung der Gothaer Waggonfabrik zugestanden. Das Sanierungskonzept290 sah zunächst eine Zusammenlegung des Aktienkapitals von 7,5 Mio. RM im Verhältnis 1 zu 4 vor. Für Bankschulden in Höhe von 7 Mio. RM akzeptierten die Geldinstitute neue Aktien der Gothaer Waggonfabrik im Wert von 3,3 Mio. RM, während die restlichen Schulden in langfristige Kredite zu günstigen Zinssätzen gewandelt wurden. Schapiro wiederum brachte die Cyklon Maschinenfabrik GmbH ein, die mit der Gothaer Waggonfabrik fusionierte. Als Gegenwert erhielt Schapiro Aktien im Wert von 1,8 Mio. RM. Um die Liquidität der Gesellschaft sicherzustellen, gewährten Banken sowie die Städte Eisenach und Gotha jeweils einen Kredit von 2 Mio. RM. Dieser Plan sanierte kurzfristig die Gothaer Waggonfabrik und die zugehörige Eisenacher Fahrzeugfabrik. Eine dauerhafte Gesundung war durch den schwierigen deutschen Automobilmarkt und die dubiosen Geschäftspraktiken von Schapiro unmöglich. 1928 geriet Schapiro in finanzielle Schwierigkeiten und musste sogar seine Aktienanteile an der Daimler-Benz AG verpfänden.291 Dies fachte innerhalb der deutschen Automobilindustrie eine Diskussion weiter an, deren Ziel die Schaffung eines Auto-Trusts war. Die Bildung von Kartellen und Zusammenschlüssen war in der deutschen Wirtschaft der 1920er Jahre ein gängiges Rezept, um auf Herausforderungen zu reagieren. In der Automobilbranche wollte man durch eine enge Kooperation der Hersteller ein schlagkräftiges Gegengewicht zur übermächtigen amerikanischen Konkurrenz schaffen. Mehrere Akteure bemühten sich, bei der Bildung eines solchen Auto-Trusts die leitende Rolle zu übernehmen. Großes Engagement zeigte dabei Jakob Goldschmidt, führender Mann bei der Darmstädter- und Nationalbank (DANAT), die nicht nur eine Option auf die von Schapiro verpfändeten Daimler-Benz-Aktien besaß, sondern auch an den Automobilunternehmen Adlerwerke AG, Hansa-Lloyd-Werke AG und Nationale AutomobilGesellschaft AG (NAG) beteiligt war.292 Für seine Fusionspläne versuchte
289
Thieme, S. 67–69 sowie Flik, S. 213–215. Sanierungskonzept für Gothaer Waggonfabrik vom 27. 10. 1926, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11-703-4 sowie Sanierungsbilanz der Gothaer Waggonfabrik von 1926, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11-911. 291 Thieme, S. 119. 292 Feldman: Die Deutsche Bank und die Autoindustrie, S. 8. 290
190
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Goldschmidt im Juli 1928 die Deutsche Bank zu gewinnen, die Großaktionär bei Daimler-Benz und BMW war und damit ebenfalls großen Einfluss auf die deutsche Fahrzeugindustrie hatte. Wegen der Rivalitäten zwischen den beteiligten Personen vonseiten der DANAT und der Deutschen Bank scheiterten die Gespräche bereits im Ansatz. Seit September 1928 verhandelte die Deutsche Bank schließlich mit dem Familienunternehmen Adam Opel GmbH, das in den 1920er Jahren wohl der einzige profitable deutsche Automobilhersteller war.293 Die Brüder Wilhelm und Fritz Opel verschleppten aber die Verhandlungen und entschieden sich schließlich im Frühjahr 1929 für einen Verkauf von 80% ihrer Unternehmensanteile an die General Motors Company. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren alle realistischen Pläne für einen deutschen Auto-Trust Makulatur, da alle anderen Hersteller in teils erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. BMW-Generaldirektor Popp formulierte dies recht drastisch, als er schrieb: „Lahme werden nicht gehend und Blinde nicht sehend, wenn man auch noch so viel von ihnen zusammenschließt.“294 Die Planungen zu einem deutschen Auto-Trust hatten durchaus Einfluss auf die Entscheidungsfindung, ob BMW in den Automobilmarkt einsteigen sollte. Die drei zentralen Akteure Castiglioni, Stauß und Popp wollten eine Beteiligung von BMW an einem Auto-Trust. Immerhin beschäftigte sich das Unternehmen ja bereits seit mehreren Jahren mit der Entwicklung eigener Automobile und war neben Opel die einzige liquide deutsche Fahrzeugfabrik. Außerdem hatte sich der BMW-Aktienkurs seit 1926 sehr positiv entwickelt. Aufgrund dieser Sachlage wollte Jakob Goldschmidt BMW als Auffanggesellschaft bei der Bildung eines Auto-Trusts.295 Vorstand und Aufsichtsrat von BMW waren diesem Plan nicht abgeneigt. Im Rahmen der Planungen zu einem Auto-Trust entschied sich BMW schließlich zum Einstieg in den Automobilbau und übernahm die Fahrzeugfabrik Eisenach. BMW nutzte die Gelegenheit zur Aufnahme von Verhandlungen, als der bisherige Eigentümer Schapiro in Finanzschwierigkeiten geriet. Am 14. 11. 1928 wurde der Kaufvertrag abgeschlossen.296 Rückwirkend zum 1. 10. 1928 wurde die Fahrzeugfabrik Eisenach mit allen Aktiva und Passiva auf Rechnung von BMW übertragen. Obwohl BMW hohe Schulden übernehmen musste, die in zwei langfristige Kredite in Höhe von rund 8 Mio. RM umgewandelt wurden, erschien der Verkauf vielversprechend, weil man in alle bestehenden Verträge eintrat.297 Dies bezog sich zum einen auf die mit der Reichswehr abgeschlossenen Lieferabkommen für Heeresgerät, 293
Flik, S. 183–186. Popp an Stauß vom 26. 3. 1929, BArchB R8119F / P3198, Bl. 194–198. 295 Schreiben an Theodor Frank vom 25. 7. 1928, HADB S0852. 296 Vertrag zwischen der Gothaer Waggonfabrik AG und der BMW AG vom 14. 11. 1928, BMW UA 743. 297 BMW Geschäftsbericht 1928, BMW UU 8/10 sowie Bericht des Vorstandes vom April 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 35. 294
5.3. Automobilbau
191
zum anderen auf ein Lizenzabkommen mit der Austin Motor Company. Seit 1926 produzierte die Fahrzeugfabrik Eisenach durchaus erfolgreich einen Kleinwagen unter der Bezeichnung Dixi 3/15 PS, der auf den Plänen des englischen Automobils Austin Seven basierte. BMW konnte durch den Kauf der gesamten Fabrik die bestehenden modernen Produktionsanlagen übernehmen und die Fertigung des Dixi 3/15 PS zunächst nahtlos fortführen. Damit etablierte man sich ohne langwierigen Vorlauf auf dem deutschen Automobilmarkt. Wegen der hohen Verschuldung der Fahrzeugfabrik Eisenach fiel der Kaufpreis relativ moderat aus. BMW musste neben 200 000 RM in bar noch BMW-Aktien im nominalen Wert von 800 000 RM bezahlen, wobei man jedoch garantierte, die Aktien zu einem Kurs von 250% innerhalb eines Jahres einzulösen. Damit betrug der tatsächliche Kaufpreis 2,2 Mio. RM.298 5.3.3 Die BMW-Automobilsparte in der Weltwirtschaftskrise Gemessen an den Absatzzahlen war 1928 das erfolgreichste Geschäftsjahr für die deutsche Automobilindustrie in der Weimarer Republik. Der Erwerb der Fahrzeugfabrik Eisenach fiel somit scheinbar in eine positive Entwicklungsphase des deutschen Automobilmarkts. Allerdings stellten bereits im Folgejahr massive Nachfrageeinbrüche infolge der Weltwirtschaftskrise alle Hersteller vor große Probleme. Dies galt gleichermaßen für BMW. Während die gesamte deutsche Industrieproduktion von 1928 bis 1932 um rund 40% sank, belief sich der Rückgang in der Automobilbranche sogar auf 60%.299 Die Hersteller von hubraumstarken Fahrzeugen waren am stärksten von der Krise betroffen, da es innerhalb des ohnehin rasch schrumpfenden Marktes eine Verschiebung hin zu kostgünstigen Kleinwagen gab. Trotz des gewaltigen Absatzeinbruchs waren daher einige Unternehmen von der Krise weit weniger stark betroffen. So konnten Produzenten von Kleinwagen wie beispielsweise Opel oder DKW ihre Marktanteile ausbauen.300 Die BMW-Automobile waren ebenfalls im Kleinwagensegment positioniert. Von der Nachfrageverschiebung von Groß- zu Kleinwagen profitierte BMW aber nicht, sondern verlor sogar beständig Marktanteile (vgl. Abb. 13 und Abb. 14). Als Konsequenz war der BMW-Automobilbau von Anfang an defizitär. Neben der schwierigen Marktsituation war hierfür eine Reihe von unternehmensinternen Gründen verantwortlich. Ausschlaggebende Bedeutung hatte zunächst das Produktportfolio. BMW produzierte in den ersten Monaten nach dem Erwerb der Fahrzeugfabrik Eisenach weiterhin den Dixi 3/15 PS. 301
298
Bericht über Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG – Werk München für das am 31. 12. 1928 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3102, Bl. 272–273. 299 Tessner, S. 113. 300 Ebenda, S. 119–120. 301 Vgl. Simons/Zeichner, S. 139–193.
192
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Dieses Modell beruhte auf dem englischen Kleinwagen Austin Seven, dessen Herstellungsrechte man sich 1926 in einem Lizenzvertrag gesichert hatte.302 Der Austin Seven wiederum wurde seit 1922 in England produziert und später in Lizenz an Automobilhersteller in aller Welt vergeben. Obwohl die Konstruktion des Austin Seven international in der ersten Hälfte der 1920er Jahre großen Zuspruch erfuhr, war das Fahrzeug 1928 veraltet. BMW hatte erhebliche Probleme, die bereits produzierten Dixi 3/15 PS zu verkaufen. 1929 entstand beim Abverkauf dieser Modelle ein Verlust von rund 700 000 RM.303 Die schlechten Marktchancen des Dixi 3/15 PS waren den BMW-Verantwortlichen schon beim Kauf der Eisenacher Fabrik bewusst. Deshalb bemühte man sich um eine rasche Verbesserung des Modells. Wichtigster Schritt war hierbei, das Fahrzeug mit einer modernen und geräumigeren Ganzstahlkarosserie auszustatten. Man wandte sich daher an den französischen Automobilhersteller Rosengart, der den Austin Seven für den französischen Markt in Lizenz produzierte, aber für das Fahrzeug eine moderne Karosserie entwickelt hatte. Gegen eine Zahlung von 200 000 RM erhielt BMW die Herstellungsrechte an der Rosengart-Karosserie.304 BMW bemühte sich zwar, die Fertigung der Karosserien selbst zu übernehmen, ließ davon aber ab, weil umfangreiche Investitionen in sehr teure Presswerkzeuge notwendig gewesen wären. Man entschloss sich daher zur Kooperation mit dem Unternehmen Ambi-Budd.305 Diese Gesellschaft war 1926 durch den Zusammenschluss der Berliner Ambi-Maschinenbau AG und der amerikanischen Firma Edward G. Budd Manufactoring Company entstanden und spezialisierte sich auf die Produktion von Karosserien für einzelne Automobilhersteller.306 BMW bestellte schließlich am 22. 11. 1928 bei Ambi-Budd 10 000 Karosserien nach den Lizenzzeichnungen der französischen Firma Rosengart.307 Bei der Auslieferung der Karosserien kam es zu beträchtlichen Lieferverzögerungen, die wegen der resultierenden Produktionsstockung bei BMW zu einem Verlust in Millionenhöhe führten.308 Ambi-Budd gewährte BMW zwar als Entschädigung einen rund zehnprozentigen Preisnachlass, der Schaden war dennoch 302
Vertrag zwischen Austin Motor Co. Ltd. und der Gothaer Waggonfabrik AG vom 18. 12. 1926 sowie Vertrag zwischen Austin Motor Co. Ltd. und den Bayerischen Motoren Werken vom 7. 12. 1928, BMW UA 1. 303 Bericht zur BMW-Generalversammlung vom 30. 6. 1930, BArchB R8118F / P3087, Bl. 37. 304 BMW an Société Automobiles L. Rosengart vom 7. 11. 1928, BArchB R8119F / P3102, Bl. 42–43. 305 Neubroch an Stauß vom 31. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 48–49. 306 Edelmann, S. 85. 307 Bericht über Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG – Werk München für das am 31. 12. 1928 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3102, Bl. 377. 308 BMW an Direktion der Ambi-Budd-Presswerke GmbH vom 11. 6. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 64–65 sowie Stauß an Abshagen vom 23. 8. 1929 BArchB R8119F / P3130, Bl. 205–206.
193
5.3. Automobilbau
groß. Erst im März 1929 konnte die Fahrzeugmontage in Kleinserie aufgenommen werden, eine Serienproduktion mit rund 60 Fahrzeugen täglich lief hingegen nicht vor Juli 1929 an. Bei dem ausgesprochenen Saisoncharakter des Automobilgeschäfts – rund 50% des Umsatzes fielen in die Monate März bis Juni309 – musste sich eine derartige Verzögerung des Serienanlaufs äußerst nachteilig auswirken. Um trotz der Probleme bei der Karosseriefertigung eine möglichst rasche Fahrzeugproduktion sicherzustellen, mietete BMW in der Nähe des Werksgeländes von Ambi-Budd in Berlin eine Halle, in der die Limousinen montiert wurden.310 Zur Jahresmitte 1930 wurde die Montage wieder ins Werk nach Eisenach zurückverlegt. Den modernisierten 3/15 PS verkaufte BMW nicht mehr unter dem alten Namen Dixi, sondern unter dem eigenen Markenzeichen. Tab. 18: Produktionszahlen und Karosserievarianten des BMW 3/15 PS, 1929–1932 Tourenwagen Zweisitzer Kabrioletts Sportwagen Coupés Limousinen Rolldachlimousinen Lieferwagen Gesamt
1929 1 028 304 83 – – 3 848 6 22 5 291
Quelle: Simons/Zeichner, S. 373.
1930 786 968 1 584 139 – 2 752 114 263 6 606
1931–1932311 195 590 7 11 210 2 575 – 150 3 738
Gesamt 2 009 1 862 1 674 150 210 9 175 120 435 15 635
311
Dem allgemeinen Trend der deutschen Automobilindustrie folgend bot BMW den 3/15 PS in zahlreichen Varianten an. Von Ambi-Budd bezog BMW lediglich die Karosserien für die Limousinen, während die übrigen Typvarianten wie beispielsweise Kabrioletts komplett in Eisenach gefertigt wurden. Mit nicht weniger als acht verschiedenen Karosserievarianten wollte man jedem potenziellen Kundenwunsch gerecht werden (vgl. Tab. 18). Damit stand die BMW-Produktpolitik im Widerspruch zur in der Rationalisierungsdebatte geforderten Typisierung.312 Für die BMW-Führung war die große Typenvielfalt eher von geringer Bedeutung. Zumindest wurde diese in der Korrespondenz von Vorstand und Aufsichtsrat kaum thematisiert. Dabei spielte vermutlich eine Rolle, dass die Typenvielfalt in den Augen der Verantwortlichen nicht so sehr ins Gewicht fiel, weil man im Gegensatz zu den meisten ande309
Flik, S. 90–91. Simons/Zeichner, S. 217 ff. und S. 253. 311 Eine Abgrenzung der Produktionszahlen des BMW 3/15 PS in den Jahren 1931 und 1932 ist nicht möglich. Die Produktionseinstellung erfolgte im Februar 1932. 312 Vgl. S. 183–184.
310
194
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
ren Herstellern nur ein einziges Modell fertigte. Zudem hoffte man wohl, durch eine große Typenvielfalt mehr Kunden zu gewinnen. Der überarbeitete 3/15 PS konnte die negative Entwicklung der BMWAutomobilsparte nicht dauerhaft aufhalten. Lediglich kurzzeitig gelang es, den Abstand zu den Konkurrenten zu verringern.313 Der BMW 3/15 PS war letztlich im Preis-Leistungsverhältnis den Automobilen der Hauptkonkurrenten Opel und DKW unterlegen.314 Außerdem bot das erste BMW-Automobil im Vergleich zu wenig Komfort, der gerade von den Kunden verlangt wurde, die zuvor Mittelklassewagen gefahren waren, sich wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation nun jedoch für Kleinwagen entschieden.315 Trotz Verbesserungen basierte der BMW 3/15 PS konzeptionell auf dem Austin Seven von 1922. BMW musste daher auch weiterhin Lizenzgebühren bezahlen. Bis zum März 1931 hatte man rund 750 000 RM an die Austin Motor Company bezahlt, die sich zu den ohnehin anfallenden Verlusten addierten.316 Deshalb bat BMW am 7. 3. 1931 um die Auflösung des Lizenzvertrags, weil nur dann eine gewinnbringende Produktion des BMW 3/15 PS in den kommenden Jahren möglich sei.317 Austin war hierzu nicht bereit. Die englische Firma litt ebenfalls unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und konnte nicht ohne Weiteres auf Einnahmen verzichten. Nach einer monatelangen intensiven Auseinandersetzung urteilte ein Schiedsgericht am 13. 2. 1932, dass der Lizenzvertrag zum Ende Februar 1932 gelöst werde.318 Die Vertragsauflösung hatte die Produktionseinstellung des BMW 3/15 PS zur Folge. Schon seit Langem bemühte sich BMW um ein Nachfolgeprodukt, das die bestehenden Wettbewerbsnachteile wettmachen sollte. Das neue Fahrzeug musste nicht nur über mehr Komfort und modernere Technik verfügen, sondern auch ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis bieten. So lehnte man das Angebot von Austin auf die Lizenzproduktion eines anderen Modells ab, weil dieses Fahrzeug mit einem Preis von 4 000 RM in einem von Opel, Chevrolet und Ford hart umkämpften Marktsegment lag.319 BMW entwickelte stattdessen selbst einen Kleinwagen, den BMW 3/20 PS. Optisch lehnte sich das Fahrzeug zwar an das Vorgängermodell an, wartete aber mit
313
Weydenhammer an Stauß vom 18. 7. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 132 sowie Popp an Stauß vom 8. 4. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 175–176. 314 Vgl. Preisaufstellung für deutsche Personenwagen, in: Deutscher MetallarbeiterVerband, S. 62–65. 315 Tessner, S. 121–122, Bericht der Versuchsabteilung über den zu Versuchszwecken zur Verfügung gestellten BMW-Wagen neuester Konstruktion vom 13. 7. 1931, BArchB R8119F / P3205, Bl. 18–24 sowie Popp an Austin vom 10. 7. 1931, BArchB R8119F / P3124, Bl. 109. 316 Popp an Frank vom 7. 3. 1931, BArchB R8119F / P3124, Bl. 39–40. 317 Popp an Austin vom 7. 3. 1931, ebenda, Bl. 41–44. 318 Lewinski an Stauß vom 13. 2. 1931, ebenda, Bl. 148. 319 Lewinski an Stauß vom 23. 6. 1930, ebenda, Bl. 20.
5.3. Automobilbau
195
einer Reihe von Verbesserungen auf. Hierzu zählten der um 5 PS stärker Motor und das erweiterte Platzangebot, wodurch die Limousine nun als echter Viersitzer und nicht mehr als Zweisitzer mit Notsitzen gebaut werden konnte. Gerade das mangelhafte Platzangebot hatte den BMW 3/15 PS gegenüber Konkurrenzmodellen der Hannoverschen Maschinenbaufabrik AG (Hanomag) oder der Adam Opel GmbH ins Hintertreffen geraten lassen.320 Durch einige weitere technische Neuerungen gelang mit dem BMW 3/20 PS zwar eine deutliche Qualitätssteigerung, aber das Modell wies trotzdem noch mehrere Mankos auf.321 Die BMW-Unternehmensführung setzte große Hoffnungen in den neuen Wagen. Für Generaldirektor Popp hing davon nicht weniger als die Rettung der Eisenacher Fabrik ab.322 Die Markteinführung geschah jedoch unter denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen. Während der 3/15 PS bereits im Frühjahr eingestellt wurde, begann die Auslieferung des 3/20 PS erst im zweiten Halbjahr 1932.323 Wie beim Modellwechsel vom Dixi 3/15 PS zum BMW 3/15 PS im Jahr 1929 war auch dieses Mal ein deutlicher Absatzeinbruch zu konstatieren, da BMW in den wichtigen Verkaufsmonaten März bis Juni das neue Modell nicht anbieten konnte. Zu den Schwierigkeiten bei der Produktionsumstellung kam noch ein deutlicher Einbruch des deutschen Automobilmarkts hinzu, der erstmals zu einem wirklichen Rückgang des Automobilbestandes führte (vgl. Abb. 11). Trotz des aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen schleppenden Absatzes waren die Verantwortlichen mit der Markteinführung des BMW 3/20 PS zufrieden.324 Das neue Fahrzeug konnte aber letztlich den Automobilbau nicht aus den roten Zahlen führen. Die Verluste der Automobilabteilung sind nicht nur auf den allgemeinen Absatzeinbruch infolge der Weltwirtschaftskrise und eine verfehlte Modellpolitik zurückzuführen. Einen großen Anteil an den Defiziten hatte die Fabrikorganisation des Eisenacher Werks. Mitte der 1920er Jahre wurde die Fahrzeugfabrik Eisenach wie viele andere deutsche Automobilwerke modernisiert. Ziel war die Erhöhung der Produktivität durch die Einführung von Fordschen Produktionsmethoden. Unterstützung erhielt man hierbei seit 1927 von der Austin Motor Company, die den Fertigungsspezialisten H.C. Johnson als Berater empfahl.325 BMW führte die begonnene Rationalisierung fort, sodass die maximale Tagesproduktion von 25 Automobilen im Jahr 1928
320
Popp an Austin vom 10. 7. 1931, ebenda, Bl. 109. Ganz: Der neue BMW. 322 Aktennotiz von Popp Betr.: Eisenach Automobilfabrikation vom 10. 7. 1931, BArchB R8119F / P3205, Bl. 12–16. 323 Bericht des Vorstandes der BMW AG über das dritte Vierteljahr 1932 vom 24. 10. 1932, DAG Kissel 1/6. 324 Bericht des Vorstandes der BMW AG über das zweite Vierteljahr 1932, BArchB R8119F / P3098, Bl. 6–9. 325 Austin an Eisner vom 25. 3. 1927, BMW UA 706 sowie Simons/Zeichner, S. 180–183. 321
196
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
auf 45 im Jahr 1931 erhöht werden konnte.326 Diese scheinbare Produktivitätssteigerung wurde in erster Linie durch die Anschaffung eines modernen Maschinenparks und sonstiger Einrichtungen für die Großserienproduktion erreicht. Dabei kam es auch zu fehlgeleiteten Investitionen. So wurde etwa eine große Presserei für die Herstellung von Karosserieblechen eingerichtet, die letztlich nicht in der Lage war, kostgünstig und in guter Qualität Karosserien zu liefern. Daher mussten diese bei Ambi-Budd bzw. Daimler-Benz eingekauft werden.327 Die Investitionen zur Modernisierung des Werkes verursachten beträchtliche Anschaffungskosten, was den hohen Verschuldungsgrad der Fahrzeugfabrik Eisenach bei der Übernahme durch BMW erklärt. Schwerwiegender wogen jedoch die steigenden Betriebskosten, die nach der Modernisierung des Werks täglich anfielen.328 Hier wirkte es sich fatal aus, dass die Anlagen bei Weitem nicht ausgenutzt werden konnten. Selbst als BMW 1930 mit 7 000 Einheiten das beste Produktionsergebnis während der Weimarer Republik erreichte, waren die Anlagen nur zu rund 50% ausgelastet. Damit befand sich BMW wie die gesamte deutsche Automobilindustrie im Teufelskreis der Rationalisierung.329 Wegen der Konkurrenz durch die amerikanischen Hersteller gab es zur Umstellung auf Serienproduktion keine Alternative. Die schwache Nachfrage ließ aber eine gewinnbringende Auslastung der Produktionsanlagen nicht zu. Selbst Umorganisationen, Kostensenkungsprogramme oder Personalabbau konnten dies nicht ändern, sondern bestenfalls die Verluste minimieren.330 Eine Erweiterung des Produktangebots war eine Möglichkeit die Auslastung der Werksanlagen zu verbessern. Deshalb nahm BMW 1931 die Konstruktion eines Lastendreirads auf, das im Folgejahr in Produktion ging.331 Die Absatzzahlen von Lastendreirädern stiegen wegen der vergleichsweise niedrigen Anschaffungs- und Betriebskosten in der Weltwirtschaftskrise. BMW wollte hiervon ebenfalls profitieren.332 Während die Montage und Teileproduktion für die BMW-Lastendreiräder, die in zwei Ausführungen unter den Bezeichnungen F 76 und F 77 auf den Markt kamen, in Eisenach erfolgte, nutzte man als Antrieb einen in München gefertigten Motorradmo326
Aktennotiz über die Besichtigung der Gothaer Waggonfabrik (Werk Dixi, Eisenach) vom 2. 6. 1928, BArchB R8119F / P3197, Bl. 7–10 sowie Bericht über die Besichtigung der Automobil-Fabrik der BMW in Eisenach vom 17. 4. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 117. 327 Bericht über das Eisenacher Werk der BMW AG von Max Müller vom 25. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 31. 328 Anlagen zum Revisionsbericht der Deutschen Treuhand Gesellschaft zu Eisenach 1928, BArchB R8119F / P3102, Bl. 25–29 sowie Anlage zum Schreiben Schmid an Stauß vom 2. 5. 1931, BarchB R8119F / P3087, Bl. 203–210. 329 Vgl. S. 185–186. 330 Vgl. S. 221–222. 331 Bericht des Vorstandes über laufendes Geschäftsjahr [1931], BarchB R8119F / P3087, Bl. 217. 332 Zu den BMW-Lastendreirädern vgl. Triebel: Freude am Tragen.
5.3. Automobilbau
197
tor. Das Lastendreirad wurde erst seit Herbst 1932 ausgeliefert und konnte kaum positiven Einfluss auf die prekäre Lage des Werkes in der Weltwirtschaftskrise ausüben, da die Absatzzahlen unter den Erwartungen blieben.333 Als nach gravierenden Gesetzesänderungen die Steuervorteile der Lastendreiräder gegenüber Lieferwagen wegfielen, hatten die dreirädrigen BMWProdukte keine Zukunft mehr. Der Journalist Josef Ganz brachte diesen Umstand prägnant auf den Punkt, als er 1933 schrieb: „Der sauber durchgearbeitete BMW-Lieferwagen kam zur Unzeit.“334 Neben den neuen Produkten, BMW 3/20 PS und den Lastendreiräder F 76 bzw. F 77, sollte eine Kooperation mit dem renommierten deutschen Automobilhersteller Daimler-Benz den Automobilbau im Eisenacher Werk 1932 endlich profitabel machen. An einer engeren Zusammenarbeit hatten nicht nur die Unternehmensleitungen von BMW und Daimler-Benz Interesse, sondern auch die Deutsche Bank als Großaktionär beider Gesellschaften. 1926 wurden erstmals Kooperationsgespräche geführt, die jedoch zu keinem Ergebnis führten.335 In der Weltwirtschaftskrise nahm der Druck auf beide Unternehmen deutlich zu, sodass die alten Kooperationsplanungen in modifizierter Form wieder auf den Tisch kamen. BMW-Generaldirektor Popp hoffte mit Hilfe von Daimler-Benz auf einen Befreiungsschlag, der zur Wende im krisengeschüttelten Automobilgeschäft führen sollte. Dabei verfolgte er weitergehende Pläne als seine Stuttgarter Kollegen und strebte eine Interessengemeinschaft im Kleinwagenbau an. Nach dem Willen Popps sollten BMW und Daimler-Benz gemeinsam einen Kleinwagen entwickeln, produzieren und verkaufen. Der Daimler-Benz-Vorstand Wilhelm Kissel erteilte diesen Vorschlägen jedoch eine Absage.336 Dennoch kam es im Dezember 1931 zum Abschluss eines Vertrages, der „ein freundschaftliches Zusammenarbeiten der beiden Vertragsparteien und eine freundschaftliche Einstellung zueinander auf dem Geschäftsgebiet des Kleinkraftfahrzeugbaues“337 beinhaltete. Als Kleinwagen wurden Automobile mit einem Hubraum von maximal 1,2 Litern definiert. In diesem Marktsegment sollten sich beide Vertragspartner gegenseitig über Fabrikations- und Verkaufsprogramme informieren. Außerdem wollte man sich gegenseitig unterstützten „in Fragen des Einkaufes, der Konstruktion, des Vertriebs und der Reklame, auch bei Verhandlungen mit Behörden und InteressenVerbänden“338. Wie eine solche Unterstützung im Entwicklungsbereich aussehen konnte, hatte man bereits im Sommer 1931 erprobt, als die Daimler333
Stauß an Popp vom 19. 8. 1933, BArchB R8119F / P3073, Bl. 219. Ganz: Ausstellung, S. 122. 335 Vgl. S. 124 ff. 336 Popp an Kissel vom 29. 9. 1931 sowie Kissel an Stauß vom 6. 10. 1931, BArchB R8119F / P3205, Bl. 66–69. 337 Abschrift des Vertrags zwischen BMW und Daimler-Benz vom Dezember 1931, ebenda, Bl. 106–108. 338 Ebenda. 334
198
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Benz-Versuchsabteilung im Auftrag des Aufsichtsratsvorsitzenden Stauß ein BMW-Automobil testete.339 Der zentrale Punkt des Abkommens wurde im dritten Paragrafen des Vertragswerks festgeschrieben, in dem sich BMW verpflichtete, die Karosserie für den 3/20 PS aus dem Daimler-Benz-Werk in Sindelfingen zu beziehen. Hiervon profitierten beide Seiten. Während BMW nicht mehr länger auf die mängelbehafteten Karosserien von Ambi-Budd angewiesen war, konnte Daimler-Benz die Kapazitäten in der eigenen Karosserieproduktion besser auslasten.340 Trotz Absatzkrise in allen drei Produktsparten verfügte BMW bei Beginn der Lieferung aus dem Werk Sindelfingen im Herbst 1932 noch durchaus über liquide Mittel und konnte den Preis für 2 000 Karosserien in Höhe von 1 080 000 RM im Voraus bezahlen, um im Gegenzug Preisnachlässe zu erhalten.341 Als letzten wichtigen Punkt sah der Freundschaftsvertrag noch eine Zusammenarbeit bei der Verkaufsorganisation vor. So wurde zahlreichen Verkaufsstellen von Daimler-Benz der Vertrieb des BMW 3/20 PS übertragen.342 BMW suchte nicht ohne Grund sowohl bei der Produktion als auch im Vertrieb eine Kooperation mit Daimler-Benz. Gerade der Automobilverkauf bereitete dem Münchner Unternehmen unter den schwierigen Rahmenbedingungen während der Weltwirtschaftskrise Probleme. Ursprünglich war der Vertrieb der Fahrzeugfabrik Eisenach in einer eigenen Verkaufsgesellschaft ausgegliedert.343 BMW behielt dies zunächst bei, entschloss sich aber bereits zum 1. 1. 1930, den Verkauf in eine Abteilung innerhalb des Unternehmens zu überführen. Ausschlaggebend hierfür war wohl unter anderem ein Prüfbericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG, der der Verkaufsgesellschaft ein undurchsichtiges Abrechnungssystem beschied, das die Nachverfolgung von Zahlungen deutlich erschwerte. Außerdem war man mit dem Leiter der Verkaufsgesellschaft namens Kleine unzufrieden, den Castiglioni für „eine gelinde gesagt zweitklassige Kraft“344 hielt. Die 1929 rund 70 Personen umfassende BMW-Verkaufsabteilung bewarb den 3/15 PS bzw. den 3/20 PS vor allem als wirtschaftliches Fahrzeug. Zuverlässigkeit, Sparsamkeit und Rentabilität wurden in das Zentrum von Re-
339
Bericht der Versuchsabteilung über den zu Versuchszwecken zur Verfügung gestellten BMW-Wagen neuester Konstruktion vom 13. 7. 1931, BArchB R8119F / P3205, Bl. 18–24. 340 Aktennotiz. Betr.: Besuch Direktor Friz und Direktor Grass von BMW vom 24. 7. 1931, ebenda, Bl. 36–39. 341 Kissel an Stauß vom 19. 9. 1932, BArchB R8119F / P3205, Bl. 147–149. 342 Bericht des Vorstandes über das zweite Vierteljahr 1932 vom 20. 7. 1932, DAG Kissel 1/6. 343 Bericht des Vorstandes zur Bilanz des Werks Eisenach für das Geschäftsjahr 1929 vom 20. 5. 1930, BArchB R8119F / P3087, Bl. 133 sowie Bericht über Prüfung der Bücher und der Bilanz der „Dixi-Werke“ Verkaufsgesellschaft mbH, Eisenach, BArchB R8119F / P3102, Bl. 167 ff. 344 Castiglioni an Stauß vom 2. 3. 1929, BArchB R8119F / P3112, Bl. 6–7.
199
5.3. Automobilbau
9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1929
1930
1931
1932
1933
Abb. 13: Produktionszahlen des BMW-Automobilbaus, 1929–1933 Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 579.
klameanzeigen und Prospekten gestellt.345 Diese Eigenschaften sollten durch die Teilnahme an Zuverlässigkeitsfahrten dem Kunden aufgezeigt werden. Diese besondere Form des Automobilrennens zielte nicht auf hohe Geschwindigkeiten ab, sondern auf die Standfestigkeit der Fahrzeuge. Mit dem BMW 3/15 PS nahm man 1929 an einer der bekanntesten Veranstaltungen dieser Art, der Internationalen Alpenfahrt, teil und gewann sogar. Der Erfolge wurde daraufhin intensiv für Werbezwecke genutzt.346 Trotz aller Bemühungen blieb die BMW-Automobilsparte defizitär und letztlich betriebswirtschaftlich erfolglos. Die Fahrzeugproduktion sank von 1929 bis 1932 kontinuierlich (vgl. Abb. 13). Selbst im Vergleich mit der übrigen deutschen Automobilindustrie, die von der Weltwirtschaftskrise ebenfalls stark gebeutelt wurde, schnitt BMW schlecht ab (vgl. Abb. 14). So sank die BMW-Produktion wesentlich schneller als die der direkten Konkurrenten, die das Marktsegment der Kleinwagen mit einem Hubraum unter 1,5 Liter bedienten. Selbst die gesamte Automobilproduktion, einschließlich der kaum noch nachgefragten Oberklassewagen, musste im Verhältnis keine ähnlich deutlichen Einbußen wie BMW hinnehmen. Die Absatzschwierigkeiten schlugen sich im jährlichen Geschäftsergebnis nieder. 1929 musste BMW im Automobilbau einen Verlust in Höhe von 1 180 000 RM hinnehmen, 1930 er345
BMW 3/15 PS (1930), BMW AK 82 sowie Der neue BMW Wagen 3/20 PS (1932), BMW AK 110. 346 Mander, S. 188–189 sowie BMW AF 503/2.
200
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
180 % 160 % 140 % 120 % 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0% 1929
1930
1931
1932
1933
Deutsche (Hubraum D e u ts c h eKleinwagenproduktion K le in w a g e n p ro d u k tio n (H u b rakleiner u m k le1,5 in eLiter) r 1 ,5 L ite r) Deutsche D e u ts c h eAutomobilproduktion A u to m o b ilp ro d u k tio n BMW-Automobilproduktion B M W -A u to m o b ilp ro d u k tio n Abb. 14: Entwicklung der deutschen Pkw-Produktion im Vergleich, 1929–1933 Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 579 sowie Flik, S. 292.
gab sich abermals ein negativer Jahresabschluss mit einem Verlust von 470 000 RM. Vorstand und Aufsichtsrat glaubten vor dem Hintergrund dieser Entwicklung nicht mehr an eine wirtschaftliche Fortführung der Automobilproduktion.347 Zunächst suchte man mit größter Intensität nach Käufern für das Eisenacher Werk. Nachdem alle potenziellen Interessenten ablehnend reagiert hatten, schlug Generaldirektor Popp dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Stauß im Sommer 1931 sogar die Stilllegung des Automobilbaus vor. Diese Empfehlung hatte zuvor bereits ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer ausgesprochen.348 Für den Fall der Produktionsaufgabe rechnete man mit einem sofortigen Verlust in Höhe von 2 500 000 RM, während bei einem Fortlaufen des Betriebs mit einem jährlichen Verlust von 400 000 RM bis 500 000 RM gerechnet wurde. Letztlich entschieden man sich zu einer Fortführung des Automobilgeschäfts und setzte große Hoffnungen auf den Modellwechsel vom BMW 3/15 PS zum BMW 3/20 PS im Jahr 1932. Diese Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht. Erst eine deutlich erhöhte Nachfrage verbesserte seit 1933 die Geschäftsergebnisse der Automobilsparte.
347
Vgl. S. 223–224. Anlage zum Schreiben Schmid an Stauß vom 2. 5. 1931, BarchB R8119F / P3087, Bl. 203–210 sowie Aktennotiz von Popp Betr.: Eisenach Automobilfabrikation vom 10. 7. 1931, BArchB R8119F / P3205, Bl. 12–16. 348
5.3. Automobilbau
201
5.3.4 Zusammenfassung Der Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach eröffnete BMW mit dem Automobilbau ein neues Geschäftsfeld, wodurch Diversifizierung und Expansion des Unternehmens fortgeführt wurden. Die Unternehmensleitung plante seit Beginn der 1920er Jahre immer wieder den Aufbau einer eigenen Automobilproduktion. Die geringen Finanzmittel verhinderten jedoch lange Zeit eine konkrete Umsetzung der Planungen. Außerdem befand sich der deutsche Automobilmarkt während der Weimarer Republik wiederholt in der Krise, sodass ein Einstieg durchaus Gefahren barg. Während die deutschen Automobilhersteller bis 1923 von der Inflation profitierten und hohe Absatzzahlen im In- und Ausland erzielen konnten, brachen die Geschäftszahlen nach der Währungsstabilisierung ein. Die allgemeine wirtschaftliche Lage und eine hohe Steuer- bzw. Abgabenlast verhinderten auch in den folgenden Jahren ein dynamisches Wachstum des Automobilmarkts. Wegen der deutlich geringeren Kosten in Anschaffung und Unterhalt vollzog sich daher die Massenmotorisierung im Deutschen Reich durch das Motorrad. Die ohnehin schwierige Lage der einheimischen Hersteller verschlechterte sich weiter, als die äußerst profitable amerikanische Automobilindustrie auf den deutschen Markt drängte. Getrieben von dieser „Amerikanischen Gefahr“ führten fast alle deutschen Betriebe unter dem Schlagwort der Rationalisierung eine Modernisierung ihrer Produktionsanlagen durch. Langfristig erwies sich diese Strategie zwar als richtig, kurz- und mittelfristig gerieten viele Unternehmen aber in finanzielle Probleme, die sich durch die entstandenen Überkapazitäten häufig sogar noch potenzierten. Die Fahrzeugfabrik Eisenach befand sich wegen der allgemeinen Marktlage und den problematischen Folgen der Rationalisierung ebenfalls fortlaufend in Schwierigkeiten. 1926 gelang zwar eine kurzzeitige Sanierung, bereits zwei Jahre später belastete jedoch abermals ein hoher Schuldenstand das Unternehmen. Die Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach erschien den BMW-Verantwortlichen im Jahr 1928 dennoch lohnend, weil sich der deutsche Automobilmarkt zu diesem Zeitpunkt besonders positiv entwickelte. Die allgemeinen Pläne zur Bildung eines deutschen Auto-Trusts, in denen BMW wegen der vergleichsweise sehr guten Finanzlage eine Schlüsselrolle zugedacht war, beeinflussten ebenfalls die Entscheidung zum Kauf des Eisenacher Werks. Allerdings verloren viele dieser Motive bereits wenige Monate nach der Übernahme ihre Gültigkeit. So scheiterte die Bildung eines Auto-Trusts, nachdem die Brüder Wilhelm und Fritz Opel im Frühjahr 1929 ihr Unternehmen zu 80% an die General Motors Company verkauft hatten. Ohne die Adam Opel GmbH, den einzigen profitablen deutschen Automobilproduzenten, war ein Zusammenschluss der übrigen Hersteller nicht erfolgversprechend. Seit Herbst 1929 brach außerdem der Automobilmarkt infolge der Weltwirtschaftskrise dramatisch ein, sodass ein gewinnbringender Fahrzeugverkauf aufs Äußerste erschwert wurde.
202
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
Aufgrund dieser Umstände war der BMW-Automobilbau von Anfang an defizitär. Es gelang nicht, von den Verschiebungen innerhalb des Marktes von Ober- bzw. Mittelklassefahrzeugen hin zu Kleinwagen zu profitieren, da der auf Basis des Austin Seven produzierte BMW 3/15 PS den Konkurrenzprodukten von Opel oder Hanomag im Preis-Leistungsverhältnis unterlegen war. Das seit 1932 gefertigte Nachfolgemodell BMW 3/20 PS konnte den Abstand zu den Wettbewerbern nur kurzzeitig verringern. Auf dem ohnehin schrumpfenden deutschen Automobilmarkt führte die mangelnde Kundenakzeptanz für BMW-Fahrzeuge zu erheblichen Überkapazitäten der Eisenacher Fabrik. Die geringe Auslastung der Fahrzeugproduktion, die modern eingerichtet und daher sehr kostenintensiv war, brachte BMW kontinuierlich hohe Verluste ein. Die beiden Hauptprobleme der Automobilsparte – schleppender Absatz und zu hohe Produktionskosten – konnten unter den Rahmenbedingungen der Weltwirtschaftskrise nicht gelöst werden. Alle Strategien, wie etwa die Kooperation mit Daimler-Benz, konnten hier keine dauerhafte Trendwende herbeiführen. Die Aufnahme des Automobilgeschäfts erschien den damaligen Entscheidungsträgern daher schon sehr bald als Fehler. Es war nur konsequent, dass intensiv über einen Verkauf oder eine Einstellung der Automobilfertigung nachgedacht wurde. Man hatte zwar erwartet, dass sich die recht hohen Investitionen nur langsam amortisieren würden, durch die Weltwirtschaftskrise drohten jedoch Verluste in Permanenz. Die langfristige Strategie, nach der BMW um den Automobilbau als dritte Unternehmenssparte erweitert werden sollte, scheiterte somit zunächst. Die Fortführung des Automobilgeschäfts erfolgte letztlich nur, weil man keinen Käufer fand und vor dem hohen Verlust bei Schließung des Betriebs zurückschreckte.
5.4. Heeresgerätebau Neben Automobilen stellte die Fahrzeugfabrik Eisenach seit ihrer Gründung auch Waffen und Gerätschaften für das Militär her. Während der Weimarer Republik gehörte die Fahrzeugfabrik Eisenach zu den wenigen ausgesuchten Unternehmen, denen die Alliierten die Herstellung von Rüstungsgütern gestatten. Zunächst erhielten nur sieben, später 30 Fabriken die Zulassung zur militärischen Produktion.349 Die Fahrzeugfabrik Eisenach produzierte seit 1922 Mienenwerfer und Wagengestelle für Maschinengewehre.350 Das jährliche Auftragsvolumen belief sich auf durchschnittlich 3 Mio. RM. Die Heeresgeräteproduktion selbst wurde von rund 300 Arbeitern im Werk Eisenach 349
Hansen, S. 33. Aktennotiz über die Besichtigung der Gothaer Waggonfabrik (Werk Dixi, Eisenach) vom 2. 6. 1928, BArchB R8119F / P3197, Bl. 7–10 sowie Auszug aus einer Bekanntmachung des RWM vom 4. 7. 1921, BArchB R8119F / P3069, Bl. 127. 350
5.4. Heeresgerätebau
203
durchgeführt.351 Während man die Werksanlagen des Automobilbaus durch umfangreiche Investitionen modernisierte, geschah dies bei der Rüstungsproduktion nicht. Nach einer Besichtigung der Eisenacher Fabrik brachte der Ingenieur Max Müller den Zustand der Anlagen auf den Punkt, als er schrieb: „Die hier angewandten Arbeitsverfahren und das Tempo sind nicht mehr zeitgemäß.“352 Aus Unternehmenssicht war aber eine Modernisierung des Produktionsprozesses nicht unbedingt erforderlich. Die Reichswehr drängte nicht auf eine Rationalisierung und auf niedrigere Preise, sondern gewährte sogar feste Gewinnmarchen. So gestand sie in ihren Lieferverträgen BMW in der Regel 7% der Selbstkosten als Nettogewinn zu.353 Konkurrenz musste BMW ebenso wenig fürchten, da ohnehin nur eine beschränkte Anzahl von Fabriken Rüstungsgüter produzieren durften. Die Abwicklung von Rüstungsgeschäften unterlag in der Weimarer Republik besonderen Rahmenbedingungen. So überwachten die Alliierten sehr genau die Einhaltung der Beschränkungen des Versailler Vertrags, während die Reichswehr auf vielfältige Art und Weise versuchte, die strengen Auflagen zu umgehen. Durch geheim gehaltene Aufträge wurde beispielsweise der Bestand an militärischem Gerät über die erlaubten Grenzwerte hinaus ausgeweitet. Solche Aufträge ergingen ebenfalls an die Fahrzeugfabrik Eisenach. Um die tatsächliche Auftragshöhe auch bei der Zahlungsabwicklung zu verschleiern, wurde auf Wunsch des RWM seit 1922 mit dem Hauptmann a. D. Fritz Listemann ein Vertreter zwischengeschaltet. Der gesamte Zahlungsverkehr zwischen der Fahrzeugfabrik Eisenach bzw. BMW und dem Heereswaffenamt lief in der Folge über ein Privatkonto von Listemann.354 Nach dem Kauf der Eisenacher Fabrik wollte Generaldirektor Popp, dass die Zahlungen zukünftig nicht mehr über Listemann, sondern über die Berliner BMW-Niederlassung unter der Leitung von Waldemar von Buttlar fließen sollten. Dabei scheiterte er jedoch sowohl am Widerstand des RWM als auch an einer Intrige des Eisenacher Werkleiters Neubroch.355 Gegenüber dem RWM gab Neubroch an, dass „Herr von Buttlar in Berlin mit der Leitung der Reparaturwerkstatt überlastet sei und dass durch die Einschaltung des Herrn von Buttlar, der ein gefügiges Werkzeug von München sei, eine unerwünschte Abhängigkeit der Fahrzeugfabrik Eisenach, besonders von derem Vorstandsmitglied, Herrn Generaldirektor Popp, herbeigeführt werde“356. Das RWM 351
Direktor Graß an den Eisenacher Oberbürgermeister Janson vom 3. 11. 1932, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11-703-4. 352 Bericht über das Eisenacher Werk der BMW AG von Max Müller vom 25. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 31. 353 Popp und Klebe an Stauß vom 31. 10. 1934, BArchB R8119F / P3074, Bl. 99–100. 354 Aktennotiz von Popp zum Fall Listemann vom 16. 5. 1932, BArchB R8119F / P3109, Bl. 209. 355 Zum Verhältnis Popp und Neubroch vgl. S. 111 ff. 356 Prüfungsbericht betreffend Veruntreuungen des Hauptmann a. D. Fritz Listemann von Johannes Splettstösser vom 16. 5. 1932, BArchB R8119F / P3109, Bl. 211–244, hier Bl. 221.
204
5. Die Produktfelder der Bayerischen Motoren Werke (1923–1933)
wies daraufhin von Buttlar zurück, sodass das Zahlungssystem unverändert blieb. Im Sommer 1932 wurde eher zufällig entdeckt, dass Listemann Gelder veruntreut hatte. Durch eine kontinuierliche Entnahme von Beträgen zwischen 250 RM und 1 500 RM entstand im Zeitraum von 1925 bis 1932 ein Gesamtverlust von 249 930,96 RM. Listemann wurde nach Bekanntwerden der Vorfälle sogar kurzzeitig inhaftiert.357 Da Stillschweigen über die Vorgänge im Sinne aller Beteiligten war, wurde von einem öffentlichen Prozess Abstand genommen. Stattdessen einigte sich BMW mit der Familie von Listemann auf einen Schadensersatz in Höhe von 75 000 RM.358 Nachdem gerade die Affäre um die Unterschlagungen Listemanns zu einem Ende gebracht worden war, traten im BMW-Heeresgerätebau abermals große Schwierigkeiten auf. Im Herbst 1932 liefen die gut dotierten Aufträge der Reichswehr aus. Bei den Verhandlungen über eine Fortführung der Geschäftsbeziehung stellte sich heraus, dass die Reichswehr das Auftragsvolumen signifikant um fast 90% senken wollte.359 Die Fortführung des Heeresgerätebaus hätte sich in diesem Fall für BMW nicht mehr gelohnt. Für das Eisenacher Werk war diese in Aussicht genommene Auftragskürzung bedrohlich, weil gerade die kontinuierliche und gewinnbringende Beschäftigung mit Heeresaufträgen auftretende Verluste im Automobilgeschäft ausglich. Dies galt insbesondere während der Weltwirtschaftskrise. Obwohl politische Funktionsträger, wie der Eisenacher Oberbürgermeister Fritz Janson, und hohe Offiziere der Reichswehr, wie der Leiter des Heereswaffenamts Alfred von Vollard-Bockelberg, BMW ihre Hilfe zusagten, gelang es zunächst nicht, eine Erhöhung des Auftragsvolumens zu erreichen. Die Reichswehr hatte neue Schwerpunkte in ihrer Rüstungspolitik gesetzt, da „der Bedarf an den in den letzten Jahren bei den Bayerischen Motoren Werken hauptsächlich gefertigten Waffen und Fahrzeugen im Großen und Ganzen gedeckt ist und eine Fertigung über den Bedarf hinaus bei den knappen Mitteln und vordringlichen Beschaffungen anderer Art sich schwer durchführen lässt“360. Im Zuge der Rüstungsprogramme der Nationalsozialisten änderten sich nach 1933 die Rahmenbedingungen für den Heeresgerätebau, der aber nicht drastisch ausgeweitet wurde, da man vordringlich die Flugmotorenproduktion auf Kosten der anderen Sparten erweiterte. 1942 entschied sich der BMW-Vorstand zur Aufgabe des Heeresgerätebaus, um sich dem Hauptgeschäftsfeld der Flugmotorenproduktion für das RLM zu widmen. Damit wurde die Einstellung eines Geschäftsfeldes beschlossen, das bei BMW seit 1928 eher ein Randdasein gefristet hatte. 357
Aktennotiz von Lewinski vom 6. 5. 1932, ebenda, Bl. 200. Aktennotiz von Lewinski vom 14. 6. 1932, ebenda, Bl. 271. 359 Protokoll einer Besprechung des Eisenacher Oberbürgermeisters Janson mit den BMW-Direktoren Klebe und Graß vom 1. 11. 1932, StadtAE Stadtverwaltung Eisenach 11-703-4. 360 Chef des Heereswaffenamts Vollard-Bockelberg an Eisenacher Oberbürgermeister Janson vom 24. 11. 1932, ebenda. 358
5.4. Heeresgerätebau
205
Eine noch geringere Bedeutung als der Heeresgerätebau hatte die mit dem Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach übernommene Fahrradproduktion. Seit Gründung stellte das Eisenacher Unternehmens Fahrräder her. In den 1920er Jahren war man allerdings gegenüber großen Herstellern wie Opel nicht mehr konkurrenzfähig, sodass BMW 1929 das Geschäft aufgab.361
361
Aktennotiz über die Besichtigung der Gothaer Waggonfabrik (Werk Dixi, Eisenach) vom 2. 6. 1928, BArchB R8119F / P3197, Bl. 7–10, Bericht des Vorstandes zur Bilanz des Werks Eisenach für das Geschäftsjahr 1929 vom 20. 5. 1930, BArchB R8119F / P3087, Bl. 133 sowie Neubroch an Stauß vom 18. 6. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 257.
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933) 6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933) In der BMW-Geschichte waren die 1920er Jahre ein zentrales Jahrzehnt, in dem mit der Aufnahme der Flugmotoren-, Motorrad- und Automobilproduktion eine Unternehmensstruktur geschaffen wurde, die trotz einschneidender Veränderungen in ihrem Grundsatz lange Zeit bestehen blieb. Die Diversifikation des Produktportfolios ging dabei mit einer Expansion des Unternehmens einher. Während man das Münchner Stammwerk fortlaufend modernisierte und ausbaute, wurde seit 1928 als zweiter Standort das Werk Eisenach unterhalten. Die Ausweitung von Produktportfolio und Produktionskapazitäten war letztlich eine Konsequenz des unternehmerischen Erfolgs, da durch die hervorragenden Absatzzahlen insbesondere im Flugmotorenbau hohe Gewinne erzielt werden konnten. Die Weltwirtschaftskrise stellte BMW jedoch seit Beginn der 1930er Jahre vor große Probleme, wodurch die in den vorausgegangenen Jahren erzielten Erfolge gefährdet waren. Die Umsatzentwicklung spiegelt anschaulich den zunächst sehr positiven Geschäftsverlauf der BMW AG wider, der erst 1930 abbrach (vgl. Abb. 15). Eine Aufschlüsselung des Umsatzes nach Produktsparten ist aufgrund der Quellenlage erst ab dem Jahr 1927 möglich. Der Flugmotorenbau war aber in den 1920er Jahren stets der wichtigste Umsatzträger des Unternehmens. In dieser Produktsparte kam es allerdings immer wieder zu großen Absatzschwankungen, die eine kontinuierliche Planung unmöglich machten. Der Heeresgerätebau und die Motorradfertigung erwiesen sich hingegen als relativ stabil. Der Umsatzeinbruch seit 1930 war vor allem auf große Absatzschwierigkeiten im Automobil- und Flugmotorenbau zurückzuführen. Während 1928 nur das letzte Quartal des Eisenacher Werks in die BMW-Bilanz einging, schrumpften Produktion und Absatz im Automobilbau seit 1929 dramatisch. Im Flugmotorenbau setzte diese Entwicklung erst 1931 ein, als sowohl inländische als auch ausländische Großaufträge ausblieben. Spätestens als der Flugmotorenbau, der über Jahre Garant für hohe Gewinne und Umsätze gewesen war, in Schwierigkeiten geriet, erfasste die Weltwirtschaftskrise auch BMW. Die große Bedeutung der Flugmotorenlieferungen zeigte sich etwa 1926, als es zu einem deutlichen Umsatzeinbruch kam, der durch das Ausbleiben von sowjetischen Aufträgen für Flugmotoren verursacht wurde.1 In der Folge 1
Geschichte des BMW-Konzerns, BMW UA 15.
6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933)
207
45.000.000 40.000.000 35.000.000 30.000.000 25.000.000 20.000.000 15.000.000 10.000.000 5.000.000 0 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Flugmotoren
Motorräder
Heeresgerätebau
Gesamtumsatz
Automobile
Abb. 15: Umsatz der BMW AG, 1924–1933 Quellen: Revisionsbericht der Treuhand AG über die BMW AG in den Jahren 1926 bis 1934, BArchB R8119F / P3102, Geschäftsberichte der BMW AG 1924–1933, BMW UU 5/10 – UU 13/10, Anlage I des Berichts der Deutschen Treuhand AG über bei der BMW AG vorgenommene Sonderprüfung, BArchB R8135 / 5013 sowie Geschichte des BMW-Konzerns, BMW UA 15.
musste BMW Kurzarbeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden einführen.2 Neben der Arbeitszeitverkürzung erfolgte ein drastischer Personalabbau, sodass sich die Arbeiterzahl von 1 677 Personen im Jahr 1925 auf 1 012 im Folgejahr reduzierte.3 Die allgemeine Konjunkturkrise4 zum Jahreswechsel 1925/26 hatte hingegen nur geringen Einfluss auf den Beschäftigungsrückgang bei BMW. Das Flugmotorengeschäft war in der Regel von Konjunkturschwankungen kaum betroffen, da der Kundenkreis fast ausschließlich staatliche Stellen aus dem In- und Ausland umfasste. Seit 1922 fertigte BMW in Werkshallen, die noch während des Ersten Weltkriegs errichtet worden waren. Die Gebäude bestanden zum Teil aus Holz und waren ebenso wie der vorhandene Maschinenpark nur eingeschränkt für
2
Bericht der Verwaltung München über das 3.Quartal 1925, in: Lokale Mitteilungen an die Mitglieder des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Verwaltungsstelle München vom Februar 1926, AdMA. 3 Bericht der Verwaltung für die Monate Oktober, November und Dezember 1926, in: Lokale Mitteilungen an die Mitglieder des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Verwaltungsstelle München vom Februar 1927, AdMA sowie Brunner, S. 76. 4 Hertz-Eichenrode, S. 19–36 sowie Blaich: Wirtschaftskrise, S. 15–46.
208
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
6.000.000 5.000.000 4.000.000 3.000.000 2.000.000 1.000.000 0 1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
1932
1933
Abb. 16: Investitionen der BMW AG in Sachanlagen, 1925–1933 Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 578–579.
die Flugmotoren- und Motorradfertigung geeignet.5 Daher tätigte man umfassende Investitionen, allein 1925 über 2 Mio. RM. Aufgrund der Geschäftsentwicklung wurde 1926 durch die Unternehmensleitung ein vorläufiger Stopp jeder Investitionstätigkeit beschlossen. In den Jahren 1927 bis 1929 wurde der Ausbau des Münchner BMW-Werks fortgeführt, das schließlich über eine maximale jährliche Produktionskapazität von 360 SechszylinderFlugmotoren und 9 000 Motorrädern verfügte.6 Für Werkserweiterung und -modernisierung bewilligte die Unternehmensleitung große Summen (vgl. Abb. 16). Neben dem kontinuierlichen Ausbau des Münchner Werks schlug sich 1928 der Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach, die ebenfalls seit Mitte der 1920er Jahre zu einer modernen Produktionsstätte erweitert worden war, im Anlagevermögen nieder. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise wurden die Investitionen weitgehend eingestellt. Nur bei Modellwechseln genehmigten Vorstand und Aufsichtsrat unbedingt notwendige Anpassungen im Produktionsprozess. Durch die bis dato rege Investitionstätigkeit verfügte BMW 1929 in München und Eisenach über zwei hervorragend ausgestattete Produktions5
Zum Ausbau des BMW-Werks München in den 1920er Jahren vgl. Schulenburg/ Hemmerle, S. 20–34, Werkschronik: Die Entwicklungsgeschichte der BMW AG, BMW UA 2 sowie Zum fünfzehnjährigen Bestehen der BMW AG 1931, BMW UA 15. 6 Bericht der Deutschen Treuhand AG über bei der BMW AG vorgenommene Sonderprüfung, BArchB R8135 / 5013.
6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933)
209
18.000.000 16.000.000 14.000.000 12.000.000 10.000.000 8.000.000 6.000.000 4.000.000 2.000.000 0
23
19
24 925 926 927 928 929 930 931 932 933 1 1 1 1 1 1 1 1 1 19 Grundkapital Kapitalerhöhung
Abb. 17: Entwicklung des Grundkapitals der BMW AG, 1923–1933 Quelle: BMW Geschäftsberichte 1923–1933, BMW UU 3/10 – UU 13/10.
standorte. Der 1930 einsetzende dramatische Absatzrückgang in fast allen Unternehmenssparten zeigte jedoch deutlich die negativen Seiten der Modernisierung auf. In der Weltwirtschaftskrise gelang es nicht einmal ansatzweise, die Fertigungsstätten auszulasten. Dadurch geriet BMW in erhebliche Schwierigkeiten, weil die großen und modernen Produktionsanlagen hohe Fixkosten verursachten, die nun nicht mehr durch eine Steigerung von Absatz und Umsatz ausgeglichen werden konnten. Der Werksausbau wurde nur teilweise durch Gewinne aus der laufenden Geschäftstätigkeit finanziert. Prinzipiell wäre dies zwar wünschenswert gewesen, konnte wegen der Höhe der Investitionen aber nicht durchgeführt werden. Die meisten deutschen Unternehmen nahmen in vergleichbaren Situationen Bankkredite auf, um ihre Expansion bezahlen zu können.7 Auch wegen des in den 1920er Jahren sehr hohen Aktienkurses konnte BMW stattdessen Kapitalerhöhungen nutzten. Aus diesem Grund fallen die drei großen Steigerungen des Grundkapitals mit den wichtigsten Etappen der Unternehmenserweiterung zusammen (vgl. Abb. 16 und Abb. 17). Für die Aktionäre war die Finanzierung über eine Kapitalerhöhung durchaus lukrativ, da der BMW-Aktienkurs bis zum Jahresende 1928 kontinuierlich stieg und Dividenden zwischen 10% und 14% eine ausgezeichnete Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisteten (vgl. Abb. 7 und Abb. 19). Allerdings geriet 7
James, S. 138.
210
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
12.000.000 10.000.000 8.000.000 6.000.000 4.000.000 2.000.000 0 1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
1932
1933
Abb. 18: Entwicklung der Bankschulden der BMW AG, 1925–1933 Quellen: BMW Geschäftsberichte 1928–1933, BMW UU 8/10 – UU 13/10 sowie Revisionsbericht der Treuhand AG über die BMW AG in den Jahren 1926 bis 1934, BArchB R8119F / P3102.
die Bilanz in eine gewisse Schieflage, da die Werksanlagen durch Abschreibungen kontinuierlich an Wert verloren, und Neuinvestitionen wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht möglich waren. Dies war neben dem zu erwartenden Buchgewinn ein Grund dafür, dass sich die Unternehmensleitung 1931 zum Rückkauf von Aktien im Nominalwert von 1 Mio. RM entschied. Bankkredite wurden von BMW in der Weimarer Republik hingegen nur in beschränktem Umfang genutzt. Eine nennenswerte Belastung erfuhr das Unternehmen in dieser Richtung erst durch die Übernahme von Schulden der Fahrzeugfabrik Eisenach in Höhe von über 8 Mio. RM im Jahr 1928 (vgl. Abb. 18). Diese deutliche Erhöhung des Schuldenstandes geschah aus der Rückschau betrachtet zum ungünstigsten Zeitpunkt. Der drastische Absatzrückgang im Zuge der Weltwirtschaftskrise und die ausbleibenden Unternehmensgewinne mussten zwangsläufig die Rückzahlung der Kredite erschweren. Durch eine eiserne Sparpolitik gelang es BMW jedoch bis 1932, die Schulden zur Gänze abzubauen. Während der 1920er Jahre erwarb BMW eine Reihe von Beteiligungen an anderen Unternehmen und Gesellschaften. Die Gründe hierfür waren vielfältig, wobei im Regelfall eine Verbesserung von Entwicklung, Fertigung oder Vertrieb der BMW-Produkte erwartet wurde. Der Kauf der Oertz Werft8 im 8
Zur Geschichte der Oertz Werft vgl. Kramer.
6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933)
211
Jahr 1918 wurde etwa damit begründet, dass BMW sich hierdurch einen Absatzmarkt für die eigenen Bootsmotoren schaffen würde. Der BMW-Vorstand verfolgte mit dem Kauf sicherlich eine unternehmerische Intention. Darauf weist die Tatsache hin, dass die Werft bis 1925 Gewinne einbrachte und erst nach zwei verlustbringenden Jahren 1928 liquidiert wurde.9 Allerdings muss bei der Beurteilung der Übernahme der Oertz Werft noch eine zweite Komponente berücksichtigt werden. Bis 1918 befand sich die Werft im Besitz der Hansa und Brandenburgischen Flugzeugwerke GmbH, die wiederum Castiglioni gehörte.10 Vom Erwerb der Oertz Werft profitierte daher wohl auch der BMW-Alleinaktionär. Während die Übernahme der Oertz Werft letztlich gleichermaßen im Sinne von BMW wie von Castiglioni war, trifft dies auf den Erwerb der AustroDaimler AG in Berlin nicht zu. Im Zuge der ersten Kapitalerhöhung nach Kriegsende im Jahr 1925 bezahlte Castiglioni für BMW-Aktien im Wert von 2 Mio. RM unter anderem mit Anteilen an der deutschen Vertriebsgesellschaft des österreichischen Automobilherstellers Austro-Daimler.11 BMW schrieb diese Unternehmensanteile noch im gleichen Jahr in der Bilanz von 1 250 000 RM auf 350 000 RM ab, was die immense Überbewertung der Berliner Austro-Daimler AG beweist. In den folgenden Jahren fungierte der Berliner Betrieb, der seit der Übernahme durch BMW als Allauto-Kraftfahrzeug Handelsgesellschaft AG firmierte, zunächst erfolglos als Reparaturwerkstätte für Automobile und wurde seit 1928 von der Berliner BMW-Niederlassung geführt.12 1930 wurde die Gesellschaft schließlich aufgelöst und die noch vorhandenen Sachwerte in die BMW AG überführt. Seit 1925 hielt BMW auch Anteile am Süddeutschen Aero-Lloyd sowie am Deutschen Aero-Lloyd. Beide Gesellschaften gingen 1926 in der Lufthansa auf. Die Unterstützung von öffentlichen Fluggesellschaften sollte vor allem zur Förderung des Flugmotorenabsatzes beitragen. Eine direkte Einflussnahme auf die Materialbeschaffung einer Fluggesellschaft war dabei nur sekundäres Ziel. Primär wollte die Unternehmensführung durch die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Luftfahrt die eigenen Chancen bei der Auftragsvergabe durch das RVM verbessern. 1925 erwarb BMW Teile der Alte Heide Gemeinnützige Baugesellschaft, die im Münchner Norden Wohnhäuser errichtete. Durch dieses Engagement erhielt BMW Anspruch auf die Zuteilung von Wohnungen, die sich in unmittelbarer Nähe zum BMW-Werk
9
Prospekt. BMW AG. RM 5 000 000 Aktien von 1926, HA-DrBk 7464-2000 sowie Prospekt. BMW AG. RM 6 000 000 neue Aktien von 1928, BMW UA 811. 10 Hansa-Brandenburgische Flugzeugwerke AG, in: Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften 25. Jg (1920), S. 555. 11 Vgl. S. 97–98. 12 Die Vorgeschichte, BMW UA 2 sowie Bericht über Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG. Werk München für das am 31. 12. 1928 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3102, Bl. 293.
212
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
befanden.13 Die Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach zog ebenfalls zwei Beteiligungen nach sich. Zum einen erwarb BMW Aktien des französischen Automobilherstellers Rosengart, der im Gegenzug die Lizenzproduktion einer verbesserten Karosserie des Austin Seven gestattete.14 Zum anderen nutzte man zunächst die ausgegliederte Verkaufsgesellschaft15 der Fahrzeugfabrik Eisenach für den Vertrieb der BMW-Automobile, bis man die Gesellschaft 1931 aus Kostengründen auflöste. Auch auf dem Entwicklungssektor beteiligte sich BMW in beschränktem Umfang an anderen Firmen. So stieg man etwa kurzzeitig in das Unternehmen Aero-Diesel mit Sitz in Vaduz ein, um den Bau eines Dieselflugmotors voranzutreiben. Tab. 19: Beteiligungen der BMW AG an Unternehmen, 1918–1932 Beteiligungsart Oertz Werft Allauto AG Deutscher Aero-Lloyd Süddeutsche Aero-Lloyd Alte Heide Gemeinnützige Baugesellschaft BMW-Automobil Verkaufsgesellschaft Pulsgetriebe GmbH Eisenach17 Rosengart Aero-Diesel in Vaduz
Tochtergesellschaft Tochtergesellschaft Minderheitsbeteiligung Minderheitsbeteiligung Minderheitsbeteiligung Tochtergesellschaft – Minderheitsbeteiligung Anteil in Höhe von 50%
Beteiligungshöhe (1928 bzw. 1931) 500 000 RM (1928) 350 000 RM (1928) 250 000 RM (1928) 50 000 RM (1928) 47 160 RM (1928) 100 000 RM (1928) 50 000 RM (1931) 600 000 Franc (1931) 50 000 Schweizer Franken (1931)
16
17
Beteiligungsdauer16 1918–1928 1925–1930 1925–1932 1925–1932 1925–1932 1928–1931 1931–1932 1931–1932 1931–1932
Quellen: BMW Geschäftsberichte 1918–1923, BMW UU 2/10 – UU 13/10, Prospekt. BMW AG. RM 6 000 000 neue Aktien von 1928, BMW UA 811, Bilanzprüfungsberichte für die BMW AG 1925–1929, BArchB R8119F / P3102 sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auf den 31. 12. 1931 der BMW AG München, BArchB R8119F / P3087, Bl. 289. 13
Popp an Stauß vom 6. 5. 1931, BArchB R8119F / P3111, Bl. 11. Vgl. S. 192. 15 Vgl. S. 198. 16 1932 wurden sämtliche Beteiligungen auf 1 RM abgeschrieben. Ob BMW darüber hinaus noch Anteile an den aufgeführten Gesellschaften hielt, kann wegen der lückenhaften Überlieferungslage nicht abschließend geklärt werden. 17 Über den Unternehmenszweck der Pulsgetriebe GmbH Eisenach sind keine Informationen überliefert. Das Unternehmen wird lediglich als Beteiligung in Vorstandsberichten für die Jahre 1931 und 1932 erwähnt und zum 13. 4. 1932 an Köllmann-Werke AG in Leipzig verkauft, Bericht des Vorstandes zum Geschäftsjahr 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 307 sowie Bericht über Prüfung der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG für das am 31. 12. 1932 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3103, S. 32. 14
6.1. Kennzahlen und Beteiligungen der BMW AG (1926–1933)
213
3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000 0 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Jahresüberschuss
Dividensumme
Abb. 19: Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgewiesene Gewinne der BMW AG, 1924–1933 Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 578–579.
Ein wichtiger Gradmesser für den Unternehmenserfolg ist der jährlich ausgewiesene Gewinn. Bei der Analyse dieser zentralen Kennzahl treten Schwierigkeiten auf, weil Unternehmen während der Weimarer Republik bei der Bilanzierung in ihren Geschäftsberichten große Freiheiten genossen.18 Im Falle von BMW sind jedoch als zweite wichtige Quelle seit 1926 jährlich angefertigte Prüfberichte der Deutschen Revisions- und Treuhand AG überliefert, die meist die in den Geschäftsberichten ausgewiesenen Kennzahlen bestätigen. Die Betrachtung der Unternehmensgewinne wird jedoch durch die Vielzahl von versteckten vorab durchgeführten Gewinnentnahmen des Allein- bzw. Großaktionärs Castiglioni erschwert. Der größte Posten dieser nicht ausgewiesenen Gewinne waren mit Sicherheit die Provisionen für die angebliche Vermittlung von Auslandsaufträgen für BMW-Flugmotoren, die das Unternehmen von 1924 bis 1928 wohl 2 Mio. RM kosteten.19 Allerdings muss angenommen werden, dass es noch einige weitere unentdeckte Entnahmen durch Castiglioni gab. Die Darstellung der BMW-Unternehmensgewinne kann daher nur unter dem Vorbehalt erfolgen, dass die Gewinne in den Jahren bis 1928 vermutlich zu niedrig angesetzt wurden (vgl. Abb. 19). In den 1920er Jahren stiegen die Unternehmensgewinne zunächst kontinuierlich an, wofür vor allem der lukrative Flugmotorenbau verantwortlich war. 18 19
Spoerer: „Wahre Bilanzen“. Vgl. S. 116 ff.
214
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
Der dramatische Gewinneinbruch seit 1929 war daher, neben konjunkturbedingten Absatzschwierigkeiten in der Fahrzeugproduktion, in erheblichem Maße auf die Krise im Flugmotorengeschäft zurückzuführen. Der Rückgang fiel wesentlich stärker aus, als in den Bilanzen angegeben, da die Gewinne oft auf Sondererlösen beruhten. So machte BMW etwa im Geschäftsjahr 1931 durch den Rückkauf von eigenen Aktien im Nominalwert von 1 Mio. RM zu einem niedrigen Kurs von rund 25% einen Buchgewinn von 658 408 RM.20 Im Jahr 1929 verbesserte eine Rückzahlung von 500 000 RM, die Castiglioni als Wiedergutmachung für vorangegangene Gewinnentnahmen leistete, das Ergebnis.21 Die erwirtschafteten Jahresüberschüsse wurden zum überwiegenden Teil als Dividenden an die Aktionäre ausbezahlt (vgl. Abb. 19). Lediglich ein Bruchteil der Erlöse blieb im Unternehmen. Diese vor allem auf das Wohl der Anteilseigner ausgerichtete Dividendenausschüttung war für einen an kurzfristigen Gewinnen interessierten Investor wie Castiglioni typisch. Seit 1926 trug die Deutsche Bank diese Politik ebenfalls mit. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Finanzierung von Investitionen bei BMW in den 1920er Jahren vor allem auf Kapitalerhöhungen basierte (vgl. Abb. 16 und Abb. 17). Die Aktionäre stellten auf diese Weise BMW zwischen 1926 und 1928 insgesamt 11 Mio. RM zur Verfügung, die letztlich durch die hohen Dividenden verzinst wurden.
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933) Nach einem erfolgreichen Wachstum in den 1920er Jahren geriet BMW während der Weltwirtschaftskrise zunehmend in Schwierigkeiten. Diese negative Entwicklung spiegelte sich in einem Absatz-, Umsatz- und Gewinneinbruch wider (vgl. Abb. 15 und Abb. 19). Die Unternehmensleitung musste reagieren und versuchte mit mehreren Strategien, die Krise zu meistern. Bei der Ausarbeitung der zu ergreifenden Maßnahmen setzte BMW nicht nur auf eigene Konzepte, sondern ließ durch externe Fachleute die Strukturen und Prozesse des Unternehmens analysieren. Diese externen Berater wurden vom Aufsichtsratsvorsitzenden Stauß entsandt, der in Anbetracht der „Affäre Castiglioni“ wohl nur noch geringes Vertrauen in die BMW-Vorstandschaft hatte. Im Zeitraum von 1929 bis 1931 fanden mehrere Besichtigungen der Münchner und Eisenacher Fertigungsstandorte durch die Spezialisten Otto Max
20
Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auf den 31. 12. 1931 der BMW AG München, BArchB R8119F / P3087, Bl. 298. 21 Bericht des Vorstandes zur Bilanz für das Geschäftsjahr 1929 Werk München vom 26. 5. 1930, ebenda, Bl. 34.
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933)
215
Müller und Max Schmid22 statt.23 Müller, der als freier Ingenieur tätig war, hatte im Januar 1929 im Auftrag der Deutschen Bank bereits mehrere Daimler-Benz-Werke begutachtet. Thieme charakterisiert Müller als „kühlen Technokraten, der aus zahlreichen ähnlichen Aufträgen in anderen Unternehmen über Erfahrung bei der Beurteilung von Fertigungsabläufen verfügte“24. Diese Einschätzung untermauert eine Aussage von Müller in einem seiner Berichte zu den Angestellten bei BMW: „Soweit die dem Betriebe zugeteilten Büros in Frage kommen, hatte ich den Eindruck, als ob die darin Beschäftigten nicht alle voll zu tun haben; Vielbeschäftigte haben keine Zeit für Gespräche, etc.“25 Müller und Schmid verfügten über großes Expertenwissen, sodass ihre Berichte recht präzise Schwächen und Stärken der BMW-Unternehmensstruktur beschrieben. Aufgrund der profunden Analysen übte Stauß Druck auf den Vorstand aus, damit dieser die erkannten Schwierigkeiten durch konkrete Maßnahmen behebe. Das Hauptproblem von BMW lag nach übereinstimmender Meinung aller Entscheidungsträger auf der Kostenseite. Gerade diesem Bereich widmeten die externen Berater großes Augenmerk. Müller stellte hierbei vor allem die zu großen und in der Absatzkrise schlecht ausgelasteten Werksanlagen als hohen Kostenfaktor heraus. Hinzu kamen noch unzureichende Prozesse im Fertigungsablauf, die durch Rationalisierung wesentlich effizienter und günstiger gestaltet werden könnten. Obwohl er die Bedeutung der gut ausgebildeten Fachkräfte für den Flugmotoren- und Motorradbau würdigte, da „das eingearbeitet Personal also gewissermaßen einen Bestandteil des Vermögens der Firma darstellt“26, sah er im Bereich der Verwaltungs- und Führungskräfte Optimierungspotenzial. Die Kostenentwicklung war in der Weltwirtschaftskrise aufgrund der sinkenden Einnahmen ein drängendes Problem. So beliefen sich die Betriebsund Handlungskosten im Geschäftsjahr 1928 allein für das Werk München auf rund 12 Mio. RM.27 Diese Summe setzte sich aus einer Vielzahl einzelner Faktoren zusammen, wobei die beiden größten Einzelposten auf Betriebsmaterial und Löhne entfielen. Nach dem Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach stiegen die Unkosten für beide Unternehmensstandorte auf rund 16 Mio. RM 22
1931 wurde Max Schmid nicht zuletzt wegen seiner profunden Kenntnis der BMW AG zum Aufsichtsrat der Gesellschaft ernannt. 23 Otto Max Müller: Bericht über die BMW AG vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 419 ff., Betrifft: BMW AG München (ohne Eisenach) von Max Schmid vom 19. 4. 1931 sowie Betrifft: BMW AG München und Eisenach von Max Schmid vom 2. 5. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 183 sowie Bl. 203. 24 Thieme, S. 202. 25 Otto Max Müller: Bericht über die BMW AG vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 419 ff. 26 Ebenda. 27 Bericht über Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW, Werk München für das am 31. 12. 1928 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3102, Bl. 220–225.
216
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
an, ehe sie im Folgejahr wieder auf rund 12 Mio. RM verringert werden konnten.28 Bis 1933 wurden zwar jährlich weitere Einsparungen erzielt, allerdings konnten die durchgeführten Kostensenkungen nur teilweise mit den dramatischen Umsatzeinbrüchen Schritt halten. Als Hauptschwierigkeit erwies sich insbesondere im Flugmotorenbau der hohe Anteil an Fixkosten, die kaum Einsparpotenzial boten und letztlich nur durch eine Umlage auf die Fertigung von größeren Stückzahlen wirtschaftlich aufgefangen werden konnten.29 Kosteneinsparungen gelangen vor allem durch Rationalisierungsmaßnahmen. Während in den 1920er Jahren wegen des unternehmerischen Erfolgs kaum Schritte zur Optimierung unternommen worden waren, stellte man nun alle Bereiche auf den Prüfstand und erreichte deutliche Strukturverbesserungen.30 Neben dem Fertigungsprozess versuchte man, den Verwaltungsapparat effizienter zu gestalten. Die Unternehmensleitung entschied sich für eine Aufhebung der seit 1928 bestehenden weitgehenden organisatorischen Trennung der Werke. So wurden bis 1932 die Verkaufs-, Verwaltungs- und Entwicklungsabteilung für Automobile von Eisenach nach München verlegt.31 Neben organisatorischen Veränderungen setzten Vorstand und Aufsichtsrat auf eine Verbesserung der Finanzen. „Durch eine planmäßig betriebene Liquiditätspolitik und durch Vermeidung von über das unbedingt notwendige Maß hinausgehenden Neuinvestitionen“32 gelang eine nachhaltige positive Beeinflussung der Unternehmensfinanzen. Letztlich beruhte diese Strategie auf mehreren Einzelmaßnahmen. So reduzierte man das in Betriebsmitteln festgelegte Kapital durch eine signifikante Verringerung des Lagerbestands. Diesen Schritt hatte zuvor ein externer Berater in einem Vergleich von BMW mit Konkurrenzunternehmen angemahnt.33 Der Empfehlung folgend halbierte BMW allein von 1929 bis 1930 den Lagerbestand von 7,6 Mio. RM auf 4 Mio. RM.34 Außerdem bezahlte BMW Lieferanten selbst in der Wirtschaftskrise weiterhin fast immer sofort, um auf diese Weise durch die Gewährung
28
Generalsekretariat. Betr.: BMW AG sowie Gegenüberstellung der Unkosten 1930/1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 152 sowie Bl. 309–320. 29 Sonderprüfung der BMW AG durch die Revisions- und Treuhand-AG im Auftrag des RVM von 1932, BArchB R8135 / 5013, S. 7–10 sowie Pierer, S. 49–50. 30 Betrifft: BMW AG München (ohne Eisenach) von Max Schmid vom 19. 4. 1931 sowie Betrifft: BMW AG München und Eisenach von Max Schmid vom 2. 5. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 183 sowie Bl. 203. 31 Bericht des Vorstandes der BMW AG über das zweite Vierteljahr 1932 vom 20. 7. 1932, DAG Kissel 1.6. 32 Zwischenbericht des Vorstandes der BMW AG über das Geschäftsjahr 1932 vom 7. 3. 1933, BArchB R8119F / P3087, Bl. 369. 33 Büro Prof. Palyi an Stauß vom September 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 64. 34 Betrifft: BMW AG München (ohne Eisenach) von Max Schmid vom 19. 4. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 183.
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933)
217
von Skonto Preisnachlässe bei den Betriebsmitteln zu erreichen.35 Wichtigstes Element der Liquiditätsstrategie war der kontinuierliche Abbau der Schulden, die im Tagesgeschäft des Werks München bzw. bei der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach entstanden waren. Trotz des Umsatzrückgangs gelang von 1929 bis 1932 die Rückzahlung sämtlicher Bankkredite über mehr als 9,5 Mio. RM (vgl. Abb. 18). Der rasche Schuldenabbau und die direkte Bezahlung von Lieferanten zeigen, dass BMW über erhebliche finanzielle Reserven verfügte, die durch die beschriebenen Effizienzmaßnahmen freigesetzt wurden. Diese Liquidität ermöglicht eine wesentlich bessere Aussage über den Zustand des Unternehmens als die ausgewiesenen Gewinne (vgl. Abb. 19). die während der Weltwirtschaftskrise fast immer durch Sonderzahlungen oder durch Bilanzanpassungen verbessert wurden.36 Die Rationalisierungsmaßnahmen in Produktion und Verwaltung, mit denen die BMW-Unternehmensleitung den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise begegnete, trafen die Belegschaft in erheblichem Maße. Durch Stellenabbau, Arbeitszeit- und Lohnkürzungen sollten die Personalkosten signifikant gesenkt werden. Trotz positiver Geschäftsentwicklung waren Kurzarbeit und Massenentlassungen schon in den 1920er Jahren eine übliche Strategie der Unternehmensführung, um auf Auftragsschwankungen zu reagieren. Ein saisonbedingter, jährlich wiederkehrender Abbau von Arbeitskräften in der Automobil- und Motorradproduktion war üblich.37 Ebenso musste im großen Auftragsschwankungen unterliegenden Flugmotorenbau immer wieder eine große Zahl von Arbeitern ein- und auch wieder ausgestellt werden. So wurden zum Jahreswechsel 1925/26 rund 600 BMW-Arbeiter entlassen.38 Doch in den folgenden 18 Monaten stellte BMW wieder mehr als 800 Arbeiter neu ein. Von dieser erheblichen Fluktuation waren vor allem Hilfskräfte betroffen. Die Stammbelegschaft aus Angestellten und Facharbeitern versuchte die Unternehmensleitung selbst in Absatzkrisen zu halten. Gerade für den aufwendigen Flugmotorenbau benötigte man gut ausgebildete Fachkräfte, deren Fähigkeiten für die Produktqualität von höchster Bedeutung waren. Daher erschien es den Verantwortlichen nicht zielführend, „dieses Personal bei ganz schmaler Beschäftigung oder bei Aufhören der Aufträge einfach zu entlassen, weil man nicht sicher ist, dass man die Leute bei Bedarf wieder bekommt“39. Um keinen drastischen Personalabbau durchführen zu müssen, stellte BMW bei Auftragseinbrüchen in den wirtschaftlich erfolgreichen 35
Bericht über Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz der BMW AG München für das am 31. 12. 1927 abgelaufene Geschäftsjahr, BArchB R8119F / P3102, Bl. 510 sowie Kissel an Stauß vom 15. 9. 1932, BArchB R8119F / P3205, Bl. 147. 36 Vgl. S. 213. 37 Aussperrung in den Bayerischen Motoren Werken, in: Münchner Post vom 9. 10. 1932, BHStA Presseausschnittssammlung Rehse 3508. 38 Vgl. S. 206–207. 39 Otto Max Müller: Bericht über die BMW AG vom 30. 12. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 419 ff.
218
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1918
1920
1922
1924
1926
1928
Abb. 20: Belegschaftszahlen der BMW AG zum Jahresende,
1930
1932
1918–193340
Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 578–579.
1920er Jahren oft auf Kurzarbeit um oder ließ auf Halde produzieren. Diese Strategie konnte in der Weltwirtschaftskrise nicht mehr fortgeführt werden. Bereits 1929 kam es zu tiefen Einschnitten in die Stammbelegschaft (vgl. Abb. 20). Auf diese Weise halbierte sich die Mitarbeiterzahl innerhalb von nur drei Jahren von 4 676 Personen (1928) auf 2 378 (1931). Von den Entlassungen waren auch die Angestellten, deren Zahl im Jahr 1929 um rund 18% gesenkt wurde, in erheblichem Maße betroffen.41 Insbesondere bei der Verlegung der Eisenacher Verwaltungsabteilungen nach München im Jahr 1932 erfolgte nochmals ein deutlicher Stellenabbau. Die Personalreduzierung ging mit Arbeitszeitverkürzungen einher. So verringerte BMW Ende 1931 für alle Bereiche die wöchentliche Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden.42 Für den einzelnen Mitarbeiter bedeutete dies eine Verdienstminderung um ein Sechstel, da kein Lohnausgleich erfolgte. Lohnkürzungen mussten aber nicht nur die Arbeiter hinnehmen, auch den Angestellten und allen Führungskräften wurden spürbare Gehaltseinbußen abverlangt. Zum 1. 2. 1931 kürzte die Unternehmensleitung die Gehälter aller Münchner und Eisenacher Angestellten um 4% bzw. 6%.43 Die Bezüge der 40
Für das Geschäftsjahr 1923 sind keine Mitarbeiterzahlen überliefert. Stauß an Castiglioni vom 7. 11. 1929, BarchB R8119F / P3130, Bl. 332. 42 Popp an Stauß vom 10. 10. 1933, BArchB R8119F / P3073, Bl. 247–249. 43 Bericht des Vorstandes zur Aufsichtsratssitzung vom 25. 6. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 249. 41
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933)
219
sogenannten Oberbeamten, der Angestellten, die mehr als 10 000 RM pro Jahr verdienten, wurden zeitgleich sogar um 10% verringert. Diese pauschalen Gehaltskürzungen für Führungskräfte waren durchaus üblich. So strich die Daimler-Benz AG in etwa zeitgleich ihren Oberbeamten ebenfalls 10% der monatlichen Bezüge.44 Das Entgelt der einzelnen Vorstandsmitglieder wurde durch den Aufsichtsrat ebenfalls teils drastisch reduziert. Die Vorstandsmitglieder Max Friz und Fritz Klopfer kamen dabei noch vergleichsweise glimpflich davon und mussten lediglich eine Gehaltsreduzierung von 17% bzw. 10% akzeptieren.45 Die Bezüge von Richard Voigt wurden hingegen von 40 000 RM auf 18 000 RM verringert, was diesen wenig später zum Ausscheiden aus dem Unternehmen veranlasste.46 Generaldirektor Franz Josef Popp verlor ein Drittel seines Jahresentgelts, das aber nach der Kürzung mit 100 000 RM immer noch sehr üppig ausfiel. Aufgrund der hohen Arbeitslosenquote akzeptierten Arbeiter und Angestellte weitgehend ohne Widerstand Gehaltskürzungen und Entlassungen. Nur in einigen wenigen Fällen kam es zu wirklichen Konflikten mit der Unternehmensleitung. Im Dezember 1930 wandte sich der Angestelltenrat direkt an den Aufsichtsrat, um die jährliche Weihnachtsgratifikation zu erbitten, die der Vorstand aufgrund der Unternehmenslage nicht gewähren wollte.47 Bisher stand jedem Angestellten in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit eine Sonderzuwendung zu. Nach einer einjährigen Dienstzeit belief sich diese für jeden Angestellten auf ein Drittel seines Monatsgehalts, nach zwei Dienstjahren auf zwei Drittel und nach mehr als drei Jahren Betriebszugehörigkeit auf ein volles Monatsgehalt. Als Kompromiss einigten sich Unternehmensleitung und Angestelltenrat schließlich auf eine Halbierung der Weihnachtsgratifikation mit festen Ober- und Untergrenzen von 300 RM bzw. 50 RM. Im Folgejahr waren Vorstand und Aufsichtsrat jedoch nicht mehr so großzügig und wiesen die Bitte um eine Weihnachtsgratifikation zurück.48 Die durch Stellenabbau und Lohnkürzung stark belasteten Beziehungen zwischen Belegschaft und Unternehmensführung entluden sich in mehreren Konflikten im Herbst 1932. Zunächst entließ der Vorstand im September 1932 Robert Vignier, der Mitglied des BMW-Betriebsrats war und zudem als Mitarbeitervertreter im Aufsichtsrat saß. Vignier hatte als Vorbereitung für
44
Liste der Beamten mit festen Bezügen über RM 10 000 jährlich sowie Übersicht über die Bezüge einiger Oberbeamten vom Januar 1931, BArchB R8119F / P3106, Bl. 27–28 sowie Bl. 39–40. 45 Notiz über eine Besprechung betreffend Personalien vom 20. 5. 1931, BArchB R8119F / P3112, Bl. 136–137. 46 Vgl. S. 114–115. 47 Hergt an Stauß vom 8. 12. 1930 sowie Stauß an Hergt vom 10. 12. 1930, BArchB R8119F / P3106, Bl. 9–11. 48 Popp an Stauß vom 30. 11. 1931, ebenda, Bl. 56.
220
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
eine anstehende Aufsichtsratssitzung in der Registratur Akten eingesehen.49 Darunter befand sich auch die Korrespondenz mit einigen Gummireifenfabrikanten. Da ein Verwandter von Vignier Direktor einer Aachener Gummireifenfabrik war, reichte dem Vorstand der bloße Verdacht der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen für eine fristlose Kündigung. Vor dem Arbeitsgericht hatte diese Entlassung zwar Bestand, BMW musste jedoch eine Abfindung zahlen.50 Das Ausscheiden des langjährigen Betriebsratsmitglieds Vignier steigerte den Unmut in der Arbeiterschaft. Als BMW im Oktober 1932 bekannt gab, dass man eine Notverordnung der Regierung Papen umsetzen wolle, die zu weiteren drastischen Lohneinschnitten geführt hätte, trat die gesamte Belegschaft in den Streik. Am 5. 9. 1932 hatte die Reichsregierung die „Verordnung zur Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsgelegenheiten“ erlassen, die Großbetriebe zu Neueinstellungen veranlassen sollte.51 Im Einzelnen sah die Verordnung vor, dass Unternehmen, die zum 15. 9. 1932 mehr Mitarbeiter beschäftigten als zum 15. 8. 1932, die tariflich festgesetzten Löhne der gesamten Belegschaft für die 31. bis 40. Wochenarbeitsstunde unterschreiten durften. Eine Erhöhung der Arbeiterzahl um 5% berechtigte so zur Reduzierung der Löhne für 10 Wochenarbeitsstunden um 10%. Letztlich sollten auf diese Weise die Mitarbeiter durch Lohnverzicht die Einstellung neuer Kollegen ermöglichen. Nachdem BMW gemäß dieser Verordnung am 5. 10. 1932 die Neueinstellung von 12,5% zusätzlichen Mitarbeitern bei einer gleichzeitigen Senkung der Löhne für die 31. bis 40. Wochenarbeitsstunde um 20% bekannt gegeben hatte, traten die Arbeiter des Münchner BMW-Werks in den Streik.52 Tab. 20: Gewerkschaftlicher Organisationsgrad der Arbeiter des Münchner BMWWerks, 1932 Mitglieder Prozentualer Anteil an der BMW-Arbeiterschaft Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV) 220 25,9% Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) 45 5,3% 40 4,7% Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) Christlicher Metallarbeiterverband (CMV) 20 2,4% Nicht organisiert 525 61,7% Quellen: Bericht zum 14. Bezirks-Parteitag der KPD Südbayern am 27./28. 11. 1932, BArchB RY1 I 3/28 / 3, Bl. 54 sowie Bericht der BL zum Bezirksparteitag der KPD Südbayern vom März 1929, BArchB RY1 I 3/28 / 2, Bl. 41. 49
Vignier an Stauß vom 18. 9. 1932 sowie Popp an Vignier vom 16. 9. 1932, ebenda, Bl. 85–88. 50 Klebe/Klopfer an Stauß vom 7. 10. 1932 sowie Vereinbarung zwischen Vignier und BMW vom 7. 10. 1932, ebenda, Bl. 101 sowie Bl. 104. 51 Blaich: Schwarzer Freitag, S. 110–111. 52 Aussperrung in den Bayerischen Motoren Werken, in: Münchner Post vom 9. 10. 1932, BHStA Presseausschnittssammlung Rehse 3508.
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933)
221
Die Arbeitsniederlegung brach als spontane Aktion aus, an deren Spitze sich jedoch Vertreter aller bei BMW tätigen Gewerkschaften stellten.53 Obwohl die BMW-Belegschaft relativ unpolitisch und der Organisationsgrad der Arbeiterschaft vergleichsweise gering war, hatte der frei gewerkschaftliche DMV durchaus Einfluss (vgl. Tab. 20). Trotz intensiver Propaganda, beispielsweise durch eine eigene Betriebszeitung, spielte hingegen die kommunistische Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.54 Gleiches galt für die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) und den Christlichen Metallarbeiterverband (CMV). Nach Ausbruch des Streiks reagierte die Unternehmensleitung und entließ ihrerseits alle Arbeiter.55 In den folgenden Wochen zeichnete sich jedoch rasch ab, dass die Arbeiterschaft aufgrund der drückenden wirtschaftlichen Lage keine Chance hatte, ihre Forderung nach Rücknahme der Lohnkürzung und Wiedereinstellung aller Entlassenen durchzusetzen. Am 31. 10. 1932 konnte Generaldirektor Popp daher dem Aufsichtsratsvorsitzenden mitteilen, dass die Auseinandersetzung in „durchaus zufriedenstellender Weise“56 beendet wurde. Die Arbeiterschaft akzeptierte letztlich die Lohnkürzung und erhielt als einzige Zusicherung, dass die meisten der Streikenden wieder übernommen würden. Dies galt jedoch nicht für alle Arbeiter. Wie Generaldirektor Popp intern äußerte, wolle man die Situation nutzen, um „gewisse unliebsame Elemente nicht wieder einzustellen“57. Einschnitte im Personalbestand und organisatorische Veränderungen konnten die wirtschaftliche Lage von BMW verbessern. Ähnliche betriebswirtschaftliche Erfolge wie in den 1920er Jahren waren während der Weltwirtschaftskrise aber in weite Ferne gerückt. Um die Kosten wieder in den Griff zu bekommen und das Unternehmen nachhaltig neu auszurichten, diskutierten Vorstand und Aufsichtsrat eine Reihe von Vorschlägen zu einer grundlegenden Neustrukturierung der BMW AG. Im November 1929 entwarf Generaldirektor Popp in einem Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden Stauß erstmals ein solches Zukunftsprogramm.58 Zunächst erklärte Popp, dass er die Aufnahme der Kleinwagenproduktion als drittes Standbein neben dem Motorrad- und dem Flugmotorenbau immer befürwortet habe. Allerdings glaubte er, dass man bei der Umsetzung dieser Pläne durch den 53
Bericht zum 14. Bezirks-Parteitag der KPD Südbayern am 27./28. 11. 1932, BArchB RY1 I 3/28 / 3, Bl. 48 ff. sowie Aussperrung in den Bayerischen Motoren Werken, in: Münchner Post vom 9. 10. 1932, BHStA Presseausschnittssammlung Rehse 3508. 54 Der Rote BMW-Zünder. Betriebszeitung der revolutionären BMW-Arbeiter, Nr. 4/1931, BHStA Slg. Varia 22 sowie Bezirksleitung der KPD Südbayern an das ZK der KPD in Berlin vom 29. 3. 1930, BArchB RY1 I 3/28 / 32, Bl. 75. 55 Bericht des Vorstandes über das dritte Vierteljahr 1932 vom 24. 10. 1932, DAG Kissel 1.6. 56 Popp an Stauß vom 31. 10. 1932, BArchB R8119F / P3073, Bl. 15. 57 Ebenda. 58 Popp an Stauß vom 16. 11. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 323.
222
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach rückblickend gesehen Fehler gemacht habe. Die Finanzierung durch Kredite anstatt durch eine Kapitalerhöhung führe nun dazu, dass die Zinsen die Substanz des Unternehmens aufzehren würden. Außerdem wären beide Werke infolge des Absatzeinbruches nicht annähernd ausgelastet. Als Lösung schlug Popp die Verlagerung des Automobilbaus von Eisenach nach München vor, um die Kapazitäten des Stammwerks besser auszulasten. Das nur noch auf die Heeresproduktion spezialisierte Werk Eisenach sollte anschließend verkauft werden. Zur Sanierung des Flugmotorenbaus brachte Popp abermals eine Fusion mit der Flugmotorensparte von Siemens ins Spiel. Nur in einer solchen Zusammenarbeit sah er für beide Unternehmen eine Möglichkeit, in den nächsten Jahren zumindest kostendeckend zu arbeiten. Die Flugmotorenproduktion sollte im Siemens-Werk in Berlin zentralisiert werden. Dies erschien betriebswirtschaftlich sinnvoll, da in der deutschen Hauptstadt die wichtigsten inländischen Luftfahrtinstitutionen ihre Zentren hatten und alle ausländischen Kunden dort Botschaften bzw. Handelsvertretungen unterhielten. Nach Abschluss der Verlagerungen sollte das Münchner Werk zu einer Spezialfabrik für Fahrzeuge (Motorräder und Automobile) ausgebaut werden. Der Zukunftsentwurf von Popp, der durchaus richtige Ansätze enthielt, fand nicht die rückhaltlose Zustimmung des Aufsichtsrats. Bei einer Umsetzung der Pläne war schlichtweg mit zu vielen Schwierigkeiten zu rechnen. Das Kernstück des Zukunftsprogramms, die Fusion der Flugmotorensparten von Siemens und BMW, wurde zwar in der Weimarer Republik immer wieder erwogen, kam wegen Bedenken der Unternehmen oder der Reichsministerien aber nie zustande.59 Eine Konzentration der Fahrzeugproduktion im Münchner Stammwerk erschien allen Entscheidungsträgern zielführend, scheiterte jedoch an den hohen Transferkosten. So hätte die Verlagerung des Automobilbaus von Eisenach nach München rund 3 Mio. RM gekostet.60 Von Popps Zukunftsprogramm blieb damit als einziger umsetzbarer Punkt der Verkauf von Unternehmensteilen. Im Zuge der „Affäre Castiglioni“ hatte ein Konsortium um die Deutsche Bank einen Großteil der BMW-Aktien übernommen.61 Dies war keine gewollte Investition, sondern die einzige Option, die den Bankinstituten unter den gegebenen Umständen blieb. Folgerichtig hatten sie ein großes Interesse, einen Teil oder sogar ihren gesamten Aktienbesitz an einen Investor weiterzugeben. Die vielversprechendsten Verhandlungen ergaben sich mit der United Aircraft & Transport Corporation, dem größten amerikanischen Luftfahrtunternehmen, zu dem auch der Flugmotorenhersteller Pratt & Whitney
59 60 61
Vgl. S. 153–154. Aktennotiz Betr. BMW vom 20. 1. 1931, BArchB R8119F / P 3087, Bl. 145. Vgl. S. 116 ff.
6.2. Unternehmensstrategien in der Weltwirtschaftskrise (1929–1933)
223
gehörte.62 Seit Abschluss eines Lizenzvertrags über die Sternmotoren Wasp und Hornet im Jahr 1928 stand BMW in Verbindung mit Pratt & Whitney. Diese Kontakte nutzte die Deutsche Bank, um im Sommer 1929 den Amerikanern ein großes Paket von BMW-Aktien anzubieten.63 In den folgenden Monaten schritten die Verhandlungen voran, sodass die Übernahme von BMW durch die United Aircraft & Transport Corporation immer wahrscheinlicher wurde. Der Einspruch des RVM, das sich gegen einen erneuten Übergang des Unternehmens in ausländischen Besitz sträubte, konnte dies nicht verhindern.64 Erst die Weltwirtschaftskrise, die seit der Jahreswende 1929/30 auch die amerikanische Luftfahrtindustrie in große wirtschaftliche Schwierigkeiten brachte, führte dazu, dass die amerikanischen Interessenten vom Kauf der BMW AG Abstand nehmen mussten.65 Im Sommer 1930 versuchte die Deutsche Bank, die Berliner Knorr-Bremse AG für einen Kauf der BMW AG zu interessieren. Die Gespräche blieben recht unverbindlich und führten zu keinem Ergebnis.66 Um zumindest einen Teil ihres BMW-Aktienkapitals zu verkaufen, scheute die Deutsche Bank im Dezember 1931 sogar vor Gesprächen mit Castiglioni über einen Wiedereinstieg nicht zurück. Das nachdrückliche Veto der Behörden erzwang jedoch den Abbruch der Verhandlungen.67 Nachdem die Deutsche Bank keinen Käufer für BMW gefunden hatte, versuchte man gemeinsam mit dem Vorstand, das Unternehmen durch Teilverkäufe neu zu strukturieren. Hierbei setzte man vor allem auf einen Verkauf des Eisenacher Unternehmensteils, da „vom Standpunkt des Stammwerks München jede Möglichkeit der Abstoßung Eisenachs zu begrüßen“68 sei. Insbesondere die Münchner Vorstände um Generaldirektor Popp sahen in der Übernahme der Eisenacher Fahrzeugfabrik den eigentlichen Grund für die wirtschaftlichen Probleme der BMW AG. Intensiv wurde nach Käufern für den Eisenacher Automobilbau gesucht. Man wandte sich an zahlreiche inund ausländische Unternehmen, wie die Zünder- und Apparatebaugesellschaft Nürnberg, die Rheinmetall AG oder die Austin Motor Company.69 62
Vander Meulen, S. 93–98 sowie Freudenthal, S. 80–93. Weydenhammer an Stauß vom 12. 6. 1929 sowie Aktennotiz betr. BMW-Verhandlungen mit der American Aircraft Corporation vom 19. 9. 1929, BArchB R8119F / P3080, Bl. 61–62 sowie Bl. 176–177. 64 Brandenburg an Stauß vom 18. 11. 1929 sowie Stauß an Brandenburg vom 7. 12. 1929, BarchB R8119F / P3080, Bl. 328 sowie Bl. 385–386. 65 Rentschler an Stauß vom 3. 1. 1931 sowie National City Company an Popp vom 11. 1. 1930, BArchB R8119F / P3069, Bl. 2 sowie Bl. 25. 66 Vielmetter an Stauß vom 25. 7. 1930 sowie Stauß an Vielmetter vom 29. 7. 1930, BArchB R8119F / P3070, Bl. 41 sowie Bl. 44. 67 Stauß an Castiglioni vom 13. 12. 1931, BArchB R8119F / P3072, Bl. 164. 68 Betrifft: BMW AG München und Eisenach von Max Schmid vom 2. 5. 1931, BArchB R8119F / P3087, Bl. 203. 69 Stauß an Neumeyer vom 10. 5. 1931, BArchB R8119F / P3071, Bl. 152–153, Weydenhammer an Stauß vom 1. 3. 1930, BArchB R8119F / P3124, Bl. 12 sowie Rheinmetall an Stauß vom 23. 11. 1929, BArchB R8119F / P3087, Bl. 332. 63
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6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
Alle Verhandlungen scheiterten aber. Letztlich war es illusorisch, in der Weltwirtschaftskrise einen Käufer für ein defizitäres Automobilwerk zu finden. 1931 schlug der Vorstand dem Aufsichtsrat sogar die komplette Schließung der Eisenacher Fabrik vor, womit man trotz des einmaligen hohen Verlustes von 2,5 Mio. RM hoffte, langfristig das Unternehmen zu sanieren. Nach intensiven Diskussionen hielt man jedoch am Standort Eisenach und damit am Automobilgeschäft fest.
6.3. Zusammenfassung Die Betrachtung der Unternehmenskennzahlen belegt eine fast durchwegs positive Entwicklung der BMW AG in den 1920er Jahren. Diese Einschätzung gilt trotz aller berechtigten Vorbehalte gegenüber der Bilanzierung, bei der den einzelnen Firmen während der Weimarer Republik relativ großer Spielraum gewährt wurde. Die versteckten Gewinnentnahmen durch Castiglioni veränderten die Bilanzen ebenfalls, ohne diese jedoch für eine Auswertung unbrauchbar zu machen. Die Kennzahlenanalyse weist als Träger von Umsatz und Gewinn die Flugmotorensparte aus, die somit der Garant für die Weiterentwicklung des Unternehmens war. Bezeichnenderweise traf der Absatzeinbruch im Flugmotorenbau in den Jahren 1930 und 1931 BMW wesentlich härter als der konjunkturell bedingte Nachfragerückgang im Fahrzeugbau. Die Großaktionäre prägten entscheidend die strukturelle Entwicklung der BMW AG. Castiglioni bestimmte dabei bis 1929 offenbar in stärkerem Maße die Unternehmenspolitik als die Deutsche Bank, die formal durch den Aufsichtsratsvorsitzenden von Stauß größere Einflussmöglichkeiten hatte. So konnte Castiglioni weiterhin durch unberechtigte Provisionszahlungen große Summen veruntreuen. Außerdem wies BMW sehr hohe Dividenden aus und bediente damit kurzfristige Gewinninteressen der Anteilseigner. Der Großteil der ausgewiesenen Jahresüberschüsse wurde so an die Aktionäre ausbezahlt. Die Deutsche Bank unterstützte lange Zeit diese Dividendenpolitik und wirkte bestenfalls mäßigend auf Castiglioni ein. Die Expansion der BMW AG basierte nur teilweise auf den Gewinnen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb. Große Investitionen wie die Modernisierung der Münchner Werksanlagen oder die Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach wurden durch Erhöhungen des Grundkapitals finanziert. Dies lag durchaus im Sinne der Aktionäre, die für ihr zusätzlich eingesetztes Kapital eine durchschnittliche jährliche Verzinsung durch Dividenden in Höhe von zehn Prozent erhielten. Bankkredite nutzte die BMW-Unternehmensführung hingegen nur in sehr eingeschränktem Umfang. Wegen der meist guten Liquiditätslage bestand für die kurzfristige Aufnahme von Fremdkapital keine Notwendigkeit. Langfristige Investitionen wurden wiederum durch Kapitalerhöhungen finanziert. Erst mit dem Kauf der Fahrzeugfabrik Eisenach erhöhte sich der Verschuldungsgrad von BMW deutlich.
6.3. Zusammenfassung
225
Mit dem Abschluss der Modernisierung des Münchner Werks und dem Kauf der Eisenacher Fabrik erreichte die Expansion der BMW AG 1928 ihren Höhepunkt. Im Folgejahr geriet das Unternehmen in eine lang anhaltende Krise, die in wechselnder Form und Intensität bis 1933 die Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat bestimmte. Zunächst galt die volle Aufmerksamkeit der Unternehmensführung der „Affäre Castiglioni“ und ihren Folgen. Die Veruntreuungen des ehemaligen Großaktionärs mussten aufgeklärt und die Beilegung des hieraus resultierenden „Russenprozesses“ vorangetrieben werden. Fast gleichzeitig mit diesen beiden rechtlichen Auseinandersetzungen traten in den drei zentralen Produktsparten Absatzschwierigkeiten auf. Eine direkte Folge der Weltwirtschaftskrise waren die Probleme im Motorradund Automobilvertrieb, weil zahlreiche potenzielle Käufer wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage Neuanschaffungen unterließen. Den Flugmotorenbau traf hingegen eine plötzliche hohe Kürzung im Luftfahrtbudget des RVM, wodurch sich das inländische Auftragsvolumen spürbar reduzierte. Die krisenhafte Entwicklung aller Unternehmenssparten erforderte strategische Gegenmaßnahmen. Am Beginn stand dabei eine genaue Betrachtung aller Prozesse und Strukturen der BMW AG. Diese Analysen wurden nicht nur vom Vorstand, sondern im Auftrag des Aufsichtsrats wiederholt von externen Beratern durchgeführt. Übereinstimmend wurde die hohe Kostenbelastung als Hauptproblem identifiziert. Deshalb hatte das Gros der unternehmerischen Entscheidungen in der Weltwirtschaftskrise Kostensenkungen zum Ziel. In geringerem Maße wurde hingegen versucht, die Absatzzahlen etwa durch neue Produkte zu erhöhen und damit die Einnahmen zu verbessern. Die Maßnahmen zur Kostenreduzierung beinhalteten unter anderem eine deutliche Verringerung der Lagerbestände und einen raschen Abbau der Bankverbindlichkeiten. Einen der größten Kostenblöcke stellte naturgemäß das Personal dar. Wegen der schlechten Auftragslage wurde daher ein deutlicher Stellenabbau vorgenommen, der auch den engeren Kern der aus hoch qualifizierten Facharbeitern bestehenden Stammbelegschaft betraf. Neben Entlassungen musste die Belegschaft ebenso wie die Vorstandschaft Lohnsenkungen akzeptieren. Erst im Herbst 1932 entlud sich der Unmut der Arbeiterschaft gegen die ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in einem spontanen Streik, der jedoch rasch zusammenbrach. Alle ergriffenen Strategien konnten die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf BMW mindern. Allerdings war es unmöglich, auch nur annähernd an die erfolgreichen 1920er Jahre anzuknüpfen. Die Zeit der beträchtlichen Gewinne und hohen Dividendenausschüttungen schien endgültig vorbei zu sein. Aufgrund dieser Entwicklung wollte die Deutsche Bank ihr Engagement bei BMW reduzieren und führte intensive Gespräche über einen Verkauf des gesamten Unternehmens bzw. von Teilbereichen. Insbesondere die Verlust bringende Automobilproduktion in Eisenach wurde als Belastung gesehen. Alle Versuche, einen Käufer zu finden, blieben aber erfolglos. Ebenso
226
6. Kennzahlenanalyse und Unternehmensstrategien (1926–1933)
scheiterten alle Bemühungen, die auf einen Verkauf der gesamten BMW AG zielten. Die Verkaufspläne der Deutschen Bank wurden nicht durch schwere finanzielle Probleme von BMW verursacht. Das Unternehmen machte höchstens leichte Verluste und besaß zudem beträchtliche Reserven. BMW verlor jedoch für die Deutsche Bank als Investition deutlich an Reiz, da durch die Absatzkrise in allen Produktsparten auf lange Sicht bestenfalls kleine Gewinne zu erwarten waren. Die Lage von BMW war in der Weltwirtschaftskrise besser, als sie von den Entscheidungsträgern eingeschätzt wurde. Die meisten Firmen hatten wesentlich größere Probleme. Rationalisierung und Kostensenkungen waren zudem bei BMW besonders wirksam, da in den erfolgreichen 1920er Jahre keinerlei Maßnahmen in diese Richtung ergriffen worden waren. Dennoch wurde die Krise bei BMW als sehr drückend empfunden, da man in den Jahren zuvor von Erfolg zu Erfolg geeilt war und Gewinn wie Umsatz fast ständig verbessert hatte.
7. Ausblick: BMW im Dritten Reich Trotz aller Kontinuitätsdebatten ist das Jahr 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten sicherlich ein Wendepunkt der deutschen Geschichte. Diese Zäsur ist ebenfalls für die Entwicklung der BMW AG zu konstatieren. Obwohl zahlreiche Element der Unternehmensstruktur der 1920er Jahre fortbestanden, wurde insbesondere durch die nationalsozialistischen Rüstungsaufträge ein Transformationsprozess in Gang gesetzt, der BMW nachhaltig veränderte. Daher ist es legitim, das Jahr 1933 als Einschnitt in der BMW-Geschichte zu definieren, mit dem diese Arbeit endet. Der folgende Abschnitt soll auf Basis der Literatur1 lediglich knapp einige Aspekte der BMW-Historie im Nationalsozialismus schildern. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den Kontinuitäten und Brüchen innerhalb der Unternehmensentwicklung. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zog kurz- und langfristigen Veränderungen der BMW AG nach sich. Einige der ersten Entscheidungen der neuen Machthaber führten bereits zu einer deutlichen Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Lage. Eine leichte konjunkturelle Erholung2 im Herbst 1932 war zuvor weitgehend spurlos an BMW vorübergegangen. Erst die nationalsozialistische Wirtschafts- und Rüstungspolitik beendete die seit 1929 bestehende Unternehmenskrise. Auf den Fahrzeugabsatz wirkten sich im April 1933 erlassene Steuererleichterungen ebenso positiv aus wie eine NS-Propaganda, die die Motorisierung der deutschen Bevölkerung als Ziel formulierte. Wichtiger jedoch waren Großaufträge des RLM, die schon im Frühjahr 1933 an die BMW-Flugmotorensparte erteilt wurden und deren Absatzkrise beendeten. Kurzfristig beendeten die Rüstungsaufträge eine lang anhaltende Unternehmenskrise, langfristig sollten sie große Anpassungen nach sich ziehen. Zunächst blieben aber die meisten Strukturen bestehen. So wurde weiterhin in allen vier Produktsparten gefertigt, wobei die Flugmotorenabteilung vor der Motorrad-, Automobil- und Heeresgerätproduktion den größten Stellenwert behielt. Allerdings expandierte der Flugmotorenbau in den folgenden Jahren wesentlich schneller als die übrigen Unternehmenssparten. Er war damit Hauptursache für ein Wachstum, das sich unter anderem in der Belegschafts- und Umsatzentwicklung ausdrückte (vgl. Tab. 21). Die Expansion der BMW-Flugmotorensparte beruhte in erster Linie auf Lieferungen an die Luftwaffe und war damit ursächlich mit der nationalsozialistischen Rüstungspolitik verbunden. Auf Basis der Aufträge des RLM wandelte sich das Unternehmen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zu einem standortübergrei1
Zur Entwicklung der BMW AG im Dritten Reich vgl. Lorenzen sowie Werner: Kriegswirtschaft. 2 Buchheim, S. 13–17.
228
7. Ausblick: BMW im Dritten Reich
fenden Großkonzern, der sich deutlich von der mittelständisch geprägten BMW AG der Weimarer Republik unterschied. Tab. 21: Umsatz und Mitarbeiterzahl der BMW AG, 1928–1944 Umsatz 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944
27 200 000 RM 40 000 000 RM 36 500 000 RM 27 500 000 RM 19 700 000 RM 32 560 000 RM 81 100 000 RM 127 900 000 RM 124 900 000 RM 143 700 000 RM 179 700 000 RM 275 500 000 RM 285 500 000 RM 402 300 000 RM 592 300 000 RM 653 000 000 RM 750 000 000 RM
Beschäftigte 4 676 3 309 3 150 2 370 3 148 6 514 12 576 11 113 13 761 13 858 16 968 26 918 30 639 40 175 47 423 56 807 56 213
Quelle: Grunert/Triebel: Das Unternehmen BMW, S. 578–581.
Die Anpassung der Unternehmensstrukturen an dieses Wachstum verlief hingegen eher schleppend. Generaldirektor Franz Josef Popp führte BMW weiterhin autokratisch und negierte damit den Wandel zum Großkonzern, der eine stärker dezentrale und kollegiale Führungsstruktur verlangt hätte. Nicht zuletzt wegen ihrer diametralen Ansichten über die Leitung des BMWKonzerns kam es zwischen Popp und Fritz Hille, der seit 1935 als Vorstand bei BMW tätig war, zu scharfen Konflikten. In einer langwierigen Auseinandersetzung konnte Hille zusammen mit dem Aufsichtsrat fortlaufend Anpassungen der Unternehmensorganisation durchsetzen, die dem Wandel zum Großkonzern Rechnung trugen. Popp fühlte sich jedoch an Richtlinien und Funktionsbeschreibungen nicht gebunden, sondern sah sich weiterhin als Generaldirektor, der außerhalb der Strukturen stand. Diese Haltung beförderte Popps Sturz ebenso wie sein Auftreten gegenüber dem RLM. Wie während der Weimarer Republik pflegte Popp auch gegenüber den NS-Behörden einen fordernden und mitunter anmaßenden Ton. Als es ihm nicht gelang, Entwicklungs- und Lieferschwierigkeiten der Flugmotorensparte zu lösen, musste er schließlich auf Druck des RLM seinen Posten räumen. Mit dem Ausscheiden Popps und dem Tod des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Stauß endete im Jahr 1942 eine der letzten noch verblieben Kontinuitätslinien, die BMW mit der Unternehmensgründung während der Weimarer Republik verband.
8. Schluss: Erfolgsfaktoren der BMWUnternehmensgründung Eine zeitliche Eingrenzung der BMW-Geschichte bereitet Schwierigkeiten. Bereits für das Anfangsdatum stehen vier Ereignisse zur Auswahl: 1. Gründung der BFW AG (7. 3. 1916) 2. Gründung der BMW GmbH (21. 7. 1917) 3. Gründung der BMW AG (13. 8. 1918) 4. Umfirmierung der BFW AG in BMW AG (24. 5. 1922) Seit den 1920er Jahren gilt der Eintrag der BFW AG in das Handelsregister am 7. 3. 1916 als offizieller Beginn der BMW-Geschichte, weil hierauf das heute noch bestehende Unternehmen formal juristisch zurückgeht. Dieses Datum bewährt sich allerdings nicht als Ausgangspunkt für eine wissenschaftliche Analyse. Unter Beachtung der Vorläufergesellschaft Rapp Motorenwerke erweist sich die Gründung der BMW GmbH im Juli 1917 als wesentlich geeigneteres Datum. Alle folgenden Unternehmen mit dem Namen BMW stehen in der Tradition dieser Gesellschaft. Dies zeigt sich unter anderem in der Beibehaltung des Markenzeichens oder im Verbleib des Führungspersonals. Die Umfirmierungen und Neugründungen, die zwischen 1917 und 1922 stattfanden, führten gemeinsam mit den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einer deutlichen Verlängerung des BMW-Gründungsprozesses. Als Hauptkriterium für den Abschluss einer Unternehmensgründung gilt die nachhaltige Marktetablierung und Wettbewerbsfähigkeit. Dieses Ziel erreichte BMW erst in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, als man sich im Flugmotoren- und Motorradbau einen festen Kundenstamm aufgebaut hatte. Ein weiteres wichtiges Kriterium für den Endpunkt der Unternehmensgründung ist die Aufgabe der Aktienmehrheit durch Camillo Castiglioni im Jahr 1926, da BMW hierdurch erstmals finanzielle Planungssicherheit erlangte. Die Absatzschwierigkeiten, die in allen vier Produktsparten seit Ende des 1920er Jahre als direkte oder indirekte Folge der Weltwirtschaftskrise auftraten, stellten schließlich die erste große Bewährungsprobe nach Abschluss des langwierigen Gründungsprozesses dar. Die Suche nach den Gründen für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens ist ein wichtiges Element der betriebswirtschaftlichen Forschung. Die Darstellung von Erfolg erweist sich jedoch als schwierig, da dieser „nicht als unmittelbar beobachtbare und messbare Größe verstanden werden kann, sondern ein sogenanntes theoretisches Konstrukt darstellt“1. Daher muss Erfolg durch die Anwendung spezifischer Methoden operationalisiert werden. Bei bereits etablierten Unternehmen nutzt man hierfür üblicherweise eine vergleichende Kennzahlenanalyse. Aufgrund der Quellenlage und der spezi-
1
Freiling, S. 177.
230
8. Schluss
fischen Entwicklung des Unternehmens ist dies im Falle von BMW ab Mitte der 1920er Jahre möglich. Erst zu diesem Zeitpunkt produzierte BMW in einem relativ gefestigten ökonomischen Umfeld. Die Auswertung zentraler BMW-Kennzahlen wie Absatz, Umsatz oder Gewinn zeigt eine sehr positive Entwicklung mit hohen Steigerungsraten, die ein deutliches Indiz für den unternehmerischen Erfolg in den 1920er Jahren sind (vgl. Abb. 15 und Abb. 19). Kennzahlenanalysen haben jedoch in den Anfangsjahren von Unternehmensgründungen nur eine begrenzte Aussagekraft, weil Vergleichswerte fehlen und mitunter große Schwankungen auftreten, aus denen nicht zwangsläufig auf positive oder negative Entwicklungen geschlossen werden kann.1 Für BMW trifft dies insbesondere auf die Kriegs- und Inflationsjahre zu, in denen nicht zuletzt die Geldentwertung jede Kennzahlenbetrachtung ausschließt. Wenn auf quantifizierende Methoden verzichtet wird, kann man sich einer objektiven Erfolgsmessung durch die Definition von qualitativen Faktoren annähern, deren Erreichen als Indiz für Erfolg gelten soll. Solche Gradmesser können die persönliche Zufriedenheit des Gründers oder die nachhaltige und wettbewerbsfähige Etablierung des Unternehmens auf dem Markt sein.2 In Anbetracht des äußerst schwierigen wirtschaftlichen Umfelds, in dem sich der Gründungsprozess von BMW vollzog, muss das zentrale Analysekriterium sein, ob und wie das Unternehmen erfolgreich auf Kriegswirtschaft, Demobilmachung und Inflation reagierte. Die Operationalisierung soll dabei durch qualitative Kriterien erfolgen. Für das auf dem Markt etablierte Unternehmen BMW können hingegen ab Mitte der 1920er Jahre auch quantitative Kennzahlenanalysen zur Erfolgsmessung herangezogen werden. Teil der deutschen Kriegswirtschaft wurde die BMW GmbH als Nachfolgeunternehmen der Rapp Motorenwerke im Sommer 1917. Die Voraussetzungen für den Eintritt in den deutschen Luftfahrtmarkt waren günstig. Mit dem BMW IIIa verfügte die Firma über ein sehr gutes Produkt, dem große militärische Bedeutung beigemessen wurde. Aufgrund dieser Sachlage erhielt BMW umfassende Unterstützung von staatlichen Stellen bei der Beschaffung von Rohstoffen und Arbeitskräften sowie beim Ausbau der Werksanlagen. Trotzdem gelang es zunächst nicht, einen funktionierenden Produktionsbetrieb aufzubauen. Die Unternehmensleitung um Max Wiedmann war mit der Durchführung und Finanzierung des Werksausbaus überfordert. Dies führte letztlich dazu, dass die BMW GmbH im August 1918 von Verstaatlichung und Konkurs bedroht war. Erst die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, die durch staatlichen Druck und auf Betreiben der Gläubiger zustande kam, löste kurzfristig die Finanzprobleme. Der baldige Waffenstillstand verhinderte jedoch größere Gewinne, sodass BMW bei Kriegsende über keine Reserven 1 2
Herr, S. 38 ff. Zu qualitativen Messgrößen für Gründungserfolg vgl. Freiling, S. 178–181.
8. Schluss
231
verfügte. Nachkriegsplanungen bestanden ebenfalls nur in unzureichendem Maße. Trotz der exzellenten Bedingungen, die die Produktion des BMW IIIa bot, blieb das Unternehmen in der Kriegswirtschaft erfolglos. Die Wiederaufnahme des Betriebs im Januar 1919 verdankte BMW wohl in erster Linie spekulativen Plänen, die der neue Alleinaktionär Camillo Castiglioni verfolgte. Während der Demobilmachung hatte BMW große Schwierigkeiten mit der Umstellung auf eine Friedensproduktion. Trotz durchaus beträchtlicher staatlicher Finanzhilfe erwies sich der Bau von Motoren für diverse zivile Anwendungen als wenig lukrativ. Erst als die Produktion zur Jahresmitte 1919 um die Lizenzfertigung von Druckluftbremsen erweitert wurde, stabilisierte sich die Unternehmenslage. Der Lizenzvertrag mit der Knorr-Bremse AG sicherte BMW Aufträge bis 1930 und gab dem Unternehmen somit erstmals eine langfristige Sicherheit. Das Abkommen ist daher als Erfolg anzusehen. Es läutete aber auch das Ende einer selbstständigen BMW AG ein, deren Aktien im November 1920 in den Besitz der Knorr-Bremse AG übergingen. Obwohl BMW zwar formal ein eigenständiges Unternehmen blieb, lief man Gefahr, zu einem Montagewerk herabzusinken. Die Beurteilung der Unternehmensentwicklung in der Demobilmachung muss daher ambivalent bleiben. Einerseits gelang trotz widriger Startbedingungen ein Neuanfang, der Stabilität, Wachstum und damit Erfolg brachte. Andererseits barg die Übernahme durch die Knorr-Bremse AG zahlreiche Risiken für die Zukunft. Der Erwerb des BMW-Motorenbau durch Castiglioni im Mai 1922 markiert einen neuerlichen Einschnitt in der Unternehmensgeschichte. Obwohl bereits fünf Jahre seit Gründung der BMW GmbH vergangen waren, musste die Firma nun abermals Strategien entwickeln, Strukturen aufbauen und sich auf verschiedenen Märkten etablieren. Dieser Neuanfang glich daher in vielen Aspekten durchaus einer Unternehmensneugründung, obwohl eine Kontinuität – insbesondere im Flugmotorenbau – zu den Vorläufergesellschaften bestand. Mit seinem neuerlichen Engagement verfolgte Castiglioni vorrangig kurzfristige und spekulative Ziele. Erst als BMW 1923 die Flugmotoren- und Motorradproduktion aufnahm, war der Weg für eine langfristige und positive Entwicklung des Unternehmens bereitet. Getragen vom Inlands- und Auslandsabsatz der Flugmotorensparte konnten in den Folgejahren große betriebswirtschaftliche Erfolge verbucht werden. Die Feststellung von Erfolg oder Misserfolg ist ein zentraler Untersuchungsgegenstand bei der Gründungsforschung. Über die bloße Einschätzung des Sachverhalts hinaus sollte sich das Interesse jedoch auch darauf richten, welche Einflussgrößen Unternehmen erfolgreich machen oder zu einem Scheitern führen. Die Erfolgsfaktorenforschung brachte hierzu bereits eine Vielzahl von Ansätzen hervor.3 Trotz vieler empirischer Studien bleibt 3
Zu einer zusammenfassenden Darstellung der verschiedenen Erfolgsfaktoren vgl. Freiling, S. 181–186, Fallgatter, S. 151–153 sowie Herr, S. 123 ff.
232
8. Schluss
eine Verallgemeinerung der Ergebnisse schwierig, weil „sich bei so unterschiedlichen Unternehmensgründungen und situativen Gegebenheiten kaum verallgemeinerbare Erfolgsfaktoren ableiten lassen“4. Lediglich die Einordnung der spezifischen Einflussgrößen in Kategorien scheint allgemeingültig. Demnach kann man eine Unterscheidung in unternehmensinterne, in marktund umfeldbezogene Erfolgsfaktoren vornehmen. Zu letzteren gehören Bedingungen, die sich auf Markt und Unternehmen auswirken, jedoch nicht zu diesen beiden Bereichen gehören. Kulturphänomene spielen hier ebenso eine Rolle wie politische Ereignisse. Der Einfluss des Ersten Weltkriegs ist ein sehr gutes Beispiel für eine umfeldbezogene Bedingung in der BMW-Unternehmensgeschichte. Als ein zentraler Erfolgsfaktor wird in fast allen theoretischen Modellen die Person des Gründers genannt. Bei BMW gab es im Gegensatz zu Daimler-Benz, Opel oder Junkers keinen Unternehmensgründer, der dem klassischen Typus entsprach. Die Kompetenzen und Befugnisse, die sonst oft bei einer einzigen Person lagen, verteilten sich während des gesamten Gründungsprozesses auf mehrere Entscheidungsträger. Den größten Einfluss hatten letztlich Chefkonstrukteur Max Friz, der langjährige Alleinaktionär Camillo Castiglioni, Generaldirektor Franz Josef Popp und der seit 1926 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Emil Georg von Stauß. Ungeachtet späterer Entwicklungen muss die Rolle von Friz als durchwegs positiv bewertet werden. Die ersten BMW-Produkte im Flugmotoren- und Motorradsektor wurden alle von ihm konstruiert und bewährten sich mit hohen Absatzzahlen auf dem Markt. Außerdem genoss Friz insbesondere bei den Kunden der Flugmotorenabteilung einen exzellenten Ruf, der sich positiv auf die Einschätzung der BMW-Produkte auswirkte. Der Beitrag, den die Großaktionäre Castiglioni und Deutsche Bank zum Unternehmenserfolg leisteten, muss hingegen differenziert beurteilt werden. Castiglioni erwarb sich unbestreitbar große Verdienste bei der Gründungsfinanzierung von BMW. Ohne sein Engagement wäre der Aufbau einer Aktiengesellschaft im Sommer 1918 wohl kaum zustande gekommen, womit der Konkurs der BMW GmbH unvermeidlich gewesen wäre. Zum Jahreswechsel 1918/19 und im Mai 1922 übernahm er zudem zweimal als Alleinaktionär das Unternehmen. Obwohl Castiglioni beide Male vor allem eigennützige und kurzfristige Gewinnmotive verfolgte, stand er einer auf langfristigen Erfolg ausgelegten Geschäftspolitik nicht im Wege. Castiglioni wollte allerdings auch einen besonders großen Anteil von den erzielten Überschüssen. Die Gewinnabsaugungen durch Dividenden oder Provisionszahlungen nahmen dabei mitunter eine Dimension an, die BMW Investitionen oder die Bildung von Reserven merklich erschwerten und zeitweise sogar unmöglich machten. Nachdem sich die Deutsche Bank 1926 als Großinvestor beteiligt hatte, be-
4
Fallgatter, S. 152.
8. Schluss
233
stand nicht mehr die unmittelbare Gefahr, dass die Kapitalentnahmen durch Castiglioni zum Ruin von BMW führen könnten. Der Aufsichtsratsvorsitzende Stauß konnte Castiglionis schädigenden Einfluss aber zunächst nur begrenzen. Eine endgültige Ordnung der BMW-Finanzen fand erst 1929 im Zuge der „Affäre Castiglioni“ statt. Wegen des teilweisen Versagens bei der Unternehmensaufsicht im Zeitraum von 1926 bis 1929 muss der grundsätzlich positive Einfluss der Deutschen Bank relativiert werden. Der klassischen Rolle eines Unternehmensgründers kam Generaldirektor Popp am nächsten. Obwohl er eigentlich nur ein angestellter Manager war, fühlte und benahm er sich wie ein Unternehmenseigner. Dieses Verhalten ließen die Aktionäre nicht zuletzt deshalb zu, weil Popp für die Entwicklung von BMW ungeheure Bedeutung hatte. Er verfügte trotz seiner mitunter schwierigen Persönlichkeit über sehr gute Kontakte zu ministeriellen Entscheidungsträgern, die BMW bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen und Subventionen einerseits sehr nützlich waren. Andererseits stärkten sie jedoch Popps Position innerhalb des Unternehmens. Positiv wirkte sich ebenfalls Popps Identifikation mit „seinen“ Bayerischen Motoren Werken aus. BMW war für ihn nicht weniger als sein Lebenswerk. Bewusstes unternehmensschädigendes Verhalten war von ihm daher nicht zu erwarten. Diese Einschätzung war wohl ein Grund, weshalb Popp auch nach der „Affäre Castiglioni“ Generaldirektor blieb, obwohl seine Rolle bei den unberechtigten Provisionsgeschäften äußerst zwielichtig erschien. Als Verantwortlicher für das operative Geschäft traf Popp alle strategischen Entscheidungen und übte damit größten Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg. Trotz berechtigter Kritik muss festgehalten werden, dass BMW sich unter seiner Führung sehr gut entwickelte. So wurde den Schwierigkeiten, die sich in Kriegswirtschaft, Demobilmachung, Inflation und Weltwirtschaftskrise ergaben, mit nachhaltigen und durchdachten Konzepten entgegengetreten. Gleichermaßen gelang seit 1923 der erfolgreiche Aufbau von Produktionsund Vertriebsstrukturen für die Motorrad- und Flugmotorenabteilung. Ein zweiter wichtiger Erfolgsfaktor war die Struktur der Branchen, in denen sich BMW etablierte. Der Einstieg in den Flugmotorenbau während des Ersten Weltkriegs war zunächst äußerst schwierig, weil es nicht gelang, die Finanzierungs- und Produktionsprobleme zu lösen. Bis 1918 brachte der Flugmotorenbau daher kaum Gewinne. Wegen der Entwicklung des BMW IIIa genoss das Unternehmen jedoch erhebliches nationales und internationales Ansehen. Dieses Renommee konnte BMW seit der Wiederaufnahme der Flugmotorenproduktion im Jahr 1923 nutzen. Die zuverlässige und gute Konstruktion der Motoren sorgte neben günstigen Preisen und politischer Unterstützung dafür, dass man die Luftstreitkräfte der Roten Armee als Kunden gewinnen konnte. Auf dem deutschen Luftfahrtmarkt befand sich BMW ebenfalls in einer wesentlich besseren Position als die beiden anderen Flugmotorenhersteller Junkers und Siemens. Nicht zuletzt wegen der Leistungen während des Krieges wurde BMW bevorzugt behandelt und in großzügiger
234
8. Schluss
Weise mit Aufträgen und Subventionen bedacht. Die guten Beziehungen zu den Entscheidungsträgern in den Ministerien zahlten sich hierbei aus. Die Motorradproduktion trug ebenfalls zum Erfolg von BMW bei. Vor allem die produktionstechnische Verbindung zwischen Motorrad- und Flugmotorenfertigung muss hervorgehoben werden. Auf diese Weise konnten Überkapazitäten verringert werden, da man die Auslastung von modernen Werkzeugmaschinen und teuren Facharbeitern deutlich verbesserte. Wegen des hohen Fertigungsaufwandes waren die BMW-Motorräder im oberen Marktsegment platziert. Diese Strategie erwies sich durchaus als vorteilhaft, da man in den 1920er Jahren kontinuierlich Marktanteile gewinnen und die Produktion erweitern konnte. BMW profitierte dabei in beschränktem Umfang vom Boom des deutschen Motorradmarktes, obwohl man im besonders schnell wachsenden Segment der Kleinkrafträder nur unzureichend vertreten war. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ergaben sich große Absatzschwierigkeiten, die jedoch im Vergleich mit den anderen Produktsparten eher gering waren. Daher war der Motorradbau im Zeitraum von 1929 bis 1933 ein Aktivposten des Unternehmens. Die Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach im Jahr 1928 erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Unternehmensgründung bereits abgeschlossen war. Das erfolgreiche Produktportfolio aus Motorrädern und Flugmotoren sollte mit dem Kauf erweitert werden. Der Automobilbau konnte die Erwartung, die man ihn gesetzt hatte, aber nicht erfüllen. Bis 1933 machte BMW mit der Eisenacher Fahrzeugproduktion große Verluste, die nur teilweise durch den Heeresgerätebau kompensiert werden konnten. Selbst bei Berücksichtigung aller Fehlschläge bleibt die BMW-Unternehmensgründung letztlich eine Erfolgsgeschichte. Trotz der teils widrigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wuchs die Firma kontinuierlich und entwickelte sich zu einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen. Die finanzielle Lage war fast immer gut, sodass selbst in der Weltwirtschaftskrise keine Schulden aufgebaut wurden, sondern die Liquidität sogar verbessert werden konnte. Basis dieses Erfolgs war der Flugmotorenbau, der durch die Motorradfertigung in hervorragender Weise ergänzt wurde. Der Einstieg in den Automobilbau sollte sich trotz der sehr schwierigen Anfangsjahre als zentraler und wichtiger Schritt für die Zukunft erweisen.
9. Anhang 9.1. Abkürzungen ACDP ADAP AdMA AfS BArchB BArch-MA BFW BHStA BMW BWA CMV CSR DAG DANAT DLH DMM/ASD DMV DVL Gefu GG HADB HA-DrBk HVB IdFlieg IIC ILuft JbWG k.u.k. KoGenLuft LVG MA MAN MArb MFür
Archiv für Christlich-Demokratische Politik Akten zur deutschen auswärtigen Politik Archiv der Münchner Arbeiterbewegung Archiv für Sozialgeschichte Bundesarchiv Berlin Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg Bayerische Flugzeugwerke Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bayerische Motoren Werke Bayerisches Wirtschaftsarchiv Christlicher Metallarbeiterverband Tschechoslowakei Daimler Konzernarchiv Darmstädter- und Nationalbank Deutsche Lufthansa Deutsches Museum München/Archive, Sondersammlungen und Dokumentation Deutscher Metallarbeiter-Verband Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmen Geschichte und Gesellschaft Historisches Archiv der Deutschen Bank Historisches Archiv der Dresdner Bank Archiv der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank Inspektion der Fliegertruppen International Investment Company Inspektion des Militärischen Luftfahrtwesens Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte kaiserlich und königlich Kommandierender General der Luftstreitkräfte Luft-Verkehrs-Gesellschaft Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Bayerisches Staatsministerium für Arbeit Bayerisches Staatsministerium für Soziale Fürsorge
236 MH MInn MJu MKr MWi MLG NDB NfL NL NSBO OHL ÖStA PMB RDA RGBl RGO RLM RM RVM RWM SHW Spka StadtAE StadtAM StAM ThHStA Stv. Gen. Kdo. I. b. A.K. Übamo VDM ZA ZBLG ZUG
9. Anhang
Bayerisches Ministerium für Industrie, Handel und Gewerbe Bayerisches Staatsministerium des Inneren Bayerisches Staatsministerium der Justiz Bayerisches Kriegsministerium Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Motor-Luftfahrtgesellschaft Neue Deutsche Biografie Nachrichten für Luftfahrer Nachlass Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation Oberste Heeresleitung Österreichisches Staatsarchiv Personalmeldebögen Reichsverband der Automobilindustrie Reichsgesetzblatt Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Reichsluftfahrtministerium Reichsmark Reichsverkehrsministerium Reichwehrministerium Schwäbische Hütten Werke Spruchkammerakte Stadtarchiv Eisenach Stadtarchiv München Staatsarchiv München Thüringisches Hauptstaatsarchiv Stellvertretendes Generalkommando I. Bayerischen Armee Korps Überwachungsausschuss der Motorradwirtschaft Vereinigung deutscher Motorradfabriken Zeitschriftenausschnittssammlung Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Unternehmensgeschichte
9.2. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
237
9.2. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 9.2.1 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Firmenlogo der Rapp Motorenwerke und der BMW GmbH, 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Abb. 2: Titelblatt der BMW Flugmotoren-Nachrichten, 1929 . . . . . . .
27
Abb. 3: Gebäudeplan des BMW-Werks an der Moosacher Straße, 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Abb. 4: Leitungsstruktur der BMW AG, April 1918 . . . . . . . . . . . . . . .
49
Abb. 5: Monatliche Fertigung des Flugmotors BMW IIIa, 1918 . . . . .
50
Abb. 6: Belegschaftsentwicklung der BFW, 1916–1918 . . . . . . . . . . . . .
87
Abb. 7: Kursentwicklung der BMW-Aktie, 1926–1934 . . . . . . . . . . . . .
118
Abb. 8: BMW-Motorradproduktion, 1924–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
Abb. 9: Entwicklung des Motorradbestands in Deutschland, 1920–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
Abb. 10: Preisindex für Motorräder auf dem deutschen Markt, 1925–1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Abb. 11: Entwicklung des PKW-Bestandes in Deutschland, 1920–1933
180
Abb. 12: Automobilproduktion in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland im Vergleich, 1925–1933. . . . . . .
181
Abb. 13: Produktionszahlen des BMW-Automobilbaus, 1929–1933 . . .
199
Abb. 14: Entwicklung der deutschen Pkw-Produktion im Vergleich, 1929–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
Abb. 15: Umsatz der BMW AG, 1924–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207
Abb. 16: Investitionen der BMW AG in Sachanlagen, 1925–1933 . . . . .
208
Abb. 17: Entwicklung des Grundkapitals der BMW AG, 1923–1933 . .
209
Abb. 18: Entwicklung der Bankschulden der BMW AG, 1925–1933. . .
210
Abb. 19: Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgewiesene Gewinne der BMW AG, 1924–1933 . . . . . . . . . .
213
Abb. 20: Belegschaftszahlen der BMW AG zum Jahresende, 1918–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
238
9. Anhang
9.2.2 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Belegschaftsentwicklung von BMW und der DaimlerMotoren-Gesellschaft, 1914–1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Tab. 2: Weibliche Beschäftigte bei den Rapp Motorenwerken bzw. BMW, 1914–1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Tab. 3: Personalstruktur der Münchner Rüstungsindustrie, Februar 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
Tab. 4: Personalstruktur der Münchner Rüstungsindustrie in %, Febr. 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
Tab. 5: Stundenverdienst eines Facharbeiters gemäß der bei BMW gültigen Lohntariftabelle, 1918. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
Tab. 6: Aufsichtsratsmitglieder der BMW AG, 1918 . . . . . . . . . . . . . . .
59
Tab. 7: Rohstoffbedarf der BMW AG für die Aufnahme einer Nachkriegsproduktion, 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
Tab. 8: Verteilung des BMW-Aktienkapitals, Februar 1922 . . . . . . . . .
74
Tab. 9: Aktionärszusammensetzung der BFW, 1916–1918. . . . . . . . . . .
86
Tab. 10: Von Castiglioni an BMW übergebene Gegenwerte für Aktien aus der Kapitalerhöhung von 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Tab. 11: Bankschulden von Camillo Castiglioni, Oktober 1929. . . . . . .
120
Tab. 12: Industriesubventionen des RVM bis 1928 (in 1 000 RM) . . . . .
146
Tab. 13: Geplante Aufteilung der Umstellungsanleihe über 9 Mio. RM nach den Beschlüssen der Schlüsselkommission des Reichstages, 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
Tab. 14: Umsatz der BMW-Flugmotorensparte aufgeteilt nach Inlands- und Auslandsabsatz 1927–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Tab. 15: Bestellungen der sowjetischen Handelsvertretung, 1924–1929
156
Tab. 16: Entwicklung des Motorradbestands in Deutschland, 920–1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
Tab. 17: Käufer von BMW-Motorrädern nach Berufsgruppen, 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
Tab. 18: Produktionszahlen und Karosserievarianten des BMW 3/15 PS, 1929–1932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
Tab. 19: Beteiligungen der BMW AG an Unternehmen, 1918–1932 . . .
212
Tab. 20: Gewerkschaftlicher Organisationsgrad der Arbeiter des Münchner BMW-Werks, 1932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220
Tab. 21: Umsatz und Mitarbeiterzahl der BMW AG, 1928–1944 . . . . . .
228
9.3. Quellenverzeichnis
239
9.3. Quellenverzeichnis BMW Konzernarchiv (BMW) Akten FA 4 UA 1 UA 2 UA 3 UA 15 UA 38 UA 45 UA 139 UA 423 UA 434 UA 565 UA 706 UA 743 UA 768 UA 811 UA 1266 XA 9 XA 67
Geschichtliche Abhandlungen, Vorgänge, Lizenzverträge und Schriftwechsel, 1928–1995. Konzern, Verträge, 1926–1960. Unterlagen zur Werksgeschichte, Werk Chronik (versch. Fassungen) II (Rauschert), 1937–1965. Unterlagen zur Werksgesch. bis 1965, Verträge, Protokolle, Vorträge usw., 1916–1966. [Unterlagen zur Werksgeschichte, Chronologische Aufstellungen zur Entwicklung der BMW AG], 1929–1974. Bayerische Motorenwerke ab 1. 1. 23, 1921–1923. Markenzeichen, 1917–1973. Berlin Spandau, 1918–1947. [Städtische Straßenbahnen], 1902–1925. Zur Geschichte der Bayerischen Motorenwerke, 1947. Presseartikel, 1905–1929. [Eisenach – 6], 1927–1951. Vertrag zwischen der Gothaer Waggonfabrik AG und der Bayerischen Motoren Werke Akt.-Ges, 1928–1943. Teilnachlass Rapp, 1891–1923. [Prospekte zur Zulassung neuer Aktien zum Börsenhandel], 1925–1971. Imagebroschüre der Bayerischen Motoren Werke AG, 1919. Dürrwächter, Gotthilf; Unterlagen zum ersten BMW Automobil, 1925–1930. [Konvolut: zahlreiche Kopien aus dem BHStA, erstellt für Buch von Horst Mönnich], 1910–1925.
Druckschriften AK 82/10 AK 110/10 MK 47/10 UU 2/10 UU 3/10 UU 4/10 UU 5/10 UU 6/10 UU 7/10 UU 8/10
BMW 3/15 PS DA 2, Programm, „Herausgehoben aus der Menge der Kraftwagen…“, 1929. „Der neue BMW-Wagen 3/20 PS“ (AM 1), 1932. Kardanwelle und Motorrad, 1931. Geschäftsbericht für das 7. Geschäftsjahr 1922 (Bayerische Motoren Werke A.G.). Geschäftsbericht für das 8. Geschäftsjahr 1923 (Bayerische MotorenWerke A.G.). Geschäftsbericht für das 9. Geschäftsjahr 1924 (Bayerische MotorenWerke A.G.). Geschäftsbericht für das 10. Geschäftsjahr 1925 (Bayerische MotorenWerke A.G.). Geschäftsbericht für das 11. Geschäftsjahr 1926 (Bayerische MotorenWerke A.G.). Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 12. Geschäftsjahr 1927. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 13. Geschäftsjahr 1928.
240 UU 9/10 UU 10/10 UU 11/10 UU 12/10 UU 13/10 UU 1059/10 UU 1060/10 UU 1061/10 UU 1101/10
9. Anhang Bericht der Bayerischen 1929. Bericht der Bayerischen 1930. Bericht der Bayerischen 1931. Bericht der Bayerischen 1932. Bericht der Bayerischen 1933. Geschäftsbericht für das Werke A.G.). Geschäftsbericht für das Werke A.G.). Geschäftsbericht für das Werke A.G.). Geschäftsbericht für das Werke A.G.).
Motoren-Werke über das 14. Geschäftsjahr Motoren-Werke über das 15. Geschäftsjahr Motoren-Werke über das 16. Geschäftsjahr Motoren-Werke über das 17. Geschäftsjahr Motoren-Werke über das 18. Geschäftsjahr 1. Geschäftsjahr 1918 (Bayerische Motoren 2. Geschäftsjahr 1919 (Bayerische Motoren 3. Geschäftsjahr 1920 (Bayerische Motoren 4. Geschäftsjahr 1921 (Bayerische Motoren
Bilder AF 503/2 FF 2118/1 UF 115/4 UF 1064/1 UF 3950/1 UF 3951/1 UF 3952/1 UF 3953/1 UF 3954/1 UF 3955/1 UF 3963/1
Werbemotiv „BMW der Alpenfahrt-Sieger“, 1930. Werbemotiv für den Bayernmotor, 1919–1920. Prospekt für die Motoren der BMW 1921 – Rückseite, 1921. Gruppenfoto zur Verabschiedung von Max Friz bei der Daimler Motorengesellschaft, 1916. Stellenanzeige „Tüchtige Automobilmechaniker gesucht“, 1917. Stellenanzeige „Tüchtige Dreher…gesucht“, 1917. Stellenanzeige „Tüchtige Vertikal- u. Universalfräser sowie Rund- und Innenschleifer gesucht“, 1917. Stellenanzeige „Gesucht werden zwei verlässige Pförtner“, 1917. Stellenanzeige „Tüchtige Werkstattschreiber…sofort gesucht“, 1917. Stellenanzeige „Maschinenbaufach-Arbeiter aller Kategorien (Flugmotorenbau) für sofort gesucht“, 1917. Werbemotiv „Bayern-Motor“ mit Höhenweltrekord, 1919.
Firmenarchiv der Knorr-Bremse AG (Knorr-Bremse) AH 1885 AH 1888 AH 1891 AH 1892 AH 1893 AH 1899 AH 1902 AK 1569
Protokoll der außerordentlichen Generalversammlung der BMW AG vom 9. 11. 1920. Protokoll der Generalversammlung der BMW AG bzw. Süddeutsche Bremsen AG vom 6. 7. 1922. Vertrag vom 18. 6. 1919 zwischen der Knorr-Bremse AG und der BMW AG. Vertrag vom 18. 6. 1919 zwischen der Bahnpatentgesellschaft zu Berlin und der BMW AG. Niederschrift der Gesellschafterversammlung der Maschinenwerke Schleißheimer Straße vom 21. 11. 1918. Handelsregisterauszug: Rapp Motorenwerke GmbH/BMW GmbH, 1913–1917. Handelsregisterauszug: Gründung der Rapp Motorenwerke GmbH, 1913–1917. Süddeutsche Bremse AG. Diverse Unterlagen, 1920–1951.
9.3. Quellenverzeichnis
241
Daimler Konzernarchiv (DAG) Werksangehörige Feldmann-Ganz 11. Kissel Protokolle 1/1, 1926. Kissel Protokolle 1/6, 1931–1932.
Historisches Archiv der Deutschen Bank (HADB) Deutsche Bank Berlin Sekretariat S0140 S0852
Camillo Castiglioni, 1926–1934. Adam Opel AG, 1911–1928.
Archiv der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank (HVB) Sitzungsprotokolle des Aufsichtsrates der Bayerischen Vereinsbank, 1916–1920. Sitzungsprotokolle der Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, 1918. Sitzungsprotokolle der Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, 1919.
Historisches Archiv der Dresdner Bank (HA-DrBk) 3102-2000 7464-2000
BMW AG, 1934–1947. BMW AG, 1926–1946.
MAN Werksarchiv (MAN) Papiere von Richard Buz 79 80
Bayerische Flugzeugwerke, 1916–1921. Bayerische Flugzeugwerke, 1919–1920.
Archiv Nürnberg 171
Bayerische Flugzeugwerke, 1916–1918.
Deutsches Museum München/Archive, Sondersammlungen und Dokumentation (DMM/ASD) Junkers Archiv (JA) 0019 0020 0021 0301_T03 0301_T06
Korrespondenz mit Firmen Deutschland: BMW. Höhenmotor. Bestellung 1924. Technisches, 1922–1924. Korrespondenz mit Firmen Deutschland: BMW. Höhenmotor; Patentrechtl., Lizenzrechtl., 1918–1925. Korrespondenz mit Firmen Deutschland: BMW, 1919–1931. Junkers-Flugzeugwerke von 1919 bis 1935: Allgemeines, 1920. Junkers-Flugzeugwerke von 1919 bis 1935: Allgemeines, 1921.
242
9. Anhang
Archiv der Münchner Arbeiterbewegung (AdMA) Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München über das Jahr 1917. Geschäftsbericht des Deutschen Metallarbeiter-Verbands. Ortsstelle München 1918–1920. Lokale Mitteilungen an die Mitglieder des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Verwaltungsstelle München vom Februar 1926. Lokale Mitteilungen an die Mitglieder des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Verwaltungsstelle München vom Februar 1927.
Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) 01-220 NL Hugo Stinnes 191/5
Bayerische Motoren Werke, 1918.
01-723 NL Else Stinnes 180, Mappe 21
Deutsch-Luxemburg erwirbt Hansa u. Brandenburgische Flugzeugwerke Brandenburg und Beteiligung an Bayr. Motorenwerke von Camillo Castiglioni, 1918.
Stadtarchiv Eisenach (StadtAE) Stadtverwaltung Eisenach 11-911 11-703-4
Sanierung Fahrzeugfabrik Eisenach, 1926. Hauptamt: Bayerische Motorenwerke, 1926–1933.
Stadtarchiv München (StadtAM) Polizeimeldebögen (PMB) A 63. F 296. W 207.
Gewerbeamt 273b 544 827
Wirtschaftliche Lage. Monatsberichte der Handelskammer München, 1921–1924. Arbeitsordnungen von Münchner Betrieben, 1892–1930. Tarifbewegungen bei der Firma Gustav Otto Flugwerke, 1913–1919.
Verkehr Nachtrag 311
Süddeutscher Aero-Lloyd, 1924–1926.
Zeitungsausschnittssammlung (ZA) 291
Firmen: BMW, 1918–1932.
9.3. Quellenverzeichnis
243
Nachlass Hans Hirschhorn 6
Materialien und Korrespondenz der Werbeabteilung bei BMW, insbesondere Kontaktpflege mit Firmenvertretern, 1928–1931.
Staatsarchiv München (StAM) Spruchkammerakten (Spka) Karton 1341
Popp, Franz Josef.
Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA) Kriegsarchiv K.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion. OKFlug 1915 IV-2-4. V-1-1. X-1-5. K.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion. OKFlug 1916 IV-1-1. V-1-2. XI-6-1. K.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion. III.G.G. Abt. 5.10.11 1917 10 A/1. 12 A/1. 11 C/1. 11 C/2. K.u.k. Kriegsministerium, Marinesektion. III.G.G. Abt. 5.10.11 1918–1921 7 A/3. 11 C/2.
Bundesarchiv Berlin (BArchB) NY 4060 Nachlass Kurt Eisner 4
Persönliche Dokumente – Biographisches Material – Politische Prozesse gegen Kurt Eisner, 1897–1921.
RY1 I 3/28 KPD. Bezirk Südbayern 2 3 32
Bezirksparteitage KPD Südbayern, 1927–1929. Bezirksparteitage KPD Südbayern, 1930–1933. Gewerkschaftsarbeit, 1923–1932.
R 2 Reichsfinanzministerium 290
Bayerische Motoren Werke, 1919–1924.
R 5 Reichsverkehrsministerium 3856 3857
Flugzeugmotoren-Wettbewerbe Bd. 1, 1911–1916. Flugzeugmotoren-Wettbewerbe Bd. 2, 1914–1916.
244
9. Anhang
R 101 Reichstag des Deutschen Reiches 1406
Protokolle des Ausschusses für den Reichshaushalt Bd. 211, 1928.
R 901 Auswärtiges Amt 40802
Akte zur Einfuhr österreichischer Automobile und den sich ergebenden Konflikten mit der deutschen Industrie, 1920–1924.
R8119F Deutsche Bank 5037 P3069 P3070 P3071 P3072 P3073 P3074 P3075 P3076 P3080 P3087 P3088 P3092 P3098 P3099 P3100 P3102 P3103 P3106 P3109 P3110 P3111
Deutsche Lufthansa AG, Berlin. Aufsichtsratsakte. Handakte Stauß Bd. 1, 1926–1927. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG, 1930. Deutsche Bank und Diskontogesellschaft – Generalsekretariat Dr. Von Stauss – Bayer. Motorenwerke – Allgemeines, 1930–1931. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines, 1931. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines, 1931–1932. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines, 1932–1934. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines, 1934–1936. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines,1936–1938. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Allgemeines, 1938–1940. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke – Aufsichtsratsakte, 1929. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. v. Stauss – Bayerische Motorenwerke A.-G. – Bilanzen, 1929–1932. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Bilanzen, 1933–1936. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Berichte, 1932–1935. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motoren Werke, 1932–1944. Deutsche Bank und Diskonto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motoren Werke – Abschlussprüfung 1939. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke – Monatsberichte, 1930–1932. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. v. Stauss – Bayerische Motorenwerke A.-G., 1926–1929. Deutsche Bank und Diskonto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG. – Revisionsberichte, 1932–1934. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Personalien, 1934–1937. Deutsche Bank und Diskonto Gesellschaft – Generalsektretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke AG – Personalia, 1930–1933. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Personalia, 1924–1942. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke – Personalia, 1929–1935.
9.3. Quellenverzeichnis P3112 P3119 P3123 P3124 P3125 P3127 P3130 P3146 P3173a P3197 P3198 P3205
245
Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsektretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke A.G. – Personalia, 1929–1931. Deutsche Bank und Disconto – Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss, 1930–1931. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke – Ersatzteil Preisdifferenzen mit dem RLM, 1935–1936. Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. v. Stauss – Bayer. Motorenw. – Lizenz Austin, 1926–1932. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsektretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke A.G. – „Russenprozess“, 1929–1930. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke, 1931–1936. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke, 1926–1929. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat Dr. von Stauss – BMW Flugmotorenbau GmbH – Allgemeines, 1938–1942. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Bayer. Motorenwerke, 1926–1935. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss, 1928. Deutsche Bank und Disconto Gesellschaft – Generalsekretariat – Dr. von Stauss – Daimler-Benz AG Stuttgart-Untertürckheim. – Aufsichtsratsakte, 1928–1929. Deutsche Bank und Diskontgesellschaft – Generalsekretariat Dr. von Stauss – Daimler-Benz – BMW – Zusammenarbeit, 1931–1935.
R 8135 Deutsche Revisions- und Treuhand AG 5013 5247
Bayerische Motorenwerke AG, 1932. Bayerische Motorenwerke AG, 1929–1932.
Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg (BArch-MA) PH 24 Technische Truppen und Einrichtungen 90
Flugwesen. – Flugzeugmotore; Materialprüfung Heft 2, 1913.
PHD 11 Generalinspektionen und Inspektionen 43
Geschichte der deutschen Flugzeugindustrie. Bearbeitet von der Inspektion des Luftfahrtwesens, Zentral-Abnahme-Kommission (Z.A.K.VII) Stand Sommer 1918.
RH 2 Oberkommando des Heeres/Generalstab des Heeres 56 66 1130
Offiziersbedarf im Mob.Fall. Besprechungen, 1934–1935. Die russische Rote Luftflotte. – Bericht des Hptm. a. D. Martin Fiebig vom 14. 1. 1927. Auseinandersetzung Reichswehrministerium ./. Junkers-Flugzeugwerke AG wegen der Errichtung eines Flugzeugwerkes durch Junkers in Fili/ Russland und des daraus sich ergebenden finanziellen Belastung für die Junkers Flugzeugwerke, 1926.
246 2211 2228
9. Anhang Luftrüstung. – Arbeitsprogramme zur Entwicklung von Flugzeugen, Flugzeugbewaffnung und Gerät Bd. 1: 1926–1928. Luftrüstung. – Entwicklung der Luftfahrt unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse der Landesverteidigung Bd. 2: 1928–1929.
RH 8 I Heereswaffenamt 3596 3604 4511
Organisation, Gliederung und Aufbau von Wehrmacht und Heer. – Kriegsspitzengliederung, 1928–1933. Organisation und Tätigkeit des Heereswaffenamtes/Wa. 1 sowie Einflussnahme auf die Luftfahrtindustrie, ferner Durchführung von Arbeitsund Versuchsprogrammen in Luftfahrtangelegenheiten, 1924–1926. Flugmotorenentwicklung Bd. 1: Jan. 1924–Febr. 1926.
RH 12-1 Akten der Inspektion der Kriegsschulen 39 40 56
Beobachtung und Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie, technische Entwicklungen und Forschungen auf dem Gebiete der Luftfahrt und dgl. Bd. 1: Mai-Nov. 1929. Beobachtung und Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie, technische Entwicklungen und Forschungen auf dem Gebiete der Luftfahrt und dgl. Bd. 3: Juli 1931–Jan. 1932. Beschaffung, Entwicklung und Erprobung von Flugzeugen, Fluggerät und Bewaffnung sowie Zusammenarbeit mit der Roten Luftwaffe Bd. 2: Mai 1920–März 1931.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (ThHStA Weimar) Deutsche Bank 269
Kapitalerhöhung 1921 und Fusion Fahrzeugfabrik Eisenach AG mit Gothaer Waggonfabrik AG, 1921–1922.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BHStA) Abteilung I: Allgemeines Staatsarchiv Bayerische Gesandtschaft in Berlin 1216 Wirtschaft und Verkehr. Allgemeines und Einzelfälle, 1907–1918. 1909 Luftfahrtwesen, Luftverkehrsgesetz, 1919–1926. 1917 Darlehen aus Hilfskasse für gewerbliche Unternehmungen; Industriedarlehensgesuche bayerischer Firmen, 1919–1925. Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren (MA) 71898 Anbringung des bayer. Rautenwappen in dem Firmenzeichen, hier Gesuch der Rapp Motorenwerke München, 1917. 92154 Errichtung eines serbischen Konsulats in München, 1883–1914. 92745 Die Arbeiterbewegung in Deutschland. Bd. I, insbesondere Streikbewegungen Anfang 1918, 1918. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit (MArb) 314 Ausstandsbewegungen während des Krieges, 1917.
9.3. Quellenverzeichnis
247
Bayerisches Staatsministerium für Soziale Fürsorge (MFür) 233 Arbeitseinstellungen im Regierungsbezirk Oberbayern Bd. 2, 1919–1921. 299 Schiedssprüche der Schlichtungsausschüsse von besonderer Bedeutung, 1919–1929. 389 Metallindustrie, Bd. 2; hier: Tarifangelegenheiten, 1921–1922. Bayerisches Ministerium für Industrie, Handel und Gewerbe (MH) 13600 Metallindustrie, 1919–1922. 13901 Wahl von Betriebsräten, 1919. 15984 Knorr-Bremse-Aufträge, 1919–1920. 15986 Otto-Flugzeugwerke, München, 1914–1919. 16033 Vaterländischer Hilfsdienst, hier: Arbeiterausschüsse Bd. I, 1916–1918. 16158 Allgem. Erlasse des bayer. Demobilmachungs-Kommissars, 1918–1924. 16162 Demobilmachung, Besprechung bei den Oberbürgermeistern der wichtigsten Industriestädte, 1918. Bayerisches Staatsministerium des Inneren (MInn) 66282 Krieg 1914–1918, Demonstrationen, Streiks, Unruhen, pol. Umtriebe, usw. 66563 Luftschiffahrt und Fliegerwesen Bd. I, 1901–1912. 66568 Luftschiffahrt und Fliegerwesen Bd. VII, 1919–1920. 66570 Luftschiffahrt und Fliegerwesen Bd. IX, 1921–1923. Bayerisches Staatsministerium der Justiz (MJu) 10693 Wirtschaftliche Demobilmachung, 1919–1927. 16387 Lohnzahlungen für Streiktage, 1919–1922. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr (MWi) 5634 Empfehlung bayer. Firmen im Auslande Bd. II, 1924–1933. 5635 Wirtschaftliche Lage (Allgemeines), 1920. 5636 Wirtschaftliche Lage (Allgemeines), 1921–1927. 5893 Förderung von Industrie und Gewerbe, 1906–1927. 6886 Motorenindustrie, 1923–1943.
Abteilung IV: Bayerisches Kriegsarchiv Inspektion des Militärischen Luftfahrtwesens (ILuft) 50 „Erweitertes Programm“, 1917–1918. 64 Flieger, Mobilmachung III, 1915. 103 Geheim, IV a, 1916–1918. 111 Inspekteur, preuß. ILuft, 1918. 118 Kampfflugzeuge. 1915–1916. 147 Motorenbauaufsicht (Moba), Allgemeines, 1917–1919. 148 Motorenbauaufsicht München A, 1918. 149 Motorenbauaufsicht München A, 1918. 152 Bayerische Flugzeugwerke, 1916–1918. 201 Personal der Flugzeugfabriken, III, 1917–1918. Bayerisches Kriegsministerium, NL Müller (MKr) 17300 [Mappen zu mehreren bayerischen Firmen, darunter eine zu BMW], 1917–1920. 17345 Aufträge der Beschaffungsstelle „Flugzeugmeisterei“ in Berlin, Bd. 1, 1918–1919.
248
9. Anhang
Bayerisches Kriegsministerium (MKr) 1383 Fliegerwesen Okt. 1913–Febr. 1914. 1384 Fliegerwesen März 1914–Juli 1914. 1386 Fliegerwesen April 1915–Januar 1916. 1387 Fliegerwesen Februar 1916–Oktober 1916. 1388 Fliegerwesen November 1916–1917. 1389 Fliegerwesen 1918. 14197 Arbeiterbeschaffung 3. 11. 1916–22. 4. 1917. 14198 Arbeiterbeschaffung 23. 4. 1917–30. 6. 1917. 14202 Arbeiterbeschaffung 22. 3. 1918–30. 4. 1918. 14307 Bayer. Preisprüfungsstelle für Heereslieferungen 11. 5. 1918–1. 3. 1919. 14312 Hilfsdienstgesetz – Ausschüsse 1. 6. 1917–20. 11. 1917. 14380 Organisationspläne und Wochenberichte der Kriegsamtsstelle 15. 5. 1918– 30. 8. 1918. 14382 Organisationspläne und Wochenberichte der Kriegsamtsstelle 11. 11. 1918– 2. 7. 1919. 14446 Privat- und Rüstungsindustrie 18. 12. 1917–14. 10. 1918. Stellvertretendes Generalkommando I. bayerisches Armee Korps (Stv. Gen. Kdo. I. b.A.K.) 72 Wirtschaftliche Demobilmachung Kreisausschüsse, 1917–1919. 78 Berichte der Truppenteile über den Vollzug der Demobilmachung, 1919. 709 Tätigkeits- und Wochenberichte der Kriegsamtsstellen München und Nürnberg und der nachgeordneten Referate 1918/19. 946 Ausrufung des Kriegszustandes, 1914–1918. 1029 Lohnbewegung, Kriegsbedingte und widerrechtliche Kürzungen der Löhne und Gehälter (vornehmlich bei Münchner Firmen), 1914–1918. 1372 Unruhen, Personalaufläufe, Streiks, Mai-Feiern, Lebensmittel-Krawalle, 1916–1919. 1373 Unruhen, Streiks, Stimmung im Heer und in der Heimat, Polizeiliche Maßnahmen, Einschreiten der bewaffneten Macht 1916–1918. Bund 16, Akt. 4a Frauen in der Kriegsindustrie im I. bayer. Armee-Korps, 1917–1918.
Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen Presseausschnittssammlung Rehse 3157 Betriebsräte, 1919–1921. 3508 Automobil-, Motorrad- und Luftfahrtindustrie, 1926–1934. Slg. Varia 22
KPD, 1925–1935.
Ministero degli Affari Esteri 9.3.1.1 Affari Politici Pacco 844 (1924) Austria, Fasc. „Banca Castiglioni“, 1924. 9.3.1.2 Archivio del Commercio Austria. Classe 28, Fasc. „Azioni dell’Alpine Montangesellschaft“, 1920–1922. 9.3.1.3 Rappresentanze diplomatiche italiane in Vienna (1922) Busta 269, Fasc. 4 „Vertenza tra il finanziere italiano Camillo Castiglioni ed il fisco austriaco“, 1922.
9.4. Literaturverzeichnis
249
9.4. Literaturverzeichnis Periodische Publikationen Allgemeine Automobilzeitung. BMW Flugmotoren-Nachrichten. BMW Blätter. Hausmitteilung der Bayerischen Motoren Werke. BMW Werkzeitschrift. Der Industriebau. Der Motorwagen. Der Motor. Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften. Motor-Kritik. Münchner Augsburger Zeitung. Münchner Neueste Nachrichten. Münchner Post. Nachrichten für Luftfahrer. Reichsgesetzblatt. Vorwärts.
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9. Anhang
9.5. Register Personenregister Adametz, [Vorname unbekannt] Arnau, Frank 112–113 Auer, Erhard 42–43 Auspitzer, Julius 12–13 Aust, Hermann 12
18
Bachstein, Hermann 85–86 Bange, [Vorname unbekannt] 5, 49 Bäumker, Adolf 151 Benz, Carl 61 Bernstein, Sigmund 13, 53 Binder, Walter 145, 147 Böhm, Josef 59 Bomhard, [Vorname unbekannt] 11 Brandenburg, Ernst 105, 122, 128, 150–152 Buttlar, Waldemar von 114, 151, 203–204 Castiglioni, Camillo 7, 15–19, 53 ff., 61, 65, 72, 83, 90 ff., 100 ff., 103 ff., 108, 111, 114–115, 116 ff., 130–131, 139, 147, 152, 159–160–161, 185, 187, 188, 190, 198, 211, 213–214, 223–225, 229, 231–233 Comes, Josef 55, 59 Daimler, Gottlieb 61 Daimler, Paul 21 Dietrich, Hans Christian 58–59 Dilk, [Vorname unbekannt] 49 Dornier, Claude 109, 129 Dümler, Otto 13, 24, 47 Dürrwächter, Gotthilf 218 Eisner, Kurt
Graf von und zu Lerchenfeld, Hugo Max 11 Grill, Ernst 16–17, Groener, Wilhelm 28 Guérard, Theodor von 141 Hagemann, Friedrich 47, 49 Heinkel, Ernst 54, 109, 129 Henne, Ernst Jakob 171 Hergt, Raimund 142, 161 Hildebrand, Wilhelm 74 Hille, Fritz 113, 228 Hindenburg, Paul von 20 Hirschhorn, Hans 172 Hörauf, [Vorname unbekannt] Janson, Fritz 204 Johnson, H.C. 195 Joseph, [Vorname unbekannt] Junkers, Hugo 52, 61, 127
49
58–59
Kamm, Wunibald 151, 186 Kandt, [Vorname unbekannt] 187 Kissel, Wilhelm 197 Kleine, [Vorname unbekannt] 198 Klopfer, Fritz 113, 115, 219 Koeth, Joseph 63 Königsberger, Kurt 63 Laeisz, Erich 13 Lahs, Rudolf 151 Listemann, Fritz 203–204 Ludendorff, Erich 20 Lynen, Wilhelm 24
42
Fankorsky, [Vorname unbekannt] 39 Farrenkopf, Wilhelm 27 Ford, Henry 182 Frank, Theodor 188 Friz, Emil Hugo 114 Friz, Max 21–25, 47, 49, 60–61, 94, 109, 114, 124, 164–165, 186, 219, 232 Ganz, Josef 197 Goldschmidt, Jakob 59 Goldstein, Paul 189–90 Gradewitz, Richard 74
Milch, Erhard 110, 142, 150–151 Mühlig-Hoffmann, Albert 110 Müller, Otto Max 203, 214–215 Mussolini, Benito 93 Neubroch, Arnold 111–113, 124 Neumeyer, Fritz 57–59 Neurath, Otto 77 Opel, Fritz 190, 201 Opel, Wilhelm 190, 201 Otto, Gustav 83–86
259
9.5. Register Pilette, Theodor 89 Popp, Franz Josef 18–19, 21, 24, 41, 47, 49, 59, 61, 69, 72, 78–79, 91, 94–95, 97, 106–107, 108 ff., 121–124, 132–133, 139, 142–143, 145, 149–151, 153, 160, 174, 185–186, 190, 195, 197, 200, 203, 219, 221–223, 228, 232–233
Stinnes, Hugo 10, 54–57, 93 Stolle, Martin 114, 164 Strauß, Wilhelm 59, 67, 72, 108 Student, Kurt 127
Rapp, Karl 10 ff., 21, 24–25, 60–61, 219 Rossi, Adolfo 98
Vielmetter, Johannes 74 Vignier, Robert 219–220 Vögler, Albert 54–56 Vogt, Leopold 104, 127, 132 Vogtenberger, Curt 114 Voigt, Richard 114–115, 122, 219 Volkmann, Hellmuth 104 Vollard-Bockelberg, Alfred von 204 von Dandl, Otto 43
Sachsenberg, Gotthard 148, 150 Schacht, Hjalmar 55–56 Schapiro, Jakob 188–190 Schippert, Carl 107 Schleicher, Rudolf 114 Schmid, Max 215 Schnaitmann, Karl 89 Schuchhalter, [Vorname unbekannt] 116 Schwager, Otto 151 Seeckt, Hans von 128 Stauß, Emil Georg von 4, 107, 116, 122–123, 142, 150, 174, 190, 198, 200, 214–215, 221, 224, 228, 232–233 Steinberg, Joseph 116–117, 160
Taylor, Frederick Winslow Toeplitz, Josef 94
182
Wagenführ, Felix 21–22 Waldschmidt, Walter 74 Weydenhammer, Rudolf 118, 122 Wiedmann, Max 13, 18–19, 21, 24–25, 47, 49, 54 ff., 60–61, 108, 230 Wilberg, Hellmut 127 Wittmann, Oskar 47 Wollweber, [Vorname unbekannt] 49
Produkt-, Marken-, Unternehmens- und Institutionenregister Adam Opel GmbH 50–51, 177, 190–191, 194–195, 201–202, 205 Adlerwerke AG 189 Aero-Diesel 212 Aktien-Automobilfabrik J. Walter & Co. 95 Albatros-Flugzeugwerke GmbH 84–86, 90, 146, 149 Allauto-Kraftfahrzeug Handelsgesellschaft AG 211–212 Alpine-Montanunion AG 54, 93 Alte Heide Gemeinnützige Baugesellschaft 211–212 Ambi-Budd 192–193, 196, 198 Ambi-Maschinenbau AG 192 Arado Flugzeugwerke AG 146, 149 Ardie 168 Austin Motor Company Ltd. 186, 191, 194–195, 223 – Austin Seven 186, 191–192, 194, 202, 212 Austro-Daimler-Motor AG [Berlin] 96–98, 211
Austro-Daimler-Motoren AG [Wiener Neustadt] 1497–98, 18–19, 47, 90, 96–98, 111, 185, 211 Austro-Fiat AG 111 Automobil & Karosserie AG 89 Bahnpatentgesellschaft 71 Banca Commerciale Italiana 94, 98, 120 Bank voor Handel en Credit 117, 120, 159 Bankhaus A.E. Wassermann 107 Bankhaus Hagen & Co 120 Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW) 25, 35–36, 99 ff., 94–96, 101, 164, 229 – BFW Flink 89, 96, 164 – BFW Helios 89, 96, 164 Bayerische Geschützwerke AG 25, 35–36, 42–43 Bayerische Handelsbank 58 Bayerische Hypotheken- und WechselBank 58 Bayerische Luftbild-Gesellschaft mbH 66–67
260
9. Anhang
Bayerische Motoren Werke AG (BMW AG) 52 ff. – BMW II 51, 67 – BMW IIIa 22–24, 29, 31–32, 44, 46, 49–52, 56–57, 59–62, 67–68, 95, 124, 134, 141, 143, 149, 156–157, 161–162, 165, 230–231, 233 – BMW IV 52, 95, 103–104, 134, 147, 155–156, 161 – BMW V 136 – BMW Va 135 – BMW VI 104, 134–135, 147, 149, 156, 158–161, – BMW IX 137, 162 – BMW IXa 162 – BMW XII 161 – BMW 132 140 – BMW Hornet 137, 139–140, 147, 223 – BMW M 2 B 15 164 – BMW R 2 170, 176 – BMW R 32 164–165 – BMW R 37 167 – BMW 3/15 PS 178, 184, 193–195, 198–200, 202 – BMW 3/20 PS 194–195, 197–198, 200, 202 – BMW F 50 187 – BMW F 65 187 – BMW F 70 187 – BMW F 76 196–197 – BMW F77 196–197 – BMW Wasp 137, 139, 223 Bayerische Motoren Werke GmbH (BMW GmbH) 24 ff., 52 ff., 61–62, 229–230 Bayerische Vereinsbank 52, 58–59 Bayerischer Staatskommissar für Demobilmachung 63, 65, 88, 100 Bayerisches Kriegsministerium (MKr) 3, 11, 14, 16, 24, 30, 33–34, 43, 54, 57–59, 61–62, 83–85 – Inspektion des militärischen Luftfahrtwesens (ILuft) 14, 29, 33 – Inspektion des bayerischen Ingenieur-Korps 14 – Kriegsamt 28–29 Bayerisches Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe (MH) 95–96 Bayerisches Staatsministerium für Soziale Fürsorge (MFür) 80 Bayerisches Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten 72
Benz & Cie AG 106, 188–189 Bristol Aircraft Company 138–139 – Bristol Jupiter 138–139 Chevrolet 194 Christlicher Metallarbeiterverband 220–221 Chrysler Motor Corporation 181 Cyklon Maschinenfabrik GmbH 189 Daimler-Benz AG 105–107, 123, 189–190, 196–198, 202, 215, 219 Daimler-Motoren-Gesellschaft mbH 10, 14, 21, 30–32, 51, 55–56, 106, 177, 186, 189 – Daimler II 51 – Daimler IIIa 23, 44 Darmstädter Bank für Handel und Industrie 85–86, 90 Darmstädter und Nationalbank (DANAT) 107, 189–190 Demobilmachungsstelle München 79 Depositenbank 92, 99 Deutsche Bank AG 4, 7, 99, 105–108, 116 ff., 152, 189–190, 197, 214–215, 223–226, 232–233 Deutsche Lufthansa (DLH) 103, 110, 129–130, 134–136, 140–142, 145, 147, 150–151, 211 Deutsche Revisions- und Treuhand AG 122, 188, 198, 213 Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 10, 134–135, 151 Deutscher Aero-Lloyd 211–212 Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV) 10, 38, 79–80, 183, 220–221 Deutsch-Luxemburgische Bergwerksund Hütten-AG 54–56 Disconto-Gesellschaft 107, 188–189 DKW 167–168, 191, 194 Dornier-Metallbauten GmbH 110, 126, 146, 149 Douglas Motors Ltd. 164 D-Rad 168 Dresdner Bank 110 Edward G. Budd-Manufactoring Company 192 Ernst Heinkel Flugzeugwerke 110, 128, 146, 149 F.N. Motorengesellschaft mbH
176
261
9.5. Register Fahrzeugfabrik Eisenach AG 1–2, 111, 119, 187 ff., 191–192, 196, 198, 201–205, 208, 210, 212, 222–224, 234 – Dixi 3/15 PS 191–192 Farman 137 Fiat 93 Flugmaschinenwerke Gustav Otto 83–86 Flugwerk Deutschland GmbH 10–12, Focke-Wulf-Flugzeugwerke AG 146, 149 Fokker Flugzeugwerke AG 54, 133, Ford Motor Company 177, 181, 194 – Ford Model T 177 Friedrich Krupp AG 10, 42, 44 Fritz Neumeyer AG 58–59 Gasmotoren-Fabrik Deutz AG 51 General Motors Company 181, 190, 201 Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmen 104, 157 Goosen 70 Gothaer Waggonfabrik AG 187–189 Hannoversche Maschinenbau AG (Hanomag) 195, 202 Hansa und Brandenburgische Flugzeugwerke GmbH 15, 54–55, 114, 211 Hansa-Lloyd-Werke AG 189 Hispano-Suiza 153 Illies & Co. 161 Interalliierte Luftfahrtüberwachungskommission 125 International Investment Company (IIC) 95, 97, 117, 131, 159–161 Junkers Flugzeugwerke AG 126, 128, 131–134, 144–146, 148–150, 155, 162, 233 – Junkers Ju 52 140 Junkers Motorenwerke GmbH 138, 141, 153–154 – Junkers Jumo 4 140 K.u.k. Kriegsministerium 3, 69 – Abteilung Marinesektion 14–19, 23, 60 – k.u.k. Luftschiffertruppen 14–15 Karwa 69 Kawasaki Dockyard 161–162 Knorr-Bremse AG 71–74, 94–95, 101, 108, 130, 223, 231 Köllmann-Werke AG 212
Königlich-bayerischer Obersthofmeisterstab 25–26 Kraus & Co. 34–36 Kustermann 35–36 L.A. Riedinger Maschinen- und Bronzewarenfabrik AG 24, 33 Leonhard Moll AG 46 Lohnerwerke GmbH 15 Ludwig Loewe AG 71, 74 Luft-Verkehrs-Gesellschaft (LVG) 83–85 Maffei 34–36 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) 25, 33, 85–86, 90–91 Maschinenwerke Schleißheimer Straße GmbH 59 Maybach-Motorenbau GmbH 22 – Maybach IVa 22 Motoren- und Flugzeug-Gesellschaft mbH München 11 Motor-Luftfahrzeuggesellschaft mbH (MLG) 14–16, 95 Nationalbank für Deutschland AG 52, 55, 58–59 Nationale Automobil-Gesellschaft AG (NAG) 189 Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) 220–221 Neckarsulmer Fahrzeugwerke AG (NSU) 163, 168, 170 Oberste Heeresleitung (OHL) Oertz Werft 210–212
20
Pfalz Flugzeugwerke GmbH 33 Ploetz & Co. 11–12 Pratt & Whitney Aircraft Company s. United Aircraft & Transport Corporation Preußisches Kriegsministerium 24, 30, 34, 54, 57, 59. 67–68 – Kriegsamt 28 – Inspektion der Fliegertruppen (IdFlieg) 14, 21–22, 29, 32, 44, 51–52, 55–58, 61–62, 67–68, 89, 151 – Flugzeugmeisterei 21–22 Puch-Werke 111 Pulsgetriebe GmbH Eisenach 212 Rapp Motorenwerke GmbH 29 ff., 60–62, 229–230
12 ff., 26,
262
9. Anhang
Rateau 137 Reichsbahn 70–71, 101 Reichsdemobilmachungsamt 63 Reichsfinanzministerium 68 Reichsluftfahrtministerium (RLM) 1, 140, 151, 203, 227–228 Reichsschatzministerium 68–69 – Hilfskasse für gewerbliche Unternehmen 69 Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) 180 Reichsverband der deutschen Luftfahrtindustrie 151 Reichsverkehrsministerium (RVM) 103–105, 107, 110, 116, 120, 122–123, 127–130, 134 ff., 144 ff., 162–163, 211, 223, 225 Reichsverwertungsamt 67, 89 Reichswehrministerium (RWM) 103–105, 107, 116, 120, 123, 127 ff., 131 ff., 134 ff., 150–151, 154 ff., 162–163, 190, 203–204 Revolutionärer Gewerkschaftsbund (RGO) 220–221 Rheinmetall AG 223 Robert Bosch GmbH 44, 183 Rohrbach Metallflugzeugbau GmbH 130, 146, 148–149 Rolls-Royce 153 Rote Armee s. Sowjetunion Schlichtungsausschuss München 79–80 Schwäbischen Hütten Werke GmbH (SHW) 151, 186 Schwarz, Goldschmidt & Co. 120 Semperit AG 92 Siemens & Halske AG 10, 138–139, 144, 146, 149, 153–154, 222, 233
Société Automobiles L. Rosengart 192, 212 Société des Moteurs Gnôme et Rhône 138, 153 Sowjetunion 104, 116, 127, 131–134, 139, 147–148, 151, 154 ff., 233 Süddeutsche Bremsen AG 94 Süddeutschen Aero-Lloyd 211–212 Triumph Motorcycle Ltd.
168
Überwachungsausschuss der Motorradwirtschaft (Übamo) 175–176 Ungarische Pferdezucht AG 119 United Aircraft & Transport Corporation 110, 137, 139–140, 152, 163, 222–223 US-Navy 138 Verband Bayerischer Metallindustrieller 80 Vereinigte Stahlwerke AG 183 Vereinigung deutscher Motorradfabriken (VDM) 170, 174–176 Verteidigungsministerium der Tschechoslowakei 95 Victoria Werke AG 70, 164 Wanderer-Werke AG 163 Warrant GmbH 89 Wayss & Freytag AG 46 Württembergisches Kriegsministerium 55 Zenith 135 Zünder- und Apparatebaugesellschaft Nürnberg (Zündapp) 58, 168, 223